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Ueber Begriff und Gegenstand - Académie de Nancy-Metz

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Gottlob Frege - <strong>Ueber</strong> <strong>Begriff</strong> <strong>und</strong> <strong>Gegenstand</strong><br />

umkehrbare Beziehung. Das „ist“ im Satte „<strong>de</strong>r Morgenstern ist die Venus“ ist<br />

offenbar nicht die blosse Copula, son<strong>de</strong>rn auch inhaltlich ein wesentlicher Theil <strong>de</strong>s<br />

Prädicats, so dass in <strong>de</strong>n Worten: „die Venus“ nicht das ganze Prädicat enthalten<br />

ist 5 . Man könnte dafür sagen: „<strong>de</strong>r Morgenstern ist nichts An<strong>de</strong>res als die Venus“,<br />

<strong>und</strong> hier haben wir, was vorhin in <strong>de</strong>m einfachen „ist“ lag, in vier Worte<br />

auseinan<strong>de</strong>r gelegt, <strong>und</strong> in „ist nichts An<strong>de</strong>res als“ ist nun „ist“ wirklich nur noch<br />

die Copula. Was hier ausgesagt wird, ist also nicht die Venus, son<strong>de</strong>rn nichts<br />

An<strong>de</strong>res als die Venus. Diese Worte be<strong>de</strong>uten einen <strong>Begriff</strong>, unter <strong>de</strong>n freilich<br />

nur ein einziger <strong>Gegenstand</strong> fällt. Aber ein solcher <strong>Begriff</strong> muss immer noch von<br />

<strong>de</strong>m <strong>Gegenstand</strong>e unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n 6 . Wir haben hier ein Wort: „Venus“,<br />

welches nie eigentlich Prädicat sein kann, wiewohl es einen [195] Theil eines<br />

Prädicates bil<strong>de</strong>n kann. Die Be<strong>de</strong>utung 7 dieses Wortes kann also nie als <strong>Begriff</strong><br />

auftreten, son<strong>de</strong>rn nur als <strong>Gegenstand</strong>. Dass es etwas <strong>de</strong>r Art gibt, wür<strong>de</strong> auch<br />

Kerry wohl nicht bestreiten wollen. Damit wäre aber ein Unterschied zugestan<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>ssen Anerkennung sehr wichtig ist, zwischen <strong>de</strong>m, was nur als <strong>Gegenstand</strong><br />

auftreten kann, <strong>und</strong> allem Uebrigen. Und dieser Unterschied wür<strong>de</strong> auch dann<br />

nicht verwischt wer<strong>de</strong>n, wenn es wahr wäre, was Kerry meint, dass es <strong>Begriff</strong>e<br />

gebe, welche auch Gegenstän<strong>de</strong> sein können. Nun gibt es wirklich Fälle, welche<br />

diese Ansicht zu stützen scheinen. Ich habe selbst darauf hingewiesen (Gr<strong>und</strong>lagen<br />

§ 58 am En<strong>de</strong>), dass ein <strong>Begriff</strong> unter einen höhern fallen könne, was jedoch nicht<br />

mit <strong>de</strong>r Unterordnung eines <strong>Begriff</strong>es unter einen an<strong>de</strong>rn zu verwechseln sei. Kerry<br />

beruft sich hierauf nicht, son<strong>de</strong>rn gibt folgen<strong>de</strong>s Beispiel: „<strong>de</strong>r <strong>Begriff</strong> ‚Pferd’ ist ein<br />

leicht gewinnbarer <strong>Begriff</strong>“, <strong>und</strong> meint, <strong>de</strong>r <strong>Begriff</strong> ‚Pferd’ sei <strong>Gegenstand</strong> <strong>und</strong><br />

zwar einer <strong>de</strong>r Gegenstän<strong>de</strong>, die unter <strong>de</strong>n <strong>Begriff</strong> ‚leicht gewinnbarer <strong>Begriff</strong>’<br />

fallen. Ganz recht! Die drei Worte „<strong>de</strong>r <strong>Begriff</strong> ,Pferd’“ bezeichnen einen<br />

<strong>Gegenstand</strong>, aber eben darum keinen <strong>Begriff</strong>, wie ich das Wort gebrauche. Dies<br />

stimmt vollkommen mit <strong>de</strong>m von mir gegebenen Kennzeichen 8 überein, wonach<br />

beim Singular <strong>de</strong>r bestimmte Artikel immer auf einen <strong>Gegenstand</strong> hinweist,<br />

während <strong>de</strong>r unbestimmte ein <strong>Begriff</strong>swort begleitet. Kerry meint nun zwar, dass<br />

man auf sprachliche Unterscheidungen keine logische Festsetzungen grün<strong>de</strong>n<br />

könne; aber in <strong>de</strong>r Weise, wie ich das thue, kann es überhaupt niemand vermei<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>r solche Festsetzungen macht, weil wir uns ohne die Sprache nicht verständigen<br />

können <strong>und</strong> daher zuletzt doch immer auf das Vertrauen angewiesen sind, <strong>de</strong>r<br />

An<strong>de</strong>re verstehe die Worte, die Formen <strong>und</strong> die Satzbildung im Wesentlichen so<br />

wie wir selbst. Wie schon gesagt: ich wollte nicht <strong>de</strong>finiren, son<strong>de</strong>rn nur Winke<br />

geben, in<strong>de</strong>m ich mich dabei auf das allgemeine <strong>de</strong>utsche Sprachgefühl berief. Es<br />

kommt mir dabei vortrefflich zu statten, dass <strong>de</strong>r sprachliche Unterschied so gut<br />

mit <strong>de</strong>m sachlichen übereinstimmt. Beim unbestimmten Artikel ist wohl überhaupt<br />

5 Vgl. meine Gr<strong>und</strong>lagen § 66 Anm.<br />

6 Vgl. meine Gr<strong>und</strong>lagen § 51.<br />

7<br />

Man vgl. meinen Aufsatz über Sinn <strong>und</strong> Be<strong>de</strong>utung, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mnächst in <strong>de</strong>r<br />

Zeitschrift f. Phil. u. phil. Kritik erscheinen wird.<br />

8 Gr<strong>und</strong>lagen § 51, § 66 Anm., § 68 Anm. S. 80.<br />

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