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1.Der erste Blick Das war die Tageszeit, zu der ich mir ... - Wikia

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<strong>1.Der</strong> <strong>erste</strong> <strong>Blick</strong><br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> <strong>die</strong> <strong>Tageszeit</strong>, <strong>zu</strong> <strong>der</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> wünschte, <strong>ich</strong> wäre in <strong>der</strong> Lage <strong>zu</strong> schlafen.<br />

High School.<br />

O<strong>der</strong> wäre Fegefeuer das r<strong>ich</strong>tige Wort? Wenn es irgendeinen Weg gäbe für meine Sünden<br />

<strong>zu</strong> büßen, dann müsste <strong>mir</strong> <strong>die</strong>se Zeit angerechnet werden. Diese Eintönigkeit <strong>war</strong> etwas an das <strong>ich</strong><br />

m<strong>ich</strong> nie gewöhnen würde; je<strong>der</strong> Tag wirkte unglaubl<strong>ich</strong> monotoner als <strong>der</strong> letzte.<br />

Ich denke, das <strong>war</strong> meine Art <strong>zu</strong> schlafen – wenn Schlaf als <strong>der</strong> Status zwischen aktiven<br />

Handlungen definiert wird.<br />

Ich starrte auf <strong>die</strong> Risse <strong>die</strong> durch das Mauerwerk in <strong>der</strong> hinteren Ecke <strong>der</strong> Cafeteria liefen,<br />

und versuchte ein Muster <strong>zu</strong> erkennen, das n<strong>ich</strong>t da <strong>war</strong>. Es <strong>war</strong> eine Mögl<strong>ich</strong>keit <strong>die</strong> Stimmen<br />

aus<strong>zu</strong>blenden, <strong>die</strong> wie ein rauschen<strong>der</strong> Fluss durch meinen Kopf strömten.<br />

Einige hun<strong>der</strong>t <strong>die</strong>ser Stimmen ignorierte <strong>ich</strong> aus Langeweile.<br />

Wenn es um <strong>die</strong> menschl<strong>ich</strong>en Gedanken geht, hatte <strong>ich</strong> alles schon gehört. Heute drehten<br />

s<strong>ich</strong> alle Gedanken um das triviale Drama, dass eine Neue auf <strong>die</strong> Schule gekommen <strong>war</strong>. Es brauchte<br />

nur so wenig um alle in Aufruhr <strong>zu</strong> versetzen. Ich hatte das neue Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>m wie<strong>der</strong>holten Male aus<br />

allen <strong>Blick</strong>winkeln in ihren Gedanken gesehen. Nur ein ganz gewöhnl<strong>ich</strong>es menschl<strong>ich</strong>es Mädchen.<br />

Die Aufregung um ihre Ankunft <strong>war</strong> ermüdend berechenbar – wie das Aufblitzen eines glitzernden<br />

Gegenstandes vor einem Kind. Die Hälfte <strong>der</strong> Jungs sah s<strong>ich</strong> bereits mit ihr in einer Beziehung, nur<br />

weil sie etwas Neues <strong>war</strong>. Ich versuchte noch stärker sie aus<strong>zu</strong>blenden.<br />

Nur vier Stimmen schaltete <strong>ich</strong> aus Höfl<strong>ich</strong>keit aus n<strong>ich</strong>t aus Abscheu: Meine Familie, meine<br />

zwei Brü<strong>der</strong> und zwei Schwestern, <strong>die</strong> so sehr daran gewöhnt <strong>war</strong>en, keine Privatsphäre in meiner<br />

Gegen<strong>war</strong>t <strong>zu</strong> haben, dass sie kaum darüber nachdachten. Ich gab ihnen so viel Privatsphäre wie <strong>ich</strong><br />

konnte. Ich versuchte n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong><strong>zu</strong>hören, so weit es ging.<br />

So sehr <strong>ich</strong> es auch versuchte… <strong>ich</strong> hörte sie dennoch.<br />

Rosalie dachte, wie immer, über s<strong>ich</strong> selbst nach. Sie erblickte ihr Profil in <strong>der</strong> Reflektion <strong>der</strong><br />

Brille eines Schülers, und grübelte über ihre eigene Perfektion.<br />

Rosalie's Gedanken <strong>war</strong>en ein Oberflächl<strong>ich</strong>er Tümpel mit wenigen Überraschungen.<br />

Emmet <strong>war</strong> wütend darüber, dass er letzte Nacht ein Wrestling Match gegen Jasper verloren<br />

hatte. Es würde seine gesamte begrenzte Geduld erfor<strong>der</strong>n den Schultag hinter s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> bringen, bis er<br />

seine Revanche for<strong>der</strong>n konnte. Es kam <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t aufdringl<strong>ich</strong> vor wenn <strong>ich</strong> Emmett's Gedanken<br />

<strong>zu</strong>hörte, da er nie über etwas nachdachte, dass er n<strong>ich</strong>t auch laut aussprach o<strong>der</strong> in <strong>die</strong> Tat umsetzte.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t fühlte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> nur schuldig, wenn <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Gedanken <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en las, weil <strong>ich</strong> wusste, dass<br />

sie über Dinge nachdachten, von denen sie n<strong>ich</strong>t wollten, dass <strong>ich</strong> sie wusste. Wenn Rosalie’s<br />

Gedanken ein oberflächl<strong>ich</strong>er Tümpel <strong>war</strong>en, dann <strong>war</strong>en Emmett’s ein klarer See ohne Schatten.<br />

Und Jasper… litt. Ich unterdrückte ein Seufzen.<br />

Ed<strong>war</strong>d. Alice rief in Gedanken meinen Namen und hatte sofort meine ungeteilte<br />

Aufmerksamkeit.<br />

Es <strong>war</strong> fast das gle<strong>ich</strong>e, als würde jemand meinen Namen laut rufen. Ich <strong>war</strong> erle<strong>ich</strong>tert, dass<br />

mein Name in letzter Zeit aus <strong>der</strong> Mode gekommen <strong>war</strong> – es <strong>war</strong> lästig; jedesmal wenn jemand an<br />

irgendeinen Ed<strong>war</strong>d dachte, drehte <strong>ich</strong> automatisch meinen Kopf in dessen R<strong>ich</strong>tung…<br />

Diesmal dreht s<strong>ich</strong> mein Kopf n<strong>ich</strong>t. Alice und <strong>ich</strong> <strong>war</strong>en gut in <strong>die</strong>sen privaten<br />

Unterhaltungen. Es <strong>war</strong> selten, dass irgendjemand etwas davon mitbekam. Ich behielt meine Augen<br />

auf den Linien im Putz.


Wie macht er s<strong>ich</strong>? Fragte sie m<strong>ich</strong>.<br />

Ich runzelte <strong>die</strong> Stirn und verzog ganz le<strong>ich</strong>t meinen Mund. N<strong>ich</strong>ts was den an<strong>der</strong>en auffallen<br />

würde. Ich könnte genauso gut aus Langeweile <strong>die</strong> Stirn runzeln.<br />

Alice’s Stimmung <strong>war</strong> nun alarmiert und <strong>ich</strong> sah in ihren Gedanken, dass sie s<strong>ich</strong> mit ihren<br />

Zukunftsvisionen auf Jasper konzentrierte. Besteht Gefahr? Sie suchte weiter in <strong>der</strong> unmittelbaren<br />

Zukunft, blätterte durch monotone Visionen auf <strong>der</strong> Suche nach dem Grund für mein Stirnrunzeln.<br />

Langsam bewegte <strong>ich</strong> meinen Kopf nach links, als würde <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> den Ziegeln an <strong>der</strong> Wand<br />

blicken, seufzte, und dann nach rechts, <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> den Rissen an <strong>der</strong> Decke. Nur Alice wusste, dass <strong>ich</strong><br />

meinen Kopf schüttelte.<br />

Sie entspannte s<strong>ich</strong>. Sag <strong>mir</strong> bescheid, wenn es schlimmer wird.<br />

Ich bewegte nur meine Augen, nach oben an <strong>die</strong> Decke und wie<strong>der</strong> nach unten.<br />

Danke, dass du das für m<strong>ich</strong> machst.<br />

Ich <strong>war</strong> froh, dass <strong>ich</strong> ihr n<strong>ich</strong>t laut antworten konnte. Was sollte <strong>ich</strong> sagen? `Ist <strong>mir</strong> ein<br />

Vergnügen`? <strong>Das</strong> traf es kaum. Es <strong>war</strong> keine Freude, Jasper bei seinem inneren Kampf <strong>zu</strong><strong>zu</strong>hören.<br />

War es wirkl<strong>ich</strong> nötig so herum<strong>zu</strong>experimentieren? Wäre es n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> s<strong>ich</strong>erere Weg, einfach <strong>zu</strong><br />

akzeptieren, dass er nie in <strong>der</strong> Lage sein würde, seinen Durst so <strong>zu</strong> zügeln wie <strong>der</strong> Rest von uns, statt<br />

seine Grenzen aus<strong>zu</strong>testen? Warum mit dem Unheil flirten?<br />

Unser letzter Jagdausflug <strong>war</strong> jetzt zwei Wochen her. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> keine beson<strong>der</strong>s schwere<br />

Zeitspanne für den Rest von uns. Zeitweise ein bisschen unbequem – wenn ein Mensch <strong>zu</strong> nah<br />

vorbeilief, wenn <strong>der</strong> Wind aus <strong>der</strong> falschen R<strong>ich</strong>tung wehte. Aber Menschen liefen selten <strong>zu</strong> nah<br />

vorbei. Ihre Instinkte sagten ihnen, das was ihr Bewusstsein niemals v<strong>erste</strong>hen würde: wir <strong>war</strong>en<br />

gefährl<strong>ich</strong>.<br />

Jasper <strong>war</strong> <strong>zu</strong>rzeit sehr gefährl<strong>ich</strong>.<br />

In <strong>die</strong>sem Moment hielt ein junges Mädchen am Ende des Tisches, <strong>der</strong> unserem am nächsten<br />

stand um mit einem Freund <strong>zu</strong> reden. Sie <strong>war</strong>f ihre kurzen strohblonden Haare herum und fuhr mit<br />

den Fingern hindurch. Die Heizlüfter wehten ihren Duft in unsere R<strong>ich</strong>tung. Ich <strong>war</strong> daran gewöhnt,<br />

welche Gefühle so ein Duft in <strong>mir</strong> auslöste – <strong>der</strong> trockene Schmerz in meiner Kehle, das hole<br />

verlangen meines Magens, das automatische Anspannen meiner Muskeln, <strong>der</strong> übermäßige Giftfluss<br />

in meinem Mund…<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> alles zieml<strong>ich</strong> normal, für gewöhnl<strong>ich</strong> le<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> ignorieren. Jetzt <strong>war</strong> es schwerer, <strong>die</strong><br />

Gefühle <strong>war</strong>en stärker, verdoppelt, weil <strong>ich</strong> Jaspers Reaktionen überwachte. Zwillingsdurst, vielmehr<br />

als nur meiner.<br />

Jasper lies seinen Vorstellungen freien Lauf. Er stellte es s<strong>ich</strong> vor – stellte s<strong>ich</strong> vor, wie er s<strong>ich</strong><br />

von seinem Platz neben Alice erhob und s<strong>ich</strong> neben das Mädchen stellte. Wie er s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr hinab<br />

beugte als würde er ihr etwas ins Ohr flüstern wollen, und stattdessen mit seinen Lippen den Bogen<br />

ihrer Kehle berührte. Stellte s<strong>ich</strong> vor, wie s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> heiße Fluss ihres Pulses unter <strong>der</strong> feinen Haut auf<br />

seinen Lippen anfühlte…<br />

Ich trat gegen seinen Stuhl.<br />

Unsere <strong>Blick</strong>e trafen s<strong>ich</strong> für eine Minute, dann senkte er seinen <strong>Blick</strong>. Ich konnte<br />

Beschämung und den rebellierenden Kampf in seinem Kopf hören.<br />

„Sorry,“ flüsterte Jasper.<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte mit den Schultern.<br />

„Du hattest n<strong>ich</strong>t vor irgendetwas <strong>zu</strong> tun,“ murmelte Alice um ihn <strong>zu</strong> beruhigen. „<strong>Das</strong> konnte<br />

<strong>ich</strong> sehen.“


Ich unterdrückte einen Ges<strong>ich</strong>tsausdruck <strong>der</strong> ihre Lüge verraten hätte. Wir mussten<br />

<strong>zu</strong>sammenhalten, Alice und <strong>ich</strong>. Es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t le<strong>ich</strong>t, Stimmen hören und in <strong>die</strong> Zukunft sehen <strong>zu</strong><br />

können. Die Freaks unter den Freaks. Wir schützten unsere Geheimnisse gegenseitig.<br />

„Es hilft ein bisschen wenn du sie als Personen betrachtest,“ empfahl Alice, ihre hohe<br />

musikalische Stimme <strong>war</strong> <strong>zu</strong> schnell für menschl<strong>ich</strong>e Ohren, selbst wenn jemand nah genug gewesen<br />

wäre um <strong>zu</strong><strong>zu</strong>hören. „Ihr Name ist Whitney. Sie hat eine kleine Schwester <strong>die</strong> sie abgöttisch liebt.<br />

Ihre Mutter hatte Esme <strong>zu</strong> <strong>die</strong>ser Gartenparty eingeladen, erinnerst du d<strong>ich</strong>?“<br />

„Ich weiß, wer sie ist,“ sagte Jasper knapp. Er dreht s<strong>ich</strong> weg und starrte aus einem <strong>der</strong><br />

kleinen Fenster <strong>die</strong> direkt unter dem Dachvorsprung des langen Raumes angebracht <strong>war</strong>en. Sein<br />

Tonfall beendete <strong>die</strong> Unterhaltung.<br />

Er würde heute Nacht jagen müssen. Es <strong>war</strong> lächerl<strong>ich</strong> solche Risiken ein<strong>zu</strong>gehen, seine<br />

Stärke <strong>zu</strong> testen um seine Ausdauer <strong>zu</strong> verbessern. Jasper sollte seine Grenzen akzeptieren und sie<br />

n<strong>ich</strong>t überschreiten. Seine früheren Gewohnheiten <strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t beson<strong>der</strong>s <strong>die</strong>nl<strong>ich</strong> für den Lebensstil<br />

den wir gewählt hatten; er sollte s<strong>ich</strong> selbst n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> sehr unter Druck setzen.<br />

Alice seufzte leise, stand auf, nahm ihr Tablett – ihre Requisite – mit und ließ ihn allein. Sie<br />

wusste wann er Genug von ihren Aufmunterungsversuchen hatte. Obwohl Rosalie und Emmett sehr<br />

schamlos mit ihrer Beziehung umgingen, <strong>war</strong>en es Alice und Jasper <strong>die</strong> <strong>die</strong> Gefühle des an<strong>der</strong>en<br />

genauso gut kannten wie ihre eigenen. Als könnten sie auch Gedanken lesen – nur <strong>die</strong> des an<strong>der</strong>en.<br />

Ed<strong>war</strong>d Cullen.<br />

Reflexartige Reaktion. Ich drehte meinen Kopf als hätte jemand meinen Namen gerufen, nur<br />

dass ihn niemand gerufen hatte, son<strong>der</strong>n gedacht.<br />

Meine Augen sahen für den Bruchteil einer Sekunde in ein paar Schokoladenbraune<br />

Menschenaugen in einem blassen herzförmigen Ges<strong>ich</strong>t. Ich kannte das Ges<strong>ich</strong>t, obwohl <strong>ich</strong> es bis <strong>zu</strong><br />

<strong>die</strong>sem Zeitpunkt noch n<strong>ich</strong>t selbst gesehen hatte. Es <strong>war</strong> heute führend in allen menschl<strong>ich</strong>en<br />

Köpfen. Die neue Schülerin, Isabella Swan. Tochter des örtl<strong>ich</strong>en Polize<strong>ich</strong>efs, <strong>die</strong> aufgrund einer<br />

neuen Sorgerechtssituation hierhergezogen <strong>war</strong>. Bella. Sie korrigierte jeden, <strong>der</strong> ihren vollen Namen<br />

benutzte…<br />

Ich wandte m<strong>ich</strong> gelangweilt ab. Es dauerte eine Sekunde bis <strong>ich</strong> merkte, dass es n<strong>ich</strong>t sie<br />

<strong>war</strong>, <strong>die</strong> meinen Namen gedacht hatte.<br />

Natürl<strong>ich</strong> verknallt sie s<strong>ich</strong> sofort in <strong>die</strong> Cullens, hörte <strong>ich</strong> den <strong>erste</strong>n Gedanken weiter.<br />

Jetzt erkannte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> `Stimme`. Jessica Stanley – es <strong>war</strong> schon eine Weile her, seit sie m<strong>ich</strong><br />

mit ihrem einheimischen Geschwätz genervt hatte. Was für eine Erle<strong>ich</strong>terung es <strong>war</strong>, als sie über<br />

ihre fehlplatzierte Verliebtheit hinweggekommen <strong>war</strong>. Es <strong>war</strong> fast unmögl<strong>ich</strong> ihren lächerl<strong>ich</strong>en<br />

Tagträumen <strong>zu</strong> entfliehen. Zu <strong>der</strong> Zeit wünschte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong>, dass <strong>ich</strong> ihr genau erklären könnte, was<br />

passieren würde, wenn meine Lippen, und <strong>die</strong> Zähne dahinter, auch nur in ihre Nähe gekommen<br />

wären. <strong>Das</strong> hätte <strong>die</strong>se lästigen Fantasien verstummen lassen. Der Gedanke an ihre Reaktion brachte<br />

m<strong>ich</strong> fast <strong>zu</strong>m lächeln.<br />

<strong>Das</strong> geschieht ihr ganz recht, dachte Jessica weiter. Sie ist n<strong>ich</strong>t mal wirkl<strong>ich</strong> hübsch. Ich<br />

v<strong>erste</strong>h n<strong>ich</strong>t, <strong>war</strong>um Eric sie so anstarrt… o<strong>der</strong> Mike.<br />

Sie winselte in Gedanken bei dem letzten Namen. Ihre neue Flamme, <strong>der</strong> allgemein beliebte<br />

Mike Newton, interessierte s<strong>ich</strong> kein bisschen für sie. Aber offenbar interessierte er s<strong>ich</strong> für das neue<br />

Mädchen. Erneut, das Kind mit dem glitzernden Gegenstand. <strong>Das</strong> verursachte einen bitteren<br />

Beigeschmack in Jessicas Gedanken, obwohl sie äußerl<strong>ich</strong> sehr freundl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Neuen <strong>war</strong>, als sie<br />

ihr das übl<strong>ich</strong>e Wissen über unsere Familie mitteilte. Die neue Schülerin musste nach uns gefragt<br />

haben.


Heute schauen auch alle <strong>zu</strong> <strong>mir</strong>, dache Jessica selbstgefällig. Was für ein Glück, dass Bella<br />

zwei Kurse mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>sammen hat.. Ich wetter Mike wird m<strong>ich</strong> fragen, was sie –<br />

Ich versuchte das alberne Geschwätz aus<strong>zu</strong>blenden bevor m<strong>ich</strong> dessen Belanglosigkeit und<br />

Trivialität verrückt machte.<br />

„Jessica Stanley teilt dem Swan-Mädchen <strong>die</strong> ganze schmutzige Wäsche über den Cullen-Clan<br />

mit,“ flüsterte <strong>ich</strong> Emmett als Ablenkung <strong>zu</strong>.<br />

Er k<strong>ich</strong>erte verhalten. Ich hoffe, sie gibt ihr bestes, dachte er.<br />

„Eigentl<strong>ich</strong> sehr einfallslos. Nur <strong>der</strong> kleinste Hinweis eines Skandals. Kein Quäntchen Horror.<br />

Ich bin ein bisschen enttäuscht.“<br />

Und das neue Mädchen? Ist sie von dem Klatsch und Tratsch auch enttäuscht?<br />

Ich versuchte <strong>zu</strong> hören, was das neue Mädchen, Bella, von Jessicas Story hielt. Was sah sie,<br />

wenn sie s<strong>ich</strong> <strong>die</strong> seltsame, kreideble<strong>ich</strong>e Familie anschaute, <strong>die</strong> allgemein gemieden wurde?<br />

Es <strong>war</strong> so etwas wie meine Pfl<strong>ich</strong>t ihre Reaktion <strong>zu</strong> kennen. Ich handelte als eine Art<br />

Auss<strong>ich</strong>tsposten, falls jemand einen unerwünschten Eindruck von meiner Familie bekommen könnte.<br />

Um uns <strong>zu</strong> schützen. Wenn jemand misstrauisch würde, könnte <strong>ich</strong> meine Familie rechtzeitig <strong>war</strong>nen<br />

und wir konnten uns <strong>zu</strong>rückziehen. Es passierte gelegentl<strong>ich</strong> – manche Menschen mit ausgeprägter<br />

Fantasie sahen in uns Figuren aus einem Buch o<strong>der</strong> einem Film. Normalerweise lagen sie falsch, aber<br />

es <strong>war</strong> besser um<strong>zu</strong>ziehen, als einen genaueren <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong> riskieren. Ganz ganz selten lag vielle<strong>ich</strong>t mal<br />

jemand r<strong>ich</strong>tig. Wir gaben ihnen keine Chance ihre Theorie <strong>zu</strong> beweisen. Wir verschwanden einfach<br />

und <strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t mehr als eine gruselige Erinnerung…<br />

Ich hörte n<strong>ich</strong>ts, obwohl <strong>ich</strong> sehr nah neben Jessicas innerem Monolog lauschte. Es <strong>war</strong> als<br />

würde niemand neben ihr sitzen. Wie eigenartig, hatte s<strong>ich</strong> das Mädchen woan<strong>der</strong>s hingesetzt? <strong>Das</strong><br />

wäre merkwürdig, denn Jessica redete immer noch mit ihr. Irritiert schaute <strong>ich</strong> auf um nach<strong>zu</strong>sehen.<br />

Ich musste prüfen, was mein „beson<strong>der</strong>es Gehör“ <strong>mir</strong> mitteilte – das <strong>war</strong> etwas was <strong>ich</strong> sonst nie tun<br />

musste.<br />

Wie<strong>der</strong> blieb mein <strong>Blick</strong> an <strong>die</strong>sen großen braunen Augen hängen. Sie saß genau da wo sie<br />

vorher auch gesessen hatte und sah <strong>zu</strong> uns herüber, ganz natürl<strong>ich</strong>, dachte <strong>ich</strong>, da Jessica sie immer<br />

noch mit dem übl<strong>ich</strong>en Klatsch über <strong>die</strong> Cullen versorgte.<br />

Über uns nach<strong>zu</strong>denken wäre auch ganz natürl<strong>ich</strong>.<br />

Aber <strong>ich</strong> konnte n<strong>ich</strong>t mal ein flüstern hören.<br />

Ein einladendes <strong>war</strong>mes Rot befleckte ihre Wangen, als sie den <strong>Blick</strong> senkte, weg von dem<br />

peinl<strong>ich</strong>en Fauxpas dabei erwischt <strong>zu</strong> werden, einen Fremden an<strong>zu</strong>starren. Es <strong>war</strong> gut, dass Jasper<br />

immer noch aus dem Fenster starrte. Ich wollte <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t vorstellen, was <strong>die</strong>ser einfache<br />

Zusammenfluss von Blut mit seiner Kontrolle anger<strong>ich</strong>tet hätte.<br />

Die Gefühle standen so klar und deutl<strong>ich</strong> in ihrem Ges<strong>ich</strong>t, als wären sie in Großbuchstaben<br />

auf ihre Stirn geschrieben: Überraschung, als sie unwissentl<strong>ich</strong> <strong>die</strong> subtilen Ze<strong>ich</strong>en des Unterschieds<br />

zwischen ihrer Art und unserer aufsaugte, Neugierde, als sie Jessicas Gesch<strong>ich</strong>ten lauschte, und noch<br />

etwas an<strong>der</strong>es… Faszination? Es wäre n<strong>ich</strong>t das <strong>erste</strong> Mal. Wir <strong>war</strong>en schön für sie, unsere natürl<strong>ich</strong>e<br />

Beute. Dann, letztl<strong>ich</strong>, Scham als <strong>ich</strong> sie erwischte, wie sie m<strong>ich</strong> anstarrte.<br />

Und dennoch, obwohl ihre Gedanken so deutl<strong>ich</strong> in ihren seltsamen Augen standen –<br />

Seltsam, wegen ihrer Tiefe; braune Augen wirkten oft Flach in ihrer Dunkelheit – Ich konnte n<strong>ich</strong>ts<br />

hören außer Stille von dem Platz auf dem sie saß. Gar n<strong>ich</strong>ts.<br />

Ich fühlte m<strong>ich</strong> einen Moment lang unwohl.<br />

So etwas <strong>war</strong> <strong>mir</strong> noch nie passiert. Stimmte etwas n<strong>ich</strong>t mit <strong>mir</strong>? Ich fühlte m<strong>ich</strong> wie immer.<br />

Besorgt, hörte <strong>ich</strong> konzentrierter <strong>zu</strong>.<br />

Alle stimmen <strong>die</strong> <strong>ich</strong> blockiert hatte, schrien plötzl<strong>ich</strong> in meinem Kopf.


…Ich frage m<strong>ich</strong> was für Musik sie hört…vielle<strong>ich</strong>t könnte <strong>ich</strong> <strong>die</strong>ses neue Album erwähnen…<br />

dachte Mike, zwei Tische weiter – fixiert auf Bella Swan.<br />

Wie er sie anstarrt. Ist es n<strong>ich</strong>t genug, dass <strong>die</strong> Hälfte <strong>der</strong> Mädchen an <strong>die</strong>ser Schule für ihn<br />

Schlange steht… Eric Yorkie hatte hitzige Gedanken, <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> auch um <strong>die</strong>ses Mädchen drehten.<br />

…ekelhaft. Man könnte meinen sie wäre berühmt o<strong>der</strong> so etwas… Sogar Ed<strong>war</strong>d Cullen starrt<br />

sie an… Lauren Mallory <strong>war</strong> so eifersüchtig, dass ihr Ges<strong>ich</strong>t jadegrün anlaufen müsste. Und Jessica,<br />

stellt ihre neue beste Freundin <strong>zu</strong>r Schau. Was für ein Witz… Immer mehr Gift versprühte sie in ihren<br />

Gedanken.<br />

…Ich wetter, je<strong>der</strong> hat sie das schon gefragt. Aber <strong>ich</strong> würde gern mit ihr reden. Ich sollte <strong>mir</strong><br />

eine originellere Frage überlegen… grübelte Ashley Dowling.<br />

…Vielle<strong>ich</strong>t ist sie bei <strong>mir</strong> in Spanisch… hoffte June R<strong>ich</strong>ardson.<br />

…Haufenweise <strong>zu</strong> tun heute Abend! Mathe, und <strong>der</strong> Englisch Test. Ich hoffe meine Mutter…<br />

Angela Weber, ein ruhiges Mädchen, dessen Gedanken ungewöhnl<strong>ich</strong> freundl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>en, <strong>war</strong> <strong>die</strong><br />

einzige an <strong>die</strong>sem Tisch <strong>die</strong> n<strong>ich</strong>t von <strong>die</strong>ser Bella besessen <strong>war</strong>.<br />

Ich konnte sie alle hören, jede unw<strong>ich</strong>tige Kleinigkeit <strong>die</strong> ihre Gedanken passierte. Aber<br />

absolut n<strong>ich</strong>ts von <strong>der</strong> neuen Schülerin mit den trügerisch offenen Augen.<br />

Und natürl<strong>ich</strong> konnte <strong>ich</strong> hören, was sie sagte, wenn sie mit Jessica sprach. Ich brauchte<br />

keinen Gedanken lesen <strong>zu</strong> können um ihre ruhige klare Stimme auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite des Raumes<br />

hören <strong>zu</strong> können.<br />

„Wer ist <strong>der</strong> Junge mit den Kupferfarbenen Haaren?“ Hörte <strong>ich</strong> sie fragen, während sie <strong>mir</strong><br />

aus dem Augenwinkel einen verstohlenen <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong><strong>war</strong>f, nur um schnell wie<strong>der</strong> weg<strong>zu</strong>schauen, als sie<br />

sah, dass <strong>ich</strong> sie immer noch anstarrte.<br />

Wenn <strong>ich</strong> Zeit gehabt hätte <strong>zu</strong> hoffen, dass <strong>der</strong> Klang ihrer Stimme <strong>mir</strong> helfen würde den<br />

Klang ihrer Gedanken heraus<strong>zu</strong>picken, irgendwo v<strong>erste</strong>ckt wo <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t erre<strong>ich</strong>en konnte, wäre <strong>ich</strong><br />

enttäuscht gewesen. Normalerweise hörten <strong>die</strong> Menschen ihre Gedanken in einem ähnl<strong>ich</strong>en Klang<br />

wie dem ihrer Stimme. Aber <strong>die</strong>se ruhige schüchterne Stimme <strong>war</strong> <strong>mir</strong> unbekannt, keine von den<br />

hun<strong>der</strong>ten von Stimmen <strong>die</strong> durch den Raum flogen, dessen <strong>war</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> s<strong>ich</strong>er. Absolut neu.<br />

Na dann viel Glück, Idiot! Dachte Jessica bevor sie auf <strong>die</strong> Frage antwortete. „<strong>Das</strong> ist Ed<strong>war</strong>d.<br />

Er sieht toll aus, klar, aber verschwende n<strong>ich</strong>t deine Zeit. Er verabredet s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> sind<br />

ihm <strong>die</strong> Mädchen hier n<strong>ich</strong>t hübsch genug.“ Sie rümpfte ihre Nase.<br />

Ich dreht meinen Kopf weg um mein lächeln <strong>zu</strong> verbergen. Jessica und ihre<br />

Klassenkameradinnen hatten keine Ahnung, was für sein Glück sie hatten, dass <strong>mir</strong> keine von ihnen<br />

gefiel.<br />

Neben dem flüchtigen Humor, fühlte <strong>ich</strong> einen Seltsamen Impuls, einen den <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t r<strong>ich</strong>tig<br />

verstand. Es hatte etwas mit dem bösartigen Unterton in Jessicas Gedanken <strong>zu</strong> tun, von dem das<br />

Mädchen keine Ahnung hatte… <strong>ich</strong> verspürte das seltsame Verlangen, dazwischen <strong>zu</strong> gehen um <strong>die</strong>se<br />

Bella Swan vor den bösen Gedanken in Jessicas Kopf <strong>zu</strong> schützen. Was für ein seltsames Gefühl.<br />

Während <strong>ich</strong> versuchte den Grund für <strong>die</strong>sen Impuls auf<strong>zu</strong>spüren, inspizierte <strong>ich</strong> das neue Mädchen<br />

noch einmal.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> es nur ein lange vergrabener Beschützerinstinkt – Der Starke für den<br />

Schwächeren. <strong>Das</strong> Mädchen wirkte zerbrechl<strong>ich</strong>er als ihre neuen Klassenkameradinnen. Ihre Haut<br />

<strong>war</strong> so durchscheinend, es <strong>war</strong> schwer <strong>zu</strong> glauben, dass sie ihr irgendeine Art von Schutz vor <strong>der</strong> Welt<br />

da draußen bieten konnte. Ich konnte das rhythmische pulsieren des Blutes durch ihre Venen unter<br />

<strong>der</strong> klaren blassen Membran sehen… Aber darauf sollte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> besser n<strong>ich</strong>t konzentrieren. Ich <strong>war</strong><br />

gut in dem Leben, das <strong>ich</strong> gewählt hatte, aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong> genauso durstig wie Jasper und <strong>ich</strong> sollte m<strong>ich</strong><br />

besser n<strong>ich</strong>t in Versuchung führen.


Da <strong>war</strong> eine le<strong>ich</strong>te Falte zwischen ihren Augenbrauen, <strong>der</strong>er sie s<strong>ich</strong> scheinbar n<strong>ich</strong>t bewusst<br />

<strong>war</strong>.<br />

Es <strong>war</strong> unglaubl<strong>ich</strong> frustrierend! Ich konnte deutl<strong>ich</strong> erkennen, dass es eine Belastung für sie<br />

<strong>war</strong> dort <strong>zu</strong> sitzen, s<strong>ich</strong> mit fremden <strong>zu</strong> unterhalten, im Mittelpunkt <strong>zu</strong> stehen. Ich konnte ihre<br />

Schüchternheit spüren, daran wie sie ihre zerbrechl<strong>ich</strong> wirkenden Schultern hielt, le<strong>ich</strong>t gekrümmt,<br />

als würde sie jeden Moment eine Abfuhr er<strong>war</strong>ten. Und doch konnte <strong>ich</strong> nur spüren, nur sehen,<br />

konnte <strong>mir</strong> nur vorstellen. Da kam n<strong>ich</strong>ts als Stille von <strong>die</strong>sem gewöhnl<strong>ich</strong>en Menschenmädchen. Ich<br />

konnte n<strong>ich</strong>ts hören. Warum?<br />

„Sollen wir?“ murmelte Rosalie und unterbrach meine Konzentration.<br />

Mit einer Spur von Erle<strong>ich</strong>terung wendete <strong>ich</strong> meinen <strong>Blick</strong> von dem Mädchen ab. Ich wollte<br />

n<strong>ich</strong>t länger daran scheitern – es irritierte m<strong>ich</strong>. Und <strong>ich</strong> wollte kein Interesse an den Gedanken<br />

<strong>die</strong>ses Mädchens entwickeln nur weil sei vor <strong>mir</strong> verborgen <strong>war</strong>en. Kein Zweifel, wenn <strong>ich</strong> ihre<br />

Gedanken entschlüsseln konnte – und <strong>ich</strong> würde einen Weg finden – wären sie genauso belanglos<br />

und trivial wie alle an<strong>der</strong>en menschl<strong>ich</strong>en Gedanken. Sie wären den Aufwand n<strong>ich</strong>t wert, den <strong>ich</strong><br />

aufbringen müsste.<br />

„Also, hat <strong>die</strong> Neue jetzt Angst vor uns?“ fragte Emmett, <strong>der</strong> immer noch auf meine Antwort<br />

auf seine Frage <strong>war</strong>tete.<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte mit den Schultern. Er <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t interessiert genug um mehr Informationen <strong>zu</strong><br />

for<strong>der</strong>n. Und <strong>ich</strong> sollte auch n<strong>ich</strong>t interessiert sein.<br />

Wir standen von unserem Tisch auf und verließen <strong>die</strong> Cafeteria.<br />

Emmett, Rosalie und Jasper gaben vor in <strong>der</strong> Abschlussklasse <strong>zu</strong> sein; sie begaben s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong><br />

ihren Kursen. Ich spielte eine jüngere Rolle als sie. Ich machte m<strong>ich</strong> auf den Weg <strong>zu</strong> meinem Biologie-<br />

Kurs und stellte m<strong>ich</strong> auf eine langweilige Stunde ein. Es <strong>war</strong> <strong>zu</strong> bezweifeln, dass Mr. Banner, ein<br />

Mann mit gerade einmal durchschnittl<strong>ich</strong>er Intelligenz, in <strong>der</strong> Lage wäre irgendetwas <strong>zu</strong> lehren, dass<br />

jemanden mit einem zweifachen Abschluss in Medizin überraschen könnte.<br />

Im Klassenraum ließ <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> auf meinen Stuhl fallen und verteilte meine Bücher – wie<strong>der</strong><br />

Requisiten; sie beinhalteten n<strong>ich</strong>ts, dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t schon wusste – quer über dem Tisch. Ich <strong>war</strong> <strong>der</strong><br />

einzige Schüler <strong>der</strong> einen Tisch für s<strong>ich</strong> allein hatte. Die Menschen <strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t clever genug um <strong>zu</strong><br />

wissen, dass sie Angst vor <strong>mir</strong> hatten, aber ihr Überlebensinstinkt re<strong>ich</strong>te aus, um sie von <strong>mir</strong> fern <strong>zu</strong><br />

halten.<br />

Der Raum füllte s<strong>ich</strong> langsam, als <strong>die</strong> Schüler vom Mittagessen <strong>zu</strong>rückkamen. Ich lehnte m<strong>ich</strong><br />

in meinem Stuhl <strong>zu</strong>rück und <strong>war</strong>tete darauf, dass <strong>die</strong> Zeit verstr<strong>ich</strong>. Wie<strong>der</strong> einmal wünschte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong><br />

<strong>ich</strong> wäre in <strong>der</strong> Lage <strong>zu</strong> schlafen.<br />

Weil <strong>ich</strong> über sie nachgedacht hatte, erweckte ihr Name meine Aufmerksamkeit, als Angela<br />

Weber das neue Mädchen durch <strong>die</strong> Klassentür begleitete.<br />

Bella scheint genauso schüchtern <strong>zu</strong> sein, wie <strong>ich</strong>. Ich wette <strong>der</strong> Tag heute ist verdammt<br />

schwer für sie. Ich wünschte <strong>ich</strong> könnte irgendetwas sagen… aber es würde vermutl<strong>ich</strong> nur blöd<br />

klingen…<br />

Yes! Dachte Mike Newton, während er seinen Stuhl drehte um <strong>die</strong> Mädchen beim Betreten<br />

des Raumes <strong>zu</strong> beobachten.<br />

Und immer noch n<strong>ich</strong>ts von <strong>der</strong> Stelle, an <strong>der</strong> Bella Swan stand. Die Leere wo ihre Gedanken<br />

sein müssten irritierte und veruns<strong>ich</strong>erte m<strong>ich</strong>.<br />

Sie kam näher, während sie an <strong>mir</strong> vorbei den Gang entlang <strong>zu</strong>m Lehrerpult ging. Armes<br />

Mädchen; neben <strong>mir</strong> <strong>war</strong> <strong>der</strong> einzige freie Platz. Automatisch räumte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Hälfte des Tisches frei,<br />

<strong>die</strong> ihr gehören würde, und stapelte meine Bücher übereinan<strong>der</strong>. Ich bezweifelte, dass sie s<strong>ich</strong> hier<br />

sehr wohl fühlen würde. <strong>Das</strong> würde ein langes Semester für sie werden – in <strong>die</strong>sem Kurse jedenfalls.


Aber vielle<strong>ich</strong>t, wenn <strong>ich</strong> neben ihr saß, wäre <strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Lage ihr Geheimnis heraus<strong>zu</strong>finden… n<strong>ich</strong>t<br />

das <strong>ich</strong> jemals vorher <strong>die</strong> nähere Umgebung gebraucht hätte… geschweige denn, dass <strong>ich</strong><br />

irgendetwas hören würde, dass es wert wäre gehört <strong>zu</strong> werden.<br />

Bella Swan trat durch den heißen Luftstrom, <strong>der</strong> von dem Heizlüfter direkt <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> wehte.<br />

Ihr Duft traf m<strong>ich</strong> wie eine Abrissbirne, wie ein Rammbock. Es gab kein Bild, das brutal genug<br />

<strong>war</strong> um <strong>zu</strong> beschreiben, was in <strong>die</strong>sem Moment mit <strong>mir</strong> geschah.<br />

In <strong>die</strong>sem Augenblick <strong>war</strong> <strong>ich</strong> alles an<strong>der</strong>e als nah an dem Menschen <strong>der</strong> <strong>ich</strong> einst gewesen<br />

<strong>war</strong>; N<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> Anflug eines Fetzens <strong>der</strong> Menschl<strong>ich</strong>keit, in <strong>die</strong> <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> sonst hüllte blieb übrig.<br />

Ich <strong>war</strong> ein Jäger. Sie <strong>war</strong> meine Beute. Die ganze Welt bestand nur noch aus <strong>die</strong>ser einen<br />

Wahrheit.<br />

Es gab keinen Raum voller Zeugen – sie <strong>war</strong>en nur noch Kollateralschaden in meinem Kopf.<br />

<strong>Das</strong> Mysterium ihrer Gedanken <strong>war</strong> vergessen. Ihre Gedanken bedeuteten n<strong>ich</strong>ts mehr, denn sie<br />

würde n<strong>ich</strong>t länger denken können.<br />

Ich <strong>war</strong> ein Vampir und sie hatte das süßeste Blut, das <strong>ich</strong> in 80 Jahren gerochen hatte.<br />

Ich hätte <strong>mir</strong> niemals träumen lassen, dass ein solcher Duft existieren konnte. Wenn <strong>ich</strong> das<br />

gewusst hätte, hätte <strong>ich</strong> schon vor langer Zeit begonnen danach <strong>zu</strong> suchen. Ich hätte den ganzen<br />

Planeten nach ihr durchkämmt. Ich konnte <strong>mir</strong> den Geschmack vorstellen…<br />

Der Durst brannte wie Feuer in meiner Kehle. Mein Mund <strong>war</strong> trocken und ausgebrannt. Der<br />

frische Strom von Gift än<strong>der</strong>te n<strong>ich</strong>ts daran. Mein Magen drehte s<strong>ich</strong> vor Hunger, <strong>der</strong> ein Echo des<br />

Durstes <strong>war</strong>. Meine Muskeln drohten <strong>zu</strong> zerspringen.<br />

N<strong>ich</strong>t mal eine Sekunde <strong>war</strong> vergangen. Sie beendete gerade den Schritt, <strong>der</strong> ihren Duft <strong>zu</strong><br />

<strong>mir</strong> herüber geweht hatte.<br />

Als ihr Fuß den Boden berührte, wan<strong>der</strong>te ihr <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong>, eine Bewegung <strong>die</strong> definitiv<br />

verstohlen gemeint <strong>war</strong>. Ihr <strong>Blick</strong> traf meinen und <strong>ich</strong> sah meine Reflektion in ihren geweiteten<br />

Augen.<br />

Der Schock des Ges<strong>ich</strong>ts dass <strong>ich</strong> dort sah, rettete für wenige Augenblicke ihr Leben.<br />

Sie machte es n<strong>ich</strong>t le<strong>ich</strong>ter. Als sie den Ausdruck auf meinem Ges<strong>ich</strong>t sah, schoss ihr das Blut<br />

wie<strong>der</strong> in <strong>die</strong> Wangen und verlieh ihrem Ges<strong>ich</strong>t <strong>die</strong> köstl<strong>ich</strong>ste Farbe <strong>die</strong> <strong>ich</strong> je gesehen hatte… Der<br />

Duft hüllte mein Gehirn in eine dicke Nebelwand. Ich konnte kaum denken. Meine Gedanken<br />

wüteten <strong>zu</strong>sammenhanglos, ohne Kontrolle.<br />

Sie beschleunigte Ihren Schritt, als hätte sie verstanden, dass es besser <strong>war</strong> <strong>zu</strong> flüchten. Ihre<br />

Eile machte sie tollpatschig – sie stolperte und viel fast auf das Mädchen das vor <strong>mir</strong> saß. Verletzl<strong>ich</strong>,<br />

schwach. Mehr noch als normale Menschen.<br />

Ich versuchte m<strong>ich</strong> auf das Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> konzentrieren, dass <strong>ich</strong> in ihren Augen gesehen hatte,<br />

ein Ges<strong>ich</strong>t, dass <strong>ich</strong> mit Abscheu erkannte. <strong>Das</strong> Ges<strong>ich</strong>t des Monsters in <strong>mir</strong> – das Ges<strong>ich</strong>t, das <strong>ich</strong><br />

mit Jahrzehnte langer Anstrengung und kompromissloser Disziplin <strong>zu</strong>rückgeschlagen hatte. Wie le<strong>ich</strong>t<br />

es jetzt wie<strong>der</strong> an <strong>die</strong> Oberfläche trat!<br />

Der Duft umfing m<strong>ich</strong> erneut, trübte meine Gedanken und hob m<strong>ich</strong> fast aus meinem Stuhl.<br />

Nein.<br />

Meine Hände umklammerten <strong>die</strong> Tischkannte, als <strong>ich</strong> versuchte m<strong>ich</strong> auf dem Stuhl <strong>zu</strong><br />

halten. <strong>Das</strong> Holz <strong>war</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t gewachsen. Meine Hände brachen durch <strong>die</strong> Strebe und zerbröselten<br />

das Holz <strong>zu</strong> Spänen. Meine Finger hinterließen einen Abdruck in <strong>der</strong> Tischkannte.<br />

Vern<strong>ich</strong>te <strong>die</strong> Beweise. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> eine Grundregel. Schnell zerbröselte <strong>ich</strong> den Rest <strong>der</strong> Kannte<br />

mit meinen Fingerspitzen und hinterließ ein unförmiges Loch. <strong>Das</strong> Holzpulver verteilte <strong>ich</strong> mit<br />

meinem Fuß über dem Boden.<br />

Vern<strong>ich</strong>te <strong>die</strong> Beweise. Kollateralschaden…


Ich wusste, was jetzt passieren musste. <strong>Das</strong> Mädchen würde s<strong>ich</strong> neben m<strong>ich</strong> setzten müssen<br />

und <strong>ich</strong> musste sie töten.<br />

Die Unschuldigen Umstehenden im Klassenraum, achtzehn an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong> und ein Mann,<br />

würden den Raum n<strong>ich</strong>t verlassen können, wenn sie gesehen hatten, was sie bald sehen würden.<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte <strong>zu</strong>sammen bei dem Gedanken was <strong>ich</strong> tun müsste. Selbst <strong>zu</strong> meiner schlimmsten<br />

Zeit hätte <strong>ich</strong> nie eine solche Gewalttat begangen. Ich hatte nie unschuldige getötet, n<strong>ich</strong>t einmal in<br />

acht Jahrzehnten. Und jetzt plante <strong>ich</strong> zwanzig von ihnen auf einmal <strong>zu</strong> töten.<br />

<strong>Das</strong> Ges<strong>ich</strong>t des Monsters im Spiegel verspottete m<strong>ich</strong>.<br />

Obwohl ein Teil von <strong>mir</strong> vor dem Monster <strong>zu</strong>rückschreckte, plante <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Teil das<br />

Verbrechen.<br />

Wenn <strong>ich</strong> das Mädchen <strong>zu</strong>erst tötete, hätte <strong>ich</strong> nur fünfzehn o<strong>der</strong> zwanzig Sekunden, bis <strong>die</strong><br />

Menschen in <strong>die</strong>sem Raum reagieren würden. Vielle<strong>ich</strong>t ein bisschen länger wenn sie n<strong>ich</strong>t sofort<br />

merken würden, was <strong>ich</strong> tat. <strong>Das</strong> Mädchen würde keine Zeit haben <strong>zu</strong> schreien o<strong>der</strong> schmerzen <strong>zu</strong><br />

spüren; <strong>ich</strong> würde sie n<strong>ich</strong>t brutal töten. Soviel konnte <strong>ich</strong> <strong>die</strong>ser Fremden mit ihrem unheiml<strong>ich</strong><br />

begehrenswerten Blut geben.<br />

Aber dann musste <strong>ich</strong> <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en davon abhalten <strong>zu</strong> fliehen. Um <strong>die</strong> Fenster musste <strong>ich</strong> <strong>mir</strong><br />

keine Gedanken machen, <strong>zu</strong> hoch und <strong>zu</strong> klein um als Fluchtmögl<strong>ich</strong>keit <strong>zu</strong> <strong>die</strong>nen. Nur <strong>die</strong> Tür –<br />

wenn <strong>ich</strong> sie blockierte <strong>war</strong>en sie gefangen.<br />

Es würde länger dauern und schwieriger sein, sie alle um<strong>zu</strong>bringen, wenn sie panisch<br />

durcheinan<strong>der</strong> rannten. N<strong>ich</strong>t unmögl<strong>ich</strong>, aber es wäre sehr viel lauter. Zeit für viel Geschrei. Jemand<br />

würde es hören… und <strong>ich</strong> wäre gezwungen noch mehr unschuldige <strong>zu</strong> töten.<br />

Und ihr Blut würde auskühlen während <strong>ich</strong> <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en tötete.<br />

Ihr Duft strafte m<strong>ich</strong>, füllte meinen Rachen mit trockenen Schmerzen…<br />

Also dann <strong>die</strong> Zeugen <strong>zu</strong> erst.<br />

Ich plante es in meinem Kopf. Ich befand m<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Mitte des Raumes, <strong>die</strong> am weitesten<br />

entfernte Reihe im Rücken. Ich würde <strong>die</strong> rechte Seite <strong>zu</strong>erst nehmen. Ich konnte vier o<strong>der</strong> fünf ihrer<br />

Hälse pro Sekunde schnappen, schätze <strong>ich</strong>. Es wäre n<strong>ich</strong>t laut. Die rechte Seite wäre <strong>die</strong> glückl<strong>ich</strong>ere;<br />

sie würden m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t kommen sehen. Vorne angekommen würde <strong>ich</strong> umdrehen und <strong>die</strong> linke Seite<br />

bis nach hinten durchgehen, es würde m<strong>ich</strong> maximal fünf Sekunde kosten, jedes Leben in <strong>die</strong>sem<br />

Raum <strong>zu</strong> vern<strong>ich</strong>ten.<br />

Lange genug für Bella Swan um <strong>zu</strong> sehen, was bald auf sie <strong>zu</strong>kommen würde. Lange genug für<br />

sie um Angst <strong>zu</strong> empfinden. Vielle<strong>ich</strong>t lange genug, falls <strong>der</strong> Schock sie n<strong>ich</strong>t erstarren ließe, um <strong>zu</strong><br />

schreien. Ein dünner Schrei, <strong>der</strong> niemanden aufschrecken würde.<br />

Ich atmete tief ein und <strong>der</strong> Duft brannte wie Feuer in meinen trockenen Venen.<br />

Jetzt drehte sie s<strong>ich</strong> um. In wenigen Sekunden würde sie s<strong>ich</strong> nur ein paar Zentimeter neben<br />

m<strong>ich</strong> setzen.<br />

<strong>Das</strong> Monster in <strong>mir</strong> lächelte vor Verlangen.<br />

Zu meiner Linken schlug jemand einen Ordner <strong>zu</strong>. Ich sah n<strong>ich</strong>t auf um <strong>zu</strong> sehen, welcher <strong>der</strong><br />

<strong>zu</strong>m Tode verurteilten Menschen es <strong>war</strong>. Aber <strong>die</strong> Bewegung wehte einen Hauch alltägl<strong>ich</strong>er<br />

unparfümierter Luft in mein Ges<strong>ich</strong>t.<br />

Für eine Sekunde <strong>war</strong> <strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Lage klar <strong>zu</strong> denken. In <strong>die</strong>ser wertvollen Sekunde sah <strong>ich</strong><br />

zwei Ges<strong>ich</strong>ter nebeneinan<strong>der</strong> in meinem Kopf.<br />

<strong>Das</strong> eine <strong>war</strong> mein eigenes, o<strong>der</strong> besser <strong>war</strong> es gewesen: das rot-äugige Monster, das so viele<br />

Menschen getötet hatte, dass <strong>ich</strong> irgendwann aufgehört hatte <strong>zu</strong> zählen. Durchdachte,<br />

gerechtfertigte Morde. Ein Killer von Killern, ein Killer von an<strong>der</strong>en, schwächeren Monstern. Es <strong>war</strong><br />

ein Gott-Komplex, das gab <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> – <strong>zu</strong> entscheiden wer den Tod ver<strong>die</strong>nt hatte. Es <strong>war</strong> ein


Kompromiss, den <strong>ich</strong> mit <strong>mir</strong> selbst geschlossen hatte. Ich hatte menschl<strong>ich</strong>es Blut getrunken, aber<br />

nur in einer lockeren Definition. Meine Opfer <strong>war</strong>en in ihrer dunklen Vergangenheit kaum<br />

menschl<strong>ich</strong>er als <strong>ich</strong> es <strong>war</strong>.<br />

<strong>Das</strong> an<strong>der</strong>e Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> das von Carlisle.<br />

Es gab keine Ähnl<strong>ich</strong>keit. Carlisle <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t mein biologischer Vater. Wir hatten keine<br />

gemeinsamen Eigenschaften. Die Ähnl<strong>ich</strong>keit unserer Hautfarbe <strong>war</strong> das Ergebnis von dem <strong>war</strong> wir<br />

<strong>war</strong>en; je<strong>der</strong> Vampir hatte <strong>die</strong> gle<strong>ich</strong>e Schneeweiße Haut. Genau wie <strong>die</strong> Ähnl<strong>ich</strong>keit unserer<br />

Augenfarbe – <strong>die</strong> Reflektion einer gegenseitigen Entscheidung.<br />

Und trotzdem, obwohl es sonst keine Ähnl<strong>ich</strong>keiten gab, stellte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> vor, dass mein Ges<strong>ich</strong>t<br />

anfing seins <strong>zu</strong> reflektieren, in den letzten siebzig seltsamen Jahren in denen <strong>ich</strong> seine Wahl annahm<br />

und in seine Fußstapfen trat. Meine Züge hatten s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t verän<strong>der</strong>t, aber es kam <strong>mir</strong> vor als hätte<br />

ein Teil seiner Weisheit m<strong>ich</strong> geprägt, dass ein bisschen von seinem Mitgefühl in <strong>der</strong> Form meines<br />

Mundes <strong>zu</strong> erkennen <strong>war</strong>, und <strong>der</strong> Hauch seiner Geduld <strong>war</strong> ers<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> in meinen Augenbrauen.<br />

All <strong>die</strong>se kleinen Verän<strong>der</strong>ungen verloren s<strong>ich</strong> im Ges<strong>ich</strong>t des Monsters. In wenigen<br />

Augenblicken wäre n<strong>ich</strong>ts mehr in <strong>mir</strong> übrig, dass <strong>die</strong> Jahre <strong>die</strong> <strong>ich</strong> mit meinem Schöpfer, meinem<br />

Mentor, meinem Vater verbracht hatte, wie<strong>der</strong>spiegeln würde. Meine Augen würden rot leuchten<br />

wie <strong>die</strong> eines Teufels; alle Ähnl<strong>ich</strong>keit wäre für immer verloren.<br />

Carlisles freundl<strong>ich</strong>e Augen verurteilten m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t in meinem Kopf. Ich wusste dass er <strong>mir</strong><br />

<strong>die</strong>se schreckl<strong>ich</strong>e Tat <strong>die</strong> <strong>ich</strong> begehen würde, vergeben würde. Weil er m<strong>ich</strong> liebte. Weil er dachte,<br />

dass <strong>ich</strong> besser wäre, als <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>. Und er würde m<strong>ich</strong> immer noch lieben, auch wenn <strong>ich</strong> jetzt<br />

beweisen würde, dass er falsch lag.<br />

Bella Swan setzte s<strong>ich</strong> auf den Stuhl neben <strong>mir</strong>, ihre Bewegungen <strong>war</strong>en angespannt und<br />

unbeholfen – aus Angst? – und <strong>der</strong> Duft ihres Blutes erblühte in einer unaufhaltsamen Wolke um<br />

m<strong>ich</strong> herum.<br />

Ich würde meinem Vater beweisen, dass er unrecht hatte. Die Erkenntnis <strong>die</strong>ser Tatsache<br />

schmerzte fast genauso sehr wie das Feuer in meiner Kehle.<br />

Ich lehnte m<strong>ich</strong> angewi<strong>der</strong>t von ihr weg, als ein plötzl<strong>ich</strong> aufkeimen<strong>der</strong>, heftiger,<br />

unbegründeter Hass m<strong>ich</strong> durchfuhr.<br />

Wer <strong>war</strong> <strong>die</strong>se Kreatur? Warum <strong>ich</strong>, <strong>war</strong>um jetzt? Warum musste <strong>ich</strong> alles verlieren, nur weil<br />

sie beschlossen hatte in <strong>die</strong>se unscheinbare Stadt <strong>zu</strong> ziehen?<br />

Warum ist sie hierhergekommen!<br />

Ich wollte kein Monster sein! Ich wollte <strong>die</strong>sen Raum voller unschuldiger Kin<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

auslöschen! Ich wollte n<strong>ich</strong>t alles verlieren was <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> durch Opfer und Abschwörungen ver<strong>die</strong>nt<br />

hatte!<br />

<strong>Das</strong> würde <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t tun. Sie konnte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t da<strong>zu</strong> bringen.<br />

Der Duft <strong>war</strong> das Problem, <strong>der</strong> abscheul<strong>ich</strong> ansprechende Duft ihres Blutes. Wenn es nur<br />

einen Weg gäbe <strong>zu</strong> wied<strong>erste</strong>hen… wenn nur eine weitere Bö frischer Luft meine Kopf frei machen<br />

würde.<br />

Bella Swan <strong>war</strong>f ihre langen, dicken Mahagoni farbenen Haare in meine R<strong>ich</strong>tung.<br />

War sie wahnsinnig? Es <strong>war</strong> als würde sie das Monster ermutigen wollen! Es verhöhnen.<br />

Da <strong>war</strong> keine freundl<strong>ich</strong>e Briese, <strong>die</strong> den Geruch von <strong>mir</strong> fortwehte. Bald würde alles verloren<br />

sein.<br />

Nein, keine helfende Briese. Aber <strong>ich</strong> musste n<strong>ich</strong>t Atmen.<br />

Ich stoppte den Luftfluss in meinen Lungen; <strong>die</strong> Erle<strong>ich</strong>terung kam augenblickl<strong>ich</strong>, aber<br />

unvollständig. Ich hatte immer noch <strong>die</strong> Erinnerung des Duftes in meinem Kopf, den Geschmack auf<br />

<strong>der</strong> Zunge. Auch so würde <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t lange wid<strong>erste</strong>hen können. Aber vielle<strong>ich</strong>t konnte <strong>ich</strong> für eine


Stunde wied<strong>erste</strong>hen. Eine Stunde. Gerade genug Zeit um aus <strong>die</strong>sem Raum voller Opfer <strong>zu</strong><br />

verschwinden, Opfer <strong>die</strong> vielle<strong>ich</strong>t gar keine Opfer sein mussten. Wenn <strong>ich</strong> für eine kurze Stunde<br />

wied<strong>erste</strong>hen könnte.<br />

Es <strong>war</strong> ein unangenehmes Gefühl n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> atmen. Mein Körper brauchte keinen Sauerstoff,<br />

aber es <strong>war</strong> gegen meine Instinkte. Wenn <strong>ich</strong> angespannt <strong>war</strong> verließ <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> mehr auf meinen<br />

Geruchssinn als auf meine an<strong>der</strong>en Sinne. Er wies <strong>die</strong> R<strong>ich</strong>tung bei <strong>der</strong> Jagd, er <strong>war</strong> <strong>die</strong> <strong>erste</strong><br />

Warnung wenn Gefahr drohte. Mir begegnete n<strong>ich</strong>t oft etwas dass genauso gefährl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> wie <strong>ich</strong><br />

selbst, aber <strong>der</strong> Selbsterhaltungstrieb meiner Art <strong>war</strong> genauso groß wie <strong>der</strong> von gewöhnl<strong>ich</strong>en<br />

Menschen.<br />

Unangenehm aber erträgl<strong>ich</strong>. Erträgl<strong>ich</strong>er als sie riechen <strong>zu</strong> müssen ohne meine Zähne durch<br />

<strong>die</strong>se dünne, durchs<strong>ich</strong>tige Haut sinken <strong>zu</strong> lassen und das heiße, nasse, pulsierende –<br />

Eine Stunde! Nur eine Stunde. Ich durfte n<strong>ich</strong>t an den Duft denken, an den Geschmack.<br />

<strong>Das</strong> stille Mädchen hielt ihre Haare zwischen uns und lehnte s<strong>ich</strong> nach vorne, so dass es über<br />

ihren Ordner fiel. Ich konnte ihr Ges<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t erkennen, um <strong>zu</strong> versuchen <strong>die</strong> Gefühle in ihren klaren,<br />

tiefen Augen <strong>zu</strong> lesen. War das <strong>der</strong> Grund weshalb sie ihren gelockten Fächer zwischen uns<br />

ausbreitete? Um <strong>die</strong>se Augen vor <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>cken? Aus Angst? Schüchternheit? Um ihre<br />

Geheimnisse vor <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> verbergen?<br />

Meine anfängl<strong>ich</strong>e Veruns<strong>ich</strong>erung von ihren Stummen Gedanken Schach matt gesetzt <strong>zu</strong><br />

werden <strong>war</strong> schwach und blass im Vergle<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> dem Verlangen – und dem Hass – das/<strong>der</strong> m<strong>ich</strong> jetzt<br />

beherrschte. Ich hasste <strong>die</strong>se zarte Frau – <strong>die</strong>ses Kind – neben <strong>mir</strong>, hasste sie voller Inbrunst, mit <strong>der</strong><br />

<strong>ich</strong> an meinem alten Ich hing, <strong>die</strong> Liebe meiner Familie, meine Träume etwas Besseres <strong>zu</strong> sein als <strong>ich</strong><br />

<strong>war</strong>… Ich hasste sie, hasste es welche Gefühle sie in <strong>mir</strong> auslöste – es half ein bisschen. Ja das<br />

Unbehagen, das <strong>ich</strong> vorher verspürt hatte <strong>war</strong> schwach, aber es half auch ein bisschen. Ich<br />

klammerte m<strong>ich</strong> an jedes Gefühl, dass m<strong>ich</strong> davon ablenkte <strong>mir</strong> vor<strong>zu</strong>stellen, wie sie schmecken<br />

würde…<br />

Hass und Veruns<strong>ich</strong>erung. Ungeduld. Würde <strong>die</strong>se Stunde jemals enden?<br />

Und wenn <strong>die</strong> Stunde vorbei <strong>war</strong>.. Dann würde sie <strong>die</strong>sen Raum verlassen. Und was würde<br />

<strong>ich</strong> tun?<br />

Ich könnte m<strong>ich</strong> vorstellen. Hallo, mein Name ist Ed<strong>war</strong>d Cullen. Kann <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> deinem<br />

nächsten Kurs begleiten?<br />

Sie würde ja sagen. Es wäre höfl<strong>ich</strong> das <strong>zu</strong> tun. Auch wenn sie bereits Angst vor <strong>mir</strong> hatte,<br />

wovon <strong>ich</strong> ausging, würde sie s<strong>ich</strong> an <strong>die</strong> Gepflogenheiten halten und neben <strong>mir</strong> hergehen. Es würde<br />

einfach sein, sie in <strong>die</strong> falsche R<strong>ich</strong>tung <strong>zu</strong> lotsen. Ein Teil des Waldes streckte s<strong>ich</strong> wie ein Finger um<br />

den hinteren Teil des Parkplatzes <strong>zu</strong> berühren. Ich könnte behaupten <strong>ich</strong> hätte ein Buch in meinem<br />

Wagen vergessen…<br />

Würde irgendjemand bemerken, dass <strong>ich</strong> <strong>die</strong> letzte Person <strong>war</strong> mit <strong>der</strong> sie gesehen wurde?<br />

Es regnete, wie immer; zwei dunkle Regenjacken, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> falsche R<strong>ich</strong>tung gingen würden n<strong>ich</strong>t<br />

all<strong>zu</strong> viel Aufmerksamkeit auf s<strong>ich</strong> ziehen, o<strong>der</strong> m<strong>ich</strong> verraten.<br />

Außer dass <strong>ich</strong> heute n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> einzige Schüler <strong>war</strong>, <strong>der</strong> s<strong>ich</strong> ihrer bewusst <strong>war</strong> – obwohl s<strong>ich</strong><br />

ihr niemand auf so mör<strong>der</strong>isch Art bewusst <strong>war</strong> wie <strong>ich</strong>. Mike Newton ganz beson<strong>der</strong>s, er bemerkte<br />

jede Gew<strong>ich</strong>tsverlagerung während sie in ihrem Stuhl herum zappelte – sie fühlte s<strong>ich</strong> unwohl in<br />

meiner Nähe, so wie s<strong>ich</strong> je<strong>der</strong> fühlen würde, so wie <strong>ich</strong> es er<strong>war</strong>tet hatte bevor ihr Duft alle<br />

menschenfreundl<strong>ich</strong>en Anliegen zerstört hatte. Mike Newton würde bemerken, wenn sie den<br />

Klassenraum mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>sammen verließ.<br />

Wenn <strong>ich</strong> eine Stunde üb<strong>erste</strong>hen könnte, könnte <strong>ich</strong> auch zwei üb<strong>erste</strong>hen?<br />

Der brennende Schmerz ließ m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>cken.


Sie würde nach Hause gehen in ein leeres Haus. Chief Swan arbeitete den ganzen Tag. Ich<br />

kannte sein Haus, wie <strong>ich</strong> jedes Haus in <strong>die</strong>ser kleinen Stadt kannte. Sein Haus schmiegte s<strong>ich</strong> an<br />

dicke Baumstämme ohne nahe Nachbarn. Selbst wenn sie Zeit <strong>zu</strong>m Schreien hätte, <strong>die</strong> sie n<strong>ich</strong>t<br />

haben würde, würde sie niemand hören.<br />

<strong>Das</strong> wäre <strong>der</strong> verantwortl<strong>ich</strong>ste Weg damit um<strong>zu</strong>gehen. Ich bin sieben Jahrzehnte ohne<br />

menschl<strong>ich</strong>es Blut ausgekommen. Wenn <strong>ich</strong> meinen Atem anhielt konnte <strong>ich</strong> zwei Stunden<br />

üb<strong>erste</strong>hen. Und wenn <strong>ich</strong> sie allein erwischte, würde niemand an<strong>der</strong>s Gefahr laufen verletzt <strong>zu</strong><br />

werden. Und kein Grund <strong>die</strong>se Erfahrung <strong>zu</strong> schnell vorbeigehen <strong>zu</strong> lassen, bestätigte das Monster in<br />

meinem Kopf.<br />

Es <strong>war</strong> kleinl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> glauben, nur weil <strong>ich</strong> <strong>die</strong> neunzehn Menschen in <strong>die</strong>sem Raum verschonte,<br />

wäre <strong>ich</strong> weniger ein Monster wenn <strong>ich</strong> <strong>die</strong>ses unschuldige Mädchen tötete.<br />

Obwohl <strong>ich</strong> sie hasste, wusste <strong>ich</strong> dass mein Hass ungerechtfertigt <strong>war</strong>. Ich wusste was <strong>ich</strong><br />

wirkl<strong>ich</strong> hasste, <strong>war</strong> <strong>ich</strong> selbst. Und <strong>ich</strong> würde uns beide noch viel mehr hassen, wenn sie tot <strong>war</strong>.<br />

Ich überstand <strong>die</strong>se Stunde auf <strong>die</strong>se Art und Weise – <strong>ich</strong> überlegte <strong>mir</strong> den besten Weg sie<br />

<strong>zu</strong> töten. Ich versuchte <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t den eigentl<strong>ich</strong>en Akt vor<strong>zu</strong>stellen. <strong>Das</strong> wäre <strong>zu</strong> viel für m<strong>ich</strong>; Ich<br />

könnte <strong>die</strong>sen Kampf verlieren und würde damit enden jeden in meinem <strong>Blick</strong>feld <strong>zu</strong> töten. Also<br />

entwickelte <strong>ich</strong> Strategien und n<strong>ich</strong>t mehr. Es brachte m<strong>ich</strong> durch <strong>die</strong> Stunde.<br />

Einmal, kurz vor Ende <strong>der</strong> Stunde, blinzelte sie durch <strong>die</strong> fließende Wand ihrer Haare <strong>zu</strong> <strong>mir</strong><br />

herüber. Ich konnte fühlen wie <strong>der</strong> unberechtigte Hass in <strong>mir</strong> aufflammte als s<strong>ich</strong> unsere <strong>Blick</strong>e trafen<br />

– sah <strong>die</strong> Reflektion in ihren ängstl<strong>ich</strong>en Augen. Blut färbte ihre Wangen rot bevor sie sie wie<strong>der</strong><br />

hinter ihren Haaren v<strong>erste</strong>cken konnte, es zerriss m<strong>ich</strong> fast.<br />

Aber dann läutete <strong>die</strong> Schulglocke. Gerettet von <strong>der</strong> Klingel – was für ein Klischee. Wir <strong>war</strong>en<br />

beide gerettet. Sie, gerettet vor dem s<strong>ich</strong>eren Tod. Ich, für kurze zeit davor gerettet, <strong>die</strong><br />

albtraumhafte Kreatur <strong>zu</strong> werden, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> fürchtete und verabscheute.<br />

Ich konnte n<strong>ich</strong>t so langsam gehen wie <strong>ich</strong> sollte als <strong>ich</strong> aus dem Raum stürmte. Wenn<br />

jemand auf m<strong>ich</strong> geachtet hätte, wäre ihm aufgefallen, dass etwas n<strong>ich</strong>t stimmte, mit <strong>der</strong> Art wie <strong>ich</strong><br />

m<strong>ich</strong> bewegte. Niemand achtete auf m<strong>ich</strong>. Alle menschl<strong>ich</strong>en Gedanken drehten s<strong>ich</strong> immer noch um<br />

das Mädchen, das da<strong>zu</strong> verurteilt <strong>war</strong> in weniger als einer Stunde <strong>zu</strong> sterben.<br />

Ich v<strong>erste</strong>ckte m<strong>ich</strong> in meinem Auto.<br />

Ich mochte <strong>die</strong> Vorstellung dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>cken müsste n<strong>ich</strong>t. Es klag so feige. Aber es<br />

<strong>war</strong> ohne Frage <strong>der</strong> Fall.<br />

Ich hatte n<strong>ich</strong>t genug Disziplin übrig um m<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Nähe von Menschen auf<strong>zu</strong>halten. Da <strong>ich</strong><br />

m<strong>ich</strong> so sehr darauf konzentrierte <strong>die</strong> eine n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> töten, hatte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr genug Konzentration<br />

übrig um den an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong> wied<strong>erste</strong>hen. Was für eine Verschwendung das wäre. Wenn <strong>ich</strong> dem<br />

Monster schon nachgab, dann sollte <strong>die</strong> Nie<strong>der</strong>lage es auch wert sein.<br />

Ich legte eine CD ein <strong>die</strong> m<strong>ich</strong> normalerweise beruhigte, aber jetzt half sie wenig. Nein, was<br />

jetzt am meisten half <strong>war</strong> <strong>die</strong> kühle, feuchte, klare Luft <strong>die</strong> mit dem le<strong>ich</strong>ten Regen in mein Fenster<br />

strömte. Obwohl <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> mit perfekter Klarheit an den Duft von Bella Swans Blut erinnerte, <strong>war</strong> es<br />

als würde <strong>die</strong> saubere Luft meinen Körper von <strong>die</strong>ser Infektion reinwaschen.<br />

Ich <strong>war</strong> wie<strong>der</strong> bei Verstand. Ich konnte wie<strong>der</strong> klar denken. Und <strong>ich</strong> konnte wie<strong>der</strong> kämpfen.<br />

Ich konnte dagegen ankämpfen was <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t sein wollte.<br />

Ich musste n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> ihr nach Hause gehen. Ich musste sie n<strong>ich</strong>t töten. Offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> <strong>ich</strong><br />

eine vernünftige, denkende Kreatur und <strong>ich</strong> hatte eine Wahl. Es gab immer eine Wahl.<br />

In Klassenraum hatte es s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t danach angefühlt… aber jetzt <strong>war</strong> <strong>ich</strong> weg von ihr.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t, wenn <strong>ich</strong> ihr auswe<strong>ich</strong>en würde, gäbe es keinen Grund mein Leben <strong>zu</strong> än<strong>der</strong>n. Ich mochte


mein Leben so wie es <strong>zu</strong>rzeit aussah. Warum sollte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> das von einem unangenehmen und<br />

köstl<strong>ich</strong>en Niemand ruinieren lassen?<br />

Ich musste meinen Vater n<strong>ich</strong>t enttäuschen. Ich musste meiner Mutter keine Sorgen, keinen<br />

Stress… keine Schmerzen verursachen. Ja, es würde auch meine Adoptivmutter verletzen. Und Esme<br />

<strong>war</strong> so sanft, zart und we<strong>ich</strong>. Jemandem wie Esme schmerzen <strong>zu</strong><strong>zu</strong>fügen <strong>war</strong> absolut unverzeihl<strong>ich</strong>.<br />

Wie ironisch, dass <strong>ich</strong> <strong>die</strong>ses Menschenmädchen vor Jessica Stanleys erbärml<strong>ich</strong>en, abfälligen<br />

Gedanken schützen wollte. Ich <strong>war</strong> <strong>die</strong> letzte Person <strong>die</strong> jemals als Beschützer vor Isabella Swan<br />

stehen würde. Sie würde niemals mehr Schutz vor etwas benötigen als vor <strong>mir</strong>.<br />

Wo <strong>war</strong> Alice, wun<strong>der</strong>te <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong>? Hatte sie n<strong>ich</strong>t gesehen wie <strong>ich</strong> das Swan-<br />

Mädchen auf zig verschiedene Arten umbrachte? Warum <strong>war</strong> sie n<strong>ich</strong>t gekommen um <strong>zu</strong> helfen – um<br />

m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> stoppen o<strong>der</strong> um <strong>die</strong> Beweise <strong>zu</strong> vern<strong>ich</strong>ten, was auch immer? War sie so sehr darauf<br />

bedacht ob es Ärger mit Jasper gab, dass sie <strong>die</strong>se viel schlimmere Mögl<strong>ich</strong>keit übersehen hatte? War<br />

<strong>ich</strong> doch stärker als <strong>ich</strong> dachte? Hätte <strong>ich</strong> dem Mädchen wirkl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts getan?<br />

Nein. Ich wusste, dass das n<strong>ich</strong>t wahr <strong>war</strong>. Alice musste s<strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> sehr stark auf Jasper<br />

konzentrieren.<br />

Ich suchte in <strong>der</strong> R<strong>ich</strong>tung wo sie sein musste, in dem kleinen Gebäude dass für <strong>die</strong> Englisch-<br />

Kurse genutzt wurde. Es dauerte n<strong>ich</strong>t lange bis <strong>ich</strong> ihre bekannte `Stimme` lokalisiert hatte. Und <strong>ich</strong><br />

hatte recht. All ihre Gedanken drehten s<strong>ich</strong> um Jasper während sie alle seine Mögl<strong>ich</strong>keiten mit<br />

prüfendem <strong>Blick</strong> betrachtete.<br />

Ich wünschte <strong>ich</strong> könnte sie um Rat fragen, aber gle<strong>ich</strong>zeitig <strong>war</strong> <strong>ich</strong> froh, dass sie n<strong>ich</strong>t<br />

wusste wo<strong>zu</strong> <strong>ich</strong> fähig <strong>war</strong>. <strong>Das</strong>s sie keine Ahnung hatte von dem Massaker das <strong>ich</strong> in <strong>der</strong> letzen<br />

Stunde erdacht hatte.<br />

Ich fühlte ein neues Brennen in meinem Körper – das brennen vor Scham. Ich wollte n<strong>ich</strong>t<br />

dass irgendeiner von ihnen etwas wusste.<br />

Wenn <strong>ich</strong> Bella Swan aus dem Weg gehen könnte, wenn <strong>ich</strong> es schaffen würde, sie n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong><br />

töten – sogar als <strong>ich</strong> darüber nachdachte, wand s<strong>ich</strong> das Monster in <strong>mir</strong> und knirschte frustriert mit<br />

den Zähnen – dann musste niemand etwas erfahren. Wenn <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> von ihrem Duft fernhalten<br />

könnte…<br />

Es gab keinen Grund weshalb <strong>ich</strong> es n<strong>ich</strong>t wenigstens versuchen sollte. Eine gute Wahl<br />

treffen. Versuchen das <strong>zu</strong> sein, was Carlisle dachte was <strong>ich</strong> <strong>war</strong>.<br />

Die letzte Schulstunde <strong>war</strong> fast vorbei. Ich beschloss meinen neuen Plan in <strong>die</strong> Tat<br />

um<strong>zu</strong>setzen. Besser als hier auf dem Parkplatz herum<strong>zu</strong>sitzen wo sie an <strong>mir</strong> vorbei laufen konnte und<br />

mein Vorhaben ruinieren könnte. Wie<strong>der</strong> empfand <strong>ich</strong> den ungerechtfertigten Hass für das Mädchen.<br />

Ich hasste, dass sie <strong>die</strong>se unbewusste Macht über m<strong>ich</strong> hatte. <strong>Das</strong>s sie aus <strong>mir</strong> etwas machte, was <strong>ich</strong><br />

verabscheute.<br />

Ich lief schnell – ein bisschen <strong>zu</strong> schnell, aber es gab keine Zeugen – über den kleinen Hof<br />

<strong>zu</strong>m Sekretariat. Es gab keinen Grund weshalb Bella Swan <strong>mir</strong> hier begegnen sollte. Sie würde<br />

gemieden werden wie <strong>die</strong> Plage <strong>die</strong> sie <strong>war</strong>.<br />

<strong>Das</strong> Büro <strong>war</strong> leer, abgesehen von <strong>der</strong> Sekretärin, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> sehen wollte.<br />

Sie bemerkte mein leises Eintreten n<strong>ich</strong>t.<br />

„Mrs. Cope?“<br />

Die Frau mit den unnatürl<strong>ich</strong> roten Haaren schaute auf und ihre Augen weiteten s<strong>ich</strong>. Es traf<br />

sie immer uner<strong>war</strong>tet, <strong>die</strong> kleinen Anze<strong>ich</strong>en <strong>die</strong> sie n<strong>ich</strong>t verstanden, egal wie oft sie einen von uns<br />

schon gesehen hatten.<br />

„Oh,“ hauchte sie etwas verwirrt. Sie glättete ihr Shirt. Albern, dachte sie s<strong>ich</strong>. Er ist jung<br />

genug um mein Sohn <strong>zu</strong> sein. Zu jung um auf <strong>die</strong>se Art von ihm <strong>zu</strong> denken…


„Hallo Ed<strong>war</strong>d. Was kann <strong>ich</strong> für d<strong>ich</strong> tun?“ Ihre Wimpern klimperten hinter ihrer dicken<br />

Brille.<br />

Unbehagl<strong>ich</strong>. Aber <strong>ich</strong> wusste wie scharmant <strong>ich</strong> sein konnte wenn <strong>ich</strong> wollte. Es <strong>war</strong> einfach,<br />

seit <strong>ich</strong> wusste wie welcher Ton, welche Geste verstanden wurde.<br />

Ich lehnte m<strong>ich</strong> vor und erwi<strong>der</strong>te ihren <strong>Blick</strong> als würde <strong>ich</strong> ihr tief in <strong>die</strong> n<strong>ich</strong>t tiefgründigen<br />

kleinen braunen Augen blicken. Ihre Gedanken flatterten bereits. <strong>Das</strong> würde einfach werden.<br />

„Ich hab m<strong>ich</strong> gefragt ob sie <strong>mir</strong> mit meinem Stundenplan helfen könnten,“ sagte <strong>ich</strong> in <strong>der</strong><br />

sanften Stimme <strong>die</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> aufhob um Menschen n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> erschrecken.<br />

Ich hörte wie ihr Herzschlag schneller wurde.<br />

„Natürl<strong>ich</strong> Ed<strong>war</strong>d. Wie kann <strong>ich</strong> dir helfen?“ Zu jung, <strong>zu</strong> jung, leierte sie s<strong>ich</strong> selbst herunter.<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> natürl<strong>ich</strong> falsch. Ich <strong>war</strong> älter als ihr Großvater. Aber laut meinem Führerschein hatte sie<br />

recht.<br />

„Ich hab m<strong>ich</strong> gefragt, ob <strong>ich</strong> von meinem Biologiekurs in einen an<strong>der</strong>en<br />

Naturwissenschaftl<strong>ich</strong>en Leistungskurs wechseln könnte? Physik vielle<strong>ich</strong>t?“<br />

„Gibt es ein Problem mit Mr. Banner, Ed<strong>war</strong>d?“<br />

„Keineswegs, es ist nur so, dass <strong>ich</strong> den Stoff schon durchgenommen habe…“<br />

„In <strong>die</strong>ser Schule für Begabte, <strong>die</strong> ihr alle in Alaska besucht habt, stimmt.“ Sie schürzte ihre<br />

schmalen Lippen als sie das bedachte. Sie sollten alle aufs College gehen. Ich hab gehört wie s<strong>ich</strong> <strong>die</strong><br />

Lehrer beschweren. Perfekte Zehnen, nie eine verzögerte o<strong>der</strong> falsche Antwort, nie ein Fehler in einer<br />

Klausur – als ob sie einen Weg gefunden hätten in jedem Fach <strong>zu</strong> schummeln. Mr. Varner würde eher<br />

glauben, dass jemand betrügt, als ein<strong>zu</strong>sehen, dass ein Schüler schlauer ist als er… Ich wetter ihre<br />

Mutter gibt ihnen Nachhilfe… „Ehrl<strong>ich</strong>gesagt, Ed<strong>war</strong>d, Physik ist <strong>zu</strong>r Zeit überfüllt. Mr. Banner hasst<br />

es, wenn er mehr als 25 Schüler in einem Kurs hat“<br />

„Ich mache bestimmt keine Probleme.“<br />

Natürl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. N<strong>ich</strong>t ein perfekter Cullen. „<strong>Das</strong> weiß <strong>ich</strong> Ed<strong>war</strong>d. Aber es gibt einfach n<strong>ich</strong>t<br />

genug Stühle, so leid es <strong>mir</strong> tut…“<br />

„Kann <strong>ich</strong> den Kurs dann vielle<strong>ich</strong>t abwählen? Ich könnte <strong>die</strong> zeit für unabhängige Stu<strong>die</strong>n<br />

nutzen.“<br />

„Biologie abwählen?“ Ihr Unterkiefer klappte auf. <strong>Das</strong> ist verrückt. Wie schwer kann es schon<br />

sein, ein Fach ab<strong>zu</strong>sitzen, das man schon kennt? Es muss ein Problem mit Mr. Banner geben. Ich frag<br />

m<strong>ich</strong> ob <strong>ich</strong> mit Bob darüber reden sollte? „Du wirst n<strong>ich</strong>t genug Punkte für den Abschluss<br />

<strong>zu</strong>sammenbekommen.“<br />

„<strong>Das</strong> hole <strong>ich</strong> nächstes Jahr nach.“<br />

„Vielle<strong>ich</strong>t solltest du mit deinen Eltern darüber reden.“<br />

Hinter <strong>mir</strong> öffnete s<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Tür, aber wer immer es <strong>war</strong>, machte s<strong>ich</strong> keine Gedanken über<br />

m<strong>ich</strong>, also ignorierte <strong>ich</strong> den Neuankömmling und konzentrierte m<strong>ich</strong> weiter auf Mrs. Cope. Ich<br />

lehnte m<strong>ich</strong> noch ein Stück vor und weitete meine Augen noch etwas. <strong>Das</strong> würde besser<br />

funktionieren wenn sie Gold statt sch<strong>war</strong>z wären. Die Schwärze ängstigte <strong>die</strong> Leute und so sollte es ja<br />

auch eigentl<strong>ich</strong> sein.<br />

„Bitte, Mrs. Cope?“ Ich ließ meine Stimme so we<strong>ich</strong> und überwältigend klingen wie es ging –<br />

und sie konnte erstaunl<strong>ich</strong> überwältigend sein. „Gibt es kein an<strong>der</strong>s Fach in das <strong>ich</strong> wechseln könnte?<br />

Ich bin <strong>mir</strong> s<strong>ich</strong>er, dass es irgendwo einen freien Platz gibt? Die sechste Stunde Biologie kann doch<br />

n<strong>ich</strong>t <strong>die</strong> einzige Mögl<strong>ich</strong>keit sein…“<br />

Ich lächelte sie an, darauf bedacht meine Zähne n<strong>ich</strong>t so deutl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> zeigen, dass es ihr angst<br />

machte.


