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reViews 41 - Noisy-neighbours.com

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allem „Harmonie“, ein Song mit leicht psychopathischem<br />

Unterton, reich an sägenden Gitarren,<br />

wild, zäh und mit einem Text, der irgendwie<br />

die Wahrheit spricht, obwohl er weitgehend bedeutungsoffen<br />

bleibt. Ohnehin ist die große<br />

Stärke der Band, dass sie nicht das Deutschrock-Klischee<br />

bedient und sich in Antihaltung,<br />

Pauschalitäten oder pseudointellektuellen Diskursen<br />

über den Sinn und Unsinn des Lebens<br />

und der Existenz an sich verliert. Vielmehr wird<br />

hier bedacht ans Werk gegangen, reflektiert und<br />

verworfen, angedeutet und zu Ende gebracht.<br />

Nachdem sich die Sterne langsam aber sicher<br />

selbst demontieren und offenen Auges in die musikalische<br />

Peinlichkeit manövrieren, Dirk von<br />

Lowtzow zum verqueren, jedoch musikalisch<br />

ohne Zweifel erhabenen Bücherwurm mit Nischen-Sexappeal<br />

mutiert und die Spaßkanonen<br />

von den Sportfreunden lediglich noch Erstsemester<br />

im WM-Rausch beeindrucken dürften,<br />

tritt mit Eheruncool eine Band auf den Plan, die<br />

in der Tradition von Bands wie klez.e steht und<br />

daher Hoffnung auf Besserung und neuen<br />

Schwung im deutschsprachigen Indie-Sektor<br />

macht.Das komplette Album soll übrigens Anfang<br />

2007 kommen.<br />

Jochen Wörsinger<br />

www.eheruncool.de<br />

Eläkeläiset - Humppasirkus<br />

(Humppa Records / Indigo)<br />

Die innovativste Cover-Band aller Zeiten hat erneut<br />

zugeschlagen. Wieder bekommt der geneigte<br />

Hörer 14 Humppa-Versionen von beliebten<br />

Klassikern vorgesetzt.<br />

Diesmal werden Melodien von Madonna („Like<br />

a Virgin“), den Hives („Walk Idiot Walk“) und<br />

Johnny Cash („Solitary Man“) - um nur einige zu<br />

nennen - im 2/4 Takt zerhackt, durch den Polka-<br />

Wolf gedreht und als fette Humppa-Wurst serviert.<br />

Nach Meinung führender Gourmets ist diese<br />

Schlachtplatte live unbedingt zu empfehlen und<br />

vorzugsweise mit Wodka zu genießen. Aber:<br />

taugt sie auch in der Konserve? Unbedingt! Guten<br />

Appetit…<br />

Mike Maisack<br />

Evenless - Split Infinity<br />

(Yonah Records)<br />

Unterschwellig setzen sich beim Hören von Musik<br />

oft Eindrücke fest, deren genaue Verortung<br />

sich oftmals als schwierig herausstellt. So geschehen<br />

auch bei „Split Infinity“ der Sauerländer<br />

von Evenless. Denn bei diesen 13 Songs kommen<br />

immer wieder Erinnerungen an eine Zeit<br />

hoch, die der gemeine musikbegeisterte Mensch<br />

gerne aus seinem Gedächtnis verdrängen<br />

würde. Richtig, wir sprechen von den Achtzigern.<br />

Wenig schmeichelhaft erscheint also eine Erwähnung<br />

dieser dunklen Periode in einer Rezension<br />

über eine aktuelle Rock-Platte, stellt<br />

doch gerade dieses von Hairspray-Metal und<br />

Spandex-Hosen geprägte Jahrzehnt nicht eben<br />

den Höhepunkt der Rock-Historie dar. Und kaum<br />

erklärlich, versuchen sich Evenless doch an mit<br />

Anleihen aus Prog und Metal versehenen Alternative<br />

Rock-Standards in düster-melancholischer,<br />

aber niemals morbider Grundstimmung,<br />

wie sie viel eher im darauf folgenden Jahrzehnt<br />

der karohemden-tragenden Holzfäller angesagt<br />

