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Römisches Toilettgerät und medizinische Instrumente aus Augst ...

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Augenarztstempel<br />

(Taf. 62)<br />

Augenarztstempel sind gelegentlich auf Reibsteinen<br />

zur Mischung der Salben <strong>und</strong> Pasten eingraviert, meist<br />

aber als selbständige Stempel hergestellt. Es sind kleine,<br />

quadratische bis rechteckige Platten <strong>aus</strong> Steatit, Schiefer<br />

oder Tropfstein (= unreiner Speckstein), etwa 1 c m<br />

dick <strong>und</strong> bis 5 cm lang. Meist steht entlang der vier<br />

Schmalseiten in Spiegelschrift eine zweizeilige Medikamentenbezeichnung,<br />

der Name des Herstellers oder<br />

Arztes, von dem das Rezept stammte, die A r t des Medikamentes<br />

nach seinem Hauptbestandteil, die charakteristische<br />

Verwendung oder die Bezeichnung der<br />

Krankheit, gegen die es helfen sollte. Die Spiegelschrift<br />

ist meist sehr sorgfältig eingeritzt, was die Form der<br />

Buchstaben <strong>und</strong> der Interpunktion betrifft. Die zwei<br />

Zeilen sind durch feine Linien eingefasst. Eine seltenere<br />

Form stellt der <strong>Augst</strong>er Stempel 681 dar, der nur auf<br />

einer Schmalseite beschriftet ist.<br />

Auf den flachen Breitseiten der Platten kommen<br />

zuweilen Gravierungen <strong>und</strong> figürliche Kritzeleien vor.<br />

Die Medikamente gegen Augenkrankheiten nahmen<br />

eine besondere Stellung unter den Arzneimitteln ein:<br />

Sie wurden als Stäbchen <strong>aus</strong>geformt, getrocknet, dann<br />

mit dem Stempel versehen <strong>und</strong> zuletzt liess man sie einhärten.<br />

So konnten die aufgedrückten Inschriften<br />

nicht verwischt werden. Vor der Anwendung am Auge<br />

müssten diese getrockneten Medikamente in Wasser<br />

gelöst werden.<br />

Bisher wurde eine grosse Anzahl solcher Stempel<br />

(r<strong>und</strong> 300 Exemplare) entdeckt. Sie stammen vorwiegend<br />

<strong>aus</strong> den westlichen römischen Provinzen. Dieser<br />

Brauch stammte augenscheinlich <strong>aus</strong> Gallien <strong>und</strong> von<br />

dort verbreitete er sich westlich nach Britannien <strong>und</strong><br />

östlich nach den beiden Germanien u n d bis z u den<br />

Donauprovinzen. In Italien sind sie nur selten zu finden.<br />

Einer der im Römermuseum <strong>Augst</strong> aufbewahrten<br />

Stempel stammt <strong>aus</strong> einem Depotf<strong>und</strong> <strong>und</strong> könnte<br />

zusammen mit zwei Skalpellen (Taf. 57, 628.629) zu<br />

den Gerätschaften eines Arztes gerechnet werden.<br />

680 (S. auch Taf. 72) Augenarztstempel. Grünschiefer (vgl. S. 54).<br />

Ganz erhalten. Br. 3,1 cm; H . 3,5 cm; Dicke: 0,9 cm. - Inv.<br />

74.6260. FO: Region 19A, FK A 5074. - Mitf<strong>und</strong>e: in FK A<br />

5074: Ohrlöffelchen <strong>aus</strong> Bein 401; im benachbarten FK A 5083<br />

(vgl. Abb. 33): reich geschmückter Selbstkocher {authepsa) <strong>aus</strong><br />

Bronze; Bronzelaterne; Bronzenäpfchen mit Inschrift (Kleinmörser,<br />

Salbtöpfchen?); Skalpelle 628 <strong>und</strong> 629; 2 Münzen <strong>und</strong><br />

andere Kleinf<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Fragmente.<br />

Zur Deutung H. Lieb l87 : «Mehr Mühe macht ein 1974 in Kaiseraugst<br />

(Aargau) gef<strong>und</strong>enes unveröffentlichtes Stück <strong>aus</strong> grünem<br />

Talkstein, das unten Kratzspuren, oben die flüchtige Einritzung<br />

eines Vogels mit einem Ring im Schnabel <strong>und</strong> eines<br />

Frosches zeigt. Auf den vier Schmalseiten sind je vier Leitstriche<br />

vorgerissen. Dann wurde der stark gekürzte Name des<br />

Arztes vierfach eingetragen, doch nur zweimal folgt ein collyrium.<br />

Zwei Stempelflächen lassen den Schluss der ersten <strong>und</strong><br />

die zweite Zeile leer, was häufig vorkommt. Ungewöhnlich ist<br />

indes der Zuschnitt der vier Ecken der ersten Seite, der sie zur<br />

tabula ansata macht. Ich lese:<br />

C.V.DI.IDIA<br />

SORICVMC<br />

C.V.DI.I<br />

C.V.DI.I<br />

CVDI.INAR<br />

DINVM<br />

Dass der Stempel vollständig erhalten <strong>und</strong> sehr deutlich geschrieben<br />

ist <strong>und</strong> keine Abnützung zeigt, lässt die Ursache der<br />

mangelhaften <strong>und</strong> teils unverständlichen Schreibweise in einer<br />

