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DYSFUNKTIONEN DES VISUELLEN SYSTEMS:

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<strong>DYSFUNKTIONEN</strong> <strong>DES</strong> <strong>VISUELLEN</strong> <strong>SYSTEMS</strong>:<br />

VERBINDUNGEN MIT DEM CRANIOSACRALEN SYSTEM UND<br />

MÖGLICHKEITEN DER THERAPEUTISCHEN EINFLUSSNAHME MIT<br />

CRANIOSACRALER THERAPIE<br />

Dr. rer. nat. Susanne Knörr<br />

2013<br />

~ 1 ~


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung ............................................................................................................................................................ 3<br />

Der Visuelle Sinn im Vergleich zu anderen Sinnesorganen ............................................................................. 3<br />

Exkurs: Kurzer Vergleich unsers Sehsinns mit dem anderer Mitglieder des Tierreichs ......................... 3<br />

Der moderne Mensch und das Sehen ............................................................................................................ 4<br />

2. Anatomie und Entstehung des Auges ............................................................................................................ 4<br />

2.1 Entstehung des Auges .............................................................................................................................. 4<br />

2.2 Anatomie des Auges ................................................................................................................................. 5<br />

2.2.1 Augapfel .................................................................................................................................................. 5<br />

2.2.2 Retina ...................................................................................................................................................... 7<br />

2.2.3 Hilfseinrichtungen des Auges .............................................................................................................. 8<br />

2.2.4 Augenhöhle ............................................................................................................................................ 9<br />

2.2.5 Öffnungen in der Augenhöhle .............................................................................................................. 9<br />

2.2.6 Nachbarschaft zur Orbita.................................................................................................................... 10<br />

2.2.7 Augenhintergrund ................................................................................................................................ 10<br />

2.3 Sehbahn .................................................................................................................................................... 11<br />

3. Physiologische Aspekte des Sehens ............................................................................................................ 14<br />

3.1 Sehvorgang ................................................................................................................................................... 14<br />

3.2 Tränensystem ............................................................................................................................................... 14<br />

4. Erkrankungen des Auges und Störungen des Sehsinns ........................................................................... 15<br />

4.1 Fehlsichtigkeit und Brechungsfehler ..................................................................................................... 15<br />

4.2 Augenerkrankungen ................................................................................................................................ 15<br />

4.2.1 Grauer Star (Katarakt) ........................................................................................................................ 15<br />

4.2.2 Grüner Star (Glaukom) ....................................................................................................................... 16<br />

4.2.3 Bindehautentzündung (Konjunktivitis) .............................................................................................. 16<br />

4.2.4 Schielen (Strabismus)......................................................................................................................... 16<br />

4.2.5 Hornhautentzündung (Keratitis) ........................................................................................................ 17<br />

4.2.6 Glaskörpertrübung ............................................................................................................................... 17<br />

4.2.7 Makuladegeneration ............................................................................................................................ 17<br />

4.2.8 Netzhautablösung (Amotio retinae) .................................................................................................. 17<br />

4.2.9 Retinitis pigmentosa ............................................................................................................................ 17<br />

4.2.10 Lidsenkungen (Ptosis) .................................................................................................................... 17<br />

4.2.11 Diabetische Retinopathie ............................................................................................................... 18<br />

4.3 Weitere Ursachen für Augenprobleme ................................................................................................. 18<br />

4.3.1 Motorische Störungen ......................................................................................................................... 18<br />

4.3.2 Gesichtsfeldausfall .............................................................................................................................. 18<br />

4.3.3 Nystagmus ............................................................................................................................................ 18<br />

4.3.4 Seelische Ursachen ............................................................................................................................ 18<br />

5. Einflussnahme durch CS-Therapie ............................................................................................................... 19<br />

5.1 Augenhöhle ............................................................................................................................................... 19<br />

5.2 Öffnungen der Orbita ............................................................................................................................... 19<br />

5.3 Duralmembranen ..................................................................................................................................... 20<br />

5.4 Der „Kampf des Körpers gegen die Schwerkraft“ und die Bedeutung der Faszien ....................... 21<br />

5.5 Augenfunktion und Durchblutung .......................................................................................................... 21<br />

5.6 Motorische Augenfunktionsstörungen .................................................................................................. 21<br />

5.7 Augen- und Leberfunktion ...................................................................................................................... 22<br />

5.8 Zusammenhang Auge und Kiefergelenk .............................................................................................. 22<br />

5.9 Zusammenhang Auge und Nebenhöhlen ............................................................................................ 22<br />

5.10 Seelische Ursachen für Augenprobleme ......................................................................................... 22<br />

5. Behandlungsprotokoll ...................................................................................................................................... 24<br />

6. Schlussfolgerungen ......................................................................................................................................... 24<br />

7. Literatur ............................................................................................................................................................. 25<br />

~ 2 ~


<strong>DYSFUNKTIONEN</strong> <strong>DES</strong> <strong>VISUELLEN</strong> <strong>SYSTEMS</strong>:<br />

VERBINDUNGEN MIT DEM CRANIOSACRALEN SYSTEM UND MÖGLICHKEITEN DER THERAPEUTI-<br />

SCHEN EINFLUSSNAHME MIT CRANIOSACRALER THERAPIE<br />

1. Einleitung<br />

Dr. rer. nat. Susanne Knörr<br />

2. April 2013<br />

Dem Sehen kommt in unserem Leben eine besondere Bedeutung zu. Wir nehmen als visuell<br />

geprägte Wesen eine Vielzahl Informationen aus unserer Umwelt über das Auge auf. So vermittelt<br />

uns das Sehen und vor allem das räumliche Sehen einen schnellen Informationszugang<br />

über die Beschaffenheit und Veränderungen in unserer Umwelt. Außerdem ermöglicht uns unser<br />

visueller Sinn über die Fähigkeit zum Fokussieren auf unterschiedliche Schärfeebenen erst ein<br />

zielgerichtetes Handeln.<br />

Der Sehsinn schenkt uns aber auch die Freude der ästhetischen visuellen Wahrnehmung: Wir<br />

erfreuen uns am visuellen Eindruck von schönen Dingen, harmonischen Formen und Farben,<br />

deren Wahrnehmung auch einen wichtigen Betrag zu unserem Wohlbefinden hat. Andererseits<br />

besitzt er auch eine wichtige soziale Komponente - nur durch das Sehen können wir beispielsweise<br />

unser Gegenüber zu erkennen, Gesichtstausdrücke und Stimmungen zu lesen, etc.<br />

Der Visuelle Sinn im Vergleich zu anderen Sinnesorganen<br />

Unsere visuelle Prägung ist umso erstaunlicher, da der Sehsinn bei weitem nicht unser empfindlichster<br />

Sinn ist. So ist beispielsweise unser Gehör um ein Vielfaches leistungsfähiger, da es mit<br />

Wahrnehmungsschwellen zwischen 16 -10.000 Hz einen weitaus größeren Frequenzbereich<br />

abdeckt. Unser Auge nimmt dagegen mit Wellenlängen zwischen 390 - 760 nm, das entspricht<br />

etwa einem Frequenzbereich von 450-780 THz, nur ein vergleichsweise geringes Spektrum<br />

wahr (Penzlin 1991). Außerdem ist unser Gehör mit Hilfe des komplexen Aufbaus der Ohrschnecke<br />

in der Lage, über die Auftrennung eines Klangs in Einzelfrequenzen (Tonotrophie) und<br />

der Verrechnung und Synthese der Einzeleindrücke im Gehirn einen Klangeindruck wesentlich<br />

besser aufzulösen. So kann man beim Hören einer Symphonie durchaus einzelne Instrumente<br />

heraushören und die Melodien der Einzelstimmen verfolgen, während das Auge nur Farben<br />

wahrnehmen kann, nicht aber die einzelnen Wellenlängen, aus denen sich die Farben zusammensetzen.<br />

In dieser Beziehung verhalten sich Auge und Ohr wie die Wiedergabe eines Monokassettenrekorders<br />

zu dem Dolby Surround - Erlebnis eines Konzertes des Berliner Symphonieorchesters,<br />

wenn man mitten im Orchestergraben sitzt.<br />

Selbst unser Geruchssinn ist mit etwa 1000 Rezeptorgenen und der Fähigkeit zu Wahrnehmung<br />

von mehr als 10.000 Gerüchen deutlich besser ausgestattet als unser visuelles System, welches<br />

gerade einmal über 4 Rezeptortypen (Stäbchen und drei Zapfentypen) verfügt.<br />

Auch im Vergleich mit anderen Organismen besitzt unser Sehsinn eher unzureichende Fähigkeiten.<br />

Exkurs: Kurzer Vergleich unsers Sehsinns mit dem anderer Mitglieder des Tierreichs<br />

Zwar sehen wir normalerweise besser als die als extrem kurzsichtig geltenden Nashörner<br />

(Rhinocerotidae), während Hunde (Canis lupus forma domestica L.), Frösche (Anura) und Nagetiere<br />

(Rodentia) als völlig farbenblind gelten. Andererseits sehen Pferde (Equs przewalski forma<br />

~ 3 ~


caballus L.) aufgrund der Anatomie ihrer Augen (u. a. besitzen sie eine quer liegende ovale Pupille)<br />

über einen größeren Gesichtswinkel scharf, Katzen (Felis sylvestris L.) wie auch andere<br />

nachtaktive Raubtiere, obwohl ebenfalls nur im langwelligen Bereich farbsehtüchtig, besitzen<br />

wesentlich lichtempfindlichere Rezeptoren und ihren „persönlichen Restlichtverstärker“ in Form<br />

des sog. „Stratum lucidum“, einer der Pigmentschicht der Retina aufgelagerten floureszierenden<br />

Schicht, welche schwaches einfallendes Licht verstärkt und auf die Rezeptoren reflektiert und<br />

somit den Lichteindruck verstärkt. Tagraubvögel (Falconiformes) besitzen eine deutlich bessere<br />

Detailauflösung und sind außerdem in der Lage, UV-Licht wahrzunehmen. So finden beispielsweise<br />

Turmfalken (Falco tinnunculus) aus 50 - 100 m Höhe Mäuse unter anderem anhand der<br />

UV-Fluoreszenz-Spur ihres Urins, und Bienen (Apoidea) sind in der Lage, anhand der Polarisierung<br />

des Lichtes selbst bei bedecktem Himmel den Sonnenstand zu ermitteln.<br />

Der moderne Mensch und das Sehen<br />

Und trotzdem ist wie bereits erwähnt der visuelle Sinn des Menschen für das moderne Leben<br />

von extrem großer Bedeutung, ermöglicht er es uns, in unserer viel gepriesenen „Informationsgesellschaft“<br />

über Bücher, Internet und andere Medien an eben jene Informationen zu kommen,<br />

die wir für dieses Leben benötigen. Umgekehrt - und hier liegt der Widerspruch- schaffen wir uns<br />

damit eine Welt, die für unsere Augen als schädlich zu betrachten ist. Wir umgeben uns mit<br />

flimmerndem Kunstlicht, welches seit Einführung von Energiesparlampen sogar europaweit verordnet<br />

wurden, verbringen Stunden um Stunden vor dem Bildschirm oder beim Lesen, belasten<br />

unsere Augen durch zu wenig Bewegung (sowohl für unseren Körper wie auch durch das stundenlange<br />