Ihr Herz schlug schneller. Zu jung, erinnerte sie s<strong>ich</strong> verzweifelt. „Naja, vielle<strong>ich</strong>t kann <strong>ich</strong> mit<br />

Bob – Ich meine Mr. Banner reden. Ich könnte schauen ob…“<br />

Es dauerte nur eine Sekunde und alles verän<strong>der</strong>te s<strong>ich</strong>: <strong>die</strong> Atmosphäre des Raumes, meine<br />

Mission hier, den Grund weshalb <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>der</strong> rothaarigen Frau lehnte… Was <strong>zu</strong> einem<br />

bestimmten Zweck gewesen ist, <strong>war</strong> jetzt für einen an<strong>der</strong>en.<br />

Es dauerte nur eine Sekunde, in <strong>der</strong> Samantha Wells <strong>die</strong> Tür öffnete um einen verspäteten<br />

unterschriebenen Beleg in den Korb an <strong>der</strong> Tür <strong>zu</strong> werfen, und wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> verschwinden um <strong>die</strong><br />

Schule so schnell wie mögl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> verlassen.<br />

Es dauerte nur eine Sekunde, bis <strong>die</strong> le<strong>ich</strong>te Briese durch <strong>die</strong> offene Tür mit <strong>mir</strong><br />

<strong>zu</strong>sammentraf. Es dauerte nur eine Sekunde bis <strong>ich</strong> begriff <strong>war</strong>um <strong>die</strong> Person <strong>die</strong> <strong>zu</strong>erst hereinkam<br />

m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t durch ihre Gedanken unterbrochen hatte.<br />

Ich drehte m<strong>ich</strong> um obwohl <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> vergewissern brauchte. Ich drehte m<strong>ich</strong><br />

langsam während <strong>ich</strong> um <strong>die</strong> Kontrolle meiner Muskeln kämpfte <strong>die</strong> gegen m<strong>ich</strong> rebellierten.<br />

Bella Swan stand mit dem Rücken an <strong>die</strong> Wand gepresst neben <strong>der</strong> Tür, ein Stück Papier<br />

umklammert in ihrer Hand. Ihre Augen <strong>war</strong>en noch weiter als ohnehin schon als sie meinen<br />

grimmigen unmenschl<strong>ich</strong>en stechenden <strong>Blick</strong> sah.<br />

Der Geruch ihres Blutes durchtränkte jeden Luftpartikel in dem kleinen heißen Raum. Meine<br />

Kehle brach in Flammen aus.<br />

<strong>Das</strong> Monster starrte <strong>mir</strong> aus dem Spiegel ihrer Augen entgegen, eine Maske des Bösen.<br />

Meine Hand verharrte in <strong>der</strong> Luft über dem Tresen. Ich müsste m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t wie<strong>der</strong> umdrehen<br />

um darüber hinweg nach Mrs. Copes Kopf <strong>zu</strong> greifen und ihn mit genug Kraft durch ihren Tisch <strong>zu</strong><br />

schmettern und sie damit sofort <strong>zu</strong> töten. Zwei Leben sind besser als zwanzig. Ein guter Handel.<br />

<strong>Das</strong> Monster <strong>war</strong>tete ungeduldig, hungrig darauf, dass <strong>ich</strong> es tat.<br />

Aber es gab immer eine Wahl – es musste eine Wahl geben.<br />

Ich schnitt das Gefühl in meiner Lunge ab und fixierte Carlisles Ges<strong>ich</strong>t vor meinen Augen. Ich<br />

wendete m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> Mrs. Cope <strong>zu</strong> und bemerkte ihre innerl<strong>ich</strong>e Überraschung über <strong>die</strong><br />

Verän<strong>der</strong>ung in meinem Ges<strong>ich</strong>tsausdruck. Sie schrak vor <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>rück, aber konnte s<strong>ich</strong> ihre Angst<br />

n<strong>ich</strong>t erklären.<br />

Ich brachte all <strong>die</strong> Selbstbeherrschung auf <strong>die</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> in Jahrzehntelanger Abstinenz<br />

angeeignet hatte um meine Stimme wie<strong>der</strong> ausgegl<strong>ich</strong>en und we<strong>ich</strong> klingen <strong>zu</strong> lassen. Es <strong>war</strong> noch<br />

genug Luft in meiner Lunge um noch einmal hastig <strong>zu</strong> sprechen.<br />

„Macht n<strong>ich</strong>ts. Ich v<strong>erste</strong>he, dass es unmögl<strong>ich</strong> ist. Haben sie vielen Dank für ihre Mühe.“<br />

Ich schwang herum, stürmte aus dem Raum und versuchte den vom Blut erwärmten Körper<br />

des Mädchens n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> spüren als <strong>ich</strong> nur Millimeter an ihr vorbei lief.<br />

Ich hielt n<strong>ich</strong>t an, bis <strong>ich</strong> mein Auto erre<strong>ich</strong>te, legte den gesamten Weg viel <strong>zu</strong> schnell <strong>zu</strong>rück.<br />

Die meisten Menschen <strong>war</strong>en schon weg, deshalb gab es kaum Zeugen. Ich hörte einen<br />

Unterstufenschüler, D.J. Garrett, wie er m<strong>ich</strong> bemerkte, aber dann n<strong>ich</strong>t weiter beachtete…<br />

Wo ist Cullen hergekommen – als wäre er plötzl<strong>ich</strong> aus dem N<strong>ich</strong>ts aufgetaucht… Ich mal<br />

wie<strong>der</strong> mit meiner Fantasie. Wie meine Mutter immer sagt…<br />

Als <strong>ich</strong> in meinen Volvo stieg <strong>war</strong>en <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en schon da. Ich versuchte meine Atmung <strong>zu</strong><br />

kontrollieren, aber <strong>ich</strong> keuchte in <strong>der</strong> frischen Luft, als wäre <strong>ich</strong> kurz vorm ersticken.<br />

„Ed<strong>war</strong>d?“ fragte Alice alarmiert.<br />

Ich schüttelte nur meinen Kopf.<br />

„Was <strong>zu</strong>r Hölle ist denn mit dir passiert?“ fragte Emmett, <strong>der</strong> einen Moment abgelenkt davon<br />

<strong>war</strong>, dass Jasper n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Stimmung für eine Revanche <strong>war</strong>.


Statt <strong>zu</strong> antworten, setze <strong>ich</strong> den Wagen <strong>zu</strong>rück. Ich musste von <strong>die</strong>sem Parkplatz<br />

verschwinden bevor Bella Swan <strong>mir</strong> auch hierher folgen konnte. Mein eigener, persönl<strong>ich</strong>er Dämon,<br />

<strong>der</strong> m<strong>ich</strong> jagte… Ich schwang den Wagen herum und beschleunigte. Ich erre<strong>ich</strong>te <strong>die</strong> 40 bevor <strong>ich</strong> auf<br />

<strong>der</strong> Straße <strong>war</strong>. Auf <strong>der</strong> Straße erre<strong>ich</strong>te <strong>ich</strong> <strong>die</strong> 70 noch vor <strong>der</strong> Ecke.<br />

Ohne <strong>zu</strong> gucken wusste <strong>ich</strong>, dass Emmett, Rosalie und Jasper s<strong>ich</strong> alle umgedreht hatten und<br />

Alice anstarrten. Sie <strong>zu</strong>ckte mit den Schultern. Sie konnte n<strong>ich</strong>t sehen was <strong>war</strong>, nur was kommen<br />

würde.<br />

Sie konzentrierte s<strong>ich</strong> jetzt auf meine Zukunft. Wir beide verfolgten was sie in ihrem Kopf sah<br />

und wir <strong>war</strong>en beide überrascht.<br />

„Du verlässt uns?“ flüsterte sie.<br />

Die an<strong>der</strong>en starrten m<strong>ich</strong> an.<br />

„Tue <strong>ich</strong> das?“ zischte <strong>ich</strong> durch meine <strong>zu</strong>sammengekniffenen Zähne.<br />

Dann sah sie es, als meine Entschlossenheit schwankte und eine an<strong>der</strong>e Mögl<strong>ich</strong>keit meine<br />

Zukunft in eine dunklere R<strong>ich</strong>tung lenkte.<br />

„Oh.“<br />

Bella Swan, tot. Meine Augen, glühend rot mit frischem Blut. Die Durchsuchung <strong>die</strong> folgte.<br />

Die vors<strong>ich</strong>tige Zeit in <strong>der</strong> wir <strong>war</strong>teten bis es wie<strong>der</strong> s<strong>ich</strong>er für uns <strong>war</strong> hervor<strong>zu</strong>treten und von vorn<br />

an<strong>zu</strong>fangen…<br />

„Oh,“ sagte sie wie<strong>der</strong>. <strong>Das</strong> Bild wurde jetzt klarer. Ich sah <strong>zu</strong>m <strong>erste</strong>n Mal das Haus von Chief<br />

Swan von innen, sah Bella in <strong>der</strong> kleinen Küche mit den gelben Schränken, mit dem Rücken <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> als<br />

<strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> aus den Schatten an sie heranpirschte… m<strong>ich</strong> von ihrem Duft <strong>zu</strong> ihr hinziehen ließ…<br />

„Stopp!“ stöhnte <strong>ich</strong>, n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage noch mehr <strong>zu</strong> ertragen.<br />

„Sorry,“ flüsterte sie mit geweiteten Augen.<br />

<strong>Das</strong> Monster frohlockte.<br />

Und <strong>die</strong> Vision in ihrem Kopf än<strong>der</strong>te s<strong>ich</strong> erneut. Ein leerer Highway bei Nacht, <strong>die</strong><br />

schneebedeckten Bäume am Rand flogen mit 100 Meilen pro Stunde vorbei.<br />

„Ich werde d<strong>ich</strong> vermissen,“ sagte sie. „Egal wie kurz du weg sein wirst.“<br />

Emmett und Rosalie tauschten einen besorgten <strong>Blick</strong>.<br />

Wir <strong>war</strong>en kurz vor <strong>der</strong> Biegung auf <strong>die</strong> lange Auffahrt <strong>die</strong> <strong>zu</strong> unserem Haus führte.<br />

„Lass uns hier raus,“ instruierte Alice. „Du solltest es Carlisle selbst sagen.“<br />

Ich nickte und das Auto kam quietschend <strong>zu</strong>m Stehen.<br />

Emmett, Rosalie und Jasper stiegen ohne ein Wort aus; sie würden Alice nach einer Erklärung<br />

fragen, wenn <strong>ich</strong> weg <strong>war</strong>. Alice berührte meine Schulter.<br />

„Du wirst das r<strong>ich</strong>tige tun,“ murmelte sie. Keine Vision <strong>die</strong>ses Mal – ein Befehl. „Sie ist Charlie<br />

Swans einzige Familie. Es würde auch ihn töten.“<br />

„Ja,“ sagte <strong>ich</strong>, und stimmte damit nur dem letzten Teil <strong>zu</strong>.<br />

Sie glitt aus dem Wagen <strong>zu</strong> den an<strong>der</strong>en, ihre Augenbrauen besorgt <strong>zu</strong>sammengezogen. Sie<br />

verschmolzen mit dem Wald und <strong>war</strong>en außer S<strong>ich</strong>t bevor <strong>ich</strong> den Wagen wenden konnte.<br />

Ich raste <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong>r Stadt und <strong>ich</strong> wusste <strong>die</strong> Visionen in Alices Kopf würden von dunkel in<br />

strahlendes L<strong>ich</strong>t getaucht werden, wie durch ein Stroboskop. Während <strong>ich</strong> mit 90 nach Forks<br />

<strong>zu</strong>rückfuhr, <strong>war</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er was <strong>ich</strong> tun würde. Meinem Vater auf Wie<strong>der</strong>sehen sagen? O<strong>der</strong><br />

das Monster in <strong>mir</strong> mit offenen Armen empfangen? Die Straße flog unter meinen Reifen dahin.


1. Wie ein offenes Buch<br />

Ich lehnte m<strong>ich</strong> gegen <strong>die</strong> we<strong>ich</strong>e Schneewehe und das trockene Pu<strong>der</strong> verformte s<strong>ich</strong> unter meinem<br />

Gew<strong>ich</strong>t. Mein Körper hatte s<strong>ich</strong> noch weiter abgekühlt um s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Luft um m<strong>ich</strong> herum an<strong>zu</strong>passen<br />

und <strong>die</strong> kleinen Eisstücke fühlten s<strong>ich</strong> wie Samt auf meiner Haut an.<br />

Der Himmel über <strong>mir</strong> <strong>war</strong> klar, voller leuchten<strong>der</strong> Sterne, ein schimmerndes blau an einigen<br />

Stellen, gelb an an<strong>der</strong>en. Die Sterne bildeten majestätische, verschlungene Formen in dem<br />

sch<strong>war</strong>zen Universum – ein großartiger Anblick. Ungemein schön. O<strong>der</strong> besser, sollte ungemein<br />

schön sein. Wäre es gewesen, wenn <strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Lage gewesen wäre es wirkl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sehen.<br />

Es wurde einfach n<strong>ich</strong>t besser. Sechs Tage <strong>war</strong>en mittlerweile vergangen, sechs Tage<br />

v<strong>erste</strong>ckte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> bereits in <strong>der</strong> leeren Wildnis von Denali, aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong> <strong>der</strong> Freiheit kein Stück<br />

näher gekommen seit <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>m <strong>erste</strong>n Mal ihren Duft aufgeschnappt hatte.<br />

Wenn <strong>ich</strong> hinauf <strong>zu</strong> dem juwelenbehangenen Himmel starrte <strong>war</strong> es als wäre da eine<br />

Blockade zwischen meinen Augen und seiner Schönheit. Die Blockade <strong>war</strong> ein Ges<strong>ich</strong>t, nur ein<br />

belangloses menschl<strong>ich</strong>es Ges<strong>ich</strong>t, aber <strong>ich</strong> konnte es n<strong>ich</strong>t aus meinem Kopf verbannen.<br />

Ich hörte <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> nähernden Gedanken bevor <strong>ich</strong> <strong>die</strong> da<strong>zu</strong>gehörenden Schritte hörte. Die<br />

Bewegungsgeräusche <strong>war</strong>en nur <strong>der</strong> Hauch eines Flüsterns auf dem weißen Pu<strong>der</strong>.<br />

Ich <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t überrascht, dass Tanya <strong>mir</strong> hierher gefolgt <strong>war</strong>. Ich wusste dass sie schon einige<br />

Tage über das Gespräch das jetzt kommen würde nachgrübelte, sie schob es vor s<strong>ich</strong> her, bis sie<br />

genau wusste, was sie sagen wollte.<br />

Ungefähr sechzig Yards entfernt sprang sie in S<strong>ich</strong>t, auf <strong>die</strong> Spitze eines unter dem Schnee<br />

hervortretenden sch<strong>war</strong>zen Felsens und balancierte dort auf den Ballen ihrer nackten Füße.<br />

Tanyas Haut <strong>war</strong> silbern im Sternenl<strong>ich</strong>t und ihre langen blonden Locken leuchteten schwach,<br />

fast rosa auf ihrem Erdbeertaint. Ihre bernsteinfarbenen Augen leuchteten auf, als sie m<strong>ich</strong><br />

entdeckte, halb begraben unter dem Schnee, und ihre vollen Lippen umspielte ein Lächeln.<br />

Vorzügl<strong>ich</strong>. Wenn <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Lage gewesen wäre sie <strong>zu</strong> sehen. Ich seufzte.<br />

Sie hockte s<strong>ich</strong> auf den Felsen, ihre Fingerspitzen berührten den Stein, ihr Körper rollte s<strong>ich</strong><br />

<strong>zu</strong>sammen.<br />

Kanonenkugel, dachte sie.<br />

Sie schoss in <strong>die</strong> Luft, ihre Umrisse wurden <strong>zu</strong> einem dunklen, verdrehten Schatten als sie<br />

zwischen m<strong>ich</strong> und <strong>die</strong> Sterne sprang. Sie rollte s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> einer Kugel <strong>zu</strong>sammen als sie auf den<br />

aufgetürmten Schnee neben <strong>mir</strong> traf.<br />

Ein Schneesturm erhob s<strong>ich</strong> um m<strong>ich</strong> herum. Die Sterne wurden sch<strong>war</strong>z und <strong>ich</strong> <strong>war</strong><br />

begraben unter den fe<strong>der</strong>ähnl<strong>ich</strong>en eisigen Kristallen.<br />

Ich seufzte wie<strong>der</strong>, aber machte keine Anstalten, m<strong>ich</strong> aus dem Schnee <strong>zu</strong> heraus <strong>zu</strong> graben.<br />

Die Schwärze unter dem Schnee tat we<strong>der</strong> weh noch verän<strong>der</strong>te sie <strong>die</strong> S<strong>ich</strong>t. Ich sah immer noch<br />

dasselbe Ges<strong>ich</strong>t.<br />

„Ed<strong>war</strong>d?“<br />

Wie<strong>der</strong> flog Schnee, als Tanya m<strong>ich</strong> schnell ausgrub. Sie fegte das Pulver von meinem<br />

unbewegl<strong>ich</strong>en Ges<strong>ich</strong>t, darauf bedacht, meinem <strong>Blick</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> begegnen.<br />

„Sorry,“ murmelte sie. „Es sollte ein Witz sein.“<br />

„Ich weiß. Es <strong>war</strong> lustig.“<br />

Ihre Mundwinkel verzogen s<strong>ich</strong> nach unten.


„Irina und Kate sagen, <strong>ich</strong> sollte d<strong>ich</strong> in Ruhe lassen. Sie denken <strong>ich</strong> nerve d<strong>ich</strong>.“<br />

„Kein bisschen,“ vers<strong>ich</strong>erte <strong>ich</strong> ihr. „Ganz im Gegenteil, <strong>ich</strong> bin <strong>der</strong>jenige <strong>der</strong> unhöfl<strong>ich</strong> ist –<br />

furchtbar unhöfl<strong>ich</strong>. Es tut <strong>mir</strong> sehr leid.“<br />

Du gehst wie<strong>der</strong> nach Hause, o<strong>der</strong>? Dachte sie.<br />

„Ich hab m<strong>ich</strong>… noch n<strong>ich</strong>t vollkommen… entschieden.“<br />

Aber du bleibst n<strong>ich</strong>t hier. Ihre Gedanken <strong>war</strong>en jetzt wehmütig, traurig.<br />

„Nein. Es scheint n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong>… <strong>zu</strong> helfen.“<br />

Sie zog ein Ges<strong>ich</strong>t. „<strong>Das</strong> ist meine Schuld, n<strong>ich</strong>t wahr?“<br />

„Natürl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t,“ log <strong>ich</strong> reibungslos.<br />

Seih kein Gentleman.<br />

Ich lächelte.<br />

Wegen <strong>mir</strong> fühlst du d<strong>ich</strong> unwohl, klagte sie.<br />

„Nein.“<br />

Sie zog eine Augenbraue hoch. Ihr Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> so ungläubig, dass <strong>ich</strong> lachen musste. Ein<br />

kurzes Lachen gefolgt von einem weiteren Seufzer.<br />

„Na gut,“ gab <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>. „Ein kleines bisschen.“<br />

Sie seufzte auch und stütze ihr Kinn auf ihre Hände. Ihre Gedanken <strong>war</strong>en verärgert.<br />

„Du bist tausendmal liebl<strong>ich</strong>er als <strong>die</strong> Sterne, Tanya. Dessen bist du dir natürl<strong>ich</strong> absolut<br />

bewusst. Lass dein Vertrauen n<strong>ich</strong>t von meiner Eigensinnigkeit erschüttern.“ Ich k<strong>ich</strong>erte bei <strong>die</strong>ser<br />

abwegigen Idee.<br />

„Ich bin solche Reaktionen n<strong>ich</strong>t gewöhnt,“ brummte sie und verschob ihre Unterlippe <strong>zu</strong><br />

einem attraktiven Schmollmund.<br />

„Natürl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t,“ stimmte <strong>ich</strong> ihr <strong>zu</strong> und versuchte dabei ihre Gedanken aus<strong>zu</strong>blenden in<br />

denen sie all <strong>die</strong> Erinnerungen an ihre abertausend Eroberungen durchging. Tanya bevor<strong>zu</strong>gte<br />

Menschl<strong>ich</strong>e Männer – für eine Sache <strong>war</strong>en sie beson<strong>der</strong>s bekannt, für <strong>die</strong> Tatsache, dass sie we<strong>ich</strong><br />

und <strong>war</strong>m <strong>war</strong>en. Und immer gierig, mit S<strong>ich</strong>erheit.<br />

„Sukkubus,“ zog <strong>ich</strong> sie auf, in <strong>der</strong> Hoffnung <strong>die</strong> Bil<strong>der</strong> aus ihren Gedanken <strong>zu</strong> vertreiben.<br />

Sie grinste breit. „<strong>Das</strong> Original.“<br />

An<strong>der</strong>s als Carlisle hatten Tanya und ihre Schwestern ihr Gewissen langsam entdeckt. Am<br />

Ende <strong>war</strong> es ihr Verlangen nach menschl<strong>ich</strong>en Männern, weshalb sie s<strong>ich</strong> gegen das Abschlachten<br />

entschlossen haben. Jetzt… lebten <strong>die</strong> Männer <strong>die</strong> sie liebten.<br />

„Als du hier aufgetaucht bist,“ sagte Tanya langsam. „Dachte <strong>ich</strong>…“<br />

Ich wusste was sie gedacht hatte. Ich hätte <strong>mir</strong> denken können, dass sie so fühlen würde.<br />

Aber im Moment <strong>war</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gerade gut darin überlegt <strong>zu</strong> handeln.<br />

„Du dachtest, <strong>ich</strong> hätte meine Meinung geän<strong>der</strong>t.“<br />

„Ja.“ Sie starrte finster vor s<strong>ich</strong> hin.<br />

„Ich fühle m<strong>ich</strong> schlecht weil <strong>ich</strong> mit deinen Er<strong>war</strong>tungen gespielt habe, Tanya. <strong>Das</strong> wollte <strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t – <strong>ich</strong> hab n<strong>ich</strong>t nachgedacht. Es ist nur so, dass <strong>ich</strong>… sehr plötzl<strong>ich</strong> aufgebrochen bin.“<br />

„Ich gehe davon aus, dass du <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t erzählen wirst, <strong>war</strong>um…?“<br />

Ich setzte m<strong>ich</strong> auf und schlang <strong>die</strong> Arme um meine Beine. „Ich möchte n<strong>ich</strong>t darüber reden.“<br />

Tanya, Irina und Kate <strong>war</strong>en gut in dem Leben, dass sie s<strong>ich</strong> ausgesucht hatten. Auf manche<br />

Art sogar besser als Carlisle. Abgesehen von <strong>der</strong> verrückten unmittelbaren Nähe <strong>die</strong> sie s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> denen<br />

erlaubten <strong>die</strong> – einmal mehr – ihre Beute sein sollten, sie machten keine Fehler. Es <strong>war</strong> <strong>mir</strong> <strong>zu</strong><br />

peinl<strong>ich</strong> meine Schwäche vor Tanya ein<strong>zu</strong>gestehen.<br />

„Probleme mit Frauen?“ vermutete sie und ignorierte meine Zurückhaltung.<br />

Ich lachte schrill. „N<strong>ich</strong>t so wie du es denkst.“


Dann <strong>war</strong> sie still. Ich lauschte ihren Gedanken, während sie verschiedene Mögl<strong>ich</strong>keiten<br />

durchging bei dem Versuch den Sinn meiner Worte <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>hen.<br />

„Du bist n<strong>ich</strong>t mal nahe dran,“ sagte <strong>ich</strong> ihr.<br />

„Ein Tipp?“ fragte sie.<br />

„Bitte lass es gut sein, Tanya.“<br />

Dann <strong>war</strong> sie wie<strong>der</strong> still, immer noch am grübeln. Ich ignorierte sie, und versuchte<br />

vergebl<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Sterne wahr <strong>zu</strong> nehmen.<br />

Nach einem Moment <strong>der</strong> Stille gab sie auf und ihre Gedanken schlugen eine an<strong>der</strong>e R<strong>ich</strong>tung<br />

ein.<br />

Wohin wirst du gehen, Ed<strong>war</strong>d, wenn du wie<strong>der</strong> abreist? Zurück <strong>zu</strong> Carlisle?<br />

„Ich glaube n<strong>ich</strong>t,“ flüsterte <strong>ich</strong>.<br />

Wohin würde <strong>ich</strong> gehen? Ich konnte <strong>mir</strong> keinen Ort auf dem gesamten Planeten vorstellen,<br />

<strong>der</strong> irgendetwas Interessantes für m<strong>ich</strong> barg. Es gab n<strong>ich</strong>ts was <strong>ich</strong> sehen o<strong>der</strong> tun wollte. Denn egal<br />

wo <strong>ich</strong> hinging, <strong>ich</strong> würde nirgendwo hin gehen – <strong>ich</strong> würde immer nur vor etwas weg rennen.<br />

Ich hasste es. Wann bin <strong>ich</strong> so ein Feigling geworden?<br />

Tanya legte ihren schlanken Arm um meine Schultern. Ich v<strong>erste</strong>ifte m<strong>ich</strong>, löste m<strong>ich</strong> aber<br />

n<strong>ich</strong>t aus <strong>die</strong>ser Umarmung. Sie bezweckte n<strong>ich</strong>t mehr damit als freundschaftl<strong>ich</strong>e Unterstüt<strong>zu</strong>ng.<br />

Hauptsächl<strong>ich</strong>.<br />

„Ich denke du wirst <strong>zu</strong>rückgehen,“ sagte sie, in ihrer Stimme lag nur noch ein Hauch ihres<br />

lange verloren gegangen russischen Akzents. „Egal was es ist… o<strong>der</strong> wer es ist… das d<strong>ich</strong> verfolgt. Du<br />

wirst ihm entgegentreten. Du bist so ein Typ.“<br />

Ihre Gedanken <strong>war</strong>en s<strong>ich</strong> dessen so s<strong>ich</strong>er wie ihre Worte. Ich versuchte <strong>die</strong> Vision <strong>die</strong> sie<br />

von <strong>mir</strong> hatte fest<strong>zu</strong>halten. Derjenige, <strong>der</strong> den Dingen direkt entgegentrat. Es tat gut wie<strong>der</strong> so von<br />

<strong>mir</strong> selbst <strong>zu</strong> denken. Ich hatte nie an meinem Mut gezweifelt, meiner Fähigkeit mit Schwierigkeiten<br />

fertig <strong>zu</strong> werden, vor <strong>die</strong>ser schreckl<strong>ich</strong>en Stunde in dem High School Biologiekurs vor so kurzer Zeit.<br />

Ich küsste ihre Wange; und drehte m<strong>ich</strong> schnell wie<strong>der</strong> weg als sie ihr Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> meinem<br />

drehte, ihre Lippen schon gespitzt. Sie lächelte reumütig über meine Schnelligkeit.<br />

„Danke Tanya. <strong>Das</strong> musste <strong>ich</strong> hören.“<br />

Ihre Gedanken wurden launisch. „Gern geschehen, denke <strong>ich</strong>. Ich wünschte du würdest<br />

besser mit dir reden lassen, Ed<strong>war</strong>d.“<br />

„Es tut <strong>mir</strong> leid, Tanya. Du weißt, dass du <strong>zu</strong> gut für m<strong>ich</strong> bist. Es ist nur… <strong>ich</strong> hab noch n<strong>ich</strong>t<br />

gefunden wonach <strong>ich</strong> suche.“<br />

„Na gut, wenn du gehst bevor wir uns noch einmal sehen… auf Wie<strong>der</strong>sehen Ed<strong>war</strong>d.“<br />

„Auf Wie<strong>der</strong>sehen Tanya.“ Als <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Worte aussprach konnte <strong>ich</strong> es sehen. Ich konnte m<strong>ich</strong><br />

gehen sehen. Stark genug um <strong>zu</strong> dem einzigen Ort <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> gehen an dem <strong>ich</strong> sein wollte. „Danke<br />

nochmal.“<br />

Mit einer flinken Bewegung sprang sie auf ihre Füße und rannte weg, geisterte so schnell<br />

über den Schnee, dass ihre Füße keine zeit hatten in den Schnee ein<strong>zu</strong>sinken; sie hinterließ keine<br />

Fußspuren. Sie drehte s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t um. Meine Reaktion störte sie mehr als sie s<strong>ich</strong> hatte anmerken<br />

lassen, sogar in ihren Gedanken. Sie würde m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t noch einmal sehen wollen bevor <strong>ich</strong> ging.<br />

Ich verzog ärgerl<strong>ich</strong> meinen Mund. Ich mochte es n<strong>ich</strong>t Tanya <strong>zu</strong> verletzen, obwohl ihre<br />

Gefühle für m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t tief, n<strong>ich</strong>t rein <strong>war</strong>en und auf jeden Fall n<strong>ich</strong>ts was <strong>ich</strong> erwi<strong>der</strong>n konnte. Es<br />

kam <strong>mir</strong> trotzdem so vor als wäre <strong>ich</strong> dadurch weniger ein Gentleman.<br />

Ich legte mein Kinn auf meine Knie und schaute wie<strong>der</strong> hinauf <strong>zu</strong> den Sternen, obwohl <strong>ich</strong> es<br />

plötzl<strong>ich</strong> eilig hatte m<strong>ich</strong> auf den Weg <strong>zu</strong> machen. Ich wusste, dass Alice sehen würde, wie <strong>ich</strong> nach<br />

Hause kam und es den an<strong>der</strong>en erzählte. <strong>Das</strong> würde sie glückl<strong>ich</strong> machen – beson<strong>der</strong>s Carlisle und


Esme. Aber <strong>ich</strong> blickte noch einmal hoch <strong>zu</strong> den Sternen, versuchte an dem Ges<strong>ich</strong>t in meinem Kopf<br />

vorbei <strong>zu</strong>sehen. Zwischen <strong>mir</strong> und den funkelnden L<strong>ich</strong>tern im Himmel starrte <strong>mir</strong> ein verwirrtes<br />

schokoladenbraunes Augenpaar entgegen. Es schien <strong>zu</strong> fragen, was <strong>die</strong>se Entscheidung für sie<br />

bedeuten würde. Natürl<strong>ich</strong> konnte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er sein, dass es das <strong>war</strong>, was <strong>die</strong>se eigenartigen<br />

Augen <strong>zu</strong> wissen begehrten. Selbst in meiner Vorstellung konnte <strong>ich</strong> ihre Gedanken n<strong>ich</strong>t hören. Bella<br />

Swans Augen fragten weiter und ein ungehin<strong>der</strong>ter <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong> den Sternen blieb <strong>mir</strong> verwehrt. Mit<br />

einem schweren Seufzer, gab <strong>ich</strong> auf und erhob m<strong>ich</strong>. Wenn <strong>ich</strong> rannte <strong>war</strong> <strong>ich</strong> in weniger als einer<br />

Stunde bei Carlisles Auto…<br />

Ich wollte meine Familie so schnell wie mögl<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong>sehen – wollte unbedingt <strong>der</strong> Ed<strong>war</strong>d<br />

sein, <strong>der</strong> den Problemen ins Ges<strong>ich</strong>t sah – Ich rannte über das sternenklare Schneefeld, ohne<br />

Fußspuren <strong>zu</strong> hinterlassen.<br />

„Es wird alles gut werden,“ hauchte Alice. Ihre Augen blickten ins Leere und Jasper hielt mit einer<br />

Hand ihren Ellenbogen um sie <strong>zu</strong> führen während wir aneinan<strong>der</strong>gedrängt <strong>die</strong> Cafeteria betraten.<br />

Rosalie und Emmett gingen voran, Emmett sah lächerl<strong>ich</strong>erweise aus wie ein Bodyguard mitten im<br />

Feindesland. Rose sah s<strong>ich</strong> auch wachsam um, aber eher irritiert als beschützend.<br />

„Natürl<strong>ich</strong> wird es das,“ grummelte <strong>ich</strong>. Ihr Verhalten <strong>war</strong> albern. Wenn <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er<br />

wäre mit <strong>der</strong> Situation umgehen <strong>zu</strong> können, wäre <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Hause geblieben.<br />

Die plötzl<strong>ich</strong>e Verlagerung von unserem normalen, sogar verspielten Vormittag – es hatte in<br />

<strong>der</strong> Nacht geschneit und Emmett und Jasper <strong>war</strong>en s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> schade um meine Zerstreuung<br />

aus<strong>zu</strong>nutzen um m<strong>ich</strong> mit Schneebällen <strong>zu</strong> bombar<strong>die</strong>ren; als <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t wehrte, <strong>war</strong>en sie<br />

gelangweilt und bombar<strong>die</strong>rten s<strong>ich</strong> gegenseitig – auf <strong>die</strong>se übertriebene Wachsamkeit wäre<br />

komisch gewesen, wäre es n<strong>ich</strong>t so ärgerl<strong>ich</strong>.<br />

„Sie ist noch n<strong>ich</strong>t hier, aber auf dem Weg den sie hereinkommt… sie wird n<strong>ich</strong>t in<br />

Windr<strong>ich</strong>tung sein, wenn wir an unserem Stammplatz sitzen.“<br />

„Natürl<strong>ich</strong> setzten wir uns auf unseren Stammplatz. Hör auf damit, Alice. Du gehst <strong>mir</strong> auf <strong>die</strong><br />

Nerven. Es geht <strong>mir</strong> gut und daran wird s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts än<strong>der</strong>n.“<br />

Sie blinzelte kurz als Jasper ihr auf ihren Stuhl half, und ihre Augen blickten <strong>mir</strong> endl<strong>ich</strong> ins<br />

Ges<strong>ich</strong>t.<br />

„Hmm,“ sagte sie überrascht. „Ich glaube du hast recht.“<br />

„Selbstverständl<strong>ich</strong> habe <strong>ich</strong> recht,“ murmelte <strong>ich</strong>.<br />

Ich hasste es, im Mittelpunkt ihrer Sorgen <strong>zu</strong> stehen. Plötzl<strong>ich</strong> hatte <strong>ich</strong> Mitleid mit Jasper als<br />

<strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> daran erinnerte wie wir alle schützend über ihm schwebten. Er erwi<strong>der</strong>te kurz meinen <strong>Blick</strong><br />

und grinste.<br />

Nervig, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>?<br />

Ich schnitt ihm eine Grimasse.<br />

War es erst letzte Woche gewesen, dass <strong>die</strong>ser lange, graue Raum so tödl<strong>ich</strong> stumpf auf m<strong>ich</strong><br />

gewirkt hat? <strong>Das</strong>s es s<strong>ich</strong> wie Schlaf, wie ein Koma anfühlte, hier <strong>zu</strong> sein?<br />

Heute <strong>war</strong>en meine Nerven angespannt – wie <strong>die</strong> Seiten eines Pianos, gespannt um bei <strong>der</strong><br />

kleinsten Berührung <strong>zu</strong> singen. Meine Sinne <strong>war</strong>en in äuß<strong>erste</strong>r Alarmbereitschaft; <strong>ich</strong> prüfte jedes<br />

Geräusch, jeden Seufzer, jeden Lufthauch <strong>der</strong> meine Haut berührte, jeden Gedanken. Beson<strong>der</strong>s <strong>die</strong><br />

Gedanken. Es gab nur einen Sinn den <strong>ich</strong> unterdrückte. Den Geruchssinn selbstverständl<strong>ich</strong>. Ich<br />

atmete n<strong>ich</strong>t.


Ich er<strong>war</strong>tete mehr über <strong>die</strong> Cullens <strong>zu</strong> hören in den Gedanken <strong>die</strong> <strong>ich</strong> durchforstete. Den<br />

ganzen Tag <strong>war</strong>tete <strong>ich</strong>, suchte nach irgendeiner Erkenntnis <strong>die</strong> Bella Swan jemandem anvertraut<br />

hatte, versuchte <strong>zu</strong> sehen welche R<strong>ich</strong>tung <strong>der</strong> neue Klatsch und Tratsch nehmen würde. Aber da<br />

<strong>war</strong> n<strong>ich</strong>ts. Niemand beachtete <strong>die</strong> fünf Vampire in <strong>der</strong> Cafeteria, es drehte s<strong>ich</strong> immer noch alles um<br />

das neue Mädchen. Einige <strong>der</strong> Menschen hier dachten immer noch an sie, immer noch <strong>die</strong>selben<br />

Gedanken wie letzte Woche. Doch anstatt es unsagbar langweilig <strong>zu</strong> finden, <strong>war</strong> <strong>ich</strong> fasziniert.<br />

Hatte sie mit niemandem über m<strong>ich</strong> gesprochen?<br />

Es <strong>war</strong> unmögl<strong>ich</strong> dass sie meinen sch<strong>war</strong>zen, mör<strong>der</strong>ischen <strong>Blick</strong> n<strong>ich</strong>t bemerkt hatte. Ich<br />

hatte ihre Reaktion darauf gesehen. S<strong>ich</strong>er hatte <strong>ich</strong> sie <strong>zu</strong> Tode erschreckt. Ich <strong>war</strong> überzeugt<br />

gewesen, dass sie es vor irgendwem erwähnt haben musste, vielle<strong>ich</strong>t sogar ausgeschmückt hatte<br />

um <strong>die</strong> Story noch besser <strong>zu</strong> machen. Mir ein paar bedrohl<strong>ich</strong>e Zeilen gab.<br />

Und dann hatte sie ja auch noch mitbekommen wie <strong>ich</strong> versucht hatte den gemeinsamen<br />

Biologiekurs <strong>zu</strong> wechseln. Sie musste s<strong>ich</strong> gefragt haben, nachdem sie meinen Ges<strong>ich</strong>tsausdruck<br />

gesehen hatte, ob sie <strong>der</strong> Grund dafür <strong>war</strong>. Ein normales Mädchen hätte s<strong>ich</strong> umgehört, ihr<br />

Erfahrungen mit denen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en vergl<strong>ich</strong>en um Gemeinsamkeiten <strong>zu</strong> entdecken <strong>die</strong> mein<br />

Benehmen gerechtfertigt hätten, damit sie s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t ausgeschlossen fühlte. Menschen wollten<br />

unbedingt normal sein, da<strong>zu</strong>gehören. S<strong>ich</strong> in ihre Umgebung einfügen wie eine n<strong>ich</strong>tssagende<br />

Schafherde. Dieses Bedürfnis <strong>war</strong> bei heranwachsenden ganz beson<strong>der</strong>s ausgeprägt. Dieses Mädchen<br />

würde keine Ausnahme <strong>die</strong>ser Regel sein.<br />

Aber niemand nahm Notiz von uns wie wir hier saßen, an unserem übl<strong>ich</strong>en Tisch. Bella<br />

musste außerordentl<strong>ich</strong> schüchtern sein, wenn sie s<strong>ich</strong> niemandem anvertraut hatte. Vielle<strong>ich</strong>t hatte<br />

sie mit ihrem Vater gesprochen, mögl<strong>ich</strong>erweise <strong>war</strong> <strong>die</strong>s <strong>die</strong> stärkste Bindung… obwohl das<br />

unwahrscheinl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass sie nur sehr wenig Zeit mit ihm verbracht hatte in<br />

ihrem Leben. Sie würde ihrer Mutter näh<strong>erste</strong>hen. Trotzdem sollte <strong>ich</strong> bald mal bei Chief Swan<br />

vorbeischauen und <strong>mir</strong> anhören was er dachte.<br />

„Irgendetwas neues?“ fragte Jasper.<br />

„N<strong>ich</strong>ts. Sie… scheint kein Wort darüber verloren <strong>zu</strong> haben.“<br />

Alle hoben eine Augenbraue bei <strong>die</strong>ser Neuigkeit.<br />

„Vielle<strong>ich</strong>t bis du ja gar n<strong>ich</strong>t so gruselig wie du immer dachtest,“ sagte Emmett k<strong>ich</strong>ernd.<br />

„Ich wette <strong>ich</strong> hätte ihr mehr Angst einjagen können als du.“<br />

Ich verdrehte ihm gegenüber meine Augen.<br />

„Ich frag m<strong>ich</strong> <strong>war</strong>um…?“ Er wun<strong>der</strong>te s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> über meine Offenbarung über <strong>die</strong><br />

einzigartige Stille <strong>die</strong>ses Mädchens.<br />

„Wir sind damit durch. Ich weiß es n<strong>ich</strong>t.“<br />

„Sie kommt rein,“ murmelte Alice. Ich merkte wie mein Körper s<strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>ifte. „Versuch<br />

menschl<strong>ich</strong> aus<strong>zu</strong>sehen.“<br />

„Menschl<strong>ich</strong> meinst du?“ fragte Emmett.<br />

Er hob seine rechte Faust und dreht seine Finger um den Schneeball hervor<strong>zu</strong>bringen den er<br />

in seiner Handfläche v<strong>erste</strong>ckt hatte. Natürl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> er dort n<strong>ich</strong>t geschmolzen. Er hatte ihn <strong>zu</strong> einem<br />

klumpigen Eisbrocken <strong>zu</strong>sammengedrückt. Sein <strong>Blick</strong> ruhte auf Jasper aber <strong>ich</strong> sah <strong>die</strong> R<strong>ich</strong>tung<br />

seiner Gedanken. Genau wie Alice. Als er den eisigen Klumpen nach ihr <strong>war</strong>f, lenkte sie ihn mit einem<br />

beiläufigen Fingerschnippen in eine an<strong>der</strong>e R<strong>ich</strong>tung. <strong>Das</strong> Eis flog quer durch <strong>die</strong> Cafeteria, <strong>zu</strong> schnell<br />

für menschl<strong>ich</strong>e Augen, und zerschmetterte mit einem lauten Krach an <strong>der</strong> Backsteinwand. Der Stein<br />

krachte auch.


Die Köpfe in <strong>der</strong> Ecke des Raumes drehten s<strong>ich</strong> alle um auf den kleinen Eisklumpen auf dem<br />

Boden <strong>zu</strong> starren und s<strong>ich</strong> dann nach dem Schuldigen um<strong>zu</strong>sehen. Sie schauten nur ein paar Tische<br />

weiter. Niemand sah <strong>zu</strong> uns.<br />

„Sehr menschl<strong>ich</strong>, Emmett,“ kritisierte Rosalie. „Warum schlägst du n<strong>ich</strong>t gle<strong>ich</strong> ein Loch in<br />

<strong>die</strong> Wand, wenn du schon einmal dabei bist?“<br />

„Es würde beeindrucken<strong>der</strong> aussehen, wenn du das tun würdest, Baby.“<br />

Ich versuchte ihnen meine Aufmerksamkeit <strong>zu</strong> schenken, grinste vor m<strong>ich</strong> hin als wäre <strong>ich</strong><br />

Teil ihres Geplänkels. Ich erlaubte <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Schlange <strong>zu</strong> sehen in <strong>der</strong> <strong>ich</strong> wusste, dass sie<br />

stand. Aber das <strong>war</strong> alles wo <strong>ich</strong> hinhörte.<br />

Ich konnte Jessicas Ungeduld mit <strong>der</strong> Neuen hören, <strong>die</strong> abgelenkt schien und bewegungslos<br />

in <strong>der</strong> Reihe stand. Ich sah, in Jessicas Gedanken, dass Bella Swans Wangen wie<strong>der</strong> rot gefärbt <strong>war</strong>en<br />

von ihrem Blut.<br />

Ich nahm kurze, flache Atemzüge, bereit sofort das Atmen ein<strong>zu</strong>stellen, falls auch nur ein<br />

Hauch ihres Duftes <strong>die</strong> Luft in meiner Nähe erre<strong>ich</strong>en sollte.<br />

Mike Newton <strong>war</strong> bei den beiden Mädchen. Ich hörte seine beiden Stimmen, mental und<br />

verbal, als er Jessica fragte, was mit dem Swan-Mädchen los seih. Ich mochte es n<strong>ich</strong>t wie seine<br />

Gedanken s<strong>ich</strong> um sie drehten, das Aufflackern bereits hergestellter Fantasien, <strong>die</strong> seinen Verstand<br />

vernebelten, während er sie beobachtete wie sie aus einer Träumerei aufblickte als hätte sie<br />

vergessen, dass er da <strong>war</strong>.<br />

„Gar n<strong>ich</strong>ts,“ hörte <strong>ich</strong> Bella mit <strong>die</strong>ser leisen, klaren Stimme sagen. Es hörte s<strong>ich</strong> wie das<br />

Klingeln einer Glocke an durch das Gebrabbel in <strong>der</strong> Cafeteria, aber <strong>ich</strong> wusste, dass das nur daran<br />

lag, dass <strong>ich</strong> so konzentriert <strong>zu</strong>hörte.<br />

„Ich nehme heute nur eine Limo,“ sagte sie, während sie weiterging um <strong>zu</strong>m Ende <strong>der</strong><br />

Schlange auf<strong>zu</strong>schließen.<br />

Ich konnte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t davon abhalten ihr einen kurzen <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong><strong>zu</strong>werfen. Sie starrte auf den<br />

Fußboden, das Blut schwand langsam aus ihrem Ges<strong>ich</strong>t. Schnell wandte <strong>ich</strong> meinen <strong>Blick</strong> ab, <strong>zu</strong><br />

Emmett, <strong>der</strong> jetzt über das schmerzverzerrte Lächeln in meinem Ges<strong>ich</strong>t lachte.<br />

Du siehst krank aus, Bru<strong>der</strong>.<br />

Ich arrangierte meinen Ges<strong>ich</strong>tsausdruck, damit er le<strong>ich</strong>t und lässig wirkte.<br />

Jessica wun<strong>der</strong>te s<strong>ich</strong> über <strong>die</strong> Appetitlosigkeit des Mädchens. „Bist du n<strong>ich</strong>t hungrig?“<br />

„Ehrl<strong>ich</strong>gesagt, ist <strong>mir</strong> im Moment ein bisschen schlecht.“ Ihre Stimme <strong>war</strong> leiser, aber immer<br />

noch sehr klar.<br />

Warum störten m<strong>ich</strong> <strong>die</strong> beschützerischen Bedenken <strong>die</strong> plötzl<strong>ich</strong> von Mikes Gedanken<br />

ausstrahlten? Was machte es schon, dass da ein Besitzergreifen<strong>der</strong> Ton in ihnen lag? Es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

meine Angelegenheit, wenn Mike Newton s<strong>ich</strong> unnötigerweise um sie sorgte. Vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> das <strong>die</strong><br />

Art wie je<strong>der</strong> auf sie reagierte. Hatte <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t auch instinktiv beschützen wollen? Bevor <strong>ich</strong> sie<br />

töten wollte…<br />

Aber <strong>war</strong> das Mädchen krank?<br />

Es <strong>war</strong> schwer <strong>zu</strong> beurteilen – sie sah so delikat aus mit ihrer transparenten Haut… Dann<br />

bemerkte <strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> auch um sie sorgte, genau wie <strong>die</strong>ser däml<strong>ich</strong>e Junge, und <strong>ich</strong> zwang<br />

m<strong>ich</strong>, n<strong>ich</strong>t über ihre Gesundheit nach<strong>zu</strong>denken.<br />

Abgesehen davon mochte <strong>ich</strong> es n<strong>ich</strong>t, sie durch Mikes Gedanken <strong>zu</strong> beobachten. Also<br />

wechselte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Jessicas und schaute genau <strong>zu</strong> während <strong>die</strong> drei s<strong>ich</strong> einen Tisch aussuchten.<br />

Glückl<strong>ich</strong>erweise setzen sie s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Jessicas übl<strong>ich</strong>er Gesellschaft an einen <strong>der</strong> <strong>erste</strong>n Tische des<br />

Raumes. N<strong>ich</strong>t in Windr<strong>ich</strong>tung, genau wie Alice versprochen hatte.


Alice stieß m<strong>ich</strong> mit ihrem Ellenbogen an. Sie wird bald herübersehen. Benimm d<strong>ich</strong><br />

menschl<strong>ich</strong>.<br />

Hinter meinem Grinsen biss <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Zähne <strong>zu</strong>sammen.<br />

„Beruhig d<strong>ich</strong>, Ed<strong>war</strong>d,“ sagte Emmett. „Mal ehrl<strong>ich</strong>. Dann tötest du halt einen Menschen.<br />

<strong>Das</strong> ist wohl kaum das Ende <strong>der</strong> Welt.“<br />

„Wer weiß,“ murmelte <strong>ich</strong>.<br />

Emmett lachte. „Du musst lernen über Dinge hinweg<strong>zu</strong>kommen. Wie <strong>ich</strong>. Die Ewigkeit ist<br />

eine lange Zeit um in Schuldgefühlen <strong>zu</strong> versinken.“<br />

Genau in dem Moment, schleu<strong>der</strong>te Alice eine kleinere Handvoll eis, <strong>die</strong> sie v<strong>erste</strong>ckt hatte,<br />

in Emmetts uner<strong>war</strong>tetes Ges<strong>ich</strong>t.<br />

Er blinzelte überrascht und dann grinste er in Er<strong>war</strong>tung.<br />

„Du hast es n<strong>ich</strong>t an<strong>der</strong>s gewollt,“ sagte er als er s<strong>ich</strong> vorbeugte und seine schneebedeckten<br />

Haare in ihre R<strong>ich</strong>tung schüttelte. Der Schnee, <strong>der</strong> in dem <strong>war</strong>men Raum bereits <strong>zu</strong> schmelzen<br />

begann, flog in einem dicken Schauer aus Wasser und Eis aus seinen Haaren.<br />

„Iiih!“ kreischte Rosalie, als sie und Alice vor den Tropfen <strong>zu</strong>rückw<strong>ich</strong>en.<br />

Alice lachte und wir alle stimmten mit ein. Ich konnte in Alice Gedanken sehen wie sie <strong>die</strong>sen<br />

perfekten Moment dirigiert hatte und <strong>ich</strong> wusste, dass das Mädchen – <strong>ich</strong> sollte aufhören auf <strong>die</strong>se<br />

Art an sie <strong>zu</strong> denken, als wäre sie das einzige Mädchen auf <strong>der</strong> Welt – dass Bella uns <strong>zu</strong>sah wie wir<br />

lachten und spielten, wir sahen so glückl<strong>ich</strong> und menschl<strong>ich</strong> und unrealistisch ideal aus wie ein<br />

Norman Rockwell Gemälde.<br />

Alice lachte weiter und hielt ihr Tablett als Schild vor ihr Ges<strong>ich</strong>t. <strong>Das</strong> Mädchen – Bella musste<br />

immer noch <strong>zu</strong> uns herüber sehen.<br />

…starrt wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> den Cullens, dachte jemand und erregte meine Aufmerksamkeit.<br />

Automatisch reagierte <strong>ich</strong> auf <strong>die</strong>sen unbeabs<strong>ich</strong>tigten Ruf, und bemerkte, als meine Augen<br />

ihr Ziel fanden, dass <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Stimme kannte – Ich hatte ihr heute schon so oft <strong>zu</strong>gehört.<br />

Aber meine Augen glitten an Jessica vorbei, <strong>zu</strong> dem durchdringenden <strong>Blick</strong> des Mädchens.<br />

Schnell senkte sie ihren <strong>Blick</strong> und v<strong>erste</strong>ckte s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> hinter ihren dicken Haaren.<br />

Was dachte sie? Die Frustration wurde mit <strong>der</strong> Zeit immer größer anstatt ab<strong>zu</strong>stumpfen. Ich<br />

versuchte – uns<strong>ich</strong>er darüber was <strong>ich</strong> da tat, da <strong>ich</strong> es nie <strong>zu</strong>vor getan hatte – mit meinen Gedanken<br />

<strong>die</strong> Stille um sie herum <strong>zu</strong> erforschen. Meine Gabe <strong>war</strong> immer ganz natürl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> gekommen, ohne<br />

dass <strong>ich</strong> danach fragen musste; <strong>ich</strong> musste nie daran arbeiten. Aber jetzt konzentrierte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> um<br />

das Schild <strong>zu</strong> durchbrechen, dass sie umgab.<br />

N<strong>ich</strong>ts als Stille.<br />

Was hat sie nur an s<strong>ich</strong>? Dachte Jessica und spiegelte meine eigene Frustration wie<strong>der</strong>.<br />

„Ed<strong>war</strong>d Cullen starrt d<strong>ich</strong> an,“ flüsterte sie in dem Swan-Mädchen ins Ohr und k<strong>ich</strong>erte. In<br />

ihrem Ton lag kein Anze<strong>ich</strong>en ihrer Eifersucht. Jessica schien gut darin <strong>zu</strong> sein Freundschaften<br />

vor<strong>zu</strong>täuschen.<br />

Ich lauschte angestrengt auf <strong>die</strong> Antwort des Mädchens.<br />

„Er sieht aber n<strong>ich</strong>t sauer aus, o<strong>der</strong>?“ flüsterte sie <strong>zu</strong>rück.<br />

Also hatte sie meine wilde Reaktion letzte Woche bemerkt. Natürl<strong>ich</strong> hatte sie das.<br />

Die Frage verwirrte Jessica. Ich sah mein Ges<strong>ich</strong>t in ihren Gedanken als sie meinen Ausdruck<br />

überprüfte, aber <strong>ich</strong> traf n<strong>ich</strong>t ihren <strong>Blick</strong>. Ich konzentrierte m<strong>ich</strong> immer noch auf das Mädchen und<br />

versuchte irgendetwas <strong>zu</strong> hören. Meine starke Konzentration schien n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> helfen.<br />

„Nein,“ teilte ihr Jess mit und <strong>ich</strong> wusste, dass sie s<strong>ich</strong> wünschte, sie hätte ja sagen können –<br />

wie mein <strong>Blick</strong> sie wurmte – aber davon <strong>war</strong> keine Spur in ihrer Stimme. „Wieso sollte er?“


„Ich glaube, er kann m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t leiden,“ flüsterte das Mädchen <strong>zu</strong>rück und legte ihren Kopf<br />

auf ihren Arm als wäre sie plötzl<strong>ich</strong> müde. Ich versuchte <strong>die</strong> Bewegung <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>hen aber <strong>ich</strong> konnte<br />

nur raten. Vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> sie müde.<br />

„Die Cullens können niemanden leiden,“ vers<strong>ich</strong>erte ihr Jess. „Naja, eigentl<strong>ich</strong> beachten sie<br />

niemanden genug um ihn leiden <strong>zu</strong> können.“ Jedenfalls bis jetzt n<strong>ich</strong>t. Ihre Gedanken <strong>war</strong>en ein<br />

klagendes grummeln. „Obwohl – er schaut d<strong>ich</strong> immer noch an.“<br />

„Hör auf, ihn an<strong>zu</strong>gucken,“ sagte das Mädchen ängstl<strong>ich</strong> und hob den Kopf von ihrem Arm<br />

um s<strong>ich</strong>er<strong>zu</strong>gehen, dass Jessica ihrer Bitte nachkam.<br />

Jessica k<strong>ich</strong>erte, tat aber was ihr gesagt wurde.<br />

Für den Rest <strong>der</strong> Stunde sah das Mädchen n<strong>ich</strong>t mehr von ihrem Tisch auf. Ich dachte –<br />

obwohl <strong>ich</strong> natürl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er sein konnte – dass es Abs<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>. Es wirkte so als ob sie <strong>zu</strong> <strong>mir</strong><br />

herüber sehen wollte. Ihr Körper würde s<strong>ich</strong> le<strong>ich</strong>t in meine R<strong>ich</strong>tung bewegen, ihr Kinn würde s<strong>ich</strong><br />

drehen, und dann würde sie s<strong>ich</strong> dabei erwischen, tief einatmen und stur <strong>zu</strong> demjenigen starren <strong>der</strong><br />

gerade sprach.<br />

Ich ignorierte den Großteil <strong>der</strong> Gedanken um sie herum, da sie im Moment n<strong>ich</strong>t von ihr<br />

handelten. Mike Newton plante eine Schneeballschlacht nach <strong>der</strong> Schule auf dem Parkplatz und<br />

bemerkte n<strong>ich</strong>t, dass <strong>der</strong> Schnee s<strong>ich</strong> in Regen verwandelt hatte. <strong>Das</strong> rieseln <strong>der</strong> Schneeflocken auf<br />

dem Dach <strong>war</strong> <strong>zu</strong> dem übl<strong>ich</strong>en trommeln von Regentropfen geworden. Konnte er <strong>die</strong> Verän<strong>der</strong>ung<br />

wirkl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t hören? Für m<strong>ich</strong> hörte es s<strong>ich</strong> sehr laut an.<br />

Als <strong>die</strong> Mittagspause <strong>zu</strong> Ende ging, blieb <strong>ich</strong> auf meinem Stuhl sitzen. Die Menschen strömten<br />

hinaus und <strong>ich</strong> erwischte m<strong>ich</strong> dabei wie <strong>ich</strong> versuchte ihre Schritte von denen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong><br />

unterscheiden, als ob da etwas W<strong>ich</strong>tiges o<strong>der</strong> Unnormales an ihnen wäre. Wie dumm.<br />

Meine Familie machte auch keine Anstalten s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> bewegen. Sie <strong>war</strong>teten ab, was <strong>ich</strong> tun<br />

würde.<br />

Würde <strong>ich</strong> in den Klassenraum gehen, m<strong>ich</strong> neben das Mädchen setzen, wo <strong>ich</strong> den starken<br />

Duft ihres Blutes riechen und <strong>die</strong> Wärme ihres Pulses in <strong>der</strong> Luft auf meiner Haut spüren konnte?<br />

War <strong>ich</strong> stark genug dafür? O<strong>der</strong> hatte <strong>ich</strong> genug für heute?<br />

„Ich… denke es ist okay,“ sagte Alice zögernd. „Dein Geist ist bestimmt. Ich denke du<br />

üb<strong>erste</strong>hst <strong>die</strong> Stunde.“<br />

Aber Alice wusste nur <strong>zu</strong> gut wie schnell ein Geist s<strong>ich</strong> än<strong>der</strong>n konnte.<br />

„Warum das Glück herausfor<strong>der</strong>n, Ed<strong>war</strong>d?“ fragte Jasper. Er wollte s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t selbstgefällig<br />

fühlen, weil <strong>ich</strong> jetzt <strong>der</strong> Schwache <strong>war</strong>, aber <strong>ich</strong> konnte hören, dass er es ein bisschen tat. „Geh nach<br />

Hause. Geh es langsam an.“<br />

„Was ist schon groß dabei?“ wie<strong>der</strong>sprach Emmett. „Entwe<strong>der</strong> er tötet sie o<strong>der</strong> eben n<strong>ich</strong>t.<br />

So o<strong>der</strong> so muss er es hinter s<strong>ich</strong> bringen.“<br />

„Ich will noch n<strong>ich</strong>t wie<strong>der</strong> umziehen,“ beschwerte s<strong>ich</strong> Rosalie. „Ich will n<strong>ich</strong>t von vorn<br />

anfangen. Wir sind fast fertig mit <strong>der</strong> High School Emmett. Endl<strong>ich</strong>.“<br />

Ich <strong>war</strong> hin und hergerissen in meiner Entscheidung. Ich wollte, wollte wirkl<strong>ich</strong> dem Problem<br />

gegenübertreten, statt schon wie<strong>der</strong> davon <strong>zu</strong> laufen. Aber <strong>ich</strong> wollte auch n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> weit gehen. Es<br />

<strong>war</strong> ein Fehler von Jasper letzte Woche <strong>zu</strong>r Schule <strong>zu</strong> gehen obwohl er so lange n<strong>ich</strong>t auf <strong>der</strong> Jagd<br />

gewesen <strong>war</strong>; <strong>war</strong> das hier jetzt ein genauso sinnloser Fehler?<br />

Ich wollte meine Familie n<strong>ich</strong>t entwurzeln. Niemand von ihnen würde <strong>mir</strong> dafür danken.<br />

Aber <strong>ich</strong> wollte in meinen Biologiekurs gehen. Ich bemerkte, dass <strong>ich</strong> ihr Ges<strong>ich</strong>t wie<strong>der</strong>sehen<br />

wollte.<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> es das m<strong>ich</strong> meine Entscheidung treffen lies. Dieses Merkwürdige Verlangen. Ich <strong>war</strong><br />

wütend auf m<strong>ich</strong> weil <strong>ich</strong> so fühlte. Hatte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t geschworen, dass <strong>die</strong> Stille <strong>der</strong> Gedanken


<strong>die</strong>ses Mädchens n<strong>ich</strong>t unnötigerweise mein Interesse wecken würde? Und hier stand <strong>ich</strong> nun,<br />

vollkommen unnötig interessiert.<br />

Ich wollte wissen, was sie dachte. Ihr Kopf <strong>war</strong> verschlossen, aber ihre Augen <strong>war</strong>en geöffnet.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t konnte <strong>ich</strong> sie lesen.<br />

„Nein, Rose, <strong>ich</strong> glaube wirkl<strong>ich</strong>, dass es ok ist,“ sagte Alice. „Es… wird beständiger. Ich bin<br />

<strong>mir</strong> <strong>zu</strong> 93% s<strong>ich</strong>er, dass n<strong>ich</strong>ts Schlimmes passieren wird, wenn er in seinen Biologiekurs geht.“ Sie<br />

sah m<strong>ich</strong> neugierig an, wun<strong>der</strong>te s<strong>ich</strong>, welche Verän<strong>der</strong>ung in meinen Gedanken ihre Zukunftsvision<br />

s<strong>ich</strong>erer gemacht hatte.<br />

Würde Neugierde ausre<strong>ich</strong>en um Bella Swan am Leben <strong>zu</strong> erhalten?<br />

Emmett hatte irgendwie recht – <strong>war</strong>um es n<strong>ich</strong>t einfach hinter s<strong>ich</strong> bringen, so o<strong>der</strong> so? Ich<br />

würd <strong>der</strong> Versuchung gegenübertreten.<br />

„Zum Unterr<strong>ich</strong>t, also,“ ordnete <strong>ich</strong> an und erhob m<strong>ich</strong> von meinem Platz. Ich wandte m<strong>ich</strong><br />

ab und verließ <strong>die</strong> Cafeteria ohne m<strong>ich</strong> noch einmal um<strong>zu</strong>drehen. Ich konnte Alices sorgen hören,<br />

Jaspers Tadel, Emmetts Anerkennung und Rosalies Verärgerung.<br />

Vor <strong>der</strong> Tür des Klassenraumes atmete <strong>ich</strong> ein letztes Mal tief ein und dann hielt <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Luft<br />

an, während <strong>ich</strong> den kleinen <strong>war</strong>men Raum betrat.<br />

Ich <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> spät. Mr. Banner rüstete s<strong>ich</strong> noch für den bevorstehenden Unterr<strong>ich</strong>t. <strong>Das</strong><br />

Mädchen saß an meinem – an unserem Tisch, den Kopf gesenkt und starrte auf den Ordner den sie<br />

vollkritzelte. Ich begutachtete <strong>die</strong> Ze<strong>ich</strong>nung als <strong>ich</strong> näherkam, sogar interessiert an <strong>die</strong>ser trivialen<br />

Kreation ihres Geistes, aber es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>tssagend. Nur ein wie<strong>der</strong>holtes kritzeln von Kringel <strong>zu</strong> Kringel.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t konzentrierte sie s<strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>t auf das Muster, son<strong>der</strong>n dachte an etwas an<strong>der</strong>es?<br />

Ich zog meinen Stuhl unnötig grob <strong>zu</strong>rück und ließ ihn über das Linoleum kratzen; Menschen<br />

fühlten s<strong>ich</strong> wohler wenn ein Geräusch das Erscheinen von jemandem ankündigte.<br />

Ich wusste, dass sie das Geräusch gehört hatte; sie sah n<strong>ich</strong>t auf, aber ihre Hand ließ einen<br />

Kringel in <strong>der</strong> Ze<strong>ich</strong>nung aus und machte sie unsymmetrisch.<br />

Warum sah sie n<strong>ich</strong>t auf? Vielle<strong>ich</strong>t hatte sie Angst. Ich musste s<strong>ich</strong>ergehen, dass sie einen<br />

an<strong>der</strong>en Eindruck von <strong>mir</strong> hatte, wenn sie später ging. Musste sie glauben machen, dass sie s<strong>ich</strong> alles<br />

nur eingebildet hatte.<br />

„Hallo,“ sagte <strong>ich</strong> mit <strong>der</strong> ruhigen Stimme <strong>die</strong> <strong>ich</strong> benutze, wenn <strong>ich</strong> wollte, dass <strong>die</strong><br />

Menschen s<strong>ich</strong> in meiner Gegen<strong>war</strong>t wohlfühlten und formte ein freundl<strong>ich</strong>es Lächeln mit meinen<br />

Lippen, das keinen meiner Zähne entblößte.<br />

Sie sah auf, ihre großen brauen Augen erstarrten – fast perplex – und voller stummer Fragen.<br />

Es <strong>war</strong> <strong>der</strong>selbe Ausdruck <strong>der</strong> meine S<strong>ich</strong>t <strong>die</strong> ganze letzte Woche blockiert hatte.<br />

Als <strong>ich</strong> in <strong>die</strong>se seltsam tiefen braunen Augen blickte, merkte <strong>ich</strong> dass s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Hass – <strong>der</strong><br />

Hass von dem <strong>ich</strong> dachte, dass <strong>die</strong>ses Mädchen ihn ver<strong>die</strong>nte nur weil sie existierte – in Luft aufgelöst<br />

hatte. Jetzt bloß n<strong>ich</strong>t atmen, n<strong>ich</strong>t ihren Duft schmecken, es <strong>war</strong> schwer vorstellbar, dass jemand so<br />

verletzl<strong>ich</strong>es Hass ver<strong>die</strong>nte.<br />

Ihre Wangen wurden rot und sie sagte n<strong>ich</strong>ts.<br />

Ich schaute ihr weiterhin in <strong>die</strong> Augen, konzentrierte m<strong>ich</strong> nur auf <strong>die</strong> fragenden Zweifel und<br />

versuchte <strong>die</strong> appetitl<strong>ich</strong>e Farbe ihrer Haut <strong>zu</strong> ignorieren. Ich hatte genug Atem um noch eine Weile<br />

weiter <strong>zu</strong> sprechen ohne einatmen <strong>zu</strong> müssen.<br />

„Meine Name ist Ed<strong>war</strong>d Cullen,“ sagte <strong>ich</strong> obwohl <strong>ich</strong> wusste, dass sie das wusste. Es <strong>war</strong><br />

höfl<strong>ich</strong> so <strong>zu</strong> beginnen. „Ich bin letzte Woche n<strong>ich</strong>t da<strong>zu</strong> gekommen m<strong>ich</strong> vor<strong>zu</strong>stellen. Du must Bella<br />

Swan sein.“<br />

Sie wirkte verwirrt – da <strong>war</strong> <strong>die</strong> kleine Falte zwischen ihren Augen wie<strong>der</strong>. Sie brauchte eine<br />

halbe Sekunde länger als gewöhnl<strong>ich</strong> um <strong>zu</strong> antworten.


„Woher kennst du meinen Namen?“ fragte sie und ihre Stimme zitterte nur ganz le<strong>ich</strong>t.<br />

Ich muss ihr wirkl<strong>ich</strong> Angst eingejagt haben. Ich fühlte m<strong>ich</strong> schuldig; Sie <strong>war</strong> so Schutzlos. Ich<br />

lachte freundl<strong>ich</strong> – ein Geräusch von dem <strong>ich</strong> wusste, dass es Menschen half s<strong>ich</strong> behagl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> fühlen.<br />

Wie<strong>der</strong> <strong>war</strong> <strong>ich</strong> vors<strong>ich</strong>tig mit meinen Zähnen.<br />

„Oh, <strong>ich</strong> würde sagen alle hier wissen wie du heißt.“ Sie muss doch bemerkt haben, dass sie<br />

<strong>zu</strong>m Mittelpunkt <strong>der</strong> Aufmerksamkeit an <strong>die</strong>sem monotonen Ort geworden <strong>war</strong>. „Die ganze Stadt hat<br />

auf deine Ankunft ge<strong>war</strong>tet.“<br />

Sie runzelte <strong>die</strong> Stirn, als ob ihr <strong>die</strong>se Information unangenehm <strong>war</strong>. Ich vermutet, so<br />

schüchtern wie sie wohl <strong>war</strong>, musste Aufmerksamkeit etwas Schlechtes für sie sein. Die meisten<br />

Menschen empfanden das Gegenteil. Obwohl sie n<strong>ich</strong>t aus <strong>der</strong> Herde austreten wollten, krochen sie<br />

gle<strong>ich</strong>zeitig <strong>zu</strong>m Scheinwerferl<strong>ich</strong>t um ihre individuelle Uniformität <strong>zu</strong> präsentieren.<br />

„Nein,“ sagte sie. „Ich meine, <strong>war</strong>um hast du m<strong>ich</strong> Bella genannt?“<br />

„Ist dir Isabella lieber?“ fragte <strong>ich</strong> verwirrt aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t sehen<br />

konnte wo <strong>die</strong> Frage hinführte. Ich verstand es n<strong>ich</strong>t. Sie hatte ihre Vorliebe am <strong>erste</strong>n Tag mehrmals<br />

klar gemacht. Waren alle Menschen so unergründl<strong>ich</strong> ohne den geistigen Zusammenhang als Hilfe?<br />

„Nein, <strong>ich</strong> mag Bella,“ antwortete sie und legte ihren Kopf le<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>r Seite. Ihr<br />

Ges<strong>ich</strong>tsausdruck – wenn <strong>ich</strong> ihn r<strong>ich</strong>tig las – <strong>war</strong> hin und hergerissen zwischen Scham und Irritation.<br />

„Aber <strong>ich</strong> glaube dass Charlie – <strong>ich</strong> meine mein Dad –m<strong>ich</strong> anscheinend hinter meinem Rücken<br />

Isabelle nennt. Jedenfalls scheint m<strong>ich</strong> hier je<strong>der</strong> unter <strong>die</strong>sem Namen <strong>zu</strong> kennen.“ Ihr Ges<strong>ich</strong>t wurde<br />

einen Rotton dunkler.<br />

„Oh,“ sagte <strong>ich</strong> lahm und drehte m<strong>ich</strong> schnell weg.<br />

Plötzl<strong>ich</strong> hatte <strong>ich</strong> verstanden, worauf ihre Frage abzielte: Ich hatte einen Ausrutscher<br />

gemacht – einen Fehler. Wenn <strong>ich</strong> <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en Schüler am <strong>erste</strong>n Tag n<strong>ich</strong>t belauscht hätte, hätte <strong>ich</strong><br />

sie automatisch mit ihrem vollen Namen angesprochen, wie alle an<strong>der</strong>en auch. Ihr <strong>war</strong> <strong>der</strong><br />

Unterschied aufgefallen.<br />

Ich fühlte ein stechendes Unbehagen. Mein Ausrutscher <strong>war</strong> ihr sehr schnell aufgefallen. Sehr<br />

scharfsinnig, beson<strong>der</strong>s für jemanden, <strong>der</strong> in meiner Nähe Angst verspüren sollte.<br />

Aber <strong>ich</strong> hatte größere Probleme als <strong>die</strong> Frage was für Gedanken sie über m<strong>ich</strong> in ihrem Kopf<br />

verschloss.<br />

Ich hatte keine Luft mehr. Wenn <strong>ich</strong> weiter mit ihr reden wollte, musste <strong>ich</strong> einatmen.<br />

Es würde schwer sein n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> reden. Unglückl<strong>ich</strong>erweise, für sie, machte <strong>der</strong> gemeinsame<br />

Tisch sie <strong>zu</strong> meinem Versuchspartner und wie würden heute <strong>zu</strong>sammen arbeiten müssen. Es würde<br />

seltsam aussehen – und unglaubl<strong>ich</strong> unhöfl<strong>ich</strong> – wenn <strong>ich</strong> sie während des Versuchs ignorieren<br />

würde. Es würde sie noch misstrauischer, noch ängstl<strong>ich</strong>er machen…<br />

Ich lehnte m<strong>ich</strong> soweit von ihr weg wie es mögl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> ohne meinen Stuhl weg<strong>zu</strong>schieben<br />

und drehte meinen Kopf <strong>zu</strong>m Gang. Ich stütze m<strong>ich</strong> ab, spannte meine Muskeln an und nahm einen<br />

schnellen Atem<strong>zu</strong>g indem <strong>ich</strong> nur durch meinen Mund atmete.<br />

Ah!<br />

Es <strong>war</strong> wirkl<strong>ich</strong> schmerzhaft. Selbst wenn <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t roch, konnte <strong>ich</strong> sie auf meiner Zunge<br />

schmecken. Meine Kehle stand plötzl<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> in Flammen, das Verlangen <strong>war</strong> genauso stark wie<br />

letzte Woche in dem Moment als <strong>ich</strong> ihren Duft das <strong>erste</strong> Mal aufgeschnappt hatte.<br />

Ich presste <strong>die</strong> Zähne <strong>zu</strong>sammen und versuchte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>reißen.<br />

„Die Zeit läuft,“ gab Mr. Banner den Startschuss.<br />

Es fühlte s<strong>ich</strong> an, als müsste <strong>ich</strong> jedes kleine bisschen Selbstkontrolle aufbringen, dass <strong>ich</strong> <strong>mir</strong><br />

in siebzig Jahren erarbeitet hatte um sie ansehen <strong>zu</strong> können. Sie starrte vor s<strong>ich</strong> auf den Tisch und<br />

lächelte.


„La<strong>die</strong>s first?“ bot <strong>ich</strong> ihr an.<br />

Sie sah auf und ihr Ges<strong>ich</strong>t wurde ausdruckslos und ihre Augen weiteten s<strong>ich</strong>. Stimmte etwas<br />

n<strong>ich</strong>t mit meinem Ges<strong>ich</strong>tsausdruck? Hatte <strong>ich</strong> ihr wie<strong>der</strong> Angst gemacht? Sie sagte n<strong>ich</strong>ts.<br />

„Ich kann auch anfangen, wenn du willst,“ sagte <strong>ich</strong> leise.<br />

„Nein,“ sagte sie und ihr Ges<strong>ich</strong>t lief wie<strong>der</strong> rot an. „Ich mach schon.“<br />

Ich starrte das Material auf dem Tisch an, das Mikroskop, <strong>die</strong> Schachtel mit den Präparaten –<br />

besser als <strong>zu</strong><strong>zu</strong>sehen wie das Blut unter ihrer blassen Haus zirkulierte. Ich nahm einen weiteren<br />

hastigen Atem<strong>zu</strong>g durch meine Zähne und <strong>zu</strong>ckte <strong>zu</strong>sammen unter den Schmerzen <strong>die</strong> ihr Geschmack<br />

in meiner Kehler verursachte.<br />

„Prophase,“ sagte sie nach einem kurzen <strong>Blick</strong> durch das Mikroskop. Sie wollte das Präparat<br />

schon entfernen obwohl sie kaum darauf geschaut hatte.<br />

„Lässt du m<strong>ich</strong> auch einen <strong>Blick</strong> darauf werfen?“ Instinktiv – däml<strong>ich</strong>, als wäre <strong>ich</strong> einer von<br />

ihnen – griff <strong>ich</strong> nach ihrer Hand um sie daran <strong>zu</strong> hin<strong>der</strong>n, das Präparat <strong>zu</strong> entfernen. Für eine<br />

Sekunde brannte ihre Haut auf meiner. Es <strong>war</strong> wie ein elektrischer Impuls – heißer als 89,6 Grad. Die<br />

Hitze schoss durch meine Hand meinen Arm hinauf. Hastig zog sie ihre Hand unter meiner <strong>zu</strong>rück.<br />

„Entschuldigung,“ murmelte <strong>ich</strong> durch meine <strong>zu</strong>sammengebissenen Zähne. Ich brauchte<br />

etwas wo <strong>ich</strong> hingucken konnte, also starrte <strong>ich</strong> kurz durch das Okular des Mikroskops. Sie hatte<br />

recht.<br />

„Prophase,“ stimmte <strong>ich</strong> ihr <strong>zu</strong>.<br />

Ich <strong>war</strong> immer noch <strong>zu</strong> verstört um sie an<strong>zu</strong>sehen. Ich ignorierte den brennenden Durst als<br />

<strong>ich</strong> so leise wie mögl<strong>ich</strong> durch meine Zähne einatmete und konzentrierte m<strong>ich</strong> auf <strong>die</strong> Aufgabe<br />

während <strong>ich</strong> das Wort in <strong>der</strong> r<strong>ich</strong>tigen Stelle des Arbeitsblattes eintrug und anschließend das<br />

Präparat austauschte.<br />

Was dachte sie jetzt? Wie hat es s<strong>ich</strong> für sie angefühlt als <strong>ich</strong> ihre Hand berührte? Meine<br />

Haut muss eiskalt gewesen sein – abstoßend. Kein Wun<strong>der</strong> dass sie so still <strong>war</strong>.<br />

Ich streifte das Präparat mit einem <strong>Blick</strong>.<br />

„Anaphase,“ sagte <strong>ich</strong> mehr <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> selbst als <strong>ich</strong> es in <strong>der</strong> nächsten Zeile eintrug.<br />

„Darf <strong>ich</strong>?“ fragte sie.<br />

Ich sah auf und <strong>war</strong> überrascht <strong>zu</strong> sehen, dass sie eine Hand er<strong>war</strong>tungsvoll nach dem<br />

Mikroskop ausgestreckt hatte. Sie sah n<strong>ich</strong>t verängstigt aus. Dachte sie wirkl<strong>ich</strong> meine Antwort wäre<br />

falsch?<br />

Ich konnte <strong>mir</strong> ein Lächeln n<strong>ich</strong>t verkneifen, als <strong>ich</strong> den Hoffnungsvollen <strong>Blick</strong> sah mit dem sie<br />

das Mikroskop entgegennahm.<br />

Sie schaute durch das Okular mit einem Eifer, <strong>der</strong> s<strong>ich</strong> schnell wie<strong>der</strong> auflöste. Ihre<br />

Mundwinkel senkten s<strong>ich</strong>.<br />

„Präparat Nr. drei?“ fragte sie ohne von dem Mikroskop auf<strong>zu</strong>sehen und hielt ihre Hand auf.<br />

Ich lies es in ihre Hand fallen, darauf bedacht sie n<strong>ich</strong>t noch einmal <strong>zu</strong> berühren. Neben ihr <strong>zu</strong> sitzen<br />

<strong>war</strong> wie neben einem Heizstrahler <strong>zu</strong> sitzen. Ich konnte fühlen wie meine Temperatur le<strong>ich</strong>t anstieg.<br />

Sie sah s<strong>ich</strong> das Präparat n<strong>ich</strong>t sehr lange an. „Interphase,“ sagte sie lässig – vielle<strong>ich</strong>t<br />

versuchte sie etwas <strong>zu</strong> lässig <strong>zu</strong> klingen – und schob <strong>mir</strong> das Mikroskop <strong>zu</strong>. Sie berührte das<br />

Arbeitsblatt n<strong>ich</strong>t und <strong>war</strong>tet stattdessen darauf, dass <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Antwort eintrug. Ich überprüfte ihre<br />

Antwort kurz – sie hatte wie<strong>der</strong> recht.<br />

Wir beendeten <strong>die</strong> Übung auf <strong>die</strong>se Weise, sprachen nur das Nötigste und sahen uns n<strong>ich</strong>t<br />

an. Wir <strong>war</strong>en als <strong>erste</strong>s fertig – <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en hatten mehr Probleme mit dem Versuch. Mike Newton<br />

hatte Probleme s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> konzentrieren – er versuchte Bella und m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> beobachten.


Ich wünschte er wäre da geblieben wo auch immer er gewesen ist, dachte Mike und<br />

beobachtet m<strong>ich</strong> wütend. Hmm, interessant. Ich wusste n<strong>ich</strong>t, dass <strong>die</strong>ser Junge irgendeine<br />

Abneigung gegen m<strong>ich</strong> hegte. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> eine ganz neue Entwicklung, genau so neu wie <strong>die</strong> Ankunft des<br />

Mädchens. Aber was <strong>ich</strong> noch interessanter fand – <strong>zu</strong> meiner Überraschung – <strong>die</strong>se Abneigung<br />

beruhte auf Gegenseitigkeit.<br />

Ich sah wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> dem Mädchen, verwirrt von <strong>der</strong> großen Spanne von Chaos und Umbruch<br />

<strong>die</strong> sie trotz ihres gewöhnl<strong>ich</strong>en unbedrohl<strong>ich</strong>en Auftretens in meinem Leben verursacht hatte.<br />

Es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t so, dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t nachvollziehen konnte, was in Mike vorging. Sie <strong>war</strong><br />

ehrl<strong>ich</strong>gesagt zieml<strong>ich</strong> hübsch… auf eine ungewöhnl<strong>ich</strong>e Art und Weise. Ihr Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> mehr<br />

interessant als schön. N<strong>ich</strong>t gerade symmetrisch – ihr schmales Kinn passte n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> ihren breiten<br />

Wangenknochen; Extreme Farben – <strong>der</strong> hell/dunkel Kontrast zwischen ihrer Haut und ihren Haaren;<br />

und dann <strong>war</strong>en da noch <strong>die</strong> Augen <strong>die</strong> übersprudelten vor lauter stillen Geheimnissen…<br />

Augen <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong> in m<strong>ich</strong> bohrten.<br />

Ich starrte <strong>zu</strong>rück und versuchte wenigstens eins <strong>die</strong>ser Geheimnisse <strong>zu</strong> ergründen.<br />

„Hast du Kontaktlinsen bekommen?“ fragte sie auf einmal.<br />

Was für eine seltsame Frage. „Nein.“ Ich musste fast lachen bei <strong>der</strong> Vorstellung, <strong>ich</strong> müsste<br />

mein Sehstärke verbessern.<br />

„Oh,“ nuschelte sie. „Ich hatte das Gefühl dass deine Augen irgendwie an<strong>der</strong>s sind.“<br />

Ich fühlte m<strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> kälter als <strong>ich</strong> verstand, dass <strong>ich</strong> offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong><br />

einzige <strong>war</strong> <strong>der</strong> heute Geheimnisse aufdeckte.<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte mit den Schultern und wandte m<strong>ich</strong> in <strong>die</strong> R<strong>ich</strong>tung wo <strong>der</strong> Lehrer seine Runden<br />

zog.<br />

Natürl<strong>ich</strong> sahen meine Augen an<strong>der</strong>s aus seit sie sie das letzte Mal gesehen hatte. Um m<strong>ich</strong><br />

auf <strong>die</strong> Tortur, auf das Verlangen heute vor<strong>zu</strong>bereiten, hatte <strong>ich</strong> das ganze Wochenende damit<br />

verbracht <strong>zu</strong> jagen, meinen Durst so gut es ging <strong>zu</strong> stillen, <strong>zu</strong> übersättigen. Ich überfüllte m<strong>ich</strong> mit<br />

dem Blut von Tieren, n<strong>ich</strong>t dass es viel geän<strong>der</strong>t hatte wenn <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> dem Duft gegenüberstand,<br />

<strong>der</strong> <strong>die</strong> Luft um sie herum füllte. Als <strong>ich</strong> sie das letzte Mal angesehen hatte, <strong>war</strong>en meine Augen<br />

sch<strong>war</strong>z vor Durst. Jetzt wo mein Körper mit Blut gefüllt <strong>war</strong>, hatten meine Augen einen <strong>war</strong>men<br />

Goldton. Bernsteinfarben von meinem exzessiven Versuch meinen Durst <strong>zu</strong> stillen.<br />

Noch ein Ausrutscher. Wenn <strong>ich</strong> gesehen hätte, was sie mit ihrer Frage meinte, hätte <strong>ich</strong><br />

einfach ja gesagt.<br />

Seit zwei Jahren saß <strong>ich</strong> nun zwischen den Menschen in <strong>die</strong>ser Schule, und sie <strong>war</strong> <strong>die</strong> <strong>erste</strong><br />

<strong>die</strong> m<strong>ich</strong> intensiv genug beobachtet hatte um den Unterschied meiner Augenfarbe <strong>zu</strong> bemerken. Die<br />

an<strong>der</strong>en schauten sofort weg, wenn wir <strong>die</strong> <strong>Blick</strong>e erwi<strong>der</strong>ten <strong>die</strong> sie uns <strong>zu</strong><strong>war</strong>fen weil sie Schönheit<br />

meiner Familie bewun<strong>der</strong>ten. Sie scheuen <strong>zu</strong>rück, blockieren <strong>die</strong> Details unsere Erscheinung in dem<br />

instinktiven Bestreben besser n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>hen. Ignoranz <strong>war</strong> <strong>der</strong> Segen des menschl<strong>ich</strong>en Geistes.<br />

Warum musste es ausgerechnet <strong>die</strong>ses Mädchen sein, das <strong>zu</strong> viel sah?<br />

Mr. Banner erre<strong>ich</strong>te unseren Tisch. Dankbar inhalierte <strong>ich</strong> den frischen Wind<strong>zu</strong>g den er<br />

mitbrachte und <strong>der</strong> noch n<strong>ich</strong>t von ihrem Duft getränkt <strong>war</strong>.<br />

„Ed<strong>war</strong>d,“ sagte er mit dem <strong>Blick</strong> auf unseren Antworten. „Meinst du n<strong>ich</strong>t Isabella hätte<br />

auch ein wenig am Mikroskop üben sollen?“<br />

„Bella“ korrigierte <strong>ich</strong> reflexartig. „Um ehrl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sein, drei <strong>der</strong> fünf hat sie identifiziert.“<br />

Mr. Banners Gedanken <strong>war</strong>en skeptisch, als er s<strong>ich</strong> dem Mädchen <strong>zu</strong>wandte. „Hast du <strong>die</strong><br />

Übung schon mal gemacht?“<br />

Ich beobachtete sie, vertieft in ihr lächeln, dass ein wenig peinl<strong>ich</strong> berührt aussah.<br />

„N<strong>ich</strong>t mit Zwiebelwurzeln.“


„Mit Fisch-Blastula?“ riet Mr. Banner.<br />

„Ja.“<br />

<strong>Das</strong> überraschte ihn. Die heutige Übung hatte er von einem fortgeschritteneren Kurs<br />

übernommen. Er nickte dem Mädchen gedankenverloren <strong>zu</strong>. „Warst du in Phoenix in einem College-<br />

Vorbereitungskurs?“<br />

„Ja.“<br />

Sie <strong>war</strong> also fortgeschritten, intelligent für einen Menschen. <strong>Das</strong> überraschte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t.<br />

„Naja,“ sagte Mr. Banner und schürzte seine Lippen. „Vielle<strong>ich</strong>t ist es ganz gut, dass ihr<br />

<strong>zu</strong>sammensitzt.“ Er drehte s<strong>ich</strong> um und nuschelte „Dann bekommen <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en Kids <strong>die</strong> Chance<br />

selbst etwas <strong>zu</strong> lernen,“ vor s<strong>ich</strong> hin. Ich bezweifelte, dass das Mädchen das gehört hatte. Sie begann<br />

wie<strong>der</strong> Kringel auf ihren Ordner <strong>zu</strong> malen.<br />

Zwei Ausrutscher in einer halben Stunde. Eine ganz miserable Vorstellung von meiner Seite.<br />

Obwohl <strong>ich</strong> immer noch keine Ahnung hatte, was das Mädchen von <strong>mir</strong> dachte – wie viel Angst hatte<br />

sie, wie viel ahnte sie? – wusste <strong>ich</strong> dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> noch mehr anstrengen musste um einen guten<br />

Eindruck bei ihr <strong>zu</strong> hinterlassen. Irgendwie musste <strong>ich</strong> ihre Erinnerung an unsere letzte grausame<br />

Begegnung ertränken.<br />

„Schade um den Schnee, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>?“ wie<strong>der</strong>holte <strong>ich</strong> den Smalltalk, den duzende von<br />

Schülern schon geführt hatten. Ein langweiliges Gesprächsthema. <strong>Das</strong> Wetter – ein s<strong>ich</strong>eres Thema.<br />

Sie starrte m<strong>ich</strong> zweifelnd an – eine unnormale Reaktion auf meine normale Frage. „N<strong>ich</strong>t<br />

wirkl<strong>ich</strong>,“ sagte sie und überraschte m<strong>ich</strong> schon wie<strong>der</strong>.<br />

Ich versuchte <strong>die</strong> Unterhaltung wie<strong>der</strong> auf einen banalen Pfad <strong>zu</strong> lenken. Sie kam aus einer<br />

<strong>war</strong>men, helleren Gegend – ihre Haut strahlte das irgendwie aus – <strong>die</strong> Kälte musste unangenehm<br />

sein für sie. Genau wie meine eisige Berührung…<br />

„Du magst <strong>die</strong> Kälte n<strong>ich</strong>t,“ nahm <strong>ich</strong> an.<br />

„Genau wie <strong>die</strong> Nässe,“ stimmte sie <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>.<br />

„Es muss schwer für d<strong>ich</strong> sein, in Forks <strong>zu</strong> leben.“ Vielle<strong>ich</strong>t hättest du n<strong>ich</strong>t herkommen<br />

sollen, wollte <strong>ich</strong> noch hin<strong>zu</strong>fügen. Vielle<strong>ich</strong>t solltest du dahin <strong>zu</strong>rückgehen wo du hingehörst.<br />

Aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er, ob <strong>ich</strong> das wirkl<strong>ich</strong> wollte. Ich würde m<strong>ich</strong> immer an den Duft<br />

ihres Blutes erinnern – gab es eine Garantie dafür, dass <strong>ich</strong> ihr n<strong>ich</strong>t folgen würde? Abgesehen davon,<br />

wenn sie wie<strong>der</strong> wegging würden ihre Gedanken für immer ein Geheimnis bleiben. Ein quälendes<br />

ungelöstes Puzzel.<br />

„Du hast ja keine Ahnung,“ sagte sie mit schwacher Stimme und blickte für einen Moment<br />

gedankenverloren an <strong>mir</strong> vorbei.<br />

Ihre Antworten <strong>war</strong>en nie das, was <strong>ich</strong> er<strong>war</strong>tet hatte. Sie veranlassten m<strong>ich</strong> da<strong>zu</strong> mehr<br />

Fragen <strong>zu</strong> stellen.<br />

„Warum bist du dann hierher gekommen?“ hakte <strong>ich</strong> nach, und merkte sofort, dass mein<br />

Tonfall anklagend klang, n<strong>ich</strong>t lässig genug für <strong>die</strong>se Unterhaltung. Die Frage klang unhöfl<strong>ich</strong>,<br />

neugierig.<br />

„Es ist… kompliziert.“<br />

Sie blinzelte kurz mit ihren großen Augen und beließ es dabei. Ich platzte fast vor Neugierde<br />

– <strong>die</strong> Neugierde brannte genauso heiß wie <strong>der</strong> Durst in meiner Kehle. Ehrl<strong>ich</strong>gesagt, wurde es<br />

langsam einfacher <strong>zu</strong> atmen; <strong>die</strong> Qual wurde erträgl<strong>ich</strong>er durch <strong>die</strong> Vertrautheit.<br />

„Ich denke, <strong>ich</strong> werd's v<strong>erste</strong>hen,“ beharrte <strong>ich</strong>. Vielle<strong>ich</strong>t würde normale Neugierde sie da<strong>zu</strong><br />

bringen meine Fragen so lange <strong>zu</strong> beantworten, wie <strong>ich</strong> unhöfl<strong>ich</strong> genug <strong>war</strong>, sie <strong>zu</strong> stellen.


