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mit Fotos - Die Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen

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PastorenBunde.doc gedruckt 13.10.2006, gjb Seite 20<br />

Es war Abend. E<strong>in</strong>e Petroleumlampe brannte. Wir K<strong>in</strong>der waren alle im Zimmer. Mutter saß am<br />

Tisch, den Kopf <strong>in</strong> ihre Hände gestützt. Sie hatte Kopfschmerzen, als ob ihr Kopf explodieren würde.<br />

Ursachen waren Strapazen der Reise sowie Schmerzen und Sorgen.<br />

Wir K<strong>in</strong>der hielten die Hände ehrfürchtig gefaltet. Wir wussten nicht, was passieren würde. Vater<br />

hatte gesagt, dieses junge Leben kämpfe <strong>mit</strong> dem Tod.<br />

Es war e<strong>in</strong> schwerer Kampf; wir hörten das Stöhnen des Brüderchens. Aber wir fühlten doch nicht<br />

den Seelenschmerz me<strong>in</strong>es Vaters.<br />

Das gequälte Vaterherz ergoss sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em feurigen Gebet, das sche<strong>in</strong>bar durch Luft und Wolken<br />

h<strong>in</strong>durch schoss. Er betete um Genesung für se<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, aber nicht um irdische, sondern um ewige<br />

Genesung.<br />

„Hier liegt e<strong>in</strong> Lämmle<strong>in</strong> de<strong>in</strong>er Herde, Herr Jesus,“ so bat er, „nimm es aus se<strong>in</strong>em bangen<br />

Leiden heraus – nimm es auf <strong>in</strong> de<strong>in</strong>e Herrlichkeit!“<br />

Als me<strong>in</strong> Vater geendet hatte, war es still, ganz still im Zimmer. Man hörte ke<strong>in</strong> Stöhnen mehr und<br />

me<strong>in</strong> Vater wandte sich <strong>mit</strong> Tränen <strong>in</strong> den Augen zur Wiege.<br />

Es schläft, sagten wir; Brüderchen schläft.<br />

Aber die Augen waren nicht geschlossen; das war fremd. Und Vater legte se<strong>in</strong>e Hände auf die<br />

Augen des K<strong>in</strong>des.<br />

Danach sagte er <strong>in</strong> ruhigem Ton: „Brüderchen ist zu Hause. Nun wollen wir dem Herrn danken,<br />

dass er Brüderchen heimgeholt hat.“<br />

In der gerade bezogenen Wohnung herrschte große Trauer. Mit e<strong>in</strong>em blutenden Vaterherzen, an<br />

der Totenbahre entlang, bestieg me<strong>in</strong> Vater die Kanzel, um sich <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>er neuen Geme<strong>in</strong>de zu<br />

verb<strong>in</strong>den.<br />

* * *<br />

Ich kam aus der Schule. Es war das erste Mal, dass ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ostfriesische Schule g<strong>in</strong>g.<br />

„Vater“, sagte ich, „die Jungen rufen mir nach; sie johlen mir nach und sagen: Kockscher,<br />

Kockscher! Was bedeutet das denn?“<br />

Vater legte se<strong>in</strong>en Arm über me<strong>in</strong>e Schulter. Er sah mich <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>em zärtlichen Blick an und<br />

antwortete: „K<strong>in</strong>d, das ist e<strong>in</strong> Schimpfname! Wegen unseres Glaubens! Halte es für e<strong>in</strong>e große Ehre,<br />

dass du schon so jung die Schmach Christi tragen darfst!“<br />

Es war wieder e<strong>in</strong>e heftige Fe<strong>in</strong>dschaft, die entbrannte, aber hier würde der HERR selbst auf<br />

wunderbare Weise e<strong>in</strong>greifen, so dass das Dorf davon bewegt werden würde.<br />

Das <strong>Kirche</strong>ngebäude (am Leege Weg, gjb) lag zehn M<strong>in</strong>uten Fußweg vom Pastorat (an der<br />

Weenerstraße, gjb) entfernt. An der Straße zur <strong>Kirche</strong> lagen wenige M<strong>in</strong>uten von uns entfernt e<strong>in</strong>ige<br />

Arbeiterhäuser.<br />

In e<strong>in</strong>er von ihnen wohnte der Arbeiter Velge. <strong>Die</strong>ser Mann hatte e<strong>in</strong>e tiefe Abneigung gegen die<br />

„Kockschen“ wie er sagte. Zudem wurde er von se<strong>in</strong>er Schwiegermutter aufgehetzt, die <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Haus wohnte. Sie war e<strong>in</strong>e erbitterte Fe<strong>in</strong>d<strong>in</strong> der Wahrheit. Von ihr aufgehetzt, verlor Velge den<br />

letzten Funken Selbstbeherrschung.<br />

G<strong>in</strong>g me<strong>in</strong> Vater zur <strong>Kirche</strong>, dann wartete Velge normalerweise ihn und johlte ihm nach. Es war<br />

schlimm. Für me<strong>in</strong>en Vater, der e<strong>in</strong> feuriges, hitziges Temperament besaß, war es e<strong>in</strong>e Schule der<br />

Duldsamkeit.<br />

An e<strong>in</strong>em Sonntag aber wartete Velge nicht auf me<strong>in</strong>en Vater. <strong>Die</strong> Fensterläden se<strong>in</strong>er Wohnung<br />

waren angelehnt. Man erzählte, e<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>der haben die Halskrankheit.<br />

Am nächsten Tag hatte sich auch e<strong>in</strong> zweites K<strong>in</strong>d angesteckt. Es war Diphtherie <strong>in</strong> ihrer<br />

ansteckendsten Form. Bevor es wieder Sonntag war, war e<strong>in</strong>es der K<strong>in</strong>der gestorben.<br />

Am Montagmorgen kl<strong>in</strong>gelte e<strong>in</strong>e Nachbar<strong>in</strong> am Pastorat.<br />

Ob der Pastor nicht eben kommen wolle. Velge habe darum gebeten. Er sei selbst von der<br />

Halskrankheit angesteckt worden und habe solche Angst. Er wage nicht, so <strong>in</strong> die Ewigkeit zu gehen.<br />

<strong>Die</strong> Nachbar<strong>in</strong> wusste alles.<br />

Velge habe e<strong>in</strong>en solchen Ekel vor „der kle<strong>in</strong>en <strong>Kirche</strong>“ gehabt und er habe sich gegenüber diesen<br />

Pastoren schäbig verhalten.<br />

Sie zog die Schultern hoch. Sie könne verstehen, wenn der Pastor nicht käme.

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