„Starren“ auf den Bildschirm für die Augen selbst), falsche Ernährung und zu geringe<br />

Flüssigkeitszufuhr. Es ist wohl kaum ein Wunder, dass das Tragen von Brillen und Kontaktlinsen<br />

sowie die exzessive Verwendung von Augentropfen mittlerweile als völlig normal angesehen<br />

werden.<br />

Dennoch entsteht bei Patienten mit Augenproblemen, selbst wenn es sich „nur“ um ein „trockenes<br />

Auge“ (Karatokonjunktivitis sicca) handelt, bisweilen aufgrund unserer auf das Sehen ausgerichteten<br />

Welt ein erheblicher Leidensdruck. Umso schlimmer ist es für Patienten mit Gesichtsfeldausfällen,<br />

augenmotorischen Problemen, Augenfehlstellungen oder anderen Sehstörungen.<br />

Aufgrund der Bedeutung des Auges für das menschliche Leben soll dieser Artikel einen kurzen<br />

Überblick über das Auge und die mit dem Sehen verbundenen Strukturen sowie einen kurzen<br />

Abriss über die Erkrankungen des Auges geben. Außerdem sollen im Folgenden die Verbindungen<br />

zwischen unserem Sehsinn, dem Craniosakralen System und die Möglichkeit der Behandlung<br />

von Augenproblemen mit Craniosacraler Therapie erläutert werden.<br />

2. Anatomie und Entstehung des Auges<br />

2.1 Entstehung des Auges<br />

Der Mensch besitzt wie alle anderen Wirbeltiere ein so genanntes „inverses“ Auge. Das bedeutet,<br />

dass sich die Augenblase mit ihren Sinneszellen im Laufe der Embryonalentwicklung aus<br />

dem Zwischenhirn ausstülpt (Abb.1). Zum Ende der 3. Schwangerschaftswoche (SW) verdickt<br />

sich das Ektoderm, die äußere Hautschicht des zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig geschlossenen<br />

Neuralrohrs, auf beiden Seiten des späteren Zwischenhirns und sinkt zu einer Grube<br />

ein. In der 4. SW bilden sich die verdickten Teile zu Bläschen aus, welche über einen Stiel<br />

mit dem Zwischenhirn verbunden bleibt. In der 5. SW stülpt sich das Augenbläschen dann zum<br />

doppelwandigen Augenbecher ein. Der Hohlraum dieses Bläschen wird dabei zum Spalt zwischen<br />

Außen- und Innenwand des Augenbechers. Die Netzhaut wird aus dem Augenbecher<br />

~ 4 ~


gebildet. Im Augenstiel wachsen Axone der Netzhaut zum Zwischenhirn und bilden so den Sehnerv<br />

(N. opticus).<br />

Abb. 1: Entwicklung des Wirbeltierauges: a.) Ausstülpung der paarigen Augenblasen aus dem<br />

Zwischenhirn und Induktion der Linsenplakode, b.) Einstülpung des Linsenbläschens über dem<br />

Augenbecher, c.) Augenanlage mit Linsenbläschen (Nach Krsitic 1988).<br />

2.2 Anatomie des Auges<br />

Unser Sehsinn kann in drei unterschiedliche Anteile gegliedert werden: Zum eigentlichen Sehorgan<br />

gehören der Augapfel mit seinem Sehnerv, aber auch Hilfseinrichtungen in Form von<br />

Augenlidern, Tränenapparat und äußeren Augenmuskeln [2]. Außerdem gehören zu unserem<br />

Sehsinn auch die Sehbahnen, welche das Auge mit bestimmten Hirnarealen verbinden, in denen<br />

die visuelle Information verarbeitet wird.<br />

2.2.1 Augapfel<br />

Da große Anteile des Auges entwicklungsgeschichtlich als Hirnteile anzusehen sind, ist das<br />

Auge, wie auch das Gehirn selbst, weitgehend von den drei Hirnhäuten umgeben. Allerdings<br />

liegen sie im Auge nicht lose aufeinander, sondern sind fest zu einem Organ, nämlich dem Augapfel,<br />

verbunden.<br />

Dabei entspricht laut Lippert [3] die äußere, fibrinöse Augenhaut, welche für die stabile Form des<br />

Augapfels verantwortlich ist, der Dura mater. Ihr vorderes Sechstel, die Hornhaut (Cornea), ist<br />

durchsichtig, der Rest, die Lederhaut (Sclera), ist weiß. Die mittlere gefäßführende Augenhaut<br />

wird von Arachnoidea und Pia mater gebildet. Aus ihr entsteht außerdem der Aufhängeapparat<br />

der Linse, die Zonulafasern, sowie die Regenbogenhaut (Iris). Die Netzhaut kann der Hirnrinde<br />

zugeordnet werden.<br />

Der Augapfel lässt sich grob in einen vorderen Bereich, den Glaskörper und einen hinteren<br />

Bereich gliedern (Abb. 2).<br />

Im vorderen Bereich befinde sich der dioptrische Apparat, welcher für die Projektion eines<br />

scharfen Bildes auf die Netzhaut sorgt. Er besteht aus der vorderen und hinteren Augenkammer,<br />

der Linse, dem Ziliarmuskel, der Regenbogenhaut, der Pupille und dem Glaskörper [2].<br />

~ 5 ~


Macula lutea/<br />

Fovea centralis<br />

Abb. 2: Schnitt durch das Auge eines Erwachsenen.<br />

Der Augapfel wird von außen von<br />

einer festen Bindegewebsschicht, der Lederhaut<br />

(Sclera), begrenzt, an die sich nach innen<br />

die gefäßreiche Aderhaut (Uvea, Choroidea)<br />

und die Netzhaut (Retina) anschließen. Die<br />

Fovea centralis ist eine Einsenkung der Retina.<br />

Sie entspricht der Stelle des schärfsten Sehens.<br />

In der Nähe liegt der rezeptorfreie blinde<br />

Fleck: hier verlassen die Axone der multipolaren<br />

Ganglienzellen der Retina als Nervus<br />

opticus den Augapfel.<br />

(aus:http://upload.wikimedia.org/wikipedia/com<br />

mons/a/a5/Eye_scheme.svg)<br />

Zwischen Cornea und Pupille/Iris liegt die vordere Augenkammer: Sie enthält das zellfreie<br />

Kammerwasser, welches im Bereich des Kammerwinkels im sog. „Schlemm-Kanal“ abfließt. Es<br />

ähnelt in seiner Zusammensetzung dem Liquor cerebrospinalis. Gebildet wird das Kammerwasser<br />

allerdings in der hinteren Augenkammer, welche mit der vorderen im Bereich der Pupille in<br />

Verbindung steht. Die hintere Augenkammer wird nach hinten vom Glaskörper, nach vorne von<br />

der Linse und dem Ziliarkörper begrenzt.<br />

Die Linse besteht aus dem von einem dünnen Epithel überzogenen Linsenkörper und ist normalerweise<br />

völlig durchsichtig. Die Verbindung zum ringförmigen Ziliarmuskel ist durch die radiär<br />

verlaufenden Zonulafasern um die gesamte Linse herum verwirklicht. Die Linse dient der<br />

Akkomodation auf verschiedene Schärfeebenen - sie trägt einen Großteil zu einer scharfen Abbildung<br />

von Bildern aus unterschiedlichen Entfernungen auf der Netzhaut bei. Dies ist möglich,<br />

da die Linsenwölbung und somit der Brechungsindex der Linse durch die Ziliarmuskeln verändert<br />

werden kann.<br />

Die Iris mit der Pupille bildet eine Lochblende, deren Weite durch zwei in der Regenbogenhaut<br />

verlaufende Muskeln verändert werden kann und somit reflektorisch die Stärke des Lichteinfalls<br />

auf die Netzhaut reguliert. Dabei untersteht der Schließmuskel (M. sphincter pupillae) dem<br />

Parasympatikus und der Erweiterer (M. dilatator pupillae) dem Sympaticus. Beide Muskeln werden<br />

vom N. occulomotorius (III) innerviert. Zusätzlich zum Schutz gegen zu starken Lichteinfall<br />

ermöglicht die Pupille auch anlog zur Blende einer Kamera die Vermeidung von Streulicht und<br />

somit bei Verengung eine höhere Tiefenschärfe. Daher verengt sie sich außerdem reflektorisch<br />

beim Betrachten naher Gegenstände<br />

Der Glaskörper füllt den Bereich zwischen Linse und Netzhaut und besteht im Wesentlichen<br />

aus Wasser, Kollagen und Hyaluronsäure. Er dient neben der Lichtbrechung auch der Stabilisation<br />

des Augapfels.<br />

Der hintere Bereich des Augapfels lässt sich in drei Abschnitte gliedern. Die äußere, dehnungsfeste<br />

Sclera dient der Stabilisierung der Form des Augapfels. An der Austrittstelle des Sehnervs<br />

ist die Sclera siebartig durchbrochen (Lamina criobosa) und setzt sich in Form der Dura Mater<br />

und Arachnoidea als Umhüllung des Sehnervs fort.<br />

Die unter der Sclera befindliche Aderhaut (Choroidea) hat neben ihrer Funktion als blutversorgende<br />

Schicht v. a. für die Netzhaut auch strukturgebende Funktionen im Auge: aus ihr bildet<br />

sich wie bereits angesprochen beispielsweise auch der Ziliarkörper.<br />

~ 6 ~


2.2.2 Retina<br />

Struktur und Aufbau der Retina sind Abb. 3 zu entnehmen. Die innerste und am komplexesten<br />

aufgebaute Schicht ist die Netzhaut (Retina). Sie kann wiederum grob in 4 Abschnitte unterteilt<br />

werden. Die äußerste, der Innenseite des Augapfels aufliegende Schicht bildet das Pigmentepithel.<br />

Es bildet den schwarzen Hintergrund vor dem eine gerichtete Lichtwahrnehmung stattfinden<br />

kann. Die drei weiteren Anteile sind bereits die ersten drei Neurone der Sehbahn: Das 1.<br />

Neuron, histologisch als äußere plexiforme Schicht bezeichnet, besteht aus den eigentlichen<br />

Photorezeptoren, den Zapfen und Stäbchen. Das 2. Neuron, histologisch als innere plexiforme<br />

Schicht bezeichet, wird von bipolaren Retinaganglienzellen gebildet. Hier findet eine Vernetzung<br />

von Zapfen und Stäbchen untereinander, sowie zu unterschiedlichen Nervenzellen des 3. Neurons<br />

(parvozellulares und makrozellulares System) statt. Das 3. Neuron besteht aus den sog.<br />

Optikusganglienzellen, welche sich im weiterem zum Sehnerv vereinen. Dabei ist der Sehnerv<br />

(II), wie auch der N. olfaktorius (I), streng genommen gar kein Hirnnerv, also kein peripherer<br />

Nerv, da er von den Menningen eingehüllt wird.<br />

Sehnerv<br />

Abb. 3: Feinstruktur der Retina eines 10 Tage alten Zebrafischs (Knörr, 2013, priv. Aufnahme),<br />

Lichteinfall von oben (Pfeil). Der Aufbau entspricht der menschlichen Retina (Schema aus:<br />