Sie schwieg und starrte auf ihre Hände. <strong>Das</strong> machte m<strong>ich</strong> ungeduldig; <strong>ich</strong> wollte meine Hand<br />

unter ihr Kinn legen und ihren Kopf anheben, damit <strong>ich</strong> in ihren Augen lesen konnte. Aber das wäre<br />

dumm von <strong>mir</strong> – gefährl<strong>ich</strong> – ihre Haut noch einmal <strong>zu</strong> berühren.<br />

Plötzl<strong>ich</strong> sah sie auf. Es <strong>war</strong> eine Erle<strong>ich</strong>terung <strong>die</strong> Gefühle wie<strong>der</strong> in ihren Augen sehen <strong>zu</strong><br />

können. Sie sprach schnell, ratterte <strong>die</strong> Wörter herunter.<br />

„Meine Mutter hat wie<strong>der</strong> geheiratet.“<br />

Ah, das <strong>war</strong> sehr menschl<strong>ich</strong>, le<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>hen. Sie senkte betrübt ihre klaren Augen und<br />

<strong>die</strong> kleine Falte erschien wie<strong>der</strong> zwischen ihnen.<br />

„<strong>Das</strong> hört s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so kompliziert an,“ sagte <strong>ich</strong>. Meine Stimme <strong>war</strong> freundl<strong>ich</strong> ohne dass <strong>ich</strong><br />

groß etwas da<strong>zu</strong> beitragen musste. Ihre Betrübnis machte m<strong>ich</strong> seltsam hilflos und <strong>ich</strong> wünschte <strong>mir</strong><br />

<strong>ich</strong> könnte irgendetwas für sie tun. Ein merkwürdiger Impuls. „Wann <strong>war</strong> das?“<br />

„Letzten September.“ Sie atmete tief aus – n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> ein Seufzen. Ich hielt <strong>die</strong> Luft an, als<br />

ihr <strong>war</strong>mer Atem mein Ges<strong>ich</strong>t berührte.<br />

„Und du magst ihn n<strong>ich</strong>t.“ Vermutete <strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Hoffnung mehr Informationen <strong>zu</strong> bekommen.<br />

„Nein, Phil ist schon ok,“ sagte sie und korrigierte meine Annahme. Die Andeutung eines<br />

Lächelns umspielte ihre vollen Lippen. „Ein bisschen <strong>zu</strong> jung vielle<strong>ich</strong>t, aber nett.“<br />

<strong>Das</strong> passte n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Situation <strong>die</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> ausgemalt hatte.<br />

„Warum bist du n<strong>ich</strong>t bei ihnen geblieben?“ fragte <strong>ich</strong> etwas <strong>zu</strong> neugierig. Es klang naseweis.<br />

Was <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>gegebenermaßen ja auch <strong>war</strong>.<br />

„Phil reist sehr viel. Er spielt Profi-Baseball.“ <strong>Das</strong> kleine Lächeln trat nun deutl<strong>ich</strong>er hervor;<br />

<strong>die</strong>se Berufswahl amüsierte sie.<br />

Ich lächelte auch ohne dass <strong>ich</strong> es beabs<strong>ich</strong>tigt hätte. Ich versuchte gar n<strong>ich</strong>t ihr ein<br />

behagl<strong>ich</strong>es Gefühl <strong>zu</strong> vermitteln. Ihr Lächeln bewirkte, dass <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rücklächeln wollte – um ehrl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong><br />

sein.<br />

„Kenne <strong>ich</strong> ihn?“ Ich arbeitete <strong>die</strong> Liste aller Profi Baseballer im Kopf ab und fragte m<strong>ich</strong>,<br />

welcher Phil ihrer <strong>war</strong>…<br />

„Eher n<strong>ich</strong>t. So gut spielt er n<strong>ich</strong>t.“ Wie<strong>der</strong> ein Lächeln. „Zweite Liga. Er wechselt ständig.“<br />

Die Liste in meinem Kopf verän<strong>der</strong>te s<strong>ich</strong> und <strong>ich</strong> tabellierte eine Liste an<strong>der</strong>er Mögl<strong>ich</strong>keiten<br />

in weniger als einer Sekunde. Zur selben Zeit, malte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> <strong>die</strong> neue Situation aus.<br />

„Und deine Mutter hat d<strong>ich</strong> hierher geschickt, damit sie mit ihm reisen kann,“ sagte <strong>ich</strong>.<br />

Spekulationen schienen mehr Informationen aus ihr heraus<strong>zu</strong>bekommen als meine Fragen vorher. Es<br />

klappte wie<strong>der</strong>. Sie schob ihr Kinn vor und ihr Ges<strong>ich</strong>tsausdruck <strong>war</strong> plötzl<strong>ich</strong> starsinnig.<br />

„Nein, sie hat m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t geschickt,“ sagte sie und ihre Stimme klang hart. Meine Annahme<br />

hatte sie aufgebracht, obwohl <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t verstand, <strong>war</strong>um. „Ich hab m<strong>ich</strong> selbst geschickt.“<br />

Ich verstand <strong>die</strong> Bedeutung n<strong>ich</strong>t und auch n<strong>ich</strong>t den Grund für ihren Groll. Ich <strong>war</strong> gänzl<strong>ich</strong><br />

verloren.<br />

Also gab <strong>ich</strong> auf. Ich wurde einfach n<strong>ich</strong>t schlau aus <strong>die</strong>sem Mädchen. Sie <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t wie<br />

an<strong>der</strong>en Menschen. Vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>en <strong>die</strong> Stille ihrer Gedanken und ihr verlocken<strong>der</strong> Duft n<strong>ich</strong>t <strong>die</strong><br />

einzigen Dinge <strong>die</strong> an<strong>der</strong>s an ihr <strong>war</strong>en.<br />

„<strong>Das</strong> v<strong>erste</strong>he <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t,“ gab <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> und hasste es, das ein<strong>zu</strong>gestehen.<br />

Sie seufzte und schaute <strong>mir</strong> in <strong>die</strong> Augen, länger als nahe<strong>zu</strong> je<strong>der</strong> normale Mensch es<br />

geschafft hätte.<br />

„Zuerst blieb sie bei <strong>mir</strong> aber sie hat ihn vermisst,“ erklärte sie langsam, ihr Tonfall hörte s<strong>ich</strong><br />

mit jedem Wort einsamer an. „Es hat sie unglückl<strong>ich</strong> gemacht… also habe <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> da<strong>zu</strong> entschlossen,<br />

etwas mehr Zeit mit Charlie <strong>zu</strong> verbringen.“<br />

Die kleine Falte zwischen ihren Augen wurde tiefer.


„Und jetzt bist du unglückl<strong>ich</strong>,“ murmelte <strong>ich</strong>. Ich könnte n<strong>ich</strong>t damit aufhören meine<br />

Hypothesen laut aus<strong>zu</strong>sprechen in <strong>der</strong> Hoffnung aus ihren Reaktion <strong>zu</strong> lernen. Diese, wie auch<br />

immer, schien n<strong>ich</strong>t all<strong>zu</strong> weit von <strong>der</strong> Wahrheit entfern <strong>zu</strong> sein.<br />

„Und?“ sagte sie, als wäre das ein Aspekt <strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t berücks<strong>ich</strong>tigt werden müsse.<br />

Ich starrte ihr weiter in <strong>die</strong> Augen und merkte dass <strong>ich</strong> nun endl<strong>ich</strong> meinen <strong>erste</strong>n echten<br />

kleinen Einblick in ihre Seele bekommen hatte. In <strong>die</strong>sem einen Wort sah <strong>ich</strong>, welchen Platz sie s<strong>ich</strong><br />

auf ihrer Prioritätenskala einräumte. An<strong>der</strong>s als bei an<strong>der</strong>en Menschen, standen ihre eigenen<br />

Bedürfnisse ganz weit unten auf <strong>der</strong> Liste.<br />

Sie <strong>war</strong> selbstlos.<br />

Als <strong>mir</strong> das bewusst wurde begann s<strong>ich</strong> das Geheimnis um <strong>die</strong>se Person <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> hinter<br />

stummen Gedanken v<strong>erste</strong>ckte ein wenig <strong>zu</strong> lüften.<br />

„<strong>Das</strong> klingt n<strong>ich</strong>t gerade fair,“ sagte <strong>ich</strong>. Lässig <strong>zu</strong>ckte <strong>ich</strong> mit den Schultern um meine<br />

Neugierde <strong>zu</strong> verbergen.<br />

Sie lachte, aber es klang n<strong>ich</strong>t amüsiert. „Hat dir das noch keiner gesagt? <strong>Das</strong> Leben ist n<strong>ich</strong>t<br />

fair.“<br />

Ich wollte über ihre Worte lachen, obwohl auch <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t amüsiert <strong>war</strong>. Ich wusste ein kleines<br />

bisschen was über <strong>die</strong> Ungerechtigkeit im Leben. „Ich denke, das habe <strong>ich</strong> schon mal irgendwo<br />

gehört.“<br />

Sie starrte m<strong>ich</strong> an und wirkte wie<strong>der</strong> verwirrt. Ihre Augen flackerten und dann trafen sie<br />

meine wie<strong>der</strong>.<br />

„<strong>Das</strong> ist alles,“ sagte sie <strong>mir</strong>.<br />

Aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong> noch n<strong>ich</strong>t bereit, <strong>die</strong>se Unterhaltung <strong>zu</strong> beenden. <strong>Das</strong> kleine V zwischen ihren<br />

Augen, ein Anze<strong>ich</strong>en von Sorge, störte m<strong>ich</strong>. Ich wollte es mit meinen Fingerspitzen glattstre<strong>ich</strong>en.<br />

Aber selbstverständl<strong>ich</strong> konnte <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t berühren. Es <strong>war</strong> in so vielerlei Hins<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er.<br />

„Du überspielst das zieml<strong>ich</strong> gut.“ Ich sprach langsam, erwog immer noch <strong>die</strong> nächste<br />

Hypothese. „Aber <strong>ich</strong> wette du leidest mehr als du irgendjemandem zeigst.“<br />

Sie verzog das Ges<strong>ich</strong>t, ihre Augen verengten s<strong>ich</strong>, ihre Lippen formten einen Schmollmund<br />

und sie wandte s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> nach vorn <strong>zu</strong>m Lehrerpult. Sie mochte es n<strong>ich</strong>t, wenn <strong>ich</strong> r<strong>ich</strong>tig riet. Sie<br />

<strong>war</strong> kein typischer Märtyrer – sie wollte kein Publikum für ihren Schmerz.<br />

„Habe <strong>ich</strong> unrecht?“<br />

Sie w<strong>ich</strong> le<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>rück, aber tat so als hätte sie m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gehört.<br />

Ich musste lächeln. „Ich denke n<strong>ich</strong>t.“<br />

„Warum interessiert d<strong>ich</strong> das überhaupt?“ verlangte sie <strong>zu</strong> wissen und starrte m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong><br />

an.<br />

„<strong>Das</strong> ist eine gute Frage.“ Gab <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>, mehr <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> selbst statt als Antwort.<br />

Ihr Urteilsvermögen <strong>war</strong> besser als meins – sie sah den Kern <strong>der</strong> Dinge während <strong>ich</strong> am Rand<br />

herum zappelte und blind <strong>die</strong> Anhaltspunkte durchsiebte. Die Details ihres menschl<strong>ich</strong>en Lebens<br />

sollten m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t interessieren. Es <strong>war</strong> falsch von <strong>mir</strong> m<strong>ich</strong> um ihre Gedanken <strong>zu</strong> sorgen. Abgesehen<br />

vom Schutz meiner Familie <strong>war</strong>en menschl<strong>ich</strong>e Gedanken bedeutungslos.<br />

Ich <strong>war</strong> es n<strong>ich</strong>t gewohnt <strong>der</strong> weniger intuitiver Part einer Beziehung <strong>zu</strong> sein. Ich verließ m<strong>ich</strong><br />

<strong>zu</strong> sehr auf mein beson<strong>der</strong>es Gehör – <strong>ich</strong> <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t so scharfsinnig wie <strong>ich</strong> immer dachte.<br />

<strong>Das</strong> Mädchen seufzte und blickte wie<strong>der</strong> nach vorne. Irgendetwas an ihrem frustrierten<br />

Ges<strong>ich</strong>tsausdruck <strong>war</strong> belustigend. Die ganze Situation, <strong>die</strong> ganze Unterhaltung <strong>war</strong> belustigend.<br />

Niemand befand s<strong>ich</strong> jemals in größerer Gefahr vor <strong>mir</strong> als <strong>die</strong>se kleine Mädchen – jeden Moment,<br />

abgelenkt von <strong>die</strong>ser lächerl<strong>ich</strong>en Konversation, konnte <strong>ich</strong> durch meine Nase einatmen, <strong>die</strong>


Beherrschung verlieren und sie anfallen – und sie <strong>war</strong> irritiert weil <strong>ich</strong> ihre Frage n<strong>ich</strong>t beantwortet<br />

hatte.<br />

„Nerve <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong>?“ fragte <strong>ich</strong> und schmunzelte über <strong>die</strong> Lächerl<strong>ich</strong>keit des ganzen.<br />

Sie <strong>war</strong>f <strong>mir</strong> einen flüchtigen <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong> und dann schienen ihre Augen von meinen gefangen.<br />

„N<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong>,“ erklärte sie <strong>mir</strong>. „Ich bin von <strong>mir</strong> selbst genervt. Mein Ges<strong>ich</strong>t ist so einfach<br />

<strong>zu</strong> lesen – meine Mutter nennt m<strong>ich</strong> immer ihr offenes Buch.“<br />

Verärgert runzelte sie <strong>die</strong> Stirn.<br />

Ich starrte sie erstaunt an. Sie <strong>war</strong> verärgert weil <strong>ich</strong> sie <strong>zu</strong> le<strong>ich</strong>t durchschaute. Wie bizarr. Es<br />

hat m<strong>ich</strong> in meinem ganzen Leben noch nie so viel Aufwand gekostet um jemanden <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>hen –<br />

o<strong>der</strong> besser Existenz, Leben <strong>war</strong> wohl kaum das r<strong>ich</strong>tige Wort. Ich hatte n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> ein Leben.<br />

„Ganz im Gegenteil,“ wie<strong>der</strong>sprach <strong>ich</strong> und fühlte m<strong>ich</strong> seltsam… vors<strong>ich</strong>tig, als ob da<br />

irgendeine v<strong>erste</strong>ckte Gefahr wäre <strong>die</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t sehen konnte. Plötzl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> <strong>ich</strong> auf <strong>der</strong> Hut, <strong>die</strong><br />

Vor<strong>war</strong>nung machte m<strong>ich</strong> vors<strong>ich</strong>tig. „Ich finde du bist sehr schwer <strong>zu</strong> lesen.“<br />

„Dann musst du ein guter Leser sein,“ folgerte sie, und hatte mit ihrer Vermutung wie<strong>der</strong><br />

mitten ins Sch<strong>war</strong>ze getroffen.<br />

„Normalerweise,“ stimmte <strong>ich</strong> ihr <strong>zu</strong>.<br />

Ich lächelte breit um meine leuchtenden, messerscharfen Zähne <strong>zu</strong> zeigen.<br />

Es <strong>war</strong> dumm von <strong>mir</strong> das <strong>zu</strong> tun aber plötzl<strong>ich</strong> wollte <strong>ich</strong> verzweifelt eine Warnung an <strong>die</strong>ses<br />

Mädchen loswerden. Ihr Körper <strong>war</strong> näher als vorher, ihre Haltung hatte s<strong>ich</strong> unbewusst geän<strong>der</strong>t<br />

während unserer Unterhaltung. All <strong>die</strong> kleinen Ze<strong>ich</strong>en und Hinweise <strong>die</strong> da<strong>zu</strong> <strong>die</strong>nten alles<br />

Menschl<strong>ich</strong>e ängstl<strong>ich</strong> auf Abstand <strong>zu</strong> halten, schienen bei ihr n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> wirken. Warum w<strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t<br />

<strong>zu</strong>rück vor Schreck? S<strong>ich</strong>er hatte sie genug von meiner dunklen Seite gesehen um <strong>die</strong> Gefahr <strong>zu</strong><br />

bemerken, aufmerksam wie sie <strong>war</strong>.<br />

Ich kam n<strong>ich</strong>t da<strong>zu</strong> <strong>zu</strong> sehen, ob meine Warnung den gewünschten Effekt erzielt hatte. Mr.<br />

Banner bat um <strong>die</strong> Aufmerksamkeit <strong>der</strong> Klasse und sie wandte s<strong>ich</strong> von <strong>mir</strong> ab. Sie wirkte erle<strong>ich</strong>tert<br />

über <strong>die</strong> Unterbrechung, also hatte sie es vielle<strong>ich</strong>t unterbewusst verstanden.<br />

Ich hoffe, sie hatte.<br />

Ich bemerkte <strong>die</strong> Faszination <strong>die</strong> in <strong>mir</strong> aufkeimte und versuchte sie <strong>zu</strong> entwurzeln. Ich<br />

konnte es <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t leisten, Bella Swan interessant <strong>zu</strong> finden. O<strong>der</strong> besser, sie konnte es s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

leisten. Und trotzdem sehnte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> schon nach einer weiteren Chance um mit ihr <strong>zu</strong> reden. Ich<br />

wollte mehr über ihre Mutter wissen, ihr Leben bevor sie hierherkam, ihr Beziehung <strong>zu</strong> ihrem Vater.<br />

All <strong>die</strong> unbedeutenden Details <strong>die</strong> ihren Charakter deutl<strong>ich</strong>er hervorbringen würden. Aber jede<br />

Sekunde, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> mit ihr verbrachte, <strong>war</strong> ein Fehler, ein Risiko dass sie n<strong>ich</strong>t eingehen sollte.<br />

Gedankenverloren <strong>war</strong>f sie ihre Haare herum genau in dem Moment als <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> erlaubte <strong>zu</strong><br />

atmen. Eine konzentrierte Welle ihres Duftes traf m<strong>ich</strong> tief im Rachen.<br />

Es <strong>war</strong> wie am <strong>erste</strong>n Tag – wie <strong>die</strong> Abrissbirne. Der Schmerz <strong>der</strong> brennenden Trockenheit<br />

ließ m<strong>ich</strong> schwindeln. Ich musste wie<strong>der</strong> den Tisch umklammern um m<strong>ich</strong> auf meinem Stuhl <strong>zu</strong><br />

halten. Dieses Mal hatte <strong>ich</strong> etwas mehr Kontrolle. Wenigstens machte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts kaputt. <strong>Das</strong><br />

Monster knurrte in <strong>mir</strong>, genoss aber n<strong>ich</strong>t den Schmerz. Er <strong>war</strong> <strong>zu</strong> fest angebunden. Für den<br />

Moment.<br />

Ich stellte das Atmen vollständig ein und lehnte m<strong>ich</strong> so weit von dem Mädchen weg, wie <strong>ich</strong><br />

konnte.<br />

Nein, <strong>ich</strong> konnte es <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t leisten, sie faszinierend <strong>zu</strong> finden. Je interessanter <strong>ich</strong> sie fand<br />

umso größer <strong>war</strong> <strong>die</strong> Chance, dass <strong>ich</strong> sie töten würde. Ich hatte heute schon zwei kleine Ausrutscher<br />

gehabt. Würde <strong>ich</strong> einen dritten machen, <strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t klein <strong>war</strong>?


Sobald <strong>die</strong> Glocke klingelte, floh <strong>ich</strong> aus dem Klassenraum – vermutl<strong>ich</strong> zerstörte <strong>ich</strong> dadurch<br />

den kleinsten Eindruck von Höfl<strong>ich</strong>keit den <strong>ich</strong> fast aufgebaut hatte während <strong>die</strong>ser Stunde. Wie<strong>der</strong><br />

keuchte <strong>ich</strong> an <strong>der</strong> frischen Luft als wäre sie eine heilende Essenz. Ich beeilte m<strong>ich</strong>, so viel Abstand<br />

wie mögl<strong>ich</strong> zwischen m<strong>ich</strong> und das Mädchen <strong>zu</strong> bringen.<br />

Emmett <strong>war</strong>tete vor unserem Spanischkurs auf m<strong>ich</strong>. Er las meinen wirren Ges<strong>ich</strong>tsausdruck<br />

für einen Moment.<br />

Wie lief es? Wun<strong>der</strong>te er s<strong>ich</strong> wachsam.<br />

„Niemand ist gestorben,“ murmelte <strong>ich</strong>.<br />

Na das ist doch was. Als <strong>ich</strong> sah wie Alice das Ende <strong>der</strong> letzten Stunde geschwänzt hat, dachte<br />

<strong>ich</strong> schon…<br />

Als wir den Klassenraum betraten sah <strong>ich</strong> seine Erinnerung an kurze Zeit vorher, <strong>die</strong> er durch<br />

<strong>die</strong> offene Tür seiner letzten Unterr<strong>ich</strong>tsstunde gesehen hatte: Alice lief eilig und ausdruckslos über<br />

den Platz in R<strong>ich</strong>tung Wissenschaftsgebäude. Ich fühlte <strong>die</strong> Erinnerung an sein verlangen auf<strong>zu</strong>stehen<br />

und <strong>zu</strong> ihr <strong>zu</strong> gehen und dann seine Entscheidung <strong>zu</strong> bleiben. Wenn Alice seine Hilfe brauchte, würde<br />

sie fragen…<br />

Ich schloss meine Augen vor Ekel und Abscheu während <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> auf meine Stuhl fallen lies.<br />

„Ich hatte n<strong>ich</strong>t bemerkt, dass es so knapp <strong>war</strong>. Ich hätte n<strong>ich</strong>t gedacht, <strong>ich</strong> würde… <strong>ich</strong> sah n<strong>ich</strong>t,<br />

dass es so schlimm <strong>war</strong>,“ flüsterte <strong>ich</strong>.<br />

War es auch n<strong>ich</strong>t, beruhigte er m<strong>ich</strong>. Niemand ist gestorben, r<strong>ich</strong>tig?<br />

„R<strong>ich</strong>tig,“ quetsche <strong>ich</strong> durch meine Zähne. „Diesmal n<strong>ich</strong>t.“<br />

Vielle<strong>ich</strong>t wird es le<strong>ich</strong>ter.<br />

„Klar.“<br />

O<strong>der</strong>, vielle<strong>ich</strong>t tötest du sie auch. Er <strong>zu</strong>ckte mit den Schultern. Du wärst n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> <strong>erste</strong>, <strong>der</strong><br />

es vermasselt. Niemand würde d<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> hart verurteilen. Manchmal riecht ein Mensch einfach <strong>zu</strong> gut.<br />

Ich bin beeindruckt, dass du so lange durchhältst.<br />

„<strong>Das</strong> ist n<strong>ich</strong>t gerade hilfre<strong>ich</strong>, Emmett!“<br />

Ich <strong>war</strong> empört darüber, dass er einfach so akzeptierte, dass <strong>ich</strong> das Mädchen töten würde,<br />

dass das irgendwie unumgängl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>. War es etwa ihre Schuld, dass sie so gut roch?<br />

Ich weiß noch, als es <strong>mir</strong> passierte…, er erinnerte s<strong>ich</strong> und nahm m<strong>ich</strong> mit s<strong>ich</strong> ein halbes<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>zu</strong>rück, auf eine Landstraße in <strong>der</strong> Dämmerung, wo eine Frau mittleren Alters ihre<br />

trockene Wäsche abnahm, <strong>die</strong> zwischen zwei Apfelbäumen an einer Leine hing. Der Duft von Äpfeln<br />

hing schwer in <strong>der</strong> Luft – <strong>die</strong> Ernte <strong>war</strong> vorüber und <strong>die</strong> überreifen Früchte lagen auf dem Boden<br />

verteilt, <strong>die</strong> Druckstellen ließen ihren Duft in dicken Wolken auslaufen. Ein frisch gemähtes Feld<br />

bildete den Hintergrund <strong>zu</strong> <strong>die</strong>sem Duft, harmonisch. Er ging <strong>die</strong> Landstraße entlang, nahm <strong>die</strong> Frau<br />

überhaupt n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> auf seinem Botengang für Rosalie. Der Himmel über ihm <strong>war</strong> lila, im Westen<br />

orange. Er wäre den verschlängelten Weg weitergegangen und es hätte keinen Grund gegeben, s<strong>ich</strong><br />

an <strong>die</strong>sen Nachmittag <strong>zu</strong> erinnern, abgesehen von <strong>der</strong> le<strong>ich</strong>ten Briese, <strong>die</strong> <strong>die</strong> weißen Laken<br />

aufblähte wie Segel im Wind und <strong>die</strong> den Duft <strong>der</strong> Frau über Emmetts Ges<strong>ich</strong>t fächerte.<br />

„Ah,“ grummelte <strong>ich</strong> leise. Als ob <strong>die</strong> Erinnerung an meinen eigenen Durst n<strong>ich</strong>t schon genug<br />

wäre.<br />

Ich weiß. Ich hab's n<strong>ich</strong>t mal eine Sekunde ausgehalten. Ich hab n<strong>ich</strong>t mal darüber<br />

nachgedacht <strong>zu</strong> wied<strong>erste</strong>hen.<br />

Seine Erinnerungen wurden <strong>zu</strong> detailiert für m<strong>ich</strong> um sie noch länger <strong>zu</strong> ertragen.<br />

Ich sprang auf meine Füße, meine Zähne so hart aufeinan<strong>der</strong> gepresst, dass sie durch Stahl<br />

hätten schneiden können.


„Esta bien, Ed<strong>war</strong>d?“ fragte Senora Goff, erschrocken von meiner plötzl<strong>ich</strong>en Bewegung. Ich<br />

konnte mein Ges<strong>ich</strong>t in ihren Gedanken sehen und wusste, dass <strong>ich</strong> alles an<strong>der</strong>e als gesund aussah.<br />

„Me perdona,“ murmelte <strong>ich</strong>, als <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>r Tür stürmte.<br />

„Emmett – por favor, puedas tu ayuda a tu hermano?“ fragte sie und gestikulierte hilflos in<br />

meine R<strong>ich</strong>tung, als <strong>ich</strong> aus dem Raum hastete.<br />

„Klar,“ hörte <strong>ich</strong> ihn sagen. Und dann <strong>war</strong> er direkt hinter <strong>mir</strong>.<br />

Er folgte <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>r an<strong>der</strong>en Seite des Gebäudes, wo er m<strong>ich</strong> einholte und <strong>mir</strong> seine Hand auf<br />

<strong>die</strong> Schulter legte.<br />

Ich schüttelte seine Hand mit unnötiger Gewalt ab. Es hätte sämtl<strong>ich</strong>e Knochen in einer<br />

menschl<strong>ich</strong>en Hand gebrochen und sogar noch <strong>die</strong> Knochen des Arms <strong>der</strong> daran hing.<br />

„Tut <strong>mir</strong> leid, Ed<strong>war</strong>d.“<br />

„Ich weiß.“ Ich atmete ein paarmal tief ein und aus um einen klaren Kopf <strong>zu</strong> bekommen und<br />

meine Lungen <strong>zu</strong> reinigen.<br />

„Ist es genauso schlimm?“ fragte er und versuchte n<strong>ich</strong>t an den Duft und den Geschmack aus<br />

seinen Erinnerungen <strong>zu</strong> denken, n<strong>ich</strong>t gerade erfolgre<strong>ich</strong>.<br />

„Schlimmer, Emmett, schlimmer.“<br />

Für einen Moment <strong>war</strong> er ganz still.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t…<br />

„Nein, es wäre n<strong>ich</strong>t besser, wenn <strong>ich</strong> es einfach hinter m<strong>ich</strong> bringe. Geh <strong>zu</strong>rück in <strong>die</strong> Klasse,<br />

Emmett. Ich möchte allein sein.“<br />

Er drehte s<strong>ich</strong> ohne ein weiteres Wort und ohne einen Gedanken um und ging <strong>zu</strong>rück. Er<br />

würde <strong>der</strong> Spanischlehrerin sagen, dass <strong>ich</strong> krank <strong>war</strong>, o<strong>der</strong> dass <strong>ich</strong> schwänzte, o<strong>der</strong> dass <strong>ich</strong> ein<br />

gefährl<strong>ich</strong>er, unkontrollierbarer Vampir <strong>war</strong>. War seine Entschuldigung wirkl<strong>ich</strong> von Bedeutung?<br />

Vielle<strong>ich</strong>t kam <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr <strong>zu</strong>rück. Vielle<strong>ich</strong>t musste <strong>ich</strong> gehen.<br />

Ich ging <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> meinem Auto um auf Schulschluss <strong>zu</strong> <strong>war</strong>ten. Um m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>cken.<br />

Schon wie<strong>der</strong>.<br />

Ich hätte <strong>die</strong> Zeit nutzen sollen um einen Entscheidung <strong>zu</strong> treffen, o<strong>der</strong> um meine<br />

Entschlossenheit <strong>zu</strong> verstärken, stattdessen, wie ein Süchtiger, erwischte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> dabei wie <strong>ich</strong> <strong>die</strong><br />

Gedanken, <strong>die</strong> vom Schulgebäude wie<strong>der</strong>hallten durchsuchte. Die bekannten Stimmen traten<br />

deutl<strong>ich</strong> hervor, aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong> im Moment n<strong>ich</strong>t interessiert an Alices Visionen o<strong>der</strong> Rosalies<br />

Beschwerden. Ich fand Jessica, aber das Mädchen <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t bei ihr, also suchte <strong>ich</strong> weiter. Mike<br />

Newtons Gedanken erregten meine Aufmerksamkeit und <strong>ich</strong> fand sie letztendl<strong>ich</strong> im Sportunterr<strong>ich</strong>t.<br />

Er <strong>war</strong> unglückl<strong>ich</strong> weil <strong>ich</strong> heut in Biologie mit ihr gesprochen hatte. Er grübelte über ihre Reaktion<br />

als er das Thema angesprochen hatte…<br />

Ich hab ihn ehrl<strong>ich</strong>gesagt noch nie mit jemandem mehr als nur ein paar Wörter wechseln<br />

sehen. Natürl<strong>ich</strong> entschloss er s<strong>ich</strong> Bella interessant <strong>zu</strong> finden. Ich mag n<strong>ich</strong>t, wie er sie ansieht. Aber<br />

sie scheint n<strong>ich</strong>t beson<strong>der</strong>s angeregt <strong>zu</strong> sein von ihm. Was hat sie noch gle<strong>ich</strong> gesagt? `Ich frag m<strong>ich</strong>,<br />

was er letzten Montag hatte.` Irgendwas in <strong>der</strong> Art. Hörte s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so an, als würde es sie<br />

interessieren. Es kann keine beson<strong>der</strong>e Unterhaltung gewesen sein…<br />

Auf <strong>die</strong>se Art redete er s<strong>ich</strong> weiter Mut <strong>zu</strong>, überzeugt davon, dass Bella kein Interesse an dem<br />

Austausch mit <strong>mir</strong> gehabt hat. <strong>Das</strong> ärgerte m<strong>ich</strong> ein bisschen <strong>zu</strong> sehr für meinen Geschmack, also<br />

hörte <strong>ich</strong> auf ihn <strong>zu</strong> belauschen.<br />

Ich legte eine CD mit brutaler Musik ein und drehte <strong>die</strong> Anlage so weit auf, bis sie alle<br />

an<strong>der</strong>en Stimmen übertönte. Ich musste m<strong>ich</strong> sehr stark auf <strong>die</strong> Musik konzentrieren um n<strong>ich</strong>t<br />

wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> Mike Newtons Gedanken <strong>zu</strong> driften, um das ahnungslöse Mädchen aus<strong>zu</strong>spionieren…


Ich schummelte ein paar Mal als <strong>die</strong> Schulstunde s<strong>ich</strong> dem Ende näherte. N<strong>ich</strong>t um <strong>zu</strong><br />

spionieren, redete <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> ein. Ich wollte m<strong>ich</strong> bloß vorbereiten. Ich wollte genau wissen, wann sie<br />

<strong>die</strong> Sporthalle verließ, wann sie auf dem Parkplatz sein würde. Ich wollte n<strong>ich</strong>t, dass sie m<strong>ich</strong><br />

überraschte.<br />

Als <strong>die</strong> Schüler aus <strong>der</strong> Sporthalle strömten stieg <strong>ich</strong> aus meinem Auto aus, uns<strong>ich</strong>er, <strong>war</strong>um<br />

<strong>ich</strong> das tat. Es regnete le<strong>ich</strong>t – <strong>ich</strong> ignorierte, dass er langsam meine Haare tränkte.<br />

Wollte <strong>ich</strong>, dass sie m<strong>ich</strong> hier sah? Hoffte <strong>ich</strong>, dass sie m<strong>ich</strong> ansprechen würde? Was tat <strong>ich</strong><br />

hier?<br />

Obwohl <strong>ich</strong> versuchte, m<strong>ich</strong> davon <strong>zu</strong> überzeugen wie<strong>der</strong> ins Auto <strong>zu</strong> steigen, bewegte <strong>ich</strong><br />

m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t, wohlwissen dass mein Verhalten erbärml<strong>ich</strong> <strong>war</strong>. Ich verschränkte <strong>die</strong> Arme vor meiner<br />

Brust und atmete sehr flach, als <strong>ich</strong> sah wie sie in meine R<strong>ich</strong>tung lief, ihre Mundwinkel nach unten<br />

verzogen. Sie sah m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t an. Sie blickte ein paarmal wütend <strong>zu</strong>m Himmel, als ob er sie ärgern<br />

wollte.<br />

Ich <strong>war</strong> enttäuscht, als sie ihren Wagen erre<strong>ich</strong>te bevor sie an <strong>mir</strong> vorbei musste. Hätte sie<br />

m<strong>ich</strong> angesprochen? Hätte <strong>ich</strong> sie angesprochen?<br />

Sie stieg in einen ausgebl<strong>ich</strong>enen roten Chevy Truck, ein rostiger Gigant, <strong>der</strong> älter als ihr<br />

Vater <strong>war</strong>. Ich beobachtete wie sie den Truck startete – <strong>der</strong> alte Motor röhrte lauter als irgendein<br />

an<strong>der</strong>es Gefährt auf dem Parkplatz – um dann <strong>die</strong> Hände vor den Heizlüfter <strong>zu</strong> halten. Die Kälte <strong>war</strong><br />

ihr unangenehm – sie mochte sie n<strong>ich</strong>t. Sie kämmte mit ihren Fingern durch ihre d<strong>ich</strong>ten Haare, hielt<br />

<strong>die</strong> Locken in <strong>die</strong> <strong>war</strong>me Luft als ob sie versuchte sie <strong>zu</strong> föhnen. Ich stellte <strong>mir</strong> vor, wie das<br />

Führerhaus des Trucks roch und ver<strong>war</strong>f den Gedanken schnell wie<strong>der</strong>.<br />

Sie sah s<strong>ich</strong> kurz um, bevor sie ausparkte und blickte endl<strong>ich</strong> in meine R<strong>ich</strong>tung. Sie starrte<br />

m<strong>ich</strong> für weniger als eine halbe Sekunde an und alles was <strong>ich</strong> in ihren Augen lesen konnte <strong>war</strong><br />

Überraschung, bevor sie wie<strong>der</strong> wegsah und ihren Truck <strong>zu</strong>rücksetzte. Nur um sofort wie<strong>der</strong> mit<br />

quietschenden Reifen <strong>zu</strong>m Stehen <strong>zu</strong> kommen. Die Rückseite ihres Trucks wäre um ein Haar mit Erin<br />

Teagues Kleinwagen <strong>zu</strong>sammengestoßen.<br />

Sie starrte in ihren Rückspiegel und verzog ärgerl<strong>ich</strong> den Mund. Als <strong>der</strong> Wagen an ihr<br />

vorbeigefahren <strong>war</strong>, überprüfte sie alle toten Winkel zweimal und fuhr dann so langsam und<br />

vors<strong>ich</strong>tig aus ihrer Parklücke, dass <strong>ich</strong> grinsen musste. Es <strong>war</strong> als würde sie denken sie sei gefährl<strong>ich</strong><br />

in ihrem baufälligen Truck.<br />

Der Gedanke dass Bella Swan irgendwem gefährl<strong>ich</strong> werden konnte, egal was für ein Auto sie<br />

fuhr, brachte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>m Lachen während sie an <strong>mir</strong> vorbeifuhr und stur geradeaus schaute.


2. Erscheinung<br />

Ehrl<strong>ich</strong>gesagt, <strong>war</strong> <strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>t durstig und doch entschied <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong>, <strong>die</strong>se Nacht jagen <strong>zu</strong> gehen. Ein<br />

kleiner Versuch <strong>der</strong> Vorbeugung, obwohl <strong>ich</strong> wusste, dass es ungenügend sein würde.<br />

Carlisle begleitete m<strong>ich</strong>; seit <strong>ich</strong> aus Denali <strong>zu</strong>rückgekehrt <strong>war</strong>, <strong>war</strong>en wir n<strong>ich</strong>t mehr allein<br />

miteinan<strong>der</strong> gewesen. Während wir durch den dunklen Wald rannten, hörte <strong>ich</strong>, wie er über meinen<br />

abrupten Aufbruch letzte Woche nachdachte.<br />

In seinen Gedanken sah <strong>ich</strong> wie meine Ges<strong>ich</strong>tszüge in grimmiger Verzweiflung verzogen<br />

<strong>war</strong>en. Ich fühlte seine Überraschung und seine aufkeimende Sorgen.<br />

„Ed<strong>war</strong>d?“<br />

„Ich muss weg Carlisle. Ich muss sofort gehen.“<br />

„Was ist passiert?“<br />

„N<strong>ich</strong>ts. Noch n<strong>ich</strong>t. Aber es wird etwas passieren, wenn <strong>ich</strong> bleibe.“<br />

Er streckte s<strong>ich</strong> nach meinem Arm aus. Ich fühlte wie es ihn verletzt hatte, als <strong>ich</strong> ihm<br />

meinem Arm entzog.<br />

„<strong>Das</strong> v<strong>erste</strong>he <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t.“<br />

„Hast du jemals… gab es mal eine Zeit in <strong>der</strong>…“<br />

Ich sah, wie <strong>ich</strong> tief durchatmete, sah das wilde Flackern in meinen Augen durch den Filter<br />

seiner tiefen Besorgnis.<br />

„Hat irgendein Mensch jemals besser für d<strong>ich</strong> gerochen als <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en? Viel besser?“<br />

„Oh.“<br />

Als <strong>ich</strong> merkte, dass er verstanden hatte, ze<strong>ich</strong>nete s<strong>ich</strong> Scham in meinem Ges<strong>ich</strong>t ab. Er<br />

streckte wie<strong>der</strong> seinen Arm nach <strong>mir</strong> aus, <strong>die</strong>smal ignorierte er, dass <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>ckte und ließ seine<br />

Hand auf meiner Schulter liegen.<br />

„Tu was immer du für nötig halst um <strong>zu</strong> wied<strong>erste</strong>hen mein Sohn. Ich werde d<strong>ich</strong> vermissen.<br />

Hier, nimm meinen Wagen. Er ist schneller.“<br />

Jetzt fragte er s<strong>ich</strong>, ob es r<strong>ich</strong>tig gewesen <strong>war</strong>, m<strong>ich</strong> weg<strong>zu</strong>schicken. Fragte s<strong>ich</strong>, ob er m<strong>ich</strong><br />

verletzt hatte durch sein geringes Vertrauen.<br />

„Nein,“ flüsterte <strong>ich</strong> beim Rennen. „<strong>Das</strong> <strong>war</strong> es, was <strong>ich</strong> brauchte. Ich hätte dein Vertrauen <strong>zu</strong><br />

le<strong>ich</strong>t missbrauchen können, wenn du <strong>mir</strong> gesagt hättest, dass <strong>ich</strong> bleiben soll.“<br />

„Es tut <strong>mir</strong> leid, dass du leidest, Ed<strong>war</strong>d. Aber du solltest alles in deiner Macht stehende tun<br />

um das Swan-Kind am Leben <strong>zu</strong> lassen. Auch wenn das bedeutet, dass du uns wie<strong>der</strong> verlassen<br />

musst.“<br />

„Ich weiß, <strong>ich</strong> weiß.“<br />

„Warum bist du <strong>zu</strong>rückgekommen? Du weißt, wie glückl<strong>ich</strong> es m<strong>ich</strong> macht, d<strong>ich</strong> hier <strong>zu</strong><br />

haben, aber wenn es so schwer für d<strong>ich</strong> ist…“<br />

„Ich wollte kein Feigling sein,“ gab <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>.<br />

Wir wurden langsamer – wir joggten mehr durch <strong>die</strong> Dunkelheit.<br />

„Besser das, als sie <strong>der</strong> Gefahr aus<strong>zu</strong>setzen. In ein o<strong>der</strong> zwei Jahren wird sie hier<br />

verschwinden.“<br />

„Du hast recht, das weiß <strong>ich</strong>.“ Entgegen aller Vernunft, bewirkten seine Worte eher, dass <strong>ich</strong><br />

bestrebter <strong>war</strong> <strong>zu</strong> bleiben. In ein o<strong>der</strong> zwei Jahren würde das Mädchen verschwinden…


Carlisle blieb stehen und <strong>ich</strong> auch; er wandte s<strong>ich</strong> <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> um meinen Ges<strong>ich</strong>tsausdruck <strong>zu</strong><br />

untersuchen.<br />

Aber du wirst n<strong>ich</strong>t wegrennen, o<strong>der</strong>?<br />

Ich senkte meinen Kopf.<br />

Bist du <strong>zu</strong> stolz, Ed<strong>war</strong>d? Es ist keine Schande, wenn –<br />

„Nein, es ist n<strong>ich</strong>t mein Stolz, <strong>der</strong> m<strong>ich</strong> hier hält. N<strong>ich</strong>t jetzt.“<br />

Weißt du n<strong>ich</strong>t, wo du hinsollst?<br />

Ich lachte kurz auf. „Nein, das würde m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t aufhalten, wenn <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> da<strong>zu</strong> bewegen<br />

könnte, <strong>zu</strong> gehen.“<br />

„Wir kommen selbstverständl<strong>ich</strong> mit dir, wenn es das ist, was du brauchst. Du musst es nur<br />

sagen. Ihr seid immer mit uns gezogen ohne euch <strong>zu</strong> beschweren. Sie werden dir das n<strong>ich</strong>t<br />

nachtragen.“<br />

Ich hob eine Augenbraue.<br />

Er lachte. „Ja, Rosalie vielle<strong>ich</strong>t, aber sie schuldet dir was. Abgesehen davon, es ist besser für<br />

uns, jetzt so gehen, wo noch n<strong>ich</strong>ts passiert ist, als <strong>zu</strong> <strong>war</strong>ten bis ein Leben beendet wurde.“ Am Ende<br />

des Satzes <strong>war</strong> sein Humor verflogen.<br />

Ich runzelte <strong>die</strong> Stirn bei seinen Worten.<br />

„Ja,“ stimmte <strong>ich</strong> ihm mit rauer Stimme <strong>zu</strong>.<br />

Aber du wirst n<strong>ich</strong>t gehen?<br />

Ich seufzte. „Ich sollte.“<br />

„Was hält d<strong>ich</strong> hier, Ed<strong>war</strong>d? Ich kann es n<strong>ich</strong>t sehen…“<br />

„Ich weiß n<strong>ich</strong>t, ob <strong>ich</strong> es erklären kann.“ Selbst für m<strong>ich</strong> machte es keinen Sinn.<br />

Er stu<strong>die</strong>rte sehr lange meinen Ges<strong>ich</strong>tsausdruck.<br />

Nein, <strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>he es n<strong>ich</strong>t. Aber <strong>ich</strong> respektiere deine Privatsphäre, wenn es dir lieber ist.<br />

„Danke. <strong>Das</strong> ist großzügig von dir, wenn man bedenkt, dass <strong>ich</strong> niemandem Privatsphäre<br />

gebe.“ Mit einer Ausnahme. Ich gab mein bestes um das <strong>zu</strong> än<strong>der</strong>n, o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t?<br />

Wir haben alle unsere Macken. Er lachte wie<strong>der</strong>. Sollen wir?<br />

Er hatte gerade den Duft einer kleinen Rehherde aufgeschnappt. Es <strong>war</strong> schwer genug<br />

Begeisterung auf<strong>zu</strong>bringen, wenn man bedenkt, dass das Aroma einem n<strong>ich</strong>t gerade das Wasser im<br />

Mund <strong>zu</strong>sammenlaufen ließ. Und jetzt, wo <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Erinnerung an den Duft des Mädchens noch frisch<br />

im Kopf hatte, drehte s<strong>ich</strong> <strong>mir</strong> sogar fast <strong>der</strong> Magen um bei dem Geruch.<br />

Ich seufzte. „Na los,“ stimmte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>, obwohl <strong>ich</strong> wusste, dass es kaum helfen würde, wenn<br />

<strong>ich</strong> noch mehr Blut meine Kehle hinunter zwang.<br />

Wir nahmen beide unsere Jagdhaltung an und ließen uns von dem unappetitl<strong>ich</strong>en Duft<br />

vorwärts leiten.<br />

Als wir wie<strong>der</strong> nach Hause kamen, <strong>war</strong> es kälter geworden. Der geschmolzene Schnee <strong>war</strong> gefroren;<br />

es <strong>war</strong> als wäre alles mit einer dünnen Glassch<strong>ich</strong>t überzogen – jede Tannennadel, je<strong>der</strong> Farnwedel,<br />

je<strong>der</strong> Grashalm <strong>war</strong> mit Eis überzogen.<br />

Während Carlisle s<strong>ich</strong> fertig machte für seine Frühschickt im Krankenhaus, blieb <strong>ich</strong> am Fluss<br />

stehen und <strong>war</strong>tete auf den Sonnenaufgang. Ich fühlte m<strong>ich</strong> aufgebläht von dem vielen Blut, dass <strong>ich</strong><br />

getrunken hatte, aber <strong>ich</strong> wusste, dass <strong>ich</strong> keinen Durst verspürte würde wenig helfen, wenn <strong>ich</strong><br />

wie<strong>der</strong> neben dem Mädchen saß.


Kalt und regungslos wie <strong>der</strong> Stein auf dem <strong>ich</strong> saß, starrte <strong>ich</strong> auf das dunkle Wasser wie es<br />

zwischen dem Eis hindurchfloss, starrte direkt hindurch.<br />

Carlisle hatte recht. Ich sollte Forks verlassen. Sie konnten irgendeine Gesch<strong>ich</strong>te verbreiten,<br />

<strong>die</strong> meine Abwesenheit erklären würde. Ein Internat in Europa. Besuch bei entfernten Verwandten.<br />

Ein jugendl<strong>ich</strong>er Ausbruch von <strong>zu</strong> Hause. Die Gesch<strong>ich</strong>te <strong>war</strong> egal. Niemand würde nachfragen.<br />

Es <strong>war</strong>en nur ein o<strong>der</strong> zwei Jahre, und dann würde das Mädchen verschwinden. Sie würde ihr<br />

Leben weiterleben – sie würde ein Leben haben, dass sie weiterleben konnte. Sie würde irgendwo<br />

aufs College gehen, älter werden, eine Karriere beginnen, vielle<strong>ich</strong>t jemanden heiraten. <strong>Das</strong> konnte<br />

<strong>ich</strong> <strong>mir</strong> vorstellen – <strong>ich</strong> konnte das Mädchen ganz in weiß vor <strong>mir</strong> sehen, wie sie den Gang entlang<br />

schritt, den Arm unter dem ihres Vaters.<br />

Es <strong>war</strong> seltsam, dass <strong>die</strong>se Bild schmerzen in <strong>mir</strong> auslöste. Ich verstand es n<strong>ich</strong>t. War <strong>ich</strong><br />

eifersüchtig, weil sie eine Zukunft hatte <strong>die</strong> <strong>ich</strong> nie haben konnte? <strong>Das</strong> ergab keinen Sinn. Je<strong>der</strong><br />

Mensch um m<strong>ich</strong> herum hatte <strong>die</strong>se Mögl<strong>ich</strong>keiten – ein Leben – und <strong>ich</strong> beneidete sie n<strong>ich</strong>t.<br />

Ich sollte sie ihrer Zukunft überlassen. Sollte aufhören ihr Leben <strong>zu</strong> riskieren. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> das<br />

einzig r<strong>ich</strong>tige. Carlisle fand immer den r<strong>ich</strong>tigen Weg. Ich sollte auch jetzt auf ihn hören.<br />

Die Sonne erhob s<strong>ich</strong> hinter den Wolken und das se<strong>ich</strong>te L<strong>ich</strong>t glänzte auf dem gefrorenen<br />

Glas.<br />

Nur noch ein Tag, entschied <strong>ich</strong>. Ich würde sie nur noch einmal sehen. Ich schaffte das.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t würde <strong>ich</strong> erwähnen, dass <strong>ich</strong> wegging, um <strong>die</strong> Gesch<strong>ich</strong>te ein<strong>zu</strong>leiten.<br />

<strong>Das</strong> würde schwieriger werden als <strong>ich</strong> gedacht hatte; weil <strong>mir</strong> <strong>die</strong> Vorstellung <strong>zu</strong> gehen<br />

wie<strong>der</strong>strebte, fing <strong>ich</strong> jetzt schon an Entschuldigungen <strong>zu</strong> suchen um <strong>zu</strong> bleiben – um <strong>die</strong> Frist noch<br />

zwei Tage <strong>zu</strong> verlängern, drei, vier… Aber <strong>ich</strong> würde das r<strong>ich</strong>tige tun. Ich wusste, <strong>ich</strong> konnte Carlisles<br />

Rat vertrauen. Und <strong>ich</strong> wusste auch, dass <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> durcheinan<strong>der</strong> <strong>war</strong> um <strong>die</strong> r<strong>ich</strong>tige Entscheidung<br />

allein <strong>zu</strong> treffen.<br />

Viel <strong>zu</strong> durcheinan<strong>der</strong>. Wie viel von <strong>die</strong>sem Wi<strong>der</strong>willen kam von meiner zwanghaften<br />

Neugierde und wie viel von meinem ungesättigten Appetit?<br />

Ich ging hinein um <strong>mir</strong> etwas Frisches für <strong>die</strong> Schule an<strong>zu</strong>ziehen.<br />

Alice <strong>war</strong>tete auf m<strong>ich</strong>, sie saß auf <strong>der</strong> ob<strong>erste</strong>n Treppenstufe <strong>zu</strong>r zweiten Etage.<br />

Du gehst schon wie<strong>der</strong> weg, klagte sie.<br />

Ich seufzte und nickte.<br />

Ich kann n<strong>ich</strong>t sehen wo du <strong>die</strong>smal hingehst.<br />

„Ich weiß noch n<strong>ich</strong>t wo <strong>ich</strong> hingehen werde,“ flüsterte <strong>ich</strong>.<br />

Ich möchte, dass du bleibst.<br />

Ich schüttelte meinen Kopf.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t können Jazz und <strong>ich</strong> mit dir kommen?<br />

„Sie brauchen euch alle noch mehr, wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr da bin um m<strong>ich</strong> für sie um<strong>zu</strong>hören.<br />

Und denk an Esme. Würdest du ihr ihre halbe Familie mit einem Schlag entreißen wollen?“<br />

Du wirst sie so unglückl<strong>ich</strong> machen.<br />

„Ich weiß. Und deshalb musst du bleiben.“<br />

Es ist n<strong>ich</strong>t dasselbe, als wenn du hier wärst und das weißt du.<br />

„Ja. Aber <strong>ich</strong> muss das r<strong>ich</strong>tige tun.“<br />

Es gibt viele r<strong>ich</strong>tige Wege, und viele falsche Wege, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>?<br />

Für einen kurzen Moment verschwamm sie in eine ihrer seltsamen Visionen; <strong>ich</strong> beobachtet<br />

gemeinsam mit ihr wie <strong>die</strong> unbeständigen Bil<strong>der</strong> flackerten. Ich sah m<strong>ich</strong> selbst zwischen seltsamen<br />

Schatten, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>ordnen konnte – verschleierte ungenaue Formen. Und dann, plötzl<strong>ich</strong>,<br />

meine Haut wie sie in <strong>der</strong> Sonne glitzerte auf einer kleinen L<strong>ich</strong>tung. Diesen Ort kannte <strong>ich</strong>. Da <strong>war</strong>


eine Person mit <strong>mir</strong> auf <strong>der</strong> L<strong>ich</strong>tung, aber wie<strong>der</strong> <strong>war</strong> es ungenau, n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> da um sie besser <strong>zu</strong><br />

erkennen. <strong>Das</strong> Bild wackelte und verschwand als s<strong>ich</strong> millionen kleiner Stückte <strong>zu</strong> einer an<strong>der</strong>en<br />

Zukunft <strong>zu</strong>sammensetzten.<br />

„Ich hab n<strong>ich</strong>t viel davon verstanden,“ sagte <strong>ich</strong> ihr, als <strong>die</strong> Vision sch<strong>war</strong>z wurde.<br />

Ich auch n<strong>ich</strong>t. Deine Zukunft verän<strong>der</strong>t s<strong>ich</strong> sehr stark so dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t viel davon greifen<br />

kann. Aber <strong>ich</strong> denke…<br />

Sie hielt inne und überflog ein paar an<strong>der</strong>e Visionen für m<strong>ich</strong>. Sie <strong>war</strong>en alle gle<strong>ich</strong> –<br />

verschwommen und vage.<br />

„Ich glaube, irgendetwas wird s<strong>ich</strong> än<strong>der</strong>n,“ sagte sie laut. „Dein Leben scheint s<strong>ich</strong> an einer<br />

Kreu<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> befinden.“<br />

Ich lachte grimmig. „Dir ist schon klar, dass du d<strong>ich</strong> anhörst wie eine Wahrsagerin vom<br />

Jahrmarkt?“<br />

Sie streckte <strong>mir</strong> ihre kleine Zunge raus.<br />

„Heute ist alles in Ordnung, o<strong>der</strong>?“ fragte <strong>ich</strong> sie und meine Stimme klang plötzl<strong>ich</strong> besorgt.<br />

„Ich sehe n<strong>ich</strong>t, dass du heute irgendjemanden töten wirst,“ vers<strong>ich</strong>erte sie <strong>mir</strong>.<br />

„Danke, Alice.“<br />

„Geh d<strong>ich</strong> umziehen. Ich werde den an<strong>der</strong>en n<strong>ich</strong>ts sagen – du kannst ihnen selber Bescheid<br />

geben, wenn du fertig bist.“<br />

Sie stand auf und schoss mit hängenden Schultern <strong>die</strong> Treppe hinunter. Vermiss d<strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong>.<br />

Ja, <strong>ich</strong> würde sie auch sehr vermissen.<br />

Es <strong>war</strong> eine ruhige Fahrt bis <strong>zu</strong>r Schule. Jasper merkte, dass Alice wegen irgendetwas<br />

unglückl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>, aber er wusste, wenn sie darüber hätte sprechen wollen, dann hätte sie das bereits<br />

getan. Emmett und Rosalie hatten einen ihrer Momente, in denen sie n<strong>ich</strong>ts um s<strong>ich</strong> herum<br />

wahrnahmen und s<strong>ich</strong> nur verliebt in <strong>die</strong> Augen blickten – es <strong>war</strong> ekelhaft ihnen dabei <strong>zu</strong><strong>zu</strong>sehen.<br />

Wir <strong>war</strong>en uns alle vollkommen im Klaren darüber wie überglückl<strong>ich</strong> verliebt <strong>die</strong> beiden <strong>war</strong>en.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> <strong>ich</strong> aber auch nur verbittert, weil <strong>ich</strong> <strong>der</strong> einzige <strong>war</strong>, <strong>der</strong> alleine <strong>war</strong>. An manchen<br />

Tagen <strong>war</strong> es schwerer als an an<strong>der</strong>en mit drei perfekt <strong>zu</strong>sammenpassenden Pärchen<br />

<strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>leben. Heute <strong>war</strong> einer <strong>die</strong>ser Tage.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t wären sie alle glückl<strong>ich</strong>er, wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr da wäre, grimmig und verbittert wie<br />

<strong>der</strong> alte Mann, <strong>der</strong> <strong>ich</strong> eigentl<strong>ich</strong> mittlerweile sein sollte.<br />

Natürl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> das <strong>erste</strong> was <strong>ich</strong> tat, als wir <strong>die</strong> Schule erre<strong>ich</strong>ten, nach dem Mädchen<br />

Ausschau <strong>zu</strong> halten. Nur um m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> vor<strong>zu</strong>bereiten.<br />

R<strong>ich</strong>tig.<br />

Es <strong>war</strong> peinl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sehen, dass <strong>die</strong> Welt um m<strong>ich</strong> herum vollkommen leer schien und s<strong>ich</strong> alles<br />

nur noch um sie drehte – meine ganze Existenz kreiste nur noch um sie, statt um m<strong>ich</strong> selbst.<br />

Dennoch <strong>war</strong> es auch irgendwie le<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>hen; nach achtzig Jahren, jeden Tag und jede<br />

Nacht dasselbe wurde jede Verän<strong>der</strong>ung <strong>zu</strong> etwas ganz beson<strong>der</strong>em.<br />

Sie <strong>war</strong> noch n<strong>ich</strong>t da, aber <strong>ich</strong> konnte den dröhnenden Motor ihres Trucks in <strong>der</strong> Ferne<br />

hören. Ich lehnte m<strong>ich</strong> an meinen Wagen um <strong>zu</strong> <strong>war</strong>ten. Alice blieb bei <strong>mir</strong>, während <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en<br />

direkt <strong>zu</strong>m Unterr<strong>ich</strong>t gingen. Sie <strong>war</strong>en gelangweilt von meiner Fixierung – es <strong>war</strong> unverständl<strong>ich</strong> für<br />

sie wie ein Mensch mein Interesse so lange aufrecht erhalten konnte, egal wie köstl<strong>ich</strong> sie roch.<br />

Langsam fuhr das Mädchen in S<strong>ich</strong>tweite, ihre Augen auf <strong>die</strong> Straße geheftet und mit den<br />

Händen das Lenkrad umklammert. Sie schien wegen irgendetwas verängstigt <strong>zu</strong> sein. Ich brauchte<br />

eine Sekunde um <strong>zu</strong> begreifen was <strong>die</strong>ses Etwas <strong>war</strong>, <strong>zu</strong> bemerkten, dass je<strong>der</strong> Mensch heute mit<br />

<strong>die</strong>sem Ges<strong>ich</strong>tsausdruck fuhr. Die Straße <strong>war</strong> vereist und alle fuhren noch vors<strong>ich</strong>tiger als sonst. Ich<br />

konnte sehen, dass sie das erhöhte Risiko sehr ernst nahm.


<strong>Das</strong> schien <strong>zu</strong> dem bisschen <strong>zu</strong> passen, was <strong>ich</strong> bisher über ihren Charakter herausgefunden<br />

hatte. Ich fügte es meiner kleinen Liste hin<strong>zu</strong>: Sie <strong>war</strong> eine ernsthafte Person, eine<br />

verantwortungsvolle Person.<br />

Sie parkte n<strong>ich</strong>t all<strong>zu</strong> weit von <strong>mir</strong> entfernt, aber sie hatte noch n<strong>ich</strong>t bemerkt, dass <strong>ich</strong> hier<br />

stand und sie beobachtete. Ich fragte m<strong>ich</strong> wie sie reagieren würde, wenn sie m<strong>ich</strong> bemerkte?<br />

Erröten und weitergehen? <strong>Das</strong> <strong>war</strong> meine <strong>erste</strong> Überlegung. Aber vielle<strong>ich</strong>t würde sie meinen <strong>Blick</strong><br />

erwi<strong>der</strong>n. Vielle<strong>ich</strong>t würde sie herkommen und mit <strong>mir</strong> reden.<br />

Ich atmete tief eine, hoffnungsvoll, nur für den Fall.<br />

Sie stieg vors<strong>ich</strong>tig aus dem Truck aus und prüfte <strong>die</strong> Standfestigkeit ihrer Füße bevor sie ihr<br />

Gew<strong>ich</strong>t darauf abstützte. Sie schaute n<strong>ich</strong>t auf, was m<strong>ich</strong> frustrierte. Vielle<strong>ich</strong>t würde <strong>ich</strong><br />

rübergehen und mit ihr reden…<br />

Nein, das wäre ein Fehler.<br />

Anstatt in R<strong>ich</strong>tung Schule <strong>zu</strong> gehen, lief sie um ihren Truck herum, hangelte s<strong>ich</strong> vors<strong>ich</strong>tig<br />

an ihm entlang als würde sie ihren Füßen n<strong>ich</strong>t trauen. Es brachte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>m lächeln, und <strong>ich</strong> spürte<br />

Alices Augen auf meinem Ges<strong>ich</strong>t ruhen. Ich hörte n<strong>ich</strong>t was auch immer sie s<strong>ich</strong> dabei dachte – es<br />

amüsierte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sehr, <strong>zu</strong> beobachten wie das Mädchen ihre Schneeketten überprüfte. So wie ihre<br />

Füße herum schlingerten schien sie ernsthaft in Gefahr <strong>zu</strong> sein hin<strong>zu</strong>fallen. Niemand sonst hatte so<br />

viele Probleme – hatte sie an einer beson<strong>der</strong>s eisigen Stelle geparkt?<br />

Sie hielt für einen kurzen Moment inne und ihr Ges<strong>ich</strong>t bekam einen seltsamen Ausdruck. Es<br />

<strong>war</strong>… we<strong>ich</strong>? Als ob irgendetwas an den Ketten sie… rührte?<br />

Und wie<strong>der</strong> schmerzte <strong>die</strong> Neugierde in <strong>mir</strong> wie <strong>der</strong> Durst. Es <strong>war</strong> als müsste <strong>ich</strong> wissen was<br />

sie denkt – als ob alles an<strong>der</strong>e unw<strong>ich</strong>tig wäre.<br />

Ich würde <strong>zu</strong> ihr gehen und mit ihr reden. Sie sah sowieso danach aus, als könnte sie eine<br />

helfende Hand gebrauchen, <strong>zu</strong>mindest bis sie von dem glatten Parkplatz runter <strong>war</strong>. <strong>Das</strong> konnte <strong>ich</strong><br />

ihr selbstverständl<strong>ich</strong> anbieten, o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t? Ich zögerte hin und hergerissen. Bei <strong>der</strong> Abneigung <strong>die</strong><br />

sie gegen Schnee hegte, würde sie <strong>die</strong> Berührung meiner kalten Hand s<strong>ich</strong>er n<strong>ich</strong>t willkommen<br />

heißen. Ich hätte Handschuhe anziehen sollen –<br />

„NEIN!“ schrie Alice laut auf.<br />

Instinktiv durchforstete <strong>ich</strong> ihre Gedanken in dem Glauben <strong>ich</strong> hätte eine schlechte<br />

Entscheidung getroffen und sie sähe wie <strong>ich</strong> etwas Unverzeihl<strong>ich</strong>es tat. Aber es hatte n<strong>ich</strong>ts mit <strong>mir</strong><br />

<strong>zu</strong> tun.<br />

Tyler Crowley hatte s<strong>ich</strong> entschieden, <strong>die</strong> Kurve auf den Parkplatz etwas <strong>zu</strong> schnell <strong>zu</strong><br />

nehmen. Diese Entscheidung brachte ihn auf dem rutschigen Eis <strong>zu</strong>m schlid<strong>der</strong>n…<br />

Die Vision kam nur eine halbe Sekunde bevor sie eintrat. Tylers Van schoss um <strong>die</strong> Ecke<br />

während <strong>ich</strong> immer noch das Ende <strong>der</strong> Vision beobachtet, das Alice <strong>zu</strong> <strong>die</strong>sem ängstl<strong>ich</strong>en Aufschrei<br />

bewogen hatte.<br />

Nein, <strong>die</strong>se Vision hatte n<strong>ich</strong>ts mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> tun, und doch hatte es alles mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> tun, denn<br />

Tylers van – <strong>die</strong> Reifen trafen nun in dem schlechtmögl<strong>ich</strong>sten Winkel auf das Eis – würde über den<br />

Parkplatz rutschen und das Mädchen zerquetschen, das ungewollt <strong>zu</strong>m Mittelpunkt meiner Welt<br />

geworden <strong>war</strong>.<br />

Auch ohne Alices Vorhersage <strong>war</strong> es le<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> erkennen, welchen Bahn <strong>der</strong> Wagen, über den<br />

Tyler gerade <strong>die</strong> Kontrolle verlor einschlagen würde.<br />

<strong>Das</strong> Mädchen, das genau am falschen Platz neben ihrem Truck stand, sah auf, irritiert von<br />

dem Geräusch <strong>der</strong> quietschenden Reifen. Sie sah direkt in meine geschockten Augen um dann direkt<br />

in ihren nahenden Tod <strong>zu</strong> blicken.<br />

N<strong>ich</strong>t sie! Die Worte schrien in meinem Kopf als ob sie <strong>zu</strong> jemand an<strong>der</strong>em gehörten.


Immer noch gefangen in Alices Gedanken, sah <strong>ich</strong> wie <strong>die</strong> Vision s<strong>ich</strong> verän<strong>der</strong>te, aber <strong>ich</strong><br />

hatte keine Zeit <strong>mir</strong> den Ausgang an<strong>zu</strong>sehen.<br />

Ich schoss über den Platz und <strong>war</strong>f m<strong>ich</strong> zwischen den heran rutschenden Van und das vor<br />

Schock gefrorene Mädchen. Ich bewegte m<strong>ich</strong> so schnell, dass alles um m<strong>ich</strong> herum verschwamm<br />

außer dem Objekt in meinem <strong>Blick</strong>feld. Sie sah m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t – kein menschl<strong>ich</strong>es Auge hätte meinem<br />

Flug folgen können – und starrte immer noch auf das massige Gefährt dass ihren Körper gle<strong>ich</strong> in den<br />

Metall Rahmen ihres Trucks quetschen würde.<br />

Ich packte sie um <strong>die</strong> Taille und <strong>war</strong>f sie mit einer solchen Eile um, dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mal<br />

annähernd so behutsam mit ihr umging, wie <strong>ich</strong> es hätte tun müssen. In <strong>der</strong> hun<strong>der</strong>tstel Sekunde<br />

nachdem <strong>ich</strong> sie aus <strong>der</strong> Schusslinie <strong>war</strong>f und bevor <strong>ich</strong> mit ihr in meinen Armen auf den Boden<br />

aufschlug, wurde <strong>mir</strong> bewusst, wie schwach und zerbrechl<strong>ich</strong> ihr Körper <strong>war</strong>.<br />

Als <strong>ich</strong> ihren Kopf auf das Eis aufschlagen hörte, erstarrte <strong>ich</strong> selbst auch <strong>zu</strong> Eis.<br />

Aber <strong>ich</strong> hatte n<strong>ich</strong>t mal eine Sekunde zeit um ihren Zustand <strong>zu</strong> überprüfen. Ich hörte wie <strong>der</strong><br />

Van hinter uns s<strong>ich</strong> quietschend um den eisernen Körper des Trucks wickelte. Er än<strong>der</strong>te<br />

funkensprühend seine R<strong>ich</strong>tung und schlid<strong>der</strong>te erneut auf sie <strong>zu</strong> – als wäre sie ein Magnet <strong>der</strong> den<br />

Van anzog.<br />

Ein Wort, das <strong>ich</strong> niemals in <strong>der</strong> Gegen<strong>war</strong>t einer Lady benutzt hätte, entw<strong>ich</strong> <strong>mir</strong> durch<br />

meine <strong>zu</strong>sammengebissenen Zähne.<br />

Ich hatte schon <strong>zu</strong> viel getan. Als <strong>ich</strong> fast durch <strong>die</strong> Luft geflogen bin um sie aus dem Weg <strong>zu</strong><br />

stoßen, <strong>war</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> vollkommen bewusst, dass <strong>ich</strong> einen Fehler machte. Zu wissen, dass es ein Fehler<br />

<strong>war</strong>, konnte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t aufhalten, aber das Risiko dass <strong>ich</strong> einging, <strong>war</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t bewusst – n<strong>ich</strong>t nur<br />

für m<strong>ich</strong>, son<strong>der</strong>n für meine ganze Familie.<br />

Entlarvung.<br />

Aber es half n<strong>ich</strong>ts, <strong>ich</strong> konnte dem Van n<strong>ich</strong>t erlauben bei seinem zweiten Versuch ihr das<br />

Leben <strong>zu</strong> nehmen <strong>zu</strong> gewinnen.<br />

Ich ließ sie los und streckte dem Van meine Hände entgegen bevor er sie berühren konnte.<br />

Die Wucht des Aufpralls presste meine Schulter in den Wagen <strong>der</strong> neben dem Truck stand und <strong>ich</strong><br />

konnte spüren wie s<strong>ich</strong> das Metall unter dem Druck verbog. Der Van erschauerte unter <strong>der</strong><br />

unnachgiebigen Sperre meiner Arme und balancierte unstabil auf zwei Rä<strong>der</strong>n.<br />

Wenn <strong>ich</strong> meine Hände wegnahm, würde <strong>der</strong> Hinterreifen auf ihre Beine fallen.<br />

Oh, verdammt noch mal, es <strong>war</strong> verflucht, würde <strong>die</strong>se Katastrophe denn nie enden? Konnte<br />

noch mehr schiefgehen? Ich konnte schlecht hier sitzen bleiben, den Van in <strong>die</strong> Luft halten und auf<br />

Rettung <strong>war</strong>ten. Wegwerfen konnte <strong>ich</strong> ihn auch n<strong>ich</strong>t – da <strong>war</strong> auch immer noch <strong>der</strong> Fahrer, dessen<br />

Gedanken <strong>zu</strong>sammenhanglos <strong>war</strong>en vor lauter Panik.<br />

Ich stöhnte innerl<strong>ich</strong> auf und stieß den Van kurz von uns weg. Als er wie<strong>der</strong> runterfiel, fing <strong>ich</strong><br />

ihn mit einer Hand unter <strong>der</strong> Karosserie auf und packte mit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n wie<strong>der</strong> <strong>die</strong> Taille des<br />

Mädchens um sie näher <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> hin und unter dem Wagen weg <strong>zu</strong> ziehen. Ihr Körper <strong>war</strong> schlaff als<br />

<strong>ich</strong> sie herum schwang um ihre Beine in S<strong>ich</strong>erheit <strong>zu</strong> bringen – <strong>war</strong> sie bewusstlos? Wie schwer<br />

hatte <strong>ich</strong> sie verletzt bei meinem improvisierten Rettungsversuch?<br />

Jetzt wo <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t mehr verletzen konnte, ließ <strong>ich</strong> den Van fallen. Die Fenster vibrierten als<br />

er auf den Asphalt krachte.<br />

Ich wusste, dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> mitten in einer Kriese befand. Wie viel hatte sie mitbekommen?<br />

Hatte irgendein an<strong>der</strong>er Zeuge gesehen, wie <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> aus dem N<strong>ich</strong>ts neben ihr materialisiert hatte<br />

und dann mit dem Van jonglierte um sie darunter hervor<strong>zu</strong>holen? Diese Fragen sollten meine größte<br />

Sorge sein.


Aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong> <strong>zu</strong> besorgt um <strong>mir</strong> darüber Gedanken <strong>zu</strong> machen, dass wir entlarvt werden<br />

könnten. Zu sehr von <strong>der</strong> Panik erfasst, dass <strong>ich</strong> sie bei meinem versucht sie <strong>zu</strong> schützen selbst<br />

verletzt haben könnte. Zu beängstigt da <strong>ich</strong> wusste, was <strong>ich</strong> riechen würde, wenn <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> erlaubte<br />

ein<strong>zu</strong>atmen. Mir <strong>zu</strong> sehr ihres <strong>war</strong>men, we<strong>ich</strong>en Körpers bewusst, <strong>der</strong> gegen meinen gepresst <strong>war</strong> –<br />

trotz <strong>der</strong> doppelten Hin<strong>der</strong>ung unsere Jacken konnte <strong>ich</strong> <strong>die</strong>se Hitze spüren…<br />

Die <strong>erste</strong> Sorge <strong>war</strong> <strong>die</strong> größte. Als das schreien <strong>der</strong> zeugen um uns herum ausbrach, lehnte<br />

<strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> über sie und begutachtete ihr Ges<strong>ich</strong>t um <strong>zu</strong> sehen ob sie bei Bewusstsein <strong>war</strong> – hoffte<br />

inständig, dass sie nirgendwo blutete.<br />

Ihre Augen <strong>war</strong>en weit geöffnet vor Schock.<br />

„Bella?“ fragte <strong>ich</strong> eindringend. „Bist du in Ordnung?“<br />

„Es geht <strong>mir</strong> gut.“ Sagte sie automatisch mit schwacher Stimme.<br />

Erle<strong>ich</strong>terung durchfuhr m<strong>ich</strong> als <strong>ich</strong> den Klang ihrer Stimme hörte, <strong>der</strong> so herrl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>, dass<br />

es fast wehtat. Ich nahm einen kurzen Atem<strong>zu</strong>g durch meine Zähne und <strong>der</strong> begleitende Schmerz in<br />

meiner Kehler störte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Ich genoss ihn fast.<br />

Sie versuchte s<strong>ich</strong> auf<strong>zu</strong>setzen, aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong> noch n<strong>ich</strong>t bereit, sie los<strong>zu</strong>lassen. Es fühlte s<strong>ich</strong><br />

irgendwie… s<strong>ich</strong>erer an? Besser jedenfalls, sie an meiner Seite <strong>zu</strong> haben.<br />

„Seih vors<strong>ich</strong>tig,“ <strong>war</strong>nte <strong>ich</strong> sie. „Ich glaube du hast dir deinen Kopf zieml<strong>ich</strong> heftig<br />

angeschlagen.“<br />

Da <strong>war</strong> kein Geruch von frischem Blut – welche Erle<strong>ich</strong>terung – aber das schloss noch lange<br />

keine inneren Verlet<strong>zu</strong>ngen aus. Ich wollte sie so schnell wie mögl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Carlisle bringen und <strong>zu</strong><br />

einem voll ausgestatteten Radiologischen Institute.<br />

„Au,“ sagte sie und ihre Stimme klang komischerweise überrascht, als sie merkte, dass <strong>ich</strong><br />

recht hatte, was ihren Kopf anging.<br />

„<strong>Das</strong> hab <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> gedacht.“ Ich lächelte vor Erle<strong>ich</strong>terung, fast schon albern.<br />

„Wie <strong>zu</strong>m Teufel…“ Ihre Stimme brach weg und ihre Li<strong>der</strong> zitterten. „Wie bist du so schnell<br />

hierhergekommen?“<br />

Die Erle<strong>ich</strong>terung wurde bitter, <strong>der</strong> Humor verschwand. Sie hatte <strong>zu</strong> viel gesehen.<br />

Jetzt, da <strong>mir</strong> klar wurde, dass dem Mädchen n<strong>ich</strong>ts fehlte, wurde <strong>die</strong> Sorge um meine Familie<br />

größer.<br />

„Ich stand direkt neben dir, Bella.“ Aus Erfahrung wusste <strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> sehr überzeugend sein<br />

konnte, wenn <strong>ich</strong> log, es veruns<strong>ich</strong>erte jeden Fragesteller bzgl. <strong>der</strong> Wahrheit.<br />

Sie versuchte wie<strong>der</strong> s<strong>ich</strong> auf<strong>zu</strong>setzen und <strong>die</strong>smal ließ <strong>ich</strong> es <strong>zu</strong>. Ich musste einatmen um<br />

meine Rolle besser spielen <strong>zu</strong> können. Ich brauchte Abstand <strong>zu</strong> ihrem mit <strong>war</strong>mem Blut gefüllten<br />

Körper, damit er m<strong>ich</strong> in Kombination mit ihrem Duft n<strong>ich</strong>t übermannte. Ich w<strong>ich</strong> so weit von ihr<br />

<strong>zu</strong>rück, wie es <strong>der</strong> schmale Raum zwischen den beiden Fahrzeugen <strong>zu</strong>ließ.<br />

Sie starrte <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> hoch und <strong>ich</strong> starrte <strong>zu</strong>rück. Zuerst weg<strong>zu</strong>schauen <strong>war</strong> ein Fehler den nur<br />

ein inkompetenter Lügner begehen würde, und <strong>ich</strong> <strong>war</strong> kein inkompetenter Lügner. Mein<br />

Ges<strong>ich</strong>tsausdruck <strong>war</strong> mild und freundl<strong>ich</strong>… Es schien sie <strong>zu</strong> verwirren. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> gut.<br />

Die Unfallstelle <strong>war</strong> nun umstellt. Hauptsächl<strong>ich</strong> Schüler, Kin<strong>der</strong> <strong>die</strong> versuchten durch <strong>die</strong><br />

Wracks einen <strong>Blick</strong> auf zerquetschte Körper erhaschen <strong>zu</strong> können. Stimmengewirr und schockierte<br />

Gedanken erhoben s<strong>ich</strong>. Ich durchsuchte <strong>die</strong> Gedanken um s<strong>ich</strong>er<strong>zu</strong>gehen, dass es noch keine<br />

Verdächtigungen gab und dann blendete <strong>ich</strong> sie aus um m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> auf das Mädchen <strong>zu</strong><br />

konzentrieren.<br />

Sie <strong>war</strong> abgelenkt von dem Durcheinan<strong>der</strong>. Sie blickte s<strong>ich</strong> um, ihr Ges<strong>ich</strong>tsausdruck immer<br />

noch geschockt und wollte aufstehen.<br />

Ich legte meine Hand auf ihre Schulter um sie sanft wie<strong>der</strong> auf den Boden <strong>zu</strong> drücken.


