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Lernen in den Religionen. Vom Lehren und Lernen religiöser Texte

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<strong>Lernen</strong> <strong>in</strong> <strong>den</strong> <strong>Religionen</strong><br />

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von neoh<strong>in</strong>duistischen Reformbewegungen aus, z.B. vom RaÅmakrishna-Or<strong>den</strong><br />

<strong>und</strong> se<strong>in</strong>en AÅ shrams. Die Klöster <strong>und</strong> Missionszentren dieser Bewegung<br />

leiteten 1982 vor allem im ländlichen Raum ca. 600 Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

unterschiedlichen Niveaus <strong>in</strong> Indien, die von über 100.000 <strong>Lernen</strong><strong>den</strong> besucht<br />

wur<strong>den</strong>. Auf dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> der Bildungsvorstellungen ihres Gründers<br />

VivekaÅnanda setzt man sich für e<strong>in</strong>e ganzheitliche Erziehung von Kopf,<br />

Herz <strong>und</strong> Hand e<strong>in</strong>. Traditionell religiöse Ideale wer<strong>den</strong> gepflegt, wie »Gehorsam<br />

gegenüber dem Lehrer, Fasten, Schweigen, Meditation im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

Gedankenkontrolle <strong>und</strong> Beherrschung der Gefühle« (Müller 1986, 122). Zu<br />

<strong>den</strong> bemerkenswerten Erziehungszielen gehört die Toleranz gegenüber anderen<br />

<strong>Religionen</strong> (vgl. Mensch<strong>in</strong>g 1996). Während der Morgenandachten wird<br />

u.a. auch aus Schriften anderer <strong>Religionen</strong> rezitiert. Auch für die Râmakrishna-Bewegung<br />

ist das Gurukul-System Vorbild.<br />

Religiöse Erziehung durch Geschichten<br />

In der religiösen Erziehung spielen Geschichten aus <strong>den</strong> Heiligen Schriften der<br />

Sanskrit-Tradition <strong>und</strong> regionaler Überlieferungen e<strong>in</strong>e beträchtliche Rolle.<br />

Groûe Popularität genieûen die bei<strong>den</strong> Epen RaÅmaÅyana (»Lebenslauf RaÅmas«)<br />

<strong>und</strong> MahaÅbhaÅrata (»Groûes Indien«). Sie wer<strong>den</strong> nicht als Offenbarungsliteratur<br />

(Shruti) verstan<strong>den</strong>, sondern gelten als »autoritative Er<strong>in</strong>nerung« <strong>und</strong><br />

»Tradition« (Smriti). Hel<strong>den</strong>tum, brüderliche bzw. eheliche Treue, Pflichterfüllung<br />

s<strong>in</strong>d Ideale des RaÅmaÅyana. Bis heute übt es groûen E<strong>in</strong>fluss auf die<br />

Gläubigen aus. Oft ist das RaÅmaÅyana für viele (<strong>in</strong>sbesondere unterkastige)<br />

H<strong>in</strong>dus bzw. »Unberührbare« das e<strong>in</strong>zige Buch, das sie jemals gesehen bzw.<br />

gehört oder <strong>in</strong> Theaterdarbietungen erlebt haben. Die bei<strong>den</strong> Epen wer<strong>den</strong> oft<br />

<strong>in</strong> Theateraufführungen, <strong>in</strong> sog. LõÅlaÅs (kle<strong>in</strong>e Theaterstücke), aufgeführt. ¾hnliches<br />

gilt für die BhagavadgõÅtaÅ (»Gesang des Erhabenen«), das bedeutendste<br />

Dokument der vishnuitischen Religionsgeme<strong>in</strong>schaft der Bhagavatas, entstan<strong>den</strong><br />

im Zeitraum vom 2. Jh. v.u.Z. bis 2. Jh. u. Z. Die GõÅtaÅ (»Gesang«) hat<br />

e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert für die praktische Frömmigkeit vieler (städtischer)<br />

H<strong>in</strong>dus ± über die Vishnu-Gläubigen h<strong>in</strong>aus. Für die <strong>in</strong> <strong>den</strong> Dörfern leben<strong>den</strong><br />

H<strong>in</strong>dus dagegen ist die GõÅtaÅ von ger<strong>in</strong>gerer Bedeutung. Bei ihnen steht das<br />

Bhagavata PuraÅna, das »PuraÅna der Anhänger des Erhabenen [Vishnu]«, das<br />

sich mit dem Leben Krishnas befasst, im Mittelpunkt. Für die Gebildeten<br />

besaû die GõÅtaÅ schon von Anfang an autoritative Geltung, war sie doch e<strong>in</strong>e<br />

der drei Schriften ± neben <strong>den</strong> älteren Upanischa<strong>den</strong> <strong>und</strong> <strong>den</strong> Brahma-<br />

SuÅtras ±, die von <strong>den</strong> Vedânta-Gläubigen als Gr<strong>und</strong>lage anerkannt war. Die erstaunliche<br />

Popularität der GõÅtaÅ <strong>in</strong> Indien wie im Westen geht erst auf die<br />

1880er-Jahre zurück. An vielen Orten Indiens wer<strong>den</strong> heute GõÅtaÅ-Stun<strong>den</strong> <strong>in</strong><br />

kle<strong>in</strong>en Zirkeln abgehalten. Daneben gibt es Massenveranstaltungen mit GõÅtaÅ-<br />

Vorträgen. Nicht nur bedeutende H<strong>in</strong>du-Intellektuelle, auch nicht im eigentlichen<br />

S<strong>in</strong>ne Fachleute (Beamte, Industrielle usw.) verfassen GõÅtaÅ-Kommentare.<br />

Die BhagavadgõÅtaÅ wird von H<strong>in</strong>dus nicht nur als Heilige Schrift rezipiert <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong> Form von Zitaten oder gröûeren Abschnitten <strong>in</strong> <strong>den</strong> PuÅjas verwendet. Sie

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