Storch & Welsch 1994), [13].<br />

Der Sehnerv kann lt. Lippert (2000) [3] in 4 Abschnitte gegliedert werden:<br />

1. Pars intraocularis in der Augenwand: dieser Bereich wird bei der Beschreibung der Retina<br />

und des Augenhintergrundes näher beschrieben.<br />

2. Pars orbitalis in der Augenhöhle: Der Sehnerv besitzt in der Augenhöhle einen Durchmesser<br />

von etwa 4 mm und ist innerhalb des Kegels der geraden Augenmuskeln (s.u.) in<br />

Fettgewebe eingebettet. Etwa 1 cm vom Augapfel entfernt treten die A. und die V.<br />

centralis retinae von unten in den Sehnerv ein und gelangen dann in seiner Mitte ins<br />

Augeninnere. Am hinteren Ende der Augenhöhle durchstößt er einen Sehnenring<br />

(Anulus tendineus communis), an welchem die geraden Augenmuskeln ihren Ursprung<br />

haben.<br />

3. Pars intracanalicularis im Canalis opticus des Keilbeins. In diesem Bereich verläuft der<br />

Sehnerv parallel zur A. ophthalmica.<br />

~ 7 ~


4. Pars intracranialis in der Schädelhöhle. Beide Sehnerven verlaufen im<br />

Subarachnoidalraum unter dem Zwischenhirn aufeinander zu und überkreuzen sich unmittelbar<br />

vor dem Hypophysenstiel in der Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum).<br />

Es ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der embryonalen Entwicklung die Netzhaut invers angelegt<br />

ist; d. h., das Licht muss, um zu den eigentlichen Sinneszellen zu gelangen, erst die 2.<br />

und 3. Neuronenschicht durchdringen.<br />

2.2.3 Hilfseinrichtungen des Auges<br />

Zu den Hilfseinrichtungen des Auges gehören neben den Augenlidern der Tränenapparat die<br />

Augenmuskeln und das retrobulbäre Bindegewebe.<br />

Augenlider<br />

Die Augenlider dienen sowohl dem Blendschutz des Auges als auch dessen Befeuchtung, da<br />

mit jedem Lidschlag die Tränenflüssigkeit durch die Augenlider auf der Cornea verteilt wird.<br />

Tränenapparat<br />

Zum Tränenapparat gehören die seitlich oberhalb des Augapfels liegende Tränendrüse und die<br />

ableitenden Tränenwege. Außerdem sind die an den Augenlidern sitzenden Meibom-Drüse sowie<br />

die Zellen der Augenbindehaut an der Bildung des Tränenfilms beteiligt (s. Kap. 3.2). Die<br />

Tränendrüse mündet mit mehreren Ausführgängen in den äußeren Teil der oberen Umschlagsfalte<br />

des Augenlids. Die Tränenflüssigkeit dient außer der Befeuchtung auch der Ernährung der<br />

Hornhaut sowie der Immunabwehr. Die Tränenflüssigkeit fließt über das im sog. Tränenpünktchen<br />

(Punctum lacrimale) im inneren unteren Augenwinkel beginnenden Tränenröhrchen in den<br />

Tränensack (Saccus lacrimalis) und von dort aus weiter über den Tränen-Nasengang (Ductus<br />

nasolacrimalis) in die Nasenhöhle.<br />

Augenmuskeln<br />

Der Augapfel wird durch 4 „gerade“ und 2 „schräge“ Augenmuskeln bewegt. Die geraden sowie<br />

der obere schräge Augenmuskel entspringen allen einem Sehnenring an der Öffnung des<br />

Canais opticus (s. u.) der Augenhöhle. Der untere schräge Augenmuskel entspringt dagegen an<br />

der medialen Wand der Augenhöhle in der Nähe des Ductus nasolacrimalis.<br />

Die geraden Augenmuskeln (M. rectus superior, anterior, medialis und lateralis) drehen den<br />

Augapfel und damit die Pupille entsprechend ihrer Lage nach medial oder lateral oder nach<br />

oben oder unten. Der obere schräge Augenmuskel (M. obliquus superior) dreht an seinem Ansatz<br />

den hinteren Augenpol nach oben, die Pupille bewegt sich somit nach unten. Umgekehrt<br />

bewegt der untere schräge Augenmuskel (M. obliquus inferior) die Pupille nach oben. Es wird<br />

klar, dass diesen anatomischen Gegebenheiten eine Vielzahl von Augenbewegungen ermöglichen.<br />

Da der Augapfel nicht fest justiert ist, sondern eingebettet in Fettgewebe in der knöchernen<br />

Augenhöhle liegt, können die Augäpfel nicht nur gedreht, sondern auch insgesamt verlagert<br />

werden. So ziehen die geraden Augenmuskeln die Augen in Richtung Augenhöhle, die schrägen<br />

Augenmuskeln können die Augen nach vorne bewegen.<br />

Retrobulbäres Bindegewebe<br />

Das hinter dem Augapfel befindliche retrobulbäre Fett- und Bindegewebe bildet nicht nur ein<br />

Puffer und ein Widerlager für den Augapfel, sondern hier befinden sich auch die Ansatzstellen<br />

der 6 äußeren Augenmuskeln sowie des oberen Lidhebers (M. levator palpebrae superioris).<br />

Außerdem bildet es eine konzentrierte Durchtrittsstation für den N. opticus, die Augenmuskelnerven<br />

(III, IV, VI), den N. ophthalmicus (V 1 ), das Ganglion ciliare, sowie die A. ophthalmica und<br />

die V. orbita superior und inferior (s.u.).<br />

~ 8 ~


2.2.4 Augenhöhle<br />

Die Augenhöhle (Orbita) wird häufig als pyramidenförmiger Hohlraum beschrieben, in dem das<br />

Auge gelagert ist (Abb. 4). An ihrer Bildung sind insgesamt sieben Schädelknochen beteiligt.<br />

Grob lässt sie sich in vier Abschnitte gliedern. Das Dach der Augenhöhle wird von Stirnbein (Os<br />

frontale) und Keilbein (Os sphenoidale), genauer gesagt dem kleinen Keilbeinflügel (Ala minor)<br />

gebildet. Die Lateralwand besteht aus Anteilen des Jochbeins (Os zygomaticum) und dem<br />

großen Keilbeinflügel (Ala major). Den Boden der Augenhöhle begrenzen Oberkiefer (Os maxillare),<br />

Jochbein und Gaumenbein (Os palatinum). Die mediale Seitenwand der Augenhöhle<br />

wird vom Stirnfortsatz des Oberkiefers, dem Tränenbein (Os lacrimale), dem Körper des Keilbeins<br />

und dem Siebbein (Os ethmoidale) gebildet.<br />

2.2.5 Öffnungen in der Augenhöhle<br />

Im hinteren Bereich der Orbita befinden sich zwei übereinander liegende und sich medial vereinigende<br />

Spalten (Abb. 4). Die obere Augenhöhlenspalte (Fissura orbitalis superior), welche eine<br />

Verbindung zur Schädelhöhle bildet, liegt zwischen der Ala major und minor des Keilbeins. Sie<br />

bildet den Durchtritt für die Augenmuskelnerven (N. oculomotorius (III), N. trochlearis (IV), N.<br />

abducens (VI)), außerdem für den N. ophthalmicus (V1) und die V. ophthalmica superior (Abb. 4,<br />

Tab. 1). Die untere Augenhöhlenspalte (Fissura orbitalis inferior) liegt zwischen der Ala major<br />

des Keilbeins und dem Os maxillare und bildet die Verbindung zur Flügel-Gaumen-Grube. Die<br />

untere Augenhöhlenspalte bildet die Durchtrittspforte für den N. infraorbitalis (aus V2) und die V.<br />

ophthalamica inferior. Medial der Fissura orbitalis superior befindet sich außerdem der Canalis<br />

opticus, durch den zum einen der Sehnerv in die Schädelhöhle zieht und zum anderen die A.<br />

ophthalmica zum Auge. Im Os zygomaticum befindet sich außerdem im unteren Drittel das<br />

Foramen zygomatico-orbitale, die Durchtrittstelle des N. zygomaticus.<br />

Abb. 4: Übersicht Augenhöhle<br />

von vorne<br />

sowie der durch die<br />

Öffnungen der Augenhöhle<br />

hindurch tretenden<br />

Nerven und Gefäße.<br />

Abb. nach Platzer<br />

2009 [1], Text nach<br />

Lippert 2000 [3].<br />

~ 9 ~


An der Grenze zwischen Os ethmoidale und Os frontale befinden sich außerdem tief in der Augenhöhle<br />

die Foramina ethmoidale anterius und posterius, durch welche die gleichnamigen Nerven<br />

und Arterien verlaufen. Das Foramen ethmoidale anterius führt in die Schädelhöhle, das<br />

Foramen ethmoidale posterius in die Siebbeinzellen. Außerdem liegt in der Nähe zum Eingang<br />

der Orbita die Fossa sacci lacrimalis. Sie führt in den Canalis nasolacrimales, welcher eine Verbindung<br />

zwischen dem Lidbereich des Auges und der Nasenhöhle darstellt. In diesen beiden<br />

Strukturen liegen der Tränensack und der Tränen-Nasen-Gang, welcher Augen und Nase verbindet.<br />

Abb. 5: Übersicht über die Sehbahn. Das innere<br />

(nasale) Gesichtsfeld bildet sich auf der<br />

äußeren (temporalen) Netzhauthälfte ab,<br />

Opticusfasern aus der äußeren Netzhauthälfte<br />

laufen ungekreuzt ipsilateral, jene aus der inneren<br />

Netzhauthälfte kreuzen auf die Gegenseite.<br />

(nach: Faller & Schünke 2004, [2])<br />

2.2.6 Nachbarschaft zur Orbita<br />

In der unmittelbaren Nachbarschaft der Orbita befinden sich eine ganze Reihe an Nasennebenhöhlen.<br />

Oben vorne medialder Augenhöhle befindet sich die Stirnhöhle, medial die Siebbeinzellen<br />

und unten medial die Kieferhöhle. Die Abgrenzung zwischen diesen Nebenhöhlen und der<br />

Orbita besteht aus teilweise nur sehr dünnen Knochenplatten. Außerdem befinden sich in unmittelbarer<br />

Nachbarschaft die Fossa infratemporalis sowie lateral die Schläfenbeingrube mit dem M.<br />

temporalis. Im hinteren Bereich steht die Orbita über den Canalis opticus und die Fissura<br />

orbitalis superior mit der mittleren Schädelgrube in Verbindung.<br />

2.2.7 Augenhintergrund<br />

Die Retina verfügt über mehrere besonders strukturierte Bereiche. Bei einer Augenspiegelung<br />

fällt insbesondere die Sehnervpapille als dezentraler runder Fleck auf. Hier sammeln sich die<br />

Axone aller 3. Neuronen und verlassen das Auge, um als Sehnerv zum Zwischenhirn zu ziehen.<br />

Außerdem treten an dieser Stelle auch die die Retina versorgenden Blutgefäße (v. a. die A.<br />

centralis retinae) in das Augeninnere ein. Da an der Sehnervpapille die Rezeptorzellen fehlen,<br />

kann an dieser Stelle auch keine Lichtwahrnehmung stattfinden. Daher wird diese Stelle physiologisch<br />

auch als „Blinder Fleck“ bezeichnet. Diese „Blindheit“ wird jedoch beim normalen bifokalen<br />

