Wandlungen des lyrischen Bildes in der Liebeslyrik - Materialsatz
Wandlungen des lyrischen Bildes in der Liebeslyrik - Materialsatz
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denbaum, ewige Treue, Schwur, Kuss. Auch an Dim<strong>in</strong>utiven fehlt es nicht: Liebchen,<br />
Äugle<strong>in</strong>. Das Rokoko sche<strong>in</strong>t auf im sechsten Vers, im heiteren Kichern, Kosen, Küssen.<br />
Gebrochen wird die romantische Folie durch den Biss, die unzweideutige Antwort <strong>der</strong><br />
Angesungenen. Das lyrische Ich enthält sich jedoch nicht e<strong>in</strong>er differenzierten Bewertung<br />
am Schluss <strong>des</strong> Gedichts.<br />
Über 10.000 Mal wurden Gedichte aus dem »Buch <strong>der</strong> Lie<strong>der</strong>« vertont. E<strong>in</strong> Beispiel f<strong>in</strong>det<br />
sich auf <strong>der</strong> Begleit-CD.<br />
„Mir träumte wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> alte Traum“, e<strong>in</strong>e Vertonung<br />
<strong>des</strong> Gedichts im Zusammenhang mit<br />
dem Literatur-Café<br />
he<strong>in</strong>e_mir_traeumte_wie<strong>der</strong>_<strong>der</strong>_alte<br />
_traum.mp3<br />
7 Bertolt Brecht: <strong>Liebeslyrik</strong> im Kontext <strong>des</strong><br />
epischen Theaters<br />
Von <strong>der</strong> zwanzigbändigen Gesamtausgabe <strong>des</strong> Werks von Bertolt Brecht entfallen<br />
immerh<strong>in</strong> drei Bände auf Gedichte. Für diese Arbeit soll beispielhaft e<strong>in</strong> Gedicht betrachtet<br />
werden, das nicht eigentlich alle<strong>in</strong>e zu betrachten ist, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als Teil e<strong>in</strong>es<br />
größeren literarischen Textes, e<strong>in</strong>es Stücks, wie Brecht se<strong>in</strong>e Dramen nennt. Zugleich<br />
gehört es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Reihe von Liebessonetten zum Thema käufliche Liebe o<strong>der</strong> unpersönliche<br />
Liebe, die Brecht <strong>in</strong> den Zwanzigern schrieb.<br />
„Die Liebenden“ 61 ist als Song <strong>in</strong> <strong>der</strong> Oper „Aufstieg und Fall <strong>der</strong> Stadt Mahagonny“<br />
enthalten. In <strong>der</strong> 14. Szene, vor <strong>der</strong> Kulisse e<strong>in</strong>er ärmlichen Bar, s<strong>in</strong>gen ihn die Prostituierte<br />
Jenny und <strong>der</strong> Holzfäller Paul Ackermann im Wechsel. Auf den kommentierenden Tafeln<br />
im H<strong>in</strong>tergrund liest <strong>der</strong> Zuschauer den m<strong>in</strong>imalen Text „LIEBEN“ <strong>in</strong> riesigen Lettern. Das<br />
Gedicht ist hier im die letzten Verse auftrennenden Satz <strong>des</strong> Operntextes wie<strong>der</strong>gegeben,<br />
die Zuordnung zu Jenny und Paul <strong>in</strong> <strong>der</strong> rechten Spalte angezeigt. Die Verszahlen zeigen<br />
die Anordnung <strong>in</strong> Gedichtform. Die letzte vier Verse s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fassung enthalten,<br />
die Brecht 1952 <strong>in</strong> »Hun<strong>der</strong>t Gedichte« aufnahm.<br />
Die Bildlichkeit dieses Gedichts kontrastiert den düsteren dramatischen Kontext, verlagert<br />
den gesamten Themenkomplex Liebe <strong>in</strong> die geradezu schwerelose Sphäre <strong>der</strong> Luft und<br />
<strong>des</strong> Fluges. Als Kraniche ersche<strong>in</strong>en die Liebenden.<br />
Die sie begleitenden Wolken s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Symbol für die Liebe: schwerelos, ohne Ziel treibend,<br />
<strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verschlungen. 62<br />
Im Dialog entfaltet sich e<strong>in</strong> Bild re<strong>in</strong>er Liebe, durch Höhe geschieden von den elenden<br />
Lebensbed<strong>in</strong>gungen am Boden, dem Ort kapitalistischer Realität. Wenn sich die Prostituierte<br />
Jenny dabei dennoch e<strong>in</strong>es von Schwärmerei freien Vokabulars bedient, kommt<br />
hier Brechts lyrische Position seit Mitte <strong>der</strong> zwanziger Jahre – <strong>in</strong> Abgrenzung zu Ra<strong>in</strong>er<br />
Maria Rilke, Franz Werfel o<strong>der</strong> Stefan George - zum Ausdruck:<br />
Brechts revolutionärste Tat als Dichter war das, was er die ‚Sprachwaschung’ nannte. Damit,<br />
daß er se<strong>in</strong>e Diktion von allem ornamentalen und sentimentalen Beiwerk entkleidete, vermied<br />
61 Bertolt Brecht: Gesammelte Werke. Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, Suhrkamp 1967. Stücke, Band 2, S. 535f<br />
Manfred Zapatka liest dieses Gedicht auf <strong>der</strong> CD Ich liebe Dich. Prom<strong>in</strong>ente Stimmen lesen <strong>Liebeslyrik</strong>. Hrsg.<br />
von Gabriele Kreis. Hamburg, Hörbuch-Verlag, 2002<br />
62 Langer Klaus und Ste<strong>in</strong>berg, Sven: Deutsche Dichtung. Literaturgeschichte <strong>in</strong> Beispielen für den<br />
Deutschunterricht. München, Bayerischer Schulbuch Verlag 2003, S. 302<br />
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