waren. So bleibt nur die Schlussfolgerung, dass<br />

es der Gesang von Sebastian Moser ist, der den<br />

Rezensenten auf diesen absurden Gedanken<br />

bringt. Und das nicht etwa deshalb, weil dieser<br />

nicht zu gefallen weiß, die Produktion ist schuld:<br />

Mit zu vielen Effekten zugekleistert, im Klangbild<br />

zu weit nach vorne gemischt und somit schlicht<br />

überproduziert, leiden sowohl die ansonsten<br />

durchaus knackige Produktion als auch der charakteristische,<br />

etwas an Layne Staley erinnernde<br />

Gesang stark im Gesamteindruck. Die gebotene<br />

Dreiviertelstunde an Musik ertönt zwar stets solide,<br />

aber arm an Highlights und Spannung. Was<br />

schade ist, wo doch gerade der Titeltrack eindrucksvoll<br />

demonstriert, wie dynamisch und<br />

treffsicher die Band ihre Melodien in Szene setzen<br />

kann. Und eins muss man der Band dann<br />

doch lassen: Wenn etwas hängenbleibt, dann<br />

richtig. „Growing Colder“ und die durch ihre getragene<br />

Akustik dringend benötigte Kontraste<br />

setzende Ballade „When We Dance“ beweisen,<br />

wozu die Band in ihren besten Momenten imstande<br />

ist. Doch über die gesamte Spielzeit überzeugt<br />

das Liedgut leider zu selten, viel zu oft<br />

herrscht gepflegte Langeweile auf gefälligem Niveau<br />

in einem Dschungel voll grundsolider<br />

Gleichförmigkeit. Und das ist dann leider doch<br />

ein bisschen zuviel des Durchschnitts.<br />

Patrick Agis-Garcin<br />

www.evenless.de<br />

www.yonah-records.de<br />

Evergrey - Monday Morning Apocalypse<br />

Inside Out / SPV<br />

Mit dem hervorragenden Vorgänger „The Inner<br />

Circle“ haben sich EVERGREY die Messlatte<br />

selbst verdammt hoch gelegt. Blöd. Jetzt misst<br />

sie jeder daran. Dabei ist der vorliegende Nachfolger<br />

„Monday Morning Apocalypse“ doch eigentlich<br />

ganz anders geworden… Zwar thront<br />

Tom S. Englund's erhabene Stimme nach wie vor<br />

souverän über den gewaltigen Power Metal-Riffs<br />

Henrik Danhage's, doch alles scheint ein wenig<br />

direkter, eine ordentliche Kante mehr „in the<br />

face“ zu sein. Da passt es, dass auch die Keyboards<br />

etwas zurück geschraubt wurden und Rikard<br />

Zander seine Akzente jetzt noch dezenter<br />

setzt. So oder so möchte man schon den Opener<br />

und Titeltrack bereits nach wenigen Momenten<br />

vor Begeisterung bis zum Anschlag aufdrehen,<br />

laut singen, mitschreien - um spätestens<br />

bei dem potentiellen Hit „Lost“ völlig auszurasten.<br />

EVERGREY sind wieder da! Waren sie jemals<br />

weg? Egal. Zwar schließe ich mich trotz<br />

des originellen Bookletdesigns, des sehr guten<br />

Songmaterials und der grandiosen Produktion<br />

der vielerorts vertretenen These, dass die<br />

Schweden hiermit ihren (wahrlich längst verdienten)<br />

Durchbruch schaffen werden, nicht an<br />

- aber was das Quintett während der Dreiviertelstunde<br />

auf „M.M.A.“ abliefert, ist für Genrefreunde<br />

so oder so ein Muss und läuft ohne den<br />

Hauch eines Zweifels unter „Sahnehäubchen im<br />

Sektor schnörkelloser, druckvoller und hochmelodischer<br />

Power Metal“ - und zwar mit Schmakkes!<br />

Heavy<br />

Father Murphy - Six Musicians<br />

Getting Unknown<br />

(Madcap Collective)<br />

<strong>reViews</strong> 43<br />

Ziemlich cool kommt der aktuelle<br />

Longplayer der drei Italiener<br />