Sehen aufgrund seiner leicht dezentralen medialen Lage nicht wahrgenommen, da die blinden<br />

Flecke beider Augen sich so nicht überlagern und der Bildausfall im einen Auge vom anderen<br />

kompensiert werden kann.<br />

~ 10 ~


Eine weitere wichtige Struktur der Retina ist die „Macula lutea“ oder der „gelbe Fleck“ (Abb. 2).<br />

Er liegt direkt in der zentralen Verlängerungsachse der Linse und ist der Bereich der Retina, mit<br />

dem wir am schärfsten sehen. Dies liegt an seinem besonderen Bau: er ist frei von Blutgefäßen.<br />

Die inneren Schichten der Retina weichen hier ein wenig zurück, so dass sich diese Region zu<br />

einer Grube, der Fovea centralis einsenkt. In diesem Bereich stehen nicht nur die<br />

Rezeptorzellen in hoher Dichte, sondern es gibt auch fast ausschließlich nur farb- und tageslichtempfindliche<br />

Zapfen als Rezeptorzellen.<br />

2.3 Sehbahn<br />

Als Sehbahn bezeichnet man alle Übertragungsleitungen und neuronalen Verschaltungen des<br />

optischen Systems vom Auge bis zum Gehirn (Abb. 5). Hierzu zählen die Netzhaut im Auge, der<br />

Sehnerv bis zu seinem Verlauf an der Sehnervenkreuzung, sowie den sich daran anschließenden<br />

Tractus opticus. Im seitlichen Kniehöcker des Zwischenhirns (Corpus geniculatum laterale)<br />

finden die ersten Verschaltungen der Sehbahn außerhalb der Netzhaut statt. Sie setzt sich fort<br />

als sogenannte „Gratioletsche Sehstrahlung“ bis zur primären Sehrinde im Sulcus carinatus der<br />

Großhirns.<br />

Das Licht tritt durch Hornhaut und Linse in den Augapfel ein und bildet auf der Netzhaut ein auf<br />

dem Kopf stehendes Bild der Umwelt ab. Jedes Auge besitzt ein äußeres und ein inneres Gesichtsfeld.<br />

Durch die umgekehrte Abbildung des Gesehenen trifft das einfallende Licht des äußeren<br />

Gesichtsfeldes auf den inneren (nasalen) Teil der Netzhaut und der das Licht des inneren<br />

Gesichtsfeldes auf den äußeren (temporalen) Teil der Netzhaut (Abb. 5).<br />

Die Sehbahn besteht aus insgesamt vier hintereinander geschalteten Neuronen und beginnt<br />

bereits in der Netzhaut mit den Photorezeptoren (Abb. 5). Auch die 2. Neuronen, die Retinaganglienzellen,<br />

liegen wie bereits beim Aufbau der Retina erwähnt noch im Auge. Die Kerne der<br />

3. Neuronen (Opticusganglienzellen) liegen zwar ebenfalls noch im Auge, jedoch vereinigen ihre<br />

Axone sich zum Sehnerv und ziehen in Richtung Zwischenhirn.<br />

Im weiteren Verlauf kreuzen sich die Axone der nasalen Netzhauthälften in Höhe der Sehnervenkreuzung<br />

(Chiasma opticum) unterhalb des Zwischenhirns. Sie vereinigen sich anschließend<br />

mit den nicht kreuzenden (ipsilateralen) Axonen der temporalen Netzhauthälfte von der<br />

gegenüberliegenden Seite (Abb. 5). Gemeinsam verlaufen sie im Sehtrakt (Tractus opticus)<br />

weiter und enden im äußeren Kniekörper des Zwischenhirns (Corpus geniculatum laterale).<br />

Hier befindet sich die Umschaltstation auf die 4. Neuronen der Sehbahn, deren Axone die Sehstrahlung<br />

bilden. Sie enden in der Sehrinde des Großhirns [2].<br />

Der besondere Verlauf der Sehbahn hat zur Konsequenz, dass das linke Gesichtsfeld von jedem<br />

Auge auf der Sehrinde der rechten Hemisphäre bzw. das rechte Gesichtsfeld von jedem<br />

Auge auf der Sehrinde der linken Hemisphäre repräsentiert wird.<br />

Es ist außerdem zu erwähnen, dass der Bereich des schärfsten Sehens auf der Netzhaut, die<br />

Macula lutea mit der Fovea centralis, eine deutlich größere Region der Sehrinde beansprucht<br />

als der Rest.<br />

~ 11 ~


Tab. 1: Knochendurchtritte und Öffnungen im Bereich der Augenhöhle. Grün = Nerven, rosa =<br />

Venen, hellblau = Arterien<br />

~ 12 ~


Tab. 1 (Fortsetzung): Knochendurchtritte und Öffnungen im Bereich der Augenhöhle. Grün =<br />

Nerven, rosa = Venen, hellblau = Arterien<br />

~ 13 ~


3. Physiologische Aspekte des Sehens<br />

3.1 Sehvorgang<br />

Zum genaueren Verständnis des Auges soll an dieser Stelle auch kurz der Sehvorgang in der<br />

Stäbchen und Zapfen der Netzhaut beschrieben werden.<br />

In jedem Stäbchen liegen 600-1000 scheibenförmige Membranvesikel (Discs). Hauptkomponenten<br />

ihrer Membran sind Rhodopsin und hochungesättigte Fettsäuren. In der Retina sind<br />

3 Neuronentypen (Sinneszellen, bipolare Zellen und Ganglienzellen) hintereinander geschaltet.<br />

Horizontalzellen und amakrine Zellen schaffen Querverbindungen. Die Rezeptorfortsätze der<br />

Sinneszellen (Stäbchen und Zapfen) werden ständig erneuert, verbrauchtes Membranmaterial<br />

wird von den Pigmentzellen aufgenommen.<br />

Die auch als Phototransduktion bezeichnete<br />

Erregung der Lichtsinneszellen durch<br />

Lichtquanten verläuft in der Retina über<br />

mehrere Zwischenstufen. Die für die Lichtwahrnehmung<br />

verantwortlichen Moleküle<br />

liegen in Form von abgeplatteten<br />

Membranscheiben in den Stäbchen des 1.<br />

Neurons geldrollenartig übereinander. Der<br />

lichtempfindliche Farbstoff der Stäbchen<br />

wird Sehpurpur (Rhodopsin) genannt. Er<br />

besteht aus Retinal (Aldehyd des Vitamin A)<br />

und dem Protein Opsin. Das Reitinalmolekül<br />

kann in verschiedenen Raumstrukturen vorkommen<br />

(Abb. 6), von denen nur eine, das<br />

11-cis-Retinal, sich mit dem Opsin verbinden<br />

kann. Trifft Licht auf das Molekül, bewirkt<br />

dies eine Konformationsänderung in<br />

das all-trans-Retinal. Dabei wird das Opsin<br />

Abb. 6: Das Carotinoid Retinal in seiner geknickten<br />

Cis-Konfiguration (A) wird durch Licht<br />

in die gestreckte all-trans-Konfiguration (B)<br />

überführt (nach Hubbard & Kropf 1967)<br />

abgespalten, welches anschließend als Enzym wirksam ist und eine Reaktionskaskade auslöst,<br />

in deren Verlauf durch die Schließung der Na + -Kanäle in der Membran das Membranpotential<br />

der Sinneszellen ansteigt und letztendlich ein Nervenimpuls auslöst, der in die Ganglienzellen<br />

weitergeleitet wird. Außerdem bewirkt die Abspaltung des Opsins ein Ausbleichen des Sehpigments.<br />

Das bedeutet, dass die Sehpigmente erst wieder regeneriert werden müssen, bevor der<br />

nächste Nervenimpuls von dieser Stelle gesendet werden kann.<br />

3.2 Tränensystem<br />

Für die Funktionalität des Auges ist auch der Tränenfilm von besonderer Wichtigkeit. Die Tränenflüssigkeit<br />

besteht normalerweise aus drei Schichten. Dies sind von außen nach innen: Fettschicht,<br />

wässrige Schicht und Schleimschicht.<br />

Die wasserunlösliche Fettschicht wird in den Meibom-Drüsen gebildet und verhindert ein schnelles<br />

Verdunsten der Tränenflüssigkeit. Der wässrige Anteil des Tränenfilms wird von den Tränendrüsen<br />

gebildet. In der wässrigen Schicht sind wichtige Salze, Spurenelemente und mehr als<br />

500 verschiedene Eiweißstoffe zur Ernährung des vorderen Augenabschnitts sowie zur Bakterienabwehr<br />

enthalten [7]. Die Schleimschicht wird von Zellen in der Augenbindehaut produziert<br />

und ermöglicht, dass der Tränenfilm dem Auge anhaftet,<br />

~ 14 ~


Aufgrund dieser Komplexität im Aufbau wird auch klar, warum die regelmäßige Verwendung von<br />

„künstlichen Tränen“ oder anderen Augentropfen, die Probleme eines gestörten Tränenfilms in<br />

den wenigsten Fällen dauerhaft lösen kann.<br />

4. Erkrankungen des Auges und Störungen des Sehsinns<br />

4.1 Fehlsichtigkeit und Brechungsfehler<br />

Weit- und Kurzsichtigkeit sowie Astigmatismus als Abweichungen von der normalen Sehfähigkeit<br />

werden allgemein nicht als Krankheiten betrachtet, können jedoch auch Folge einer Organerkrankung<br />

(z.B: Katarakt) sein. Beim Menschen ist das Auge in Ruhe durch die Spannung der<br />

Zonulaefasern in die Ferne akkommodiert, d. h. nur zur Nahakkommodation wird die Brechkraft<br />

durch ein Abrunden der Linse erhöht. Dies geschieht durch das Entspannen des Strahlenkörpers,<br />

welcher die Linse in Ruhe gestreckt hält.<br />

Bei der Kurzsichtigkeit (Myopie) können weiter entfernte Objekte nicht scharf abgebildet werden.<br />

Ursache ist in der Regel ein verlängerter Augapfel, in dem der Brennpunkt der Abbildung<br />

vor der Netzhaut liegt, mit der Konsequenz, dass das Licht auf der Netzhaut gestreut wird und<br />

keine scharfe Abbildung mehr möglich ist. Eine andere, aber seltene Ursache liegt in einer zu<br />

starken Brechkraft der optischen Medien (Hornhaut, Linse, Kammerwasser, Glaskörper). Die<br />

Korrektur der Kurzsichtigkeit erfolgt über eine konkave Streulinse, welche das Bild bzw. den<br />

Brennpunkt nach hinten zur Retina hin verlagert.<br />

Umgekehrt können bei der Weitsichtigkeit (Hyperopie) nahe gelegene Objekte nicht scharf<br />

abgebildet werden. Ursache hierfür ist in der Regel ein zu kurzer Augapfel, in dem der Brennpunkt<br />

der Abbildung erst hinter der Netzhaut zustande kommen würde. Auch bei der Weitsichtigkeit<br />

liegt die Ursache bisweilen in einer zu schwachen Brechkraft der optischen Medien. Die<br />

