Heft 2 - Institut für Zeitgeschichte
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226 Aufsätze<br />
2. Die systematische Tötung von Juden (deren Hervorhebung als exklusive<br />
Opfergruppe unter der Sowjetbevölkerung damals, im Gegensatz zur Zeit<br />
nach 1948, noch möglich war).<br />
3. Die unmenschliche Behandlung und gezielte Ermordung von Kriegsgefangenen.<br />
Hinzu kamen die Konfiskation von Gütern oder Lebensmitteln sowie die Rekrutierung<br />
von einheimischen Zwangsarbeitern, die man nach Deutschland schickte.<br />
All diese Anklagepunkte beherrschen auch den Minsker Prozeß, der nunmehr in<br />
den Blick genommen werden soll.<br />
Zum Minsker Verfahren und seinen Prozeßbeteiligten<br />
Beginnen wir mit dem Gericht, dem Militärtribunal des Minsker Militärbezirks. Seiner<br />
Verhandlungsführung unter dem Vorsitz des Generalmajors der Justiz Kedrov<br />
und seinen beiden Beisitzern, Oberst Vinogradov und Oberstleutnant Sacharov,<br />
wird man im wesentlichen Neutralität und Sachlichkeit bescheinigen müssen.<br />
Anders verhält es sich mit dem Anklagevertreter, Generalmajor der Justiz Jacenin.<br />
Seine Auftritte, vor allem sein Plädoyer, in dem er ausnahmslos die Todesstrafe <strong>für</strong><br />
alle Angeklagten forderte, dürfen als beste „Vysinskij-Schule" gelten. Typisch ist vor<br />
allem der ausgeprägt politische Charakter seiner Ausführungen. Er kategorisierte<br />
die Anklagebank in zwei Gruppen: die Vertreter der „alten preußischen Schule",<br />
die sich um „faschistische Charakterzüge" ergänzt hätten, und die „Pogromhelden<br />
der neuesten Hitlerschen Formation" 61 . Mit den ersteren sind die Generals- und<br />
Stabsoffiziersränge, mit den letzteren die übrigen, zumeist jüngeren und rangniederen<br />
Angeklagten gemeint. Selbstverständlich fehlen weder der weite Rückgriff in<br />
die preußisch-deutsche Vergangenheit noch Zitate aus „Mein Kampf oder solche<br />
von Hermann Göring; ebensowenig die obligatorischen byzantinistischen Stalinelogen,<br />
mit denen sich im übrigen auch die Verteidiger in ihren Plädoyers überbieten<br />
(„Wir Sowjetmenschen sind glücklich, daß wir in der Stalinschen Epoche leben<br />
und stolz darauf, daß der größte Mensch der Gegenwart uns zum Sieg über die Finsternis<br />
und Grausamkeit des Faschismus geführt hat" - „Die Liebe und Ergebenheit<br />
zum großen Führer beflügelten das Volk, und es begab sich in die Reihen der<br />
Partisanen") 62 . Merkwürdig berührt bei der Argumentation der Widerspruch zwischen<br />
der Überheroisierung des Partisanenkampfes, Staatsanwalt Jacenin nennt<br />
300000 vernichtete deutsche Soldaten, darunter bis zu 30 Generale, sowie Tausende<br />
und Zehntausende zerstörter Lokomotiven und Eisenbahnwaggons, 63 und<br />
61 Sudebnyj process, S. 369 f.<br />
62 Ebenda, S. 404 u. S. 412 (Verteidiger Zudro).<br />
63 Vgl. ebenda, S. 372. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang der erfolgreiche Mordanschlag<br />
auf Reichskommissar Wilhelm Kube am 22.9. 1943 in Minsk durch sein mit den weißrussischen<br />
Partisanen in Verbindung stehendes Dienstmädchen. Vgl. Gerlach, Kalkulierte<br />
Morde, S. 864 f. Zur tatsächlichen militärischen Bedeutung der weißrussischen Partisanenbewegung<br />
und ihrer Wirkung auf die deutsche Gesamtkriegsführung vgl. ebenda, S. 865-869. Vgl.<br />
auch die eigenwillige Charakterisierung des weißrussischen Partisanenkrieges durch Chiari, All-<br />
VfZ 2/2004