Heft 2 - Institut für Zeitgeschichte
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240 Aufsätze<br />
der im Sommer 1940 eingezogen worden war, seit dem Spätsommer 1941 erster<br />
Lageroffizier des Kriegsgefangenen-Durchgangslagers (Dulag) Nr. 131 in Bobrujsk.<br />
In dieser Dienststellung erlebte er den großen Zustrom sowjetischer Kriegsgefangener,<br />
der sich im Zuge der Kesselschlacht von Brjansk-Vjazma (Unternehmen<br />
„Taifun") ab Mitte Oktober d.J. im Mittelabschnitt der Ostfront ergeben<br />
hatte und in allen Gefangenenlagern oder Sammelpunkten des rückwärtigen<br />
Heeresgebiets zu unmenschlichen Zuständen führte 116 . Was war die zentrale<br />
Anklage in diesem Fall? Sie betraf neben den allgemeinen Zuständen im Dulag<br />
131 in den kritischen Wintermonaten 1941/42 und dem Transport von Kriegsgefangenen<br />
in offenen Güterwaggons mit vielen Erfrierungsopfern jenes Geständnis,<br />
das Languth in einer Vernehmung am 21. Dezember 1945 vor seinem Untersuchungsführer,<br />
Oberst Scerbakov, abgelegt hatte. Darin hatte er ausgesagt, an<br />
einem perfiden Tötungsverbrechen an Tausenden von russischen Kriegsgefangenen,<br />
das, wie Manfred Messerschmidt urteilte, „noch sämtliche Befehle über<br />
Gefangenenbehandlung und Aussonderung in den Schatten [stellte]" 11 , beteiligt<br />
gewesen zu sein. Sein Lagerkommandant, Oberstleutnant von Roeder, habe<br />
ihn, so Languths Aussage 118 , wenige Tage vor dem 7. November 1941 mit der<br />
Ankündigung ins Vertrauen gezogen, daß an diesem Tag durch eine gezielte<br />
Brandstiftung von deutscher Seite im Lagerkomplex IV, einem dreistöckigen<br />
Kasernengebäude der Bobrujsker Zitadelle, ein Massenausbruch russischer<br />
Gefangener provoziert werden sollte. Zu diesem Zweck würde am Abend zuvor<br />
ein Sondertrupp, den er, Languth, in die Örtlichkeiten einweisen sollte, auf dem<br />
Dachboden des Gebäudes Brennstoffe deponieren, um dann am folgenden Tag<br />
den Brand zu zünden. Der Plan, so habe ihm sein Lagerkommandant berichtet,<br />
sei ihm „kürzlich" in einer „streng vertraulichen Besprechung" von einem Oberst<br />
Sturm unterbreitet worden, der <strong>für</strong> den Fall einer extremen Überbelegung des<br />
Lagers und mangelnder Abtransportmöglichkeiten „Anweisungen zur Vernichtung<br />
von K[riegs]g[e]f[angenen] vom OKW Berlin erhalten" habe. Die Vernichtungsaktion<br />
hätte dann am 7. November, ein Datum (Jahrestag der Oktoberrevolution),<br />
das im Hinblick auf die Behauptung eines organisierten Ausbruchsversuchs<br />
bewußt gewählt worden wäre, in der geplanten Form stattgefunden, wobei<br />
ein von der Kommandantur alarmierter Verband der 221. Sicherungsdivision das<br />
Gebäude umstellt und mit gezieltem MG-Feuer die in Panik geratenen Kriegsgefangenen<br />
beschossen hätte. Die ganze Aktion habe, wie Languth im Prozeß aussagte,<br />
sowohl durch den Brand, als auch durch die anschließende Panik und das<br />
MG-Feuer verursacht, rund 4000 Opfer gefordert und sei ausschließlich zwischen<br />
ihm und seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Lagerkommandanten, abgesprochen<br />
gewesen 119 . Anschließend habe man „nach Berlin gemeldet, Kriegsge-<br />
116 Vgl. dazu Christian Hartmann, Massensterben oder Massenvernichtung? Sowjetische Kriegsgefangene<br />
im „Unternehmen Barbarossa". Aus dem Tagebuch eines Lagerkommandanten, in:<br />
VfZ 49 (2001), S. 97-158, besonders S. 151ff.<br />
117 Messerschmidt, Der Minsker Prozeß, in: Heer/Naumann (Hrsg.), Vernichtungskrieg, S. 563.<br />
118 Im folgenden nach ZStL, V 319 AR 327/77, Bl. 101-105.<br />
119 Sudebnyj process, S. 344 u. S. 350 f.<br />
VfZ 2/2004