Alterssichtigkeit (Presbyopie) könnte man hier ebenfalls einordnen, allerdings kommt es in<br />

diesem Fall aufgrund einer fortschreitenden Verringerung der Eigenelastizität der Linse im Alter<br />

zur Abnahme der Akkommodationsfähigkeit. Dies betrifft hauptsächlich die Nahakkommodation.<br />

Die Korrektur der Weitsichtigkeit erfolgt über eine konvexe Sammellinse, welche das Bild bzw.<br />

den Brennpunkt nach vorne verlagert.<br />

Bei der sog. Stabsichtigkeit (Astigmatismus) liegt eine Hornhautverkrümmung vor, bei der es<br />

durch Streuung des Lichteinfalls durch die Hornhaut zu unscharfen Abbildungen auf der Netzhaut<br />

kommt. Astigmatismus kann durch die Verwendung von Zylindergläsern korrigiert werden.<br />

4.2 Augenerkrankungen<br />

Die Schwierigkeiten, denen man bisweilen gegenübersteht, wenn man beim Augenarzt kurzfristig<br />

einen Termin bekommen möchte, geben einen Hinweis darauf, wie weit verbreitet Augenprobleme<br />

sind.<br />

Zu den häufigsten Augenerkrankungen zählen neben dem grauen Star, der grüne Star und die<br />

Bindehautentzündung.<br />

4.2.1 Grauer Star (Katarakt)<br />

Die als Katarakt bezeichnete Trübung der Augenlinse führt zu zunehmendem Verlust der Sehschärfe<br />

sowie der Farbsehtüchtigkeit. Der graue Star tritt vor allem in höherem Lebensalter auf,<br />

kann jedoch auch durch Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus oder Entzündungen, sowie<br />

durch starken Konsum von Glucocorticoiden verursacht oder zumindest begünstigt werden. Die<br />

Entstehung ist unklar, allerdings wird eine Veränderung der Linseneiweiß und somit veränderte<br />

Stoffwechselvorgänge dahinter vermutet. Neben der Behandlung eines bestehenden Grundlei-<br />

~ 15 ~


dens ist schulmedizinisch die Staroperation, bei der die natürliche Linse durch eine künstliche<br />

ersetzt wird, das Mittel der Wahl.<br />

4.2.2 Grüner Star (Glaukom)<br />

Beim Glaukom kommt es durch einen Anstieg des Augeninnendrucks zu einer Druckschädigung<br />

der zuleitenden Gefäße des Sehnervkopfes und des Sehnervs im Auge, welcher zusätzlich<br />

durch die Kompression auch noch minderdurchblutet wird. Die häufigste Ursache für den Anstieg<br />

des Augeninnendrucks ist ein behinderter Abfluss des Kammerwassers durch eine Verengung<br />

oder Verlegung des Schlemmschen Kanals. Dabei liegt der normale Augeninnendruck<br />

durchschnittlich bei 17 3 mmHg, beim Glaukom bei ~ 21 3 mmHg. [12]. Die häufigste Form<br />

tritt überwiegend bei älteren Menschen (3 % der über 50-jährigen) [8] auf und wird begleitet von<br />

Sehstörungen, Gesichtsfeldausfällen bis hin zur Erblindung. Das Glaukom stellt in den Industrieländern<br />

einen der häufigsten Erblindungsgründe dar. Ursachen können u.a. Arteriosklerose,<br />

Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen, Entzündungen, Tumore im Auge oder arterielle<br />

Hypotonie (Bluttiefdruck) sein. Das Glaukom kann sich entweder schleichend oder akut als<br />

Glaukomanfall entwickeln.<br />

4.2.3 Bindehautentzündung (Konjunktivitis)<br />

Bei der Konjunktivitis reagiert die Bindehaut auf Entzündungsreize aus der Umwelt, wie z.B.<br />

Bakterien, Viren, Pilze, Strahlen, Allergene, chemische Substanzen, aber auch auf physikalische<br />

Reize wie kalte Witterung, Zugluft, etc. Als Symptome treten gerötete Augen, Augenbrennen,<br />

Schwellung, Juckreiz, Fremdkörpergefühl, verklebte Lider und Sehbeeinträchtigungen auf. Außerdem<br />

ist in diesem Zusammenhang die Abwehrtrias aus Lichtscheu, Tränenfluss und krampfhaftem<br />

Lidschluss zu nennen. Die schulmedizinische Therapie besteht bei einer Konjunktivitis je<br />

nach Ursache aus der Gabe von antibiotischen oder kortisonhaltigen Augentropfen,<br />

Antihistaminika, sowie der Gabe von „künstlichen Tränen“ bei besonders starkem Fremdkörpergefühl.<br />

Trockenes Auge, Sicca-Syndrom<br />

Als besondere Form der Bindehautentzündung ist hier noch die Keratokonjunktivitis sicca, das<br />

„trockene Auge“ zu nennen, bei der, dem Namen folgend, neben der Bindehaut auch die Hornhaut<br />

betroffen ist. Aufgrund der bereits in Kap. 2.1 angesprochenen Komplexität des Tränenfilms<br />

muss klar sein, dass das Auge nur dann ausreichend benetzt ist, wenn alle drei Schichten des<br />

Tränenfilms intakt sind. Symptome einer Störung sind neben Augenrötung, Augenjucken,<br />

Fremdkörpergefühl, Schmerzen, Brennen, Lichtempfindlichkeit, stark tränende Augen, Sehstörungen<br />

und geschwollene Augenlider. Die schulmedizinische Therapie ist in der Regel symptomatisch<br />

und besteht im Wesentlichen in der Gabe von „künstlichen Tränen“.<br />

4.2.4 Schielen (Strabismus)<br />

Der Strabismus ist eine Fehlstellungen der Augen, bei dem die Augenachsen von der normalen<br />

Parallelstellung bei der Fernakkomodation abweichen. Strabismus stellt neben einem als<br />

Schönheitsmakel angesehenen Problem eine Sehbehinderung dar und zeigt sich bei vielen<br />

Menschen meist schon im Kindesalter. Die Ursachen sind dabei zumindest schulmedizinisch<br />

weitgehend unklar. Bedingt durch die unterschiedlichen Blickrichtungen beider Augen prägt sich<br />

ein Auge durch Nutzung verstärkt aus, während das andere eher ungenutzt bleibt. Schwerwiegende<br />

Folge ist eine Amblyopie (Schwachsichtigkeit) des vernachlässigten Auges. Dies bedeutet,<br />

dass das dreidimensionale, räumliche Sehen nicht richtig ausgebildet werden kann. Je eher<br />

man diese Fehlstellung korrigiert, umso besser der Heilungserfolg [11].<br />

~ 16 ~


4.2.5 Hornhautentzündung (Keratitis)<br />

Die Keratitis ist eine Entzündung der Hornhaut und wird meistens von Viren (z. B. Herpes simplex)<br />

hervorgerufen. Sie zeichnet sich durch starke Schmerzen, Augenrötung, Fremdkörpergefühl<br />

und Sehbeeinträchtigung aus. Weitere Ursachen können aber auch chemische (z.B. Verätzungen),<br />

mechanische (z.B. Fremdkörper), physikalische (z.B. Strahlen) und biologische (z.B. Bakterien)<br />

Reize sein. Eine Ablösung der Hornhaut ist eher selten, kann aber z.B. durch Geschwüre<br />

in diesem Bereich oder Fremdkörpereinwirkung entstehen.<br />

4.2.6 Glaskörpertrübung<br />

Dabei handelt es sich um Veränderung in der Zusammensetzung des Glaskörpers, die bei starker<br />

Ausprägung von den Betroffenen oft auch als "fliegende Mücken" (mouches volantes) vor<br />

den Augen wahrgenommen werden. Ursachen können neben Einblutungen in den Glaskörper<br />

u. a. auch Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut), Traumen oder Infektionen sein.<br />

4.2.7 Makuladegeneration<br />

Hierbei kommt es zu einer Rückbildung der Makula densa, die letztlich zu einer Beeinträchtigung<br />

der Sehschärfe führt. Die Zellen im Bereich des gelben Flecks gehen zugrunde. Dies führt im<br />

Endstadium zum Verlust des zentralen Sehens, was einer Erblindung gleich kommt, obwohl die<br />

periphere Netzhaut noch intakt ist.<br />

4.2.8 Netzhautablösung (Amotio retinae)<br />

Die Konsequenz einer Netzhautablösung vom Pigmentepithel mit anschließender Ernährungsstörung<br />

der Netzhaut ist die Unfähigkeit zur Bildwahrnehmung im betroffenen Bereich. Sie entsteht<br />

beispielsweise durch Risse in der Netzhaut oder altersbedingte Gewebeveränderungen.<br />

Ein im Bereich der Netzhaut stark gewölbter Augapfel bei Kurzsichtigkeit, eine fehlende Augenlinse<br />

oder höheres Lebensalter wirken begünstigend. Unter die Netzhaut eindringende Flüssigkeit<br />

führt zur Ablösung, wodurch die Sehfähigkeit beeinträchtigt und die Netzhaut unbehandelt<br />

vollständig zerstört werden kann.<br />

4.2.9 Retinitis pigmentosa<br />

Unter dem Begriff Retinitis pigmentosa werden verschiedene erbliche Augenerkrankungen zusammengefasst,<br />

die eine unheilbare Netzhautzerstörung zur Folge haben und weltweit die häufigste<br />

Ursache für einen Sehverlust darstellen. Meist kommt es im jugendlichen Alter zu einer<br />

Nachtblindheit mit verengtem Gesichtsfeld, zu eingeschränktem Farbsehen und Sehschärfenverlust,<br />

welche sich mit zunehmendem Alter bis zum vollständigen Sehkraftverlust hin verschlechtern<br />

[11].<br />

4.2.10 Lidsenkungen (Ptosis)<br />

Eine angeborene Ptosis aufgrund eines Fehlens oder einer fehlerhaften Funktion des oberen<br />

Lidhebers (Musculus levator palpebrae superioris) ist selten. Häufiger handelt es sich um eine<br />

erworbene Störung durch eine Schädigung des Hebemuskels oder seiner Nerven, z. B. aufgrund<br />

eines Schlaganfalls oder des „Horner-Syndroms“. Hierbei handelt es sich um ein durch<br />

eine Läsion der zentralten Sympaticusbahn oder einen Tumor in der Lungenspitze hervorgerufenes<br />

Syndrom, bei dem sich die Symptome der Miosis, Ptosis und Enophthalmus zum sog.<br />

Horner-Trias vereinigen. Weiter Ursachen können allgemeine Muskelerkrankungen (z.B.<br />

Myasthenia gravis), Vergiftungen oder eine Restriktion des das Lid innervierende N.<br />

ophthalmucus sein.<br />

~ 17 ~


4.2.11 Diabetische Retinopathie<br />

Sie ist eine Folgeerscheinung des Diabetes mellitus, bei der die Gefäße der Retina (Netzhaut) in<br />

Mitleidenschaft gezogen werden. Die Durchblutungsstörung zerstört durch Mangelernährung<br />