„Bleib besser noch etwas liegen.“ Sie wirkte z<strong>war</strong> unverletzt, aber sollte sie ihren Hals schon<br />

bewegen? Wie<strong>der</strong> wünschte <strong>ich</strong> Carlisle wäre hier. Meine jahrelangen theoretischen Stu<strong>die</strong>n in<br />

Medizin <strong>war</strong>en kein Vergle<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> seiner Jahrhun<strong>der</strong>telangen Praxiserfahrung.<br />

„Aber es ist kalt,“ stellte sie fest.<br />

Sie <strong>war</strong> vor wenigen Sekunden fast <strong>zu</strong> Tode gequetscht worden und ihre einzige Sorge <strong>war</strong><br />

<strong>die</strong> Kälte. Mir entfuhr ein k<strong>ich</strong>ern bevor <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> dran erinnerte, dass <strong>die</strong> Situation n<strong>ich</strong>t komisch<br />

<strong>war</strong>.<br />

Bella blinzelte und blickte <strong>mir</strong> dann direkt ins Ges<strong>ich</strong>t. „Du <strong>war</strong>st dort drüben.“<br />

<strong>Das</strong> ernüchterte m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong>.<br />

Sie blickte nach Süden, obwohl dort n<strong>ich</strong>ts weiter <strong>zu</strong> sehen <strong>war</strong> als <strong>die</strong> verbeulte Seite des<br />

Vans. „Du <strong>war</strong>st bei deinem Auto.“<br />

„Nein, <strong>war</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t.“<br />

„Ich hab d<strong>ich</strong> gesehen,“ beharrte sie; ihre Stimme wirkte kindl<strong>ich</strong>, wenn sie stur <strong>war</strong>. Sie<br />

schob ihr Kinn vor.<br />

„Bella, <strong>ich</strong> stand neben dir und hab d<strong>ich</strong> beiseite gezogen.“<br />

Ich schaute tief in ihre großen Augen um sie da<strong>zu</strong> <strong>zu</strong> bringen meine Version <strong>zu</strong> akzeptieren –<br />

<strong>die</strong> einzig akzeptable Version <strong>die</strong> <strong>zu</strong>r Verfügung stand.<br />

„Nein.“<br />

Ich versuchte, ruhig <strong>zu</strong> bleiben, n<strong>ich</strong>t in Panik <strong>zu</strong> geraten. Wenn <strong>ich</strong> sie nur wenige<br />

Augenblicke ruhig stellen könnte, um <strong>mir</strong> <strong>die</strong> Chance <strong>zu</strong> geben <strong>die</strong> Beweise <strong>zu</strong> vern<strong>ich</strong>ten… und um<br />

ihre Gesch<strong>ich</strong>te durch <strong>die</strong> Bekanntgabe ihrer Kopfverlet<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> untergraben.<br />

Sollte es n<strong>ich</strong>t le<strong>ich</strong>t sein, <strong>die</strong>ses stille, geheimnisvolle Mädchen ruhig <strong>zu</strong> halten? Wenn sie<br />

<strong>mir</strong> nur vertrauen würde, nur für ein paar Augenblicke…<br />

„Bitte, Bella,“ sagte <strong>ich</strong>, meine Stimme <strong>zu</strong> for<strong>der</strong>nd, weil <strong>ich</strong> wollte, dass sie <strong>mir</strong> vertraute. Ich<br />

wollte es ganz verzweifelt, n<strong>ich</strong>t nur wegen des Unfalls. Ein dummes Verlangen. Was für einen Sinn<br />

würde es für sie machen, <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> vertrauen?<br />

„Warum?“ fragte sie immer noch in Verteidigungshaltung.<br />

„Vertrau <strong>mir</strong>,“ bat <strong>ich</strong> sie.<br />

„Verspr<strong>ich</strong>st du <strong>mir</strong> später alles <strong>zu</strong> erklären?“<br />

Es machte m<strong>ich</strong> wütend, dass <strong>ich</strong> sie schon wie<strong>der</strong> anlügen musste, obwohl <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> so sehr<br />

wünschte, <strong>ich</strong> könnte ihr Vertrauen ver<strong>die</strong>nen. Deshalb klang meine Erwi<strong>der</strong>ung scharf.<br />

„Gut.“<br />

„Gut,“ sagte sie in demselben Tonfall.<br />

Als <strong>die</strong> Rettungsaktion um uns herum begann – Erwachsene tauchten auf, Lehrer riefen,<br />

Sirenen heulten in <strong>der</strong> Ferne – versuchte <strong>ich</strong> das Mädchen <strong>zu</strong> ignorieren und meine Prioritäten <strong>zu</strong><br />

ordnen. Ich durchsuchte alle Gedanken in <strong>der</strong> Menge, <strong>die</strong> Zeugen und <strong>die</strong> später da <strong>zu</strong>gestoßenen,<br />

aber <strong>ich</strong> konnte n<strong>ich</strong>ts Gefährl<strong>ich</strong>es finden. Viele <strong>war</strong>en überrascht, m<strong>ich</strong> hier mit Bella <strong>zu</strong> sehen,<br />

aber alle schlossen – da es keine an<strong>der</strong>e Mögl<strong>ich</strong>keit gab – dass sie einfach n<strong>ich</strong>t registriert hatten,<br />

dass <strong>ich</strong> neben dem Mädchen stand, vor dem Unfall.<br />

Sie <strong>war</strong> <strong>die</strong> einzige <strong>die</strong> <strong>die</strong> einfache Erklärung n<strong>ich</strong>t akzeptierte, aber sie würde <strong>die</strong> am<br />

wenigsten glaubhafte Zeugin sein. Sie <strong>war</strong> ängstl<strong>ich</strong>, traumatisiert und von <strong>der</strong> Beule an ihrem<br />

Hinterkopf ganz <strong>zu</strong> schweigen. Vielle<strong>ich</strong>t stand sie unter Schock. Ihre Gesch<strong>ich</strong>te <strong>war</strong> annehmbar,<br />

wenn sie verwirrt <strong>war</strong>, o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t? Niemand würde ihr all<strong>zu</strong> viel Beachtung schenken bei so vielen<br />

an<strong>der</strong>en zeugen…<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte <strong>zu</strong>sammen, als <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Gedanken von Rosalie, Jasper und Emmett auffing, <strong>die</strong><br />

gerade erst am Ort des Geschehens eintrafen. Sie würden <strong>mir</strong> heute Abend <strong>die</strong> Hölle heiß machen.


Ich wollte den Abdruck den meine Schultern in dem braunen Auto hinterlassen hatte<br />

ausbügeln, aber das Mädchen <strong>war</strong> <strong>zu</strong> nah. Ich würde <strong>war</strong>ten müssen, bis sie weggetragen wurde.<br />

Es <strong>war</strong> frustrierend <strong>zu</strong> <strong>war</strong>ten – so viele Augen auf m<strong>ich</strong> ger<strong>ich</strong>tet – als <strong>die</strong> Menschen mit<br />

dem Van kämpften um uns <strong>zu</strong> befreien. Ich hätte ihnen gern geholfen um das ganze <strong>zu</strong><br />

beschleunigen, aber <strong>ich</strong> hatte schon genug Schwierigkeiten und das Mädchen hatte scharfe Augen.<br />

Endl<strong>ich</strong> hatten sie es geschafft, den Wagen weit genug weg <strong>zu</strong> schieben, damit sie Sanitäter <strong>mir</strong> ihren<br />

Tragen <strong>zu</strong> uns durchkamen.<br />

Ein bekanntes, besorgtes Ges<strong>ich</strong>t begutachtete m<strong>ich</strong>.<br />

„Hey, Ed<strong>war</strong>d,“ sagte Brett Warner. Er <strong>war</strong> Pfleger und <strong>ich</strong> kannte ihn gut aus dem<br />

Krankenhaus in dem Carlisle arbeitete. Ein glückl<strong>ich</strong>er Zufall – das einzige Glück heute – dass er als<br />

<strong>erste</strong>r bei uns <strong>war</strong>. In Gedanken stellte er fest, dass <strong>ich</strong> gesund und ruhig aussah. „Bist du in Ordnung,<br />

Junge?“<br />

„Alles bestens, Brett. Ich hab n<strong>ich</strong>ts abbekommen. Aber <strong>ich</strong> glaube, Bella könnte eine<br />

Gehirnerschütterung haben. Sie ist sehr hart mit dem Kopf aufgeschlagen, als <strong>ich</strong> sie beiseite gezogen<br />

habe…“<br />

Brett widmete seine Aufmerksamkeit dem Mädchen, das <strong>mir</strong> einen grimmigen <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong><strong>war</strong>f.<br />

Ach ja, r<strong>ich</strong>tig. Sie <strong>war</strong> <strong>der</strong> Stille Märtyrer – sie hätte lieber im Stillen gelitten.<br />

Sie stritt meine Gesch<strong>ich</strong>te n<strong>ich</strong>t sofort ab, was m<strong>ich</strong> erle<strong>ich</strong>terte.<br />

Der nächste Sanitäter wollte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so einfach davon kommen lassen, aber <strong>ich</strong> hatte<br />

keine Mühe ihn davon <strong>zu</strong> überzeugen, dass es <strong>mir</strong> gut ging. Ich versprach, dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> von meinem<br />

Vater untersuchen lassen würde und damit ließ er es gut sein. Den meisten Menschen musste man<br />

einfach nur mit einem S<strong>ich</strong>eren Auftreten begegnen. Den meisten Menschen, aber n<strong>ich</strong>t dem<br />

Mädchen, natürl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Passte sie auf irgendeines <strong>der</strong> normalen Muster?<br />

Als sie ihr eine Halskrause anlegten – ihr Ges<strong>ich</strong>t lief rot an vor Scham – nutzte <strong>ich</strong> den<br />

Moment in dem alle abgelenkt <strong>war</strong>en um mit meinem Fuß <strong>die</strong> Delle in dem braunen Auto<br />

aus<strong>zu</strong>beulen. Nur meine Geschwister merkten was <strong>ich</strong> da tat und <strong>ich</strong> hörte Emmett Versprechen in<br />

Gedanken, dass er s<strong>ich</strong> um alles kümmern würde, was <strong>ich</strong> übersehen hatte.<br />

Dankbar für seine Hilfe – und noch dankbarer dafür, dass Emmett <strong>mir</strong> meine gefährl<strong>ich</strong>e<br />

Wahl schon vergeben hatte – stieg <strong>ich</strong> beruhigt auf den Beifahrersitz des Krankenwagens neben<br />

Brett.<br />

Der Polize<strong>ich</strong>ef erre<strong>ich</strong>te den Unfallort bevor man Bella in den hintern Teil des<br />

Krankenwagens geschoben hatte.<br />

Z<strong>war</strong> <strong>war</strong>en <strong>die</strong> Gedanken von Bellas Vater keine Worte, aber <strong>die</strong> Panik und <strong>die</strong> Sorge, <strong>die</strong><br />

aus ihnen herausströmten, überlagerten alle an<strong>der</strong>en Gedanken in <strong>der</strong> Nähe. Wortlose Angst und<br />

Schuldgefühle strömten Flutartig aus ihm heraus, als er seine einzige Tochter auf <strong>die</strong> Bahre geschnallt<br />

sah.<br />

Strömten aus ihm heraus und in m<strong>ich</strong> hinein, hallten wie<strong>der</strong> und wurden stärker. Als Alice<br />

m<strong>ich</strong> <strong>war</strong>nte, dass <strong>der</strong> Tod von Charlie Swans Tochter ihn auch töten würde, hatte sie n<strong>ich</strong>t<br />

übertrieben.<br />

Mein Kopf wurde schwer vor Schuldgefühlen, als <strong>ich</strong> seiner panischen Stimme lauschte.<br />

„Bella!“ rief er.<br />

„Es geht <strong>mir</strong> gut, Char – Dad.“ Seufzte sie. „Mir ist n<strong>ich</strong>ts passiert.“<br />

Ihre Vers<strong>ich</strong>erung beruhigte ihren Dad kaum. Er wandte s<strong>ich</strong> sofort an den nächsten Sanitäter<br />

um mehr Informationen <strong>zu</strong> bekommen.


Erst als <strong>ich</strong> ihn reden hörte, er formulierte perfekt <strong>zu</strong>sammenhängende Sätze, ohne<br />

panischen Unterton, bemerkte <strong>ich</strong>, dass seine Angst und seine Sorge n<strong>ich</strong>t wortlos <strong>war</strong>en. Ich konnte<br />

<strong>die</strong> genauen Worte einfach nur… n<strong>ich</strong>t hören.<br />

Hmm. Charlie Swan <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t so still wie seine Tochter, aber <strong>ich</strong> konnte sehen wo sie es<br />

herhatte. Interessant.<br />

Ich hatte nie viel zeit in <strong>der</strong> Nähe des örtl<strong>ich</strong>en Polize<strong>ich</strong>efs verbracht. Ich hatte ihn immer für<br />

einen langsamen Denker gehalten – jetzt bemerkte <strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> <strong>der</strong>jenige <strong>war</strong>, <strong>der</strong> langsam <strong>war</strong>.<br />

Seine Gedanken <strong>war</strong>en teilweise verschlossen, n<strong>ich</strong>t abwesend. Ich konnte nur ihre Grundhaltung,<br />

ihren Ton ausmachen…<br />

Ich wollte genauer <strong>zu</strong>hören um <strong>zu</strong> sehen ob <strong>ich</strong> in <strong>die</strong>sem einfacheren Puzzel den Schlüssel <strong>zu</strong><br />

den Gedanken des Mädchens finden konnte. Aber Bella <strong>war</strong> mittlerweile im hinteren Teil des<br />

Wagens und <strong>der</strong> Krankenwagen machte s<strong>ich</strong> auf den Weg <strong>zu</strong>m Krankenhaus.<br />

Es <strong>war</strong> schwer m<strong>ich</strong> von <strong>der</strong> mögl<strong>ich</strong>en Lösung <strong>zu</strong> dem Geheimnis, dass m<strong>ich</strong> verfolgte<br />

los<strong>zu</strong>reißen. Aber <strong>ich</strong> musste jetzt nachdenken – <strong>ich</strong> musste <strong>die</strong> heutigen Geschehnisse aus jedem<br />

Winkel betrachten. Ich musste <strong>zu</strong>hören um heraus<strong>zu</strong>finden, ob <strong>ich</strong> uns alle in so große Gefahr<br />

gebracht hatte, dass wir auf <strong>der</strong> Stelle würden abreisen müssen. Ich musste m<strong>ich</strong> konzentrieren.<br />

In den Gedanken <strong>der</strong> Sanitäter <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>ts Beunruhigendes <strong>zu</strong> hören. Soweit sie es beurteilen<br />

konnten, hatte das Mädchen keine ernsthaften Verlet<strong>zu</strong>ngen. Und Bella hielt s<strong>ich</strong> an <strong>die</strong> Gesch<strong>ich</strong>te,<br />

<strong>die</strong> <strong>ich</strong> ihr geliefert hatte, bis jetzt jedenfalls.<br />

Als wir das Krankenhaus erre<strong>ich</strong>ten, <strong>war</strong> meine <strong>erste</strong> Priorität mit Carlisle <strong>zu</strong> sprechen. Ich<br />

eilte durch <strong>die</strong> automatischen Türen, aber <strong>ich</strong> konnte n<strong>ich</strong>t darauf verz<strong>ich</strong>ten, Bella <strong>zu</strong> beobachten;<br />

<strong>ich</strong> behielt sie durch <strong>die</strong> Gedanken <strong>der</strong> Sanitäter im Auge.<br />

Es <strong>war</strong> le<strong>ich</strong>t den bekannten Geist meines Vaters <strong>zu</strong> finden. Er <strong>war</strong> in seinem kleinen Büro,<br />

allein – <strong>der</strong> zweite Glücksfall, an <strong>die</strong>sem mit Unglück verhangenen Tag.<br />

„Carlisle.“<br />

Er hörte m<strong>ich</strong> kommen und <strong>war</strong> sofort alarmiert als er den Ausdruck auf meinem Ges<strong>ich</strong>t sah.<br />

Er sprang auf seine Füße und sein Ges<strong>ich</strong>t wurde knochenble<strong>ich</strong>. Er lehnte s<strong>ich</strong> über den sauber<br />

aufgeräumten Walnussschreibtisch.<br />

Ed<strong>war</strong>d – du hast doch n<strong>ich</strong>t –<br />

„Nein, nein, das ist es n<strong>ich</strong>t.“<br />

Er atmete tief durch. Natürl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Tut <strong>mir</strong> leid, dass <strong>ich</strong> sowas auch nur denken konnte.<br />

Deine Augen, <strong>ich</strong> hätte es selbstverständl<strong>ich</strong> wissen müssen… Er bemerkte meine immer noch<br />

goldenen Augen mit Erle<strong>ich</strong>terung.<br />

„Sie ist trotzdem verletzt, Carlisle, vermutl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t schwer, aber…“<br />

„Was ist passiert?“<br />

„Ein blö<strong>der</strong> Autounfall. Sie <strong>war</strong> <strong>zu</strong>r falschen Zeit am falschen Ort. Aber <strong>ich</strong> konnte n<strong>ich</strong>t<br />

einfach dastehen und <strong>zu</strong>sehen – sie sterben lassen…“<br />

Erzähl <strong>mir</strong> alles von Anfang an, <strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>h's n<strong>ich</strong>t. Wie bist du in <strong>die</strong> Sache verwickelt?<br />

„Ein Van schlid<strong>der</strong>te über das Eis,“ flüsterte <strong>ich</strong>. Ich starrte <strong>die</strong> Wand hinter ihm an während<br />

<strong>ich</strong> sprach. Statt einer Reihe von Diplomen hatte er nur ein einfaches Ölgemälde an <strong>der</strong> Wand – eins<br />

seiner Lieblinge, ein unentdeckter Hassam. „Sie <strong>war</strong> im Weg. Alice hat es kommen sehen, aber <strong>ich</strong><br />

hatte keine Zeit um irgendetwas an<strong>der</strong>es <strong>zu</strong> tun als über den Platz <strong>zu</strong> rennen und sie aus dem Weg <strong>zu</strong><br />

zerren. Niemand hat etwas gesehen… abgesehen von ihr. Es… es tut <strong>mir</strong> leid, Carlisle. Ich wollte uns<br />

n<strong>ich</strong>t in Gefahr bringen.“<br />

Er umrundete den Tisch und legte seine Hand auf meine Schulter.


Du hast das r<strong>ich</strong>tige getan. Und es <strong>war</strong> s<strong>ich</strong>er n<strong>ich</strong>t le<strong>ich</strong>t für d<strong>ich</strong>. Ich bin stolz auf d<strong>ich</strong>,<br />

Ed<strong>war</strong>d.<br />

Dann konnte <strong>ich</strong> ihm in <strong>die</strong> Augen sehen. „Sie weiß dass mit <strong>mir</strong> etwas… n<strong>ich</strong>t stimmt.“<br />

„<strong>Das</strong> macht n<strong>ich</strong>ts. Wenn wir gehen müssen, dann gehen wir. Was hat sie gesagt?“<br />

Ich schüttelte ein wenig frustriert meinen Kopf. „Noch n<strong>ich</strong>ts.“<br />

Noch?<br />

„Sie hält s<strong>ich</strong> an meine Version <strong>der</strong> Geschehnisse – aber sie er<strong>war</strong>tet eine Erklärung.“<br />

Er runzelte abwägend <strong>die</strong> Stirn.<br />

„Sie hat s<strong>ich</strong> den Kopf gestoßen – naja, <strong>ich</strong> bin daran schuld,“ fügte <strong>ich</strong> schnell hin<strong>zu</strong>. „Ich<br />

<strong>war</strong>f sie zieml<strong>ich</strong> hart <strong>zu</strong> Boden. Sie scheint in Ordnung <strong>zu</strong> sein, aber… <strong>ich</strong> denke n<strong>ich</strong>t, dass es schwer<br />

wird, ihre Glaubhaftigkeit an<strong>zu</strong>zweifeln.“<br />

Ich fühlte m<strong>ich</strong> wie ein Verräter, als <strong>ich</strong> das sagte.<br />

Carlisle bemerkte, dass <strong>mir</strong> das n<strong>ich</strong>t gefiel. Vielle<strong>ich</strong>t wird das n<strong>ich</strong>t nötig sein. Lass uns<br />

sehen, was passiert, sollen wir? Es hört s<strong>ich</strong> an, als hätte <strong>ich</strong> eine Patientin nach <strong>der</strong> <strong>ich</strong> sehen muss.<br />

„Ja bitte,“ sagte <strong>ich</strong>. „Ich mach <strong>mir</strong> solche Sorgen, dass <strong>ich</strong> sie verletzt haben könnte.“<br />

Carlisles Ges<strong>ich</strong>t erhellte s<strong>ich</strong>. Er glättete seine vollen Haare – nur ein paar Stufen heller als<br />

seine goldenen Augen – und lachte.<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> wohl ein interessanter Tag für d<strong>ich</strong>, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>? In seinen Gedanken konnte <strong>ich</strong> <strong>die</strong><br />

Ironie erkenne und es schien ihn <strong>zu</strong> belustigen. Was für ein Rollentausch. Irgendwann während<br />

<strong>die</strong>ser Gedankenlosen Sekunde in <strong>der</strong> <strong>ich</strong> über den eisigen Parkplatz gesprintet bin, hatte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong><br />

vom Killer <strong>zu</strong>m Beschützer entwickelt.<br />

Ich lachte mit ihm, als <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> daran erinnerte, dass <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> so s<strong>ich</strong>er <strong>war</strong>, dass Bella niemals<br />

mehr Schutz vor etwas brauchte, als vor <strong>mir</strong>. Aber mein Lachen <strong>war</strong> halbherzig, denn abgesehen von<br />

dem Van, entsprach das immer noch <strong>der</strong> Wahrheit.<br />

Ich <strong>war</strong>tete allein in Carlisles Büro – eine <strong>der</strong> längsten Stunden in meinem ganzen Leben – und<br />

lauschte dem Krankenhaus voller Gedanken.<br />

Tyler Crowley, <strong>der</strong> Fahrer des Wagens schien es schlimmer erwischt <strong>zu</strong> haben als Bella und<br />

<strong>die</strong> Aufmerksamkeit wandte s<strong>ich</strong> ihm <strong>zu</strong>, während sie darauf <strong>war</strong>tete geröntgt <strong>zu</strong> werden. Carlisle<br />

hielt s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rück und vertraute <strong>der</strong> Diagnose <strong>der</strong> Sanitäter, dass das Mädchen n<strong>ich</strong>t schwer verletzt<br />

<strong>war</strong>. <strong>Das</strong> beunruhigte m<strong>ich</strong>, aber <strong>ich</strong> wusste, dass er recht hatte. Ein <strong>Blick</strong> auf sein Ges<strong>ich</strong>t und sie<br />

würde sofort an m<strong>ich</strong> denken, an <strong>die</strong> Tatsache dass mit meiner Familie etwas n<strong>ich</strong>t stimmte und das<br />

könnte sie <strong>zu</strong>m Reden bringen.<br />

Sie hatte s<strong>ich</strong>er einen redseligen Gesprächspartner an ihrer Seite. Tyler <strong>war</strong> voller<br />

Schuldgefühle weil er sie fast getötet hätte und er schien das Thema n<strong>ich</strong>t fallen lassen <strong>zu</strong> können.<br />

Ich konnte ihren Ges<strong>ich</strong>tsausdruck durch seine Augen sehen und es <strong>war</strong> eindeutig, dass sie s<strong>ich</strong><br />

wünschte er würde damit aufhören. Wie konnte er das n<strong>ich</strong>t sehen?<br />

Als Tyler sie fragte, wie sie so schnell reagieren konnte wurde <strong>ich</strong> hellhörig.<br />

Ich <strong>war</strong>tete atemlos, als sie zögerte.<br />

„Ähm…“ hörte er sie sagen. Dann überlegte sie so lange, dass Tyler dachte, seine Frage hätte<br />

sie verwirrt. Schließl<strong>ich</strong> sprach sie weiter. „Ed<strong>war</strong>d hat m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>r Seite geschoben.“<br />

Ich atmete auf. Und dann beschleunigte s<strong>ich</strong> mein Atem. Ich hatte sie noch nie <strong>zu</strong>vor meinen<br />

Namen aussprechen hören. Ich mochte den Klang – auch wenn <strong>ich</strong> ihn nur durch Tylers Gedanken<br />

hörte. Ich wollte es selbst hören…


„Ed<strong>war</strong>d Cullen,“ sagte sie, als Tyler n<strong>ich</strong>t verstand, wen sie meinte. Ich fand m<strong>ich</strong> an <strong>der</strong> Tür<br />

wie<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Hand am Türknauf. <strong>Das</strong> Verlangen sie <strong>zu</strong> sehen wurde immer stärker. Ich musste m<strong>ich</strong><br />

daran erinnern, vors<strong>ich</strong>tig <strong>zu</strong> sein.<br />

„Er stand neben <strong>mir</strong>.“<br />

„Cullen?“ Häh. <strong>Das</strong> ist komisch. „Ich hab ihn gar n<strong>ich</strong>t gesehen.“ Ich hätte schwören können…<br />

„Wow, es ging alles so schnelle. Ist er okay?“<br />

„Ich glaub schon. Er ist auch hier irgendwo, aber er musste n<strong>ich</strong>t auf eine Bahre.“<br />

Ich sah den gedankenverlorenen Ausdruck auf ihrem Ges<strong>ich</strong>t, wie s<strong>ich</strong> ihre Augen verengten,<br />

aber <strong>die</strong>se kleinen Verän<strong>der</strong>ungen bemerkte Tyler n<strong>ich</strong>t.<br />

Sie ist hübsch, dachte er beinahe überrascht. Sogar wenn sie total fertig ist. Z<strong>war</strong> eigentl<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t mein Typ, aber dennoch… Ich sollte sie mal ausführen. Vielle<strong>ich</strong>t heute…<br />

Mit einem Mal <strong>war</strong> <strong>ich</strong> auf dem Flur, auf halbem Weg <strong>zu</strong>r Notaufnahme, ohne auch nur eine<br />

Sekunde darüber nach<strong>zu</strong>denken, was <strong>ich</strong> tat. Glückl<strong>ich</strong>erweise betrat <strong>die</strong> Schwester vor <strong>mir</strong> den<br />

Raum – Bella sollte geröntgt werden. Ich lehnte m<strong>ich</strong> an <strong>die</strong> Wand in einen dunklen Winkel direkt um<br />

<strong>die</strong> Ecke und versuchte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> fassen während sie weggerollt wurde.<br />

Es <strong>war</strong> unw<strong>ich</strong>tig, dass Tyler sie hübsch fand. Jedem würde das auffallen. Es gab keinen<br />

Grund für <strong>die</strong>se Gefühle in <strong>mir</strong>… was <strong>war</strong>en das für Gefühle? Verwirrung? O<strong>der</strong> <strong>war</strong> <strong>ich</strong> eher wütend?<br />

<strong>Das</strong> machte alles keinen Sinn.<br />

Ich blieb wo <strong>ich</strong> <strong>war</strong> so lange <strong>ich</strong> konnte, aber <strong>die</strong> Ungeduld obsiegte und <strong>ich</strong> nahm einen<br />

an<strong>der</strong>en Weg in R<strong>ich</strong>tung Röntgenraum. Sie wurde bereits <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong>r Notaufnahme gebracht, aber<br />

<strong>ich</strong> konnte einen <strong>Blick</strong> auf ihre Röntgenbil<strong>der</strong> werfen, als <strong>die</strong> Schwester <strong>mir</strong> den Rücken <strong>zu</strong>drehte.<br />

Es beruhigte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sehen, dass es ihrem Kopf gut ging. Ich hatte sie n<strong>ich</strong>t verletzte, n<strong>ich</strong>t<br />

wirkl<strong>ich</strong>.<br />

Carlisle erwischte m<strong>ich</strong> hier.<br />

Du siehst besser aus, kommentierte er.<br />

Ich sah weiter geradeaus. Wir <strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t allein, <strong>die</strong> Halle <strong>war</strong> voller Patienten und<br />

Besucher.<br />

Ah, ja. Er heftete ihre Röntgenbil<strong>der</strong> an <strong>die</strong> L<strong>ich</strong>ttafel(?), aber <strong>ich</strong> brauchte keinen zweiten<br />

<strong>Blick</strong> darauf <strong>zu</strong> werfen. Ich seh schon. Sie ist vollkommen in Ordnung. Gut gemacht, Ed<strong>war</strong>d.<br />

Die Anerkennung meines Vaters weckte gemischte Gefühle in <strong>mir</strong>. Ich wäre erle<strong>ich</strong>tert<br />

gewesen, wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gewusst hätte, dass er n<strong>ich</strong>t loben würde, was <strong>ich</strong> jetzt vorhatte. Er wäre<br />

n<strong>ich</strong>t begeistert, wenn er meine wahre Motivation kennen würde…<br />

„Ich denke, <strong>ich</strong> werde jetzt mal mit ihr reden – bevor sie d<strong>ich</strong> sieht,“ murmelte <strong>ich</strong>. „Verhalte<br />

m<strong>ich</strong> normal, als wäre n<strong>ich</strong>ts gewesen. Ich werde es ausbügeln.“ Alles akzeptable Gründe.<br />

Carlisle nickte abwesend während er immer noch auf <strong>die</strong> Röntgenbil<strong>der</strong> schaute. „Gute Idee.<br />

Hmm.“<br />

Ich schaute nach, was sein Interesse geweckt hatte.<br />

Schau dir all <strong>die</strong>se verheilten Prellungen an! Wie oft hat ihre Mutter sie wohl fallen lassen?<br />

Carlisle lachte über seinen Witz.<br />

„Ich fange an <strong>zu</strong> glauben, dass das Mädchen einfach nur Pech hat. Immer <strong>zu</strong>r falschen Zeit<br />

am falschen Ort.“<br />

Forks ist s<strong>ich</strong>er <strong>der</strong> falsche Ort für sie, wenn du hier bist.<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte <strong>zu</strong>sammen.<br />

Geh schon. Bügel es aus. Ich komme jeden Moment nach.<br />

Ich lief schnell weg und fühlte m<strong>ich</strong> schuldig. Vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> <strong>ich</strong> ein <strong>zu</strong> guter Lügner, wenn <strong>ich</strong><br />

sogar Carlisle austricksen konnte.


Als <strong>ich</strong> in <strong>die</strong> Notaufnahme kam, murmelte Tyler immer noch Entschuldigungen vor s<strong>ich</strong> hin.<br />

<strong>Das</strong> Mädchen versuchte seiner Reue <strong>zu</strong> entkommen indem sie so tat als würde sie schlafen. Ihre<br />

Augen <strong>war</strong>en geschlossen, aber ihr Atem <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t gle<strong>ich</strong>mäßig und hin und wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>ckten ihre<br />

Finger ungeduldig.<br />

Ich starrte sie lange an. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> das letzte Mal dass <strong>ich</strong> sie sehen würde. Diese Tatsache<br />

verursachte starke Schmerzen in meiner Brust. War es weil <strong>ich</strong> es hasste ein Rätsel ungelöst<br />

<strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>lassen? <strong>Das</strong> erschien <strong>mir</strong> keine gute Erklärung <strong>zu</strong> sein.<br />

Dann atmete <strong>ich</strong> tief durch und trat ins S<strong>ich</strong>tfeld.<br />

Als Tyler m<strong>ich</strong> sah wollte er etwas sagen, aber <strong>ich</strong> legte einen Finger an meine Lippen.<br />

„Schläft sie?“ murmelte <strong>ich</strong>.<br />

Bellas Augen sprangen auf und fixierten m<strong>ich</strong>. Sie weiteten s<strong>ich</strong> augenblickl<strong>ich</strong> und wurden<br />

dann kleiner vor Ärger und Misstrauen. Ich erinnerte m<strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> eine Rolle <strong>zu</strong> spielen hatte, also<br />

lächelte <strong>ich</strong> sie an als wäre n<strong>ich</strong>ts Ungewöhnl<strong>ich</strong>es passiert – außer einer Beule an ihrem Kopf und ein<br />

bisschen <strong>zu</strong> viel Fantasie.<br />

„Hey, Ed<strong>war</strong>d,“ sagte Tyler. „Es tut <strong>mir</strong> so leid…“<br />

Ich hob eine Hand um sein Entschuldigung ab<strong>zu</strong>wehren. „Es ist ja kein Blut vergossen<br />

worden,“ sagte <strong>ich</strong> le<strong>ich</strong>thin. Ohne nach<strong>zu</strong>denken lächelte <strong>ich</strong> ein wenig <strong>zu</strong> breit über meinen kleinen<br />

Insi<strong>der</strong>.<br />

Es <strong>war</strong> erstaunl<strong>ich</strong> einfach Tyler <strong>zu</strong> ignorieren, <strong>der</strong> keinen Meter von <strong>mir</strong> entfernt lag über<br />

und über mit frischem Blut bedeckt. Ich hatte nie verstanden, wie Carlisle das schaffte – das Blut<br />

seiner Patienten <strong>zu</strong> ignorieren, während er sie behandelte. Wäre <strong>die</strong> andauernde Versuchung n<strong>ich</strong>t<br />

<strong>zu</strong> groß, <strong>zu</strong> gefährl<strong>ich</strong>…? Aber jetzt… verstand <strong>ich</strong> es, wenn man s<strong>ich</strong> nur stark genug auf etwas<br />

an<strong>der</strong>es konzentrierte, <strong>war</strong> <strong>die</strong> Versuchung gar n<strong>ich</strong>t so groß.<br />

Obwohl es frisch und offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>, Tylers Blut <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>ts im Vergle<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Bellas.<br />

Ich hielt Abstand von ihr und setzte m<strong>ich</strong> ans Fußende von Tylers Bett.<br />

„Also, wie lautet das Urteil?“ fragte <strong>ich</strong> sie.<br />

Sie schob ihre Unterlippe ein wenig vor. „Mit <strong>mir</strong> ist alles in Ordnung. Aber sie lassen m<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t gehen. Wie kommt es dass du n<strong>ich</strong>t auf eine Bahre geschnallt bist, wie <strong>der</strong> Rest von uns?“<br />

Ihre Ungeduld brachte m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>m lächeln.<br />

Ich konnte Carlisle in <strong>der</strong> Halle hören.<br />

„Alles eine Frage <strong>der</strong> Beziehungen,“ sagte <strong>ich</strong> le<strong>ich</strong>thin. „Aber keine Sorge, <strong>ich</strong> bin gekommen<br />

um d<strong>ich</strong> hier raus<strong>zu</strong>holen.“<br />

Ich beobachtete ihre Reaktion genau als mein Vater den Raum betrat. Ihre Augen wurden<br />

größer und ihr Mund klappte auf vor Überraschung. Ich stöhnte innerl<strong>ich</strong> auf. Ja sie hatte <strong>die</strong><br />

Ähnl<strong>ich</strong>keit bemerkt.<br />

„So, Miss Swan, wie fühlen sie s<strong>ich</strong>?“ fragte Carlisle. Er hatte eine Art an s<strong>ich</strong> mit <strong>der</strong> er jeden<br />

Patienten mühelos beruhigen konnte innerhalb weniger Augenblicke. Ich konnte n<strong>ich</strong>t sagen, wie es<br />

bei Bella wirkte.<br />

„Es geht <strong>mir</strong> gut,“ sagte sie leise.<br />

Carlisle befestigte <strong>die</strong> Röntgenbil<strong>der</strong> an <strong>der</strong> L<strong>ich</strong>ttafel über dem Bett. „Deine<br />

Röntgenaufnahmen sehen gut aus. Tut dein Kopf weh? Ed<strong>war</strong>d sagt, du bist zieml<strong>ich</strong> hart<br />

aufgeschlagen.“<br />

Sie seufzte und sagte wie<strong>der</strong>, „Es geht <strong>mir</strong> gut,“ aber <strong>die</strong>smal schwang etwas Ungeduld in<br />

ihrer Stimme mit. Dann <strong>war</strong>f sie <strong>mir</strong> einen kühlen <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong>.<br />

Carlisle trat näher an sie heran und tastete ihren Kopf ab, bis er <strong>die</strong> Beule unter ihren Haaren<br />

fand.


Ich wurde hinterrücks von einer Welle seltsamer Gefühle überrannt.<br />

Ich hatte Carlisle schon tausendmal <strong>zu</strong>gesehen wie er Menschen behandelte. Vor Jahren hab<br />

<strong>ich</strong> ihm sogar nebenbei geholfen – natürl<strong>ich</strong> nur in Situation wo kein Blut involviert <strong>war</strong>. Es <strong>war</strong> also<br />

n<strong>ich</strong>ts Neues für m<strong>ich</strong>, <strong>zu</strong> sehen, dass er mit dem Mädchen umging, als wäre er genauso menschl<strong>ich</strong><br />

wie sie. Ich beneidete ihn oft wegen seiner Selbstkontrolle, aber <strong>die</strong>ses Gefühl <strong>war</strong> an<strong>der</strong>s. Ich<br />

beneidete ihn um mehr als nur um seine Selbstkontrolle. Ich sehnte m<strong>ich</strong> nach dem Unterschied<br />

zwischen Carlisle und <strong>mir</strong> – dass er sie sanft berühren konnte, ohne angst haben <strong>zu</strong> müssen, <strong>zu</strong><br />

wissen, dass er ihr n<strong>ich</strong>ts tun würde…<br />

Sie <strong>zu</strong>ckte <strong>zu</strong>sammen und <strong>ich</strong> rutschte unruhig auf meinem Platz herum. Ich musste m<strong>ich</strong><br />

einen Moment konzentrieren, um meine lässige Haltung bei<strong>zu</strong>behalten.<br />

„Empfindl<strong>ich</strong>?“ fragte Carlisle.<br />

Ihr Kinn trat ein wenig hervor. „N<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong>,“ sagte sie.<br />

Ein weiterer kleiner Teil ihres Charakters offenbarte s<strong>ich</strong> <strong>mir</strong>: sie <strong>war</strong> mutig. Sie mochte es<br />

n<strong>ich</strong>t, Schwäche <strong>zu</strong> zeigen.<br />

Wohlmögl<strong>ich</strong> <strong>die</strong> verletzl<strong>ich</strong>ste Person <strong>die</strong> <strong>ich</strong> je gesehen hatte und sie wollte n<strong>ich</strong>t schwach<br />

wirken. Ich konnte ein K<strong>ich</strong>ern n<strong>ich</strong>t unterdrücken.<br />

Sie <strong>war</strong>f <strong>mir</strong> einen weiteren wütenden <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong>.<br />

„Also,“ sagte Carlisle. „Dein Vater ist im Wartezimmer – du kannst mit ihm nach Hause<br />

gehen. Aber komm wie<strong>der</strong> wenn dir schwindelig wird o<strong>der</strong> deine S<strong>ich</strong>t beeinträchtigt wird.“<br />

Ihr Vater <strong>war</strong> hier? Ich tastete <strong>die</strong> Gedanken im überfüllten Wartezimmer ab, aber <strong>ich</strong> konnte<br />

seine feine mentale Stimme aus <strong>der</strong> Gruppe n<strong>ich</strong>t herausfiltern bis sie wie<strong>der</strong> sprach, ihr<br />

Ges<strong>ich</strong>tsausdruck <strong>war</strong> ängstl<strong>ich</strong>.<br />

„Kann <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>r Schule gehen?“<br />

„Vielle<strong>ich</strong>t solltest du es langsam angehen, heute,“ schlug Carlisle vor.<br />

Ihre Augen wendeten s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong>. „Kann er wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>r Schule gehen?“<br />

Verhalte d<strong>ich</strong> normal, bügel alles aus… ignoriere wie es s<strong>ich</strong> anfühlt, wenn sie dir in <strong>die</strong> Augen<br />

blickt…<br />

„Irgendjemand muss doch <strong>die</strong> Gute Neuigkeit überbringen, dass wir überlebt haben,“ sagte<br />

<strong>ich</strong>.<br />

„Eigentl<strong>ich</strong>,“ korrigierte m<strong>ich</strong> Carlisle, „befindet s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> Schule im<br />

Wartezimmer.“<br />

Diesmal konnte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> ihre Reaktion vorstellen – ihre Aversion gegen Aufmerksamkeit. Sie<br />

enttäuschte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t.<br />

„Oh nein,“ stöhnte sie und hob <strong>die</strong> Hände vors Ges<strong>ich</strong>t.<br />

Es fühlte s<strong>ich</strong> gut an r<strong>ich</strong>tig geraten <strong>zu</strong> haben. Ich begann sie <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>hen…<br />

„Möchtest du lieber noch bleiben?“ fragte Carlisle.<br />

„Nein, nein!“ sagte sie schnell und schwang ihre Beine über <strong>die</strong> Bahre und glitt auf den<br />

Boden. Sie verlor das Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>t und stolperte in Carlisles Arme. Er fing sie auf und half ihr das<br />

Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>t wie<strong>der</strong><strong>zu</strong>finden.<br />

Und wie<strong>der</strong> keimte <strong>der</strong> Neid in <strong>mir</strong> auf.<br />

„Es geht <strong>mir</strong> gut,“ sagte sie, bevor er etwas sagen konnte, ihr Wangen wie<strong>der</strong> gerötet.<br />

Natürl<strong>ich</strong> würde das Carlisle n<strong>ich</strong>ts ausmachen. Er ging s<strong>ich</strong>er, dass sie stehen konnte und ließ<br />

sie los.<br />

„Nimm etwas Tylenol gegen <strong>die</strong> Schmerzen,“ empfahl er.<br />

„So schlimm tut es gar n<strong>ich</strong>t weh.“


Carlisle lächelte als sie ihre Papiere unterze<strong>ich</strong>nete. „Hört s<strong>ich</strong> an, als hättest du großes Glück<br />

gehabt.“<br />

Sie drehte ihr Ges<strong>ich</strong>t le<strong>ich</strong>t, um m<strong>ich</strong> mit eisigen Augen an<strong>zu</strong>starren. „Ich hatte Glück, dass<br />

Ed<strong>war</strong>d <strong>zu</strong>fällig neben <strong>mir</strong> stand.“<br />

„Oh, ja natürl<strong>ich</strong>,“ stimmte Carlisle sofort <strong>zu</strong>. Er hatte dasselbe in ihrem Tonfall gehört wie<br />

<strong>ich</strong>. Sie hatte ihren Verdacht n<strong>ich</strong>t als Einbildung abgeschrieben. Noch n<strong>ich</strong>t.<br />

Sie gehört dir, dachte Carlisle. Regel das wie du meinst.<br />

„Vielen Dank auch,“ flüsterte <strong>ich</strong> schnell und leise. Kein Mensch konnte das hören. Carlisles<br />

Mundwinkel hoben s<strong>ich</strong> le<strong>ich</strong>t, als er den Sarkasmus bemerkte und wandte s<strong>ich</strong> an Tyler. „Du musst<br />

aber wohl noch etwas länger bei uns bleiben,“ sagte er als er <strong>die</strong> Schnittwunden untersuchte, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

zersplitterte Windschutzscheibe hinterlassen hatte.<br />

Naja, <strong>ich</strong> hatte <strong>mir</strong> <strong>die</strong> Suppe eingebrockt, da <strong>war</strong> es nur fair, dass <strong>ich</strong> sie selbst auslöffelte.<br />

Bella kam direkt auf m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> und hielt n<strong>ich</strong>t an, bis sie unangenehm nah <strong>war</strong>. Ich erinnerte<br />

m<strong>ich</strong> wie <strong>ich</strong> gehofft hatte, bevor das ganze Chaos ausgebrochen <strong>war</strong>, dass sie auf m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>kommen<br />

würde… <strong>Das</strong> hier <strong>war</strong> wie eine Verspottung <strong>die</strong>ses Wunsches.<br />

„Kann <strong>ich</strong> kurz mal mit dir reden?“ zischte sie.<br />

Ihr <strong>war</strong>mer Atem str<strong>ich</strong> <strong>mir</strong> übers Ges<strong>ich</strong>t und <strong>ich</strong> musste einen Schritt <strong>zu</strong>rückwe<strong>ich</strong>en. Ihre<br />

Anziehungskraft hatte kein bisschen nachgelassen. Jedesmal wenn sie <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> nahe kam, brachte es<br />

das schlechteste in <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>m Vorschein, drängende Instinkte. Gift flutete meinen Mund und mein<br />

Körper verlangte danach <strong>zu</strong><strong>zu</strong>schlagen – sie <strong>zu</strong> packen und meine Zähne in ihren Hals <strong>zu</strong> schlagen.<br />

Mein Geist <strong>war</strong> stärker als mein Körper, jetzt noch.<br />

„Dein Vater <strong>war</strong>tet auf d<strong>ich</strong>,“ erinnerte <strong>ich</strong> sie durch meine <strong>zu</strong>sammengepressten Zähne.<br />

Sie blinzelte kurz <strong>zu</strong> Carlisle und Tyler. Tyler achtete n<strong>ich</strong>t auf uns, aber Carlisle beobachtete<br />

jeden meiner Atemzüge.<br />

Vors<strong>ich</strong>tig, Ed<strong>war</strong>d.<br />

„Ich würde gern mit dir unter vier Augen sprechen, wenn es dir n<strong>ich</strong>ts ausmacht,“ beharrte<br />

sie leise.<br />

Ich wollte ihr sagen, dass es <strong>mir</strong> sehr wohl etwas ausmachte, aber <strong>ich</strong> wusste, dass <strong>ich</strong> das<br />

letzten Endes hinter m<strong>ich</strong> bringen musste. <strong>Das</strong> konnte <strong>ich</strong> genauso gut jetzt tun.<br />

Ich <strong>war</strong> so voller wi<strong>der</strong>sprüchl<strong>ich</strong>er Gefühle, als <strong>ich</strong> aus dem Raum stolzierte und auf ihre<br />

Schritte lauschte <strong>die</strong> <strong>mir</strong> hinterher stolperten und versuchten Schritt <strong>zu</strong> halten.<br />

Ich musste meine Show weiterspielen. Ich kannte <strong>die</strong> Rolle, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> spielen musste – <strong>ich</strong> hatte<br />

den Charakter vor <strong>mir</strong>: Ich <strong>war</strong> <strong>der</strong> Schurke. Ich würde lügen, spotten und grausam sein.<br />

Es ging gegen alle meine besseren Manieren – <strong>die</strong> menschl<strong>ich</strong>en Manieren an <strong>die</strong> <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> in<br />

all den Jahren gehalten hatte. Ich hatte <strong>mir</strong> noch nie so sehr das Vertrauen von jemandem<br />

gewünscht wie in <strong>die</strong>sem Augenblick in dem <strong>ich</strong> alle Gründe dafür zerstören musste.<br />

Es machte es noch schlimmer, weil <strong>die</strong>s <strong>der</strong> letzte Eindruck <strong>war</strong>, den sie von <strong>mir</strong> bekommen<br />

würde. Dies <strong>war</strong> meine Abschiedsszene.<br />

Ich drehte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr um.<br />

„Was willst du?“ fragte <strong>ich</strong> kühl.<br />

Sie schrak <strong>zu</strong>rück vor meiner Feindseligkeit. Ihre Augen <strong>war</strong>en verwirrt, <strong>der</strong> Ausdruck, <strong>der</strong><br />

m<strong>ich</strong> verfolgt hatte…<br />

„Du schuldest <strong>mir</strong> eine Erklärung,“ sagte sie kleinlaut; ihr elfenbeinfarbenes Ges<strong>ich</strong>t wurde<br />

blass.<br />

Es <strong>war</strong> sehr anstrengend meine Stimme rau <strong>zu</strong> halten. „Ich hab dir das Leben gerettet – <strong>ich</strong><br />

schulde dir gar n<strong>ich</strong>ts.“


Sie <strong>zu</strong>cke <strong>zu</strong>rück – es brannte wie Säure <strong>zu</strong> sehen, wie meine Worte sie verletzten.<br />

„Du hast es versprochen,“ flüsterte sie.<br />

„Bella, du hast dir den Kopf gestoßen, du weißt n<strong>ich</strong>t, was du da redest.“<br />

Sie schob ihr Kinn vor. „Mit meinem Kopf ist alles in Ordnung.“<br />

Jetzt <strong>war</strong> sie wütend, was es <strong>mir</strong> le<strong>ich</strong>ter machte. Ich erwi<strong>der</strong>te ihren <strong>Blick</strong> und ließ mein<br />

Ges<strong>ich</strong>t noch unfreundl<strong>ich</strong>er wirken.<br />

„Was willst du von <strong>mir</strong>, Bella?“<br />

„Ich möchte <strong>die</strong> Wahrheit hören. Ich möchte wissen, <strong>war</strong>um <strong>ich</strong> für d<strong>ich</strong> lüge.“<br />

Was sie wollte, <strong>war</strong> nur fair – es frustriete m<strong>ich</strong>, ihr das abschlagen <strong>zu</strong> müssen.<br />

„Was glaubst du denn, was passiert ist?“ <strong>ich</strong> knurrte fast.<br />

Die Worte sprudelten in einem Sturzbach aus ihr heraus. „Alles was <strong>ich</strong> weiß ist, dass du n<strong>ich</strong>t<br />

in meiner Nähe <strong>war</strong>st – Tyler hat d<strong>ich</strong> auch n<strong>ich</strong>t gesehen, also sag <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t, <strong>ich</strong> hätte <strong>mir</strong> den Kopf<br />

<strong>zu</strong> hart angeschlagen. Der Van hätte uns beide zerquetscht – aber das hat er n<strong>ich</strong>t, und dein Hände<br />

haben Abdrücke in seiner Seite hinterlassen – und du hast auch Abdrücke in dem an<strong>der</strong>en Auto<br />

hinterlassen, aber du bist kein bisschen verletzt – und <strong>der</strong> Van hätte meine Beine zerquetscht, aber<br />

du hast ihn hochgehalten…“ plötzl<strong>ich</strong> biss sie ihre Zähen <strong>zu</strong>sammen und ihr Augen glitzerten voller<br />

Tränen.<br />

Ich starrte sie spöttisch an, aber was <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> fühlte <strong>war</strong> Ehrfurcht; sie hatte alles gesehen.<br />

„Du glaubst, <strong>ich</strong> hätte einen Van angehoben?“ fragte <strong>ich</strong> sarkastisch.<br />

Sie antwortete mit einem kurzen nicken.<br />

Meine Stimme wurde noch spöttischer. „Niemand wird das glauben, das ist dir klar, o<strong>der</strong>?“<br />

Sie strengte s<strong>ich</strong> an um ihre Wut <strong>zu</strong> kontrollieren. Als sie <strong>mir</strong> antwortete, sprach sie jedes<br />

Wort mit Bedacht aus. „Ich werde es niemandem erzählen.“<br />

Sie meinte es so wie sie es sagte – das konnte <strong>ich</strong> in ihren Augen sehen. Sogar wütend und<br />

verraten, würden sie mein Geheimnis bewahren.<br />

Warum?<br />

Der Schock ruinierte meine sorgfältig aufgesetzte Mine für eine halbe Sekunde, dann riss <strong>ich</strong><br />

m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>sammen.<br />

„Warum ist es dann so w<strong>ich</strong>tig?“ fragte <strong>ich</strong>, darauf bedacht meine Stimme scharf klingen <strong>zu</strong><br />

lassen.<br />

„Es ist <strong>mir</strong> w<strong>ich</strong>tig,“ sagte sie drängend. „Ich mag es n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> lügen – also hätte <strong>ich</strong> gern einen<br />

guten Grund <strong>war</strong>um <strong>ich</strong> lüge.“<br />

Sie bat m<strong>ich</strong>, ihr <strong>zu</strong> vertrauen. Genau wie <strong>ich</strong> wollte, dass sie <strong>mir</strong> vertraute. Aber das <strong>war</strong> eine<br />

Grenze, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t überschreiten konnte.<br />

Meine Stimme blieb gle<strong>ich</strong>gültig. „Kannst du <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t einfach danken und <strong>die</strong> Sache auf s<strong>ich</strong><br />

beruhen lassen?“<br />

„Danke,“ sagte sie, tobte innerl<strong>ich</strong> vor Wut und <strong>war</strong>tete.<br />

„Du wirst es n<strong>ich</strong>t auf s<strong>ich</strong> beruhen lassen, o<strong>der</strong>?“<br />

„Nein.“<br />

„In dem Fall…“ Ich konnte ihr n<strong>ich</strong>t mal <strong>die</strong> Wahrheit sagen, wenn <strong>ich</strong> es gewollt hätte… und<br />

<strong>ich</strong> wollte n<strong>ich</strong>t. Mir <strong>war</strong> es lieber, sie würde ihre eigene Gesch<strong>ich</strong>te erzählen bevor sie erfuhr was <strong>ich</strong><br />

<strong>war</strong>, denn n<strong>ich</strong>ts konnte schlimmer sein, als <strong>die</strong> Wahrheit – <strong>ich</strong> <strong>war</strong> ein leben<strong>der</strong> Alptraum, direkt von<br />

den Seiten eines Horrorromans. „Ich hoffe, du kannst mit Enttäuschungen umgehen.“<br />

Wir starrten uns an. Es <strong>war</strong> seltsam wie liebenswert ihre Wut <strong>war</strong>. Wie ein wütendes<br />

Kätzchen, sanft und harmlos, und so n<strong>ich</strong>tsahnend von ihrer eigenen Verletzbarkeit.<br />

Sie lief rot an und biss wie<strong>der</strong> ihre Zähne <strong>zu</strong>sammen. „Warum stört es d<strong>ich</strong> dann?“


Diese Frage hatte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t er<strong>war</strong>tet. Ich verlor <strong>die</strong> Rolle <strong>die</strong> <strong>ich</strong> spielte. Ich fühlte wie <strong>die</strong><br />

Maske von meinem Ges<strong>ich</strong>t w<strong>ich</strong> und sagte ihr – <strong>die</strong>ses eine mal – <strong>die</strong> Wahrheit.<br />

„Ich weiß es n<strong>ich</strong>t.“<br />

Ich brannte <strong>mir</strong> ihr Ges<strong>ich</strong>t ein letztes Mal ein – es <strong>war</strong> immer noch wütend, das Blut immer<br />

noch in den Wangen – und dann drehte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> um und ließ sie stehen.


3. Visionen<br />

Ich ging <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong>r Schule. Es <strong>war</strong> das einzig r<strong>ich</strong>tige, <strong>die</strong> unauffälligste Art s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> benehmen.<br />

Gegen Ende des Tages <strong>war</strong>en fast alle Schüler wie<strong>der</strong> in <strong>die</strong> Schule <strong>zu</strong>rückgekehrt. Nur Tyler,<br />

Bella und ein paar an<strong>der</strong>e – <strong>die</strong> den Unfall da<strong>zu</strong> nutzen um <strong>zu</strong> schwänzen – blieben abwesend.<br />

Es sollte n<strong>ich</strong>t so schwer für m<strong>ich</strong> sein, das r<strong>ich</strong>tige <strong>zu</strong> tun. Aber den ganzen Nachmittag biss<br />

<strong>ich</strong> meine Zähne <strong>zu</strong>sammen um gegen das Verlangen an<strong>zu</strong>kämpfen, dass in <strong>mir</strong> <strong>die</strong> Sehnsucht weckte<br />

auch <strong>zu</strong> schwänzen – um das Mädchen wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> finden.<br />

Wie ein Stalker. Ein besessener Stalker. Ein besessener Vampir-Stalker.<br />

Schule <strong>war</strong> heute – irgendwie, unmögl<strong>ich</strong> – noch langweiliger als letzte Woche. Koma-mäßig.<br />

Es <strong>war</strong> als wäre sämtl<strong>ich</strong>e Farbe aus den Backsteinen gew<strong>ich</strong>en, und aus den Bäumen, dem Himmel,<br />

den Ges<strong>ich</strong>tern um m<strong>ich</strong> herum… Ich starrte auf <strong>die</strong> Risse in <strong>der</strong> Wand.<br />

Es gab noch etwas r<strong>ich</strong>tiges, das <strong>ich</strong> tun musste… das <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t tat. Natürl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> es ebenso<br />

falsch. Es kam ganz auf den <strong>Blick</strong>winkel an von dem aus man es betrachtete.<br />

Von <strong>der</strong> Perspektive eines Cullen – n<strong>ich</strong>t nur eines Vampirs, son<strong>der</strong>n eines Cullen, jemandem<br />

<strong>der</strong> <strong>zu</strong> einer Familie gehörte, so ein seltener Status in unserer Welt – das r<strong>ich</strong>tige wäre ungefähr das:<br />

„Ich bin überrascht, d<strong>ich</strong> hier im Unterr<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> sehen, Ed<strong>war</strong>d. Ich hab gehört du <strong>war</strong>st in<br />

<strong>die</strong>sen schlimmen Autounfall heute Morgen verwickelt.“<br />

„Ja, das <strong>war</strong> <strong>ich</strong> Mr. Banner, aber <strong>ich</strong> hatte Glück.“ Ein freundl<strong>ich</strong>es Lächeln. „Ich bin n<strong>ich</strong>t<br />

verletzt worden… <strong>ich</strong> wünschte <strong>ich</strong> könnte das selbe von Tyler und Bella behaupten.“<br />

„Wie geht es ihnen?“<br />

„Ich glaube Tyler geht es soweit gut… nur ein paar oberflächl<strong>ich</strong>e Kratzer von <strong>der</strong><br />

Windschutzscheibe. Aber bei Bella bin <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er.“ Ein besorgter Seufzer. „Sie hat vielle<strong>ich</strong>t<br />

eine Gehirnerschütterung. Ich hörte sie <strong>war</strong> etwas verwirrt – sah sogar Dinge. Ich weiß, dass <strong>die</strong> Ärzte<br />

besorgt <strong>war</strong>en…“<br />

So hätte es laufen sollen. <strong>Das</strong> schuldete <strong>ich</strong> meiner Familie.<br />

„Ich bin überrascht, d<strong>ich</strong> hier im Unterr<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> sehen, Ed<strong>war</strong>d. Ich hab gehört du <strong>war</strong>st in<br />

<strong>die</strong>sen schlimmen Autounfall heute Morgen verwickelt.“<br />

„Ich bin n<strong>ich</strong>t verletzt worden.“ Kein Lächeln.<br />

Mr. Banner verlagerte sein Gew<strong>ich</strong>t von einem Fuß auf den an<strong>der</strong>en.<br />

„Weißt du wie es Tyler Crowley und Bella Swan geht? Ich hab gehört, es gab einige<br />

Verlet<strong>zu</strong>ngen…“<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte mit den Schultern. „Davon weiß <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts.“<br />

Mr. Banner räusperte s<strong>ich</strong>. „Ähm ja, r<strong>ich</strong>tig…“ sagte er und mein kalter <strong>Blick</strong> ließ seine<br />

Stimme angespannt klingen.<br />

Er ging eilig wie<strong>der</strong> nach vorne und begann mit dem Unterr<strong>ich</strong>t.<br />

Es <strong>war</strong> falsch. Es seih denn man betrachtete es aus einem undeutl<strong>ich</strong>eren <strong>Blick</strong>winkel.<br />

Es kam <strong>mir</strong> nur so… so unritterl<strong>ich</strong> vor hinter dem Rücken des Mädchens schlecht von ihr <strong>zu</strong><br />

reden, beson<strong>der</strong>s da sie s<strong>ich</strong> als vertrauenswürdiger erwies als <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> hätte träumen lassen. Sie<br />

hatte n<strong>ich</strong>ts gesagt das m<strong>ich</strong> verraten hätte, obwohl sie guten Grund da<strong>zu</strong> gehabt hätte. Konnte <strong>ich</strong><br />

sie verraten, wenn sie n<strong>ich</strong>ts an<strong>der</strong>es getan hatte, als mein Geheimnis <strong>zu</strong> bewahren?


Ich hatte eine ähnl<strong>ich</strong>e Unterhaltung mit Mrs. Goff – nur auf Spanisch statt englisch – und<br />

Emmett <strong>war</strong>f <strong>mir</strong> einen langen <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong>.<br />

Ich hoffe du hast eine gute Erklärung für das was heute passiert ist. Rose ist auf dem<br />

Kriegspfad.<br />

Ich verdrehte meine Augen ohne ihn an<strong>zu</strong>schauen.<br />

Ich hatte <strong>mir</strong> schon eine perfekte Erklärung <strong>zu</strong>rechtgelegt. Man stelle s<strong>ich</strong> nur mal vor, <strong>ich</strong><br />

hätte n<strong>ich</strong>ts unternommen um den Van davon ab<strong>zu</strong>halten, das Mädchen <strong>zu</strong> zerquetschen… spulte <strong>ich</strong><br />

meine Ausrede in Gedanken ab. Aber wenn sie getroffen worden wäre, wenn sie zerfleischt worden<br />

wäre und geblutet hätte, <strong>die</strong> rote Flüssigkeit verschwendet auf <strong>der</strong> Teerdecke, <strong>der</strong> Geruch des<br />

frischen Blutes <strong>der</strong> durch <strong>die</strong> Luft strömte…<br />

Ich erzitterte, aber n<strong>ich</strong>t nur vor grauen. Ein Teil von <strong>mir</strong> zitterte vor Verlangen. Nein, <strong>ich</strong><br />

wäre n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage gewesen sie bluten <strong>zu</strong> sehen ohne uns auf abscheul<strong>ich</strong>ere und<br />

schockieren<strong>der</strong>e Weise <strong>zu</strong> entlarven.<br />

Es <strong>war</strong> eine perfekte Ausrede… aber <strong>ich</strong> würde sie n<strong>ich</strong>t gebrauchen. Es wäre <strong>zu</strong> beschämend.<br />

Und ehrl<strong>ich</strong>gesagt, hatte <strong>ich</strong> erst lange nach <strong>der</strong> Aktion über <strong>die</strong>se Mögl<strong>ich</strong>keit nachgedacht.<br />

Pass auf wegen Jasper, fuhr Emmett fort ohne meine Träumerei <strong>zu</strong> bemerken. Er ist n<strong>ich</strong>t so<br />

sauer… aber er ist fester entschlossen.<br />

Ich verstand sofort was er meinte und für einen Moment verschwamm <strong>der</strong> Raum vor meinen<br />

Augen. Meine Wut <strong>war</strong> so all-umfassend dass ein roter Dunst meine S<strong>ich</strong>t vernebelte. Ich dachte <strong>ich</strong><br />

würde daran ersticken.<br />

PSSST, EDWARD! REISS DICH ZUSAMMEN! Brüllte Emmett <strong>mir</strong> in seinem Kopf entgegen. Er<br />

legte seine Hand auf meine Schulter und hielt m<strong>ich</strong> fest, bevor <strong>ich</strong> aufspringen konnte. Er nutzte<br />

selten auch nur annähernd seine ganze Kraft – das <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t nötig, denn er <strong>war</strong> stärker als je<strong>der</strong><br />

Vampir den einer von uns jemals kennengelernt hatte – aber jetzt nutzte er sie. Er packte meinen<br />

Arm, aber drückte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t runter. Wenn er gedrückt hätte, wäre <strong>der</strong> Stuhl unter <strong>mir</strong><br />

<strong>zu</strong>sammengebrochen.<br />

RUHIG! Befahl er.<br />

Ich versuchte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> beruhigen aber es <strong>war</strong> schwer. Die Wut brannte in meinem Kopf.<br />

Jasper wird n<strong>ich</strong>ts unternehmen, bevor wir uns n<strong>ich</strong>t alle miteinan<strong>der</strong> unterhalten haben. Ich<br />

dachte nur du solltest wissen, in welche R<strong>ich</strong>tung er ten<strong>die</strong>rt.<br />

Ich konzentrierte m<strong>ich</strong> darauf, m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> entspannen und fühlte wie Emmetts Hand s<strong>ich</strong> löste.<br />

Versuch n<strong>ich</strong>t noch mehr Aufsehen <strong>zu</strong> erregen. Du hast schon genug Schwierigkeiten.<br />

Ich atmete tief durch und Emmett ließ m<strong>ich</strong> los.<br />

Ich hörte m<strong>ich</strong> routiniert im Klassenraum um, aber unsere Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng <strong>war</strong> so kurz<br />

und leise , dass nur ein paar Leute <strong>die</strong> hinter Emmett saßen, etwas mitbekommen hatten. Niemand<br />

wusste etwas damit an<strong>zu</strong>fangen, also ließen sie es auf s<strong>ich</strong> beruhen. Die Cullens <strong>war</strong>en Freaks – je<strong>der</strong><br />

wusste das bereits.<br />

Verdammt, Junge, du bist ein Wrack, fügte Emmett noch hin<strong>zu</strong> mit Verständnis in <strong>der</strong><br />

Stimme.<br />

„Beiß m<strong>ich</strong>,“ murmelte <strong>ich</strong> und hörte ihn leise k<strong>ich</strong>ern.<br />

Emmett verurteilte niemanden und <strong>ich</strong> sollte dankbarer sein für seine einfache Natur. Aber<br />

<strong>ich</strong> konnte sehen, dass Jaspers Pläne für ihn einen Sinn ergaben, dass es ihm vorkam wie <strong>die</strong><br />

bestmögl<strong>ich</strong>ste Lösung.<br />

Die Wut brodelte in <strong>mir</strong>, kaum unter Kontrolle. Ja, Emmett <strong>war</strong> stärker als <strong>ich</strong>, aber er musste<br />

m<strong>ich</strong> noch im Wrestling schlagen. Er beschwerte s<strong>ich</strong>, <strong>ich</strong> würde mogeln, aber <strong>die</strong> Gedanken von


jemandem <strong>zu</strong> hören <strong>war</strong> genauso ein Teil von <strong>mir</strong>, wie seine immense Kraft ein Teil von ihm <strong>war</strong>. Wir<br />

<strong>war</strong>en uns ebenbürtig in einem Kampf.<br />

Ein Kampf? Lief es darauf hinaus? Würde <strong>ich</strong> gegen meine Familie kämpfen wegen einem<br />

Menschen den <strong>ich</strong> kaum kannte?<br />

Für einen Moment dachte <strong>ich</strong> darüber nach, dachte an das Gefühl des zerbrechl<strong>ich</strong>en Körpers<br />

des Mädchens in meinen Armen im Vergle<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Jasper, Rose und Emmett – übernatürl<strong>ich</strong> stark und<br />

schnell, von Natur aus Killer Maschinen…<br />

Ja, <strong>ich</strong> würde für sie kämpfen. Gegen meine Familie. Ich schau<strong>der</strong>te.<br />

Aber es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t fair sie schutzlos <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> lassen, wenn <strong>ich</strong> sie in Gefahr gebracht hatte.<br />

Aber <strong>ich</strong> konnte auch n<strong>ich</strong>t alleine gewinnen, n<strong>ich</strong>t gegen alle drei und <strong>ich</strong> fragte m<strong>ich</strong>, wer<br />

auf meiner Seite stehen würde.<br />

Carlisle, ganz s<strong>ich</strong>er. Er würde gegen niemanden kämpfen, aber er wäre absolut gegen Roses<br />

und Jaspers Vorschlag. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> vielle<strong>ich</strong>t alles was <strong>ich</strong> brauchte. Wir würden sehen…<br />

Esme, eher n<strong>ich</strong>t. Sie wäre auch n<strong>ich</strong>t gegen m<strong>ich</strong> und sie würden es hassen n<strong>ich</strong>t mit Carlisle<br />

überein<strong>zu</strong>stimmen aber sie wäre für jeden Plan <strong>der</strong> ihre Familie <strong>zu</strong>sammenhalten würde. Ihre<br />

ob<strong>erste</strong> Priorität wäre n<strong>ich</strong>t Recht, son<strong>der</strong>n <strong>ich</strong>. Wenn Carlisle <strong>die</strong> Seele unserer Familie <strong>war</strong>, dann<br />

<strong>war</strong> Esme das Herz. Er gab uns einen Anführer <strong>der</strong> es ver<strong>die</strong>nte, dass man ihm folgte; sie sorgte dafür<br />

dass wir aus Liebe folgten. Wir liebten uns alle – sogar unter <strong>der</strong> Wut <strong>die</strong> <strong>ich</strong> im Moment für Rose<br />

und Jasper verspürte, sogar während <strong>ich</strong> plante sie <strong>zu</strong> bekämpfen um das Mädchen <strong>zu</strong> schützen,<br />

wusste <strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> sie liebte.<br />

Alice… <strong>ich</strong> hatte keine Ahnung. Es würde vermutl<strong>ich</strong> davon abhängen, was sie kommen sah.<br />

Sie würde auf <strong>der</strong> Seite des Siegers stehen, könnte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> vorstellen.<br />

Also würde <strong>ich</strong> ohne Hilfe auskommen müssen. Allein <strong>war</strong> <strong>ich</strong> kein Gegner für sie, aber <strong>ich</strong><br />

würde n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>lassen, dass das Mädchen wegen <strong>mir</strong> verletzt würde. <strong>Das</strong> könnte<br />

Auswe<strong>ich</strong>mögl<strong>ich</strong>keiten bedeuten…<br />

Meine Wut wurde von dem sch<strong>war</strong>zen Humor gedämpft. Ich konnte <strong>mir</strong> vorstellen, wie das<br />

Mädchen reagieren würde, wenn <strong>ich</strong> sie entführte. Natürl<strong>ich</strong> riet <strong>ich</strong> selten r<strong>ich</strong>tig, wenn es um ihre<br />

Reaktionen ging – aber wie konnte sie an<strong>der</strong>s reagieren als mit Schrecken?<br />

Ich <strong>war</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er, wie <strong>ich</strong> das anstellen sollte – sie entführen. Ich wäre n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong><br />

Lage lange in ihrer Nähe <strong>zu</strong> sein. Vielle<strong>ich</strong>t würde <strong>ich</strong> sie einfach <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> ihrer Mutter bringen. Aber<br />

auch das wäre sehr gefährl<strong>ich</strong>. Für sie.<br />

Und auch für m<strong>ich</strong>, bemerkte <strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong>. Wenn <strong>ich</strong> sie aus Versehen tötete… <strong>ich</strong> <strong>war</strong> <strong>mir</strong><br />

n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er, wie viel Schmerz <strong>mir</strong> das bereiten würde, aber <strong>ich</strong> wusste, dass es vielfältig und intensiv<br />

sein würde.<br />

Die Zeit verging schnell, während <strong>ich</strong> über all <strong>die</strong> Komplikationen nachdachte, <strong>die</strong> vor <strong>mir</strong><br />

lagen: <strong>die</strong> Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ng <strong>die</strong> <strong>zu</strong> Hause auf m<strong>ich</strong> <strong>war</strong>tete, <strong>der</strong> Konflikt mit meiner Familie, <strong>die</strong><br />

Schritte <strong>die</strong> <strong>ich</strong> anschließend gezwungen wäre ein<strong>zu</strong>leiten…<br />

Naja, immerhin konnte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t darüber beschweren, dass das Leben außerhalb <strong>der</strong><br />

Schule monoton wäre. <strong>Das</strong> Mädchen hatte so viel verän<strong>der</strong>t.<br />

Emmett und <strong>ich</strong> gingen schweigend <strong>zu</strong>m Auto als <strong>die</strong> Schulglocke läutete. Er machte s<strong>ich</strong><br />

Sorgen um m<strong>ich</strong> und um Rosalie. Er wusste auf welcher Seite er stehen musste, wenn es <strong>zu</strong>m Streit<br />

kam, und es störte ihn.<br />

Die an<strong>der</strong>en <strong>war</strong>teten im Wagen auf uns, ebenso still. Wir <strong>war</strong>en ein ruhiges Grüppchen. Nur<br />

<strong>ich</strong> konnte das Geschrei hören.


Idiot! Wahnsinniger! Schwachkopf! Esel! Selbstsüchtiger, unverantwortl<strong>ich</strong>er Dummkopf!<br />

Rosalie feuerte eine Beleidigung nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en auf m<strong>ich</strong> ab. Es machte es schwerer <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en<br />

<strong>zu</strong> hören, aber <strong>ich</strong> blendet sie aus so gut es ging.<br />

Emmett hatte recht, was Jasper anging. Er <strong>war</strong> s<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong>er, welchen Weg er gehen würde.<br />

Alice <strong>war</strong> aufgewühlt, besorgt um Jasper jagte sie durch Bil<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Zukunft. Egal aus<br />

welcher R<strong>ich</strong>tung Jasper auf das Mädchen <strong>zu</strong>ging, sah Alice immer m<strong>ich</strong>, wie <strong>ich</strong> ihn abwehrte.<br />

Interessant… we<strong>der</strong> Rosalie noch Emmett <strong>war</strong>en bei ihm in <strong>die</strong>ser Vision. Also plante Jasper alleine<br />

vor<strong>zu</strong>gehen. <strong>Das</strong> gl<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Sache aus.<br />

Jasper <strong>war</strong> <strong>der</strong> beste, <strong>der</strong> erfahrenste Kämpfer unter uns. Mein einziger Vorteil bestand<br />

darin, dass <strong>ich</strong> seine Bewegungen hören konnte, bevor er sie machte.<br />

Ich hatte nie ernsthaft mit Emmett o<strong>der</strong> Jasper gekämpft – nur herumgealbert. Es gefiel <strong>mir</strong><br />

n<strong>ich</strong>t, dass <strong>ich</strong> Jasper wirkl<strong>ich</strong> verletzen müsste…<br />

Nein, n<strong>ich</strong>t das. Nur abwehren. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> alles.<br />

Ich konzentrierte m<strong>ich</strong> auf Alice, wie sie s<strong>ich</strong> Jaspers verschiedene Angriffswege merkte.<br />

Als <strong>ich</strong> das tat, verän<strong>der</strong>ten s<strong>ich</strong> ihre Visionen, entfernten s<strong>ich</strong> immer weiter von dem Swan-<br />

Haus. Ich würde ihn vorher ausschalten…<br />

Hör auf damit, Ed<strong>war</strong>d! <strong>Das</strong> kann n<strong>ich</strong>t passieren. Ich werde es n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>lassen.<br />

Ich antwortete ihr n<strong>ich</strong>t, <strong>ich</strong> sah nur weiter <strong>zu</strong>.<br />

Sie begann weiter voraus <strong>zu</strong> suchen, in den verschwommenen, uns<strong>ich</strong>eren, weit entfernten<br />

Mögl<strong>ich</strong>keiten. Alles <strong>war</strong> schattenhaft und vage.<br />

Auf dem ganzen Heimweg löste s<strong>ich</strong> <strong>die</strong> unangenehme Stille n<strong>ich</strong>t auf. Ich parkte in <strong>der</strong><br />

großen Garage des Hauses; Carlisles Mercedes <strong>war</strong> da, neben Emmetts großen Jeep, Roses M3 und<br />

meinem Vanquish. Ich <strong>war</strong> erle<strong>ich</strong>tert, dass Carlisle schon <strong>zu</strong> Hause <strong>war</strong> – <strong>die</strong>se Stille würde mit einer<br />

Explosion enden und <strong>ich</strong> wollt ihn dabei haben, wenn das passierte.<br />

Wir gingen direkt ins Essezimmer.<br />

Der Raum wurde selbstverständl<strong>ich</strong> nie für seinen eigentl<strong>ich</strong>en Zweck genutzt. Aber er <strong>war</strong><br />

möbliert mit einem langen ovalen Mahagoni-Tisch, <strong>der</strong> von Stühlen umgeben <strong>war</strong> – wir <strong>war</strong>en<br />

gewissenhaft darauf bedacht alle Requisiten an ihrem Platz <strong>zu</strong> haben. Carlisle nutzte ihn gern als<br />

Konferenzraum. In eine Gruppe voller starker und verschiedener Charaktere <strong>war</strong> es manchmal von<br />

Nöten <strong>die</strong> Dinge in einer ruhigen, gesitteten Atmosphäre <strong>zu</strong> besprechen.<br />

Ich hatte so das Gefühl, dass es heute n<strong>ich</strong>t gesittet <strong>zu</strong>gehen würde.<br />

Carlisle saß an seinem übl<strong>ich</strong>en Platz, am östl<strong>ich</strong>en Kopfende des Tisches. Esme saß neben<br />

ihm – sie hielten s<strong>ich</strong> an den Händen.<br />

Esmes Augen ruhten auf <strong>mir</strong>, <strong>die</strong> goldenen Tiefen voller Sorge.<br />

Bleib. Es <strong>war</strong> ihr einziger Gedanke.<br />

Ich wünschte <strong>ich</strong> könnte <strong>die</strong> Frau anlächeln <strong>die</strong> in so vielerlei Hins<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> meine Mutter<br />

<strong>war</strong>, aber <strong>ich</strong> hatte jetzt keine beruhigenden <strong>Blick</strong>e für sie.<br />

Ich setzte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Carlisles an<strong>der</strong>er Seite. Esme streckte s<strong>ich</strong> an ihm vorbei um <strong>mir</strong> ihre freie<br />

Hand auf <strong>die</strong> Schulter <strong>zu</strong> legen. Sie hatte keine Ahnung, was hier gle<strong>ich</strong> passieren würde; sie machte<br />

s<strong>ich</strong> bloß Sorgen um m<strong>ich</strong>.<br />

Carlisle hatte ein besseres Gefühl dafür, was gle<strong>ich</strong> kommen würde. Er presste seine Lippen<br />

<strong>zu</strong>sammen und runzelte <strong>die</strong> Stirn. Der Ausdruck <strong>war</strong> <strong>zu</strong> alt für sein junges Ges<strong>ich</strong>t.<br />

Als <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en s<strong>ich</strong> setzten, konnte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Trennlinie <strong>die</strong> gezogen wurde genau sehen.<br />

Rosalie setzte s<strong>ich</strong> gegenüber von Carlisle, ans an<strong>der</strong>e Ende des langen Tisches. Sie funkelte<br />

m<strong>ich</strong> an und machte keine Anstalten wie<strong>der</strong> weg<strong>zu</strong>sehen.<br />

Emmett setze s<strong>ich</strong> neben sie, sein Ges<strong>ich</strong>t und seine Gedanken verdreht.