von Father Murphy daher; irgendwie stekken<br />

sie tief in den Sechzigern, haben die Kings,<br />

Bowie und die Beatles ebenso gehört, wie Radiohead<br />

und Modest Mouse. Und dabei geben<br />

sie herzlich wenig auf irgendwelche Modetrends<br />

oder radiokompatibles Songwriting. Gut, leicht<br />

zugänglich ist anders, und man muss schon ein<br />

wenig Geduld haben, um sich den Kosmos der<br />

Father Murphy zu erarbeiten. Wer aber für<br />

außergewöhnliche Hörerlebnisse offen ist und<br />

von Track eins bis dreizehn am Ball bleibt, der<br />

wird durch eine ganz außergewöhnliche akustische<br />

Reise belohnt werden. Wie heißt es in<br />

„Brain“: „Please give me some brain, give me<br />

some pain“ - auf irgendeine Art scheint also beides<br />

miteinander verquickt zu sein.<br />

Thilo<br />

www.maledetto.it<br />

Freizeit 98 - Soul in Helsinki<br />

(Milchmann Records / Über / Rough Trade)<br />

Ziemlich hipp scheinen Freizeit 98. Eine Portion<br />

Retro, 60er Jahre Orgeleinlagen, leichte Elektronikeinflüsse<br />

und 16tel Gitarrengeschrammel im<br />

Deutschrockgewand genügen Freizeit 98 aus<br />

Bayern, um ein beinahe durchweg ordentliches<br />

Album abzuliefern, das gegen Ende zwar mehr<br />

und mehr verblasst, mit „Es liegt am Mond“ allerdings<br />

einen wirklichen Hitrefrain im Gepäck hat.<br />

Alles in allem erinnert „Soul in Helsinki“ jedoch<br />

genauso an ein musikalisches Würfelspielchen,<br />

bei dem alle Einzelteile beliebig miteinander<br />

kombiniert werden können. Denn letztendlich<br />

ähneln sich Phrasierungen, Melodiebögen und<br />

deren Fortspinnungen des gesamten Albums so<br />

sehr, dass nach dem Komplettdurchlauf recht<br />

wenig hängen bleibt. Sommer und Sonnenschein.<br />

Gebügelt arrangiert, schmutzig produziert,<br />

leichtfüßig und poppig. Okay!<br />

Torge Hüper<br />

www.milchmannrecords.de<br />

Gomma Workshop - Cantina Tapes<br />

(Madcap Collective)<br />

Die italienische Band Gomma Workshop verfügt<br />

über das wahrscheinlich einzige Exemplar des<br />

sogenannten „TapeEaters“ der Firma Shappire.<br />

Dieses Anfang der 80er Jahre gebaute Modul,<br />

welches mehr als einhundert unterschiedliche<br />

Bänder gleichzeitig editieren und wiedergeben<br />

konnte, hatte die höchst unangenehme Eigenschaft,<br />

beim Betrieb hochtoxische „Abluft“ zu<br />

verströmen. Daher nicht wirklich für den „Serienbetrieb“<br />

geeignet, nahm der Hersteller die<br />

Maschine gleich wieder vom Markt. Überlebt hat<br />

nur der eine TapeEater, der von Gomma Workshop;<br />

und gemeinsam mit dem Performace-<br />

Künstler Vittorio Demarin hat man nun dieses<br />

Tool benutzt, um eine schräge, aber keineswegs<br />

verkopfte oder gar akademische Klangreise zu<br />

produzieren. Es ging den Künstlern also weniger<br />

um die zufällige Aneinanderreihung von<br />

Klängen und Tönen, wie man sie etwa aus der<br />

„Musique Concrete“ kennt, sondern darum, die<br />

Zufälligkeiten weitestgehend zu minimieren, um<br />

so ein „für Viele hörbares“ Ergebnis zu schaffen.<br />

Wie viel Luft es zwischen eben dieser „Hörbarkeit“<br />

und profaner „Massenkompatibilität“ gibt<br />

zeigt dieser äußerst gelungene Beitrag. Wir<br />

freuen uns auf mehr aus dem Hause MadCap.<br />

Tom<br />

www.maledetto.<strong>com</strong>

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