beschädigten oder unleserlichen Vorlage suchen. Der Name des<br />

Arztes ist kaum mit zwei cognomina als G(aius) V ( — ) Di(—)<br />

I(—) zu verstehen. Vermutlich wurde ein cognomen Di—(—)<br />

oder D—(—) verlesen. Daran herumzuraten ist müssig. Die<br />

collyria sind nardinum <strong>und</strong> dia(p)soricum, offenbar o(pobalsamatum),<br />

vielleicht nach einer an den Zeilenenden schadhaften<br />

Vorlage diafpjsoricum o[p(obalsamatum)]} nicht diafpjsoricum<br />

cfontra—). Die Zeichnungen auf der Oberseite <strong>und</strong> die<br />

F<strong>und</strong>umstände zeigen, dass der Stein dennoch gebraucht <strong>und</strong><br />

nicht als halbfertiger <strong>und</strong> missratener Ausschuss des Stempelschneiders<br />

weggeworfen wurde.»<br />

681 (S. auch Taf. 72) Augenarztstempel. Wohl Grünschiefer wie<br />

680. Ganz erhalten. Br. 4,7 cm; H . 2,4 cm; Dicke: 1,4 cm oben,<br />

0,8 cm unten. - Auf der Unterfläche in Spiegelschrift die eingravierte<br />

zweizeilige Inschrift. Leicht eingeritzte Linien, mit<br />

welchen die Zeilen der Buchstaben vorgezeichnet wurden. An<br />

einer Breitseite eine Kruste von Kalksinter.<br />

Inschrift: C. FLAMINI MARCIONIS NARDINVM AD<br />

IMPET = Des Gaius Flaminius Marcio Nardensalbe gegen<br />

Augenentzündung. Das I der Schlussilbe im Beinamen Marcio<br />

ist mit dem N ligiert, das S wegen Raummangels in etwas kleinerem<br />

Format.<br />

Der Arzt ist einstweilen auf keinem der bekannten Stempel<br />

vertreten. Das Heilmittel nardinum (zu ergänzen ist das regelmässig<br />

weggelassene Wort collyrium — Salbe) kommt auf den<br />

Stempeln öfters vor (impetus oculorum = Augenentzündung).<br />

- Inv. 13.28. FO: <strong>Augst</strong>, Steinler, Parz. 868, im Theater (Region<br />

2A).<br />

Lit.: K. Stehlin, Ein römischer Oculistenstempel <strong>aus</strong> <strong>Augst</strong>,<br />

Basler Zeitschrift für Geschichte <strong>und</strong> Altertumsk<strong>und</strong>e 12, 1913,<br />

389f.; R. Burckhardt, Historisches Museum Basel. Jahresbericht<br />

1913, 24; JbSGU 6, 1913, 120; O. Schulthess, Zu den<br />

römischen Augenarztstempeln <strong>aus</strong> der Schweiz. Festgabe Hugo<br />

Blümner, Zürich 1914, 182ff.; Werner 1914, 534; O. Schulthess,<br />

F<strong>und</strong>bericht <strong>aus</strong> der Schweiz für 1913 <strong>und</strong> 1914. 8. Bericht der<br />

Römisch-Germanischen Kommission 1913/1915 (1917), 115; L.<br />

G. Werner, Cachets d'oculistes romaines en Alsace. Bulletin du<br />

Musée historique de Mulhouse 38, 1914/1918, 41; O. Schulthess,<br />

Die römischen Okulistenstempel von der Engehalbinsel<br />

Bern. Jahrbuch Historisches Museum Bern 3, 1923, 85; E.<br />

Boerlin, Führer durch die Ruinen von Augusta Raurica <strong>und</strong><br />

kurze Übersicht über die Ergebnisse der bisherigen Ausgrabungen,<br />

Liestal 1926,22; E. Espérandieu, Nouveaux cachets d'oculistes.<br />

Revue Archéologique 5ème sér. 26, 1927, insbes. 161, Nr.<br />

240; E. Olivier, Le cachet à collyres de Quintus Postumius<br />

Hermes. Anzeiger für Schweizerische Altertumsk<strong>und</strong>e N. F. 40,<br />

1938, 185; E. Howald/E. Meyer, Die römische Schweiz. Texte<br />

<strong>und</strong> Inschriften, Zürich 1941, 342; F. Stähelin (wie Anm. 188)<br />

489f.; H. R. Wiedemer, Ein Augensalbenstempel <strong>aus</strong> Vindonissa.<br />

Jahresbericht der Gesellschaft Pro Vindonissa 1965, 57;<br />

O. Doppelfeld et al., Römer am Rhein. Ausstellungskatalog des<br />

Römisch-Germanischen Museums Köln, 1967, 325; J. Voinot,<br />

Inventaire des cachets d'oculistes gallo-romains, Lyon 1984 ( =<br />

Conférences Lyonnaises d'ophtalmologie Nr. 150, 1981/1982),<br />

Nr. 232 (C 240).<br />

187 H . Lieb, Nachträge zu den römischen Augenärzten <strong>und</strong> Collyria.<br />

Zeitschrift für Papyrologie <strong>und</strong> Epigraphik 43, 1981,207ff.,<br />

insbes. 208.

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