Jasper zögerte und stellte s<strong>ich</strong> dann an <strong>die</strong> Wand hinter Rosalie. Seine Entscheidung <strong>war</strong><br />

gefallen, egal wie <strong>die</strong>se Diskussion ausging. Ich presste meine Zähne <strong>zu</strong>sammen.<br />

Alice betrat als letzte den Raum, ihre Augen auf etwas in weiter Ferne ger<strong>ich</strong>tet – <strong>die</strong><br />

Zukunft, immer noch <strong>zu</strong> verworren um einen Nutzen daraus ziehen <strong>zu</strong> können. Ohne darüber<br />

nach<strong>zu</strong>denken, setzte sie s<strong>ich</strong> neben Esme. Sie rieb s<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Stirn, als hätte sie Kopfschmerzen. Jasper<br />

wurde unruhig, uns<strong>ich</strong>er ob er s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr setzten sollte, aber er behielt seinen Platz bei.<br />

Ich atmete tief durch. Ich hatte das ganze Angefangen – <strong>ich</strong> sollte <strong>zu</strong>erst reden.<br />

„Es tut <strong>mir</strong> leid,“ sagte <strong>ich</strong> und schaute erst <strong>zu</strong> Rose, dann Jasper und dann Emmett. „Ich<br />

wollte niemanden von euch in Schwierigkeiten bringen. Es <strong>war</strong> gedankenlos und <strong>ich</strong> übernehme <strong>die</strong><br />

volle Verantwortung für meine übereilte Aktion.“<br />

Rosalie funkelte m<strong>ich</strong> unheilvoll an. „Was meinst du mit `volle Verantwortung übernehmen`?<br />

Wirst du es wie<strong>der</strong> geradebiegen?“<br />

„N<strong>ich</strong>t so wie du denkst,“ sagte <strong>ich</strong> und versuchte meine Stimme ruhig und gle<strong>ich</strong>mäßig <strong>zu</strong><br />

halten. „Ich bin bereit <strong>zu</strong> gehen, wenn es <strong>die</strong> Lage verbessert.“ Wenn <strong>ich</strong> glaube, dass das Mädchen<br />

s<strong>ich</strong>er ist, wenn <strong>ich</strong> glaube, dass keiner von euch sie anfassen wird, fügte <strong>ich</strong> in meinem Kopf hin<strong>zu</strong>.<br />

„Nein,“ murmelte Esme. „Nein, Ed<strong>war</strong>d.“<br />

Ich tätschelte ihre Hand. „Es ist doch nur für ein paar Jahre.“<br />

„Esme hat recht,“ sagt Emmett. „Du kannst jetzt nirgendwo hingehen. <strong>Das</strong> wäre das<br />

Gegenteil von Hilfre<strong>ich</strong>. Wir müssen wissen, was <strong>die</strong> Leute denken. Jetzt mehr denn je.“<br />

„Alice wird alles W<strong>ich</strong>tige auffangen,“ wie<strong>der</strong>sprach <strong>ich</strong>.<br />

Carlisle schüttelte seinen Kopf, „Ich denke Emmett hat recht. <strong>Das</strong> Mädchen wird eher reden,<br />

wenn du verschwindest. Entwe<strong>der</strong> wir gehen alle, o<strong>der</strong> keiner.“<br />

„Sie wird n<strong>ich</strong>ts sagen,“ beharrte <strong>ich</strong> schnell. Rose <strong>war</strong> kurz davor <strong>zu</strong> explo<strong>die</strong>ren und <strong>ich</strong><br />

wollte <strong>die</strong>sen Fakt vorher loswerden.<br />

„Du kennst ihre Gedanken n<strong>ich</strong>t,“ erinnerte m<strong>ich</strong> Carlisle.<br />

„Aber das weiß <strong>ich</strong>. Alice, bestätige m<strong>ich</strong>.“<br />

Alice starrte m<strong>ich</strong> resignierend an. „Ich kann n<strong>ich</strong>t sehen, was passiert, wenn wir das einfach<br />

ignorieren.“ Sie blickte kurz <strong>zu</strong> Rose und Jasper.<br />

Nein, <strong>die</strong>se Zukunft konnte sie n<strong>ich</strong>t sehen – n<strong>ich</strong>t wenn Rosalie und Jasper so entschieden<br />

dagegen <strong>war</strong>en <strong>die</strong> Sache <strong>zu</strong> ignorieren.<br />

Rosalie schlug mit <strong>der</strong> flachen Hand auf den Tisch. „Wir können dem Menschen n<strong>ich</strong>t <strong>die</strong><br />

Chance lassen irgendetwas <strong>zu</strong> sagen. Carlisle das muss dir klar sein. Selbst wenn wir beschließen<br />

würden alle <strong>zu</strong> verschwinden, ist es n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er Gesch<strong>ich</strong>ten <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>lassen. Wir leben so an<strong>der</strong>s als<br />

<strong>der</strong> Rest von unserer Art – du weißt, dass es genug gibt, <strong>die</strong> jeden Grund willkommen heißen um mit<br />

dem Finger auf uns <strong>zu</strong> zeigen. Wir müssen noch vors<strong>ich</strong>tiger sein, als alle an<strong>der</strong>en!“<br />

„Wir haben schon oft Gerüchte <strong>zu</strong>rückgelassen,“ erinnerte <strong>ich</strong> sie.<br />

„Nur Gerüchte und Annahmen, Ed<strong>war</strong>d. Keine Augenzeugen und Beweise!“<br />

„Beweise!“ höhnte <strong>ich</strong>.<br />

Aber Jasper nickte, seine Augen <strong>war</strong>en unerbittl<strong>ich</strong>.<br />

„Rose…“ begann Carlisle.<br />

„Lass m<strong>ich</strong> ausreden Carlisle. Es muss keine große Sache werden. <strong>Das</strong> Mädchen hat s<strong>ich</strong><br />

heute den Kopf angeschlagen. Vielle<strong>ich</strong>t stellt s<strong>ich</strong> heraus, dass <strong>die</strong> Verlet<strong>zu</strong>ng schwerer <strong>war</strong>, als sie<br />

auf den <strong>erste</strong>n <strong>Blick</strong> schien.“ Rosalie <strong>zu</strong>ckte mit den Schultern. „Je<strong>der</strong> Sterbl<strong>ich</strong>e geht mit dem Risiko<br />

ins Bett nie wie<strong>der</strong> auf<strong>zu</strong>wachen. Die an<strong>der</strong>en er<strong>war</strong>ten von uns, dass wir hinter uns aufräumen.<br />

Technisch gesehen wäre es Ed<strong>war</strong>ds Job das <strong>zu</strong> tun, aber das üb<strong>erste</strong>igt offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> seine Kräfte.<br />

Du weißt, dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> unter Kontrolle habe. Ich würde keine Beweise <strong>zu</strong>rücklassen.“


„Ja, Rosalie, wir alle wissen was für ein professioneller Meuchelmör<strong>der</strong> du bist,“ knurrte <strong>ich</strong>.<br />

Sie zischte m<strong>ich</strong> wütend an.<br />

„Ed<strong>war</strong>d, bitte,“ sagte Carlisle. Dann wandte er s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Rosalie. „Rosalie, <strong>ich</strong> habe in<br />

Rochester n<strong>ich</strong>t hingesehen weil <strong>ich</strong> <strong>der</strong> Meinung <strong>war</strong>, dass du deine Gerechtigkeit ver<strong>die</strong>nt hattest.<br />

Die Männer <strong>die</strong> du getötet hast, haben dir großes Unrecht angetan. Aber das hier ist n<strong>ich</strong>t <strong>die</strong>selbe<br />

Situation. <strong>Das</strong> Swan-Mädchen ist unschuldig.“<br />

„Es ist n<strong>ich</strong>ts persönl<strong>ich</strong>es, Carlisle,“ sagte Rose durch ihre Zähne. „Es ist <strong>zu</strong> unserem Schutz.“<br />

Es folgte ein kurzer Moment <strong>der</strong> Stille, als Carlisle seine Antwort überdachte. Als er nickte,<br />

leuchteten Rosalies Augen auf. Sie hätte es besser wissen müssen. Selbst wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage<br />

gewesen wäre, seine Gedanken <strong>zu</strong> lesen, hätte <strong>ich</strong> seine nächsten Worte vorhersagen können.<br />

Carlisle machte keine Kompromisse.<br />

„Ich weiß, dass du es nur gut meinst, Rosalie, aber… <strong>ich</strong> möchte, dass meine Familie es<br />

ver<strong>die</strong>nt beschützt <strong>zu</strong> werden. Der gelegentl<strong>ich</strong>e… Unfall o<strong>der</strong> Fehltritt ist ein bedauerl<strong>ich</strong>er Teil<br />

dessen was wir sind.“ Es <strong>war</strong> so typisch für ihn, s<strong>ich</strong> mit ein<strong>zu</strong>beziehen, obwohl er nie selbst so einen<br />

Fehltritt hatte. „Ein unschuldiges Kind kaltblütig <strong>zu</strong> ermorden ist etwas ganz an<strong>der</strong>es. Ich denke, <strong>die</strong><br />

Gefahr, <strong>die</strong> sie bedeutet, egal ob sie ihre Vermutungen ausspr<strong>ich</strong>t o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t, ist kein übergeordnetes<br />

Risiko. Wenn wir ausnahmen machen um uns selbst <strong>zu</strong> schützen, riskieren wir etwas viel w<strong>ich</strong>tigeres.<br />

Wir verlieren das Wesen das uns ausmacht.“<br />

Ich riss m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen so gut <strong>ich</strong> konnte. Es würde <strong>der</strong> Situation n<strong>ich</strong>t guttun, wenn <strong>ich</strong> jetzt<br />

grinste. O<strong>der</strong> applau<strong>die</strong>rte, was <strong>ich</strong> so gern getan hätte.<br />

Rosalie knurrte. „Es wäre nur verantwortl<strong>ich</strong>.“<br />

„Es wäre hartherzig,“ korrigierte Carlisle sanft. „Jedes Leben ist wertvoll.“<br />

Rosalie seufzte schwer und schob ihre Unterlippe vor. Emmett tätschelte ihre Schulter. „Es<br />

wird alles gut werden Rose,“ ermutigter er sie mit sanfter Stimme.<br />

„Die Frage ist,“ sprach Carlisle weiter, „ob wir weiterziehen sollen?“<br />

„Nein,“ stöhnte Rosalie. „Wir haben uns gerade eingelebt. Ich möchte n<strong>ich</strong>t schon wie<strong>der</strong> in<br />

meinem zweiten High School Jahr anfangen!“<br />

„Du könntest dein jetziges Alter natürl<strong>ich</strong> beibehalten,“ sagte Carlisle.<br />

„Um dann noch früher wie<strong>der</strong> weg<strong>zu</strong>ziehen?“ konterte sie.<br />

Carlisle <strong>zu</strong>ckte mit den Schultern.<br />

„Ich mag es hier! Hier scheint so selten <strong>die</strong> Sonne, wir sind fast normal.“<br />

„Naja, wir müssen uns ja n<strong>ich</strong>t gle<strong>ich</strong> entscheiden. Wir können ab<strong>war</strong>ten und sehen ob es<br />

nötig ist. Ed<strong>war</strong>d scheint s<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong>er <strong>zu</strong> sein, dass das Swan-Mädchen n<strong>ich</strong>ts sagen wird.“<br />

Rosalie schnaubte.<br />

Aber um Rose machte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> keine Sorgen mehr. Ich konnte sehen, dass sie s<strong>ich</strong> Carlisles<br />

Entscheidung beugte, egal wie sauer sie auf m<strong>ich</strong> <strong>war</strong>. Ihr Gespräch ging mit unw<strong>ich</strong>tigen Details<br />

weiter.<br />

Jasper verharrte bewegungslos.<br />

Ich verstand <strong>war</strong>um. Bevor er und Alice s<strong>ich</strong> getroffen hatten, hatte er in einem Kriegsgebiet<br />

gelebt, es <strong>war</strong> ein unbarmherziger Krieg. Er kannte <strong>die</strong> Konsequenzen wenn man <strong>die</strong> Regeln brach –<br />

er hatte <strong>die</strong> grausamen Nachwirkungen mit eigenen Augen gesehen.<br />

Es hatte eine Menge ausgesagt, dass er Rosalie n<strong>ich</strong>t mit seinen beson<strong>der</strong>en Fähigkeiten<br />

beruhigt hatte, und es auch jetzt noch n<strong>ich</strong>t tat. Er hielt s<strong>ich</strong> aus <strong>der</strong> Diskussion raus – stand darüber.<br />

„Jasper,“ sagte <strong>ich</strong>.<br />

Er erwi<strong>der</strong>ter meinen <strong>Blick</strong> mit ausdruckslosem Ges<strong>ich</strong>t.<br />

„Sie wird n<strong>ich</strong>t für meinen Fehler bezahlen. <strong>Das</strong> werde <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>lassen.“


„Dann profitiert sie daraus? Sie hätte heute sterben sollen, Ed<strong>war</strong>d. Ich würde das nur<br />

ber<strong>ich</strong>tigen.“<br />

Ich wie<strong>der</strong>holte m<strong>ich</strong> und betonte jedes Wort. „Ich werde es n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>lassen.“<br />

Er hob überrascht <strong>die</strong> Augenbrauen. Damit hatte er n<strong>ich</strong>t gerechnet – er hätte n<strong>ich</strong>t geglaubt<br />

dass <strong>ich</strong> ihn stoppen würde.<br />

Er schüttelte einmal seinen Kopf. „Und <strong>ich</strong> werde n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>lassen, dass Alice in Gefahr gerät,<br />

n<strong>ich</strong>t mal den Hauch einer Gefahr. Du empfindest n<strong>ich</strong>t das gle<strong>ich</strong>e für jemanden was <strong>ich</strong> für sie<br />

empfinde, Ed<strong>war</strong>d, und du hast n<strong>ich</strong>t durchgemacht, was <strong>ich</strong> durchmachen musste, egal ob du meine<br />

Erinnerungen gesehen hast, o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t. Du v<strong>erste</strong>hst es n<strong>ich</strong>t.“<br />

„Ich werde darüber n<strong>ich</strong>t mit dir diskutieren, Jasper. Aber <strong>ich</strong> sage es dir jetzt noch einmal,<br />

Ich werde n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>lassen, dass du Isabella Swan verletzt.“<br />

Wir starrten uns an – n<strong>ich</strong>t funkelnd, son<strong>der</strong>n um den Gegner ab<strong>zu</strong>schätzen. Ich spürte wie er<br />

<strong>die</strong> Stimmung um m<strong>ich</strong> herum abtastete, um meine Entschlossenheit <strong>zu</strong> prüfen.<br />

„Jazz,“ unterbrach Alice uns.<br />

Er erwi<strong>der</strong>te meinen <strong>Blick</strong> noch einen Moment länger und wandte s<strong>ich</strong> dann Alice <strong>zu</strong>. „Du<br />

brauchst <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> erzählen, dass du d<strong>ich</strong> selber schützen kannst, Alice. <strong>Das</strong> weiß <strong>ich</strong>. Dennoch<br />

muss <strong>ich</strong>…“<br />

„<strong>Das</strong> wollte <strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>t sagen,“ unterbrach Alice. „Ich wollte d<strong>ich</strong> um einen Gefallen bitten.“<br />

Ich sah was sie vorhatte und mein Unterkiefer klappte auf mit einem lauten Japsen. Ich<br />

starrte sie an, geschockt, <strong>mir</strong> <strong>war</strong> nur vage bewusst, dass alle außer Alice und Jasper m<strong>ich</strong> vors<strong>ich</strong>tig<br />

anschauten.<br />

„Ich weiß, dass du m<strong>ich</strong> liebst. Danke. Aber es wäre <strong>mir</strong> wirkl<strong>ich</strong> lieber, wenn du versuchen<br />

könntest, Bella n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> töten. Erstens, Ed<strong>war</strong>d ist s<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong>er und <strong>ich</strong> möchte n<strong>ich</strong>t dass ihr beide<br />

euch bekämpft. Zweitens, sie ist meine Freundin. O<strong>der</strong> besser, sie wird es sein.“<br />

Es <strong>war</strong> glasklar in ihrem Kopf: Alice, lächelnd, mit ihrem eisigen Arm auf den <strong>war</strong>men,<br />

zerbrechl<strong>ich</strong>en Schultern des Mädchens. Und Bella lächelte auch. Ihr Arm um Alices Hüfte.<br />

Die Vision <strong>war</strong> felsenfest; nur <strong>der</strong> Zeitpunkt <strong>war</strong> noch unklar.<br />

„Aber… Alice…“ keuchte Jasper. Ich <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage meinen Kopf <strong>zu</strong> drehen um seinen<br />

Ges<strong>ich</strong>tsausdruck <strong>zu</strong> erkenne. Ich konnte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t von dem Bild in Alices Kopf losreißen um seinen<br />

<strong>zu</strong> sehen.<br />

„Ich werde sie eines Tages lieben, Jazz. Ich wäre sehr verärgert, wenn du sie n<strong>ich</strong>t in Ruhe<br />

lässt.“<br />

Ich <strong>war</strong> immer noch gefangen in Alices Gedanken. Ich sah wie <strong>die</strong> Zukunft schimmerte, als<br />

Jaspers Entschluss wankte bei ihrer uner<strong>war</strong>teten Bitte.<br />

„Ah,“ seufzte sie – seine Unentschlossenheit hatte eine neue Zukunft hervorgebracht. „Seht<br />

ihr? Bella wird n<strong>ich</strong>ts sagen. Wir haben n<strong>ich</strong>ts <strong>zu</strong> befürchten.“<br />

Wie sie den Namen des Mädchens sagte… als wären sie längst enge Vertraute…<br />

„Alice,“ würgte <strong>ich</strong> hervor. „Was… soll das…?“<br />

„Ich hab dir gesagt, dass eine Verän<strong>der</strong>ung ansteht. Ich weiß es n<strong>ich</strong>t, Ed<strong>war</strong>d.“ Aber sie<br />

schloss ihren Mund, und <strong>ich</strong> konnte sehen, dass da noch mehr dahint<strong>erste</strong>ckte. Sie versuchte n<strong>ich</strong>t<br />

daran <strong>zu</strong> denken; sie konzentrierte s<strong>ich</strong> jetzt auf Jasper, obwohl er <strong>zu</strong> perplex <strong>war</strong> um irgendwelche<br />

Entscheidungen <strong>zu</strong> treffen.<br />

<strong>Das</strong> machte sie manchmal wenn sie versuchte, etwas vor <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> verbergen.<br />

„Was, Alice? Was v<strong>erste</strong>ckst du?“<br />

Ich hörte Emmett grummeln. Es frustriete ihn jedesmal wenn Alice und <strong>ich</strong> <strong>die</strong>se Art von<br />

Unterhaltung führten.


Sie schüttelte ihren Kopf und versuchte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t rein <strong>zu</strong>lassen.<br />

„Geht es um das Mädchen?“ verlangte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> wissen. „Geht es um Bella?“<br />

Sie biss ihre Zähne <strong>zu</strong>sammen vor Konzentration, aber als <strong>ich</strong> Bellas Namen aussprach,<br />

rutschte sie ab. Der Ausrutscher dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber das <strong>war</strong> lange genug.<br />

„NEIN!“ schrie <strong>ich</strong>. Ich hörte wie mein Stuhl auf den Boden aufschlug und erst da bemerkte<br />

<strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> aufgesprungen <strong>war</strong>.<br />

„Ed<strong>war</strong>d!“ Carlisle <strong>war</strong> auch aufgestanden und legte seinen Arm auf meine Schulter. Ich<br />

nahm ihn kaum <strong>war</strong>.<br />

„Es festigt s<strong>ich</strong>,“ flüsterte Alice. „Jede Minute wirst du entschlossener. Es gibt nur noch zwei<br />

Wege für sie. Der eine o<strong>der</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e, Ed<strong>war</strong>d.“<br />

Ich konnte sehen, was sie sah… aber <strong>ich</strong> konnte es n<strong>ich</strong>t akzeptieren.<br />

„Nein,“ sagte <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong>; mein Wi<strong>der</strong>spruch <strong>war</strong> kraftlos. Meine Beine fühlten s<strong>ich</strong> dumpf an<br />

und <strong>ich</strong> musste m<strong>ich</strong> auf dem Tisch abstützen.<br />

„Könnte uns bitte irgendwer in das Geheiminis einweihen?“ beschwerte s<strong>ich</strong> Emmett.<br />

„Ich muss gehen,“ flüsterte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Alice und ignorierte ihn.<br />

„Ed<strong>war</strong>d, das Thema haben wir hinter uns,“ sagte Emmett laut. „<strong>Das</strong> ist <strong>der</strong> beste Weg um<br />

das Mädchen <strong>zu</strong>m Reden <strong>zu</strong> bringen. Abgesehen davon, wenn du weg bist, werden wir n<strong>ich</strong>t mit<br />

S<strong>ich</strong>erheit wissen, ob sie redet o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t. Du musst bleiben und damit klar kommen.“<br />

„Ich sehe d<strong>ich</strong> nirgendwo hingehen, Ed<strong>war</strong>d,“ erklärte <strong>mir</strong> Alice. „Ich weiß n<strong>ich</strong>t, ob du noch<br />

weggehen kannst.“ Denk darüber nach, fügte sie stumm hin<strong>zu</strong>. Denk darüber nach <strong>zu</strong> gehen.<br />

Ich verstand was sie meinte. Ja <strong>der</strong> Gedanke, das Mädchen nie wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> sehen <strong>war</strong>…<br />

Schmerzhaft. Aber es <strong>war</strong> nötig. Ich konnte keine <strong>der</strong> Zukunftsmögl<strong>ich</strong>keiten bewilligen <strong>zu</strong> <strong>der</strong> <strong>ich</strong> sie<br />

offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> verdammt hatte.<br />

Ich bin <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er wegen Jasper, Ed<strong>war</strong>d, dachte Alice weiter. Wenn du weggehst, wenn<br />

er glaubt sie ist eine Gefahr für uns…<br />

„<strong>Das</strong> höre <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t,“ wie<strong>der</strong>sprach <strong>ich</strong> ihr und nahm das Publikum um uns herum immer<br />

noch n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>. Jasper schwankte. Er würde n<strong>ich</strong>ts tun, dass Alice verletzten konnte.<br />

N<strong>ich</strong>t in <strong>die</strong>sem Moment. Würdest du ihr Leben riskieren und sie schutzlos <strong>zu</strong>rücklassen?<br />

„Warum tust du <strong>mir</strong> das an?“ ächzte <strong>ich</strong>. Mein Kopf fiel in meine Hände.<br />

Ich <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t Bellas Beschützer. <strong>Das</strong> konnte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t sein. War Alices geteilte Zukunft für<br />

Bella n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> beste Beweis dafür?<br />

Ich liebe sie auch. O<strong>der</strong> <strong>ich</strong> werde. Es ist n<strong>ich</strong>t dasselbe, aber <strong>ich</strong> möchte sie hier haben, damit<br />

es passiert.<br />

„Liebe sie auch?“ flüsterte <strong>ich</strong> ungläubig.<br />

Sie seufzte. Du bist so blind, Ed<strong>war</strong>d. Kannst du n<strong>ich</strong>t sehen, wo du hinsteuerst? Kannst du<br />

n<strong>ich</strong>t sehen, wo du bereits bist? Es ist unauswe<strong>ich</strong>l<strong>ich</strong>er, als <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> Sonne im Osten<br />

aufgeht. Sieh, was <strong>ich</strong> sehe…<br />

Ich schüttelte entsetzt meinen Kopf. „Nein.“ Ich versuchte <strong>die</strong> Vision aus<strong>zu</strong>blenden, <strong>die</strong> sie<br />

<strong>mir</strong> offenbarte. „Ich muss <strong>die</strong>sem Kurs n<strong>ich</strong>t folgen. Ich werde gehen. Ich werde <strong>die</strong> Zukunft än<strong>der</strong>n.“<br />

„Du kannst es versuchen,“ sagte sie, ihre Stimme klang skeptisch.<br />

„Ach, kommt schon!“ bellte Emmett.<br />

„Pass doch mal auf,“ zischte Rose ihn an. „Alice sieht, dass er s<strong>ich</strong> in einen Menschen<br />

verknallt! <strong>Das</strong> ist so klassisch, Ed<strong>war</strong>d!“ sie gluckste.<br />

Ich hörte sie kaum.<br />

„Was?“ sagte Emmett erschrocken. Dann hallte sein donnerndes Gelächter durch den Raum.<br />

„<strong>Das</strong> ist es was hier vor s<strong>ich</strong> geht?“ er lachte wie<strong>der</strong>. „Ein krasser Bruch, Ed<strong>war</strong>d.“


Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter, und schüttelte sie ab. Ich konnte ihm jetzt keine<br />

Aufmerksamkeit schenken.<br />

„Verknallt s<strong>ich</strong> in einen Menschen?“ wi<strong>der</strong>holte Esme verblüfft. „In das Mädchen, das er<br />

heute gerettet hat? Er verliebt s<strong>ich</strong> in sie?“<br />

„Was siehst du, Alice? Ganz genau,“ verlangte Jasper <strong>zu</strong> wissen.<br />

Sie drehte s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihm um; Ich starrte immer noch benommen auf ihr Profil.<br />

„Es hängt alles davon ab, ob er stark genug ist, o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t. Entwe<strong>der</strong> wird er sie selbst töten“<br />

– sie drehte sie wie<strong>der</strong> um und erwi<strong>der</strong>te meinen <strong>Blick</strong>, strahlend – „was m<strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> irritieren<br />

würde, Ed<strong>war</strong>d, wenn man bedenkt, was das für d<strong>ich</strong> bedeuten würde…“ dann wandte sie s<strong>ich</strong><br />

wie<strong>der</strong> an Jasper, „o<strong>der</strong> sie wird eines Tages eine von uns sein.“<br />

Irgendjemand japste; <strong>ich</strong> schaute n<strong>ich</strong>t auf um <strong>zu</strong> sehen, wer es <strong>war</strong>.<br />

„<strong>Das</strong> wird n<strong>ich</strong>t passieren!“ Schrie <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong>. „Beides n<strong>ich</strong>t!“<br />

Alice schien m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> hören. „Es kommt alles darauf an,“ wie<strong>der</strong>holte sie. „Er wird<br />

vielle<strong>ich</strong>t gerade eben stark genug sein, sie n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> töten – aber es wird knapp. Es wird eine<br />

unglaubl<strong>ich</strong>e Selbstkontrolle verlangen,“ sinnierte sie. „Sogar noch mehr als Carlisle aufbringen kann.<br />

Er wird so eben stark genug sein… <strong>Das</strong> einzige wofür er n<strong>ich</strong>t stark genug ist, ist s<strong>ich</strong> von ihr<br />

fern<strong>zu</strong>halten. <strong>Das</strong> ist ein vergebl<strong>ich</strong>er Kampf.“<br />

Ich fand keine Worte. Den an<strong>der</strong>en schien es ähnl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> gehen. Der Raum <strong>war</strong> stumm.<br />

Ich starrte <strong>zu</strong> Alice und alle an<strong>der</strong>en starrten m<strong>ich</strong> an. Ich konnte meinen eigenen entsetzten<br />

Ges<strong>ich</strong>tsausdruck aus fünf verschiedenen <strong>Blick</strong>winkeln sehen.<br />

Nach einer langen Pause seufzte Carlisle.<br />

„Naja das… macht <strong>die</strong> Dinge komplizierter.“<br />

„Würd <strong>ich</strong> auch sagen,“ stimmte Emmett <strong>zu</strong>. Seine Stimme klang immer noch belustigt. Man<br />

konnte darauf vertrauen, dass Emmett sogar den Witz in <strong>der</strong> Zerstörung meines Lebens finden<br />

würde.<br />

„Ich denke, <strong>die</strong> Pläne sind immer noch <strong>die</strong> selben,“ sagte Carlisle gedankenverloren. „Wir<br />

bleiben und beobachten. Selbstverständl<strong>ich</strong> wird niemand das Mädchen… verletzten.“<br />

Ich v<strong>erste</strong>ifte m<strong>ich</strong>.<br />

„Nein,“ sagte Jasper leise. „Dem kann <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>stimmen. Wenn Alice nur <strong>die</strong>se zwei<br />

Mögl<strong>ich</strong>keiten sieht…“<br />

„Nein!“ Meine Stimme <strong>war</strong> kein Brüllen, o<strong>der</strong> Knurren, o<strong>der</strong> Verzweiflungsschrei, aber<br />

irgendeine Mischung aus allen dreien. „Nein!“<br />

Ich musste raus, weg von dem Lärm ihrer Gedanken – Rosalies selbstgefälliger Ekel, Emmetts<br />

Humor, Carlisles nie endende Geduld…<br />

Noch schlimmer: Alice Überzeugung. Jaspers Überzeugung von <strong>die</strong>ser Überzeugung.<br />

Am schlimmsten von allen: Esmes… Freude.<br />

Ich stolperte aus dem Raum. Esme berührte meinen Arm, als <strong>ich</strong> an ihr vorbei lief, aber <strong>ich</strong><br />

beachtete <strong>die</strong> Geste n<strong>ich</strong>t.<br />

Ich rannte noch bevor <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>r Tür hinaus <strong>war</strong>. Ich überquerte den Fluss mit einem Satz und<br />

rannte in den Wald. Der Regen <strong>war</strong> <strong>zu</strong>rück und ergoss s<strong>ich</strong> so stark, dass <strong>ich</strong> innerhalb weniger<br />

Momente durchnässt <strong>war</strong>. Ich mochte den dicken Regenvorhang – er zog eine Mauer zwischen <strong>mir</strong><br />

und dem Rest <strong>der</strong> Welt hoch. Sie umschloss m<strong>ich</strong>, ließ m<strong>ich</strong> allein sein.<br />

Ich rannte nach Osten, über und durch <strong>die</strong> Berge ohne von meinem Kurs ab<strong>zu</strong>kommen, bis<br />

<strong>ich</strong> <strong>die</strong> L<strong>ich</strong>ter von Seattle vor <strong>mir</strong> sah. Ich hielt an bevor <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Grenze <strong>zu</strong> menschl<strong>ich</strong>er Zivilisation<br />

überschritt.


Eingeschlossen vom Regen, ganz allein, <strong>war</strong> <strong>ich</strong> endl<strong>ich</strong> bereit, m<strong>ich</strong> damit auseinan<strong>der</strong> <strong>zu</strong><br />

setzen, was <strong>ich</strong> anger<strong>ich</strong>tet hatte – wie <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Zukunft geteilt hatte.<br />

Zuerst <strong>die</strong> Vision von Alice und dem Mädchen, wie sie s<strong>ich</strong> umarmten – das Vertrauen und<br />

<strong>die</strong> Freundschaft <strong>war</strong>en so offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>, sie sprangen einen regelrecht an. Bellas große<br />

Schokoladen-Augen <strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t perplex in <strong>die</strong>ser Vision, aber immer noch voller Geheimnisse – in<br />

<strong>die</strong>sem Moment schienen es glückl<strong>ich</strong>e Geheimnisse <strong>zu</strong> sein. Sie schreckte n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>rück vor Alices<br />

kaltem Arm.<br />

Was hatte das <strong>zu</strong> bedeuten? Wie viel wusste sie? In <strong>die</strong>sem Still-Leben <strong>der</strong> Zukunft, was<br />

dachte sie da über m<strong>ich</strong>?<br />

Dann das an<strong>der</strong>e Bild, fast das gle<strong>ich</strong>e, nun von Horror geze<strong>ich</strong>net. Alice und Bella, ihre arme<br />

immer noch in vertrauter Freundschaft umeinan<strong>der</strong> gelegt. Aber jetzt gab es keinen Unterschied<br />

zwischen <strong>die</strong>sen Armen – beide <strong>war</strong>en weiß, eben und marmorn, hart wie Stahl. Bellas große Augen<br />

<strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t mehr Schokoladenbraun. Die Iris <strong>war</strong>en schockierend anschaul<strong>ich</strong> blutrot. Die<br />

Geheimnisse darin <strong>war</strong>en unergründl<strong>ich</strong> – Akzeptanz o<strong>der</strong> Trostlosigkeit? Es <strong>war</strong> unmögl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sagen.<br />

Ihr Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> kalt und unsterbl<strong>ich</strong>.<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte <strong>zu</strong>sammen. Ich konnte <strong>die</strong> Frage n<strong>ich</strong>t unterdrücken, ähnl<strong>ich</strong>, aber an<strong>der</strong>s: Was<br />

hatte es <strong>zu</strong> bedeuten – wie <strong>war</strong> es da<strong>zu</strong> gekommen? Und was dachte sie jetzt von <strong>mir</strong>?<br />

Die letzte konnte <strong>ich</strong> beantworten. Wenn <strong>ich</strong> sie in <strong>die</strong>ses leere halbe Leben zwang, aufgrund<br />

meiner Schwäche und meines Egoismus, würde sie m<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong>er hassen.<br />

Aber da <strong>war</strong> noch ein entsetzl<strong>ich</strong>es Bild – schlimmer als jedes an<strong>der</strong>e Bild, dass <strong>ich</strong> je in<br />

meinem Kopf hatte.<br />

Meine eigenen Augen, dunkelrot von menschl<strong>ich</strong>em Blut, <strong>die</strong> Augen des Monsters. Bellas<br />

zerstörter Körper in meinen Armen, aschfahl, ausgesaugt, leblos. Es <strong>war</strong> so konkret, so klar.<br />

Ich hielt es n<strong>ich</strong>t aus, das <strong>zu</strong> sehen. Konnte es n<strong>ich</strong>t ertragen. Ich versuchte es aus meinen<br />

Gedanken <strong>zu</strong> vertreiben, versuchte etwas an<strong>der</strong>es <strong>zu</strong> sehen, irgendetwas an<strong>der</strong>es. Versuchte den<br />

Ausdruck auf ihrem lebendigen Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> sehen <strong>der</strong> meine S<strong>ich</strong>t im letzten Kapitel meines Lebens<br />

blockiert hatte. Alles vergebens.<br />

Alices trostlose Vision füllte meinen Kopf aus und <strong>ich</strong> krümmte m<strong>ich</strong> innerl<strong>ich</strong> aufgrund <strong>der</strong><br />

Höllenqualen <strong>die</strong> sie auslösten. Währenddessen schäumte das Monster in <strong>mir</strong> über vor Freude,<br />

jubilierte über <strong>die</strong> Wahrscheinl<strong>ich</strong>keit seines Erfolges. Es machte m<strong>ich</strong> krank.<br />

<strong>Das</strong> konnte n<strong>ich</strong>t gestattet werden. Es musste einen Weg geben, <strong>die</strong> Zukunft <strong>zu</strong> überlisten.<br />

Ich würde m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t von Alices Visionen leiten lassen. Ich konnte einen an<strong>der</strong>en Weg wählen. Es gab<br />

immer eine Wahl.<br />

Es musste eine Wahl geben.


4. Einladungen<br />

High School. N<strong>ich</strong>t länger nur das Fegefeuer, son<strong>der</strong>n <strong>die</strong> pure Hölle. Qual und Feuer… ja, <strong>ich</strong> hatte<br />

beides.<br />

Ab jetzt machte <strong>ich</strong> alles r<strong>ich</strong>tig. Jedes „i“ bekam seinen Punkt, jedes „t“ seinen Str<strong>ich</strong>.<br />

Niemand konnte <strong>mir</strong> vorwerfen <strong>ich</strong> würde m<strong>ich</strong> vor <strong>der</strong> Verantwortung drücken.<br />

Esme <strong>zu</strong>liebe und um <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong> beschützen, blieb <strong>ich</strong> in Forks. Ich ging <strong>zu</strong> meinem alten<br />

Tagesablauf über. Ich jagte n<strong>ich</strong>t mehr als <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en. Jeden Tag ging <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>r High School und<br />

benahm m<strong>ich</strong> menschl<strong>ich</strong>. Jeden Tag lauschte <strong>ich</strong> auf Neuigkeiten über <strong>die</strong> Cullens – es gab nie etwas<br />

Neues. <strong>Das</strong> Mädchen hatte n<strong>ich</strong>t ein Wort über ihre Beobachtungen verloren. Sie wie<strong>der</strong>holte<br />

<strong>die</strong>selbe Gesch<strong>ich</strong>te, immer und immer wie<strong>der</strong> – <strong>ich</strong> stand neben ihr und hab sie <strong>zu</strong>r Seite gerissen –<br />

bis ihre Zuhörer gelangweilt aufgaben noch mehr Fragen <strong>zu</strong> stellen. Es bestand keine Gefahr. Mein<br />

übereiltes Handeln hatte niemandem geschadet.<br />

Niemandem außer <strong>mir</strong>.<br />

Ich <strong>war</strong> fest entschlossen, <strong>die</strong> Zukunft <strong>zu</strong> än<strong>der</strong>n. N<strong>ich</strong>t gerade <strong>die</strong> einfachste Aufgabe, <strong>die</strong><br />

man s<strong>ich</strong> selbst stellen konnte, aber es gab keine an<strong>der</strong>e Wahl mit <strong>der</strong> <strong>ich</strong> hätte leben können.<br />

Alice sagte, <strong>ich</strong> wäre n<strong>ich</strong>t stark genug um m<strong>ich</strong> von dem Mädchen fern <strong>zu</strong> halten. Ich würde<br />

ihr das Gegenteil beweisen.<br />

Ich dachte, <strong>der</strong> <strong>erste</strong> Tag würde <strong>der</strong> schw<strong>erste</strong> sein. Am Ende des Tages, <strong>war</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> dessen<br />

s<strong>ich</strong>er. Aber <strong>ich</strong> lag falsch.<br />

Ich hatte Skrupel weil <strong>ich</strong> wusste, dass <strong>ich</strong> das Mädchen verletzten würde. Ich beruhigte m<strong>ich</strong><br />

indem <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> einredete, dass ihr Schmerz n<strong>ich</strong>t schlimmer <strong>war</strong> als ein Nadelst<strong>ich</strong> – nur ein kleiner<br />

St<strong>ich</strong> – im Vergle<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> meinem. Bella <strong>war</strong> ein Mensch und sie wusste, dass <strong>ich</strong> etwas an<strong>der</strong>es <strong>war</strong>,<br />

etwas falsches, etwas beängstigendes. Sie würde vermutl<strong>ich</strong>er eher erle<strong>ich</strong>tert sein als verletzt, wenn<br />

<strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t mehr beachtete und so tat als würde sie n<strong>ich</strong>t existieren.<br />

„Hallo, Ed<strong>war</strong>d,“ grüßte sie m<strong>ich</strong> an <strong>die</strong>sem <strong>erste</strong>n Tag in Biologie. Ihre Stimme <strong>war</strong> liebl<strong>ich</strong>,<br />

freundl<strong>ich</strong>, eine hun<strong>der</strong>tachtzig Grad Wendung im Vergle<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>m letzten Mal als <strong>ich</strong> mit ihr<br />

gesprochen hatte.<br />

Warum? Was hatte <strong>die</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>zu</strong> bedeuten? Hatte sie es vergessen? S<strong>ich</strong> entschieden,<br />

dass sie s<strong>ich</strong> alles nur eingebildet hatte? Hatte sie <strong>mir</strong> mögl<strong>ich</strong>erweise verziehen, dass <strong>ich</strong> mein<br />

Versprechen n<strong>ich</strong>t gehalten hatte?<br />

Die Fragen brannten in <strong>mir</strong>, wie <strong>der</strong> Durst <strong>der</strong> m<strong>ich</strong> durchfuhr, jedesmal wenn <strong>ich</strong> einatmete.<br />

Nur einmal in ihre Augen blicken. Nur um <strong>zu</strong> sehen, ob <strong>ich</strong> darin <strong>die</strong> Antworten lesen<br />

konnte…<br />

Nein, <strong>ich</strong> konnte <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t mal das erlauben. N<strong>ich</strong>t, wenn <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Zukunft verän<strong>der</strong>n wollte.<br />

Ich nickte kurz in ihre R<strong>ich</strong>tung ohne meinen <strong>Blick</strong> von <strong>der</strong> Tafel ab<strong>zu</strong>wenden.<br />

Sie sprach m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr an.<br />

An <strong>die</strong>sem Nachmittag, sobald <strong>die</strong> Schule vorbei <strong>war</strong> und <strong>ich</strong> meine Rolle gespielt hatte,<br />

rannte wie<strong>der</strong> nach Seattle, genau wie am Tag <strong>zu</strong>vor. Ich kam <strong>mir</strong> so vor, als könnte <strong>ich</strong> mit dem<br />

schmerzenden Durst besser umgehen, wenn <strong>ich</strong> über den Boden dahinflog und alles um m<strong>ich</strong> herum<br />

in eine grüne Masse verwandelte.


Dieser Lauf wurde eine tägl<strong>ich</strong>e Angewohnheit.<br />

Liebte <strong>ich</strong> sie? <strong>Das</strong> konnte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t vorstellen. Noch n<strong>ich</strong>t. Alices flüchtige Einblicke in<br />

<strong>die</strong>se Zukunft verfolgten m<strong>ich</strong> und <strong>ich</strong> konnte sehen wie le<strong>ich</strong>t es wäre, s<strong>ich</strong> in Bella <strong>zu</strong> verlieben. Es<br />

<strong>war</strong> genau wie fallen: mühelos. Es n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong><strong>zu</strong>lassen, <strong>war</strong> das Gegenteil von fallen – es <strong>war</strong> als würde<br />

<strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> einen Steilhang hinauf schleppen, eine Hand nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en, und genauso anstrengend<br />

als wäre <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t stärker als je<strong>der</strong> Sterbl<strong>ich</strong>e.<br />

Mehr als einen Monat verging und es wurde immer schwieriger. <strong>Das</strong> ergab keinen Sinn – <strong>ich</strong><br />

<strong>war</strong>tete darauf, darüber hinweg <strong>zu</strong> kommen, dass es le<strong>ich</strong>ter wurde. <strong>Das</strong> musste Alice gemeint<br />

haben, als sie vorhergesehen hatte, dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage sein würde, m<strong>ich</strong> von dem Mädchen<br />

fern <strong>zu</strong> halten. Sie hatte das Ausmaß <strong>der</strong> Schmerzen gesehen. Aber <strong>ich</strong> konnte Schmerzen ertragen.<br />

Ich würde Bellas Zukunft n<strong>ich</strong>t zerstören. Wenn es mein Schicksal <strong>war</strong>, sie <strong>zu</strong> lieben, <strong>war</strong><br />

dann n<strong>ich</strong>t das Beste was <strong>ich</strong> tun konnte, sie <strong>zu</strong> meiden?<br />

Sie <strong>zu</strong> meiden, <strong>war</strong> das <strong>die</strong> Grenze von dem was <strong>ich</strong> ertragen konnte? Ich konnte so tun, als<br />

würde <strong>ich</strong> sie ignorieren, und nie in ihre R<strong>ich</strong>tung schauen. Ich konnte so tun, als würde sie m<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t interessieren. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> das äuß<strong>erste</strong>, so <strong>zu</strong> tun, aber n<strong>ich</strong>t <strong>die</strong> Wahrheit.<br />

Ich sog immer noch jeden ihrer Atemzüge auf, jedes Wort, das sie sagte.<br />

Ich teilte meine Qual in vier Kategorien ein.<br />

Die <strong>erste</strong>n beiden <strong>war</strong>en bekannt. Ihr Duft und ihre Stille. O<strong>der</strong> besser – <strong>ich</strong> trug <strong>die</strong><br />

Verantwortung auf meinen eigenen Schultern wo sie hingehörte – mein Durst und meine Neugierde.<br />

Der Durst <strong>war</strong> <strong>die</strong> größte Qual. Ich gewöhnte <strong>mir</strong> an in Biologie n<strong>ich</strong>t mehr <strong>zu</strong> atmen.<br />

Natürl<strong>ich</strong> gab es Ausnahmen – wenn <strong>ich</strong> eine Frage beantworten musste o<strong>der</strong> sowas in <strong>der</strong> Art, und<br />

<strong>ich</strong> etwas Luft brauchte um <strong>zu</strong> sprechen. Jedesmal schmeckte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Luft um das Mädchen, es <strong>war</strong><br />

wie am <strong>erste</strong>n Tag – Feuer und Verlangen und verzweifelte Gewalt <strong>die</strong> danach verlangte<br />

aus<strong>zu</strong>brechen. In <strong>die</strong>sen Momenten <strong>war</strong> es hart auch nur darüber nach<strong>zu</strong>denken <strong>zu</strong> wied<strong>erste</strong>hen.<br />

Und genau wie an <strong>die</strong>sem <strong>erste</strong>n Tag, knurrte das Monster in <strong>mir</strong> ganz d<strong>ich</strong>t an <strong>der</strong> Oberfläche…<br />

Die Neugierde <strong>war</strong> <strong>die</strong> Konstanteste Qual. Die Frage schwirrte immer in meinem Kopf: Was<br />

denkt sie gerade? Wenn <strong>ich</strong> sie leise seufzen hörte. Wenn sie abwesend mit einer Strähne ihres<br />

vollen Haares spielte. Wenn sie ihre Bücher lauter auf den Tisch fallen ließ, als sonst. Wenn sie <strong>zu</strong><br />

spät in den Unterr<strong>ich</strong>t hetzte. Wenn sie mit dem Fuß ungeduldig auf den Boden klopfte. Jede ihrer<br />

Bewegungen, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> mit meiner Gabe beobachtete, <strong>war</strong> ein quälendes Geheimnis. Wenn sie mit den<br />

an<strong>der</strong>en menschl<strong>ich</strong>en Schülern sprach analysierte <strong>ich</strong> jedes Wort und jeden Tonfall. Sagte sie, was<br />

sie dachte, o<strong>der</strong> was sie glaubte, sagen <strong>zu</strong> müssen? Oft hörte es s<strong>ich</strong> für m<strong>ich</strong> so an, als würde sie<br />

ihren Zuhören das sagen, was sie hören wollten, was m<strong>ich</strong> an meine Familie und ihr alltägl<strong>ich</strong>es<br />

Leben voller Illusionen erinnerte – wir <strong>war</strong>en besser darin, als sie. Es seih denn <strong>ich</strong> lag falsch, <strong>ich</strong><br />

interpretierte nur. Warum sollte sie eine Rolle spielen müssen? Sie <strong>war</strong> eine von ihnen – ein<br />

menschl<strong>ich</strong>er Teenager.<br />

Mike Newton <strong>war</strong> <strong>die</strong> größte Überraschung meiner Qualen. Wer hätte gedacht, dass so ein<br />

gewöhnl<strong>ich</strong>er, langweiliger Sterbl<strong>ich</strong>er so ärgerl<strong>ich</strong> sein konnte? Um ehrl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sein, hätte <strong>ich</strong> <strong>die</strong>sem<br />

nervenden Jungen dankbar sein sollen; er brachte sie mehr <strong>zu</strong>m Reden als <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en. Ich lernte so<br />

viel über sie durch <strong>die</strong>se Unterhaltungen – <strong>ich</strong> vervollständigte immer noch meine Liste – aber<br />

an<strong>der</strong>erseits, Mikes Hilfe bei <strong>die</strong>sem Projekt verärgerte m<strong>ich</strong> nur noch mehr. Ich wollte n<strong>ich</strong>t, dass<br />

Mike <strong>der</strong>jenige <strong>war</strong> <strong>der</strong> ihre Geheimnisse lüftete. <strong>Das</strong> wollte <strong>ich</strong> selbst tun.<br />

Es half, dass er ihre kleinen Offenbarungen, ihre kleinen Ausrutscher n<strong>ich</strong>t bemerkte. Er<br />

wusste n<strong>ich</strong>ts über sie. Er erschaffte s<strong>ich</strong> eine Bella <strong>die</strong> n<strong>ich</strong>t existierte – ein Mädchen genauso<br />

gewöhnl<strong>ich</strong> wie er selbst. Er hatte <strong>die</strong> Selbstlosigkeit, den Mut, <strong>der</strong> sie von allen an<strong>der</strong>en Menschen<br />

unterschied n<strong>ich</strong>t bemerkt, er konnte den unnormalen Ablauf ihrer ausgesprochenen Gedanken n<strong>ich</strong>t


hören. Er bemerkte n<strong>ich</strong>t, dass sie s<strong>ich</strong> eher anhörte wie ein Elternteil dass von seinem Kind erzählt,<br />

als an<strong>der</strong>sherum, wenn sie über ihre Mutter sprach – liebend, nachs<strong>ich</strong>tig, le<strong>ich</strong>t amüsiert und sehr<br />

beschützerisch. Er hörte n<strong>ich</strong>t <strong>die</strong> Geduld in ihrer Stimme, wenn sie Interesse an seinen weitläufigen<br />

Gesch<strong>ich</strong>ten vorgab, und dachte n<strong>ich</strong>t an <strong>die</strong> Güte hinter <strong>die</strong>ser Geduld.<br />

Durch <strong>die</strong> Unterhaltung mit Mike, konnte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> w<strong>ich</strong>tigste ihrer Qualitäten <strong>zu</strong> meiner Liste<br />

hin<strong>zu</strong>fügen, <strong>die</strong> aufschlussre<strong>ich</strong>ste von allen, so simpel wie sie selten <strong>war</strong>. Bella <strong>war</strong> gut. Alle an<strong>der</strong>en<br />

Dinge fügten s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> einem ganzen <strong>zu</strong>sammen – gütig und bescheiden und selbstlos und liebevoll und<br />

mutig – sie <strong>war</strong> durch und durch gut.<br />

Diese hilfre<strong>ich</strong>en Entdeckungen ließen m<strong>ich</strong> gegenüber dem Junge n<strong>ich</strong>t auftauen, <strong>war</strong>um<br />

auch immer. Diese besessene Art mit <strong>der</strong> er Bella ansah – als wäre sie eine Eroberung <strong>die</strong> er machen<br />

musste – provozierte m<strong>ich</strong> fast so sehr wie <strong>die</strong> geschmacklosen Fantasien <strong>die</strong> er über sie hatte. Er<br />

wurde s<strong>ich</strong> ihrer immer s<strong>ich</strong>erer, während <strong>die</strong> Zeit verging, denn sie schien ihn seinen erdachten<br />

Rivalen vor<strong>zu</strong>ziehen – Tyler Crowley, Eric Yorkie und sogar, nur sporadisch, meine Wenigkeit. Er saß<br />

jeden Tag routiniert auf ihrer Seite unseres Tisches und quatschte mit ihr, ermutigt durch ihr lächeln.<br />

Nur ein höfl<strong>ich</strong>es Lächeln, redete <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> ein. Es <strong>war</strong> jedes Mal dasselbe, <strong>ich</strong> amüsierte m<strong>ich</strong> bei <strong>der</strong><br />

Vorstellung ihn quer durch den Raum an <strong>die</strong> hintere Wand <strong>zu</strong> schleu<strong>der</strong>n… es würde ihn vermutl<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t all<strong>zu</strong> schwer verletzen…<br />

Mike dachte n<strong>ich</strong>t an m<strong>ich</strong> als Rivale. Nach dem Unfall dachte er, Bella und <strong>ich</strong> wären durch<br />

<strong>die</strong> Erfahrung <strong>zu</strong>sammengeschweißt, aber offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> das Gegenteil <strong>der</strong> Fall. Damals hatte es<br />

ihn noch gestört, dass <strong>ich</strong> Bella da<strong>zu</strong> auserkoren hatte, ihr meine Aufmerksamkeit <strong>zu</strong> schenken. Aber<br />

jetzt ignorierte <strong>ich</strong> sie genauso konsequent wie alle an<strong>der</strong>en und damit <strong>war</strong> er <strong>zu</strong>frieden.<br />

Was dachte sie jetzt? Begrüßte sie seine Aufmerksamkeit?<br />

Und <strong>zu</strong>m Schluss, <strong>die</strong> letzte meiner Qualen, <strong>die</strong> schmerzvollste: Bellas Gle<strong>ich</strong>gültigkeit. Wenn<br />

<strong>ich</strong> sie ignorierte, ignorierte sie m<strong>ich</strong>. Sie versucht n<strong>ich</strong>t noch einmal mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> sprechen. Und soweit<br />

<strong>ich</strong> es beurteilen konnte, dachte sie auch n<strong>ich</strong>t an m<strong>ich</strong>.<br />

<strong>Das</strong> hätte m<strong>ich</strong> verrückt gemacht – o<strong>der</strong> sogar meine Entschlossenheit gebrochen, <strong>die</strong><br />

Zukunft än<strong>der</strong>n <strong>zu</strong> wollen – wenn sie <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t manchmal <strong>die</strong> gle<strong>ich</strong>en verstohlenen <strong>Blick</strong>e<br />

<strong>zu</strong>geworfen hätte, wie früher. Ich sah es n<strong>ich</strong>t selbst, da <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t erlauben konnte sie an<strong>zu</strong>sehen,<br />

aber Alice <strong>war</strong>nte uns jedesmal wenn sie kurz davor <strong>war</strong> <strong>zu</strong> uns herüber<strong>zu</strong>sehen; <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en <strong>war</strong>en<br />

immer noch misstrauisch weil das Mädchen <strong>zu</strong> viel wusste.<br />

Es mil<strong>der</strong>te <strong>die</strong> Schmerzen ein wenig, <strong>zu</strong> wissen, dass sie m<strong>ich</strong> hin und wie<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Ferne<br />

beobachtete. Natürl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> es mögl<strong>ich</strong>, dass sie nur darüber nachdachte, was für ein Freak <strong>ich</strong> <strong>war</strong>.<br />

„Bella wird in etwa einer Minute <strong>zu</strong> Ed<strong>war</strong>d blicken. Seht normal aus,“ sagte Alice an einem<br />

Dienstag im März und <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en <strong>war</strong>en darauf bedacht auf ihren Plätzen herum<strong>zu</strong>rutschen und<br />

s<strong>ich</strong> wie Menschen <strong>zu</strong> benehmen; konsequentes Stillsitzen <strong>war</strong> typisch für unsere Art.<br />

Ich achtete darauf, wie oft sie in meine R<strong>ich</strong>tung sah. Es beruhigte m<strong>ich</strong>, obwohl es das n<strong>ich</strong>t<br />

sollte, dass ihre Häufigkeit n<strong>ich</strong>t nachließ, als <strong>die</strong> Zeit verstr<strong>ich</strong>. Ich wusste n<strong>ich</strong>t, was es <strong>zu</strong> bedeuten<br />

hatte, aber es fühlte s<strong>ich</strong> gut an.<br />

Alice seufzte. Ich wünschte…<br />

„Halt d<strong>ich</strong> da raus, Alice,“ presste <strong>ich</strong> hervor. „Es wird n<strong>ich</strong>t passieren.“<br />

Sie schmollte. Alice sehnte s<strong>ich</strong> danach, s<strong>ich</strong> mit dem Mädchen an<strong>zu</strong>freunden, so wie sie es in<br />

ihrer Vision gesehen hatte. Auf eine seltsame Art und Weise vermisste sie das Mädchen, dass sie gar<br />

n<strong>ich</strong>t kannte.<br />

Ich gebe <strong>zu</strong>, du bist besser, als <strong>ich</strong> gedacht hätte. Du hast <strong>die</strong> Zukunft wie<strong>der</strong> verschwommen<br />

und sinnlos werden lassen. Bist du jetzt <strong>zu</strong>frieden?<br />

„Für m<strong>ich</strong> ergibt sie eine Menge Sinn.“


Sie schnaubte verächtl<strong>ich</strong>.<br />

Ich versuchte sie aus<strong>zu</strong>blenden, <strong>ich</strong> <strong>war</strong> <strong>zu</strong> ungeduldig für eine Unterhaltung. Meine<br />

Stimmung <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t gerade <strong>die</strong> beste – angespannter als <strong>ich</strong> irgendeinem von ihnen zeigte. Nur<br />

Jasper wusste wie sehr <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> wandte, er fühlte den Stress den <strong>ich</strong> ausstrahlte aufgrund seiner<br />

beson<strong>der</strong>en Fähigkeit <strong>die</strong> Gefühle an<strong>der</strong>er <strong>zu</strong> ertasten und <strong>zu</strong> beeinflussen. Er verstand den Grund<br />

für <strong>die</strong>se Gefühle n<strong>ich</strong>t, und – da <strong>ich</strong> ständig schlecht gelaunt <strong>war</strong> in den letzten Tagen – ignorierte er<br />

es.<br />

Heute würde ein harter Tag werden. Schlimmer als <strong>der</strong> Tag <strong>zu</strong>vor.<br />

Mike Newton, <strong>der</strong> verhasste Typ mit dem <strong>ich</strong> es <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t erlauben konnte <strong>zu</strong> konkurrieren,<br />

hatte vor, Bella heute nach einem Date <strong>zu</strong> fragen.<br />

Ein Ball mit Damenwahl stand aus und er hatte gehofft, dass Bella ihn fragen würde. <strong>Das</strong>s sie<br />

es bisher noch n<strong>ich</strong>t getan hatte, veruns<strong>ich</strong>erte ihn. Jetzt <strong>war</strong> er hin und her gerissen – <strong>ich</strong> freute<br />

m<strong>ich</strong> über seine Probleme, was <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t sollte – denn Jessica Stanley hatte ihn gefragt, ob er <strong>mir</strong> ihr<br />

<strong>zu</strong> <strong>die</strong>sem Ball gehen würde. Er wollte n<strong>ich</strong>t „ja“ sagen, da er immer noch hoffte, dass Bella ihn<br />

fragen würde (und ihn darin bestätigte, dass er seine Rivalen besiegt hatte), aber er wollte auch n<strong>ich</strong>t<br />

„nein“ sagen und somit ganz auf den Ball verz<strong>ich</strong>ten, falls Bella ihn n<strong>ich</strong>t fragte. Jessica, verletzt durch<br />

sein Zögern und wohlwissentl<strong>ich</strong> was <strong>der</strong> Grund dafür <strong>war</strong>, <strong>war</strong>f in Gedanken mit Messern nach Bella.<br />

Und wie<strong>der</strong> hatte <strong>ich</strong> das Verlangen m<strong>ich</strong> zwischen Bella und Jessicas feindselige Gedanken <strong>zu</strong><br />

werfen. Ich Verstand <strong>die</strong>sen Instinkt jetzt besser, aber das machte es nur noch frustrieren<strong>der</strong>, dass<br />

<strong>ich</strong> ihm n<strong>ich</strong>t nachgeben konnte.<br />

Daran <strong>zu</strong> denken, dass es soweit gekommen <strong>war</strong>! Jetzt <strong>war</strong> <strong>ich</strong> ein Teil <strong>die</strong>ser belanglosen<br />

High School Dramen, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> sonst so sehr verachtet hatte.<br />

Mike nahm all seinen Mut <strong>zu</strong>sammen, als er in Biologie <strong>zu</strong> Bella hinüberging. Ich lauschte<br />

seinen Schritten und er<strong>war</strong>tete seine Ankunft. Der Junge <strong>war</strong> schwach. Er hatte darauf ge<strong>war</strong>tet,<br />

dass sie ihn um <strong>die</strong>ses Date bitten würde, aus Angst, seine Verliebtheit bekannt <strong>zu</strong> geben bevor sie<br />

ihm n<strong>ich</strong>t ein Ze<strong>ich</strong>en gegeben hätte, das sie auf Gegenseitigkeit beruht. Er wollte keine<br />

Zurückweisung einstecken, ihm wäre es lieber, wenn sie den <strong>erste</strong>n Schritt machte.<br />

Feigling.<br />

Er setzte s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> auf unseren Tisch und fühlte s<strong>ich</strong> direkt besser aufgrund <strong>der</strong> vertrauten<br />

Situation. Ich malte <strong>mir</strong> aus, welches Geräusch sein Körper wohl machte, wenn er <strong>die</strong><br />

gegenüberliegende Wand mit solcher Wucht traf, dass fast alle seine Knochen auf einmal brechen<br />

würden.<br />

„Also,“ sagte er mit gesenktem <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong> dem Mädchen. „Jessica hat m<strong>ich</strong> gefragt, ob <strong>ich</strong> mit<br />

ihr <strong>zu</strong>m Frühlingsball gehe.“<br />

„<strong>Das</strong> ist ja toll,“ antwortete Bella sofort enthusiastisch. Es <strong>war</strong> schwer n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> lächeln, als<br />

Mike s<strong>ich</strong> ihres Tonfalls bewusst wurde. Er hatte mit Betroffenheit gerechnet. „Ihr werdet s<strong>ich</strong>er eine<br />

Menge Spaß haben.“<br />

Er rang nach <strong>der</strong> r<strong>ich</strong>tigen Antwort. „Naja…“ zögerte er und wäre fast <strong>zu</strong> feige gewesen es<br />

aus<strong>zu</strong>sprechen. Dann sammelte er s<strong>ich</strong>. „Ich hab ihr gesagt, dass <strong>ich</strong> darüber nachdenke.“<br />

„Warum solltest du so etwas tun?“ verlangte sie <strong>zu</strong> wissen. Ihr Tonfall hatte etwas<br />

missbilligendes, aber auch einen kleinen Funken Erle<strong>ich</strong>terung.<br />

Was hatte das schon wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> bedeuten? Ein uner<strong>war</strong>tet heftiger Anflug von Wut ließ m<strong>ich</strong><br />

meine Hände <strong>zu</strong> Fäusten ballen.<br />

Mike hörte <strong>die</strong> Erle<strong>ich</strong>terung n<strong>ich</strong>t. Sein Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> rot angelaufen – <strong>ich</strong> <strong>war</strong> plötzl<strong>ich</strong><br />

angespannt, das wirkte wie eine Einladung – und er sah wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> Boden als er weitersprach.<br />

„Ich hab m<strong>ich</strong> gefragt, ob… naja, ob du n<strong>ich</strong>t vielle<strong>ich</strong>t vorhattest, m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> fragen.“


Bella zögerte.<br />

In <strong>die</strong>sem kurzen Moment ihres Zögerns, sah <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Zukunft viel klarer als Alice sie jemals<br />

gesehen hatte.<br />

Es <strong>war</strong> egal, ob sie Mikes unausgesprochene Frage mit Ja beantwortete o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t, denn<br />

irgendwann würde sie <strong>zu</strong> irgendjemandem ja sagen. Sie <strong>war</strong> liebenswert und faszinierend und<br />

menschl<strong>ich</strong>e Männer würden das auch sehen. Egal ob sie s<strong>ich</strong> für jemanden aus <strong>die</strong>ser glanzlosen<br />

Masse entschied o<strong>der</strong> <strong>war</strong>tete bis sie aus Forks weg <strong>war</strong>, <strong>der</strong> Tag würde kommen, an dem sie ja<br />

sagen würde.<br />

Ich sah ihr Leben vor <strong>mir</strong>, wie <strong>ich</strong> es schon einmal gesehen hatte – College, Karriere… Liebe,<br />

Hochzeit. Ich sah sie am Arm ihres Vaters, ganz in weiß, ihr Ges<strong>ich</strong>t gerötet vor Glück, als sie s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong><br />

Wagners Hochzeitsmarsch vorwärtsbewegte.<br />

Dieser Schmerz <strong>war</strong> schlimmer als alles was <strong>ich</strong> jemals empfunden hatte. Ein Mensch wäre an<br />

<strong>die</strong>sen Schmerzen gestorben – ein Mensch hätte das n<strong>ich</strong>t überlebt.<br />

Und n<strong>ich</strong>t nur Schmerz, son<strong>der</strong>n unverblümte Wut.<br />

Die Wut sehnte s<strong>ich</strong> nach einem Ventil. Obwohl <strong>die</strong>ser bedeutungslose, unwürdige Junge<br />

vielle<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong>jenige <strong>war</strong> <strong>zu</strong> dem Balle ja sagen würde, wollte <strong>ich</strong> seinen Schädel mit meiner<br />

Hand zerquetschen, stellvertretend für wer auch immer es sein würde.<br />

Ich verstand <strong>die</strong>ses Gefühl n<strong>ich</strong>t – es <strong>war</strong> ein Durcheinan<strong>der</strong> aus Schmerz und Wut und<br />

Verlangen und Verzweiflung. So etwas hatte <strong>ich</strong> noch nie gefühlt; <strong>ich</strong> konnte es n<strong>ich</strong>t benennen.<br />

„Mike, <strong>ich</strong> denke, du solltest ihre Einladung annehmen,“ sagte Bella sanft.<br />

Mikes Hoffnungen verschwanden. Unter an<strong>der</strong>en Umständen hätte <strong>ich</strong> das genossen, aber<br />

<strong>ich</strong> stand immer noch unter Schock wegen des Schmerzes – und <strong>der</strong> Gewissensbisse wegen dem was<br />

<strong>die</strong>ser Schmerz und <strong>die</strong> Wut in <strong>mir</strong> ausgelöst hatten.<br />

Alice hatte recht. Ich <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t stark genug.<br />

In <strong>die</strong>sem Moment würde Alice sehen wie s<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Zukunft wie<strong>der</strong> än<strong>der</strong>te, wie<strong>der</strong> klarer<br />

wurde. Würde sie das beruhigen?<br />

„Hast du schon jemand an<strong>der</strong>en gefragt?“ fragte Mike mürrisch. Er <strong>war</strong>f <strong>mir</strong> einen finsteren<br />

<strong>Blick</strong> <strong>zu</strong>, wie<strong>der</strong> argwöhnisch, das <strong>erste</strong> Mal seit Wochen. Ich bemerkte, dass <strong>ich</strong> mein Interesse<br />

verraten hatte; mein Kopf hatte s<strong>ich</strong> Bella <strong>zu</strong>gewandt.<br />

Der wütende Neid in seinen Gedanken – Neid auf denjenigen den das Mädchen ausgesucht<br />

hatte – gab meinem unbekannten Gefühl plötzl<strong>ich</strong> einen Namen.<br />

Ich <strong>war</strong> eifersüchtig.<br />

„Nein,“ sagte das Mädchen le<strong>ich</strong>t amüsiert. „Ich werde n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> dem Ball gehen.“<br />

Durch all den Ärger hindurch, spürte <strong>ich</strong> trotzdem Erle<strong>ich</strong>terung in ihren Worten. Plötzl<strong>ich</strong><br />

wurde <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> meiner Rivalen bewusst.<br />

„Warum n<strong>ich</strong>t?“ fragte Mike beinahe unhöfl<strong>ich</strong>. Es gefiel <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t, wenn er in <strong>die</strong>sem Ton<br />

mit ihr sprach. Ich unterdrückte ein knurren.<br />

„Ich fahre nach Seattle <strong>die</strong>sen Samstag,“ antwortet sie.<br />

Die Neugier <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t so unverhohlen wie sonst – jetzt da <strong>ich</strong> beabs<strong>ich</strong>tigte alle Antworten<br />

heraus<strong>zu</strong>finden. Ich würde das Wieso und Warum <strong>die</strong>ser neuen Erkenntnis bald herausfinden.<br />

Mikes Tonfall wurde jetzt unangenehm bettelnd. „Kannst du n<strong>ich</strong>t an einem an<strong>der</strong>en<br />

Wochenende nach Seattle fahren?“<br />

„Nein, tut <strong>mir</strong> leid.“ Bella <strong>war</strong> nun etwas brüsker. „Du solltest Jess n<strong>ich</strong>t länger <strong>war</strong>ten lassen<br />

– das ist unhöfl<strong>ich</strong>.“<br />

Ihre Sorge um Jessicas Gefühle fächerte meine Eifersucht nur noch mehr an. Dieser Seattle-<br />

Trip <strong>war</strong> eindeutig eine Ausrede um ihm ab<strong>zu</strong>sagen – hatte sie nur aus Loyalität ihrer Freundin


gegenüber abgelehnt? Sie <strong>war</strong> selbstlos genug um so etwas <strong>zu</strong> tun. Wünschte sie s<strong>ich</strong>, sie könnte ja<br />

sagen? O<strong>der</strong> <strong>war</strong>en beide Vermutung falsch? Hatte sie an jemand an<strong>der</strong>em Interesse?<br />

„Ja, du hast recht,“ murmelte Mike, so nie<strong>der</strong>geschlagen, dass <strong>ich</strong> fast Mitleid mit ihm gehabt<br />

hätte. Fast.<br />

Er wandte s<strong>ich</strong> von ihr ab und schnitt <strong>mir</strong> den <strong>Blick</strong> auf ihr Ges<strong>ich</strong>t durch seine Gedanken ab.<br />

<strong>Das</strong> würde <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t dulden.<br />

Ich drehte m<strong>ich</strong> um, um ihren Ges<strong>ich</strong>tsausdruck selbst <strong>zu</strong> lesen, das <strong>erste</strong> Mal seit über<br />

einem Monat. Es <strong>war</strong> eine große Erle<strong>ich</strong>terung, als würde ein Ertrinken<strong>der</strong> nach Luft schnappen.<br />

Sie hatte ihre Augen geschlossen und <strong>die</strong> Hände an <strong>die</strong> Schläfen gepresst. Ihr Schultern<br />

schützend hochgezogen. Sie schüttelte langsam ihren Kopf, als versuche sie irgendeinen Gedanken<br />

los<strong>zu</strong>werden.<br />

Frustrierend. Faszinierend.<br />

Die Stimme von Mr. Banner holte sie aus ihrer Starre und sie öffnete langsam ihre Augen. Sie<br />

sah sofort <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> herüber, vielle<strong>ich</strong>t hatte sie meinen <strong>Blick</strong> gespürt. Sie schaute <strong>mir</strong> in <strong>die</strong> Augen mit<br />

<strong>die</strong>sem verwirrten Ausdruck, <strong>der</strong> m<strong>ich</strong> so lange verfolgt hatte.<br />

In <strong>die</strong>ser Sekunde spürte <strong>ich</strong> we<strong>der</strong> <strong>die</strong> Gewissensbisse, noch <strong>die</strong> Schuldgefühle, noch <strong>die</strong><br />

Wut. Ich wusste dass <strong>die</strong>se Gefühle wie<strong>der</strong>kommen würden, bald, aber in <strong>die</strong>sem Moment fühlte <strong>ich</strong><br />

m<strong>ich</strong> seltsam beflügelt. Als hätte <strong>ich</strong> gewonnen statt verloren.<br />

Sie schaute n<strong>ich</strong>t weg, obwohl <strong>ich</strong> sie mit unangebrachter Intensität anstarrte und vergebl<strong>ich</strong><br />

versuchte ihre Gedanken in ihren flüssigen braunen Augen <strong>zu</strong> lesen. Sie <strong>war</strong>en voller Fragen statt<br />

Antworten.<br />

Ich sah dir Reflektion meiner Augen in ihren und sie <strong>war</strong>en sch<strong>war</strong>z vor Durst. Mein letzter<br />

Jagdausflug <strong>war</strong> fast zwei Wochen her; das <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> s<strong>ich</strong><strong>erste</strong> Tag um meinen Willen <strong>zu</strong>m<br />

bröckeln <strong>zu</strong> bringen. Aber <strong>die</strong> Schwärze schien ihr keine Angst <strong>zu</strong> machen. Sie schaute immer noch<br />

n<strong>ich</strong>t weg, so sanft, ein umwerfendes Rot verfärbte ihre Haut.<br />

Was dachte sie bloß?<br />

Ich <strong>war</strong> kurz davor <strong>die</strong> Frage laut aus<strong>zu</strong>sprechen als Mr. Banner meinen Namen rief. Ich sah<br />

<strong>die</strong> Antwort in seinem Kopf als <strong>ich</strong> ihm einen kurzen <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong><strong>war</strong>f.<br />

Ich atmete kurz ein. „Der Krebs-Zyklus.“<br />

Durst brannte in meiner Kehle – spannte meine Muskeln und füllte meinen Mund mit Gift –<br />

<strong>ich</strong> schloss meine Augen und versuchte m<strong>ich</strong> trotz des Verlangens nach ihrem Blut das in <strong>mir</strong><br />

aufflammte <strong>zu</strong> konzentrieren.<br />

<strong>Das</strong> Monster <strong>war</strong> noch stärker als <strong>zu</strong>vor. <strong>Das</strong> Monster frohlockte. Es begrüßte <strong>die</strong><br />

zweigeteilte Zukunft, <strong>die</strong> ihm eine fünfzig-fünfzig Chance gab, sein boshaftes Verlangen <strong>zu</strong> stillen. Die<br />

dritte mögl<strong>ich</strong>e Zukunft <strong>die</strong> <strong>ich</strong> allein durch Willenskraft hatte aufbauen wollen fiel in s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen<br />

– zerstört von gewöhnl<strong>ich</strong>er Eifersucht – und das Monster <strong>war</strong> so viel Näher an seinem Ziel.<br />

Die Gewissensbisse und <strong>die</strong> Schuldgefühle brannten gemeinsam mit meinem Durst, und<br />

wenn <strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Lage gewesen wäre Tränen <strong>zu</strong> produzieren, hätten sie meine Augen gefüllt.<br />

Was hatte <strong>ich</strong> getan?<br />

Mit dem Wissen, dass <strong>der</strong> Kampf sowieso schon verloren <strong>war</strong>, sah <strong>ich</strong> keine Notwendigkeit<br />

mehr darin, dem <strong>zu</strong> wid<strong>erste</strong>hen, was <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> wollte; <strong>ich</strong> starrte wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> dem Mädchen.<br />

Sie hatte s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> hinter ihren Haaren v<strong>erste</strong>ckt, aber <strong>ich</strong> konnte zwischen den Strähnen<br />

erkennen, dass ihre Wangen dunkelrot angelaufen <strong>war</strong>en.<br />

Dem Monster gefiel es.


Sie erwi<strong>der</strong>te meinen <strong>Blick</strong> n<strong>ich</strong>t, aber sie wickelte eine Strähne ihres vollen Haares nervös<br />

um ihren Finger. Ihre delikaten Finger, ihr zartes Handgelenk – sie <strong>war</strong>en so zerbrechl<strong>ich</strong>, sahen so<br />

aus, als würde ein Hauch meines Atems re<strong>ich</strong>en um sie <strong>zu</strong> knacken.<br />

Nein, nein, nein. Ich konnte das n<strong>ich</strong>t tun. Sie <strong>war</strong> <strong>zu</strong> zerbrechl<strong>ich</strong>, <strong>zu</strong> gut, <strong>zu</strong> wertvoll um<br />

<strong>die</strong>ses Schicksal <strong>zu</strong> ver<strong>die</strong>nen. Ich konnte n<strong>ich</strong>t erlauben, dass mein Leben auf ihres prallte, es<br />

zerstörte.<br />

Aber <strong>ich</strong> konnte m<strong>ich</strong> auch n<strong>ich</strong>t von ihr fernhalten. Alice hatte recht.<br />

<strong>Das</strong> Monster in <strong>mir</strong> zischte vor Frustration als <strong>ich</strong> ins Wanken geriet, erst <strong>der</strong> eine Weg, dann<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en.<br />

Die kurze Stunde mit ihr verging viel <strong>zu</strong> schnell, während <strong>ich</strong> zwischen Pest und Cholera<br />

wankte. Die Glocke läutete und sie suchte ihre Sachen <strong>zu</strong>sammen ohne m<strong>ich</strong> noch einmal an<strong>zu</strong>sehen.<br />

Es enttäuschte m<strong>ich</strong>, aber <strong>ich</strong> konnte auch n<strong>ich</strong>ts an<strong>der</strong>es er<strong>war</strong>ten. Es <strong>war</strong> unverzeihl<strong>ich</strong> wie <strong>ich</strong> sie<br />

nach dem Unfall behandelt hatte.<br />

„Bella?“ sagte <strong>ich</strong>, n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>halten. Meine Willenskraft lag in<br />

Trümmern.<br />

Sie zögerte bevor sie m<strong>ich</strong> ansah; ihr Ausdruck <strong>war</strong> abweisend, misstrauisch.<br />

Ich erinnerte m<strong>ich</strong> selbst daran, dass sie allen Grund hatte, <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> trauen. <strong>Das</strong> es besser<br />

für sie <strong>war</strong>.<br />

Sie <strong>war</strong>tete darauf, dass <strong>ich</strong> weitersprach, aber <strong>ich</strong> starrte sie nur an und versuchte ihr<br />

Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> lesen. Ich nahm kurze, hastige Atemzüge um meinen Durst <strong>zu</strong> bekämpfen.<br />

„Was?“ sagte sie endl<strong>ich</strong>. „Spr<strong>ich</strong>st du jetzt wie<strong>der</strong> mit <strong>mir</strong>?“ In ihre Stimme lag Abneigung<br />

<strong>die</strong>, genau wie ihre Wut irgendwie liebenswert <strong>war</strong>. Ich wollte lächeln.<br />

Ich <strong>war</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er, was <strong>ich</strong> auf <strong>die</strong>se Frage antworten sollte. Sprach <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> mit ihr,<br />

so wie sie dachte?<br />

Nein. N<strong>ich</strong>t wenn <strong>ich</strong> es verhin<strong>der</strong>n konnte. Ich würde es <strong>zu</strong>mindest versuchen.<br />

„Nein, n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong>,“ sagte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr.<br />

Sie schloss ihre Augen, was m<strong>ich</strong> frustrierte. Es schnitt <strong>mir</strong> den besten Weg <strong>zu</strong> ihren Gefühlen<br />

ab. Sie atmete tief ein ohne <strong>die</strong> Augen wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> öffnen. Ihre Lippen fest <strong>zu</strong>sammengepresst.<br />

Mit immer noch geschlossenen Augen, antwortete sie. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> keine normale menschl<strong>ich</strong>e<br />

Art eine Unterhaltung <strong>zu</strong> führen. Warum tat sie es dann?<br />

„Was willst du dann, Ed<strong>war</strong>d?“<br />

Der Klang meines Namens aus ihrem Mund machte seltsame Dinge mit meinem Körper.<br />

Wenn <strong>ich</strong> einen Herzschlag gehabt hätte, wäre er jetzt schneller geworden.<br />

Aber was sollte <strong>ich</strong> ihr antworten?<br />

Die Wahrheit, entschied <strong>ich</strong>. Ich würde so vertrauenswürdig sein, wie <strong>ich</strong> konnte, von jetzt<br />

an. Ich wollte ihr Misstrauen n<strong>ich</strong>t ver<strong>die</strong>nen auch wenn ihr Vertrauen <strong>zu</strong> gewinnen unmögl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>.<br />

„Es tut <strong>mir</strong> leid,“ erkläre <strong>ich</strong> ihr. <strong>Das</strong> entsprach mehr <strong>der</strong> Wahrheit als sie je erfahren würde.<br />

Unglückl<strong>ich</strong>erweise konnte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> nur für <strong>die</strong> belanglosen Dinge entschuldigen. „Ich bin sehr<br />

unhöfl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> dir. Aber so ist es besser, wirkl<strong>ich</strong>.“<br />

Es wäre besser für sie, wenn <strong>ich</strong> weiterhin unhöfl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr wäre. Könnte <strong>ich</strong> das?<br />

Sie öffnete ihre Augen, immer noch wachsam.<br />

„Ich v<strong>erste</strong>he n<strong>ich</strong>t, was du meinst.“<br />

Ich versuchte sie so deutl<strong>ich</strong> es ging <strong>zu</strong> <strong>war</strong>nen. „Es wäre besser, wenn wir n<strong>ich</strong>t befreundet<br />

wären.“ Soviel würde sie s<strong>ich</strong>er v<strong>erste</strong>hen. Sie <strong>war</strong> schließl<strong>ich</strong> ein cleveres Mädchen. „Vertrau <strong>mir</strong>.“


Ich Augen verengten s<strong>ich</strong> und <strong>ich</strong> erinnerte m<strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> das schon mal <strong>zu</strong> ihr gesagt hatte –<br />

kurz bevor <strong>ich</strong> ein Versprechen gebrochen hatte. Ich <strong>zu</strong>ckte <strong>zu</strong>sammen, als sie ihre Zähne<br />

aufeinan<strong>der</strong>schlug – sie erinnerte s<strong>ich</strong> natürl<strong>ich</strong> auch daran.<br />

„Schade, dass du das n<strong>ich</strong>t schon früher herausgefunden hast,“ sagte sie wütend. „Dann<br />

hättest du dir <strong>die</strong> Reue sparen können.“<br />

Ich starrte sie schockiert an. Was wusste sie von meiner Reue?<br />

„Reue? Was denn bereuen?“ fragte <strong>ich</strong> sie.<br />

„<strong>Das</strong>s du n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>gelassen hast, dass <strong>der</strong> blöde Van m<strong>ich</strong> zerquetscht!“ brachte sie bissig<br />

hervor.<br />

Ich erstarrte, geschockt.<br />

Wie konnte sie sowas denken? Ihr Leben <strong>zu</strong> retten <strong>war</strong> das einzig r<strong>ich</strong>tige was <strong>ich</strong> getan<br />

hatte, seid <strong>ich</strong> ihr das <strong>erste</strong> Mal begegnet bin. <strong>Das</strong> einzige wofür <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t schämte. Der einzige<br />

Grund weshalb <strong>ich</strong> froh <strong>war</strong> überhaupt <strong>zu</strong> existieren. Ich kämpfe um ihr Leben seit dem <strong>erste</strong>n<br />

Moment in dem <strong>ich</strong> ihren Duft aufgeschnappt hatte. Wie konnte sie so etwas von <strong>mir</strong> denken? Wie<br />

konnte sie meine einzige gute Tat in <strong>die</strong>sem Durcheinan<strong>der</strong> in Frage stellen?<br />

„Du denkst <strong>ich</strong> würde es bereuen, dein Leben gerettet <strong>zu</strong> haben?“<br />

„Ich weiß, dass du das tust,“ gab sie <strong>zu</strong>rück.<br />

Ihre Einschät<strong>zu</strong>ng meiner Abs<strong>ich</strong>ten ließ m<strong>ich</strong> aufkochen. „Du weißt gar n<strong>ich</strong>ts.“<br />

Wie verwirrend und unverständl<strong>ich</strong> ihr Gehirn arbeitete! Sie schien n<strong>ich</strong>t wie an<strong>der</strong>e<br />

Menschen <strong>zu</strong> denken. <strong>Das</strong> musste <strong>die</strong> Erklärung für ihre mentale Stille sein. Sie <strong>war</strong> ganz an<strong>der</strong>s.<br />

Sie <strong>war</strong>f ihren Kopf <strong>zu</strong>rück und schlug wie<strong>der</strong> ihre Zähne aufeinan<strong>der</strong>. Ihre Wangen <strong>war</strong>en<br />

wie<strong>der</strong> rot, <strong>die</strong>smal vor Wut. Sie stapelte laut ihre Bücher aufeinan<strong>der</strong> und marschierte <strong>zu</strong>r Tür ohne<br />

m<strong>ich</strong> noch eines <strong>Blick</strong>es <strong>zu</strong> würdigen.<br />

Obwohl <strong>ich</strong> verärgert <strong>war</strong>, <strong>war</strong> es unmögl<strong>ich</strong> ihre Wut n<strong>ich</strong>t amüsant <strong>zu</strong> finden.<br />

Sie ging steif, ohne auf ihre Füße <strong>zu</strong> achten und stolperte über <strong>die</strong> Fußleiste. Sie strauchelte<br />

und ihre Bücher fielen auf den Boden. Statt s<strong>ich</strong> nach ihnen <strong>zu</strong> bücken, stand sie steif da und schaute<br />

n<strong>ich</strong>t mal runter, als ob sie überlegte, <strong>die</strong> Bücher einfach liegen <strong>zu</strong> lassen.<br />

Ich schaffte es, n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> lachen.<br />

Niemand konnte m<strong>ich</strong> sehen; Ich huschte an ihre Seite und hatte ihre Bücher aufgesammelte<br />

bevor sie nach unten blickte.<br />

Sie wollte s<strong>ich</strong> gerade bücken und erstarrte dann. Ich gab ihr ihre Bücher <strong>zu</strong>rück und achtete<br />

darauf sie dabei n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> berühren.<br />

„Danke,“ sagte sie mit kühler reservierter Stimme.<br />

Ihr Tonfall verärgerte m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong>.<br />

„Gern geschehen,“ erwi<strong>der</strong>te <strong>ich</strong> genauso kühl.<br />

Sie r<strong>ich</strong>tete s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> auf und stapfte <strong>zu</strong>m Unterr<strong>ich</strong>t.<br />

Ich schaute ihr so lange hinterher bis sie außer S<strong>ich</strong>tweite <strong>war</strong>.<br />

Spanisch nahm <strong>ich</strong> nur verschwommen <strong>war</strong>. Mrs. Goff kümmerte s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t um meine<br />

Geistesabwesenheit – sie wusste dass mein Spanisch besser <strong>war</strong> als ihres und sie räumte <strong>mir</strong><br />

sämtl<strong>ich</strong>e Freiheiten ein – <strong>ich</strong> konnte in Ruhe nachdenken.<br />

Also konnte <strong>ich</strong> das Mädchen n<strong>ich</strong>t ignorieren. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>. Aber bedeutete das<br />

wirkl<strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> entscheiden musste sie <strong>zu</strong> verwandeln o<strong>der</strong> <strong>zu</strong> töten? <strong>Das</strong> konnte n<strong>ich</strong>t <strong>die</strong><br />

einzig mögl<strong>ich</strong>e Zukunft sein. Es musste noch eine Wahl geben, irgendeine feine Balance. Ich<br />

versuchte eine Lösung <strong>zu</strong> finden…<br />

Ich beachtete Emmett n<strong>ich</strong>t beson<strong>der</strong>s bis <strong>die</strong> Stunde fast vorbei <strong>war</strong>. Er <strong>war</strong> besorgt –<br />

Emmett <strong>war</strong> nie beson<strong>der</strong>s feinfühlig was <strong>die</strong> Gefühle an<strong>der</strong>er anging, aber er konnte <strong>die</strong>


offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>e Verän<strong>der</strong>ung in <strong>mir</strong> sehen. Er fragte s<strong>ich</strong>, was passiert <strong>war</strong>, dass den unerbittl<strong>ich</strong><br />

finsteren Ausdruck aus meinem Ges<strong>ich</strong>t vertrieben hatte. Er grübelte über meinen neuen<br />

Ges<strong>ich</strong>tsausdruck und kam <strong>zu</strong> dem Ergebnis, dass <strong>ich</strong> Hoffnungsvoll aussah.<br />

Hoffnungsvoll? Sah es so für <strong>die</strong> Außenwelt aus?<br />

Ich erwog <strong>die</strong> Idee von Hoffnung <strong>zu</strong> sprechen, während wir <strong>zu</strong>m Volvo gingen und fragte<br />

m<strong>ich</strong> auf was <strong>ich</strong> denn genau hoffen konnte.<br />

Aber <strong>ich</strong> musste n<strong>ich</strong>t lange überlegen. Ich <strong>war</strong> so sensibel für alle Gedanken <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> um das<br />

Mädchen drehten, dass <strong>der</strong> Klang von Bellas Namen in den Köpfen meiner…. den Köpfen meiner<br />

Rivalen, das musste <strong>ich</strong> wohl <strong>zu</strong>geben, meine Aufmerksamkeit erregte. Eric und Tyler hatten gehört –<br />

mit Genugtuung – dass Mike abgewiesen worden <strong>war</strong> und bereiteten ihre Schritte vor.<br />

Eric stand schon in Position, er lehnte an ihrem Truck wo sie ihm n<strong>ich</strong>t aus dem Weg gehen<br />

konnte. Tylers Kurs musste länger im Klassenzimmer bleiben aufgrund einer Ankündigung weshalb er<br />

s<strong>ich</strong> beeilte sie noch ein<strong>zu</strong>holen bevor sie ihm entkam.<br />

<strong>Das</strong> musste <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> ansehen.<br />

„Warte hier auf <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en, okay?“ murmelte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Emmett.<br />

Er beobachtete m<strong>ich</strong> misstrauisch, <strong>zu</strong>ckte aber dann mit den Schultern und nickte.<br />

Der Junge hat seinen Verstand verloren, dachte er amüsiert von meiner seltsamen Bitte.<br />

Ich sah Bella wie sie <strong>die</strong> Turnhalle verließ und positionierte m<strong>ich</strong> so, dass sie m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t sehen<br />

konnte, als sie an <strong>mir</strong> vorbeilief. Als sie s<strong>ich</strong> Erics Hinterhalt näherte, hielt <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> bereit um im<br />

r<strong>ich</strong>tigen Moment an ihnen vorbei <strong>zu</strong> laufen.<br />

Ich sah wie sie s<strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>ifte, als sie den Jungen an ihrem Truck stehen sah. Sie erstatte für<br />

einen Moment, dann fing sie s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> und ging weiter.<br />

„Hi, Eric,“ hörte <strong>ich</strong> sie freundl<strong>ich</strong> sagen.<br />

Ich <strong>war</strong> plötzl<strong>ich</strong> und uner<strong>war</strong>tet wütend. Was wenn <strong>die</strong>ser schlaksige Typ mit seiner<br />

unreinen Haut auf irgendeine Art attraktiv für sie <strong>war</strong>?<br />

Eric schluckte laut. „Hi, Bella.“<br />

Sie schien seine Nervosität n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> bemerken.<br />

„Was gibt’s?“ fragte sie während sie ihren Truck aufschloss ohne auf sein ängstl<strong>ich</strong>es Ges<strong>ich</strong>t<br />

<strong>zu</strong> achten.<br />

„Ähm, <strong>ich</strong> hab m<strong>ich</strong> nur gefragt… ob du vielle<strong>ich</strong>t mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>m Frühlingsball gehen<br />

möchtest?“ Seine Stimme überschlug s<strong>ich</strong>.<br />

Dann sah sie auf. War sie bestürzt, o<strong>der</strong> erfreut? Eric konnte ihr n<strong>ich</strong>t in <strong>die</strong> Augen sehen,<br />

also konnte <strong>ich</strong> ihren Ausdruck n<strong>ich</strong>t in seinen Gedanken sehen.<br />

„Ich dachte, es wäre Damenwahl,“ sagte sie nervös.<br />

„Naja, schon,“ gestand er.<br />

Dieser Bedauernswerte Junge verärgert m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so sehr wie Mike Newton, aber <strong>ich</strong><br />

empfand auch kein Mitleid mit ihm als Bella ihm mit sanfter Stimme antwortete.<br />

„Danke dass du fragst, aber <strong>ich</strong> bin an dem Tag in Seattle.“<br />

Davon hatte er schon gehört; dennoch <strong>war</strong> es eine Enttäuschung.<br />

„Oh,“ murmelte er und traute s<strong>ich</strong> sein Augen gerade so weit <strong>zu</strong> heben, dass er ihre<br />

Nasenspitze sehen konnte. „Dann vielle<strong>ich</strong>t ein An<strong>der</strong>mal.“<br />

„Klar,“ sagte sie. Dann biss sie s<strong>ich</strong> auf <strong>die</strong> Lippe als würde sie bedauern ihm ein Schlupfloch<br />

geboten <strong>zu</strong> haben. <strong>Das</strong> gefiel <strong>mir</strong>.<br />

Eric stolperte vorwärts ging in <strong>die</strong> Entgegengesetzte R<strong>ich</strong>tung von seinem Auto. Sein einziger<br />

Gedanke <strong>war</strong> Flucht.<br />

In dem Moment ging <strong>ich</strong> an ihr vorbei und hörte ihren erle<strong>ich</strong>terten Seufzer. Ich lachte.