Teile der Netzhaut. Folgen sind Sehbeeinträchtigungen, wiederkehrende Blutungen und teilweise<br />

schmerzhafte Gewebewucherungen mit der Gefahr einer Erblindung [11].<br />

4.3 Weitere Ursachen für Augenprobleme<br />

Viele Organerkrankungen neben anderen Symptomen zu einer Beeinträchtigung der Sehfähigkeit<br />

führen, z. B. das Aurasehen bei Migräne. Tumoren im Augenbereich sind eher selten, so z.B.<br />

im Bereich der Bindehaut das Melanom oder Lymphom, im Netzhautbereich das bösartige<br />

Retinoblastom, welches unbehandelt letal verläuft.<br />

4.3.1 Motorische Störungen<br />

Motorische Störungen der Augenmuskeln sind nur dann schulmedizinisch relevant, wenn es zur<br />

Wahrnehmung von Doppelbildern oder Bewegungsausfall des Augapfels in eine oder mehrere<br />

Richtungen kommt, wie z. B. bei Augenmuskellähmung oder Störungen der Augenmuskelnerven.<br />

Dennoch können selbst leichte Störungen der Augenmuskelbewegung oder ihrer Koordination<br />

dem Auge Stress verursachen und längerfristig zu Sehproblemen führen.<br />

4.3.2 Gesichtsfeldausfall<br />

Die Ursache für Gesichtsfeldausfällen können entweder im Auge selbst liegen (Katarakt, Glaukom,<br />

Netzhautablösung, Makuladegeneration) oder aber an irgendeiner Stelle der Sehbahn<br />

(Abb. 5). So resultiert ein Problem in einem Auge oder im Sehnerv in einem teilweisen oder vollständigen<br />

Gesichtsfeldausfall im betroffenen Auge. Liegt dagegen ein Problem an der Sehnervenkreuzung<br />

vor, führt dies zu einer sog. Halbblindheit (Hemianopsie) der äußeren Gesichtsfelder<br />

beider Augen (heteronyme bitemoprale Hemianopsie). Ist beispielsweise der linke Tractus<br />

opticus verletzt, kommt es einer sog. rechten homonymen Hemianopsie, einem Ausfall des äußeren<br />

Gesichtsfeldes des rechten Auges und des inneren Gesichtsfeldes des linken Auges. Ein<br />

ähnlicher, wenn auch nicht ganz so drastischer Befund ist auch bei einer Läsion im Bereich der<br />

Sehstrahlung zu beobachten [2].<br />

4.3.3 Nystagmus<br />

Beim Nystagmus handelt es sich um meist beidseitige rhythmische Augenbewegungen (Augenzittern).<br />

Die Ursachen können vielfältig sein und reichen von Multipler Sklerose über Erkrankungen<br />

des Hirnstamms oder des Kleinhirns bis hin zu Störungen der Augenmuskeln oder ihrer<br />

versorgenden Nerven, Schädigung des Gleichgewichtsorgans oder Medikamentenvergiftungen.<br />

4.3.4 Seelische Ursachen<br />

An dieser Stelle sei auch noch kurz darauf hingewiesen, dass auch seelische Probleme und<br />

nicht bewältigte emotionale Traumen oder Konflikte zu Sehproblemen führen können. In diesem<br />

Zusammenhang gewinnen Redensarten wie „etwas nicht mehr sehen können/ wollen“ oder „für<br />

etwas blind sein“ eine besondere Bedeutung. So berichtete mir eine Patientin mit starker Kurzsichtigkeit<br />

und Astigmatismus, dass ihre Sehfähigkeit sich deutlich verbesserte, wenn sie als<br />

Selbstständige für die nächste Zeit keine finanziellen Probleme zu erwarten hatte. Umgekehrt<br />

verschlechterte sich ihre Sehfähigkeit, wenn sie unter Geldnot litt. Auf Ursache und Bedeutung<br />

dieser Phänomene soll im Zusammenhang mit der Einflussnahme auf das CS-System noch näher<br />

eingegangen werden.<br />

~ 18 ~


5. Einflussnahme durch CS-Therapie<br />

Wenn wir die Augen mit Craniosacralen Techniken behandeln wollen müssen wir uns zunächst<br />

verdeutlichen, dass natürlich auch die am Sehen beteiligten Strukturen dem Craniosacralen<br />

Rhythmus unterworfen sind.<br />

5.1 Augenhöhle<br />

Dies gilt insbesondere für die Augenhöhle - sie weitet sich in der Flexionsphase hauptsächlich<br />

aufgrund der Abwärtsbewegung des Keilbeins und die Augäpfel bewegen sich nach vorne. Umgekehrt<br />

verengt sie sich in der Extensionsphase und die Augäpfel sinken zurück in die Augenhöhle<br />

[9]. Die Augen werden durch diesen Vorgang gewissermaßen massiert. Es ist leicht vorstellbar,<br />

dass dieser Mechanismus sowohl die Blutversorgung des Auges und der benachbarten<br />

Strukturen, ihrer Beweglichkeit, Elastizität und Funktionalität unterstützt.<br />

5.2 Öffnungen der Orbita<br />

Auch die Fissura orbitalis inferior weitet sich in der Flexionsphase und verengt sich in der<br />

Extentionsphase. Eine Läsion in diesem Bereich kann Konsequenzen für die sie durchziehenden<br />

Strukturen (A. infraorbitalis, Nn. infraorbitalis) haben. Das gleiche gilt für die Fissura orbitalis<br />

superior, welche den Durchtritt für die V. ophthalmica und die motorischen Augennerven III, IV<br />

und VI sowie für verschiedene Äste des N. ophthalmicus, den 1. Ast des Trigeminus (V 1 ) bildet<br />

(s.u.). Diese Nerven ziehen im weiteren Verlauf zwischen die Schenkel des Tentorium cerebelli,<br />

dessen Dysfunktion (Spannung) auch eine Störung der durchziehenden Hirnnerven hervorrufen<br />

kann. Ursachen für Spannungen im Tentorium cerebellum ist häufig eine Restriktion im Sphenoid.<br />

Hier ist insbesondere die laterale Verspannung (lateral strain) zu nennen, welche außerdem<br />

dazu führt, dass die Nervenpassage der motorischen Augenmuskelnerven an der Fissura<br />

orbitalis superior, die ja vom Sphenoid und dem Frontale gebildet wird, gestört sein kann.<br />

Eine abnormen Spannung am Tentorium cerebelli kann außerdem insbesondere bei Kindern die<br />

Ursache für Schielen sein und sehr günstig durch ein Lösen dieser abnormen Spannung beeinflusst,<br />

laut Upledger & Vredevoogd [4] bisweilen sogar vollständig korrigiert werden.<br />

Neben dem Schielen können durch diese Dysfunktion auch andere Beeinträchtigungen der Augenfunktion<br />

auftreten. Upledger & Vredevoogd [4] wiesen darauf hin, dass eine laterale Verspannung<br />

der Schädelbasis oft bereits während der Geburt stattfindet und sich später unter anderem<br />

in Form von Lernproblemen, vor allem im Bereich der Lesefähigkeit, manifestieren kann.<br />

Als zugrunde liegender Mechanismus nehmen sie einen durch die laterale Verspannung bedingten<br />

Druck auf das Foramen lacerum (Öffnung der mittleren Schädelgrube zw. Felsenbeinspitze<br />

und großem Keilbeinflügel) und den durch dieses ziehende Nervus petrosus an, welcher vermutlich<br />

Einfluss auf die Durchblutungsregulation des Hinterhauptlappens hat. Diese Kompression<br />

des N. petrosus beeinträchtigt somit wahrscheinlich die mit der Sehrinde im Zusammenhang<br />

stehenden Funktionen.<br />

Zur Freisetzung der Fissura orbitalis inferior empfehlen sich vor allem Techniken am harten<br />

Gaumen wie die Dekomression des Maxillar-Palatinal-Komplexes vom Processus pterygoidii<br />

des Keilbeins. Dies führt zu mehr Raum für den N. infraorbitalis und die pterigopalatinen Ganglien<br />

in der Fossa pterygopalatina.<br />

Außerdem sind Techniken zur Mobilistation von Maxilla, Palatinum und Sphenoid in diesem Zusammenhang<br />

hilfreich, da sie die infraorbitalen Fissuren und das sphenopalatine Ganglion beeinflussen.<br />

Das im Keilbein liegende Foramen opticum bildet den Durchlass für den Sehnerv, sowie die A.<br />

ophthalmica. Am Rande dieses Foramens verwächst die Dura mit dessen oberen Knochenrand.<br />

~ 19 ~


Der Sehnerv kann außer an dieser Stelle auch noch an anderen Stellen Restriktionen erfahren.<br />

Dies gilt insbesondere für den Bereich der Sehnervenkreuzung, welche direkt hinter dem<br />

Hypophysenstil liegt. Jede Erweiterung in diesem Bereich, sei es eine Vergrößerung der Hypophyse<br />

oder des Sinus cavernosus, kann den Sehnerv in seiner Funktion beeinträchtigen.<br />

Da der Sehnerv von Menningen umhüllt ist und diese nach Eintritt des Nervs in den Augapfel mit<br />

der Sclera verwachsen, wird klar, dass jegliche Spannung und Dysfunktion der<br />

Duralmembranen eine negative Auswirkung auf das Sehen und das Auge haben kann. So kann<br />

man beobachten, dass die Entspannung der Duralmembranen häufig einen positiven Einfluss<br />

auf Nystagmus, aber auch insgesamt auf die Augenfunktion hat. Dies gilt insbesondere dann,<br />

wenn der Nystagmus in Problemen der Augenmuskeln oder ihrer versorgenden Nerven begründet<br />

liegt.<br />

5.3 Duralmembranen<br />

Für das bessere Verständnis des großen Einfluss der Duralmembranen auf das Sehen kann<br />

man sich „vor Augen halten“, dass die Duralmembranen ein Kontinuum durch die gesamte<br />

Schädel-Rumpfregion bilden, angefangen vom Auge, den Sehnerv und die das Gehirn einhüllenden<br />

Hirnhäute bis hin zu den Menningen um den Zentralkanal des Rückenmarks, also bis<br />

hinunter zum Kreuzbein/Steißbein-Komplex. Die Dura mater spinalis (Anteil der Dura mater im<br />

Rückenmark) endet auf der Höhe des 2. Sacralwirbels. Von hier aus zieht das Filum terminale<br />

zum Steißbein und bildet eine direkte Verbindung mit dem Beckenboden. Außerdem bildet die<br />

Dura mater spinalis mit jedem Spinalnerv eine weitere wichtige neurologische wie auch fasziale<br />

Verbindung über den Duralsack in das Epineurum der Spinalnerven aus. Auf diesem Wege entsteht<br />

eine fasziale Kette von den Zehen bis zu den interkranialen Membranen [19].<br />

Von daher sollte es auch nicht verwundern, dass selbst Strukturen, die auf den ersten Blick<br />

nichts mit dem Sehen zu tun haben, dennoch Probleme im visuellen System verursachen können.<br />

So kann beispielsweise eine abnormale Spannung im Tentorium cerebelli auch ausgehend<br />

von Problemen der oberen Halswirbel und/oder des Kreuzbeins entstehen [9].<br />

Andererseits besitzt das Kontinuum der Duralmembranen außerhalb des Schädels nur wenige<br />

Fixpunkte: Nur am Foramen magnum, also im Bereich des Atlanto-occipitalen Gelenks, am 2.<br />

