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Ueber Begriff und Gegenstand - Académie de Nancy-Metz

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Gottlob Frege - <strong>Ueber</strong> <strong>Begriff</strong> <strong>und</strong> <strong>Gegenstand</strong><br />

sprachlichen Nothwendigkeit mein Ausdruck zuweilen, ganz wörtlich genommen,<br />

<strong>de</strong>n Gedanken verfehlt, in<strong>de</strong>m ein <strong>Gegenstand</strong> genannt wird, wo ein <strong>Begriff</strong><br />

gemeint ist. Ich bin mir völlig bewusst, in solchen Fallen auf ein wohlwollen<strong>de</strong>s<br />

Entgegenkommen <strong>de</strong>s Lesers angewiesen zu sein, welcher mit einem Körnchen<br />

Salz nicht spart.<br />

Man <strong>de</strong>nkt vielleicht, diese Schwierigkeit sei künstlich gemacht, man brauche<br />

etwas so Unhandliches wie das, was ich <strong>Begriff</strong> genannt habe, gar nicht in Betracht<br />

zu ziehen, <strong>und</strong> könne mit Kerry das Fallen eines <strong>Gegenstand</strong>es unter einen <strong>Begriff</strong><br />

als eine Beziehung ansehen, in welcher das ein Mal als <strong>Gegenstand</strong> erscheinen<br />

könne, was ein an<strong>de</strong>r Mal als <strong>Begriff</strong> auftrete. [205] Die Wörter „<strong>Gegenstand</strong>“ <strong>und</strong><br />

„<strong>Begriff</strong>“ dienten dann nur dazu, die verschie<strong>de</strong>ne Stellung in <strong>de</strong>r Beziehung<br />

anzu<strong>de</strong>uten. Das kann man thun; wer aber hiermit die Schwierigkeit vermie<strong>de</strong>n<br />

glaubt, irrt sehr. Sie ist nur verschoben; <strong>de</strong>nn von <strong>de</strong>n Theilen eines Gedanken<br />

dürfen nicht alle abgeschlossen sein, son<strong>de</strong>rn min<strong>de</strong>stens einer muss irgendwie<br />

ungesättigt o<strong>de</strong>r prädicativ sein, sonst wor<strong>de</strong>n sie nicht aneinan<strong>de</strong>r haften. So haftet<br />

z. B. <strong>de</strong>r Sinn <strong>de</strong>r Wortverbindung „die Zahl 2“ nicht an <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Ausdrucks „<strong>de</strong>r<br />

<strong>Begriff</strong> Primzahl“ ohne ein Bin<strong>de</strong>mittel. Ein solches wen<strong>de</strong>n wir an in <strong>de</strong>m Satze<br />

„die Zahl 2 fällt unter <strong>de</strong>n <strong>Begriff</strong> Primzahl“. Es ist enthalten in <strong>de</strong>n Worten „fällt<br />

unter“, die in doppelter Weise einer Ergänzung bedürfen durch ein Subject <strong>und</strong><br />

einen Accusativ; <strong>und</strong> nur durch diese Ungesättigtheit Ihres Sinnes sind sie fähig, als<br />

Bin<strong>de</strong>mittel zu dienen. Erst wenn sie in dieser doppelten Hinsicht ergänzt sind,<br />

haben wir einen abgeschlossenen Sinn, haben wir einen Gedanken. Ich sage nun<br />

von solchen Worten o<strong>de</strong>r Wortverbindungen, dass sie eine Beziehung be<strong>de</strong>uten.<br />

Nun haben wir bei <strong>de</strong>r Beziehung dieselbe Schwierigkeit, die wir beim <strong>Begriff</strong>e<br />

vermei<strong>de</strong>n wollten; <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>n Worten „die Beziehung <strong>de</strong>s Fallens eines<br />

<strong>Gegenstand</strong>es unter einen <strong>Begriff</strong>“ bezeichnen wir keine Beziehung, son<strong>de</strong>rn einen<br />

<strong>Gegenstand</strong>, <strong>und</strong> die drei Eigennamen „die Zahl 2“, „<strong>de</strong>r <strong>Begriff</strong> Primzahl“, „die<br />

Beziehung <strong>de</strong>s Fallens eines <strong>Gegenstand</strong>es unter einen <strong>Begriff</strong>“ verhalten sich<br />

ebenso sprö<strong>de</strong> zu einan<strong>de</strong>r wie die bei<strong>de</strong>n ersten allein; wie wir sie auch<br />

zusammenstellen, wir erhalten keinen Satz. So erkennen wir leicht, dass die<br />

Schwierigkeit, welche in <strong>de</strong>r Ungesättigtheit eines Gedankentheils liegt, sich wohl<br />

verschieben, aber nicht vermei<strong>de</strong>n lässt. „Abgeschlossen“ <strong>und</strong> „ungesättigt“ sind<br />

zwar nur bildliche Ausdrücke, aber ich will <strong>und</strong> kann hier ja nur Winke geben.<br />

Die Verständigung mag erleichtert wer<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Leser meine Schrift<br />

Function <strong>und</strong> <strong>Begriff</strong> vergleicht. Bei <strong>de</strong>r Frage nämlich, was man in <strong>de</strong>r Analysis<br />

Function nenne, stösst man auf dasselbe Hemmniss; <strong>und</strong> bei eindringen<strong>de</strong>r<br />

Betrachtung wird man fin<strong>de</strong>n, dass es in <strong>de</strong>r Sache selbst <strong>und</strong> in <strong>de</strong>r Natur unserer<br />

Sprache begrün<strong>de</strong>t ist, dass sich eine gewisse Unangemessenheit <strong>de</strong>s sprachlichen<br />

Ausdrucks nicht vermei<strong>de</strong>n lässt <strong>und</strong> dass nichts übrig bleibt, als sich ihrer bewusst<br />

zu wer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> ihr immer Rechnung zu tragen.<br />

Jena.<br />

G. Frege.<br />

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