Sie drehte s<strong>ich</strong> nach dem Geräusch um, aber <strong>ich</strong> blickte stur geradeaus und versuchte meine<br />

Mundwinkel davon ab<strong>zu</strong>halten amüsiert <strong>zu</strong> <strong>zu</strong>cken.<br />

Tyler <strong>war</strong> hinter <strong>mir</strong>, er rannte fast weil er sie unbedingt noch erwischen wollte bevor sie<br />

davonfuhr. Er <strong>war</strong> Mutiger und Selbsts<strong>ich</strong>erer als <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en beiden; er hatte nur so lange ge<strong>war</strong>tet<br />

um sie <strong>zu</strong> fragen, weil er Mikes Vorrecht respektierte.<br />

Ich wollte aus zwei Gründen, dass er sie erre<strong>ich</strong>te. Wenn – wie <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> überlegt hatte – <strong>die</strong>se<br />

ganze Aufmerksamkeit unangenehm für Bella <strong>war</strong>, wollte <strong>ich</strong> ihre Reaktion beobachten. Aber wenn<br />

dem n<strong>ich</strong>t so <strong>war</strong> – wenn Tylers Einladung <strong>die</strong> <strong>war</strong> auf <strong>die</strong> sie ge<strong>war</strong>tet hatte - dann wollte <strong>ich</strong> das<br />

auch wissen.<br />

Ich schätze Tyler als Rivalen ab, obwohl <strong>ich</strong> wusste, dass es falsch <strong>war</strong>. Er wirkte auf m<strong>ich</strong><br />

ermüdend, durchschnittl<strong>ich</strong> und unbedeutend, aber was wusste <strong>ich</strong> schon von Bellas Vorlieben?<br />

Vielle<strong>ich</strong>t mochte sie durchschnittl<strong>ich</strong>e Typen…<br />

Bei dem Gedanken <strong>zu</strong>ckte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen. Ich könnte nie ein durchschnittl<strong>ich</strong>er Typ sein. Wie<br />

dumm von <strong>mir</strong>, m<strong>ich</strong> als ein Rivale um ihre Zuneigung <strong>zu</strong> sehen. Wie könnte sie etwas für jemanden<br />

empfinden, <strong>der</strong> in je<strong>der</strong> Hins<strong>ich</strong>t ein Monster <strong>war</strong>?<br />

Sie <strong>war</strong> <strong>zu</strong> gut für ein Monster.<br />

Ich sollte sie entkommen lassen, aber unentschuldbare Neugierde hielt m<strong>ich</strong> davon ab, das<br />

r<strong>ich</strong>tige <strong>zu</strong> tun. Mal wie<strong>der</strong>. Aber was, wenn Tyler seine Chance verpasste nur um sie später <strong>zu</strong><br />

kontaktieren, wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>die</strong> Mögl<strong>ich</strong>keit hatte, <strong>zu</strong><strong>zu</strong>sehen, wie es ausging. Ich setzte meinen<br />

Volvo <strong>zu</strong>rück und versperrte ihr den Weg.<br />

Emmett und <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en <strong>war</strong>en schon auf dem Weg, aber er hatte ihnen mein seltsames<br />

Benehmen beschrieben und sie gingen langsam, beobachteten m<strong>ich</strong> und versuchten heraus<strong>zu</strong>finden,<br />

was <strong>ich</strong> vorhatte.<br />

Ich beobachtete das Mädchen durch meinen Rückspiegel. Sie schaute finster auf meinen<br />

Wagen ohne meinen <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong> erwi<strong>der</strong>n. Sie sah aus als würde sie jetzt lieber einen Panzer fahren statt<br />

<strong>die</strong>sen rostigen Chevy.<br />

Tyler rannte <strong>zu</strong> seinem Wagen und fuhr direkt hinter sie in <strong>die</strong> Schlange, dankbar für mein<br />

seltsames Verhalten. Er winkte ihr <strong>zu</strong> um ihre Aufmerksamkeit <strong>zu</strong> ergattern, aber sie bemerkte ihn<br />

n<strong>ich</strong>t. Er <strong>war</strong>tete kurz und dann verließ er seinen Wagen und hastete <strong>zu</strong> ihrer Beifahrertür. Er klopfte<br />

an <strong>die</strong> Scheibe.<br />

Sie erschrak und starrte ihn verwirrt an. Eine Sekunde später kurbelte sie das Fenster<br />

herunter, sie schien Probleme damit <strong>zu</strong> haben.<br />

„Tut <strong>mir</strong> leid, Tyler,“ sagte sie, ihre Stimme verärgert. „Ich stecke hinter Cullen fest.“<br />

Sie nannte meinen Nachnamen in einem rauen Tonfall – sie <strong>war</strong> immer noch sauer auf m<strong>ich</strong>.<br />

„Ja, <strong>ich</strong> weiß,“ sagte Tyler, den ihre Stimmung n<strong>ich</strong>t abschreckte. „Ich wollte d<strong>ich</strong> nur etwas<br />

fragen, während wir hier feststecken.“<br />

Sein Grinsen <strong>war</strong> schelmisch.<br />

Es befriedigte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sehen wie sie erble<strong>ich</strong>te als ihr klar wurde, was er vorhatte.<br />

„Wirst du m<strong>ich</strong> fragen ob <strong>ich</strong> mit dir <strong>zu</strong>m Frühlingsball gehe?“ fragte er und verschwendete<br />

keinen Gedanken daran <strong>zu</strong>rückgewiesen <strong>zu</strong> werden.<br />

„Ich bin n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Stadt, Tyler,“ erklärte sie ihm, immer noch verärgert.<br />

„Ja, das hat Mike auch gesagt.“<br />

„Aber <strong>war</strong>um - ?“ wollte sie fragen.<br />

Er <strong>zu</strong>ckte mit den Schultern. „Ich hatte gehofft du wolltest ihn nur n<strong>ich</strong>t verletzen.“<br />

Ihre Augen funkelten und wurden dann kalt. „Sorry, Tyler,“ sagte sie, wirkte aber kein<br />

bisschen so als würde es ihr leid tun. „Ich werde wirkl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t hier sein.“


Er akzeptierte ihre Entschuldigung, seine Selbsts<strong>ich</strong>erheit <strong>war</strong> ungetrübt. „Kein Problem. Wir<br />

haben ja immer noch den Abschlussball.“<br />

Er stolzierte <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> seinem Wagen.<br />

Es <strong>war</strong> gut, dass <strong>ich</strong> darauf ge<strong>war</strong>tet hatte.<br />

Der Entsetzte Ausdruck in ihrem Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> unbezahlbar. Er sagte <strong>mir</strong>, was <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so<br />

verzweifelt wissen wollen sollte – dass sie keinerlei Gefühle für irgendeinen <strong>die</strong>ser menschl<strong>ich</strong>en<br />

Typen hatte, <strong>die</strong> sie ausführen wollten.<br />

Außerdem <strong>war</strong> ihr Ges<strong>ich</strong>tsausdruck das lustigste was <strong>ich</strong> je gesehen hatte.<br />

Meine Familie erre<strong>ich</strong>te den Wagen, sie <strong>war</strong>en verwirrt darüber dass <strong>ich</strong> ausnahmsweise mal<br />

vor Lachen bebte, statt alles in meinem <strong>Blick</strong>feld mit mör<strong>der</strong>ischen <strong>Blick</strong>en <strong>zu</strong> bestrafen.<br />

Was ist so lustig? Wollte Emmett wissen.<br />

Ich schüttelte nur meinen Kopf während <strong>ich</strong> von erneutem Lachen geschüttelt wurde als<br />

Bella ihren lauten Motor wütend aufheulen ließ. Sie sah aus, als würde sie s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> einen Panzer<br />

wünschen.<br />

„Fahr los!“ zischte Rosalie ungeduldig. „Und hör auf d<strong>ich</strong> wie ein Idiot <strong>zu</strong> verhalten, wenn du<br />

das kannst.“<br />

Ihre Worte störten m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t – <strong>ich</strong> hatte <strong>zu</strong> viel Spaß. Aber <strong>ich</strong> fuhr los.<br />

Niemand sprach mit <strong>mir</strong> auf dem Heimweg. Ich musste immer wie<strong>der</strong> k<strong>ich</strong>ern wenn <strong>ich</strong> an<br />

Bellas Ges<strong>ich</strong>t dachte.<br />

Ich bog in unsere Einfahrt ein – erhöhte <strong>die</strong> Geschwindigkeit, jetzt wo keine Zeugen mehr da<br />

<strong>war</strong>en – Alice ruinierte meine Stimmung.<br />

„Also, kann <strong>ich</strong> jetzt mit Bella reden?“ fragte sie plötzl<strong>ich</strong>, ohne vorher über ihre Worte<br />

nach<strong>zu</strong>denken, was m<strong>ich</strong> vorge<strong>war</strong>nt hätte.<br />

„Nein,“ schnappte <strong>ich</strong>.<br />

„<strong>Das</strong> ist n<strong>ich</strong>t fair! Worauf soll <strong>ich</strong> denn <strong>war</strong>ten?“<br />

„Ich hab m<strong>ich</strong> noch n<strong>ich</strong>t entschieden, Alice.“<br />

„Was auch immer, Ed<strong>war</strong>d.“<br />

Bellas zwei Schicksale <strong>war</strong>en wie<strong>der</strong> klar und deutl<strong>ich</strong> in ihrem Kopf.<br />

„Warum willst du sie überhaupt kennenlernen?“ murmelte <strong>ich</strong> mürrisch. „Wenn <strong>ich</strong> sie doch<br />

sowieso umbringen werde?“<br />

Alice zögerte eine Sekunde. „Ein Punkt für d<strong>ich</strong>,“ gab sie <strong>zu</strong>.<br />

Ich nahm <strong>die</strong> letzte enge Kurve mit neunzig Meilen und kam mit quietschenden Reifen<br />

wenige Zentimeter vor <strong>der</strong> hinteren Garagenwand <strong>zu</strong>m stehen.<br />

„Viel Spaß bei deinem Lauf,“ sagte Rosalie selbstgefällig, als <strong>ich</strong> aus dem Auto stürmte.<br />

Aber heute wollte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t rennen, stattdessen ging <strong>ich</strong> auf <strong>die</strong> Jagd.<br />

Die an<strong>der</strong>en hatten vereinbart morgen jagen <strong>zu</strong> gehen, aber <strong>ich</strong> konnte es <strong>mir</strong> jetzt n<strong>ich</strong>t<br />

mehr leisten durstig <strong>zu</strong> sein. Ich übertrieb es ein wenig, trank mehr als nötig, übersättigte m<strong>ich</strong><br />

wie<strong>der</strong> – eine kleine Elchherde und ein Sch<strong>war</strong>zbär. Ich hatte Glück <strong>zu</strong> <strong>die</strong>ser Jahreszeit über ihn <strong>zu</strong><br />

stolpern. Ich <strong>war</strong> so voll, dass es unangenehm <strong>war</strong>. Warum <strong>war</strong> das n<strong>ich</strong>t genug? Warum musste ihr<br />

Duft so viel stärker sein, als alles an<strong>der</strong>e?<br />

Ich <strong>war</strong> jagen gegangen um m<strong>ich</strong> auf den nächsten Tag vor<strong>zu</strong>bereiten, aber als <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr<br />

weiterjagen konnte, <strong>war</strong> <strong>der</strong> Sonnenaufgang immer noch stundenlang entfernt und <strong>ich</strong> wusste, dass<br />

<strong>der</strong> nächste Tag n<strong>ich</strong>t schnell genug kommen würde.<br />

Als <strong>ich</strong> realisierte, dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> auf <strong>die</strong> Suche nach dem Mädchen machen würde, stellte s<strong>ich</strong><br />

wie<strong>der</strong> <strong>die</strong>ses beflügelte Gefühl ein.


Ich ha<strong>der</strong>te mit <strong>mir</strong> auf dem ganzen Weg <strong>zu</strong>rück nach Forks, aber <strong>die</strong> weniger noble Seite in<br />

<strong>mir</strong> gewann und <strong>ich</strong> fuhr fort mit meinem unvertretbaren Plan. <strong>Das</strong> Monster <strong>war</strong> unruhig aber<br />

gesättigt. Ich wusste, dass <strong>ich</strong> einen s<strong>ich</strong>eren Abstand <strong>zu</strong> ihr wahren würde. Ich wollte nur wissen, wo<br />

sie <strong>war</strong>. Ich wollte nur ihr Ges<strong>ich</strong>t sehen.<br />

Es <strong>war</strong> schon nach Mitternacht und Bellas Haus <strong>war</strong> dunkel und still. Ihr Truck stand am<br />

Straßenrand, <strong>der</strong> Polizeiwagen ihres Vaters in <strong>der</strong> Einfahrt. Es gab keine bewussten Gedanken in <strong>der</strong><br />

Nachbarschaft. Ich beobachtet das Haus vom Wald aus, <strong>der</strong> an den östl<strong>ich</strong>en Teil des Grundstücks<br />

angrenzte. Die Vor<strong>der</strong>tür <strong>war</strong> vermutl<strong>ich</strong> abgeschlossen – n<strong>ich</strong>t dass das ein Problem gewesen wäre,<br />

aber <strong>ich</strong> wollte keine zertrümmerte Tür als Beweis hinterlassen. Ich beschloss <strong>zu</strong>erst <strong>die</strong> Fenster in<br />

<strong>der</strong> oberen Etage <strong>zu</strong> versuchen. Die wenigsten Menschen bauten dort Schlösser ein.<br />

Ich umrundete <strong>die</strong> offene Fläche und erklomm <strong>die</strong> Hauswand in einer halben Sekunde. Ich<br />

baumelte mit einer Hand an <strong>der</strong> Regenrinne über dem Fenster und schaute hindurch. Mein Atem<br />

stockte.<br />

Es <strong>war</strong> ihr Zimmer. Ich konnte sie in dem schmalen Bett sehen, ihre Decke lag auf dem Boden<br />

und ihr Bettlaken <strong>war</strong> unter ihren Beinen verdreht.<br />

Während <strong>ich</strong> sie beobachtete drehte sie s<strong>ich</strong> unruhig hin und her und <strong>war</strong>f einen Arm über<br />

ihren Kopf. Sie schlief unruhig, <strong>zu</strong>mindest in <strong>die</strong>ser Nacht. Ob sie <strong>die</strong> Gefahr in ihrer Nähe spürte?<br />

Ich schreckte <strong>zu</strong>rück als <strong>ich</strong> sah wie sie s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> hin und her <strong>war</strong>f. Wie konnte <strong>ich</strong> besser<br />

sein, als irgend so ein Spanner? Ich <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t besser. Ich <strong>war</strong> viel viel schlimmer.<br />

Ich lockerte meine Finger um m<strong>ich</strong> fallen <strong>zu</strong> lassen. Aber vorher erlaubte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> einen langen<br />

<strong>Blick</strong> auf ihr Ges<strong>ich</strong>t.<br />

Es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t friedl<strong>ich</strong>. Die kleine Falte <strong>war</strong> wie<strong>der</strong> zwischen ihren Augenbrauen und ihre<br />

Mundwinkel hingen herunter. Ihre Lippen bebten und dann öffneten sie s<strong>ich</strong>.<br />

„Okay, Mom,“ murmelte sie.<br />

Balle redete im Schlaf.<br />

Die Neugierde gewann <strong>die</strong> Oberhand über den Ekel vor <strong>mir</strong> selbst. Die Verlockung <strong>die</strong>ser<br />

ungeschützten, unbewusst ausgesprochenen Gedanken <strong>war</strong> unglaubl<strong>ich</strong> verführerisch.<br />

Ich prüfte das Fenster, es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t verschlossen, aber es klemmte da es vermutl<strong>ich</strong> lange<br />

n<strong>ich</strong>t genutzt worden <strong>war</strong>. Ich schob es langsam <strong>zu</strong>r Seite, es quietsche bei jedem Millimeter.<br />

Nächstes Mal sollte <strong>ich</strong> etwas Öl mitbringen…<br />

Nächstes Mal? Ich schüttelte angewi<strong>der</strong>t meinen Kopf.<br />

Ich schlüpfte leise durch das halb geöffnete Fenster.<br />

Ihr Zimmer <strong>war</strong> klein – unorganisiert aber n<strong>ich</strong>t unordentl<strong>ich</strong>. Ein Stapel Bücher lag neben<br />

ihrem Bett, mit den Buchrücken <strong>zu</strong> ihr hin, und CDs verteilt um ihren billigen CD-Player – <strong>die</strong> CD<br />

obenauf <strong>war</strong> nur eine klare durchs<strong>ich</strong>tige Hülle. Papierstapel lagen neben einem Computer, <strong>der</strong><br />

aussah, als gehöre er in ein Museum für überholte Technologie. Schuhe lagen auf dem Boden<br />

verstreut.<br />

Ich wollte unbedingt <strong>die</strong> Titel ihrer Bücher und CDs lesen, aber <strong>ich</strong> hatte <strong>mir</strong> geschworen auf<br />

Distanz <strong>zu</strong> bleiben; stattdessen setzte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> in den alten Schaukelstuhl am an<strong>der</strong>en Ende des<br />

Raumes.<br />

Hatte <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> mal gedacht sie sähe durchschnittl<strong>ich</strong> aus? Ich dachte an <strong>die</strong>sen <strong>erste</strong>n Tag<br />

und meine Abneigung gegen <strong>die</strong> Jungs, <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> sofort in <strong>die</strong> verknallt hatten. Aber wenn <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong><br />

jetzt an ihr Ges<strong>ich</strong>t in ihren Gedanken erinnerte, konnte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t v<strong>erste</strong>hen, <strong>war</strong>um <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t<br />

sofort für wun<strong>der</strong>schön gehalten hatten. Es <strong>war</strong> so offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>.<br />

Und jetzt – ihre dunklen Haar zerzaust und wirr um ihr blasses Ges<strong>ich</strong>t, in <strong>die</strong>sem<br />

abgetragenen T-Shirt voller Löcher und in schäbigen Jogginghosen, ihre Züge unbewusst entspannt,


ihre vollen Lippen le<strong>ich</strong>t geöffnet – sie raubte <strong>mir</strong> den Atem. O<strong>der</strong> hätte <strong>mir</strong> den Atem geraubt,<br />

dachte <strong>ich</strong> ironisch, wenn <strong>ich</strong> geatmet hätte.<br />

Sie sprach n<strong>ich</strong>t mehr. Vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> ihr Traum <strong>zu</strong> Ende.<br />

Ich starrte in ihr Ges<strong>ich</strong>t und versuchte <strong>die</strong> Zukunft erträgl<strong>ich</strong>er <strong>zu</strong> machen.<br />

Sie <strong>zu</strong> verletzen <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t erträgl<strong>ich</strong>. Bedeutete das, dass meine einzige Wahl darin bestand<br />

<strong>zu</strong> versuchen wie<strong>der</strong> weg <strong>zu</strong> gehen?<br />

Die an<strong>der</strong>en konnten m<strong>ich</strong> jetzt n<strong>ich</strong>t davon abhalten. Meine Abwesenheit würde niemanden<br />

in Gefahr bringen. Es würde keine Vermutungen geben, n<strong>ich</strong>ts was <strong>die</strong> Gedanken von irgendwem<br />

wie<strong>der</strong> auf den Unfall lenken könnte.<br />

Ich schwanke wie heute Nachmittag, aber <strong>ich</strong> fand keinen Ausweg.<br />

Ich konnte n<strong>ich</strong>t mit den menschl<strong>ich</strong>en Jungs konkurrieren, auch wenn <strong>die</strong>se speziellen Jungs<br />

n<strong>ich</strong>t ihr Interesse weckten. Ich <strong>war</strong> ein Monster. Wie könnte sie etwas an<strong>der</strong>es in <strong>mir</strong> sehen? Wenn<br />

sie <strong>die</strong> Wahrheit über m<strong>ich</strong> erfahren würde, würde es sie ängstl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rückschrecken lassen. Wie das<br />

typische Opfer in einem Horrorfilm, würde sie schreiend wegrennen vor angst.<br />

Ich erinnerte m<strong>ich</strong> an ihren <strong>erste</strong>n Tag in Biologie… und <strong>ich</strong> wusste, dass das genau <strong>die</strong><br />

r<strong>ich</strong>tige Reaktion wäre.<br />

Es <strong>war</strong> albern von <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> glauben, dass sie, wenn <strong>ich</strong> sie <strong>zu</strong> <strong>die</strong>sem blöden Tanz eingeladen<br />

hätte, ihre eilig gemachten Pläne über den Haufen geworfen hätte und mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>m Ball gehen<br />

würde.<br />

Ich <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong>jenige <strong>zu</strong> dem sie ja sagen würde. Es <strong>war</strong> jemand an<strong>der</strong>es, jemand<br />

menschl<strong>ich</strong>es und <strong>war</strong>mes. Und <strong>ich</strong> könnte ihn n<strong>ich</strong>t mal – wenn das Ja eines Tages gesagt wäre –<br />

jagen und töten, weil sie ihn ver<strong>die</strong>nt hatte, wer immer er <strong>war</strong>. Sie ver<strong>die</strong>nte Glück und Liebe mit<br />

wen auch immer sie auswählte.<br />

Ich schuldete es ihr, dass <strong>ich</strong> jetzt das r<strong>ich</strong>tige tat; <strong>ich</strong> konnte <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t länger einreden, dass<br />

<strong>ich</strong> nur Gefahr lief das Mädchen <strong>zu</strong> lieben.<br />

Es wäre egal, wenn <strong>ich</strong> jetzt ging denn Bella würde m<strong>ich</strong> nie so sehen wie <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> wünschte,<br />

dass sie m<strong>ich</strong> sah. Sie würde m<strong>ich</strong> niemals so sehen als wäre <strong>ich</strong> es wert geliebt <strong>zu</strong> werden.<br />

Niemals.<br />

Konnte ein totes, kaltes Herz brechen? Es fühlte s<strong>ich</strong> so als würde meins brechen.<br />

„Ed<strong>war</strong>d,“ sagte Bella.<br />

Ich erstarrte, mein <strong>Blick</strong> auf ihre ungeöffneten Augen geheftet.<br />

Ist sie aufgewacht und hatte m<strong>ich</strong> hier entdeckt? Sie sah aus als schliefe sie, aber ihre Stimme<br />

<strong>war</strong> so klar…<br />

Sie seufzte einen leisen Seufzer und dann wurde sie wie<strong>der</strong> unruhig, rollte s<strong>ich</strong> auf <strong>die</strong> Seite –<br />

immer noch tief schlafend und träumend.<br />

„Ed<strong>war</strong>d,“ murmelte sie sanft.<br />

Sie träumte von <strong>mir</strong>.<br />

Konnte ein totes, kaltes Herz wie<strong>der</strong> schlagen? Es fühlte s<strong>ich</strong> so an als wäre meins kurz davor.<br />

„Bleib,“ seufzte sie. „Geh n<strong>ich</strong>t. Bitte… geh n<strong>ich</strong>t.“<br />

Sie träumte von <strong>mir</strong> und es <strong>war</strong> kein Albtraum. Sie wollte, dass <strong>ich</strong> bei ihr blieb, dort in ihren<br />

Träumen.<br />

Ich versuchte <strong>die</strong> Gefühle <strong>die</strong> m<strong>ich</strong> durchfluteten in Worte <strong>zu</strong> fassen, aber es gab keine Worte<br />

<strong>die</strong> stark genug <strong>war</strong>en um das <strong>zu</strong> beschreiben. Für einen langen Moment, versank <strong>ich</strong> darin.<br />

Als <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> an <strong>die</strong> Oberfläche kam, <strong>war</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr <strong>der</strong>selbe Mann <strong>der</strong> <strong>ich</strong> vorher<br />

gewesen <strong>war</strong>.


Mein Leben <strong>war</strong> eine unendl<strong>ich</strong>e, unverän<strong>der</strong>l<strong>ich</strong>e Nacht. Es musste, notwendigerweise,<br />

immer Nacht für m<strong>ich</strong> sein. Also wie <strong>war</strong> es mögl<strong>ich</strong>, dass jetzt mitten in meiner schwärzesten Nacht<br />

<strong>die</strong> Sonne aufging?<br />

In dem Moment als <strong>ich</strong> ein Vampir wurde, als <strong>ich</strong> meine Seele und meine Sterbl<strong>ich</strong>keit unter<br />

den sengenden Schmerzen <strong>der</strong> Verwandlung gegen Unsterbl<strong>ich</strong>keit eingetauscht hatte, <strong>war</strong> <strong>ich</strong><br />

wahrhaftig gefroren. Mein Körper <strong>war</strong> mehr Stein als Fleisch, beständig und unverän<strong>der</strong>l<strong>ich</strong>. Ich<br />

selbst bin auch gefroren – meine Persönl<strong>ich</strong>keit, meine Vorlieben und Abneigungen, meine<br />

Stimmungen und meine Bedürfnisse; alles <strong>war</strong> so geblieben.<br />

Mit den an<strong>der</strong>en <strong>war</strong> es ganz genauso. Wir <strong>war</strong>en alle gefroren. Lebende Steine.<br />

Wenn s<strong>ich</strong> doch einmal etwas für einen von uns verän<strong>der</strong>te, <strong>war</strong> das etwas Seltenes und<br />

andauerndes. Ich hatte gesehen wie es mit Carlisle passiert und ein Jahrzehnt später mit Rosalie.<br />

Liebe hatte sie für <strong>die</strong> Ewigkeit verän<strong>der</strong>t. Mehr als achtzig Jahre <strong>war</strong>en vergangen seit Carlisle Esme<br />

gefunden hatte und dennoch blickte er sie jedesmal mit den Augen eines frisch verliebten an. So<br />

würde es immer für sie sein.<br />

So würde es auch immer für m<strong>ich</strong> sein. Ich würde <strong>die</strong>ses zerbrechl<strong>ich</strong>e menschl<strong>ich</strong>e Mädchen<br />

immer lieben, für den Rest meiner unendl<strong>ich</strong>en Existenz.<br />

Ich blickte auf ihr bewusstloses Ges<strong>ich</strong>t und fühlte wie m<strong>ich</strong> <strong>die</strong>se Liebe bis in den kleinsten<br />

Winkel meines steinernen Körpers ausfüllte.<br />

Sie schlief jetzt friedl<strong>ich</strong>er, ein kleines Lächeln auf den Lippen.<br />

Während <strong>ich</strong> sie beobachtete, schmiedete <strong>ich</strong> einen Plan.<br />

Ich liebte sie, also würde <strong>ich</strong> versuchen stark genug <strong>zu</strong> sein um sie <strong>zu</strong> verlassen. Ich wusste,<br />

dass <strong>ich</strong> jetzt n<strong>ich</strong>t stark genug dafür <strong>war</strong>. Daran würde <strong>ich</strong> arbeiten. Aber vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> <strong>ich</strong> stark<br />

genug <strong>die</strong> Zukunft auf einem an<strong>der</strong>en Weg <strong>zu</strong> überlisten.<br />

Alice hatte nur zwei Zukunftsvisionen für Bella gesehen, und jetzt verstand <strong>ich</strong> sie beide.<br />

Sie <strong>zu</strong> lieben würde m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t davon abhalten sie <strong>zu</strong> töten, wenn <strong>ich</strong> es <strong>zu</strong>ließ, dass <strong>ich</strong><br />

Fehler machte.<br />

Dennoch konnte <strong>ich</strong> das Monster in <strong>mir</strong> jetzt n<strong>ich</strong>t spüren, konnte es nirgendwo in <strong>mir</strong><br />

finden. Vielle<strong>ich</strong>t hatte <strong>die</strong> Liebe es für immer <strong>zu</strong>m Schweigen gebracht. Wenn <strong>ich</strong> sie jetzt tötete,<br />

wäre es n<strong>ich</strong>t abs<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>, es wäre ein schreckl<strong>ich</strong>er Unfall.<br />

Ich würde unglaubl<strong>ich</strong> vors<strong>ich</strong>tig sein müssen. Ich würde niemals meine Zurückhaltung fallen<br />

lassen können. Ich würde jeden meiner Atemzüge kontrollieren müssen. Ich würde immer einen<br />

S<strong>ich</strong>erheitsabstand einhalten müssen.<br />

Ich würde keine Fehler machen.<br />

Endl<strong>ich</strong> verstand <strong>ich</strong> <strong>die</strong> zweite Zukunftsvision. Sie hatte m<strong>ich</strong> verwirrt – was könnte<br />

passieren, weshalb Bella in <strong>die</strong>sem Unsterbl<strong>ich</strong>en halben Leben gefangen sein sollte? Jetzt – am<br />

Boden zerstört vor Verlangen nach dem Mädchen – konnte <strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>hen, wie <strong>ich</strong> in unverzeihl<strong>ich</strong>em<br />

Egoismus meinen Vater um <strong>die</strong>sen Gefallen bitten konnte. Ihn darum bitten, ihr Leben <strong>zu</strong> beenden,<br />

ihr ihre Seele <strong>zu</strong> rauben nur damit <strong>ich</strong> sie für immer behalten könnte.<br />

Sie ver<strong>die</strong>nte etwas Besseres.<br />

Aber <strong>ich</strong> sah noch eine an<strong>der</strong>e Zukunft, ein dünnes Seil auf dem <strong>ich</strong> vielle<strong>ich</strong>t laufen konnte,<br />

wenn <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Balance halten könnte.<br />

Könnte <strong>ich</strong> das schaffen? Mit ihr <strong>zu</strong>sammen sein und sie ein Mensch bleiben lassen?<br />

Mit voller Abs<strong>ich</strong>t nahm <strong>ich</strong> einen tiefen Atem<strong>zu</strong>g, und dann noch einen, ließ m<strong>ich</strong> von ihrem<br />

Duft durchströmen wie ein Lauffeuer. Der Raum <strong>war</strong> angere<strong>ich</strong>ert mit ihrem Duft; ihr Parfum lag auf<br />

jedem Gegenstand. Mein Kopf begann <strong>zu</strong> schwimmen, aber <strong>ich</strong> kämpfte dagegen an. Ich würde m<strong>ich</strong>


daran gewöhnen müssen, wenn <strong>ich</strong> irgendeine Art von Beziehung mit ihr führen wollte. Ich nahm<br />

einen weiteren brennenden Atem<strong>zu</strong>g.<br />

Ich beobachtete sie weiter während sie schlief bis <strong>die</strong> Sonne hinter den östl<strong>ich</strong>en Wolken<br />

aufging, plante und atmete.<br />

Ich kam nach Hause, kurz nachdem <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong>r Schule aufgebrochen <strong>war</strong>en. Ich w<strong>ich</strong> Esmes<br />

fragenden Augen aus und zog m<strong>ich</strong> schnell um. Sie sah den fiebrigen Ausdruck auf meinem Ges<strong>ich</strong>t<br />

und fühlte sowohl Sorge als auch Erle<strong>ich</strong>terung. Meine lange Melancholie hatte ihr weh getan und sie<br />

<strong>war</strong> froh, dass sie vorbei <strong>zu</strong> sein schien.<br />

Ich rannte <strong>zu</strong>r Schule und kam nur wenige Sekunden nach meinen Geschwistern dort an. Sie<br />

drehten s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> um, obwohl Alice wissen musste, dass <strong>ich</strong> zwischen den d<strong>ich</strong>ten Bäumen <strong>die</strong><br />

den Parkplatz umrahmten stand. Ich <strong>war</strong>tete bis niemand hinsah und stolzierte lässig zwischen den<br />

Bäumen hervor auf den überfüllten Parkplatz.<br />

Ich hörte wie Bellas Truck laut um <strong>die</strong> Ecke polterte und <strong>ich</strong> hielt hinter einen Suburban, wo<br />

m<strong>ich</strong> keiner sehen konnte.<br />

Sie fuhr auf den Parkplatz und <strong>war</strong>f einen langen finsteren <strong>Blick</strong> auf meinen Volvo bevor sie in<br />

<strong>die</strong> am weitesten entfernte Parklücke fuhr, <strong>die</strong> Stirn in Falten gelegt.<br />

Es <strong>war</strong> seltsam, s<strong>ich</strong> daran <strong>zu</strong> erinnern, dass sie immer noch sauer auf m<strong>ich</strong> <strong>war</strong> und z<strong>war</strong> aus<br />

gutem Grund.<br />

Ich wollte über m<strong>ich</strong> selbst lachen – o<strong>der</strong> m<strong>ich</strong> treten. Meine ganzen Planungen und<br />

Überlegungen <strong>war</strong>en vollkommen irrelevant, wenn sie s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts aus <strong>mir</strong> machte, o<strong>der</strong>? Ihr Traum<br />

konnte von etwas vollkommen belanglosem gehandelt haben. Ich <strong>war</strong> so ein arroganter Blödmann.<br />

Naja, es <strong>war</strong> sowieso besser für sie, s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts aus <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> machen. <strong>Das</strong> würde m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

davon abhalten, ihr hinterher<strong>zu</strong>laufen, aber <strong>ich</strong> würde sie jedesmal vor<strong>war</strong>nen, wenn <strong>ich</strong> ihr nachlief.<br />

<strong>Das</strong> schuldete <strong>ich</strong> ihr.<br />

Ich trat leise hervor und überlegte, wie <strong>ich</strong> am besten auf sie <strong>zu</strong>gehen konnte.<br />

Sie machte es <strong>mir</strong> le<strong>ich</strong>t. Ihr Autoschlüssel fiel ihr aus <strong>der</strong> Hand als sie ausstieg, in eine tiefe<br />

Pfütze.<br />

Sie bückte s<strong>ich</strong> danach, aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong> schneller, hob ihn auf bevor sie ihre Finger in das eisige<br />

Wasser tauchen musste.<br />

Ich lehnte m<strong>ich</strong> an ihren Truck als sie s<strong>ich</strong> aufr<strong>ich</strong>tete.<br />

„Wie machst du das?“ verlangte sie <strong>zu</strong> wissen.<br />

Ja, sie <strong>war</strong> immer noch sauer.<br />

Ich hielt ihr ihren Schlüssle hin. „Was mache <strong>ich</strong> denn?“<br />

Sie streckte ihre Hand aus und <strong>ich</strong> ließ den Schlüssel in ihre Handfläche fallen. Ich atmete tief<br />

durch, sog ihren Duft ein.<br />

„Einfach so aus dem N<strong>ich</strong>ts auftauchen,“ erläuterte sie.<br />

„Bella, <strong>ich</strong> kann n<strong>ich</strong>ts dafür, dass du so unaufmerksam bist.“ Die Worte <strong>war</strong>en ironisch, fast<br />

schon witzig. Gab es irgendetwas, das ihr n<strong>ich</strong>t auffiel?<br />

Hörte sie, dass meine Stimme s<strong>ich</strong> liebkosend um ihren Namen legte?<br />

Sie blickte m<strong>ich</strong> finster an, mein Humor schien sie kalt <strong>zu</strong> lassen. Ihr Herzschlag beschleunigte<br />

s<strong>ich</strong> – vor Wut? Aus Angst? Dann senkte sie ihren <strong>Blick</strong>.


„Was sollte <strong>der</strong> Stau gestern?“ fragte sie ohne m<strong>ich</strong> an<strong>zu</strong>sehen. „Ich dachte du wolltest so<br />

tun, als gäbe es m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t statt m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Tode reizen?“<br />

Immer noch sehr wütend. Es würde m<strong>ich</strong> einige Anstrengung kosten, <strong>die</strong> Dinge gerade <strong>zu</strong><br />

rücken. Ich erinnerte m<strong>ich</strong> an meinen Vorsatz ihr gegenüber ehrl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sein…<br />

„<strong>Das</strong> <strong>war</strong> Tyler <strong>zu</strong> liebe, n<strong>ich</strong>t meinetwegen. Ich wollte ihm seine Chance lassen.“ Und dann<br />

lachte <strong>ich</strong>. Ich konnte <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t helfen bei dem Gedanken an ihren Ges<strong>ich</strong>tsausdruck gestern.<br />

„Du…“ sie keuchte und brach ab, anscheinend <strong>zu</strong> wütend um weiter <strong>zu</strong> reden. Da <strong>war</strong> er<br />

wie<strong>der</strong> – <strong>der</strong>selbe Ges<strong>ich</strong>tsausdruck. Ich unterdrückte ein weiteres Lachen. Sie <strong>war</strong> schon sauer<br />

genug.<br />

„Und <strong>ich</strong> tue n<strong>ich</strong>t so als gäbe es d<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t,“ schloss <strong>ich</strong>. Es <strong>war</strong> w<strong>ich</strong>tig <strong>die</strong> Unterhaltung<br />

lässig wirken <strong>zu</strong> lassen. Sie würde es n<strong>ich</strong>t v<strong>erste</strong>hen, wenn <strong>ich</strong> ihr zeigte, was <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> empfand.<br />

Ich würde ihr Angst machen. Ich musste meine Gefühle für m<strong>ich</strong> behalten, es langsam angehen<br />

lassen…<br />

„Also willst du m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Tode reizen? Da Tylers Van das n<strong>ich</strong>t geschafft hat?“<br />

Ein kurz aufblitzen<strong>der</strong> Ärger durchfuhr m<strong>ich</strong>. Glaubte sie das wirkl<strong>ich</strong>?<br />

Es irritierte m<strong>ich</strong> so angegriffen <strong>zu</strong> werden – sie wusste n<strong>ich</strong>ts von <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>die</strong> letzte<br />

Nacht geschehen <strong>war</strong>. Aber dennoch <strong>war</strong> <strong>ich</strong> sauer darüber.<br />

„Bella, das ist vollkommen absurd,“ schnappte <strong>ich</strong>.<br />

Ihr Ges<strong>ich</strong>t wurde rot und sie wandte s<strong>ich</strong> ab. Sie stapfte davon.<br />

Gewissensbisse. Meine Wut <strong>war</strong> unberechtigt.<br />

„Warte,“ bat <strong>ich</strong> sie.<br />

Sie blieb n<strong>ich</strong>t stehen, also lief <strong>ich</strong> ihr nach.<br />

„Es tut <strong>mir</strong> leid, das <strong>war</strong> unhöfl<strong>ich</strong>. Ich sage n<strong>ich</strong>t, dass es n<strong>ich</strong>t wahr wäre“ – es <strong>war</strong> absurd<br />

s<strong>ich</strong> vor<strong>zu</strong>stellen, <strong>ich</strong> wollte ihr auf irgendeine Art und Weise Schaden <strong>zu</strong>fügen – „aber es <strong>war</strong><br />

unhöfl<strong>ich</strong>, es aus<strong>zu</strong>sprechen.“<br />

„Warum lässt du m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t einfach in Ruhe?“<br />

Glaub <strong>mir</strong>, wollte <strong>ich</strong> sagen. <strong>Das</strong> hab <strong>ich</strong> versucht.<br />

Oh, und außerdem bin <strong>ich</strong> elendig in d<strong>ich</strong> verliebt.<br />

Lass es langsam angehen.<br />

„Ich wollte d<strong>ich</strong> etwas fragen, aber du hast m<strong>ich</strong> abgelenkt.“ Mir <strong>war</strong> soeben eine<br />

Vorgehensweise eingefallen und <strong>ich</strong> lachte.<br />

„Hast du vielle<strong>ich</strong>t eine gespaltene Persönl<strong>ich</strong>keit?“ fragte sie.<br />

So musste es tatsächl<strong>ich</strong> für sie aussehen. Meine Stimmung <strong>war</strong> unberechenbar, so viele<br />

neue Gefühle durchfuhren m<strong>ich</strong>.<br />

„Du machst es schon wie<strong>der</strong>,“ stellte <strong>ich</strong> fest.<br />

Sie seufzte. „Na gut. Was willst du m<strong>ich</strong> fragen?“<br />

„Ich hab m<strong>ich</strong> gefragt, ob du nächsten Samstag…“ <strong>ich</strong> sah wie s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Schock auf ihrem<br />

Ges<strong>ich</strong>t ausbreitete und unterdrückte wie<strong>der</strong> ein Lachen. „Du weißt schon, <strong>der</strong> Tag, an dem <strong>der</strong><br />

Frühlingsball stattfindet…“<br />

Sie unterbrach m<strong>ich</strong> und schaute <strong>mir</strong> endl<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> in <strong>die</strong> Augen. „Soll das irgendwie witzig<br />

sein?“<br />

Ja. „Lässt du m<strong>ich</strong> bitte ausreden?“<br />

Sie <strong>war</strong>tete und biss s<strong>ich</strong> auf <strong>die</strong> Unterlippe.<br />

Dieser Anblick lenkte m<strong>ich</strong> kurz ab. Seltsame, unbekannte Reaktionen rührten s<strong>ich</strong> in meinem<br />

lang vergessenen menschl<strong>ich</strong>en Kern. Ich versuchte sie ab<strong>zu</strong>schütteln, damit <strong>ich</strong> meine Rolle<br />

weiterspielen konnte.


„Ich hab gehört, dass du an dem Tag nach Seattle fährst, und <strong>ich</strong> hab m<strong>ich</strong> gefragt, ob du<br />

mitfahren möchtest?“ bot <strong>ich</strong> ihr an. Mir <strong>war</strong> aufgefallen, dass es vielle<strong>ich</strong>t besser <strong>war</strong> ihre Pläne <strong>zu</strong><br />

teilen, statt sie darüber aus<strong>zu</strong>fragen.<br />

Sie starrte m<strong>ich</strong> mit leerem Ges<strong>ich</strong>t an. „Was?“<br />

„Möchtest du mitfahren nach Seattle?“ Allein in einem Auto mit ihr – meine Kehle brannte<br />

bei dem Gedanken. Gewöhn d<strong>ich</strong> daran.<br />

„Mit wem?“ fragte sie, ihre Augen geweitet und wie<strong>der</strong> verwirrt.<br />

„Mit <strong>mir</strong>, offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>,“ sagte <strong>ich</strong> langsam.<br />

„Warum?“<br />

War es wirkl<strong>ich</strong> so schockierend, dass <strong>ich</strong> ihre Gesellschaft wollte? Sie muss meinem<br />

Benehme <strong>der</strong> letzten Wochen <strong>die</strong> schlimmstmögl<strong>ich</strong>e Bedeutung beigemessen haben.<br />

„Naja,“ sagte <strong>ich</strong> so lässig wie mögl<strong>ich</strong>, „<strong>ich</strong> hatte ohnehin geplant in den nächsten Wochen<br />

nach Seattle <strong>zu</strong> fahren, und um ehrl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sein, <strong>ich</strong> bin <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er, ob dein Truck <strong>die</strong> Strecke<br />

schafft.“ Es <strong>war</strong> le<strong>ich</strong>ter sie <strong>zu</strong> ärgern als ernst <strong>zu</strong> sein.<br />

„Mein Truck läuft wun<strong>der</strong>bar, danke <strong>der</strong> Nachfrage,“ sagte sie mit <strong>der</strong>selben überraschten<br />

Stimme. Sie begann weiter <strong>zu</strong> gehen. Ich hielt mit ihr Schritt.<br />

Sie hatte noch n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> nein gesagt, also nutzte <strong>ich</strong> <strong>die</strong>sen Vorteil.<br />

Würde sie nein sagen? Was würde <strong>ich</strong> tun, wenn sie nein sagte?<br />

„Aber schafft dein Truck es auch mit nur einer Tankfüllung?“<br />

„Ich wüsste n<strong>ich</strong>t, was d<strong>ich</strong> das angeht,“ grollte sie.<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> immer noch kein nein. Und ihr Herz raste wie<strong>der</strong>, ihr Atem ging schneller.<br />

„Der Verbrauch begrenzter Ressourcen geht jeden etwas an.“<br />

„Ehrl<strong>ich</strong> Ed<strong>war</strong>d, <strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>h d<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Ich dachte du willst n<strong>ich</strong>t mit <strong>mir</strong> befreundet seit.“<br />

Aufregung durchfuhr m<strong>ich</strong>, als sie meinen Namen aussprach.<br />

Wie soll man es langsam angehen und <strong>zu</strong>r gle<strong>ich</strong>en Zeit ehrl<strong>ich</strong> sein? Naja, es <strong>war</strong> w<strong>ich</strong>tiger,<br />

ehrl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sein. Beson<strong>der</strong>s in <strong>die</strong>sem Punkt.<br />

„Ich sagte, es wäre besser, wenn wir n<strong>ich</strong>t befreundet wären, n<strong>ich</strong>t dass <strong>ich</strong> es n<strong>ich</strong>t will.“<br />

„Oh, danke, das erklärt natürl<strong>ich</strong> alles,“ sagte sie sarkastisch.<br />

Sie hielt unter dem Vordach <strong>der</strong> Cafeteria und erwi<strong>der</strong>te meinen <strong>Blick</strong>. Ihr Herzschlag geriet<br />

ins Stottern. Hatte sie angst?<br />

Ich wählte meine Worte mit Bedacht. Nein, <strong>ich</strong> konnte sie n<strong>ich</strong>t in Ruhe lassen, aber vielle<strong>ich</strong>t<br />

<strong>war</strong> sie schlau genug, m<strong>ich</strong> in Ruhe <strong>zu</strong> lassen, bevor es <strong>zu</strong> spät <strong>war</strong>.<br />

„Es wäre… klüger für d<strong>ich</strong>, n<strong>ich</strong>t mit <strong>mir</strong> befreundet <strong>zu</strong> sein.“ In <strong>die</strong> Tiefen ihrer aus<br />

geschmolzener Schokolade bestehenden Augen <strong>zu</strong> blicken machten langsam unmögl<strong>ich</strong>. „Aber <strong>ich</strong><br />

bin es leid, m<strong>ich</strong> von dir fern<strong>zu</strong>halten Bella.“ Die Worte brannten mit viel <strong>zu</strong> viel Inbrunst.<br />

Sie hielt den Atem an und <strong>die</strong> Sekunde <strong>die</strong> sie brauchte um weiter <strong>zu</strong> atmen beunruhigte<br />

m<strong>ich</strong>. Wie sehr hatte <strong>ich</strong> sie erschreckt? Naja, <strong>ich</strong> würde es herausfinden.<br />

„Möchtest du mit <strong>mir</strong> nach Seattle fahren?“ fragte <strong>ich</strong> sie geradeheraus.<br />

Sie nickte, ihr Herz pochte laut.<br />

Ja. Sie hatte ja gesagt, <strong>zu</strong> <strong>mir</strong>.<br />

Und dann wurde <strong>mir</strong> schlagartig etwas bewusst. Was würde sie das kosten?<br />

„Du solltest d<strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> von <strong>mir</strong> fernhalten,“ <strong>war</strong>nte <strong>ich</strong> sie. Hatte sie m<strong>ich</strong> gehört? Würde<br />

sie <strong>der</strong> Zukunft entkommen, in <strong>die</strong> <strong>ich</strong> sie hineindrängte? Konnte <strong>ich</strong> irgendetwas tun, um sie vor <strong>mir</strong><br />

<strong>zu</strong> beschützen?<br />

Geh es langsam an, brüllte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> an. „Wir sehen uns dann im Unterr<strong>ich</strong>t.“<br />

Ich musste m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammenreißen um n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> rennen, als <strong>ich</strong> floh.


5. Blutgruppe<br />

Den ganzen Tag folgte <strong>ich</strong> ihr durch <strong>die</strong> Augen von an<strong>der</strong>en Schülern und nahm meine eigenen<br />

Umgebung kaum <strong>war</strong>.<br />

N<strong>ich</strong>t durch <strong>die</strong> Augen von Mike Newton, denn <strong>ich</strong> konnte seine anstößigen Fantasien n<strong>ich</strong>t<br />

mehr ertragen und auch n<strong>ich</strong>t durch <strong>die</strong> von Jessica Stanley, denn ihre Abneigung gegenüber Bella<br />

machte m<strong>ich</strong> wütend auf eine Art <strong>die</strong> n<strong>ich</strong>t gesund <strong>war</strong> für das engstirnige Mädchen. Angela Webber<br />

<strong>war</strong> eine gute Wahl, wenn ihre Augen <strong>zu</strong>r Verfügung standen; sie <strong>war</strong> freundl<strong>ich</strong> – ihr Kopf <strong>war</strong> ein<br />

angenehmer Ort. Und manchmal <strong>war</strong>en es <strong>die</strong> Lehrer, <strong>die</strong> einem den besten <strong>Blick</strong> boten.<br />

Ich überrascht <strong>zu</strong> sehen, wie sie durch den Tag stolperte – trippelte über Risse im Gehweg,<br />

verstreute ihre Bücher, und, am häufigsten von allem, viel sie über ihre eignen Füße – <strong>die</strong> Leute<br />

durch <strong>der</strong>en Augen <strong>ich</strong> sie belauschte dachten sie wäre tollpatschig.<br />

Ich dachte darüber nach. Es stimmte, dass <strong>ich</strong> öfter mal Probleme damit hatte, aufrecht <strong>zu</strong><br />

stehen. Ich erinnerte m<strong>ich</strong>, wie sie an <strong>die</strong>sem <strong>erste</strong>n Tag in den Tisch vor <strong>mir</strong> gerannt ist, wie sie auf<br />

dem Eis hin und her rutschte vor dem Unfall, wie sie über <strong>die</strong> Fußleiste im Türrahmen gestolpert ist<br />

gestern… Wie seltsam, sie hatten recht. Sie <strong>war</strong> tollpatschig.<br />

Ich wusste n<strong>ich</strong>t, <strong>war</strong>um <strong>ich</strong> das so witzig fand, aber <strong>ich</strong> musste laut loslachen während <strong>ich</strong><br />

von Gesch<strong>ich</strong>te <strong>zu</strong> Englisch ging und einige Leute <strong>war</strong>fen <strong>mir</strong> verwirrte <strong>Blick</strong>e <strong>zu</strong>. Warum <strong>war</strong> <strong>mir</strong> das<br />

bloß noch nie aufgefallen? Vielle<strong>ich</strong>t weil da irgendetwas Anmutiges in ihrer Stille <strong>war</strong>, so wie sie<br />

ihren Kopf hielt, <strong>der</strong> Bogen ihres Nackens…<br />

Jetzt hatte sie n<strong>ich</strong>ts Anmutiges mehr an s<strong>ich</strong>. Mr. Varner beobachtete, wie sie mit <strong>der</strong> Spitze<br />

ihres Schuhs am Tepp<strong>ich</strong> hängen blieb und s<strong>ich</strong> wortwörtl<strong>ich</strong> in ihren Stuhl fallen ließ.<br />

Ich musste wie<strong>der</strong> lachen.<br />

Die Zeit verging unglaubl<strong>ich</strong> langsam, während <strong>ich</strong> auf meine Mögl<strong>ich</strong>keit <strong>war</strong>tete, sie wie<strong>der</strong><br />

mit meinen eigenen Augen sehen <strong>zu</strong> können. Endl<strong>ich</strong> ertönte <strong>die</strong> Glocke. Ich marschierte so schnell<br />

es ging ohne auf<strong>zu</strong>fallen, <strong>zu</strong>r Cafeteria um meinen Platz <strong>zu</strong> s<strong>ich</strong>ern. Ich <strong>war</strong> einer er <strong>erste</strong>n. Ich<br />

entschied m<strong>ich</strong> für einen Tisch <strong>der</strong> meistens leer <strong>war</strong> und <strong>war</strong> <strong>mir</strong> s<strong>ich</strong>er, dass er das auch bleiben<br />

würde, wenn <strong>ich</strong> dort saß.<br />

Als meine Familie den Raum betrat und m<strong>ich</strong> an einem an<strong>der</strong>en Tisch sitzen sah, <strong>war</strong>en sie<br />

n<strong>ich</strong>t überrascht. Alice musste sie vorge<strong>war</strong>nt haben.<br />

Rosalie stolzierte an <strong>mir</strong> vorbei ohne m<strong>ich</strong> eines <strong>Blick</strong>es <strong>zu</strong> würdigen.<br />

Idiot.<br />

Rosalie und <strong>ich</strong> hatten nie eine einfache Beziehung gehabt – <strong>ich</strong> hatte sie gekränkt, als sie<br />

m<strong>ich</strong> das aller<strong>erste</strong> mal hatte sprechen hören, von da an ging es abwärts – aber es schien als wäre sie<br />

in den letzten Tagen noch schlechter gelaunt. Ich seufzte. Rosalie machte es s<strong>ich</strong> selbst schwer.<br />

Jasper schenkte <strong>mir</strong> ein halbes Lächeln als er an <strong>mir</strong> vorbeilief.<br />

Viel Glück, dachte er zweifelnd.<br />

Emmett verdrehte <strong>die</strong> Augen und schüttelte den Kopf.<br />

Er hat seinen Verstand verloren, <strong>der</strong> arme Junge.<br />

Alice strahlte, ihre Zähne <strong>zu</strong> weit entblößt.<br />

Kann <strong>ich</strong> jetzt mit Bella reden??


„Halt d<strong>ich</strong> da raus,“ flüsterte <strong>ich</strong> unter vorgehaltener Hand.<br />

Ihr Lächeln senkte s<strong>ich</strong> und dann strahlte sie wie<strong>der</strong>.<br />

Na gut. Dann seih eben Stur. Es ist nur eine Frage <strong>der</strong> Zeit.<br />

Ich seufzte wie<strong>der</strong>.<br />

Vergiss den Versuch in Biologie heute n<strong>ich</strong>t, erinnerte sie m<strong>ich</strong>.<br />

Ich nickte. Nein, das hatte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t vergessen.<br />

Während <strong>ich</strong> darauf <strong>war</strong>tete, dass Bella <strong>die</strong> Cafeteria erre<strong>ich</strong>te folgte <strong>ich</strong> ihr durch <strong>die</strong> Augen<br />

eines High School Anfängers, <strong>der</strong> hinter Jessica lief. Jessica quasselte ununterbrochen von dem Ball,<br />

aber Bella antwortete n<strong>ich</strong>t. N<strong>ich</strong>t das Jessica ihr <strong>die</strong> Mögl<strong>ich</strong>keit da<strong>zu</strong> gegeben hätte.<br />

In dem Moment als Bella durch <strong>die</strong> Tür <strong>der</strong> Cafeteria trat, <strong>war</strong>f sie einen <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong> dem Tisch an<br />

dem meine Geschwister saßen. Sie schaute einen Moment, dann legte sie ihre Stirn in Falten und ihre<br />

Augen senken s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>m Boden. Sie hatte m<strong>ich</strong> noch n<strong>ich</strong>t gesehen.<br />

Sie sah so… traurig aus. Ich verspürte das starke verlangen, auf<strong>zu</strong>stehen und an ihre Seite <strong>zu</strong><br />

gehen, um sie irgendwie <strong>zu</strong> trösten, nur <strong>ich</strong> wusste n<strong>ich</strong>t, was sie als tröstend empfunden hätte. Ich<br />

wusste n<strong>ich</strong>t, <strong>war</strong>um sie plötzl<strong>ich</strong> so traurig <strong>war</strong>. Jessica plapperte weiter über den Ball. War Bella<br />

traurig, dass sie n<strong>ich</strong>t dabei sein würde? <strong>Das</strong> kam <strong>mir</strong> unwahrscheinl<strong>ich</strong> vor…<br />

Aber das könnte man än<strong>der</strong>n, wenn sie wollte.<br />

Sie kaufte s<strong>ich</strong> etwas <strong>zu</strong> trinken und sonst n<strong>ich</strong>ts. War das r<strong>ich</strong>tig? Brauchte sie n<strong>ich</strong>t mehr<br />

Nahrung als das? Ich hatte <strong>mir</strong> nie viele Gedanken über <strong>die</strong> menschl<strong>ich</strong>e Ernährung gemacht.<br />

Menschen <strong>war</strong>en so verdammt gebrechl<strong>ich</strong>! Es gab millionen verschiedener Dinge um <strong>die</strong><br />

man s<strong>ich</strong> sorgen musste…<br />

„Ed<strong>war</strong>d Cullen starrt d<strong>ich</strong> schon wie<strong>der</strong> an,“ hörte <strong>ich</strong> Jessica sagen. „Ich frag m<strong>ich</strong>, <strong>war</strong>um<br />

er heute alleine sitzt?“<br />

Ich <strong>war</strong> Jessica dankbar – obwohl ihre Abneigung jetzt noch größer wurde – denn Bellas Kopf<br />

schoss nach oben und sie sah s<strong>ich</strong> um, bis s<strong>ich</strong> unsere <strong>Blick</strong>e trafen.<br />

Da <strong>war</strong> keine Spur mehr von Trauer in ihren Augen. Ich machte <strong>mir</strong> Hoffnungen, dass sie<br />

vielle<strong>ich</strong>t traurig gewesen <strong>war</strong>, weil sie dachte <strong>ich</strong> hätte <strong>die</strong> Schule heute früher verlassen und <strong>die</strong>se<br />

Hoffnung ließ m<strong>ich</strong> lächeln.<br />

Ich bedeutete ihr mit meinem Finger s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> setzten. Sie wirkte so geschockt darüber,<br />

dass <strong>ich</strong> sie wie<strong>der</strong> aufziehen wollte.<br />

Also zwinkerte <strong>ich</strong> und ihr Mund klappte auf.<br />

„Meint er d<strong>ich</strong>?“ fragte Jessica entgeistert.<br />

„Vielle<strong>ich</strong>t braucht er Hilfe mit seinen Bio-Hausaufgaben,“ sagte sie mit leiser, veruns<strong>ich</strong>erter<br />

Stimme. „Ähm, <strong>ich</strong> geh besser mal gucken, was er will.“<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> wie<strong>der</strong> ein Ja.<br />

Sie stolperte zweimal auf dem Weg <strong>zu</strong> meinem Tisch obwohl auf ihrem Weg n<strong>ich</strong>ts lag außer<br />

perfekt glattem Linoleum. Mal ehrl<strong>ich</strong>, wie konnte <strong>ich</strong> das übersehen? Ich vermute mal <strong>ich</strong> hatte<br />

ihren stummen Gedanken mehr Aufmerksamkeit geschenkt… Was hatte <strong>ich</strong> sonst noch übersehen?<br />

Seih ehrl<strong>ich</strong> und geh es langsam an, ermahnte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> selbst.<br />

Sie hielt hinter dem Stuhl <strong>der</strong> <strong>mir</strong> gegenüberstand und zögerte. Ich atmete tief ein, <strong>die</strong>smal<br />

durch meine Nase statt durch den Mund.<br />

Spüre das brennen, dachte <strong>ich</strong> trocken.<br />

„Warum setzt du d<strong>ich</strong> heute n<strong>ich</strong>t mal <strong>zu</strong> <strong>mir</strong>?“ fragte <strong>ich</strong> sie.<br />

Sie zog den Stuhl <strong>zu</strong>rück und setzte s<strong>ich</strong>, wobei sie m<strong>ich</strong> <strong>die</strong> ganze Zeit n<strong>ich</strong>t aus den Augen<br />

ließ. Sie wirkte nervös, aber ihre Physische Zusage <strong>war</strong> wie<strong>der</strong> ein Ja.<br />

Ich <strong>war</strong>tete darauf, dass sie etwas sagte.


Es dauerte einen Moment, aber dann sagte sie, „<strong>Das</strong> ist komisch.“<br />

„Naja…“ <strong>ich</strong> zögerte. „Ich dachte <strong>mir</strong>, wenn <strong>ich</strong> schon in <strong>die</strong> Hölle komme, dann r<strong>ich</strong>tig.“<br />

Warum hatte <strong>ich</strong> das gesagt? Ich vermute es <strong>war</strong> wenigstens ehrl<strong>ich</strong>. Und vielle<strong>ich</strong>t hatte sie<br />

<strong>die</strong> unterschwellige Warnung in meinen Worten gehört. Vielle<strong>ich</strong>t merkte sie, dass sie besser<br />

aufstehen und so schnell wie mögl<strong>ich</strong> verschwinden sollte…<br />

Sie stand n<strong>ich</strong>t auf. Sie starrte m<strong>ich</strong> an, ab<strong>war</strong>tend, als hätte <strong>ich</strong> meinen Satz noch n<strong>ich</strong>t<br />

beendet.<br />

„Du weißt, dass <strong>ich</strong> keine Ahnung habe wovon du redest,“ sagte sie als <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

weitersprach.<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> eine Erle<strong>ich</strong>terung. Ich lächelte.<br />

„Ich weiß.“<br />

Es <strong>war</strong> schwer <strong>die</strong> Gedanken <strong>zu</strong> ignorieren, <strong>die</strong> hinter meinem Rücken schrien – und <strong>ich</strong> sollte<br />

ohnehin das Thema wechseln.<br />

„Ich glaube deine Freunde sind sauer auf m<strong>ich</strong>, weil <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> entführt habe.“<br />

<strong>Das</strong> schien sie n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> kümmern. „Sie werden es überleben.“<br />

„Aber vielle<strong>ich</strong>t gebe <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>rück.“ Ich wusste n<strong>ich</strong>t mal ob <strong>ich</strong> versuchte ehrl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong><br />

sein, o<strong>der</strong> ob <strong>ich</strong> sie nur wie<strong>der</strong> aufziehen wollte. In ihrer Nähe <strong>war</strong> es schwer meine eigenen<br />

Gedanken <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>hen.<br />

Bella schluckte laut.<br />

Ich lachte über ihren Ges<strong>ich</strong>tsausdruck. „Du siehst besorgt aus.“ Es sollte wirkl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t lustig<br />

sein… Sie sollte besorgt sein.<br />

„Nein.“ Sie <strong>war</strong> eine schlechte Lügnerin; es half n<strong>ich</strong>t, dass ihre Stimme wegbrach.<br />

„Überrascht, ehrl<strong>ich</strong>gesagt… Wie kommt das?“<br />

„Ich hab dir doch gesagt,“ erinnerte <strong>ich</strong> sie. „Ich bin es leid m<strong>ich</strong> von dir fern<strong>zu</strong>halten. Also<br />

hab <strong>ich</strong> es aufgegeben.“ Ich bemühte m<strong>ich</strong> mein lächeln bei<strong>zu</strong>behalten. Es <strong>war</strong> gar n<strong>ich</strong>t so einfach –<br />

ehrl<strong>ich</strong> und lässig <strong>zu</strong> gle<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sein.<br />

„Aufgegeben?“ wie<strong>der</strong>holte sie verwirrt.<br />

„Ja – aufgegeben gut <strong>zu</strong> sein.“ Und scheinbar auch aufgeben lässig <strong>zu</strong> sein. „Ich mache jetzt<br />

nur noch was <strong>ich</strong> will und lasse <strong>die</strong> Würfel fallen wie sie wollen.“ <strong>Das</strong> <strong>war</strong> ehrl<strong>ich</strong> genug. Ihr meinen<br />

Egoismus zeigen. Es ihr auch eine Warnung sein lassen.<br />

„Ich v<strong>erste</strong>h schon wie<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>ts.“<br />

Ich <strong>war</strong> egoistisch genug um m<strong>ich</strong> darüber <strong>zu</strong> freuen. „Ich sage immer <strong>zu</strong> viel, wenn <strong>ich</strong> mit<br />

dir rede – das ist eins <strong>der</strong> Probleme.“<br />

Ein eher kleines Problem, vergl<strong>ich</strong>en mit den an<strong>der</strong>en.<br />

„Keine Sorge,“ vers<strong>ich</strong>erte sie <strong>mir</strong>. „Ich v<strong>erste</strong>he sowieso n<strong>ich</strong>ts.“<br />

Gut. <strong>Das</strong> bedeutete sie blieb. „<strong>Das</strong> hoffe <strong>ich</strong> doch.“<br />

„Also im Klartext, sind wir jetzt Freunde?“<br />

Ich überschlug das kurz für eine Sekunde. „Freunde…“ wie<strong>der</strong>holte <strong>ich</strong>. Ich mochte den Klang<br />

n<strong>ich</strong>t. Es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t genug.<br />

„O<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t,“ murmelte sie und sah beschämt aus.<br />

Dachte sie, dass <strong>ich</strong> sie dafür n<strong>ich</strong>t genug mögen würde?<br />

Ich lächelte. „Naja, wir können es versuchen, denke <strong>ich</strong>. Aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong>ne d<strong>ich</strong>, <strong>ich</strong> bin kein<br />

guter Freund für d<strong>ich</strong>.“<br />

Hin und her gerissen <strong>war</strong>tete <strong>ich</strong> auf ihre Reaktion – einerseits wünschte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong>, sie würde<br />

endl<strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>hen, an<strong>der</strong>seits dachte <strong>ich</strong>, <strong>ich</strong> würde sterben, wenn sie es tat. Wie Melodramatisch.<br />

Ich benahm m<strong>ich</strong> so menschl<strong>ich</strong>.


Ihr Herz schlug schneller. „<strong>Das</strong> sagst du ständig.“<br />

„Ja, weil du n<strong>ich</strong>t auf m<strong>ich</strong> hörst,“ sagte <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> leidenschaftl<strong>ich</strong>. „Ich <strong>war</strong>te immer<br />

noch darauf, dass du <strong>mir</strong> endl<strong>ich</strong> glaubst. Wenn du schlau bist, gehst du <strong>mir</strong> aus dem Weg.“<br />

Aber würde <strong>ich</strong> es <strong>zu</strong>lassen, wenn sie es versuchen würde?<br />

Ihre Augen verengten s<strong>ich</strong>. „Ich denke deinen Eindruck meiner Intelligenz hast du damit klar<br />

gemacht.“<br />

Ich <strong>war</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t ganz s<strong>ich</strong>er, was sie damit meinte, aber <strong>ich</strong> lächelte entschuldigend, weil <strong>ich</strong><br />

sie wohl versehentl<strong>ich</strong> gekränkt hatte.<br />

„Also,“ sagte sie langsam. „So lange <strong>ich</strong>… n<strong>ich</strong>t schlau bin, können wir versuchen Freunde <strong>zu</strong><br />

sein?“<br />

„So könnte man es sagen.“<br />

Sie senkte ihren <strong>Blick</strong> und starrte intensiv auf <strong>die</strong> Limonadenflasche in ihrer Hand.<br />

Die altbekannte Neugierte folterte m<strong>ich</strong>.<br />

„Was denkst du gerade?“ fragte <strong>ich</strong> – es <strong>war</strong> befreiend <strong>die</strong>se Worte endl<strong>ich</strong> laut aussprechen<br />

<strong>zu</strong> können.<br />

Sie erwi<strong>der</strong>te meinen <strong>Blick</strong>, ihr Puls wurde schneller während ihre Wangen rot anliefen. Ich<br />

atmete ein, um <strong>die</strong> Luft <strong>zu</strong> schmecken.<br />

„Ich versuche heraus<strong>zu</strong>finden, was du bist.“<br />

Ich behielt mein Lächeln bei und festigte meine Ges<strong>ich</strong>tszüge während Panik in <strong>mir</strong> aufstieg.<br />

Natürl<strong>ich</strong> versuchte sie das. Sie <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t dumm. Ich konnte n<strong>ich</strong>t hoffen, dass sie etwas so<br />

offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>es übersah.<br />

„Und, funktioniert es?“ fragte <strong>ich</strong> so ruhig wie <strong>ich</strong> konnte.<br />

„N<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong>,“ gab sie <strong>zu</strong>.<br />

Ich k<strong>ich</strong>erte vor Erle<strong>ich</strong>terung. „Hast du irgendwelche Theorien?“<br />

Sie konnten n<strong>ich</strong>t schlimmer sein, als <strong>die</strong> Wahrheit, egal was sie s<strong>ich</strong> überlegt hatte.<br />

Ihre Wangen wurden noch röter und sie sagte n<strong>ich</strong>ts. Ich konnte <strong>die</strong> Wärme ihrer geröteten<br />

Wangen in <strong>der</strong> Luft spüren.<br />

Ich versuchte meinen überzeugenden Tonfall bei ihr an<strong>zu</strong>wenden. Bei normalen Menschen<br />

funktionierte es wun<strong>der</strong>bar.<br />

„Willst du sie <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t erzählen?“ Ich lächelte ermutigend.<br />

Sie schüttelte ihren Kopf. „Zu peinl<strong>ich</strong>.“<br />

Hmpf. Es n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> wissen, <strong>war</strong> schlimmer als alles an<strong>der</strong>e. Warum sollten ihr ihre<br />

Überlegungen peinl<strong>ich</strong> sein? Ich hielt es n<strong>ich</strong>t aus, es n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> wissen.<br />

„<strong>Das</strong> ist wirkl<strong>ich</strong> frustrierend, weißt du das?“<br />

Meine Beschwerde löste irgendetwas in ihr aus. Ihre Augen funkelten und <strong>die</strong> Worte<br />

sprudelten nur so aus ihr heraus.<br />

„Nein, <strong>ich</strong> kann <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t vorstellen, <strong>war</strong>um das frustrierend sein sollte – nur weil jemand dir<br />

n<strong>ich</strong>t sagen möchte, was er denkt, obwohl er selber nur kryptische Andeutungen macht nur um d<strong>ich</strong><br />

<strong>die</strong> ganze Nacht wach <strong>zu</strong> halten um darüber nach<strong>zu</strong>denken, was sie bedeuten könnten… also, <strong>war</strong>um<br />

sollte das frustrierend sein?“<br />

Ich <strong>war</strong>f ihr einen finsteren <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong>, weil <strong>ich</strong> wusste, dass sie recht hatte. Ich <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t fair.<br />

Sie fuhr fort. „O<strong>der</strong> noch besser, sagen wir mal <strong>die</strong>se Person macht einen Haufen seltsamer<br />

Dinge – am einen Tag rettet sie dein Leben unter unmögl<strong>ich</strong>en Umständen und am nächsten<br />

behandelt sie d<strong>ich</strong> wie einen Parasiten und erklärt we<strong>der</strong> das eine noch das an<strong>der</strong>e. <strong>Das</strong> wäre auch<br />

alles gar n<strong>ich</strong>t frustrierend.“


<strong>Das</strong> <strong>war</strong> <strong>die</strong> längste Rede <strong>die</strong> <strong>ich</strong> je aus ihrem Mund gehört hatte und sie gab <strong>mir</strong> einen<br />

weiteren Punkt für meine Liste.<br />

„Du hast ein zieml<strong>ich</strong>es Temperament, o<strong>der</strong>?“<br />

„Ich mag keine Doppelmoral.“<br />

Sie ging total auf in ihrem Ärger.<br />

Ich starrte Bella an und überlegte, ob <strong>ich</strong> überhaupt irgendetwas r<strong>ich</strong>tig machen konnte in<br />

ihren Augen, als Mike Newtons stille Rufe m<strong>ich</strong> ablenkten.<br />

Er <strong>war</strong> so wütend, dass <strong>ich</strong> lachen musste.<br />

„Was?“ schnaubte sie.<br />

„Dein Freund denkt <strong>ich</strong> bin gemein <strong>zu</strong> dir – er überlegt ob er herkommen und unseren Streit<br />

beenden sollte.“ <strong>Das</strong> würde <strong>ich</strong> gern sehen. Ich lachte wie<strong>der</strong>.<br />

„Ich weiß n<strong>ich</strong>t von wem du redest,“ sagte sie eisig. „Aber <strong>ich</strong> denke du hast unrecht.“<br />

Ich genoss <strong>die</strong> Art wie sie ihm eine Abfuhr erteilte durch <strong>die</strong>se Aussage.<br />

„Hab <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Ich sagte dir doch, dass <strong>die</strong> meisten Menschen le<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> durchschauen sind.“<br />

„Abgesehen von <strong>mir</strong>.“<br />

„Ja. Abgesehen von dir.“ Musste sie für alles eine Ausnahme sein? Wäre es n<strong>ich</strong>t fairer –<br />

wenn man bedenkt womit <strong>ich</strong> jetzt alles klar kommen musste – wenn <strong>ich</strong> wenigsten etwas in ihrem<br />

Kopf hören könnte? War das <strong>zu</strong> viel verlangt? „Ich frag m<strong>ich</strong>, <strong>war</strong>um das so ist?“<br />

Ich starrte in ihre Augen und versuchte es wie<strong>der</strong>…<br />

Sie senkte den <strong>Blick</strong>. Die Augen stur auf den Tisch ger<strong>ich</strong>tet, öffnete sie ihre Limonade und<br />

nahm einen kurzen Schluck.<br />

„Hast du keinen Hunger?“ fragte <strong>ich</strong>.<br />

„Nein.“ Sie sah auf den leeren Tisch zwischen uns. „Und du?“<br />

„Nein, <strong>ich</strong> hab keinen Hunger,“ sagte <strong>ich</strong>. Den hatte <strong>ich</strong> definitiv n<strong>ich</strong>t.<br />

Sie schürzte ihre Lippe und starrte weiter auf den Tisch. Ich <strong>war</strong>tete.<br />

„Würdest du <strong>mir</strong> einen Gefallen tun?“ fragte sie und blickte plötzl<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> auf.<br />

Was könnte sie von <strong>mir</strong> wollen? Würde sie nach <strong>der</strong> Wahrheit fragen, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> ihr n<strong>ich</strong>t<br />

erzählen konnte – <strong>die</strong> Wahrheit von <strong>der</strong> <strong>ich</strong> niemals wollte, dass sie sie erfährt?<br />

„<strong>Das</strong> kommt darauf an, was du möchtest?“<br />

„N<strong>ich</strong>t viel,“ versprach sie.<br />

Ich <strong>war</strong>tete, wie<strong>der</strong> neugierig.<br />

„Ich hab m<strong>ich</strong> nur gefragt,“ sagte sie langsam während sie auf <strong>die</strong> Limonadenflasche starrte<br />

und mit dem kleinen Finger über <strong>die</strong> Öffnung strick. „Ob du m<strong>ich</strong> vielle<strong>ich</strong>t vor<strong>war</strong>nen könntest wenn<br />

du d<strong>ich</strong> das nächste mal entschließt, m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> meinem wohl <strong>zu</strong> ignorieren? Nur damit <strong>ich</strong> vorbereitet<br />

bin.“<br />

Sie wollte eine Vor<strong>war</strong>nung? Also musste meine Ignoranz etwas schlechtes sein… <strong>ich</strong><br />

lächelte.<br />

„<strong>Das</strong> hört s<strong>ich</strong> fair an,“ stimmte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>.<br />

„Danke,“ sagte sie. Ihr Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> so erle<strong>ich</strong>tert, dass <strong>ich</strong> über meine eigene Erle<strong>ich</strong>terung<br />

lachen wollte.<br />

„Kann <strong>ich</strong> dann auch einen Gefallen haben?“ fragte <strong>ich</strong> Hoffnungsvoll.<br />

„Einen,“ erlaubte sie.<br />

„Nenn <strong>mir</strong> eine Theorie.“<br />

Sie wurde rot. „<strong>Das</strong> n<strong>ich</strong>t.“<br />

„Du hast keine Einschränkungen gemacht, nur versprochen <strong>zu</strong> antworten,“ argumentierte<br />

<strong>ich</strong>.


„Du hast selbst schon Versprechen gebrochen,“ gab sie <strong>zu</strong>rück.<br />

Da hatte sie recht.<br />

„Nur eine Theorie – <strong>ich</strong> werde auch n<strong>ich</strong>t lachen.“<br />

„Doch, du wirst.“ Sie schien s<strong>ich</strong> dessen absolut s<strong>ich</strong>er <strong>zu</strong> sein, obwohl <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t vorstellen<br />

konnte, was daran lustig sein könnte.<br />

Ich versuchte erneut überzeugend <strong>zu</strong> sein. Ich schaute ihr tief in <strong>die</strong> Augen – das <strong>war</strong> einfach<br />

bei Augen mit einer solchen Tiefe – und flüsterte, „Bitte?“<br />

Sie blinzelte und ihr Ges<strong>ich</strong>t wurde Ausdruckslos.<br />

Naja, das <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t genau <strong>die</strong> Reaktion <strong>die</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> erhofft hatte.<br />

„Äh, was?“ fragte sie. Sie sah benommen aus. Was stimmte n<strong>ich</strong>t mit ihr?<br />

Aber <strong>ich</strong> gab noch n<strong>ich</strong>t auf.<br />

„Bitte sag <strong>mir</strong> nur eine kleine Theorie,“ bettelte <strong>ich</strong> mit meiner sanften, n<strong>ich</strong>tfurchteinflößenden<br />

Stimme, während <strong>ich</strong> ihren <strong>Blick</strong> auffing.<br />

Zu meiner Überraschung und Zufriedenheit, schien es endl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> wirken.<br />

„Ähm, naja, hat d<strong>ich</strong> eine Radioaktive Spinne gebissen?“<br />

Comics? Kein Wun<strong>der</strong>, dass sie dachte, <strong>ich</strong> würde lachen.<br />

„<strong>Das</strong> ist n<strong>ich</strong>t beson<strong>der</strong>s kreativ,“ schalt <strong>ich</strong> sie und versuchte meine erneute Erle<strong>ich</strong>terung <strong>zu</strong><br />

verbergen.<br />

„Tut <strong>mir</strong> leid, weiter bin <strong>ich</strong> noch n<strong>ich</strong>t,“ gab sie s<strong>ich</strong> geschlagen.<br />

<strong>Das</strong> erle<strong>ich</strong>terte m<strong>ich</strong> noch mehr. Jetzt konnte <strong>ich</strong> sie wie<strong>der</strong> aufziehen.<br />

„Du bist n<strong>ich</strong>t mal nahe dran.“<br />

„Keine Spinnen?“<br />

„Nein.“<br />

„Keine Radioaktivität?“<br />

„Keine.“<br />

„Verdammt,“ seufzte sie.<br />

„Kryptonit macht <strong>mir</strong> auch n<strong>ich</strong>ts aus,“ sagte <strong>ich</strong> schnell – bevor sie nach Bissen fragen<br />

konnte – und dann musste <strong>ich</strong> lachen, weil sie dachte <strong>ich</strong> wäre ein Superheld.<br />

„Du hast versprochen n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> lachen.“<br />

Ich presste meine Lippen aufeinan<strong>der</strong>.<br />

„Ich werd‘s noch herausfinden,“ versprach sie.<br />

Und wenn sie das tat würde sie wegrennen.<br />

„Ich wünschte du würdest es n<strong>ich</strong>t versuchen,“ sagte <strong>ich</strong> ohne <strong>zu</strong> st<strong>ich</strong>eln.<br />

„Weil…?“<br />

Ich schuldete ihr Ehrl<strong>ich</strong>keit. Ich versuchte <strong>zu</strong> lächeln um meine Worte weniger<br />

furchteinflößend klingen <strong>zu</strong> lassen. „Was wenn <strong>ich</strong> kein Superheld bin? Was wenn <strong>ich</strong> <strong>der</strong> Böse bin?“<br />

Ihre Augen wurden ein kleines bisschen größer und ihre Lippen öffneten s<strong>ich</strong> le<strong>ich</strong>t. „Oh,“<br />

sagte sie. Und nach einer weiteren Sekunde, „Ich v<strong>erste</strong>he.“<br />

Sie hatte m<strong>ich</strong> endl<strong>ich</strong> gehört.<br />

„Wirkl<strong>ich</strong>?“ fragte <strong>ich</strong> und unterdrückte meine Verzweiflung.<br />

„Du bist gefährl<strong>ich</strong>?“ vermutete sie. Ihr Atem überschlug s<strong>ich</strong> und ihr Herz raste.<br />

Ich konnte ihr n<strong>ich</strong>t antworten. War <strong>die</strong>s mein letzter Moment mit ihr? Würde sie jetzt<br />

wegrennen? Würde es <strong>mir</strong> mögl<strong>ich</strong> sein ihr <strong>zu</strong> sagen, dass <strong>ich</strong> sie liebte, bevor sie weg <strong>war</strong>? O<strong>der</strong><br />

würde ihr das noch mehr Angst machen?<br />

„Aber n<strong>ich</strong>t böse,“ flüsterte sie und schüttelte ihren Kopf, in ihren Augen lag keine Spur von<br />

Angst. „Nein, <strong>ich</strong> glaube n<strong>ich</strong>t, dass du böse bist.“


„Da liegst du falsch,“ stöhnte <strong>ich</strong>.<br />

Natürl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> <strong>ich</strong> böse. Frohlockte <strong>ich</strong> jetzt n<strong>ich</strong>t, da <strong>ich</strong> wusste, dass sie besser von <strong>mir</strong><br />

dachte, als <strong>ich</strong> es ver<strong>die</strong>nte? Wenn <strong>ich</strong> gut wäre würde <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> von ihr fernhalten.<br />

Ich streckte meine Hand über den Tisch um, als Ausrede, nach dem Deckel ihrer<br />

Limonadenflasche <strong>zu</strong> greifen. Sie <strong>zu</strong>ckte n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>rück, obwohl meine kalte Hand plötzl<strong>ich</strong> so nah <strong>war</strong>.<br />

Sie hatte wirkl<strong>ich</strong> keine Angst vor <strong>mir</strong>. Noch n<strong>ich</strong>t.<br />

Ich drehte den Deckel wie einen Kreisel und beobachtete ihn, statt sie. Meine Gedanken<br />

<strong>war</strong>en das reinste Durcheinan<strong>der</strong>.<br />

Lauf, Bella, lauf. (Lauf Forrest, lauf! *lol*) Ich brachte es n<strong>ich</strong>t über m<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Worte laut<br />

aus<strong>zu</strong>sprechen.<br />

Sie sprang auf. „Wir kommen <strong>zu</strong> spät,“ sagte sie genau in dem Moment wo <strong>ich</strong> dachte, sie<br />

hätte irgendwie meine Stumme Warnung gehört.<br />

„Ich gehe heute n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>m Unterr<strong>ich</strong>t.“<br />

„Warum n<strong>ich</strong>t?“<br />

Weil <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t töten will. „Es ist manchmal gesün<strong>der</strong> <strong>zu</strong> schwänzen.“<br />

Um genau <strong>zu</strong> sein, <strong>war</strong> es gesün<strong>der</strong> für <strong>die</strong> Menschen, wenn <strong>die</strong> Vampire schwänzten an<br />

Tagen an denen Menschl<strong>ich</strong>es Blut vergossen werden sollte. Mr. Banner wollte heute Blutgruppen<br />

bestimmen. Alice hatte schon ihre <strong>erste</strong> Stunde geschwänzt.<br />

„Naja, <strong>ich</strong> gehe jedenfalls hin,“ sagte sie. <strong>Das</strong> überraschte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Sie <strong>war</strong><br />

verantwortungsbewusst – sie tat immer das R<strong>ich</strong>tige.<br />

Sie <strong>war</strong> das Gegenteil von <strong>mir</strong>.<br />

„Wir sehen uns dann später,“ sagte <strong>ich</strong>, ein Versuch wie<strong>der</strong> lässig <strong>zu</strong> klingen während <strong>ich</strong> auf<br />

den kreisenden Deckel starrte. Und, ganz nebenbei, <strong>ich</strong> bete d<strong>ich</strong> an… auf eine angsteinflößende,<br />

gefährl<strong>ich</strong>e Art und Weise.<br />

Sie zögerte, und <strong>ich</strong> hoffte für einen kurzen Moment, dass sie trotz allem bei <strong>mir</strong> bleiben<br />

würde. Aber <strong>die</strong> Glocke läutete und sie rannte davon.<br />

Ich <strong>war</strong>tete, bis sie verschwunden <strong>war</strong> und dann steckte <strong>ich</strong> den Deckel in meine Tasche – ein<br />

Andenken an <strong>die</strong>se w<strong>ich</strong>tige Unterhaltung – und lief durch den Regen <strong>zu</strong> meinem Auto.<br />

Ich legte meine Lieblings Beruhigungs CD ein – <strong>die</strong>selbe <strong>die</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> an <strong>die</strong>sem <strong>erste</strong>n Tag<br />

angehört hatte – aber <strong>ich</strong> hörte Debussys Noten n<strong>ich</strong>t sehr lange. An<strong>der</strong>e Noten klangen in meinem<br />

Kopf, das Fragment einer Melo<strong>die</strong>, <strong>die</strong> m<strong>ich</strong> befriedigte und faszinierte. Ich drehte <strong>die</strong> Anlage leiser<br />

und lauschte <strong>der</strong> Musik in meinem Kopf, spielte mit dem Fragment, bis es s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> einer volleren<br />

Harmonie entwickelte. Instinktiv bewegte <strong>ich</strong> meine Finger in <strong>der</strong> Luft über imaginäre Pianotasten.<br />

Die neue Komposition kam gut voran, als eine Welle Seelischer Pein meine Aufmerksamkeit<br />

erweckte.<br />

Ich schaute in <strong>die</strong> R<strong>ich</strong>tung aus <strong>der</strong> <strong>die</strong>se Pein kam.<br />

Wird sie jetzt umkippen? Was soll <strong>ich</strong> jetzt tun? Mike <strong>war</strong> in Panik.<br />

Ungefähr 100 Yards entfernt, ließ Mike Newton Bellas schlaffen Körper auf den Bürg<strong>erste</strong>ig<br />

sinken. Sie plumpste teilnahmslos auf den nassen Beton, ihre Augen geschlossen, ihre Haut<br />

kreideble<strong>ich</strong> wie eine Le<strong>ich</strong>e.<br />

Ich riss fast <strong>die</strong> Tür aus dem Auto.<br />

„Bella?“ rief <strong>ich</strong>.<br />

Da <strong>war</strong> keine Verän<strong>der</strong>ung in ihrem leblosen Ges<strong>ich</strong>t, als <strong>ich</strong> ihren Namen rief.<br />

Mein Körper wurde kälter als Eis.


