24.11.2013 Aufrufe

Lernen in den Religionen. Vom Lehren und Lernen religiöser Texte

Lernen in den Religionen. Vom Lehren und Lernen religiöser Texte

Lernen in den Religionen. Vom Lehren und Lernen religiöser Texte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Lernen</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Religionen</strong><br />

263<br />

15 zum Talmud« (Abot V,24). In dieser Zeit hat e<strong>in</strong> jüdischer Junge die hebräische<br />

Bibel durchgearbeitet <strong>und</strong> Mischna sowie Talmud studiert. Wer nach<br />

Vollendung des 13. Lebensjahres weiter se<strong>in</strong> Studium fortsetzt, trat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Jeschiwa<br />

e<strong>in</strong>, um dort bei e<strong>in</strong>em angesehenen Rabbi die Kommentare zu studieren.<br />

Tora-<strong>Texte</strong>n begegnen jüdische K<strong>in</strong>der u.a. im Kontext familiärer Festlichkeiten,<br />

z.B. bei der Bar-Mizwa-Feier. Bar Mizwa (hebr. »Sohn der<br />

Pflicht«) ist die Bezeichnung für e<strong>in</strong>en jüdischen Jungen, der das 13. Lebensjahr<br />

vollendet hat <strong>und</strong> religionsmündig ist. Erstmalig legt er die Gebetsriemen<br />

an <strong>und</strong> wird von nun an beim M<strong>in</strong>jan (»Zahl«) mitgezählt. Der Knabe<br />

trägt e<strong>in</strong>en Abschnitt aus der Tora auf Hebräisch vor, anschlieûend meistens<br />

e<strong>in</strong>en Prophetenabschnitt, der <strong>in</strong>haltlich mit dem gelesenen Tora-Abschnitt<br />

zusammenhängt. E<strong>in</strong>e neue, <strong>in</strong> <strong>den</strong> USA auftretende Entwicklung besteht dar<strong>in</strong>,<br />

Jungen <strong>und</strong> Mädchen über die Erreichung ihrer Religionsmündigkeit h<strong>in</strong>aus<br />

noch weiter jüdisch zu bil<strong>den</strong>. Beide Geschlechter begehen im Alter von<br />

15 Jahren e<strong>in</strong>en entsprechen<strong>den</strong> Ritus. E<strong>in</strong>en besonderen Stellenwert haben<br />

die Worte der Schrift <strong>in</strong>sbesondere bei der Sederfeier des Pessachfestes. Die<br />

volkstümliche Pessach-Haggada (von hebr. higgid »erzählen«) ist e<strong>in</strong> liturgischer<br />

Text <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Midrasch (Schriftauslegung). Es geht darum, die Geschichte<br />

des Auszugs aus ¾gypten mit dem eigenen Leben <strong>in</strong> Beziehung zu<br />

setzen, sich mit <strong>den</strong> damals Fliehen<strong>den</strong> zu i<strong>den</strong>tifizieren (Loth 1977).<br />

Beim jüdischen Lehrer-Schüler-Verhältnis (Neudecker 1997) steht die<br />

(unentgeltliche) Unterweisung <strong>in</strong> der Tora im Mittelpunkt. »Von tausend<br />

Menschen, welche <strong>in</strong> der Schrift unterrichtet wer<strong>den</strong>, gelangen gewöhnlich<br />

nur h<strong>und</strong>ert zur Mischna, von diesen zehn zum Talmud, <strong>und</strong> von diesen wiederum<br />

gelangt nur e<strong>in</strong>er zum Lehramt.« (KohR zu Koh 7,7. Zitiert bei: Neudecker<br />

1997, 45) E<strong>in</strong> Talmudabschnitt nennt »48 Bed<strong>in</strong>gungen«, durch die<br />

man die Tora erwirbt. Zu ihnen gehören u.a.: Studium, aufmerksames H<strong>in</strong>hören,<br />

geordnetes Aufsagen, E<strong>in</strong>sicht des Herzens, Verstand des Herzens,<br />

Ehrfurcht, Gottesfurcht, Demut, Freudigkeit, »Bedienung« der Gelehrten<br />

(d.h. dem Lehrer als Schüler zu dienen, häusliche Arbeiten zu verrichten),<br />

Besprechung mit Kollegen, Disputieren, Überlegung, Schriftlesung, Mischna-<br />

Studium. E<strong>in</strong>e Reihe charakterlicher Vorzüge muss der Studierende besitzen,<br />

z.B. Gott, die Menschen <strong>und</strong> gerechte Taten lieben, nicht stolz se<strong>in</strong>, dem<br />

Nächsten helfen usw. »Man soll ferner beim <strong>Lernen</strong> überlegt se<strong>in</strong>, fragen <strong>und</strong><br />

antworten, hören <strong>und</strong> dazulernen; lernen, um zu lehren; lernen, um danach<br />

zu handeln; se<strong>in</strong>en Meister weise machen, das Gehörte genau wiedergeben<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Sache im Namen ihres Urhebers überliefern.« (Av 6,6, zit.n. Neudecker<br />

1997, 45) Wesentliches Merkmal rabb<strong>in</strong>ischen <strong>Lehren</strong>s <strong>und</strong> <strong>Lernen</strong>s<br />

war das Wiederholen des Stoffes (m<strong>in</strong>destens vier Mal), das Diskutieren <strong>und</strong><br />

die Frage-Antwort-Methode. Der <strong>in</strong>tensive Umgang von Lehrer <strong>und</strong> Schüler<br />

(»dienen«), der auch von e<strong>in</strong>er bestimmten Etikette (aufstehen vor dem Lehrer;<br />

nicht se<strong>in</strong>en Sitz e<strong>in</strong>nehmen; ihn nur »Rabbi« nennen, nicht jedoch se<strong>in</strong>en<br />

Namen benutzen, wenn man mit ihm oder über ihn sprach) geprägt war,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!