Und 3. Halswirbel und ventral auf der Höhe des 2. Sacralwirbels ist die Dura fest am Knochen<br />

verankert, weswegen diese Strukturen gerade auch bei Augenproblemen eine besondere Aufmerksamkeit<br />

benötigen. So berichtet Upledger [4] von einem 8 jährigen Mädchen, bei dem sich<br />

die Sehfähigkeit durch eine osteopathische Behandlung der oberen Halswirbelsäule spontan<br />

und drastisch verbesserte.<br />

Auf die Verbindung zwischen Sehstörungen, vor allem auch motorische Sehstörungen und Begleiterscheinungen<br />

durch Störungen der occipitalen Basis, aber auch bei Seitneigungs-Torsions-<br />

Läsionen der Schädelbasis wird von vielen Autoren hingewiesen [4, 9,14]. Gerade die Funktion<br />

des Atlanto-occipitalen Gelenks ist hier noch einmal besonders hervorzuheben: ein weiterer<br />

anatomischer Zusammenhang zwischen Auge und der atlantooccipitalen Basis stellt die unmittelbare<br />

Nachbarschaft zur Sehrinde dar, welche direkt an das Occipitale angrenzt [9].<br />

Auch Wilhelm Reich hat in seinem Werk „Charakteranalyse“ [21] das Augensegment als anatomisch-neurologische<br />

Einheit bezeichnet: er zählte dazu Augen, Ohren, Nase, Nackenmuskulatur,<br />

Großhirnhemisphären, Hypophyse und Hypothalamus, Fromatio reticularis, Hirnstamm und<br />

eben insbesondere auch die Schädelbasis mit der occipitalen Region.<br />

Auch nach meiner persönlichen Erfahrung profitiert die Sehfähigkeit deutlich von einer Mobilisation<br />

der HWS und insbesondere der Atlanto-occipitalen Basis, und sei es auch nur deshalb, weil<br />

eine freibewegliche HWS den Stress verringert, welchem Auge und Gehirn durch die Notwendigkeit<br />

der permanenten Ausrichtung der Augen auf eine horizontale Ebene (rightening reflex,<br />

s.u.) gegen einen nicht frei beweglichen Kopf ausgesetzt sind. Dies gilt ebenfalls für die Ver-<br />

~ 20 ~


echnung des horizontalen Ebenenunterschieds zwischen den beiden Augen bei einer Schieflage<br />

des Kopfes.<br />

5.4 Der „Kampf des Körpers gegen die Schwerkraft“ und die Bedeutung der Faszien<br />

Dass dieser Zusammenhang nicht trivial ist, sondern eine weitere Erklärung für die Verbindung<br />

zwischen Sehproblemen und nicht offensichtlich am Sehen beteiligten Strukturen liefert, zeigt<br />

der auch der relativ neue und hochinteressante wissenschaftliche Zweig der Posturologie. Sie ist<br />

die Lehre des unbewussent und sensorisch-motorischen Haltungssystems mit seinen peripheren<br />

Rezeptoren und seinen Zentren im Gehirn [18]. In diesem Konzept finden die komplexen<br />

Wechselwirkungen im Körper in seiner Interaktion mit Bewegung und Schwerkraft, welche<br />

Craniotherapeuten ja schon seit langem bestens bekannt sind, ihre Berücksichtigung. Hierbei<br />

sind für den Körper die Horizontalstellung der Augen (rightening reflex), die Haltung der statischen<br />

und dynamischen Balance und der Erhalt der aufrechten Position gegenüber der Schwerkraft<br />

von besonderer Bedeutung. Zur Verwirklichung dieser Balance bedient sich unser Körper<br />

einer Vielzahl von Informationsquellen, vor allem Rezeptoren der Füße und Augen, aber auch<br />

Mechanorezeptoren in den oberflächlichen Faszien (Exterorezeptoren), Endorezeptoren,<br />

Propriorezeptoren (Tiefensensibilität), ja selbst Verknüpfungen mit unserem Gefühl/Innenwelt-<br />

Erleben, aber auch der Verbindung von Auge und Gleichgewichtsorgan (vestibuloookularer Reflex)<br />

und auch der Verschaltung der Augen mit dem Atlanto-Axis-Occiput-Komplex<br />

(OAA.Komplex) [18].<br />

Andererseits liegen die meisten Rezeptoren, welche dem Körper helfen, die Augen auf einer<br />

horizontalen Ebene auszurichten, in den Faszien, bzw. werden ihre afferenten Fasern durch<br />

Faszien geschützt. Folgerichtig geschieht die Anpassung an die eingehenden Informationen in<br />

diesem Zusammenhang meist über Muskelketten, deren Verbindung untereinander wiederum<br />

die Faszien herstellen. Störungen der Faszien und der Interaktion der an den Muskelketten beteiligten<br />

Anteile können somit ebenfalls zu Sehproblemen führen. Diese Zusammenhänge verdeutlichen<br />

die Bedeutung, welche auch und gerade das Fasziensystem unseres Körpers für das<br />

Sehen haben kann.<br />

5.5 Augenfunktion und Durchblutung<br />

Neben einer guten Blutversorgung und freien Durchgängigkeit der das Auge und seiner Hilfsstrukturen<br />

versorgenden Arterien, vor allem der A. ophthalmica, ist auch ein guter venöser Abfluss<br />

für eine gesunde Augenfunktion wichtig. Dies gilt vor allem für den Sinus cavernosus und<br />

die Vena ophthalmica welche beide bei einer Erweiterung durch eine Abflussstauung auch die<br />

motorischen Sehnerven beeinträchtigen können. Die restriktionsfreie Funktion von Temporale<br />

und Occipitale sind hier hervorzuheben, da sie essenziel sind für eine gute venöse Ableitung<br />

aus dem Gehirn. Die occipitale Basis ist hier besonders wichtig, da durch eine Blockade in diesem<br />

Bereich die Vena jugularis, welche 95 % des venösen Blutes aus dem Kopf abtransportiert,<br />

in ihrem Abfluss gestört sein kann. Daher ist bei Augenproblemen auch stets auf eine Korrektur<br />

von Hinterhauptsknochen, Schläfenknochen und Keilbein sowie auf eine freie Thoraxappertur zu<br />

achten.<br />

5.6 Motorische Augenfunktionsstörungen<br />

Augenprobleme durch eine Störung der Augenmuskeln wurden bereits bei den Augenerkrankungen<br />

und in den letzten Abschnitten angesprochen. Hier gilt das bereits zuvor gesagte: alles,<br />

was die Durchblutung, Mechanik oder die neuronale Versorgung der Augenmuskeln stört, kann<br />

letztendlich die Augenkoordination signifikant stören. Da speziell die Augenmuskelnerven einen<br />

vergleichsweise langen Weg bis in ihre Kerngebiete haben, können an zahlreichen Stellen Restriktionen<br />

auftreten. So zunächst an der Fissura orbitalis superior, danach verlaufen III und IV<br />

entlang des Sinus cavernosus, dessen Erweiterung hier ebenfalls Probleme machen kann. Auch<br />

befinden sich hier die Verankerungen des Tentoriums cerebelli am Keilbein, wodurch Spannun-<br />

~ 21 ~


gen des Tentoriums ebenfalls negative Auswirkungen auf die in ihm eingebetteten Augennerven<br />

haben kann. Außerdem befinden sich in der Nachbarschaft der Augenmuskelnerven noch Arterien,<br />

welche ebenfalls Einfluss nehmen können. Eine genauere sehr gute Beschreibung des<br />

Verlaufs dieser Hirnnerven ist bei Upledger [4] zu finden, würde aber den Rahmen dieser Arbeit<br />

sprengen.<br />

5.7 Augen- und Leberfunktion<br />

Davon abgesehen, dass die Leber am Umbau der Vorstufe des Vitamin A (all-trans-Retinol) als<br />

Grundsubstanz des Retinals und am Aufbau des Opsins beteiligt ist, gilt die Leber in der TCM<br />

als energetisches Bezugsorgan des Auges. Von daher ist bei Augenproblemen auch stets ein<br />

Augenmerk auf eine mögliche Leberschwäche, den Lebermeridian und deren Unterstützung mit<br />

viszeraler CS-Therapie zu richten. Insbesondere der Zusammenhang zwischen Leberproblemen<br />

und trockenem Auge ist bekannt [20].<br />

5.8 Zusammenhang Auge und Kiefergelenk<br />

Auch zwischen Auge und Kiefergelenk besteht eine deutliche Verbindung. Diese Verbindung<br />

kann jeder im Selbsttest erfahren:<br />

Setzen, legen, stellen Sie sich entspannt hin und stellen sie sich vor, Ihre Augen<br />

würden in den Höhlen nach hinten sinken, so, als würden sie sich gemütlich in einen<br />

Sessel setzen. Beobachten Sie gleichzeitig, was mit ihrem Unterkiefer passiert:<br />

die Gesichts- und Kiefermuskulatur wird sich entspannen.<br />

Diese Übung, welche quasi eine Blitzentspannung für das Kiefergelenk darstellt, gebe ich gerne<br />

meinen Patienten als Hausaufgabe mit.<br />

Auch wenn dieser Zusammenhang vielleicht nicht ganz so plausibel ist, erklärt er sich dennoch<br />

aus der Interaktion zwischen Unterkiefer/Kiefergelenk, Sphenoid, Temporale und der AO-Basis<br />

bzw. dem Atlas.<br />

5.9 Zusammenhang Auge und Nebenhöhlen<br />

Die Augenhöhle ist von 3 Seiten nur durch sehr dünne Knochenwände von den Nebenhöhlen<br />

getrennt. Deswegen können Erweiterungen der Nebenhöhlen durch Entzündungen oder Wucherungen<br />

auf die Augen drücken oder schlimmstenfalls durch Einbrüche Entzündungen der Augenhöhle<br />

hervorrufen. Daher ist die Bedeutung der Mobilisation insbesondere von Fontale,<br />

Sphenoid und Ethmoidale im Zusammenhang mit einer Stasis in den Nebenhöhlen von besonderer<br />

Bedeutung um eine Ausbreitung der Entzündung von den Nebenhöhlen in die Augenhöhle<br />

wirksam zu verhindern. Upledger [4]rät in diesem Fall insbesondere zu V-spread-Techniken aus<br />

verschiedenen Stellungen, jedoch sind auch direkte und indirekte Techniken in diesem Zusammenhang<br />

sehr wirkungsvoll. Die Behandlung einer ethmoidalen Dysfunktion kann am besten<br />

durch eine V-spread mitten durch das Vomer durchgeführt werden und eine Mobilisierung und<br />

Verstärkung der Sphenhoidbewegung. Wichtig dabei ist, dass zuvor immer erst das Frontale<br />

gelöst wird [9].<br />

5.10 Seelische Ursachen für Augenprobleme<br />

Entsprechend Kurtz & Prestera [15] können die Augen auch emotional blockiert sein im Sinne<br />

von: keine Emotionen zeigen, Emotionen blockieren. Dies macht Sinn, da man Emotionen insbesondere<br />

von den Augen ablesen kann.<br />

Im oben genannten Buch [15] liefern die beiden Autoren auch eine Zuordnung unterschiedlicher<br />