Ich <strong>war</strong> <strong>mir</strong> Mikes verärgerter Überraschung bewusst, als <strong>ich</strong> wütend seine Gedanken<br />

aussiebte. Er dachte nur an seine Wut auf m<strong>ich</strong>, also wusste <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t, was mit Bella los <strong>war</strong>. Wenn er<br />

ihr irgendetwas angetan hätte würde <strong>ich</strong> ihn auslöschen.<br />

„Was hat sie – ist sie verletzt?“ verlangte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> wissen während <strong>ich</strong> versuchte m<strong>ich</strong> auf seine<br />

Gedanken <strong>zu</strong> konzentrieren. Es machte m<strong>ich</strong> wahnsinnig, dass <strong>ich</strong> in menschl<strong>ich</strong>er Geschwindigkeit<br />

laufen musste. Ich hätte mein Auftauchen n<strong>ich</strong>t ankündigen sollen.<br />

Dann konnte <strong>ich</strong> ihr Herz schlagen hören und ihren flachen Atem. Als <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr hinsah,<br />

presste sie ihre Augen noch fester <strong>zu</strong>. <strong>Das</strong> beruhigte meine Panik ein bisschen.<br />

Ich sah eine Erinnerung in Mikes Gedanken auf flimmern, ein Schwall von Bil<strong>der</strong>n aus dem<br />

Biologieraum. Bellas Kopf auf unserem Tisch, ihre blasse Haut le<strong>ich</strong>t grünl<strong>ich</strong>. Rote Tropfen auf den<br />

weißen Karten…<br />

Blutgruppen-Bestimmung.<br />

Ich blieb auf <strong>der</strong> Stelle stehen und hielt den Atem an. Ihr Duft <strong>war</strong> eine Sache, aber ihr<br />

fließendes Blut eine ganz an<strong>der</strong>e.<br />

„Ich glaube sie ist Ohnmächtig,“ sagte Mike, ängstl<strong>ich</strong> und aufgebracht in einem. „Ich weiß<br />

n<strong>ich</strong>t, was passiert ist, sie hat s<strong>ich</strong> noch n<strong>ich</strong>t mal in den Finger gestochen.“<br />

Eine Welle <strong>der</strong> Erle<strong>ich</strong>terung durchfuhr m<strong>ich</strong> und <strong>ich</strong> atmete wie<strong>der</strong>, schmeckte <strong>die</strong> Luft. Ah,<br />

<strong>ich</strong> konnte den kleinen Fluss von Mike Newtons Nadelst<strong>ich</strong>großen Wunde riechen. Einst hätte m<strong>ich</strong><br />

das wohl gereizt.<br />

Ich kniete m<strong>ich</strong> neben sie, Mike schwebte neben <strong>mir</strong>, wütend über meine Einmischung.<br />

„Bella. Kannst du m<strong>ich</strong> hören?“<br />

„Nein,“ jammerte sie. „Geh weg.“<br />

Die Erle<strong>ich</strong>terung <strong>war</strong> so groß, dass <strong>ich</strong> lachen musste. Es ging ihr gut.<br />

„Ich wollte sie gerade <strong>zu</strong>r Krankenschwester bringen,“ sagte Mike. „Aber sie konnte n<strong>ich</strong>t<br />

mehr weitergehen.“<br />

„Ich mach das. Du kannst <strong>zu</strong>rück in den Unterr<strong>ich</strong>t gehen,“ sagte <strong>ich</strong> abweisend.<br />

Mike schlug seine Zähne aufeinan<strong>der</strong>. „Nein, <strong>ich</strong> soll das machen.“<br />

Ich hatte n<strong>ich</strong>t vor hier herum <strong>zu</strong> stehen und mit <strong>die</strong>sem Kerl <strong>zu</strong> diskutieren.<br />

Erregt und panisch, halb dankbar und halb betrübt von dem Dilemma, das es unumgängl<strong>ich</strong><br />

machte sie <strong>zu</strong> berühren, hob <strong>ich</strong> Bella sanft vom Bürg<strong>erste</strong>ig auf und hielt sie in meinen Armen. Ich<br />

berührte nur ihre Kleidung und versuchte so viel Abstand wie Mögl<strong>ich</strong> zwischen unseren Körper <strong>zu</strong><br />

behalten. In <strong>der</strong>selben Bewegung schritt <strong>ich</strong> vorwärts um so schnell wir mögl<strong>ich</strong> in S<strong>ich</strong>erheit <strong>zu</strong><br />

bringen – mit an<strong>der</strong>en Worten, weiter weg von <strong>mir</strong>.<br />

Erstaunt riss sie <strong>die</strong> Augen auf.<br />

„Lass m<strong>ich</strong> runter,“ befahl sie m<strong>ich</strong> schwacher Stimme – schon wie<strong>der</strong> verlegen, erriet <strong>ich</strong> an<br />

ihrem Ausdruck. Sie mochte es n<strong>ich</strong>t, Schwäche <strong>zu</strong> zeigen.<br />

Ich hörte Mikes lauten Protest hinter uns kaum.<br />

„Du siehst furchtbar aus,“ sagte <strong>ich</strong> ihr und grinste, denn sie <strong>war</strong> vollkommen in Ordnung<br />

abgesehen von einem schwachen Kopf und einem flauen Magen.<br />

„Leg m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> auf den Bürg<strong>erste</strong>ig,“ sagte sie. Ihre Lippen <strong>war</strong>en weiß.<br />

„Du wirst also Ohnmächtig wenn du Blut siehst?“ Konnte es noch ironischer werden?<br />

Sie schloss ihre Augen und presste <strong>die</strong> Lippen <strong>zu</strong>sammen.<br />

„Und n<strong>ich</strong>t mal dein eigenes Blut,“ fügte <strong>ich</strong> hin<strong>zu</strong> und mein grinsen wurde breiter.<br />

Wir <strong>war</strong>en jetzt am Sekretariat. Die Tür <strong>war</strong> einen Spalt geöffnet und <strong>ich</strong> trat sie aus meinem<br />

Weg.


Ms. Cope sprang überrascht auf. „Oh je,“ japste sie als sie das aschfahle Mädchen in meinen<br />

Armen sah.<br />

„Sie ist in Biologie umgekippt,“ erklärte <strong>ich</strong>, bevor sie s<strong>ich</strong> sonst was überlegen konnte.<br />

Ms. Cope beeilte s<strong>ich</strong>, <strong>die</strong> Tür <strong>zu</strong>m Zimmer <strong>der</strong> Krankenschwester <strong>zu</strong> öffnen. Bella hatte ihre<br />

Augen wie<strong>der</strong> geöffnet und beobachtete sie. Ich hörte das innerl<strong>ich</strong>e Erstaunen <strong>der</strong><br />

Krankenschwester als <strong>ich</strong> das Mädchen auf das schmale Bett legte. Sobald <strong>ich</strong> sie abgelegt hatte,<br />

w<strong>ich</strong> <strong>ich</strong> soweit von ihr <strong>zu</strong>rück wie es <strong>der</strong> schmale Raum <strong>zu</strong> ließ. Mein Körper <strong>war</strong> <strong>zu</strong> aufgeregt, <strong>zu</strong><br />

begierig, meine Muskeln angespannt und das Gift floss. Sie <strong>war</strong> so <strong>war</strong>m und wohlriechend.<br />

„Ihr ist nur etwas schwindlig,“ vers<strong>ich</strong>erte <strong>ich</strong> Mrs. Hammond. „Sie bestimmen Blutgruppen<br />

in Biologie.“<br />

Sie nickte v<strong>erste</strong>hend. „Es gibt immer einen.“<br />

Ich unterdrückte ein Lachen. War klar, dass Bella <strong>die</strong>se eine sein würde.<br />

„Leg d<strong>ich</strong> einfach ein bisschen hin, Liebes,“ sagte Mrs. Hammond. „Es geht vorbei.“<br />

„Ich weiß,“ sagte Bella.<br />

„Passiert das öfter?“ fragte <strong>die</strong> Krankenschwester.<br />

„Manchmal,“ gab Bella <strong>zu</strong>.<br />

Ich versuchte mein Lachen als Husten <strong>zu</strong> tarnen.<br />

<strong>Das</strong> erinnerte <strong>die</strong> Krankenschwester daran, dass <strong>ich</strong> auch noch da <strong>war</strong>. „Du kannst jetzt<br />

<strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong>m Unterr<strong>ich</strong>t gehen,“ sagte sie.<br />

Ich sah ihr direkt in <strong>die</strong> Augen und log mit perfekter Überzeugung. „Ich soll bei ihr bleiben.“<br />

Hmm. Ich frage m<strong>ich</strong>… ach naja. Mrs. Hammond nickte.<br />

Es funktionierte wun<strong>der</strong>bar bei ihr. Warum musste Bella so schwierig sein?<br />

„Ich hole dir ein bisschen Eis für deinen Kopf, Liebes,“ sagte <strong>die</strong> Krankenschwester, le<strong>ich</strong>t<br />

irritiert davon <strong>mir</strong> in <strong>die</strong> Augen gesehen <strong>zu</strong> haben – so wie Menschen reagieren sollten – und verließ<br />

den Raum.<br />

„Du hattest recht,“ stöhnte Bella und schloss wie<strong>der</strong> ihre Augen.<br />

Was meinte sie damit? Ich kam <strong>zu</strong>m schlimmsten Ergebnis: sie hatte meine Warnungen<br />

akzeptiert.<br />

„Ich hab meistens recht,“ sagte <strong>ich</strong> und versuchte meine Stimme amüsiert klingen <strong>zu</strong> lassen;<br />

sie klang er sauer. „Aber womit denn genau?“<br />

„Schwänzen ist gesund,“ seufzte sie.<br />

Ah, wie<strong>der</strong> Erle<strong>ich</strong>terung.<br />

Dann <strong>war</strong> sie still. Sie atmete langsam ein und aus. Ihre Lippen wurden langsam wie<strong>der</strong> rosa.<br />

Auf ihren Mund <strong>zu</strong> starren löste seltsame Gefühle in <strong>mir</strong> aus. Ich wollte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr hinbewegen, aber<br />

das <strong>war</strong> keine gute Idee.<br />

„Du hast <strong>mir</strong> vorhin einen ganz schönen Schrecken eingejagt,“ sagte <strong>ich</strong> – um <strong>die</strong><br />

Unterhaltung wie<strong>der</strong> in Gang <strong>zu</strong> setzen, damit <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> ihre Stimme hören konnte. „Ich dachte,<br />

Newton würde deinen toten Körper wegzerren um ihn im Wald <strong>zu</strong> vergraben.“<br />

„Ha ha,“ sagte sie.<br />

„Ehrl<strong>ich</strong> – <strong>ich</strong> hab schon Le<strong>ich</strong>en mit besserer Farbe gesehen.“ <strong>Das</strong> stimmte sogar. „Ich<br />

dachte schon, <strong>ich</strong> müsste deinen Mord rächen.“ Und das hätte <strong>ich</strong> auch getan.<br />

„Der arme Mike,“ seufzte sie. „Ich wette er ist sauer.“<br />

Wurt stieg in <strong>mir</strong> auf, aber <strong>ich</strong> dämmte sie sofort ein. Ihre Sorge <strong>war</strong> s<strong>ich</strong>er nur Mitleid. Sie<br />

<strong>war</strong> gütig. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> alles.<br />

„Er hasst m<strong>ich</strong>,“ sagte <strong>ich</strong> ihr, <strong>die</strong>se Idee brachte m<strong>ich</strong> um jubeln.<br />

„<strong>Das</strong> kannst du n<strong>ich</strong>t wissen.“


„Ich hab sein Ges<strong>ich</strong>t gesehen – Ich kann es wissen.“ Es <strong>war</strong> vermutl<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Wahrheit, dass<br />

sein Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> lesen <strong>mir</strong> genug Informationen gegeben hätte um <strong>die</strong>se Feststellung <strong>zu</strong> machen. Und<br />

<strong>die</strong> ganze Übung mit Bella verbesserte meine Fähigkeit menschl<strong>ich</strong>e Ges<strong>ich</strong>ter <strong>zu</strong> lesen.<br />

„Wie konntest du m<strong>ich</strong> sehen? Ich dachte du schwänzt.“ Ihr Ges<strong>ich</strong>t sah besser aus – <strong>der</strong><br />

grüne Ton <strong>war</strong> aus ihrer transparenten Haut verschwunden.<br />

„Ich saß in meinem Auto und hab Musik gehört.“<br />

Ihr Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>ckte, als hätte meine gewöhnl<strong>ich</strong>e Antwort sie irgendwie überrascht.<br />

Sie öffnete wie<strong>der</strong> ihre Augen als Mrs. Hammond mit dem Eisbeutel <strong>zu</strong>rückkam.<br />

„Hier, Liebes,“ sagte <strong>die</strong> Krankenschwester, während sie Bella das Eis auf <strong>die</strong> Stirn legte. „Du<br />

siehst besser aus.“<br />

„Ich glaube <strong>mir</strong> geht es gut,“ sagte Bella und nahm den Eisbeutel von ihrem Kopf während sie<br />

s<strong>ich</strong> aufsetzte. Natürl<strong>ich</strong>. Sie mochte es n<strong>ich</strong>t, wenn man s<strong>ich</strong> um sie kümmerte.<br />

Mrs. Hammonds faltige Hand flatterte auf Bella <strong>zu</strong>, als wollte sie sie wie<strong>der</strong> runter drücken,<br />

aber in <strong>die</strong>sem Moment öffnete Ms. Cope <strong>die</strong> Tür und beugte s<strong>ich</strong> hinein. Ihr Auftauchen wurde<br />

begleitet von dem Geruch von frischem Blut, nur ein Hauch.<br />

Uns<strong>ich</strong>tbar für m<strong>ich</strong> im Raum hinter ihr, stand Mike Newton, immer noch sehr sauer, und<br />

wünschte s<strong>ich</strong>, <strong>der</strong> schwere Junge den er jetzt hinter s<strong>ich</strong> herzog wäre das Mädchen das mit <strong>mir</strong> hier<br />

drin <strong>war</strong>.<br />

„Wir haben hier noch einen,“ sagte Ms. Cope.<br />

Bella sprang schnell von dem Bett, dankbar aus dem Scheinwerferl<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> sein.<br />

„Hier,“ sagte sie und re<strong>ich</strong>te Mrs. Hammond den Eisbeutel. „Den brauche <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr.“<br />

Mike grunzte als er Lee Stevens halb durch <strong>die</strong> Tür schob. Es sickerte immer noch Blut aus <strong>der</strong><br />

Hand <strong>die</strong> Lee vor sein Ges<strong>ich</strong>t hielt und rann <strong>zu</strong> seinem Handgelenk.<br />

„Oh nein.“ <strong>Das</strong> <strong>war</strong> mein St<strong>ich</strong>wort <strong>zu</strong> gehen – und Bellas auch wie es schien. „Geh raus,<br />

Bella.“<br />

Sie starrte mit verwirrten Augen <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> hoch.<br />

„Vertrau <strong>mir</strong> – geh.“<br />

Sie wirbelte herum, erre<strong>ich</strong>te <strong>die</strong> Tür bevor sie <strong>zu</strong>fiel und eilte hindurch <strong>zu</strong>m Sekretariat. Ich<br />

<strong>war</strong> nur wenige Zentimeter hinter ihr. Ihre wehenden Haare streiften meine Hand…<br />

Sie drehte s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> um, immer noch mit geweiteten Augen.<br />

„Du hast auf m<strong>ich</strong> gehört.“ <strong>Das</strong> <strong>war</strong> das <strong>erste</strong> Mal.<br />

Sie rümpfte ihre kleine Nase. „Ich hab das Blut gerochen.“<br />

Ich starrte sie vollkommen perplex an. „Menschen können kein Blut riechen.“<br />

„Naja, <strong>ich</strong> schon – das ist es wovon <strong>mir</strong> schlecht wird. Es riecht rostig… und salzig.“<br />

Mein Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> gefroren, <strong>ich</strong> starrte sie immer noch an.<br />

Was sie wirkl<strong>ich</strong> ein Mensch? Sie sah menschl<strong>ich</strong> aus. Sie fühlte s<strong>ich</strong> so we<strong>ich</strong> an, wie ein<br />

Mensch. Sie roch menschl<strong>ich</strong> – naja, eigentl<strong>ich</strong> besser. Sie benahm s<strong>ich</strong> menschl<strong>ich</strong>… irgendwie. Aber<br />

sie dachte n<strong>ich</strong>t wie ein Mensch, o<strong>der</strong> reagierte wie einer.<br />

Was gab es sonst noch für Mögl<strong>ich</strong>keiten?<br />

„Was?“ verlangte sie.<br />

„Es ist n<strong>ich</strong>ts.“<br />

Mike Newton unterbrach uns indem er den Raum mit grollenden, brutalen Gedanken betrat.<br />

„Du siehst besser aus,“ sagte er ungehalten <strong>zu</strong> ihr.<br />

Meine Hand <strong>zu</strong>ckte, wollte ihm Manieren beibringen. Ich sollte besser aufpassen, sonst<br />

würde <strong>ich</strong> damit enden <strong>die</strong>sen unausstehl<strong>ich</strong>en Jungen <strong>zu</strong> töten.


„Behalt bloß deine Hand in <strong>der</strong> Tasche,“ sagte sie. Für eine Sekunde dachte <strong>ich</strong> sie redete mit<br />

<strong>mir</strong>.<br />

„Es blutet n<strong>ich</strong>t mehr,“ antwortete er beleidigt. „Kommst du mit <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong>m Unterr<strong>ich</strong>t?“<br />

„Machst du Witze? Da kann <strong>ich</strong> ja direkt hier bleiben.“<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> sehr gut. Ich dachte <strong>ich</strong> würde <strong>die</strong> ganze Stunde mit ihr verpassen und jetzt bekam<br />

<strong>ich</strong> sogar <strong>zu</strong>sätzl<strong>ich</strong>e Zeit. Ich fühlte m<strong>ich</strong> habgierig wie ein Geizhals <strong>der</strong> über jede Minute freute.<br />

„Ja, stimmt wohl…“ murmelte Mike. „Also kommst du <strong>die</strong>ses Wochenende mit? Zum<br />

Strand?“<br />

Ah, sie hatten Pläne. Der Ärger ließ m<strong>ich</strong> erstarren. Es <strong>war</strong> ein Gruppenausflug. Ich hatte<br />

etwas davon in den Köpfen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Schüler gesehen. Es <strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t nur <strong>die</strong> beiden. Ich <strong>war</strong><br />

immer noch wütend. Ich lehnte m<strong>ich</strong> an den Tresen und versuchte <strong>die</strong> Kontrolle <strong>zu</strong> behalten.<br />

„Klar, <strong>ich</strong> hab doch gesagt, dass <strong>ich</strong> dabei bin,“ versprach sie ihm.<br />

Also hatte sie <strong>zu</strong> ihm auch Ja gesagt. Die Eifersucht brannte, schmerzhafter als Durst.<br />

Nein, es <strong>war</strong> nur ein Gruppenausflug, versuchte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> überzeugen. Sie verbrachte den<br />

Tag mit Freunden. N<strong>ich</strong>ts weiter.<br />

„Wir treffen uns am Laden meines Vaters, gegen zehn.“ Und Cullen ist NICHT eingeladen.<br />

„Ich werde da sein,“ sagte sie.<br />

„Wir sehen uns dann in Sport.“<br />

„Ja bis dann,“ antwortete sie.<br />

Er trottete <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> seinem Unterr<strong>ich</strong>t, seine Gedanken voller Zorn. Was sieht sie bloß in<br />

<strong>die</strong>sem Freak? Klar, er ist re<strong>ich</strong>, denke <strong>ich</strong>. Die Mädchen denken er wäre heiß, aber das kann <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

nachvollziehen. Viel <strong>zu</strong>… <strong>zu</strong> perfekt. Ich wette sein Vater experimentiert mit Schönheitsoperationen an<br />

ihnen allen. Deshalb sind sie alle so weiß und schön. <strong>Das</strong> ist n<strong>ich</strong>t normal. Und er sieht irgendwie…<br />

unheiml<strong>ich</strong> aus. Manchmal wenn er m<strong>ich</strong> ansieht, könnte <strong>ich</strong> schwören dass er darüber nachdenkt<br />

m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> töten… Freak…<br />

Mike <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t vollkommen unaufmerksam.<br />

„Sport,“ wie<strong>der</strong>holte Bella leise. Ein Ächzen.<br />

Ich sah <strong>zu</strong> ihr bemerkte, dass wie<strong>der</strong> traurig <strong>war</strong> wegen irgendetwas. Ich <strong>war</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er<br />

weswegen, aber es <strong>war</strong> offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>, dass sie n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> ihrer nächsten Stunde mit Mike gehen wollte<br />

und <strong>ich</strong> <strong>war</strong> absolut für <strong>die</strong>sen Plan.<br />

Ich ging <strong>zu</strong> ihr und lehnte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr hinunter, fühlte wie <strong>die</strong> Wärme ihrer Haut <strong>zu</strong> meinen<br />

Lippen ausstrahlte. Ich durfte n<strong>ich</strong>t atmen.<br />

„Ich kümmere m<strong>ich</strong> darum,“ murmelte <strong>ich</strong>. „Setzt d<strong>ich</strong> da drüben hin und sieh blass aus.“<br />

Sie tat was <strong>ich</strong> sagte, setzte s<strong>ich</strong> auf einen <strong>der</strong> Klappstühle und lehnte ihren Kopf an <strong>die</strong><br />

Wand, während hinter <strong>mir</strong> Ms. Cope aus dem Hinterzimmer kam und <strong>zu</strong> ihrem Schreibtisch ging. Mit<br />

geschlossenen Augen sah Bella so aus, als wäre sie wie<strong>der</strong> ohnmächtig. Ihre Farbe <strong>war</strong> noch n<strong>ich</strong>t<br />

vollständig <strong>zu</strong>rückgekehrt.<br />

Ich drehte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Sekretärin um. Hoffentl<strong>ich</strong> passte Bella gut auf, dachte <strong>ich</strong> hämisch. So<br />

hatte ein Mensch <strong>zu</strong> reagieren.<br />

„Ms. Cope?“ fragte <strong>ich</strong> mit meiner überzeugenden Stimme.<br />

Ihre Augenlie<strong>der</strong> flatterten und ihr Puls beschleunigte. Zu jung, reiß d<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen! „Ja?“<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> interessant. Wenn Shelly Copes Puls schneller ging, lag es daran, dass sie m<strong>ich</strong><br />

attraktiv fand, n<strong>ich</strong>t weil sie angst hatte. Ich <strong>war</strong> an sowas gewöhnt wenn <strong>ich</strong> von menschl<strong>ich</strong>en<br />

Frauen umgeben <strong>war</strong>… dennoch hatte <strong>ich</strong> <strong>die</strong>se Erklärung nie für Bellas rasendes Herz in Betracht<br />

gezogen.


Diese Vorstellung gefiel <strong>mir</strong> sehr viel besser. Zu sehr, ehrl<strong>ich</strong>gesagt. Ich lächelte und Mrs.<br />

Copes Atem wurde lauter.<br />

„Bella hat Sport in <strong>der</strong> nächsten Stunde, aber <strong>ich</strong> glaube n<strong>ich</strong>t dass sie s<strong>ich</strong> schon so<br />

viel besser fühlt. Eigentl<strong>ich</strong> dachte <strong>ich</strong>, es wäre besser, wenn <strong>ich</strong> sie jetzt nach Hause bringe. Glauben<br />

sie sie könnten sie entschuldigen?“ Ich schaute in ihre Augen und genoss das Chaos, das das in ihren<br />

Gedanken verursachte. War es mögl<strong>ich</strong>, dass Bella…?<br />

Mrs. Cope musste laut schlucken bevor sie <strong>mir</strong> antworten konnte. „Brauchst du auch eine<br />

Entschuldigung, Ed<strong>war</strong>d?“<br />

„Nein, <strong>ich</strong> habe Ms. Goff, sie wird es n<strong>ich</strong>t stören.“<br />

Ich beachtete sie n<strong>ich</strong>t weiter. Ich überdachte <strong>die</strong>se neue Mögl<strong>ich</strong>keit.<br />

Hmm. Ich hätte gern geglaubt, dass Bella m<strong>ich</strong> genauso attraktiv fand, wie es an<strong>der</strong>e<br />

Menschen taten, aber wann hatte Bella jemals <strong>die</strong> gle<strong>ich</strong>en Reaktionen wie an<strong>der</strong>e Menschen? Ich<br />

sollte meine Hoffnung n<strong>ich</strong>t aufkeimen lassen.<br />

„Okay, alles klar. Geht’s <strong>die</strong> besser, Bella?“<br />

Bella nickte schwach – ein bisschen <strong>zu</strong> theatralisch.<br />

„Kannst du laufen, o<strong>der</strong> wäre es dir lieber, wenn <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> trage?“ fragte <strong>ich</strong> amüsiert<br />

von ihren schlechten Schauspielkünsten. Ich wusste, dass sie lieber laufen wollte – sie wollte n<strong>ich</strong>t<br />

schwach sein.<br />

„Ich werde laufen,“ sagte sie.<br />

Wie<strong>der</strong> recht gehabt. Ich wurde immer besser darin.<br />

Sie stand auf und zögerte kurz, als ob sie ihr Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>t testen wollte. Ich hielt ihr <strong>die</strong> Tür<br />

auf und wir traten hinaus in den Regen.<br />

Ich beobachtete sie, wie sie ihr Ges<strong>ich</strong>t in den Regen hielt mit geschlossenen Augen und<br />

einem le<strong>ich</strong>ten Lächeln auf den Lippen. Was dachte sie? Irgendetwas an <strong>die</strong>ser Haltung wirkte<br />

seltsam und <strong>ich</strong> erkannte schnell <strong>war</strong>um es <strong>mir</strong> so unbekannt vorkam. Normale menschl<strong>ich</strong>e<br />

Mädchen würden ihr Ges<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t in <strong>die</strong>sen Sprühregen halten; normale menschl<strong>ich</strong>e Mädchen<br />

trugen Make-up, sogar hier an <strong>die</strong>sem nassen Ort.<br />

Bella trug nie Make-up und brauchte es auch n<strong>ich</strong>t. Die Kosmetikindustrie ver<strong>die</strong>nte<br />

Milliarden Dollar im Jahr an Mädchen <strong>die</strong> versuchten so eine Haut <strong>zu</strong> bekommen wie sie.<br />

„Danke,“ sagte sie und lächelte m<strong>ich</strong> an. „Es ist gut wenn einem übel wird, wenn man dafür<br />

Sport schwänzen kann.“<br />

Ich blickte über den Schulhof während <strong>ich</strong> überlegte wie <strong>ich</strong> meine Zeit mit ihr verlängern<br />

konnte. „Je<strong>der</strong>zeit,“ sagte <strong>ich</strong>.<br />

„Also, kommst du auch? Diesen Samstag meine <strong>ich</strong>?“ Sie klang hoffnungsvoll.<br />

Ah, ihre Hoffnung <strong>war</strong> beruhigend. Sie wollte dass <strong>ich</strong> bei ihr bin und n<strong>ich</strong>t Mike Newton. Und<br />

<strong>ich</strong> wollte Ja sagen. Aber da <strong>war</strong>en viele Dinge <strong>die</strong> beachtet werden mussten. Zum einen würde<br />

<strong>die</strong>sen Samstag <strong>die</strong> Sonne scheinen…<br />

„Wo geht ihr denn genau hin?“ Ich versuchte beiläufig <strong>zu</strong> klingen, als ob es m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so sehr<br />

interessieren würde. Mike hatte etwas von Strand gesagt. N<strong>ich</strong>t viele Mögl<strong>ich</strong>keiten <strong>der</strong> Sonne dort<br />

aus<strong>zu</strong>we<strong>ich</strong>en.<br />

„Runter nach La Push, nach First Beach.“<br />

Verdammt. Naja, dann <strong>war</strong> es unmögl<strong>ich</strong>.<br />

Außerdem, Emmett wäre verärgert, wenn <strong>ich</strong> unsere Pläne absagen würde.<br />

Ich blickte <strong>zu</strong> ihr hinunter und lächelte ironisch. „Ich glaube n<strong>ich</strong>t, dass <strong>ich</strong> eingeladen<br />

wurde.“<br />

Sie seufzte, sie hatte bereits aufgegeben. „Ich hab d<strong>ich</strong> gerade eingeladen.“


„Lass uns den armen Mike n<strong>ich</strong>t noch weiter reizen <strong>die</strong>se Woche. Wir wollen doch n<strong>ich</strong>t dass<br />

er zerreißt.“ Ich dachte daran den armen Mike selbst <strong>zu</strong> zerreißen und genoss das Bild in meinem<br />

Kopf.<br />

„Mike-schmike,“ (was soviel heißt wie „Schwuler Lackaffe“ ganz frei übersetzt, aber das hört<br />

s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so schön an ;) ) sagte sie, wie<strong>der</strong> abweisend. Ich lächelte breit.<br />

Und dann ging sie von <strong>mir</strong> weg.<br />

Ohne nach<strong>zu</strong>denken, packte <strong>ich</strong> sie an ihrer Jacke. Mit einem Ruck kam sie <strong>zu</strong>m stehen.<br />

„Was glaubst du wo du hingehst?“ Ich <strong>war</strong> fast sauer darüber, dass sie m<strong>ich</strong> verlassen wollte.<br />

Ich hatte noch n<strong>ich</strong>t genug Zeit mit ihr verbracht. Sie konnte n<strong>ich</strong>t gehen, noch n<strong>ich</strong>t.<br />

„Ich geh nach Hause,“ sagte sie, verblüfft darüber weshalb m<strong>ich</strong> dass stören sollte.<br />

„Hast du n<strong>ich</strong>t gehört, dass <strong>ich</strong> versprochen habe, d<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong>er nach Hause <strong>zu</strong> bringen? Denkst<br />

du <strong>ich</strong> würde d<strong>ich</strong> in deinem Zustand Auto fahren lassen?“ Ich wusste, dass sie das n<strong>ich</strong>t mögen<br />

würde – meine Folgerung ihrer Schwäche. Aber <strong>ich</strong> musste ohnehin für den Seattle-Ausflug üben.<br />

Sehen ob <strong>ich</strong> mit ihrer Nähe klar kam auf engem Raum. <strong>Das</strong> hier <strong>war</strong> eine sehr viel kürzere Fahr.<br />

„Was für ein Zustand?“ verlangte sie. „Und was ist mit meinem Truck?“<br />

„Alice bringt ihn dir nach <strong>der</strong> Schule.“ Ich zog sie <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> meinem Auto, sehr vors<strong>ich</strong>tig, da<br />

<strong>ich</strong> mittlerweile wusste, dass sie schon beim vorwärtsgehen Probleme hatte.<br />

„Lass m<strong>ich</strong> los!“ sagte sie, drehte s<strong>ich</strong> seitwärts und stolperte fast. Ich strecke eine Hand aus<br />

um sie auf<strong>zu</strong>fangen, aber sie fing s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> bevor es nötig <strong>war</strong>. Ich sollte n<strong>ich</strong>t nach Ausreden<br />

suchen um sie <strong>zu</strong> berühren. Ich dachte wie<strong>der</strong> an Mrs. Copes Reaktion auf m<strong>ich</strong>, aber <strong>ich</strong> verschob es<br />

auf später. Da <strong>war</strong> vieles was berücks<strong>ich</strong>tigt werden musste an <strong>die</strong>ser Front.<br />

Neben dem Auto ließ <strong>ich</strong> sie los, und sie stolperte gegen <strong>die</strong> Tür. Ich würde noch vors<strong>ich</strong>tiger<br />

mit ihr umgehen müssen in Anbetracht ihrer Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>tsprobleme…<br />

„Du bist so aufdringl<strong>ich</strong>!“<br />

„Es ist offen.“<br />

Ich stieg auf meiner Seite ein und startete den Wagen. Sie v<strong>erste</strong>ifte s<strong>ich</strong>, immer noch<br />

draußen obwohl <strong>der</strong> Regen stärker wurde und <strong>ich</strong> wusste, dass sie <strong>die</strong> Kälte und <strong>die</strong> Nässe n<strong>ich</strong>t<br />

mochte. Wasser tränke ihre d<strong>ich</strong>ten Haare und ließ sie fast sch<strong>war</strong>z erscheinen.<br />

„Ich bin absolut in <strong>der</strong> Lage, m<strong>ich</strong> selbst nach Hause <strong>zu</strong> fahren.“<br />

Natürl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> sie das – aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage sie gehen <strong>zu</strong> lassen.<br />

Ich ließ das Beifahrerfenster herunter und lehnte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr. „Steig ein Bella.“<br />

Sie verengte ihre Augen und <strong>ich</strong> vermutete, dass sie überlegte ob sie versuchen sollte <strong>zu</strong><br />

ihrem Wagen <strong>zu</strong> rennen.<br />

„Ich hol d<strong>ich</strong> sowieso wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>rück,“ versprach <strong>ich</strong> und genoss ihren verärgerten<br />

Ges<strong>ich</strong>tsausdruck, als sie verstand, dass <strong>ich</strong> es ernst meinte.<br />

Sie reckte ihr Kinn in <strong>die</strong> Luft, öffnete <strong>die</strong> Beifahrertür und stieg ein. Der Regen tropfte von<br />

ihren Haaren auf das Le<strong>der</strong> und ihre Stiefel quietschten.<br />

„<strong>Das</strong> ist vollkommen unnötig,“ sagte sie kühl. Sie sah ein bisschen verlegen aus unter ihrem<br />

Ärger.<br />

Ich machte <strong>die</strong> Hei<strong>zu</strong>ng an, damit sie es n<strong>ich</strong>t unbequem hatte und drehte <strong>die</strong> Musik leiser.<br />

Ich führ R<strong>ich</strong>tung Ausfahrt und beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Sie schob schmollend <strong>die</strong><br />

Unterlippe vor. Während <strong>ich</strong> es beobachtete überlegte <strong>ich</strong> was das für Gefühle in <strong>mir</strong> auslöste…<br />

dachte dabei wie<strong>der</strong> an <strong>die</strong> Reaktion <strong>der</strong> Sekretärin…<br />

Plötzl<strong>ich</strong> sah sie <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Anlage und lächelte, ihre Augen geweitet. „Claire de Lune?“ fragte sie.<br />

Ein Klassik-Fan? „Du kennst Debussy?“


„N<strong>ich</strong>t gut,“ sagte sie. „Meine Mutter hört gern klassische Musik <strong>zu</strong> Hause – <strong>ich</strong> kenne nur<br />

meine Lieblingsstücke.“<br />

„<strong>Das</strong> ist auch eins meiner Lieblingsstücke.“ Ich starrte nachdenkl<strong>ich</strong> in den Regen. Ich hatte<br />

tatsächl<strong>ich</strong> etwas mit ihr gemeinsam. Dabei hatte <strong>ich</strong> gerade angefangen <strong>zu</strong> denken, wir wären das<br />

genaue Gegenteil in je<strong>der</strong> Hins<strong>ich</strong>t.<br />

Sie wirkte jetzt entspannter und starrte, wie <strong>ich</strong>, in den Regen ohne etwas <strong>zu</strong> sehen. Ich<br />

nutze ihre Ablenkung um mit meiner Atmung <strong>zu</strong> experimentieren.<br />

Ich atmete vors<strong>ich</strong>tig durch <strong>die</strong> Nase ein.<br />

Gewaltig.<br />

Ich klammerte m<strong>ich</strong> an das Lenkrad. Der Regen hatte ihren Duft noch verbessert. Ich hätte<br />

n<strong>ich</strong>t gedacht, dass das mögl<strong>ich</strong> wäre. Dummerweise stellte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> jetzt vor, wie sie wohl schmecken<br />

würde<br />

Ich versuchte gegen das Feuer in meiner Kehle an <strong>zu</strong> schlucken und an etwas an<strong>der</strong>es <strong>zu</strong><br />

denken.<br />

„Wie ist deine Mutter so?“ fragte <strong>ich</strong> um m<strong>ich</strong> ab<strong>zu</strong>lenken.<br />

Bella lächelte. „Sie sieht genauso aus wie <strong>ich</strong>, nur hübscher.“<br />

<strong>Das</strong> bezweifelte <strong>ich</strong>.<br />

„Ich hab <strong>zu</strong> viel von Charlie in <strong>mir</strong>,“ sprach sie weiter. „Sie ist aufgeschlossener als <strong>ich</strong> und<br />

mutiger.“<br />

<strong>Das</strong> bezweifelte <strong>ich</strong> auch.<br />

„Sie ist unverantwortl<strong>ich</strong> und ein bisschen exzentrisch und sie ist eine sehr unvorhersehbare<br />

Köchin. Sie ist meine beste Freundin.“ Ihre Stimme wurde melancholisch; sie runzelte <strong>die</strong> Stirn.<br />

Wie<strong>der</strong> klang sie mehr wie ein Elternteil als ein Kind.<br />

Ich hielt vor ihrem Haus und fragte m<strong>ich</strong> viel <strong>zu</strong> spät ob <strong>ich</strong> überhaupt wissen durfte wo sie<br />

wohnt. Nein, das wäre n<strong>ich</strong>ts Ungewöhnl<strong>ich</strong>es in so einer kleinen Stadt, mit ihrem Vater als Person<br />

<strong>der</strong> Öffentl<strong>ich</strong>keit…<br />

„Wie alt bist du, Bella?“ Sie musste älter sein, als sie aussah. Vielle<strong>ich</strong>t kam sie erst spät in <strong>die</strong><br />

Schule, o<strong>der</strong> ist sitzengeblieben… das schien eher unwahrscheinl<strong>ich</strong>.<br />

„Ich bin siebzehn,“ antwortete sie.<br />

„Du wirkst n<strong>ich</strong>t wie siebzehn.“<br />

Sie lachte.<br />

„Was?“<br />

„Meine Mutter sagt immer, <strong>ich</strong> bin mit fünfunddreißig geboren worden und dass <strong>ich</strong> immer<br />

älter werde.“ Sie lachte wie<strong>der</strong> und dann seufzte sie. „Naja, irgendeine muss ja <strong>die</strong> erwachsene sein.“<br />

<strong>Das</strong> machte einiges klarer. Ich verstand jetzt… wie <strong>die</strong> unverantwortl<strong>ich</strong>e Mutter Bellas Reife<br />

erklärte. Sie musste früh erwachsen werden um <strong>die</strong> Verantwortung <strong>zu</strong> übernehmen. Deshalb mochte<br />

sie es n<strong>ich</strong>t, wenn man s<strong>ich</strong> um sie kümmerte – sie dachte, das wäre ihr Job.<br />

„Du wirkst aber auch n<strong>ich</strong>t wie ein normaler High School Schüler,“ sagte sie und riss m<strong>ich</strong> aus<br />

meiner Träumerei.<br />

Ich verzog das Ges<strong>ich</strong>t. Jedesmal wenn <strong>ich</strong> etwas an ihre bemerkte, bemerkte sie <strong>zu</strong> viel an<br />

<strong>mir</strong>. Ich wechselte das Thema.<br />

„Also, <strong>war</strong>um hat deine Mutter Phil geheiratet?“<br />

Sie zögerte eine Minute bevor sie antwortete. „Meine Mutter… sie ist sehr jung für ihr Alter.<br />

Ich glaube bei Phil fühlt sie s<strong>ich</strong> noch jünger. Sie ist verrückt nach ihm.“ Sie schüttelte nachs<strong>ich</strong>tig den<br />

Kopf.<br />

„Akzeptierst du ihn?“ wun<strong>der</strong>te <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong>.


„Spielt das eine Rolle?“ fragte sie. „Ich möchte, dass sie glückl<strong>ich</strong> ist… und er ist es, den sie<br />

will.“<br />

Die Selbstlosigkeit <strong>die</strong>ses Kommentars hätte m<strong>ich</strong> verwun<strong>der</strong>t, wenn es n<strong>ich</strong>t so perfekt <strong>zu</strong><br />

dem gepasst hätte, was <strong>ich</strong> bisher über ihren Charakter herausgefunden hatte.<br />

„<strong>Das</strong> ist sehr großzügig… <strong>ich</strong> frag m<strong>ich</strong>…“<br />

„Was?“<br />

„Wäre sie dir gegenüber auch so großzügig, was meinst du? Egal auf wen deine Wahl fallen<br />

würde?“<br />

Es <strong>war</strong> eine dumme Frage und <strong>ich</strong> schaffte es n<strong>ich</strong>t meine Stimme lässig klingen <strong>zu</strong> lassen, als<br />

<strong>ich</strong> sie stellte. Wie däml<strong>ich</strong> von <strong>mir</strong> überhaupt darüber nach<strong>zu</strong>denke, jemand könnte m<strong>ich</strong> für seine<br />

Tochter akzeptieren. Wie däml<strong>ich</strong> von <strong>mir</strong> überhaupt nur <strong>zu</strong> denken, Bella könnte m<strong>ich</strong> wählen.<br />

„Ich – <strong>ich</strong> denke schon,“ stammelte sie als Reaktion auf meinen <strong>Blick</strong>. Angst… o<strong>der</strong><br />

Anziehung?<br />

„Aber sie ist immer noch meine Mutter. <strong>Das</strong> ist ein bisschen was an<strong>der</strong>es,“ schloss sie.<br />

Ich lächelte ironisch. „Also niemand all<strong>zu</strong> unheiml<strong>ich</strong>es.“<br />

Sie grinste m<strong>ich</strong> an. „Was meinst du mit unheiml<strong>ich</strong>? Haufenweise Piercings im Ges<strong>ich</strong>t und<br />

Tattoos am ganzen Körper?“<br />

„<strong>Das</strong> wäre auch eine Definition, denke <strong>ich</strong>.“ Eine sehr harmlose Definition in meinen Augen.<br />

„Was wäre deine Definition?“<br />

Sie stellte immer <strong>die</strong> falschen Fragen. O<strong>der</strong> vielle<strong>ich</strong>t genau <strong>die</strong> r<strong>ich</strong>tigen Fragen. Die Fragen<br />

<strong>die</strong> <strong>ich</strong> auf keinen Fall beantworten wollte.<br />

„Glaubst du, <strong>ich</strong> könnte unheiml<strong>ich</strong> sein?“ fragte <strong>ich</strong> sie und versuchte ein bisschen <strong>zu</strong><br />

lächeln.<br />

Sie dachte kurz darüber nach bevor sie <strong>mir</strong> mit ernster Stimme antwortete. „Hmm… Ich<br />

denke du könntest unheiml<strong>ich</strong> sein, wenn du wolltest.“<br />

Ich <strong>war</strong> jetzt auch ernst. „Hast du jetzt angst vor <strong>mir</strong>?“<br />

Sie antwortet sofort, ohne darüber nach<strong>zu</strong>denken. „Nein.“<br />

Ich lächelte wie<strong>der</strong>. Ich glaube n<strong>ich</strong>t, dass sie <strong>die</strong> ganze Wahrheit sagte, aber sie log auch<br />

n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong>. Sie hatte immerhin n<strong>ich</strong>t genug Angst um wegrennen <strong>zu</strong> wollen. Ich fragte m<strong>ich</strong>, wie<br />

sie s<strong>ich</strong> wohl fühlte wenn <strong>ich</strong> ihr sagte, dass sie <strong>die</strong>se Unterhaltung mit einem Vampir führte. Ich<br />

<strong>zu</strong>ckte instinktiv <strong>zu</strong>sammen, als <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> ihre Reaktion vorstellte.<br />

„Also, erzählst du <strong>mir</strong> jetzt etwas über deine Familie? <strong>Das</strong> ist bestimmt eine viel<br />

interessantere Gesch<strong>ich</strong>te als meine.“<br />

Eine unheiml<strong>ich</strong>ere auf jeden Fall.<br />

„Was möchtest du denn wissen?“ fragte <strong>ich</strong> vors<strong>ich</strong>tig.<br />

„Die Cullens haben <strong>die</strong> adoptiert?“<br />

„Ja.“<br />

Sie zögerte und fragte dann kleinlaut. „Was ist mit deinen Eltern passiert?“<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t so schwer; Ich würde n<strong>ich</strong>t mal lügen müssen. „Sie sind vor langer Zeit<br />

gestorben.“<br />

„<strong>Das</strong> tut <strong>mir</strong> leid,“ murmelte sie, offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> besorgt, sie könnte m<strong>ich</strong> verletzt haben.<br />

Sie machte s<strong>ich</strong> Sorgen um m<strong>ich</strong>.<br />

„Ich erinnere m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr so genau an sie,“ vers<strong>ich</strong>erte <strong>ich</strong> ihr. „Carlisle und Esme sind<br />

schon lange meine Eltern.“<br />

„Und du liebst sie,“ stellte sie fest.<br />

Ich lächelte. „Ja. Ich könnte <strong>mir</strong> keine besseren Menschen vorstellen.“


„Du hast Glück.“<br />

„Ja, das weiß <strong>ich</strong>.“ Unter <strong>die</strong>sen Umständen, was Eltern angeht, konnte man mein Glück n<strong>ich</strong>t<br />

abstreiten.<br />

„Und deine Brü<strong>der</strong> und Schwestern?“<br />

Wenn <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>ließ dass sie nach mehr Details fragte würde <strong>ich</strong> lügen müssen. Ich schielte auf<br />

<strong>die</strong> Uhr, entmutigt stellte <strong>ich</strong> fest, dass meine Zeit mit ihr um <strong>war</strong>.<br />

„Mein Bru<strong>der</strong> und meine Schwester und Jasper und Rosalie, werden ganz schön sauer auf<br />

m<strong>ich</strong> sein, wenn <strong>ich</strong> sie im Regen stehen lasse.“<br />

„Oh, tut <strong>mir</strong> leid. Ich halte d<strong>ich</strong> auf.“<br />

Sie rührte s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Sie wollte auch n<strong>ich</strong>t, dass unsere Zeit schon um <strong>war</strong>. <strong>Das</strong> gefiel <strong>mir</strong><br />

sehr, sehr gut.<br />

„Und wahrscheinl<strong>ich</strong> möchtest du deinen Truck wie<strong>der</strong> haben bevor Chief Swan nach Hause<br />

kommt, damit du ihm n<strong>ich</strong>ts von dem Unfall in Biologie erzählen musst.“ Bei <strong>der</strong> Erinnerung an ihre<br />

Verlegenheit in meinen Armen musste <strong>ich</strong> grinsen.<br />

„Ich bin <strong>mir</strong> s<strong>ich</strong>er, dass er es längst gehört hat. Es gibt keine Geheimnisse in Forks.“ Sie sagte<br />

den Namen <strong>der</strong> Stadt mit ausgeprägtem Missfallen.<br />

Bei ihren Worten musste <strong>ich</strong> lachen. Keine Geheimnisse, allerdings. „Viel Spaß am Strand.“<br />

Ich blickte in den strömenden Regen, wohlwissend, dass er n<strong>ich</strong>t anhalten würde und wünschte <strong>mir</strong><br />

stärker als sonst, dass er es doch tun würde. „Gutes Wetter <strong>zu</strong>m Sonnenbaden.“ Naja, am Samstag<br />

würde es das sein. Sie wird das genießen.<br />

„Sehen wir uns morgen n<strong>ich</strong>t?“<br />

Die Sorge in ihrer Stimme gefiel <strong>mir</strong>.<br />

„Nein. Emmett und <strong>ich</strong> starten das Wochenende etwas früher.“ Ich verfluchte m<strong>ich</strong> dafür,<br />

dass <strong>ich</strong> <strong>die</strong>se Pläne gemacht hatte. Ich könnte sie absagen… aber es gab jetzt n<strong>ich</strong>ts W<strong>ich</strong>tigeres als<br />

<strong>zu</strong> jagen und meine Familie würde von meinem Benehmen schon beunruhigt genug sein ohne dass<br />

<strong>ich</strong> enthüllte wie besessen <strong>ich</strong> bereits <strong>war</strong>.<br />

„Was habt ihr vor?“ fragte sie. Sie klang n<strong>ich</strong>t glückl<strong>ich</strong> über meine Antwort.<br />

Gut.<br />

„Wir gehen campen in <strong>der</strong> Goat Rocks Wildnis, südl<strong>ich</strong> von Rainier.“ Emmett <strong>war</strong> begierig auf<br />

<strong>die</strong> Bären Saison.<br />

„Oh, naja, viel Spaß,“ sagte sie halbherzig. <strong>Das</strong> gefiel <strong>mir</strong> auch.<br />

Als <strong>ich</strong> sie so ansah, quälte m<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Vorstellung auch nur zeitweise auf Wie<strong>der</strong>sehen sagen<br />

<strong>zu</strong> müssen. Sie <strong>war</strong> so we<strong>ich</strong> und zerbrechl<strong>ich</strong>. Es wirkte le<strong>ich</strong>tsinnig sie aus den Augen <strong>zu</strong> lassen, wo<br />

ihr so viel <strong>zu</strong>stoßen konnte. Und trotzdem, das schlimmste was ihr passieren konnte, <strong>war</strong> mit <strong>mir</strong><br />

<strong>zu</strong>sammen <strong>zu</strong> sein.<br />

„Könntest du <strong>mir</strong> <strong>die</strong>ses Wochenende einen Gefallen tun?“ fragte <strong>ich</strong> ernst.<br />

Sie nickte, ihre Augen groß und verwirrt von meinem drängen.<br />

Geh es langsam an.<br />

„Seih n<strong>ich</strong>t sauer, aber du scheinst jemand <strong>zu</strong> sein, <strong>der</strong> Gefahren magnetisch anzieht. Also…<br />

versuch n<strong>ich</strong>t ins Meer <strong>zu</strong> fallen o<strong>der</strong> d<strong>ich</strong> überfahren <strong>zu</strong> lassen o<strong>der</strong> so etwas, in Ordnung?“<br />

Ich lächelte sie reumütig an und hoffte sie würde <strong>die</strong> Trauer in meinem <strong>Blick</strong> n<strong>ich</strong>t sehen. Wie<br />

sehr <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> wünschte, dass es n<strong>ich</strong>t so viel besser für sie <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t in meiner Nähe <strong>zu</strong> sein, egal was<br />

ihr dort passieren konnte.<br />

Lauf, Bella, lauf. Ich liebe d<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sehr für dein eigenes Wohl o<strong>der</strong> meins.


Sie <strong>war</strong> verärgert über meine Neckerei. Sie <strong>war</strong>f <strong>mir</strong> einen finsteren <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong>. „Ich werd sehen,<br />

was s<strong>ich</strong> machen lässt,“ schnappte sie, bevor sie aus dem Wagen in den Regen sprang und <strong>die</strong> Tür<br />

hinter s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>schlug so fest sie konnte.<br />

Genau wie ein wütendes Kätzchen das denkt es seih ein Tiger.<br />

Ich schloss meine Finger um den Schlüssel, den <strong>ich</strong> ihr gerade aus <strong>der</strong> Tasche gezogen hatte<br />

und lächelte als <strong>ich</strong> davonfuhr.


6. Melo<strong>die</strong><br />

Ich musste <strong>war</strong>ten als <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>r Schule <strong>zu</strong>rückkam. Die letzte Stunde <strong>war</strong> noch n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> Ende. <strong>Das</strong> <strong>war</strong><br />

gut, denn <strong>ich</strong> musste über einiges nachdenken und brauchte etwas Zeit für m<strong>ich</strong>.<br />

Ihr Duft lag noch immer im Auto. Ich hielt <strong>die</strong> Fenster geschlossen um ihn auf m<strong>ich</strong><br />

einstürmen <strong>zu</strong> lassen, versuchte m<strong>ich</strong> an das Gefühl <strong>zu</strong> gewöhnen meine Kehle abs<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong><br />

ab<strong>zu</strong>fackeln.<br />

Anziehung.<br />

Es <strong>war</strong> kompliziert darüber nach<strong>zu</strong>denken. So viele Seiten, so viele Bedeutungen und Ebenen.<br />

N<strong>ich</strong>t das gle<strong>ich</strong>e wie Liebe, aber unauswe<strong>ich</strong>l<strong>ich</strong> damit verbunden.<br />

Ich hatte keine Ahnung, ob s<strong>ich</strong> Bella von <strong>mir</strong> angezogen fühlte. (Würde ihre mentale Stille<br />

m<strong>ich</strong> immer weiter frustrieren bis <strong>ich</strong> irgendwann verrückt werden würde? O<strong>der</strong> gab es da eine<br />

Grenze, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> eventuell erre<strong>ich</strong>en konnte?)<br />

Ich versuchte ihre physischen Reaktionen mit denen von an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong> vergle<strong>ich</strong>en, wie <strong>die</strong> <strong>der</strong><br />

Sekretärin o<strong>der</strong> Jessica Stanley, aber <strong>die</strong> Vergle<strong>ich</strong>e <strong>war</strong>en ergebnislos. Dieselben Anze<strong>ich</strong>en –<br />

Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Herzfrequenz und Atemrhythmus – konnten genauso gut Angst o<strong>der</strong> Schock o<strong>der</strong><br />

Wut bedeuten genau wie Interesse. Es schien undenkbar, dass Bella <strong>die</strong> gle<strong>ich</strong>en Gedanken hegte wie<br />

Jessica Stanley. Außerdem wusste Bella ganz genau, dass mit <strong>mir</strong> etwas n<strong>ich</strong>t stimmte, auch wenn sie<br />

n<strong>ich</strong>t wusste, was es <strong>war</strong>. Sie hatte meine eisige Haut berührt und ihre Hand <strong>zu</strong>rückgerissen wegen<br />

<strong>der</strong> Kälte.<br />

Und dennoch… als <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> an <strong>die</strong>se Fantasien Erinnerte <strong>die</strong> m<strong>ich</strong> so <strong>zu</strong>rückschrecken ließen,<br />

aber mit Bella an Jessicas Stelle…<br />

Ich atmete schneller, das Feuer kletterte meine Kehle rauf und runter.<br />

Was wenn es Bella gewesen wäre, <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> vorgestellt hatte, wie <strong>ich</strong> meine Arme um ihren<br />

zerbrechl<strong>ich</strong>en Körper legte? Fühlte wie <strong>ich</strong> sie enger an meine Brust zog und meine Hand unter ihr<br />

Kinn legte? Den schweren Vorhang ihrer Haare aus ihrem geröteten Ges<strong>ich</strong>t kämmte? Mit meinen<br />

Fingerspitzen <strong>die</strong> Konturen ihrer vollen Lippen nachfuhr? Mein Ges<strong>ich</strong>t näher <strong>zu</strong> ihrem lehnte, wo <strong>ich</strong><br />

<strong>die</strong> Hitze ihres Atems auf meinem Mund spüren konnte? Immer nähre kommend…<br />

Aber dann <strong>zu</strong>ckte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rück aus <strong>die</strong>sem Tagtraum, wohlwissend, was <strong>ich</strong> schon wusste als<br />

Jessica s<strong>ich</strong> <strong>die</strong>se Dinge vorgestellt hatte, was passieren würde, wenn <strong>ich</strong> ihr so nah kam.<br />

Anziehung <strong>war</strong> ein unmögl<strong>ich</strong>es Dilemma, denn <strong>ich</strong> wurde bereits auf <strong>die</strong> schlimmste Art und<br />

Weise von Bella angezogen.<br />

Wollte <strong>ich</strong> dass s<strong>ich</strong> Bella von <strong>mir</strong> angezogen fühlte, eine Frau <strong>zu</strong> einem Mann?<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> <strong>die</strong> falsche Frage. Die r<strong>ich</strong>tige Frage <strong>war</strong>, sollte <strong>ich</strong> wollen, dass Bella s<strong>ich</strong> von <strong>mir</strong> auf<br />

<strong>die</strong>se Art und Weise angezogen fühlte, und <strong>die</strong> Antwort <strong>war</strong> nein. Denn <strong>ich</strong> <strong>war</strong> kein menschl<strong>ich</strong>er<br />

Mann und das <strong>war</strong> ihr gegenüber n<strong>ich</strong>t fair.<br />

Mit je<strong>der</strong> Faser meiner Existenz sehnte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> danach ein normaler Mann <strong>zu</strong> sein, damit <strong>ich</strong><br />

sie in meinen Armen halten konnte ohne ihr Leben <strong>zu</strong> gefährden. Damit <strong>ich</strong> meine eigenen Fantasien<br />

spinnen konnte, Fantasien <strong>die</strong> n<strong>ich</strong>t mit ihrem Blut an meinen Händen endeten, ihrem Blut glühend<br />

in meinen Augen.


Mein Streben nach ihr <strong>war</strong> unvertretbar. Was für eine Art von Beziehung konnte <strong>ich</strong> ihr<br />

bieten, wenn <strong>ich</strong> es n<strong>ich</strong>t riskieren konnte, sie <strong>zu</strong> berühren?<br />

Ich senkte meinen Kopf in meine Hände.<br />

Es <strong>war</strong> alles noch viel verwirren<strong>der</strong>, weil <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> in meinem ganzen Leben noch nie so<br />

menschl<strong>ich</strong> gefühlt hatte – n<strong>ich</strong>t mal als <strong>ich</strong> noch menschl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>, soweit <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> erinnern konnte.<br />

Als <strong>ich</strong> ein Mensch <strong>war</strong> drehten s<strong>ich</strong> all meine Gedanken um <strong>die</strong> Soldatenehre. Der Große Krieg<br />

wütete <strong>die</strong> meiste Zeit meiner Jugend und <strong>ich</strong> <strong>war</strong> nur neun Monate von meinem achtzehnten<br />

Geburtstag entfernt als <strong>die</strong> Grippe ausbrach… Ich hatte nur vage Erinnerungen an <strong>die</strong>se<br />

menschl<strong>ich</strong>en Jahre, dunkle Erinnerungen <strong>die</strong> mit jedem Jahrzehnt weiter verblassten. An meine<br />

Mutter erinnerte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> noch am deutl<strong>ich</strong>sten, <strong>ich</strong> fühlte einen uralten Schmerz wenn <strong>ich</strong> an ihr<br />

Ges<strong>ich</strong>t dachte. Ich erinnerte m<strong>ich</strong> schwach daran wie sehr sie <strong>die</strong> Zukunft hasste von <strong>der</strong> <strong>ich</strong> kaum<br />

er<strong>war</strong>ten konnte, dass sie endl<strong>ich</strong> eintrat. Ich betete jede Nacht dafür während sie beim Tischgebet<br />

darum bat, dass <strong>der</strong> „schreckl<strong>ich</strong>e Krieg“ bald enden möge… Ich hatte keine Erinnerung an eine<br />

an<strong>der</strong>e Art von Verlangen. Abgesehen von <strong>der</strong> Liebe meiner Mutter, gab es keine an<strong>der</strong>e Liebe <strong>die</strong><br />

m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>m bleiben bewegt hätte…<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> alles absolut neu für m<strong>ich</strong>. Ich konnte keine Parallelen ziehen, keine Vergle<strong>ich</strong>e<br />

<strong>erste</strong>llen.<br />

Die Liebe <strong>die</strong> <strong>ich</strong> für Bella empfand <strong>war</strong> rein, aber jetzt <strong>war</strong>en <strong>die</strong> Gewässer trübe. Ich wollte<br />

so sehr in <strong>der</strong> Lage sein sie <strong>zu</strong> berühren. Fühlte sie genauso wie <strong>ich</strong>?<br />

<strong>Das</strong> wäre egal, versuchte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> überzeugen.<br />

Ich starrte auf meine weißen Hände, hasste ihre Härte, ihre Kälte, ihre übermenschl<strong>ich</strong>e<br />

Kraft…<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte vor Schreck <strong>zu</strong>sammen als s<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Beifahrertür öffnete.<br />

Ha. Ich hab d<strong>ich</strong> überrascht. Es gibt immer ein <strong>erste</strong>s Mal, dachte Emmett als er auf den<br />

Beifahrersitz glitt. „Ich wetter Mrs. Goff denkt du nimmst Drogen, du <strong>war</strong>st so fahrig in letzter Zeit.<br />

Wo <strong>war</strong>st du heute?“<br />

„Ich hab… eine gute Tat vollbracht.“<br />

Häh?<br />

Ich k<strong>ich</strong>erte. „M<strong>ich</strong> um <strong>die</strong> Kranken gekümmert, sowas in <strong>der</strong> Art.“<br />

<strong>Das</strong> verwirrte ihn noch mehr, aber dann atmete er ein und bemerkte den Duft im Auto.<br />

„Oh. Schon wie<strong>der</strong> <strong>die</strong>ses Mädchen?“<br />

Ich verzog das Ges<strong>ich</strong>t.<br />

<strong>Das</strong> wird langsam komisch.<br />

„Erzähl <strong>mir</strong> davon,“ murmelte <strong>ich</strong>.<br />

Er atmete wie<strong>der</strong> ein. „Hmm, sie hat schon einen beson<strong>der</strong>en Duft, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>?“<br />

<strong>Das</strong> Knurren brach zwischen meinen Lippen hervor bevor er <strong>die</strong> Worte <strong>zu</strong> ende gesprochen<br />

hatte, eine automatische Reaktion.<br />

„Ganz ruhig, Junge, <strong>ich</strong> sag’s doch nur.“<br />

Dann kamen <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en. Rosalie bemerkte den Duft sofort und <strong>war</strong>f <strong>mir</strong> einen finsteren<br />

<strong>Blick</strong> <strong>zu</strong>, sie <strong>war</strong> immer noch n<strong>ich</strong>t über ihren Ärger hinweg. Ich fragte m<strong>ich</strong>, was ihr Problem <strong>war</strong>,<br />

aber alles was <strong>ich</strong> von ihr hören konnte <strong>war</strong>en Beschimpfungen.<br />

Ich mochte auch Jaspers Reaktion n<strong>ich</strong>t. Wie Emmett bemerkte er Bellas Anwesenheit. N<strong>ich</strong>t<br />

dass <strong>der</strong> Duft für einen von ihnen auch nur ein tausendstel des Vor<strong>zu</strong>gs hatte wie für m<strong>ich</strong>. Aber es<br />

ärgerte m<strong>ich</strong> trotzdem, dass ihr Blut süß für sie <strong>war</strong>. Jasper hatte s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gut unter Kontrolle…<br />

Alice kam <strong>zu</strong> meiner Seite des Wagens und streckte ihre Hand nach Bellas Autoschlüssel aus.


„Ich hab nur gesehen, dass <strong>ich</strong> es tun würde,“ sagte sie – verschleiert, wie es ihre<br />

Angewohnheit <strong>war</strong>. „Du musst <strong>mir</strong> das Warum erklären.“<br />

„<strong>Das</strong> bedeutet n<strong>ich</strong>t…“<br />

„Ich weiß, <strong>ich</strong> weiß. Ich werde <strong>war</strong>ten. Es wird n<strong>ich</strong>t mehr lange dauern.“<br />

Ich seufzte und gab ihr den Schlüssel.<br />

Ich folgte ihr <strong>zu</strong> Bellas Haus. Der Regen fiel herab wie millionen kleiner Hämmer, so laut dass<br />

Bellas menschl<strong>ich</strong>e Ohren, das Donnern ihres Trucks vielle<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t hören konnten. Ich beobachtete<br />

ihre Fenster aber sie kam n<strong>ich</strong>t um hinaus<strong>zu</strong>sehen. Vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> sie n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> Hause. Da <strong>war</strong>en keine<br />

Gedanken <strong>zu</strong> hören.<br />

Es machte m<strong>ich</strong> traurig, dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mal genug hören konnte um nach ihr <strong>zu</strong> sehen – um<br />

s<strong>ich</strong>er <strong>zu</strong> gehen, dass sie glückl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>, o<strong>der</strong> wenigstens s<strong>ich</strong>er.<br />

Alice kletterte auf den Rücksitz und wir rasten nach Hause. Die Straßen <strong>war</strong>en leer, also<br />

dauerte es nur ein paar Minuten. Wir strömten ins Haus und je<strong>der</strong> ging seinem Zeitvertreib nach.<br />

Emmett und Jasper <strong>war</strong>en in <strong>der</strong> Mitte eines raffinierten Schachspiels, mit acht<br />

Schachbrettern – ausgebreitet vor <strong>der</strong> riesigen Glasfront – und ihren eigenen komplizierten Regeln.<br />

Sie würden m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t spielen lassen; nur Alice spielte noch Spiele mit <strong>mir</strong>.<br />

Alice ging <strong>zu</strong> ihrem Computer <strong>der</strong> bei ihnen um <strong>die</strong> Ecke stand und <strong>ich</strong> hörte wie <strong>die</strong><br />

Monitore <strong>zu</strong> flimmern begannen. Alice arbeitete an einem Modedesign Programm für Rosalies<br />

Klei<strong>der</strong>schrank, aber Rosalie begleitet sie heute n<strong>ich</strong>t um hinter ihr <strong>zu</strong> stehen und Schnitt und Farbe<br />

<strong>zu</strong> diktieren während Alices Hand über den Touchscreen huschte (Carlisle und <strong>ich</strong> mussten das<br />

System ein wenig ausbessern, da <strong>die</strong> meisten Touchscreens auf Temperaturen reagierten).<br />

Stattdessen fläzte sie s<strong>ich</strong> heute auf das Sofa und zappte durch zwanzig Kanäle pro Sekunde ohne<br />

Pause. Ich konnte hören wie sie darüber nachdachte, ob sie in <strong>die</strong> Garage gehen und ihren BMW<br />

erneut tunen sollte.<br />

Esme <strong>war</strong> oben und grübelte über ein paar neuen Blaupausen.<br />

Alice lehnte s<strong>ich</strong> um <strong>die</strong> Ecke und fing an Emmetts nächste Züge für Jasper mit dem Mund <strong>zu</strong><br />

formen – Emmett saß auf dem Boden mit dem Rücken <strong>zu</strong> ihr – <strong>der</strong> seinen Ges<strong>ich</strong>tsausdruck n<strong>ich</strong>t<br />

verän<strong>der</strong>te als er Emmetts besten Läufer vom Brett kickte.<br />

Und <strong>ich</strong>, das <strong>erste</strong> mal seit so langer Zeit, dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> schämte, setzte m<strong>ich</strong> an das erlesene<br />

prachtvolle Piano, dass direkt am Eingang stand.<br />

Behutsam arbeitete <strong>ich</strong> mit meinen Fingern <strong>die</strong> Tonleiter ab um <strong>die</strong> Tonlage <strong>zu</strong> testen. Es <strong>war</strong><br />

immer noch perfekt gestimmt.<br />

Oben hielt Esme inne mit dem was sie tat und legte ihren Kopf <strong>zu</strong>r Seite.<br />

Ich begann <strong>die</strong> <strong>erste</strong> Reihe <strong>der</strong> Melo<strong>die</strong> <strong>zu</strong> spielen, <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> <strong>mir</strong> selbst heute im Auto<br />

eingeflüstert hatte, erfreut darüber dass sie s<strong>ich</strong> sogar noch besser anhörte als <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> vorgestellt<br />

hatte.<br />

Ed<strong>war</strong>d spielt wie<strong>der</strong>, dachte Esme überglückl<strong>ich</strong>, ein strahlendes Lächeln auf ihrem Ges<strong>ich</strong>t.<br />

Sie stand von ihrem Schreibtisch auf und glitt leise <strong>zu</strong>m Treppenabsatz.<br />

Ich fügte eine Harmonie hin<strong>zu</strong> und ließ <strong>die</strong> zentrale Melo<strong>die</strong> hindurch weben.<br />

Esme seufzte <strong>zu</strong>frieden, setzte s<strong>ich</strong> auf <strong>die</strong> ob<strong>erste</strong> Stufe und lehnte ihren Kopf an das<br />

Gelän<strong>der</strong>. Ein neues Stück. Es ist so lange her. Was für eine liebl<strong>ich</strong>e Melo<strong>die</strong>.<br />

Ich ließ <strong>die</strong> Melo<strong>die</strong> eine neue R<strong>ich</strong>tung einschlagen, folgte ihr mit <strong>der</strong> Basslinie.<br />

Ed<strong>war</strong>d komponiert wie<strong>der</strong>? Dachte Rosalie und ihre Zähne schlugen in grimmiger<br />

Verbitterung aufeinan<strong>der</strong>.


In <strong>die</strong>sem Moment hatte <strong>ich</strong> einen kurzen Einblick in ihre grundlegende Empörung. Ich sah<br />

<strong>war</strong>um sie so schlecht auf m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sprechen <strong>war</strong>. Warum Isabella Swan <strong>zu</strong> töten ihr kein schlechtes<br />

Gewissen verursacht hätte.<br />

Bei Rosalie drehte s<strong>ich</strong> alles um Eitelkeit.<br />

Die Musik brach abrupt ab und <strong>ich</strong> lachte bevor <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammenreißen konnte, ein<br />

scharfes Bellen vor Belustigung brach ab, als <strong>ich</strong> meine Hand schnell vor meinen Mund hielt.<br />

Rosalie drehte s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong>, um <strong>mir</strong> einen finsteren <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong><strong>zu</strong>werfen, ihre Augen <strong>war</strong>en<br />

gespickt mit verärgerter Wut.<br />

Emmett und Jasper drehten s<strong>ich</strong> auch um und <strong>ich</strong> hörte Esmes Verwirrung. Esme sauste<br />

blitzschnell nach unten und schaute von Rosalie <strong>zu</strong> <strong>mir</strong>.<br />

„Hör n<strong>ich</strong>t auf Ed<strong>war</strong>d,“ ermutigte m<strong>ich</strong> Esme nach einem angespannten Moment.<br />

Ich fing wie<strong>der</strong> an <strong>zu</strong> spielen, wandte Rosalie meinen Rücken <strong>zu</strong> und versuchte sehr<br />

angestrengt das Grinsen auf meinem Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> kontrollieren. Sie sprang auf und marschierte aus<br />

dem Raum, eher wütend als verlegen. Aber s<strong>ich</strong>erl<strong>ich</strong> auch sehr verlegen.<br />

Wenn du irgendetwas sagst, werde <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> jagen wie einen Hund.<br />

Ich unterdrückte ein weiteres Lachen.<br />

„Was ist los, Rose?“ rief ihr Emmett nach. Rosalie drehte s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t um. Sie marschierte<br />

weiter in <strong>die</strong> Garage und kletterte unter ihren Wagen, als könnte sie s<strong>ich</strong> dort begraben.<br />

„Was ist denn jetzt los?“ fragte Emmett m<strong>ich</strong>.<br />

„Ich hab n<strong>ich</strong>t <strong>die</strong> leiseste Ahnung,“ log <strong>ich</strong>.<br />

Emmett grummelte frustriert.<br />

„Spiel weiter,“ drängte Esme. Meine Hände hatten wie<strong>der</strong> innegehalten.<br />

Ich tat was sie sagte und sie stellte s<strong>ich</strong> hinter m<strong>ich</strong> um <strong>mir</strong> ihre Hände auf <strong>die</strong> Schultern <strong>zu</strong><br />

legen.<br />

<strong>Das</strong> Stück <strong>war</strong> überwältigend aber unvollständig. Ich spielte mit einer Brücke, aber es schien<br />

irgendwie n<strong>ich</strong>t r<strong>ich</strong>tig <strong>zu</strong> sein.<br />

„Es ist bezaubernd. Hat es einen Namen?“ fragte Esme.<br />

„Noch n<strong>ich</strong>t.“<br />

„Gibt es einen Gesch<strong>ich</strong>te da<strong>zu</strong>?“ fragte sie mit einem Lächeln in <strong>der</strong> Stimme. Es bereitete ihr<br />

so viel Vergnügen und <strong>ich</strong> fühlte m<strong>ich</strong> schuldig, dass <strong>ich</strong> ihr meine Musik so lange vorenthalten hatte.<br />

Es <strong>war</strong> egoistisch.<br />

„Es ist… ein Schlaflied, denke <strong>ich</strong>.“ Und dann bekam <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Brücke r<strong>ich</strong>tig hin. Sie leitete<br />

le<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> <strong>der</strong> nächsten Bewegung über und entwickelte ein Eigenleben.<br />

„Ein Schlaflied,“ wie<strong>der</strong>holte sie für s<strong>ich</strong>.<br />

Es gab eine Gesch<strong>ich</strong>te <strong>zu</strong> <strong>die</strong>ser Melo<strong>die</strong> und sobald <strong>ich</strong> das bemerkte, vielen <strong>die</strong> Noten<br />

ohne Anstrengung auf ihren Platz. Die Gesch<strong>ich</strong>te <strong>war</strong> ein schlafendes Mädchen in einem schmalen<br />

Bett, dunkles Haar, dick und wild und verschlungen wie Seegras auf dem Kissen…<br />

Alice überließ Jasper s<strong>ich</strong> selbst und setzte s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> auf <strong>die</strong> Bank. Mit ihrer trällernden,<br />

Glockenspiel ähnl<strong>ich</strong>en Stimme skizzierte sie einen wortlosen Sopran zwei Oktaven über <strong>der</strong> Melo<strong>die</strong>.<br />

„<strong>Das</strong> gefällt <strong>mir</strong>,“ murmelte <strong>ich</strong>. „Aber wie wäre es damit?“<br />

Ich fügte ihre Melo<strong>die</strong> <strong>der</strong> Harmonie hin<strong>zu</strong> – meine Hände flogen nun über <strong>die</strong> Tasten um alle<br />

einzelnen Stücke <strong>zu</strong>sammen <strong>zu</strong> setzen – modifizierte sie ein wenig und führte sie in eine an<strong>der</strong>e<br />

R<strong>ich</strong>tung…<br />

Sie erfasste <strong>die</strong> Stimmung und sang mit.<br />

„Ja. Perfekt,“ sagte <strong>ich</strong>.<br />

Esme drückte meine Schulter.


Aber jetzt konnte <strong>ich</strong> das Ende sehen, mit Alices Stimme <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> über <strong>der</strong> Melo<strong>die</strong> erhob und<br />

sie an einen an<strong>der</strong>en Ort führte. Ich konnte sehen wie das Stück enden musste, denn das schlafende<br />

Mädchen <strong>war</strong> perfekt genau so wie es <strong>war</strong> und je<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung wäre falsch, eine Betrübnis. <strong>Das</strong><br />

Stück w<strong>ich</strong> ab, <strong>der</strong> Erkenntnis entgegen, langsamer und leiser jetzt. Alices Stimme wurde auch leiser<br />

und feierl<strong>ich</strong>, eine Melo<strong>die</strong> <strong>die</strong> unter <strong>die</strong> Hallenden Bögen einer von Kerzen erleuchteten Kathedrale<br />

gehörte.<br />

Ich spielte <strong>die</strong>se letzte Note und beugte meinen Kopf über <strong>die</strong> Tasten.<br />

Esme str<strong>ich</strong> <strong>mir</strong> durchs Haar. Es wird alles gut werden, Ed<strong>war</strong>d. Es wird alles ein gutes Ende<br />

nehmen. Du ver<strong>die</strong>nst Glück, mein Sohn. <strong>Das</strong> Schicksal schuldet es dir.<br />

„Danke,“ flüsterte <strong>ich</strong> und wünschte <strong>ich</strong> könnte es glauben.<br />

Die Liebe kommt n<strong>ich</strong>t immer auf dem einfachsten Weg.<br />

Ich lachte kurz auf ohne Humor.<br />

Du bist vielle<strong>ich</strong>t am besten von allen auf <strong>die</strong>sem Planeten dafür ausgestattet um mit einer<br />

solchen Zwickmühle um<strong>zu</strong>gehen. Du bist <strong>der</strong> beste und klügste von uns allen.<br />

Ich seufzte. Jede Mutter dachte dasselbe von ihrem Sohn.<br />

Esme <strong>war</strong> immer noch voller Freude darüber dass mein Herz nach all <strong>der</strong> Zeit berührt wurde,<br />

egal wie groß <strong>die</strong> Tragö<strong>die</strong> <strong>war</strong> <strong>die</strong> damit verbunden <strong>war</strong>. Sie hatte gedacht, <strong>ich</strong> würde für immer<br />

allein bleiben…<br />

Sie wird d<strong>ich</strong> auch lieben müssen, dachte sie plötzl<strong>ich</strong> und überraschte m<strong>ich</strong> mit <strong>der</strong> R<strong>ich</strong>tung<br />

<strong>die</strong> ihre Gedanken eingeschlagen hatten. Wenn sie ein kluges Mädchen ist. Sie lächelte. Aber <strong>ich</strong> kann<br />

<strong>mir</strong> niemanden vorstellen, <strong>der</strong> so langsam ist um n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> sehen, was für ein Fang du bist.<br />

„Hör auf damit, Mom, du bringst m<strong>ich</strong> in Verlegenheit,“ zog <strong>ich</strong> sie auf. Ihre Worte, obwohl<br />

sie unmögl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>en, munterten m<strong>ich</strong> auf.<br />

Alice lachte und begann <strong>die</strong> <strong>erste</strong> Stimme von „Heart and Soul“. Ich grinste und beendete <strong>die</strong><br />

einfache Tonfolge mit ihr. Dann begünstigte <strong>ich</strong> sie mit einer Darbietung von „Chopsticks“.<br />

Sie k<strong>ich</strong>erte und seufzte dann. „Also <strong>ich</strong> wünschte du würdest <strong>mir</strong> sagen, <strong>war</strong>um du vorhin<br />

über Rose gelacht hast,“ sagte Alice. „Aber <strong>ich</strong> kann sehen, dass du es n<strong>ich</strong>t tun wirst.“<br />

„Nein.“<br />

Sie schnippte mit ihren Fingern gegen mein Ohr.<br />

„Sei nett, Alice,“ ermahnte Esme sie. „Ed<strong>war</strong>d benimmt s<strong>ich</strong> nur wie ein Gentleman.“<br />

„Aber <strong>ich</strong> möchte es wissen.“<br />

Ich lachte über den jammernden Ton den sie angeschlagen hatte. Dann sagte <strong>ich</strong>, „Hier,<br />

Esme,“ und begann ihr Lieblingsstück <strong>zu</strong> spielen, eine namenlose Ehrung an <strong>die</strong> Liebe <strong>die</strong> <strong>ich</strong><br />

zwischen ihr und Carlisle beobachtet hatte, für so viele Jahre.<br />

„Danke, Liebling.“ Sie drückte wie<strong>der</strong> meine Schulter.<br />

Ich musste m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t konzentrieren um das bekannte Stück <strong>zu</strong> spielen. Stattdessen dachte<br />

<strong>ich</strong> an Rosalie, <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> immer noch bildl<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Garage wand vor Demütigung, und <strong>ich</strong> grinste in<br />

m<strong>ich</strong> hinein.<br />

Da <strong>ich</strong> gerade erst <strong>die</strong> Potenz von Eifersucht für m<strong>ich</strong> selbst entdeckt hatte, hatte <strong>ich</strong> ein klein<br />

wenig Mitleid mit <strong>mir</strong>. Es <strong>war</strong> ein mieses Gefühl. Natürl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> ihre Eifersucht tausendmal<br />

belangloser als meine. <strong>Das</strong> berühmte Fuchs in <strong>der</strong> Krippe Szenario (ein komisches Spr<strong>ich</strong>wort das bei<br />

uns soviel bedeutet wie „Neidhammel“ o<strong>der</strong> „Spielver<strong>der</strong>ber“ heißt, da <strong>ich</strong> den Zusammenhang aber<br />

dann n<strong>ich</strong>t v<strong>erste</strong>he, hab <strong>ich</strong>’s so übernommen wie‘s da steht).<br />

Ich frag m<strong>ich</strong>, inwiefern Rosalies Leben und Persönl<strong>ich</strong>keit an<strong>der</strong>s gewesen wären, wenn sie<br />

n<strong>ich</strong>t immer <strong>die</strong> schönste von allen gewesen wäre. Wäre sie glückl<strong>ich</strong>er gewesen, wenn Schönheit<br />

n<strong>ich</strong>t schon immer ihre größte Stärke gewesen wäre? Weniger egozentrisch? Mitfühlen<strong>der</strong>? Naja, <strong>ich</strong>


denke es <strong>war</strong> sinnlos darüber nach<strong>zu</strong>denken, denn <strong>die</strong> Dinge <strong>war</strong>en nun mal so und sie <strong>war</strong> immer<br />

<strong>die</strong> Schönste.<br />

Sogar als Mensch hat sie immer im Mittelpunkt ihrer eigenen Herrl<strong>ich</strong>keit gestanden. N<strong>ich</strong>t<br />

dass es sie gestört hätte. Ganz im Gegenteil – sie liebte Anbetung mehr als alles an<strong>der</strong>e. <strong>Das</strong> hat sie<br />

mit dem Verlust ihrer Sterbl<strong>ich</strong>keit auch n<strong>ich</strong>t geän<strong>der</strong>t.<br />

Es <strong>war</strong> daher kein Wun<strong>der</strong>, dass sie verletzt <strong>war</strong>, als <strong>ich</strong> sie schon von Anfang an n<strong>ich</strong>t so<br />

vergöttert hatte, wie es alle Männer immer getan hatten. N<strong>ich</strong>t dass sie m<strong>ich</strong> auf irgendeine Art<br />

gewollt hätte – ganz im Gegenteil. Aber es hatte sie verärgert, dass <strong>ich</strong> sie gewollt hatte, schlimmer<br />

noch. Sie <strong>war</strong> es gewöhnt gewollt <strong>zu</strong> werden.<br />

Mit Jasper und Carlisle <strong>war</strong> das an<strong>der</strong>s – sie <strong>war</strong>en beide schon in jemanden verliebt. Ich <strong>war</strong><br />

komplett unberührt und dennoch kein bisschen von ihr angetan.<br />

Ich dachte <strong>der</strong> alte Groll wäre begraben. <strong>Das</strong> sie das lange hinter s<strong>ich</strong> gelassen hatte.<br />

Und das hatte sie auch… bis <strong>zu</strong> dem Tag an dem <strong>ich</strong> jemanden gefunden hatte, dessen<br />

Schönheit m<strong>ich</strong> so berührt hatte, wie ihre es n<strong>ich</strong>t getan hatten.<br />

Rosalie hatte s<strong>ich</strong> darauf verlassen, dass, wenn <strong>ich</strong> ihre Schönheit n<strong>ich</strong>t anbetungswürdig<br />

gefunden hatte, es auf <strong>der</strong> ganzen Welt keine Schönheit gab, <strong>die</strong> m<strong>ich</strong> berühren würde. Sie <strong>war</strong><br />

wütend seit dem Moment als <strong>ich</strong> Bella das Leben gerettet hatte, denn durch ihre untrügl<strong>ich</strong>e<br />

weibl<strong>ich</strong>e Intuition hatte sie da schon gewusst, was <strong>mir</strong> selbst noch n<strong>ich</strong>t bewusst gewesen ist.<br />

Rosalie <strong>war</strong> <strong>zu</strong> Tode gekränkt, dass <strong>ich</strong> ein unbedeutendes menschl<strong>ich</strong>es Mädchen<br />

anziehen<strong>der</strong> fand als sie.<br />

Ich unterdrückte wie<strong>der</strong> ein Lachen.<br />

Auf eine Art störte es m<strong>ich</strong> aber auch, wie sie Bella sah. Rosalie dachte, das Mädchen wäre<br />

gewöhnl<strong>ich</strong>. Wie konnte sie sowas nur glauben? Für m<strong>ich</strong> wirkte es absolut unverständl<strong>ich</strong>. Ein<br />

Produkt ihrer Eifersucht, kein Zweifel.<br />

„Oh!“ sagte Alice abrupt. „Jasper, weißt du was?“<br />

Ich sah, was sie gesehen hatte und meine Hände erstarrten auf den Tasten.<br />

„Was, Alice?“ fragte Jasper<br />

„Peter und Charlotte kommen uns nächste Woche besuchen! Sie werden in <strong>der</strong> Gegend sein,<br />

ist das n<strong>ich</strong>t nett?“<br />

„Was hast du Ed<strong>war</strong>d?“ fragte Esme, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Anspannung in meinen Schultern spürte.<br />

„Peter und Charlotte kommen nach Forks?“ zischte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Alice.<br />

Sie verdrehte ihre Augen. „Reg d<strong>ich</strong> ab, Ed<strong>war</strong>d. Es ist n<strong>ich</strong>t ihr <strong>erste</strong>r Besuch.“<br />

Ich biss meine Zähne <strong>zu</strong>sammen. Es <strong>war</strong> ihr <strong>erste</strong>r Besuch, seit Bella hier <strong>war</strong> und ihr süßer<br />

Duft sprach n<strong>ich</strong>t nur m<strong>ich</strong> an.<br />

Alice runzelte <strong>die</strong> Stirn. „Sie jagen nie hier. <strong>Das</strong> weißt du.“<br />

Aber Jaspers selbsternannter Bru<strong>der</strong> und <strong>der</strong> kleine Vampir den er liebte <strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t wie wir;<br />

sie jagten auf <strong>die</strong> übl<strong>ich</strong>e Art. Man konnte ihnen n<strong>ich</strong>t trauen, wenn Bella in <strong>der</strong> Nähe <strong>war</strong>.<br />

„Wann?“ verlangte <strong>ich</strong>.<br />

Sie schürzte unglückl<strong>ich</strong> ihre Lippen, aber sagte <strong>mir</strong> was <strong>ich</strong> wissen musste. Montagmorgen.<br />

Niemand wird Bella etwas tun.<br />

„Nein,“ stimmte <strong>ich</strong> ihr <strong>zu</strong> und wandte m<strong>ich</strong> dann von ihr ab. „Bist du soweit Emmett?“<br />

„Ich dachte wir brechen erst morgens auf?“<br />

„Wir kommen Sonntagnacht <strong>zu</strong>rück. Es liegt an dir, wann wir losgehen.“<br />

„Na gut. Aber lass m<strong>ich</strong> wenigstens noch Rose auf Wie<strong>der</strong>sehen sagen.“<br />

„Klar.“ Bei <strong>der</strong> Stimmung in <strong>der</strong> Rose <strong>war</strong>, würde es ein kurzer Abschied werden.<br />

Du bist echt verloren, Ed<strong>war</strong>d, dachte er, während er R<strong>ich</strong>tung Vor<strong>der</strong>tür ging.


