Ueber Begriff und Gegenstand - Académie de Nancy-Metz
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Gottlob Frege - <strong>Ueber</strong> <strong>Begriff</strong> <strong>und</strong> <strong>Gegenstand</strong><br />
Kerry möchte <strong>de</strong>n Unterschied zwischen <strong>Begriff</strong> <strong>und</strong> <strong>Gegenstand</strong> nicht als<br />
absoluten gelten lassen. Er sagt: „Wir haben an früherer Stelle selbst <strong>de</strong>r Ansicht<br />
Ausdruck gegeben, dass das Verhältniss zwischen <strong>Begriff</strong>sinhalt <strong>und</strong><br />
<strong>Begriff</strong>sgegenstand in gewisser Beziehung ein eigenthümliches, irreducibles 2 sei;<br />
hiermit war aber keineswegs die Ansicht verb<strong>und</strong>en, dass die Eigenschaften: <strong>Begriff</strong><br />
zu sein <strong>und</strong> <strong>Gegenstand</strong> zu sein einan<strong>de</strong>r ausschlössen; die letztere Ansicht folgt<br />
aus <strong>de</strong>r erstere so wenig, als etwa daraus, dass das Verhältniss zwischen Vater <strong>und</strong><br />
Sohn ein nicht weiter zurückführbares wäre, folgt, dass Jemand nicht zugleich<br />
Vater <strong>und</strong> Sohn (wiewohl natürlich nicht z. B. Vater Dessen, <strong>de</strong>ssen Sohn er ist)<br />
sein könne.“<br />
Knöpfen wir an dies Gleichniss an! Wenn es Wesen gäbe o<strong>de</strong>r gegeben hätte,<br />
welche zwar Väter wären, aber nicht Söhne sein könnten, so wür<strong>de</strong>n solche Wesen<br />
offenbar ganz andrer Art sein als alle Menschen, welche Söhne sind. Aehnliches<br />
kommt nun hier vor. Der <strong>Begriff</strong> - wie ich das Wort verstehe - ist prädicativ 3 . Ein<br />
<strong>Gegenstand</strong>sname hingegen, ein Eigenname ist durchaus unfähig, als<br />
grammatisches Prädicat gebraucht zu wer<strong>de</strong>n. Dies bedarf freilich einer<br />
Erläuterung, um nicht falsch zu erscheinen. Kann man nicht ebensogut von etwas<br />
aussagen, es sei Alexan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Grosse, o<strong>de</strong>r es sei die Zahl Vier, o<strong>de</strong>r es sei <strong>de</strong>r<br />
Planet Venus, wie man von etwas aussagen kann, es sei grün, o<strong>de</strong>r es sei ein<br />
Säugethier? [194] Wenn man so <strong>de</strong>nkt, unterschei<strong>de</strong>t man nicht die<br />
Gebrauchsweisen <strong>de</strong>s Wortes „ist“. In <strong>de</strong>n letzten bei<strong>de</strong>n Beispielen dient es als<br />
Copula, als blosses Formwort <strong>de</strong>r Aussage. Als solches kann es zuweilen durch die<br />
blosse Personalendung vertreten wer<strong>de</strong>n, Man vergleiche z. B. „dieses Blatt ist<br />
grün“ <strong>und</strong> „dieses Blatt grünt“. Wir sagen dann, dass etwas unter einen <strong>Begriff</strong><br />
falle, <strong>und</strong> das grammatische Prädicat be<strong>de</strong>utet dabei diesen <strong>Begriff</strong>. In <strong>de</strong>n ersten<br />
drei Beispielen wird dagegen das „ist“ wie in <strong>de</strong>r Arithmetik das Gleichheitszeichen<br />
gebraucht, um eine Gleichung 4 auszusprechen. Im Satze „<strong>de</strong>r Morgenstern ist die<br />
Venus“ haben wir zwei Eigennamen „Morgenstern“ <strong>und</strong> „Venus“ für <strong>de</strong>nselben<br />
<strong>Gegenstand</strong>. In <strong>de</strong>m Satze „<strong>de</strong>r Morgenstern ist ein Planet“ haben wir einen<br />
Eigennamen: „<strong>de</strong>r Morgenstern“ <strong>und</strong> ein <strong>Begriff</strong>swort: „ein Planet“. Sprachlich<br />
zwar ist nichts geschehen, als dass „die Venus“ ersetzt ist durch „ein Planet“; aber<br />
sachlich ist die Beziehung eine ganz an<strong>de</strong>re gewor<strong>de</strong>n. Eine Gleichung ist<br />
umkehrbar; das Fallen eines <strong>Gegenstand</strong>es unter einen <strong>Begriff</strong> ist eine nicht<br />
2<br />
Sic legitur.<br />
3 Er ist nämlich Be<strong>de</strong>utung eines grammatischen Prädicats.<br />
4 Ich brauche das Wort „gleich“ <strong>und</strong> das Zeichen „=“ in <strong>de</strong>m Sinne von „dasselbe<br />
wie“, „nichts An<strong>de</strong>res als“, „i<strong>de</strong>ntisch mit“. Man vergl. E. Schrö<strong>de</strong>r’s Vorlesungen<br />
über die Algebra <strong>de</strong>r Logik (Leipzig 1890) 1. Bd. § 1, wo jedoch zu ta<strong>de</strong>ln ist, dass<br />
zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n gr<strong>und</strong>verschie<strong>de</strong>nen Beziehungen <strong>de</strong>s Fallens eines<br />
<strong>Gegenstand</strong>es unter einen <strong>Begriff</strong> <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Unterordnung eines <strong>Begriff</strong>es unter<br />
einen <strong>Begriff</strong> nicht unterschie<strong>de</strong>n wird. Auch geben die Bemerkungen über die<br />
Vollwurzel zu Be<strong>de</strong>nken Veranlassung. Das Zeichen = bei Schrö<strong>de</strong>r vertritt nicht<br />
einfach die Copula.<br />
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