Aspekte zu den beiden Augen, welche für eine Diagnose insbesondere für Dialogarbeit hilfreich<br />

sein kann und hier wiedergegeben wird:<br />

~ 22 ~


Tab. 2: Zuordnung des rechten und linken Auges zu verschiedenen Aspekten. Aus: Kurtz &<br />

Prestera 1976 [15]<br />

Rechtes Auge<br />

Persönlichkeit (Ego)<br />

Beziehung zum Vater<br />

Äußere Schicht<br />

Tun/Aktivität<br />

Yang<br />

männlich<br />

Bei Störung:<br />

Beeinträchtigung von sozialen<br />

Beziehungen<br />

Mistrauen und Paranoia<br />

Linkes Auge<br />

Essenz (inneres Selbst)<br />

Beziehung zur Mutter<br />

Innere Schicht<br />

Sein/Existenz<br />

Yin<br />

weiblich<br />

Gestörte Seinswahrnehmung<br />

Angst, Ängstlichkeit<br />

Auch Wilhelm Reich [21] befasste sich mit dem Thema der emotionalen Blockade der Augen:<br />

Nach Reich entwickeln manche Menschen aufgrund traumatischer Erlebnisse schon in frühester<br />

Kindheit eine „Kontraktur und Immobilisierung aller oder fast aller Muskeln am Augapfel zur<br />

Abwehr oder Schutz vor verletzenden Kontakten in einer feindlichen Umwelt. Unbeweglichkeit<br />

der Stirnhaut, der Augenlider, Ausdruck der Leere, oder vorquellende Augenbälle, maskenhafter<br />

Ausdruck und Unbeweglichkeit an beiden Seiten der Nase können hierbei weitere extreme<br />

Kennzeichen sein. Die Augen blicken wie hinter einer starren Maske hervor.“ Dies kann chronische<br />

Verspannungen im Bereiche des „Augenkanals“ zur Folge haben, welche auch den Blickkontakt<br />

stören. Die volle und freie Wahrnehmung der Realität mit dem ganzen breiten Spektrum<br />

ist erschwert und eingeengt, und beeinträchtigt damit die subjektive Welt des Betrachters. Erweiterung<br />

und Verbesserung des Sehvermögens korrelieren mit innerem Wachstum der Person<br />

in Beziehung zum eigenen Selbst. Dr. Thomas Ehrensperger [22], von dem auch der vorangegangene<br />

Abschnitt stammt, betrachtet den Sehvorgang als eine Funktion der ganzen Person.<br />

Die Augen sind zwar optische Instrumente, aber viel wichtiger sind sie für den emotionalen Kontakt<br />

mit der Welt und mit anderen.<br />

Im Falle emotionaler oder seelischer Konflikte als Ursache für Augenprobleme kann Dialogarbeit<br />

sowie die Arbeit mit Somato Emotional Unwinding – Techniken sehr hilfreich sein. So berichtete<br />

in meiner Praxis der Nacken eines Patienten, dass er nicht mehr bereit sei, die gesamte Verantwortung<br />

für das Leben des Patienten zu übernehmen und außerdem endlich das versprochene<br />

neue Bett und Kopfkissen wollte. Nachdem der Patient seinen Nacken von der Verantwortung<br />

entlastet hatte und sich ein neues Bett und Kopfkissen angeschafft hatte, besserten<br />

sich auch – nach zusätzlicher craniosacraler Arbeit insbesondere an ihrer occipitalen Basis und<br />

Halswirbelsäule, welche vorher nie dauerhafte Besserung brachte - seine Sehprobleme.<br />

~ 23 ~


5. Behandlungsprotokoll<br />

Für die Behandlung von Augenproblemen könnte man nach folgendem 11 Punkte<br />

Behandlungprotokoll vorgehen. Besonderes Augenmerk ist bei der unmittelbaren Arbeit am Auge<br />

auf Hygiene zu richten! Außerdem darf direkt im der Umgebung des Auges und besonders<br />

am Augapfel selbst nur mit minimalster Druck gearbeitet werden (bei zu starkem Druck könnte<br />

die Gefahr einer Netzhautablösung bestehen).<br />

Das Unwinding der Augäpfel fördert Durchblutung des Augapfels und sorgt füreine bessere Versorgung<br />

der Strukturen. Außerdem Bewirkt es eine Lockerung der Augenmuskeln.<br />

1. Kreuzbein<br />

2. Lösen der A/O-Basis<br />

3. Arbeit am Stirnbein, Stirnbein-Nasenbein, Stirnbein-Oberkieferknochen, Oberkiefer-<br />

Siebbein<br />

4. Sutherland Dysfunctions des Keilbeins<br />

5. Weiten der Augenhöhlen<br />

6. Unwinding der Augäpfel – besonders wenig Druck<br />

7. V-Spread<br />

8. Arbeit an der HWS<br />

9. Arbeit am Kiefergelenk<br />

10. Leberunterstützung<br />

11. Somato-Emotionaler Dialog/Somato-Emotional-Unwinding-Techniken<br />

6. Schlussfolgerungen<br />

Die CranioSacrale Theapie (CST) hat sich schon seit vielen Jahrzehnten als wertvolles therapeutisches<br />

Werkzeug für eine große Bandbreite gesundheitlicher Probleme erwiesen. Anhand<br />

der aufgeführten Möglichkeiten und Beispiele wird klar, dass sie auch im Zusammenhang mit<br />

Augenproblemen und Störungen der visuellen Wahrnehmung einen sehr wertvollen Beitrag leisten<br />

kann. Aufgrund der vielschichtigen Ursachen für diese Probleme ist ein ganzheitliches Konzept<br />

wie das der CST geradezu prädestiniert. Wie auch bei gesundheitlichen Problemen in anderen<br />

Bereichen ist die CST auch bei den Augen für bestimmte Probleme besonders, für andere<br />

vielleicht weniger geeignet. Besonders geeignet ist sie für alle Restriktionen der am Sehen beteiligten<br />

Strukturen, aber auch für alle emotional/seelischen Probleme, welche damit im Zusammenhang<br />

stehen. Eine sorgfältige Abklärung möglicher organischer Probleme im Vorfeld (bei<br />

einer Netzhautablösung oder dem Verdacht auf eine instabile Netzhaut, bei erhöhtem Augeninnendruck<br />

oder Bindehaut- und Hornhautentzündung halte ich beispielsweise ein Unwinding des<br />

Augapfels für kontraindiziert) sowie eine behutsame und sorgfältige Vorgehensweise ist hierbei<br />

die Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung. Bei Berücksichtigung dieser Vorsichtsmaßnahmen<br />

werden die Patienten vielleicht nicht direkt nach der Behandlung ihre Brillen wegwerfen<br />

können, jedoch werden sie auf jeden Fall von der Behandlung profitieren und möglicherweise<br />

die Welt mit „anderen Augen“ etwas klarer sehen.<br />

~ 24 ~


7. Literatur<br />

1 Platzer, W. (2009) Taschenantlas Anatomie, Bd. 1, 10. Aufl. Thieme Verlag Stuttgart, ISBN<br />

978-1390-9, pp. 467<br />

2 Faller, A., Schünke, M. (2004) Der Körper des Menschen, 14. Aufl. Thieme Verlag Stuttgart,<br />

New York, ISBN: 3-13-329714-7, pp. 826<br />

3 Lippert, H. (2000) Lehrbuch Anatomie, 5. Aufl. Urban & Fischer Verlag München, Jena,<br />

ISBN 3-437-42360-6, pp. 803<br />

4 Upledger, J. E. (2007) Craniosacral Therapy II: Beyond the Dura, 16. Aufl., Eastland Press<br />

Inc. Seattle, ISBN-13: 978-0-939616-05-3, pp. 259<br />

5 Krstic, R. V.(1988) Die Gewebe des Menschen und der Säugetiere: Ein Atlas zum Studium<br />

für Mediziner und Biologen, 2. Aufl., Springer Verlag Berlin, Hamburg, New York, ISBN: 3-<br />

540-190007-4, pp. 399<br />

6 Bayrhuber, H., Kull, U., Bäßler, U., Danzer, A. (1989) Linder Biologie, 20. Aufl. J. B.<br />

Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH Stuttgart,<br />

ISBN: 3-476-20347-6, pp. 528<br />

7 Nieswandt, A. (2012) Sicca-Syndrom: So wird das trockene Auge wieder feucht. Naturarzt<br />

7/2012, S. 31-33.<br />

8 Bierbach, E. (Hrsg.) (2000) Naturheilpraxis heute, 2. Aufl., Urban & Fischer München, Jena,<br />

ISBN: 3-437-5524-4, pp. 1549<br />

9 Löwe, R. U. (2006) Craniosacrale Heilkunst, 2. Aufl. Aurum Verlag, ISBN: 3-89901-048-5,<br />

pp. 421<br />

10 Penzlin, H. (1991) Lehrbuch der Tierphysiologie, 5.Aufl. Gustav Fischer Verlag Jena, ISBN:<br />

3-334-60363-6, pp. 657<br />

11 Wikipedia, das Auge: http://de.wikipedia.org/wiki/Auge Stand 3/2012<br />

12 Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch (2004), 260. Aufl. de Gruyter Verlag Berlin, ISBN 3-<br />

11-017621-1, pp. 2022<br />

13 Storch, V., Welsch, U. (1994) Kurzes Lehrbuch der Zoologie, 7. Aufl. Gustav Fischer Verlag<br />

Stuttgart, Jena New York, ISBN: 3-437-20507-2, pp. 593<br />

14 Upledger, J. E., Vredevoogd, J. D. (2003) Lehrbuch der CranioSacralen Therapie, 5. Auflage,<br />

Karl F. Haug Verlag Stuttgart, ISBN: 3-8304-7168-8, pp. 446<br />

15 Kurtz, R., Prestera, H. (1976) The body reveals. 1 st Edition, Harper & Row/Quicksilver<br />

Books Publishers, New York, San Francisco, London, pp. 150<br />

16 Hubbart, R., Kropf, A. (1967) Molecular isomers in vision. Scientific American 216 VWA<br />

(6):64-76<br />

17 Frick, H., Leonhardt, H., Starck, D. (1992) Spezielle Anatomie II: Eingeweide, Nervensystem,<br />

Systematik der Muskeln und Leitungsbahnen. Thieme, Stuttgart<br />

18 Langer, W., Hebgen, E. (2013) Lehrbuch Osteopathie Haug Verlag in MVS Medizinverlag<br />

Stuttgart GmbH, ISBN 978-3-8304-7530-9<br />

19 http://www.osteopathie-und-mehr.de/wissenwertes/valerius.php Stand 3/2013<br />

20 http://www.fid-gesundheitswissen.de/augenheilkunde/trockene-augen/lassen-sie-beiaugentrockenheit-ihre-leber-untersuchen/<br />

Stand 3/2013<br />

21 Reich, W. (1939/2010) Charakteranalyse. Anaconda, Köln, ISBN: 978-3-86647-506-9, pp.<br />

660<br />

22 Ehrensperger, T. P. (2006) Visueller Kontakt, emotionaler Ausdruck und Wahrnehmung der<br />

Wirklichkeit -- Das Augensegment in der KPT. unter:<br />

www.crocodilebikes.com/croco_hosting/.../Augenensegment.doc Stand 3/2013<br />

~ 25 ~

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