„Ich denke, das bin <strong>ich</strong>.“<br />

„Spiel das neue Stück noch einmal für m<strong>ich</strong>,“ fragte Esme.<br />

„Wenn du magst,“ stimmte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>, obwohl <strong>ich</strong> etwas zögerte, <strong>der</strong> Melo<strong>die</strong> bis <strong>zu</strong> ihrem<br />

unauswe<strong>ich</strong>l<strong>ich</strong>en Ende <strong>zu</strong> folgen – das Ende, das <strong>mir</strong> unbekannte Schmerzen verursachte. Ich dachte<br />

kurz nach und nahm dann den Flaschendeckel aus meiner Tasche und legte ihn auf den leeren<br />

Notenstän<strong>der</strong>. <strong>Das</strong> half ein bisschen – meine kleine Erinnerung an ihr Ja.<br />

Ich nickte <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> selbst und begann <strong>zu</strong> spielen.<br />

Esme und Alice wechselten einen kurzen <strong>Blick</strong>, aber keine von beiden fragte nach.<br />

„Hat dir noch niemand gesagt, dass man n<strong>ich</strong>t mit seinem Essen spielt?“ rief <strong>ich</strong> Emmett <strong>zu</strong>.<br />

„Oh, hey Ed<strong>war</strong>d!“ rief er <strong>zu</strong>rück, grinste und winkte <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>. Der Bär zog einen Vorteil aus<br />

seiner Ablenkung und schwang seine schwere Pranke über Emmett Brust. Die scharfen Krallen fuhren<br />

durch sein Shirt und quietschten über seine Haut.<br />

Der Bär heulte auf bei dem hohen scharfen Ton.<br />

Ah, verdammt, Rose hatte <strong>mir</strong> <strong>die</strong>ses Shirt geschenkt!<br />

Emmett brüllte den wütenden Bären an.<br />

Ich seufzte und setzte m<strong>ich</strong> auf einen geeigneten Felsbrocken. <strong>Das</strong> könnte noch eine Weile<br />

dauern.<br />

Aber Emmett <strong>war</strong> fast fertig. Er ließ es <strong>zu</strong>, dass <strong>der</strong> Bär versuchte ihm mit einem weiteren<br />

Hieb seiner Pranke den Kopf ab<strong>zu</strong>schlagen und lachte als <strong>der</strong> Bär abprallte und <strong>zu</strong>rücktaumelte. Der<br />

Bär brüllte und Emmett brüllte lachend <strong>zu</strong>rück. Dann sprang er auf das Tier <strong>zu</strong>, das einen Kopf größer<br />

als er <strong>war</strong> und auf seinen Hinterpfoten stand und ihre Körper vielen eng umschlungen <strong>zu</strong> Boden und<br />

rissen eine F<strong>ich</strong>te mit s<strong>ich</strong>. <strong>Das</strong> Brüllen des Bären erstarb mit einem Gurgeln.<br />

Ein paar Minuten später joggte Emmett auf m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>. Sein Shirt <strong>war</strong> zerstört, zerrissen und<br />

voller Blut, mit Fell bedeckt. Seine dunklen lockigen Haare <strong>war</strong>en in keinem besseren Zustand. Er<br />

hatte ein breites Grinsen im Ges<strong>ich</strong>t.<br />

„Der <strong>war</strong> stark. Ich konnte es fast spüren, als er nach <strong>mir</strong> schlug.“<br />

„Du bist so ein Kind, Emmett.“<br />

Er beäugte mein gepflegtes, strahlend weißes Button-Down Hemd. „Hast du es n<strong>ich</strong>t<br />

geschafft, den Puma <strong>zu</strong> erledigen?“<br />

„Natürl<strong>ich</strong> hab <strong>ich</strong> das geschafft. Aber <strong>ich</strong> esse n<strong>ich</strong>t wie ein unzivilisierter Barbar.“<br />

Emmett lachte. „Ich wünschte sie wären stärker. <strong>Das</strong> würde mehr Spaß machen.“<br />

„Niemand hat gesagt, du sollst dein Essen bekämpfen.“<br />

„Ja, aber mit wem soll <strong>ich</strong> denn sonst kämpfen? Du und Alice, ihr schummelt, Rose will ihre<br />

Haare n<strong>ich</strong>t durcheinan<strong>der</strong> bringen und Esme wird sauer, wenn Jasper und <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>r Sache<br />

kommen.“<br />

„<strong>Das</strong> Leben ist schon hart, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>?“<br />

Emmett grinste m<strong>ich</strong> an, verlagerte ein wenig sein Gew<strong>ich</strong>t so dass er genug Platz hatte um<br />

aus<strong>zu</strong>holen.<br />

„Komm schon Ed<strong>war</strong>d. Schalt es für eine Minute aus und kämpf fair.“<br />

„Man kann das n<strong>ich</strong>t ausschalten,“ erinnerte <strong>ich</strong> ihn.<br />

„Ich frag m<strong>ich</strong> was <strong>die</strong>ses Menschenmädchen macht um d<strong>ich</strong> aus ihrem Kopf <strong>zu</strong> halten?“<br />

überlegte Emmett. „Vielle<strong>ich</strong>t kann sie <strong>mir</strong> ein paar Tipps geben.“


Mein Humor <strong>war</strong> mit einem Mal verschwunden. „Halt d<strong>ich</strong> von ihr fern,“ knurrte <strong>ich</strong> durch<br />

meine Zähne.<br />

„Empfindl<strong>ich</strong>, hmm?“<br />

Ich seufzte. Emmett setzte s<strong>ich</strong> neben m<strong>ich</strong> auf den Felsen.<br />

„Tut <strong>mir</strong> leid. Ich weiß, dass du eine harte Zeit durchmachst. Ich geb <strong>mir</strong> wirkl<strong>ich</strong> mühe keine<br />

all<strong>zu</strong> große Nervensäge <strong>zu</strong> sein, aber da es Teil meiner Natur ist…“<br />

Er <strong>war</strong>tete darauf, dass <strong>ich</strong> über seinen Witz lachte und verzog dann das Ges<strong>ich</strong>t.<br />

Du bist immer so ernst. Was bedrückt d<strong>ich</strong>?<br />

„Ich denke über sie nach. Naja, <strong>ich</strong> sorge m<strong>ich</strong> eher, ehrl<strong>ich</strong>gesagt.“<br />

„Was gibt es denn worüber du dir Sorgen machen müsstest? Du bist doch hier.“ Er lachte laut<br />

auf.<br />

Ich ignorierte auch <strong>die</strong>sen Witz, aber beantwortete seine Frage. „Hast du jemals darüber<br />

nachgedacht, wie verletzl<strong>ich</strong> sie alle sind? Wie viele Gefährl<strong>ich</strong>e Dinge einem Sterbl<strong>ich</strong>en passieren<br />

können?“<br />

„N<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong>. Aber <strong>ich</strong> glaube <strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>he was du meinst. Ich <strong>war</strong> kein wirkl<strong>ich</strong>er Gegner<br />

für einen Bären damals, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>?“<br />

„Bären,“ nuschelte <strong>ich</strong> und fügte dem Stapel eine weiter Angst hin<strong>zu</strong>. „<strong>Das</strong> würde ihr <strong>zu</strong><br />

ihrem Glück gerade noch fehlen, was? Verirrter Bär in <strong>der</strong> Stadt: natürl<strong>ich</strong> würde er direkt Bella über<br />

den Weg laufen.“<br />

Emmett k<strong>ich</strong>erte. „Du klingst zieml<strong>ich</strong> verrückt, weißt du das?“<br />

„Stell dir nur mal für einen Moment vor, Rosalie wäre menschl<strong>ich</strong>, Emmett. Und sie würde<br />

einem Bär über den Weg laufen… o<strong>der</strong> von einem Auto überfahren werden… o<strong>der</strong> von einem Blitz<br />

getroffen… o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Treppe herunterfallen… o<strong>der</strong> krank werden – eine schwere Krankheit<br />

bekommen!“ Die Worte flossen nur so aus <strong>mir</strong> heraus. Es <strong>war</strong> eine Erle<strong>ich</strong>terung sie raus <strong>zu</strong> lassen –<br />

sie hatte schon das ganze Wochenende in meinem Körper geeitert. „Feuer und Erdbeben und<br />

Tornados! Ugh! Wann hast du dir das letzte Mal <strong>die</strong> Nachr<strong>ich</strong>ten angesehen? Hast du gesehen, was<br />

den Menschen alles so passieren kann? Einbruch und Mord…“ meine Zähne schlugen aufeinan<strong>der</strong><br />

und <strong>ich</strong> <strong>war</strong> plötzl<strong>ich</strong> so aufgebracht von <strong>der</strong> Idee was ein an<strong>der</strong>er Mensch ihr antun könnte, dass <strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t atmen konnte.<br />

„Hey, hey! Krieg d<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> ein, Junge. Sie wohnt in Forks, du erinnerst d<strong>ich</strong>? Sie wird also<br />

nass geregnet.“ Er <strong>zu</strong>ckte mit den Schultern.<br />

„Ich glaube sie hat ernsthaftes Pech, Emmett, das glaube <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong>. Schau dir <strong>die</strong> Beweise<br />

an. Von all den Orten auf <strong>der</strong> Welt wo sie hätte landen könnten, endet sie in einer Stadt, wo Vampire<br />

einen kleinen Teil <strong>der</strong> Bevölkerung ausmachen.“<br />

„Ja, aber wir sind Vegetarier. Also ist es n<strong>ich</strong>t eher Glück als Pech?“<br />

„So wie sie riecht? Definitiv Pech. Und noch größeres Pech, dass sie für m<strong>ich</strong> noch so viel<br />

besser riecht.“ Ich schielte auf meine Hände und hasste sie wie<strong>der</strong>.<br />

„Abgesehen davon, dass du nach Carlisle <strong>die</strong> beste Selbstbeherrschung von uns allen hast.<br />

Wie<strong>der</strong> Glück.“<br />

„Der Van?“<br />

„<strong>Das</strong> <strong>war</strong> bloß ein Unfall.“<br />

„Du hättest sehen sollen wie er immer und immer wie<strong>der</strong> versucht hat sie <strong>zu</strong> erwischen, Em.<br />

Ich schwöre dir, es <strong>war</strong> als wäre sie ein Magnet o<strong>der</strong> sowas.“<br />

„Aber du <strong>war</strong>st da. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> Glück.“<br />

„War es? Ist das n<strong>ich</strong>t das größte Pech dass ein Mensch haben kann – ein Vampir <strong>der</strong> in ihn<br />

verliebt ist?“


Emmett überschlug <strong>die</strong>sen Gedanken leise für einen Moment. Er stellte s<strong>ich</strong> das Mädchen<br />

vor und fand <strong>die</strong> Vorstellung uninteressant. Ehrl<strong>ich</strong> <strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>h d<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t.<br />

„Naja, <strong>ich</strong> kann Rosalies Vorzüge auch n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> sehen,“ sagte <strong>ich</strong> unhöfl<strong>ich</strong>. „Ehrl<strong>ich</strong>, sie<br />

scheint anstrengen<strong>der</strong> <strong>zu</strong> sein, als irgendein schönes Ges<strong>ich</strong>t es wert ist.“<br />

Emmett k<strong>ich</strong>erte. „Ich denke n<strong>ich</strong>t, dass du <strong>mir</strong> erzählen wirst, was…“<br />

„Ich weiß n<strong>ich</strong>t, was sie für ein Problem hat, Emmett,“ log <strong>ich</strong> mit einem plötzl<strong>ich</strong>en breiten<br />

Grinsen.<br />

Ich sah rechtzeitig was er vorhatte um aus<strong>zu</strong>we<strong>ich</strong>en. Er versuchte m<strong>ich</strong> von dem Felsen <strong>zu</strong><br />

stoßen und <strong>der</strong> Stein verursachte eine lautes Krachen als er s<strong>ich</strong> zwischen uns spaltete.<br />

„Betrüger,“ murmelte er.<br />

Ich <strong>war</strong>tete darauf, dass er es noch einmal versuchen würde, aber seine Gedanken nahmen<br />

eine an<strong>der</strong>e R<strong>ich</strong>tung. Er stellte s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> Bellas Ges<strong>ich</strong>t vor, aber weißer mit blutroten Augen…<br />

„Nein,“ sagte <strong>ich</strong> und meine Stimme überschlug s<strong>ich</strong>.<br />

„Es löst deine Probleme bzgl. Ihrer Sterbl<strong>ich</strong>keit o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t? Und dann würdest du sie auch<br />

n<strong>ich</strong>t töten wollen. Wäre das n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> beste Weg?“<br />

„Für m<strong>ich</strong>? O<strong>der</strong> für sie?“<br />

„Für d<strong>ich</strong>,“ antwortet er le<strong>ich</strong>thin. Sein Ton implizierte ein selbstverständl<strong>ich</strong>.<br />

Ich lachte humorlos. „Falsche Antwort.“<br />

„Mir hat es n<strong>ich</strong>t all<strong>zu</strong> viel ausgemacht,“ erinnerte er m<strong>ich</strong>.<br />

„Rosalie schon.“<br />

Er seufzte. Wir wussten beide, dass Rosalie alles tun würde, alles aufgeben würde um wie<strong>der</strong><br />

ein Mensch <strong>zu</strong> sein. Sogar Emmett.<br />

„Ja, Rose schon,“ gab er leise <strong>zu</strong>.<br />

„Ich kann n<strong>ich</strong>t… <strong>ich</strong> sollte n<strong>ich</strong>t… <strong>ich</strong> werde Bellas Leben n<strong>ich</strong>t zerstören. Würdest du n<strong>ich</strong>t<br />

genauso empfinden, wenn es Rosalie wäre?“<br />

Emmett dachte einen Moment darüber nach. Du… liebst sie wirkl<strong>ich</strong>?<br />

„Ich kann es n<strong>ich</strong>t beschreiben, Emmett. Auf einmal bedeutet <strong>die</strong>ses Mädchen <strong>die</strong> Welt für<br />

m<strong>ich</strong>. Ich kann den Sinn <strong>der</strong> Welt n<strong>ich</strong>t sehen, wenn sie n<strong>ich</strong>t mehr da wäre.“<br />

Aber du wirst sie n<strong>ich</strong>t verwandeln? Sie wird n<strong>ich</strong>t für immer da sein, Ed<strong>war</strong>d.<br />

„<strong>Das</strong> weiß <strong>ich</strong>,“ grummelte <strong>ich</strong>.<br />

Und, wie du schon gesagt hast, sie ist irgendwie zerbrechl<strong>ich</strong>.<br />

„Glaub <strong>mir</strong> – das weiß <strong>ich</strong> auch.“<br />

Emmett <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t beson<strong>der</strong>s taktvoll und heikle Gespräche <strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t seine Stärke. Er<br />

zögerte nun, weil er n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> direkt sein wollte.<br />

Kannst du sie überhaupt berühren? Ich meine, wenn du sie liebst… würdest du sie n<strong>ich</strong>t, naja,<br />

anfassen wollen…?<br />

Emmett und Rosalie teilten eine sehr körperl<strong>ich</strong>e Liebe. Er konnte n<strong>ich</strong>t nachvollziehen wie<br />

jemand lieben konnte ohne <strong>die</strong>sen Teil einer Beziehung.<br />

Ich seufzte. „An sowas kann <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mal denken, Emmett“<br />

Wow. Was hast du denn dann für Mögl<strong>ich</strong>keiten?<br />

„Ich weiß es n<strong>ich</strong>t,“ flüsterte <strong>ich</strong>. „Ich versuche einen Weg <strong>zu</strong> finden, sie <strong>zu</strong>… verlassen. Aber<br />

<strong>ich</strong> weiß einfach n<strong>ich</strong>t wie <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> von ihr fernhalten sollte…“<br />

Mit tiefer Befriedigung stellte <strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong> fest, dass es r<strong>ich</strong>tig von <strong>mir</strong> <strong>war</strong> <strong>zu</strong> bleiben –<br />

<strong>zu</strong>mindest jetzt, wo Peter und Charlotte auf dem Weg nach Forks <strong>war</strong>en. Sie <strong>war</strong> s<strong>ich</strong>erer wenn <strong>ich</strong><br />

da <strong>war</strong>, zeitweise, als wenn <strong>ich</strong> weg wäre. Für den Moment konnte <strong>ich</strong> so etwas wie ihr Beschützer<br />

sein.


Der Gedanke wühlte m<strong>ich</strong> auf; <strong>ich</strong> brannte darauf so schnell wie mögl<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>rück in<br />

Forks <strong>zu</strong> sein um <strong>die</strong>se Rolle so lange wie mögl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> erfüllen.<br />

Emmett bemerkte <strong>die</strong> Verän<strong>der</strong>ung in meinem Ges<strong>ich</strong>t. Was denkst du gerade?<br />

„Genau jetzt,“ gab <strong>ich</strong> etwas beschämt <strong>zu</strong>, „kann <strong>ich</strong> es kaum er<strong>war</strong>ten nach Forks <strong>zu</strong> rennen<br />

und nach ihr <strong>zu</strong> sehen. Ich weiß n<strong>ich</strong>t, ob <strong>ich</strong> es bis Sonntagnacht aushalte.“<br />

„Oh nein! Du gehst n<strong>ich</strong>t früher nach Hause. Lass Rose etwas Zeit um s<strong>ich</strong> ab<strong>zu</strong>regen. Bitte!<br />

Mir <strong>zu</strong> liebe.“<br />

„Ich werde versuchen <strong>zu</strong> bleiben,“ sagte <strong>ich</strong> zweifelnd.<br />

Emmett deutete auf das Handy in meiner Tasche. „Alice würde anrufen, wenn es einen<br />

Grund für deine Panik gäbe. Sie ist genauso verrückt nach <strong>die</strong>sem Mädchen wie du.“<br />

Ich zog ein Ges<strong>ich</strong>t. „Gut. Aber <strong>ich</strong> bleibe n<strong>ich</strong>t länger als bis Sonntag.“<br />

„Es gibt keinen Grund <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> eilen – es wird sowieso sonnig werden. Alice sagte, wir<br />

hätten Schulfrei bis Mittwoch.“<br />

Ich schüttelte starr meinen Kopf.<br />

„Peter und Charlotte wissen wie man s<strong>ich</strong> benimmt.“<br />

„<strong>Das</strong> ist <strong>mir</strong> wirkl<strong>ich</strong> egal, Emmett. Bei Bellas Glück geht sie genau <strong>zu</strong>r falschen Zeit in den<br />

Wald und…“ <strong>ich</strong> schrak <strong>zu</strong>rück. „Peter ist n<strong>ich</strong>t gerade bekannt für seine Selbstbeherrschung. Ich<br />

werde Sonntag <strong>zu</strong>rückgehen.“<br />

Emmett seufzte. Wie ein Verrückter.<br />

Bella schlief tief und fest, als <strong>ich</strong> am frühen Montagmorgen durch ihr Fenster kletterte. Diesmal hatte<br />

<strong>ich</strong> an etwas Öl gedacht und das Fenster ließ s<strong>ich</strong> geräuschlos aus dem Weg schieben.<br />

Daran, dass ihre Haare glatt auf dem Kissen lagen konnte <strong>ich</strong> erkenne, dass sie eine ruhigere<br />

Nacht hatte, als das letzte Mal als <strong>ich</strong> hier <strong>war</strong>. Sie hatte <strong>die</strong> Hände unter ihrer Wange gefaltet wie<br />

ein kleines Kind und ihr Mund <strong>war</strong> le<strong>ich</strong>t geöffnet. Ich konnte hören wie ihr Atem langsam durch ihre<br />

Lippen ein und ausströmte.<br />

Es <strong>war</strong> eine unglaubl<strong>ich</strong>e Erle<strong>ich</strong>terung hier <strong>zu</strong> sein, sie wie<strong>der</strong> sehen <strong>zu</strong> können. Ich<br />

bemerkte, dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> ruhig <strong>war</strong> bis das <strong>der</strong> Fall <strong>war</strong>. N<strong>ich</strong>ts stimmte, wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t bei ihr<br />

<strong>war</strong>.<br />

N<strong>ich</strong>t dass alles r<strong>ich</strong>tig <strong>war</strong>, wenn <strong>ich</strong> bei ihr <strong>war</strong>… dennoch. Ich seufzte und ließ das Feuer<br />

durch meine Kehle strömen. Ich <strong>war</strong> <strong>zu</strong> lange weg gewesen. Die ganze Zeit ohne den Schmerz und<br />

das Verlangen verstärkten es jetzt noch. Es <strong>war</strong> schlimm genug, dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t traute m<strong>ich</strong><br />

neben ihr Bett <strong>zu</strong> knien so dass <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Buchtitel lesen konnte. Ich wollte <strong>die</strong> Gesch<strong>ich</strong>ten in ihrem<br />

Kopf kennen, aber <strong>ich</strong> hatte vor noch mehr angst, als nur vor meinem Durst, Angst, dass <strong>ich</strong> wenn ihr<br />

so nahe kam, immer noch näher sein wollte…<br />

Ihre Lippen sahen sehr we<strong>ich</strong> und <strong>war</strong>m aus. Ich konnte <strong>mir</strong> vorstellen sie mit meinen<br />

Fingerspitzen <strong>zu</strong> berühren. Ganz sanft…<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> genau <strong>die</strong> Art von Fehler <strong>die</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>lassen konnte.<br />

Meine Augen glitten wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> über ihr Ges<strong>ich</strong>t und untersuchten es nach<br />

Verän<strong>der</strong>ungen. Sterbl<strong>ich</strong> verän<strong>der</strong>ten s<strong>ich</strong> ständig – <strong>der</strong> Gedanken <strong>ich</strong> könnte etwas verpassen<br />

macht m<strong>ich</strong> traurig…<br />

Ich hatte den Eindruck sie sähe… müde aus. Als hätte sie n<strong>ich</strong>t genug Schlaf bekommen<br />

<strong>die</strong>ses Wochenende. War sie ausgegangen?


Ich lachte leise und ironisch darüber, dass m<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Gedanke störte. Was wäre wenn? Ich<br />

besaß sie n<strong>ich</strong>t. Sie <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t mein.<br />

Nein, sie <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t mein – und <strong>ich</strong> <strong>war</strong> wie<strong>der</strong> traurig.<br />

Sie drehte eine ihrer Hände um und <strong>ich</strong> sah, dass sie schwache, ansatzweise verheilte Kratzer<br />

in ihrer Handfläche hatte. Hat sie s<strong>ich</strong> verletzt? Obwohl es offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> keine schwere Verlet<strong>zu</strong>ng<br />

<strong>war</strong>, störte es m<strong>ich</strong>. Ich erinnerte m<strong>ich</strong> daran wo sie <strong>die</strong>ses Wochenende gewesen <strong>war</strong> und schloss,<br />

dass gestolpert sein musste. <strong>Das</strong> schien eine glaubwürdige Erklärung <strong>zu</strong> sein.<br />

Es <strong>war</strong> beruhigend <strong>zu</strong> wissen, dass <strong>ich</strong> über <strong>die</strong>se kleinen Geheimnisse n<strong>ich</strong>t ewig<br />

nachgrübeln musste. Wir <strong>war</strong>en jetzt Freunde - o<strong>der</strong> <strong>zu</strong>mindest versuchten wir befreundet <strong>zu</strong> sein.<br />

Ich konnte sie nach ihrem Wochenende fragen – nach dem Strand und welche Nachtaktivität sie so<br />

erschöpft aussehen ließ. Ich konnte fragen, was mit ihren Händen passiert <strong>war</strong>. Und <strong>ich</strong> konnte ein<br />

bisschen lachen, wenn sie meine Theorie bestätigte.<br />

Ich lächelte sanft als <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> vorstelle, dass sie vielle<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> ins Meer gefallen <strong>war</strong>. Ich<br />

fragte m<strong>ich</strong> ob sie eine schöne zeit gehabt hat dort draußen. Ich fragte m<strong>ich</strong>, ob sie vielle<strong>ich</strong>t an m<strong>ich</strong><br />

gedacht hatte. Ob sie m<strong>ich</strong> vielle<strong>ich</strong>t auch nur einen Hauch so sehr vermisst hatte, wie <strong>ich</strong> sie<br />

vermisst hatte.<br />

Ich versuchte sie <strong>mir</strong> in <strong>der</strong> Sonne am Strand vor<strong>zu</strong>stellen. <strong>Das</strong> Bild <strong>war</strong> allerdings<br />

unvollständig, denn <strong>ich</strong> <strong>war</strong> noch nie am First Beach gewesen. Ich kannte ihn nur von Bil<strong>der</strong>n…<br />

Ich fühle m<strong>ich</strong> ein wenig unbehagl<strong>ich</strong> als <strong>ich</strong> an den Grund dafür dachte, dass <strong>ich</strong> noch nie<br />

noch nie an <strong>die</strong>sem schönen Strand <strong>war</strong>, <strong>der</strong>, wenn man rannte, nur wenige Minuten von unserem<br />

Haus entfernt <strong>war</strong>. Bella hatte den Tag in La Push verbracht – ein Ort an den es <strong>mir</strong> vertragl<strong>ich</strong><br />

verboten <strong>war</strong> <strong>zu</strong> gehen. Ein Ort an dem ein paar alte Männer s<strong>ich</strong> immer noch an <strong>die</strong> Gesch<strong>ich</strong>ten<br />

über <strong>die</strong> Cullens erinnerten, s<strong>ich</strong> erinnerten und daran glaubten. An Ort an dem unser Geheimnis<br />

bekannt <strong>war</strong>…<br />

Ich schüttelte meinen Kopf. Ich hatte n<strong>ich</strong>ts <strong>zu</strong> befürchten. Die Quileutes <strong>war</strong>en auch<br />

vertragl<strong>ich</strong> gebunden. Sogar wenn Bella einer <strong>die</strong>ser alten Sagen begegnet wäre, konnten sie n<strong>ich</strong>ts<br />

aufdecken. Und <strong>war</strong>um sollte das Thema überhaupt <strong>zu</strong>r Sprache kommen? Warum sollte Bella ihre<br />

Verwun<strong>der</strong>ungen dort aussprechen? Nein – <strong>die</strong> Quileutes <strong>war</strong>en vermutl<strong>ich</strong> eine <strong>der</strong> wenigen Dinge<br />

um <strong>die</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> keinen Sorgen <strong>zu</strong> machen brauchte.<br />

Ich <strong>war</strong> sauer auf <strong>die</strong> Sonne, als sie auf<strong>zu</strong>gehen begann. Sie erinnerte m<strong>ich</strong> daran, dass <strong>ich</strong><br />

meine Neugierde in den nächsten Tagen n<strong>ich</strong>t stillen konnte. Warum entschied sie s<strong>ich</strong> gerade jetzt<br />

<strong>zu</strong> scheinen?<br />

Mit einem Seufzer duckte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> aus ihrem Fenster bevor es hell genug <strong>war</strong>, dass m<strong>ich</strong><br />

irgendjemand sehen konnte. Ich hatte vor in dem d<strong>ich</strong>ten Wald bei ihrem Haus darauf <strong>zu</strong> <strong>war</strong>ten,<br />

dass sie <strong>zu</strong>r Schule aufbrach, aber als <strong>ich</strong> zwischen den Bäumen ankam <strong>war</strong> <strong>ich</strong> überrauscht <strong>die</strong> Spur<br />

ihres Duftes auf dem schmalen Pfand <strong>zu</strong> erahnen.<br />

Ich folgte <strong>der</strong> Spur schnell, neugierig und wurde immer besorgter als sie m<strong>ich</strong> tiefer in <strong>die</strong><br />

Dunkelheit führte. Was hatte Bella hier draußen gemacht?<br />

Der Pfad verschwand plötzl<strong>ich</strong> mitten im Nirgendwo. Sie <strong>war</strong> nur wenige Schritte von dem<br />

Pfad herunter in den Farn gegangen, wo sie den Stumpf eines umgestürzten Baumes berührt hatte.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t dort gesessen hatte…<br />

Also, Bella, <strong>ich</strong> bin <strong>der</strong> Spur deines Geruchs in den Wald gefolgt, nachdem <strong>ich</strong> dein Zimmer<br />

verlassen hatte, wo <strong>ich</strong> dir beim schlafen <strong>zu</strong>gesehen hatte… Ja, damit würde <strong>ich</strong> das Eis brechen.<br />

Ich würde nie erfahren was sie hier draußen gedacht und getan hatte, und <strong>ich</strong> schlug<br />

frustriert meine Zähne aufeinan<strong>der</strong>. Schlimmer noch, das <strong>war</strong> genau das Szenario dass <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> für


Emmett ausgedacht hatte – Bella wan<strong>der</strong>te allein durch den Wald wo ihr Duft jeden ansprach <strong>der</strong> in<br />

<strong>der</strong> Lage <strong>war</strong> ihn <strong>zu</strong> verfolgen…<br />

Ich knurrte. Sie hatte n<strong>ich</strong>t einfach nur Pech, sie for<strong>der</strong>te es auch noch heraus.<br />

Naja, jetzt hatte sie jedenfalls einen Beschützer. Ich würde über sie wachen und sie vor allem<br />

schützen so lange <strong>ich</strong> es verantworten konnte.<br />

Ich erwischte m<strong>ich</strong> dabei, wie <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> wünschte, Peter und Charlotte würden etwas länger<br />

bleiben.


7. Geist<br />

Ich sah n<strong>ich</strong>t viel von Jaspers Besuch während <strong>der</strong> zwei sonnigen Tage, <strong>die</strong> sie in Forks verbrachten.<br />

Ich kam nur nach Hause damit Esme s<strong>ich</strong> keine Sorgen machte. Ansonsten <strong>war</strong> mein Leben eher das<br />

eines Gespenstes statt eines Vampirs. Ich schwebte uns<strong>ich</strong>tbar durch <strong>die</strong> Schatten, wo <strong>ich</strong> dem<br />

Objekt meiner Liebe und Begierde folgen konnte – wo <strong>ich</strong> sie durch <strong>die</strong> Gedanken <strong>der</strong> glückl<strong>ich</strong>en<br />

Menschen <strong>die</strong> mit ihr durch das Sonnenl<strong>ich</strong>t spazieren konnten sehen und hören konnte, manchmal<br />

berührten sie aus Versehen ihre Hand. Sie reagierte nie auf solche Berührungen; <strong>die</strong>se Hände <strong>war</strong>en<br />

genauso <strong>war</strong>m wie ihre.<br />

Die gezwungene Abwesenheit in <strong>der</strong> Schule <strong>war</strong> nie eine größere Herausfor<strong>der</strong>ung als jetzt.<br />

Aber <strong>die</strong> Sonne schien sie glückl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> machen, also konnte <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t all<strong>zu</strong> sehr verabscheuen.<br />

Alles was ihr gefiel erhielt meine Zustimmung.<br />

Montagmorgen hörte <strong>ich</strong> eine Unterhaltung <strong>die</strong> fast mein Vertrauen zerstörte und meine<br />

Abwesenheit von Bella <strong>zu</strong>r Folter machte. Als sie endete, versüßte sie <strong>mir</strong> jedoch den Tag.<br />

Ich hatte ein wenig Respekt vor Mike Newton; er hatte n<strong>ich</strong>t einfach aufgegeben und s<strong>ich</strong><br />

<strong>zu</strong>rückgezogen um seine Wunden <strong>zu</strong> lecken. Er <strong>war</strong> mutiger als <strong>ich</strong> gedacht hätte. Er versuchte es<br />

erneut.<br />

Bella <strong>war</strong> zieml<strong>ich</strong> früh in <strong>der</strong> Schule und, sie genoss <strong>die</strong> Sonne so lang sie schien, setzte s<strong>ich</strong><br />

auf eine <strong>der</strong> Picknickbänke während sie auf das <strong>erste</strong> Läuten <strong>war</strong>tete. Ihr Haar schimmerte in <strong>der</strong><br />

Sonne auf uner<strong>war</strong>tete Art und Weise, offenbarten einen Rotton, den <strong>ich</strong> vorher n<strong>ich</strong>t bemerkt<br />

hatte.<br />

Mike fand sie dort – sie kritzelte wie<strong>der</strong> – und <strong>war</strong> froh über sein Glück.<br />

Es <strong>war</strong> schreckl<strong>ich</strong> einfach nur <strong>zu</strong>sehen <strong>zu</strong> können, machtlos, gebunden an <strong>die</strong> Schatten des<br />

Waldes durch das strahlende Sonnenl<strong>ich</strong>t.<br />

Sie grüßte ihn freudig genug um ihn in Extase und m<strong>ich</strong> in das Gegenteil <strong>zu</strong> versetzen.<br />

Na also, sie mag m<strong>ich</strong>. Sie würde n<strong>ich</strong>t so lächeln wenn es n<strong>ich</strong>t so wäre. Ich wette sie wäre<br />

gern mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> dem Ball gegangen. Ich frag m<strong>ich</strong>, was so w<strong>ich</strong>tig ist in Seattle…<br />

Er bemerkte <strong>die</strong> Verän<strong>der</strong>ung ihrer Haare. „<strong>Das</strong> hab <strong>ich</strong> vorher ja noch gar n<strong>ich</strong>t bemerkt –<br />

dein Haar ist ja rötl<strong>ich</strong>.“<br />

Ich entwurzelte versehentl<strong>ich</strong> <strong>die</strong> F<strong>ich</strong>te an <strong>der</strong> meine Hand lehnte, als er eine ihrer Locken<br />

um seinen Finger wickelte.<br />

„Nur in <strong>der</strong> Sonne,“ sagte sie. Zu meiner tiefen Zufriedenheit rückte sie ein Stück von ihm<br />

weg, als er <strong>die</strong> Strähne hinters Ohr schob.<br />

Mike brauchte eine Minute um seinen Mut <strong>zu</strong>sammen <strong>zu</strong> nehmen und verschwendete seine<br />

Zeit mit Small-Talk.<br />

Sie erinnerte ihn an den Aufsatz den wir alle am Mittwoch abgeben mussten. Aus dem<br />

<strong>zu</strong>friedenen Ausdrucks auf ihrem Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> urteilen, <strong>war</strong> ihrer bereits fertig. Er hatte es vollkommen<br />

vergessen und das dezimierte seine Freizeit.<br />

Verdammt – scheiß Aufsatz.<br />

Endl<strong>ich</strong> kam er <strong>zu</strong>m Punkt – <strong>ich</strong> presste meine Zähne so stark aufeinan<strong>der</strong>, sie hätten Granit<br />

pulverisieren können – doch selbst dann schaffte er es n<strong>ich</strong>t seine Frage geradeheraus <strong>zu</strong> stellen.<br />

„Ich hatte vor d<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> fragen, ob du vielle<strong>ich</strong>t ausgehen möchtest.“<br />

„Oh,“ sagte sie.


Dann <strong>war</strong>en beide kurz still.<br />

Oh? Was soll das heißen? Wird sie Ja sagen? Warte – <strong>ich</strong> glaub <strong>ich</strong> hab gar n<strong>ich</strong>t r<strong>ich</strong>tig<br />

gefragt.<br />

Er schluckte schwer.<br />

„Naja, wir könnten etwas essen gehen, o<strong>der</strong> so… und <strong>ich</strong> könnte später an meinem Aufsatz<br />

arbeiten.“<br />

Dumm – das <strong>war</strong> auch keine r<strong>ich</strong>tige Frage.<br />

„Mike…“<br />

Der Zorn und <strong>die</strong> Wut meiner Eifersucht <strong>war</strong>en genauso stark wie letzte Woche. Ich zerbrach<br />

einen weiteren Baum bei dem Versuch m<strong>ich</strong> hier <strong>zu</strong> halten. Ich wollte so sehr über den Schulhof<br />

rennen, <strong>zu</strong> schnell für das menschl<strong>ich</strong>e Auge, und sie packen – sie von <strong>die</strong>sem Jungen stehlen, den <strong>ich</strong><br />

in <strong>die</strong>sem Moment so sehr hasste, dass <strong>ich</strong> ihn am liebsten getötet hätte, und es hätte <strong>mir</strong> Spaß<br />

gemacht.<br />

Würde sie Ja <strong>zu</strong> ihm sagen?<br />

„Ich glaube n<strong>ich</strong>t, dass das eine so gute Idee wäre.“<br />

Ich atmete wie<strong>der</strong>. Mein aufgebrachter Körper beruhigte s<strong>ich</strong>.<br />

Seattle <strong>war</strong> also doch eine Ausrede. Ich hätte n<strong>ich</strong>t fragen sollen. Was dachte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> bloß? Ich<br />

wette es ist <strong>die</strong>ser Freak, Cullen…<br />

„Warum?“ fragte er enttäuscht.<br />

„Ich glaube…“ zögerte sie. „Und wenn du irgendjemandem erzählst, was <strong>ich</strong> dir jetzt sage,<br />

werde <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> totschlagen…“<br />

Ich musste laut auflachen als <strong>die</strong>se Todesdrohung ihre Lippen verließ. Ein E<strong>ich</strong>elher kreischte,<br />

stolperte und flüchtete bei dem Geräusch.<br />

„Aber <strong>ich</strong> denke, das würde Jessica verletzten.“<br />

„Jessica?“ Was? Aber… Oh. Okay. Ich glaube… Also… Häh.<br />

Seine Gedanken ergaben keinen Sinn mehr.<br />

„Ehrl<strong>ich</strong>, Mike, bist du blind?“<br />

Ich betete ihre Sentimentalität an. Sie sollte n<strong>ich</strong>t von jedem er<strong>war</strong>ten, dass er so<br />

Aufmerksam <strong>war</strong> wie sie, aber ehrl<strong>ich</strong> <strong>die</strong>ser Umstand <strong>war</strong> unübersehbar. Bei dem Aufwand den es<br />

Mike gekostet hatte, Bella nach einem Date <strong>zu</strong> fragen, glaubte er n<strong>ich</strong>t, dass es für Jessica ähnl<strong>ich</strong><br />

schwer <strong>war</strong>? Es musste Egoismus sein, <strong>der</strong> ihn an<strong>der</strong>en gegenüber so blind machte. Und Bella <strong>war</strong> so<br />

selbstlos, sie sah alles.<br />

Jessica. Häh. Wow. Hmm. „Oh,“ brachte er schließl<strong>ich</strong> heraus.<br />

Bella nutze seine Verwirrung um s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> verdrücken.<br />

„Der Unterr<strong>ich</strong>t fängt gle<strong>ich</strong> an und <strong>ich</strong> kann n<strong>ich</strong>t schon wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> spät kommen.“<br />

Von da an <strong>war</strong> Mike kein <strong>zu</strong>r Verfügung stehen<strong>der</strong> Auss<strong>ich</strong>tspunkt mehr. Als er über <strong>die</strong><br />

Vorstellung von Jessica nachdachte, fand er, dass es ihm gefiel, dass sie ihn attraktiv fand. Sie <strong>war</strong><br />

zweite Wahl, n<strong>ich</strong>t so gut, wie wenn Bella so empfunden hätte.<br />

Sie ist irgendwie süß, denke <strong>ich</strong>. Ein schöner Körper. Ein Spatz in <strong>der</strong> Hand…<br />

Er malte s<strong>ich</strong> zwei neue Fantasien aus, <strong>die</strong> genauso vulgär <strong>war</strong>en, wie <strong>die</strong> über Bella, aber<br />

nun <strong>war</strong>en sie eher lästig als ärgerl<strong>ich</strong>. Er ver<strong>die</strong>nte keine von beiden; sie <strong>war</strong>en austauschbar für ihn.<br />

Danach hielt <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> aus seinem Kopf raus.<br />

Als sie außer S<strong>ich</strong>tweite <strong>war</strong>, hockte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> auf einen Baumstumpf und tanzte von Kopf <strong>zu</strong><br />

Kopf um sie <strong>zu</strong> beobachten und <strong>war</strong> jedesmal froh, wenn Angela Webber <strong>zu</strong>r Verfügung stand. Ich<br />

wünschte es gäbe einen Weg dem Webber-Mädchen dafür <strong>zu</strong> danken, dass sie einfach nur ein netter


Mensch <strong>war</strong>. Es beruhigte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> wissen, dass Bella wenigstens eine Freundin hatte, <strong>die</strong> es wert<br />

<strong>war</strong>, als solche beze<strong>ich</strong>net <strong>zu</strong> werden.<br />

Ich betrachtete Bellas Ges<strong>ich</strong>t aus jedem <strong>Blick</strong>winkel <strong>der</strong> gerade <strong>zu</strong>r Verfügung stand und <strong>ich</strong><br />

konnte sehen, dass sie wie<strong>der</strong> traurig <strong>war</strong>. <strong>Das</strong> überraschte m<strong>ich</strong> – <strong>ich</strong> dachte <strong>die</strong> Sonne würde<br />

ausre<strong>ich</strong>en um sie <strong>zu</strong>m lächeln <strong>zu</strong> bringen. In <strong>der</strong> Pause sah <strong>ich</strong> wie sie immer wie<strong>der</strong> einen<br />

verstohlenen <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong> dem leeren Cullen-Tisch <strong>war</strong>f und das erregte m<strong>ich</strong>. Es gab <strong>mir</strong> Hoffnung.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t vermisste sie m<strong>ich</strong> auch.<br />

Sie hatte Pläne mit den an<strong>der</strong>en Mädchen aus<strong>zu</strong>gehen – <strong>ich</strong> plante automatisch meine<br />

Überwachung – aber <strong>die</strong>se Pläne wurden verschoben, als Mike Jessica <strong>zu</strong> dem Date einlud, dass er<br />

für Bella geplant hatte.<br />

Also ging <strong>ich</strong> direkt <strong>zu</strong> ihr nach Hause, huschte kurz durch den Wald um s<strong>ich</strong>er <strong>zu</strong> gehen, dass<br />

niemand gefährl<strong>ich</strong>es <strong>zu</strong> nah vorbeigekommen <strong>war</strong>. Ich wusste, dass Jasper seinen einstigen Bru<strong>der</strong><br />

gebeten hatte, <strong>die</strong> Stadt <strong>zu</strong> meiden – er zitierte dabei meinen Wahnsinn, sowohl als Erklärung als<br />

auch als Warnung – aber das <strong>war</strong> gar n<strong>ich</strong>t nötig gewesen. Peter und Charlotte hatte n<strong>ich</strong>t vor es s<strong>ich</strong><br />

mit meiner Familie <strong>zu</strong> verscherzen, aber Vorhaben konnten s<strong>ich</strong> än<strong>der</strong>n…<br />

Na gut, <strong>ich</strong> übertrieb es. <strong>Das</strong> wusste <strong>ich</strong>.<br />

Als ob sie wusste, dass <strong>ich</strong> sie beobachtete, als ob sie Mitleid mit <strong>mir</strong> hätte, weil <strong>ich</strong> jedesmal<br />

verzweifelte wenn <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t sehen konnte, kam Bella nach einer langen Stunde im Haus hinaus in<br />

den Garten. Sie hatte ein Buch in <strong>der</strong> Hand und eine Decke unter dem Arm.<br />

Leise kletterte <strong>ich</strong> in den nächsten Baum um den Garten <strong>zu</strong> überblicken.<br />

Sie breitete <strong>die</strong> Decke auf dem feuchten Gras aus, legte s<strong>ich</strong> bäuchlings darauf und fing an<br />

durch das abgenutzte Buch <strong>zu</strong> blättern, als ob sie ihre Stelle suchen würde. Ich las über ihrer Schulter<br />

mit.<br />

Ah – mehr Klassik. Sie <strong>war</strong> ein Austen Fan.<br />

Sie las schnell und kreuzte ihre Beine in <strong>der</strong> Luft. Ich beobachtete wie das Sonnenl<strong>ich</strong>t und<br />

<strong>der</strong> Wind in ihren Haaren spielte, als ihr Körper s<strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>ifte und ihre Hand auf <strong>der</strong> Seite<br />

gefror. Alles was <strong>ich</strong> sehen konnte <strong>war</strong>, dass sie Kapitel drei erre<strong>ich</strong>t hatte und dann eine ganze Reihe<br />

Seiten auf einmal umblätterte.<br />

Ich erhaschte einen kurzen <strong>Blick</strong> auf <strong>die</strong> Titelseite, Mansfield Park. Sie begann eine neue<br />

Gesch<strong>ich</strong>te – das Buch <strong>war</strong> ein Sammelband verschiedener Romane. Ich wun<strong>der</strong>te m<strong>ich</strong>, <strong>war</strong>um sie<br />

<strong>die</strong> Gesch<strong>ich</strong>ten so abrupt wechselte.<br />

Nur wenige Augenblicke später schlug sie das Buch wütend <strong>zu</strong>. Mit einem verärgerten<br />

Ges<strong>ich</strong>tsausdruck schob sie das Buch <strong>zu</strong>r Seite und drehte s<strong>ich</strong> auf ihren Rücken. Sie atmete tief ein,<br />

als müsse sie s<strong>ich</strong> beruhigen, krempelte ihr Ärmel hoch und schloss <strong>die</strong> Augen. Ich erinnerte m<strong>ich</strong> an<br />

den Roman, aber <strong>ich</strong> konnte m<strong>ich</strong> an n<strong>ich</strong>ts Anstößiges darin erinnern, dass sie verärgert haben<br />

könnte. Ein weiteres Geheimnis. Ich seufzte.<br />

Sie lag sehr ruhig da, und bewegte s<strong>ich</strong> nur einmal kurz um eine Haarsträhne aus ihrem<br />

Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> stre<strong>ich</strong>en. Ihr Haar fächerte s<strong>ich</strong> um ihren Kopf aus, ein Fluss aus Haselnüssen. Und dann<br />

<strong>war</strong> sie wie<strong>der</strong> bewegungslos.<br />

Ihr Atem wurde gle<strong>ich</strong>mäßiger. Nach einigen langen Minuten begannen ihre Lippen <strong>zu</strong><br />

beben. Murmelten im Schlaf.<br />

Ich konnte n<strong>ich</strong>t wid<strong>erste</strong>hen. Ich hörte m<strong>ich</strong> soweit wie mögl<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Nachbarschaft nach<br />

Gedanken um.<br />

Zwei Esslöffel Mehl… eine Tasse Milch…<br />

Komm schon! Nimm ihn in <strong>die</strong> Mangel! Komm schon!<br />

Rot o<strong>der</strong> Blau… o<strong>der</strong> vielle<strong>ich</strong>t sollte <strong>ich</strong> etwas weniger auffälliges tragen…


Es <strong>war</strong> niemand in <strong>der</strong> Nähe. Ich sprang auf den Boden und landete leise auf meinen Zehen.<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> absolut falsch, viel <strong>zu</strong> riskant. Wie herablassend <strong>ich</strong> einst Emmett ger<strong>ich</strong>tet hatte für<br />

seine Gedankenlose Art und Jasper für seine Disziplinlosigkeit - und jetzt missachtete <strong>ich</strong> bewusst<br />

alle Regeln mit solch einer Verachtung, <strong>die</strong> ihre Fehltritte wie n<strong>ich</strong>ts erscheinen ließen. Ich sollte <strong>der</strong><br />

Verantwortungsbewusste sein.<br />

Ich seufzte, aber kroch dennoch ohne Rücks<strong>ich</strong>t ins Sonnenl<strong>ich</strong>t.<br />

Ich vermied es m<strong>ich</strong> selbst an<strong>zu</strong>sehen in den Strahlen <strong>der</strong> Sonne. Es <strong>war</strong> schlimm genug, dass<br />

meine Haut im Schatten steinern und unmenschl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>; Ich wollte Bella und m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

nebeneinan<strong>der</strong> im Sonnenl<strong>ich</strong>t sehen. Der Unterschied zwischen uns <strong>war</strong> sowieso schon<br />

unüberbrückbar, schmerzvoll genug auch ohne <strong>die</strong>ses <strong>zu</strong>sätzl<strong>ich</strong>e Bild in meinem Kopf.<br />

Aber <strong>ich</strong> konnte <strong>die</strong> regenbogenfarbenen Punkte auf ihrer Haut n<strong>ich</strong>t ignorieren, als <strong>ich</strong> näher<br />

kam. Ich <strong>war</strong> so ein Freak! Ich stellte <strong>mir</strong> ihre Panik vor, wenn sie jetzt <strong>die</strong> Augen öffnete…<br />

Ich wollte schon <strong>zu</strong>rückwe<strong>ich</strong>en, aber sie murmelte wie<strong>der</strong> und hielt m<strong>ich</strong> dort.<br />

„Mmm… Mmm.“<br />

N<strong>ich</strong>ts Verständl<strong>ich</strong>es. Naja, <strong>ich</strong> würde noch ein bisschen <strong>war</strong>ten.<br />

Vors<strong>ich</strong>tig stahl <strong>ich</strong> ihr Buch, streckte meinen Arm aus und hielt meinen Atem an, als <strong>ich</strong> ihr<br />

so nahe <strong>war</strong>, nur <strong>zu</strong>r S<strong>ich</strong>erheit. Ich begann wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> atmen als <strong>ich</strong> ein paar Meter entfernt <strong>war</strong> und<br />

teste wie das Sonnenl<strong>ich</strong>t und <strong>die</strong> frische Luft ihren Duft beeinflusst hatten. Die Hitze schien den Duft<br />

<strong>zu</strong> versüßen. Meine Kehle flammte auf vor Verlangen, das Feuer <strong>war</strong> wie<strong>der</strong> frisch und wütend, weil<br />

<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> lange von ihr getrennt gewesen <strong>war</strong>.<br />

Ich verbrachte einen Moment damit, m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> konzentrieren und dann – <strong>ich</strong> zwang m<strong>ich</strong><br />

durch meine Nase <strong>zu</strong> atmen – ließ <strong>ich</strong> das Buch in meinen Händen auffallen. Sie hatte mit dem <strong>erste</strong>n<br />

Buch angefangen… Ich überflog <strong>die</strong> Seiten bis <strong>zu</strong>m dritten Kapitel von Sinn und Sinnl<strong>ich</strong>keit auf <strong>der</strong><br />

Suche nach irgendetwas Provozierendem auf Austen‘s all<strong>zu</strong> höfl<strong>ich</strong>en Seiten.<br />

Meine Augen stoppten automatisch bei meinem Namen – <strong>der</strong> Charakter Ed<strong>war</strong>d Ferrars<br />

wurde <strong>zu</strong>m <strong>erste</strong>n Mal eingefügt – Bella sprach wie<strong>der</strong>.<br />

„Mmm. Ed<strong>war</strong>d,“ seufzte sie.<br />

Dieses Mal hatte <strong>ich</strong> keine Angst, dass sie aufgewacht sein könnte. Ihre Stimme <strong>war</strong> nur ein<br />

leises Murmeln. Kein angsterfüllter Schrei, den sie von s<strong>ich</strong> gegeben hätte, wenn sie m<strong>ich</strong> jetzt<br />

gesehen hätte.<br />

Freude rang mit dem Ekel vor <strong>mir</strong> selbst. Sie träumte immer noch von <strong>mir</strong>.<br />

„Edmund. Ah. Zu… ähnl<strong>ich</strong>…“<br />

Edmund?<br />

Ha! Sie träumte gar n<strong>ich</strong>t von <strong>mir</strong>, stellte <strong>ich</strong> verbitterte fest. Der Ekel kam stärker <strong>zu</strong>rück. Sie<br />

träumte von fiktionalen Charakteren. So viel <strong>zu</strong> meiner Einbildung.<br />

Ich legte ihr Buch <strong>zu</strong>rück und stahl m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rück in <strong>die</strong> Schatten – wo <strong>ich</strong> hingehörte.<br />

Der Nachmittag verstr<strong>ich</strong> und <strong>ich</strong> beobachtete wie <strong>die</strong> Sonne langsam am Himmel versank<br />

und <strong>die</strong> Schatten langsam auf sie <strong>zu</strong> krochen. Ich fühlte m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> hilflos. Ich wollte <strong>die</strong> Schatten<br />

vertreiben, aber <strong>die</strong> Dunkelheit <strong>war</strong> unauswe<strong>ich</strong>l<strong>ich</strong>; <strong>die</strong> Schatten verschlangen sie. Als das L<strong>ich</strong>t<br />

verschwunden <strong>war</strong>, sah ihre Haut <strong>zu</strong> blass aus – geisterhaft. Ihr Haar wie<strong>der</strong> dunkel, fast sch<strong>war</strong>z<br />

neben ihrem Ges<strong>ich</strong>t.<br />

Es <strong>war</strong> beängstigend <strong>zu</strong> beobachten – als würde <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sehen, wie Alices Vision in Erfüllung<br />

ging. Bellas stetiger Herzschlag <strong>war</strong> <strong>die</strong> einzige Beruhigung, das Geräusch, das <strong>die</strong>sen Moment davon<br />

abhielt <strong>zu</strong> einem Albtraum <strong>zu</strong> werden.<br />

Ich <strong>war</strong> erle<strong>ich</strong>tert als ihr Vater nach Hause kam.


Ich konnte n<strong>ich</strong>t viel von ihm hören, als er <strong>die</strong> Straße herunter R<strong>ich</strong>tung Haus fuhr. Eine vage<br />

Verstimmung… in <strong>der</strong> Vergangenheit, irgendetwas von seinem Arbeitstag. Er<strong>war</strong>tung vermischt mit<br />

Hunger – <strong>ich</strong> vermutete, dass er s<strong>ich</strong> auf das Abendessen freute. Aber <strong>die</strong>se Gedanken <strong>war</strong>en so leise<br />

und <strong>zu</strong>rückhaltend, dass <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er sein konnte; <strong>ich</strong> bekam nur das Wesentl<strong>ich</strong>e von ihnen<br />

mit.<br />

Ich fragte m<strong>ich</strong>, wie ihre Mutter wohl klang – welche genetischen Verbindungen sie so<br />

einzigartig machte.<br />

Bella wachte langsam auf und setzte s<strong>ich</strong> ruckartig auf als <strong>der</strong> Wagen ihres Vaters <strong>die</strong> steinige<br />

Auffahrt entlangfuhr. Sie schaute s<strong>ich</strong> um und wirkte verwirrt von <strong>der</strong> uner<strong>war</strong>teten Dunkelheit. Für<br />

einen kurzen Moment fiel ihr <strong>Blick</strong> auf <strong>die</strong> Schatten in denen <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>ckte, aber dann wandte<br />

sie s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> ab.<br />

„Charlie?“ fragte sie leise während sie immer noch in <strong>die</strong> Bäume spähte <strong>die</strong> um den Garten<br />

herumstanden.<br />

Er schlug <strong>die</strong> Autotür <strong>zu</strong> und sie sah in <strong>die</strong> R<strong>ich</strong>tung aus <strong>der</strong> das Geräusch kam. Sie sprang<br />

schnell auf <strong>die</strong> Füße, raffte ihr Zeug <strong>zu</strong>sammen und <strong>war</strong>f noch einen letzten <strong>Blick</strong> auf den Wald.<br />

Ich kletterte auf einen Baum, <strong>der</strong> nähe bei dem Küchenfenster stand und belauschte ihren<br />

Abend. Es <strong>war</strong> interessant Charlies Worte mit seinen verschlüsselten Gedanken <strong>zu</strong> vergle<strong>ich</strong>en. Seine<br />

Liebe und seine Sorge um seine einzige Tochter <strong>war</strong>en schier überwältigend, und doch <strong>war</strong>en seine<br />

Worte immer knapp und beiläufig. Die meiste Zeit saßen sie in geselliger Stille beisammen.<br />

Ich hörte wie sie ihre Pläne für den morgigen Tag in Port Angeles mit ihm besprach und <strong>ich</strong><br />

passte meine eigenen Pläne an, während <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>hörte. Jasper hatte Peter und Charlotte n<strong>ich</strong>t gebeten<br />

s<strong>ich</strong> von Port Angeles fern <strong>zu</strong> halten. Obwohl <strong>ich</strong> wusste, dass sie ausre<strong>ich</strong>end gesättigt <strong>war</strong>en und<br />

n<strong>ich</strong>t vorhatten in <strong>der</strong> näheren Umgebung <strong>zu</strong> jagen, würde <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t aus den Augen lassen, nur <strong>zu</strong>r<br />

S<strong>ich</strong>erheit. Abgesehen davon, gab es immer noch an<strong>der</strong>e meiner Art da draußen. Und dann <strong>war</strong>en da<br />

noch <strong>die</strong> vielen menschl<strong>ich</strong>en Gefahren da draußen, über <strong>die</strong> <strong>ich</strong> vorher nie nachgedacht hatte.<br />

Ich hörte wie sie s<strong>ich</strong> darum sorgte ihren Vater mit den Vorbereitungen des Abendessens<br />

allein <strong>zu</strong> lassen und lächelte über <strong>die</strong>se Bestätigung meiner Theorie – ja sie kümmerte s<strong>ich</strong> um<br />

an<strong>der</strong>e.<br />

Und dann ging <strong>ich</strong> mit dem Wissen, dass <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong>kommen würde wenn sie schlief.<br />

Ich würde ihre Privatsphäre n<strong>ich</strong>t in dem Sinne missachten wie ein Spanner es tat. Ich <strong>war</strong><br />

hier als ihr Beschützer und n<strong>ich</strong>t um sie an<strong>zu</strong>gaffen, wie Mike Newton es zweifellos getan hätte wenn<br />

er behende genug gewesen wäre, s<strong>ich</strong> so wie <strong>ich</strong> durch <strong>die</strong> Baumkronen <strong>zu</strong> bewegen. Ich würde sie<br />

n<strong>ich</strong>t so respektlos behandeln.<br />

Mein Haus <strong>war</strong> leer als <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rückkam, was <strong>mir</strong> sehr recht <strong>war</strong>. Ich vermisste <strong>die</strong><br />

verwun<strong>der</strong>ten o<strong>der</strong> geringschätzigen Gedanken n<strong>ich</strong>t, <strong>die</strong> meinen Verstand in Frage stellten. Emmett<br />

hatte eine Nachr<strong>ich</strong>t auf dem Treppenpfosten hinterlassen.<br />

Football auf dem Rainier Feld – komm schon! Bitte?<br />

Ich fand einen Stift und kritzelte das Wort sorry unter seine Bitte. Die Teams <strong>war</strong>en auch<br />

ohne m<strong>ich</strong> ausgegl<strong>ich</strong>en.<br />

Ich machte den kürzesten Jagdausflug meines Lebens, gab m<strong>ich</strong> mit kleineren, harmloseren<br />

Kreaturen <strong>zu</strong>frieden, <strong>die</strong> n<strong>ich</strong>t so gut schmeckten wie <strong>die</strong> Raubtiere und schlüpfte in frische Kleidung<br />

bevor <strong>ich</strong> nach Forks <strong>zu</strong>rückrannte.<br />

Bella schlief <strong>die</strong>se Nacht wie<strong>der</strong> unruhig. Sie zerwühlte ihr Bettlaken, ihr Ges<strong>ich</strong>t mal besorgt<br />

und mal traurig. Ich fragte m<strong>ich</strong> was für ein Albtraum sie verfolgte… und bemerkte dann dass <strong>ich</strong> das<br />

vielle<strong>ich</strong>t besser gar n<strong>ich</strong>t wissen wollte.


Wenn sie sprach, murmelte sie hauptsächl<strong>ich</strong> abfällig Dinge über Forks in einem mürrischen<br />

Tonfall. Nur einmal, als sie <strong>die</strong> Worte „Komm <strong>zu</strong>rück“ seufzte und ihre Handfläche nach außen drehte<br />

– eine wortlose Bitte – hatte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Hoffnung, dass sie vielle<strong>ich</strong>t von <strong>mir</strong> träumte.<br />

Der nächste Schultag, <strong>der</strong> letzt Tag an dem <strong>die</strong> Sonne m<strong>ich</strong> gefangen hielt, <strong>war</strong> genau wie <strong>der</strong><br />

Tag <strong>zu</strong>vor. Bella wirkte noch trauriger als gestern und <strong>ich</strong> fragte m<strong>ich</strong>, ob sie ihre Pläne doch noch<br />

absagen würde – sie schien n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Stimmung dafür <strong>zu</strong> sein.<br />

Aber, da sie Bella <strong>war</strong>, würde sie vermutl<strong>ich</strong> das Vergnügen ihrer Freunde über ihr eigenes<br />

stellen.<br />

Sie trug heute eine dunkelblaue Bluse und <strong>die</strong> Farbe betonte ihre Haut perfekt, ließ sie<br />

cremig aussehen.<br />

Als <strong>die</strong> Schule <strong>zu</strong> Ende <strong>war</strong>, vereinbarten sie, dass Jessica <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en Mädchen abholen<br />

würde – Angela kam auch mit, wofür <strong>ich</strong> dankbar <strong>war</strong>.<br />

Ich ging nach Hause um meinen Wagen <strong>zu</strong> holen. Als <strong>ich</strong> dort Peter und Charlotte vorfand<br />

entschied <strong>ich</strong>, den Mädchen eine Stunde Vorsprung <strong>zu</strong> lassen. Ich hätte es sowieso n<strong>ich</strong>t ausgehalten<br />

m<strong>ich</strong> an ihr Tempo <strong>zu</strong> halten um ihnen <strong>zu</strong> folgen – ein scheußl<strong>ich</strong>er Gedanke.<br />

Ich kam <strong>zu</strong>r Küche hinein und nickte Emmett und Esme kurz <strong>zu</strong> während <strong>ich</strong> an den an<strong>der</strong>en<br />

vorbei direkt <strong>zu</strong>m Piano ging.<br />

Ugh, er ist <strong>zu</strong>rück. Rosalie natürl<strong>ich</strong>.<br />

Ah, Ed<strong>war</strong>d. Ich hasse es ihn so leiden <strong>zu</strong> sehen. Esmes Freude wurde von Sorge überlagert.<br />

Sie sollte besorgt sein. Diese Love Story <strong>die</strong> sie s<strong>ich</strong> für m<strong>ich</strong> wünschte raste immer spürbarer auf<br />

eine Tragö<strong>die</strong> <strong>zu</strong>.<br />

Viel Spaß in Port Angeles heute Abend, dacht Alice aufmunternd. Sag <strong>mir</strong> bescheid, wenn <strong>ich</strong><br />

endl<strong>ich</strong> mit Bella reden darf.<br />

Du bist erbärml<strong>ich</strong>. Ich kann es n<strong>ich</strong>t fassen, dass du das Spiel letzte Nacht verpasst hast um<br />

jemanden beim Schlafen <strong>zu</strong> beobachten, grummelte Emmett.<br />

Jasper beachtete m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t in seinen Gedanken, auch n<strong>ich</strong>t als das Stück dass <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> spielen<br />

begann etwas stürmischer klang als <strong>ich</strong> beabs<strong>ich</strong>tigt hatte. Es <strong>war</strong> ein altes Stück mit einem<br />

bekannten Thema: Ungeduld. Jasper verabschiedete s<strong>ich</strong> von seinen Freunden <strong>die</strong> m<strong>ich</strong> neugierig<br />

beobachteten.<br />

Was für eine seltsame Kreatur, dachte <strong>die</strong> weißblonde Charlotte, <strong>die</strong> ungefähr so groß <strong>war</strong><br />

wie Alice. Und er <strong>war</strong> so normal und höfl<strong>ich</strong> als wir ihn das letzte Mal getroffen haben.<br />

Peters Gedanken stimmten mit ihren überein, wie es meistens <strong>der</strong> Fall <strong>war</strong>.<br />

Es muss an den Tieren liegen. Ohne menschl<strong>ich</strong>es Blut werden sie vielle<strong>ich</strong>t alle irgendwann<br />

verrückt, schloss er. Sein Haar <strong>war</strong> genauso hell wie ihres und auch fast so lang. Sie <strong>war</strong>en s<strong>ich</strong> sehr<br />

ähnl<strong>ich</strong> – abgesehen von <strong>der</strong> Größe, denn er <strong>war</strong> ungefähr so groß wie Jasper – sowohl optisch als<br />

auch in ihren Gedanken. Sie <strong>war</strong>en ein perfektes Paar.<br />

Alle außer Esme hörten bald auf über m<strong>ich</strong> nach<strong>zu</strong>denken und <strong>ich</strong> spielte gemäßigtere Töne<br />

um ihre Aufmerksamkeit n<strong>ich</strong>t wie<strong>der</strong> auf m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> lenken. Es <strong>war</strong> schwer das Mädchen n<strong>ich</strong>t mehr <strong>zu</strong><br />

sehen. Ich horchte erst wie<strong>der</strong> auf, als <strong>die</strong> Verabschiedung langsam endgültig klang.<br />

„Wenn du Maria wie<strong>der</strong> siehst,“ sagte Jasper ein bisschen ironisch, „bestell ihr schöne Grüße<br />

von <strong>mir</strong>.“<br />

Maria <strong>war</strong> <strong>der</strong> Vampir <strong>der</strong> sie beide, Jasper und Peter erschaffen hatte – Jasper in <strong>der</strong> letzten<br />

Hälfte des neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts, Peter erst vor kurzem, in den Neunzehnhun<strong>der</strong>tvierzigern. Sie<br />

hatte einmal nach Jasper gesehen, als wir in Calgary <strong>war</strong>en. Es <strong>war</strong> ein aufregen<strong>der</strong> Besuch – wir<br />

mussten sofort umziehen. Jasper hatte sie höfl<strong>ich</strong> gebeten, s<strong>ich</strong> von nun an von uns fern <strong>zu</strong> halten.


„Ich glaube n<strong>ich</strong>t, dass das so bald passieren wird,“ sagte Peter lachend – Maria <strong>war</strong><br />

unglaubl<strong>ich</strong> gefährl<strong>ich</strong> und es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t mehr viel Zuneigung zwischen ihr und Peter übrig geblieben.<br />

Peter <strong>war</strong> maßgebl<strong>ich</strong> an Jaspers Treuebruch beteiligt. Jasper <strong>war</strong> immer Marias Liebling gewesen;<br />

sie betrachtete es als unw<strong>ich</strong>tige Kleinigkeit, dass sie einst vorhatte ihn <strong>zu</strong> töten. „Aber wenn es<br />

passieren sollte, werde <strong>ich</strong> es ihr auf jeden Fall ausr<strong>ich</strong>ten.“<br />

Sie re<strong>ich</strong>ten s<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Hände. Ich ließ das Stück <strong>zu</strong> einem unbefriedigenden Ende auslaufen<br />

und stand hastig auf.<br />

„Charlotte, Peter,“ sagte <strong>ich</strong> und nickte.<br />

„Es <strong>war</strong> nett d<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong><strong>zu</strong>sehen, Ed<strong>war</strong>d,“ sagte Charlotte zweifelnd. Peter nickte nur<br />

<strong>zu</strong>stimmend.<br />

Verrückter, <strong>war</strong>f <strong>mir</strong> Emmett nach.<br />

Idiot, dachte Rosalie <strong>zu</strong>r gle<strong>ich</strong>en Zeit.<br />

Armer Junge. Esme.<br />

Und Alice, in einem neckenden Tonfall. Sie gehen direkt nach Osten, nach Seattle. N<strong>ich</strong>t mal<br />

in <strong>die</strong> Nähe von Port Angeles. Sie zeigte <strong>mir</strong> den Beweis in ihrer Vision.<br />

Ich tat so als hätte <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t gehört. Meine Entschuldigungen <strong>war</strong>en sowieso schon<br />

schwach genug.<br />

Sobald <strong>ich</strong> in meinem Auto <strong>war</strong>, fühlte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> entspannter; das stabile Schnurren des<br />

Motors das Rosalie für m<strong>ich</strong> verstärkt hatte – letztes Jahr als sie noch bessere Laune hatte – <strong>war</strong><br />

beruhigend. Es <strong>war</strong> eine Erle<strong>ich</strong>terung in Bewegung <strong>zu</strong> sein, <strong>zu</strong> wissen, dass <strong>ich</strong> mit je<strong>der</strong> Meile <strong>die</strong><br />

unter <strong>mir</strong> hinweg flog näher <strong>zu</strong> Bella kam.


8. Port Angeles<br />

Als <strong>ich</strong> in Port Angeles ankam <strong>war</strong> es noch <strong>zu</strong> hell für m<strong>ich</strong> um in <strong>die</strong> Stadt <strong>zu</strong> fahren; <strong>die</strong> Sonne stand<br />

immer noch <strong>zu</strong> hoch am Himmel, und, obwohl meine Scheiben sch<strong>war</strong>z getönt <strong>war</strong>en, wollte <strong>ich</strong> kein<br />

unnötiges Risiko eingehen. Mehr unnötige Risiken, sollte <strong>ich</strong> sagen.<br />

Ich <strong>war</strong> <strong>zu</strong>vers<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> Jessicas Gedanken auch aus <strong>der</strong> Ferne finden würde – Jessicas<br />

Gedanken <strong>war</strong>en lauter als Angelas, aber wenn <strong>ich</strong> <strong>die</strong> eine gefunden hatte, konnte <strong>ich</strong> auch <strong>die</strong><br />

an<strong>der</strong>e finden. Wenn <strong>die</strong> Schatten länger wurden, konnte <strong>ich</strong> näher kommen. Aber jetzt lenkte <strong>ich</strong><br />

den Wagen erst mal von <strong>der</strong> Straße auf eine überwucherte Einfahrt kurz vor <strong>der</strong> Stadt <strong>die</strong> selten<br />

genutzt wurde.<br />

Ich wusste <strong>die</strong> ungefähre R<strong>ich</strong>tung in <strong>der</strong> <strong>ich</strong> suchen müsste – es gab wirkl<strong>ich</strong> nur einen Ort in<br />

Port Angeles wo man Klamotten kaufen konnte. Es dauerte n<strong>ich</strong>t lange bis <strong>ich</strong> Jessica gefunden hatte,<br />

<strong>die</strong> s<strong>ich</strong> vor einem dreigeteilten Spiegel hin und her drehte, und <strong>ich</strong> konnte Bella im Hintergrund<br />

sitzen sehen, um das lange sch<strong>war</strong>ze Kleid, das sie trug <strong>zu</strong> begutachten.<br />

Bella sieht immer noch sauer aus. Ha ha. Angela hatte recht – Tyler hatte s<strong>ich</strong> etwas<br />

eingebildet. Trotzdem kann <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t v<strong>erste</strong>hen, <strong>war</strong>um sie s<strong>ich</strong> so anstellt. Immerhin weiß sie, dass sie<br />

ein Date in Reserve hat für den Abschlussball. Was wenn Mike s<strong>ich</strong> auf dem Frühlingsball n<strong>ich</strong>t<br />

amüsiert und m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t noch einmal fragt, ob <strong>ich</strong> mit ihm ausgehen möchte? Was wenn er Bella <strong>zu</strong>m<br />

Abschlussball einlädt? Hätte sie Mike gefragt ob er mit ihr <strong>zu</strong>m Frühlingsball geht, wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts<br />

gesagt hätte? Findet er sie hübscher als m<strong>ich</strong>? Findet sie s<strong>ich</strong> hübscher als m<strong>ich</strong>?<br />

„Ich glaube <strong>ich</strong> finde das Blaue besser. Es betont deine Augen.“<br />

Jessica lächelte Bella mit falscher Wärme an, während sie sie misstrauisch anschielte.<br />

Glaubt sie das wirkl<strong>ich</strong>? O<strong>der</strong> will sie, dass <strong>ich</strong> am Samstag wie eine Kuh aussehe?<br />

Ich hatte schon keine Lust mehr, Jessica <strong>zu</strong><strong>zu</strong>hören. Ich suchte in <strong>der</strong> Nähe nach Angela – ah,<br />

aber Angela zog s<strong>ich</strong> grad um und <strong>ich</strong> verschwand schnell wie<strong>der</strong> aus ihrem Kopf um ihr etwas<br />

Privatsphäre <strong>zu</strong> geben.<br />

Naja, es gab n<strong>ich</strong>t viele Gefahren denen Bella in einem Bekleidungsgeschäft ausgesetzt <strong>war</strong>.<br />

Ich würde sie erst mal in Ruhe shoppen lassen und sie dann einholen wenn sie fertig <strong>war</strong>en. Es würde<br />

n<strong>ich</strong>t mehr lange dauern bis es dunkel <strong>war</strong> – <strong>die</strong> Wolken kamen langsam aus R<strong>ich</strong>tung Westen<br />

<strong>zu</strong>rück. Ich sah sie nur schemenhaft zwischen den dicken Bäumen, aber <strong>ich</strong> konnte sehen, wie sie den<br />

Sonnenuntergang beschleunigten. Ich freute m<strong>ich</strong> über sie, erflehte sie mehr als <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> jemals<br />

<strong>zu</strong>vor nach ihren Schatten gesehnt hatte. Morgen konnte <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> neben Bella in <strong>der</strong> Schule sitzen,<br />

ihre ganze Aufmerksamkeit während <strong>der</strong> Pause für m<strong>ich</strong> beanspruchen. Ich konnte ihr all <strong>die</strong> Fragen<br />

stellen, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> aufgehoben hatte…<br />

Also, sie <strong>war</strong> sauer über Tylers Annahme. Ich hatte es in seinem Kopf gesehen – dass er es<br />

wörtl<strong>ich</strong> gemeint hatte, als er vom Abschlussball sprach, dass er ein Anrecht erhob. Ich erinnerte<br />

m<strong>ich</strong> an ihren Ges<strong>ich</strong>tsausdruck an <strong>die</strong>sem einen Nachmittag – <strong>die</strong>ser geschockte Zweifel – und <strong>ich</strong><br />

lachte. Ich fragte m<strong>ich</strong>, was sie ihm wohl da<strong>zu</strong> sagen würde. Ich würde ihre Reaktion n<strong>ich</strong>t verpassen<br />

wollen.<br />

Die Zeit verging langsam während <strong>ich</strong> darauf <strong>war</strong>tete, dass <strong>die</strong> Schatten länger wurden. Ich<br />

schaute hin und wie<strong>der</strong> nach Jessica; ihre mentale Stimme <strong>war</strong> am einfachsten <strong>zu</strong> finden, aber <strong>ich</strong>


hielt es dort n<strong>ich</strong>t lange aus. Ich sah das Restaurant indem sie planten <strong>zu</strong> Abend <strong>zu</strong> essen. Dann<br />

würde es dunkel sein… vielle<strong>ich</strong>t würde <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>fällig dasselbe Restaurant wählen. Ich berührte das<br />

Telefon in meiner Tasche und überlegte ob <strong>ich</strong> Alice <strong>zu</strong>m Essen einladen sollte… <strong>Das</strong> würde ihr<br />

gefallen, aber sie würde auch mit Bella reden wollen. Ich <strong>war</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er, ob <strong>ich</strong> bereit <strong>war</strong> um<br />

Bella noch weiter in meine Welt <strong>zu</strong> involvieren. War ein Vampir n<strong>ich</strong>t schon Problem genug?<br />

Ich schaute wie<strong>der</strong> bei Jessica rein. Sie dachte über ihren Schmuck nach und fragte Angela<br />

nach ihrer Meinung.<br />

„Vielle<strong>ich</strong>t sollte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Kette <strong>zu</strong>rückbringen. Ich hab eine Zuhause <strong>die</strong> passen könnte,<br />

außerdem hab <strong>ich</strong> schon mehr Geld ausgegeben als <strong>ich</strong> durfte…“ Meine Mutter wird ausrasten. Was<br />

hab <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> nur dabei gedacht?<br />

„Es macht <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>ts aus <strong>zu</strong> dem Laden <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> gehen. Aber meinst du n<strong>ich</strong>t, Bella wird s<strong>ich</strong><br />

wun<strong>der</strong>n wo wir bleiben?“<br />

Was <strong>war</strong> das? Bella <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t bei ihnen? Ich schaute <strong>zu</strong>erst durch Jessicas Augen, dann durch<br />

Angelas. Sie <strong>war</strong>en auf dem Gehweg vor einer Reihe von Läden und machten gerade kehrt. Bella <strong>war</strong><br />

nirgendwo <strong>zu</strong> sehen.<br />

Oh, wen interessiert denn schon Bella? Dachte Jessica ungeduldig bevor sie Angelas Frage<br />

beantwortete. „Es geht ihr s<strong>ich</strong>er gut. Wir werden schon noch früh genug bei dem Restaurant sein,<br />

auch wenn wir <strong>zu</strong>rück gehen. Abgesehen davon hatte <strong>ich</strong> den Eindruck, dass sie allein sein wollte.“ Ich<br />

erhaschte einen kurzen <strong>Blick</strong> auf einen Buchladen <strong>zu</strong> dem Jessica dachte, dass Bella gegangen seih.<br />

„Dann lass uns beeilen,“ sagte Angela. Ich hoffe, Bella denkt n<strong>ich</strong>t wir hätten sie sitzen lassen.<br />

Sie <strong>war</strong> heute im Auto so nett <strong>zu</strong> <strong>mir</strong>… sie ist wirkl<strong>ich</strong> ein liebenswerter Mensch. Aber sie wirkte den<br />

ganzen Tag irgendwie deprimiert. Ich frag m<strong>ich</strong>, ob das mit Ed<strong>war</strong>d Cullen <strong>zu</strong>sammenhängt? Ich<br />

wette, deshalb hat sie nach seiner Familie gefragt…<br />

Ich hätte besser aufpassen sollen. Was hatte <strong>ich</strong> sonst noch verpasst? Bella lief hier ganz<br />

alleine herum und sie hatte vorher nach <strong>mir</strong> gefragt? Angela schenkte nun Jessica ihre<br />

Aufmerksamkeit – Jessica quasselte über <strong>die</strong>sen Idioten Mike – und <strong>ich</strong> konnte keine Informationen<br />

mehr von ihr bekommen.<br />

Ich kontrollierte <strong>die</strong> Schatten. Die Sonne würde sehr bald hinter den Wolken verschwunden<br />

sein. Wenn <strong>ich</strong> auf <strong>der</strong> westl<strong>ich</strong>en Seite <strong>der</strong> Straße blieb, wo <strong>die</strong> Gebäude sie vor dem schwindenden<br />

L<strong>ich</strong>t abschirmten…<br />

Ich wurde langsam ängstl<strong>ich</strong> während <strong>ich</strong> durch den d<strong>ich</strong>ten Verkehr R<strong>ich</strong>tung Stadtmitte<br />

fuhr. Damit hatte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gerechnet – Bella lief alleine los – und <strong>ich</strong> hatte keine Ahnung, wie <strong>ich</strong> sie<br />

finden könnte. Ich hätte damit rechnen müssen.<br />

Ich kannte Port Angeles gut; <strong>ich</strong> fuhr direkt <strong>zu</strong> dem Buchladen aus Jessicas Kopf, in <strong>der</strong><br />

Hoffnung, dass meine Suche kurz sein würde, bezweifelte jedoch, dass es so einfach sein würde.<br />

Wann machte Bella es je einfach?<br />

Und natürl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> <strong>der</strong> kleine Laden leer, abgesehen von <strong>der</strong> seltsam gekleideten Frau hinter<br />

<strong>der</strong> Kasse. <strong>Das</strong> sah n<strong>ich</strong>t nach einem Ort aus, an dem Bella interessiert gewesen wäre – <strong>zu</strong> New Age<br />

für eine bodenständige Person. Ich fragte m<strong>ich</strong>, ob sie überhaupt hineingegangen <strong>war</strong>?<br />

Da <strong>war</strong> ein schattiges Plätzchen in dem <strong>ich</strong> parken konnte… Von dem Platz führte ein dunkler<br />

Pfad direkt bis <strong>zu</strong>m Überhang des Ladens. <strong>Das</strong> sollt <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t tun. Zu <strong>die</strong>ser <strong>Tageszeit</strong><br />

herum<strong>zu</strong>laufen <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er. Was wenn ein vorbeifahrendes Auto <strong>die</strong> Sonne in genau dem<br />

falschen Moment in R<strong>ich</strong>tung Schatten reflektieren würde?<br />

Aber <strong>ich</strong> wusste n<strong>ich</strong>t, wie <strong>ich</strong> sonst nach Bella suchen sollte!


Ich parkte, stieg aus und hielt m<strong>ich</strong> im tiefsten Schatten auf. Schnell hastete <strong>ich</strong> in den Laden<br />

und erhaschte den Hauch von Bellas Duft in <strong>der</strong> Luft. Sie <strong>war</strong> hier gewesen, auf dem Gehweg, aber<br />

kein Ze<strong>ich</strong>en ihrer Anwesenheit im Laden.<br />

„Guten Tag! Kann <strong>ich</strong> ihnen helfen…“ begann <strong>die</strong> Verkäuferin, aber da <strong>war</strong> <strong>ich</strong> längst wie<strong>der</strong><br />

<strong>zu</strong>r Tür hinaus.<br />

Ich folgte Bellas Duft soweit <strong>der</strong> Schatten es erlaubte und hielt am Rande des Sonnenl<strong>ich</strong>ts<br />

an.<br />

Wie hilflos <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> fühlte – eingepfercht von <strong>der</strong> schmalen Linie zwischen Dunkelheit und<br />

L<strong>ich</strong>t, <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> über den Gehweg vor <strong>mir</strong> zog. So eingeschränkt.<br />

Ich konnte nur raten, dass sie <strong>der</strong> Straße in R<strong>ich</strong>tung Süden gefolgt <strong>war</strong>. Dort gab es n<strong>ich</strong>t viel<br />

<strong>zu</strong> sehen. Hatte sie s<strong>ich</strong> verlaufen? Naja, das schien n<strong>ich</strong>t beson<strong>der</strong>s abwegig.<br />

Ich stieg wie<strong>der</strong> ins Auto und fuhr langsam durch <strong>die</strong> Straßen, auf <strong>der</strong> Suche nach Ihr. Hin und<br />

wie<strong>der</strong> stieg <strong>ich</strong> an Schattigen Stellen aus, aber <strong>ich</strong> witterte ihren Duft nur noch ein Mal und <strong>die</strong><br />

R<strong>ich</strong>tung in <strong>die</strong> er wehte, verwirrte m<strong>ich</strong>. Wo wollte sie hin?<br />

Ich fuhr ein paarmal zwischen dem Buchladen und dem Restaurant hin und her, in <strong>der</strong><br />

Hoffnung ihr auf dem Weg <strong>zu</strong> begegnen. Jessica und Angela <strong>war</strong>en bereits da und überlegten ob sie<br />

schon mal bestellen o<strong>der</strong> noch auf Bella <strong>war</strong>ten sollten. Jessica drängte da<strong>zu</strong>, sofort <strong>zu</strong> bestellen.<br />

Ich begann durch <strong>die</strong> Gedanken von Fremden <strong>zu</strong> huschen um durch ihre Augen <strong>zu</strong> sehen.<br />

Bestimmt musste sie irgendwer gesehen haben.<br />

Je länger sie verschwunden blieb umso nervöser und besorgter wurde <strong>ich</strong>. Ich hätte nie<br />

gedacht, dass es so schwer sein würde, sie wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> finden, wenn <strong>ich</strong> sie einmal, wie jetzt, verlieren<br />

würde. <strong>Das</strong> gefiel <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t.<br />

Die Wolken verd<strong>ich</strong>teten s<strong>ich</strong> am Horizont und in ein paar Minuten konnte <strong>ich</strong> ihr <strong>zu</strong> Fuß<br />

folgen. Dann würde <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr so lange brauchen. Einzig <strong>die</strong> Sonne machte m<strong>ich</strong> so hilflos. Nur<br />

noch ein paar Minuten und <strong>der</strong> Vorteil läge wie<strong>der</strong> auf meiner Seite, dann wäre <strong>die</strong> menschl<strong>ich</strong>e Welt<br />

wie<strong>der</strong> machtlos.<br />

An<strong>der</strong>e Gedanken und wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e. So viele belanglose Gedanken.<br />

… <strong>ich</strong> glaube das Baby hat schon wie<strong>der</strong> eine Ohrenentzündung…<br />

War es sechs vier null o<strong>der</strong> sechs null vier…?<br />

Schon wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> spät. Ich sollte ihm mal sagen…<br />

Da kommt sie! Aha!<br />

Endl<strong>ich</strong>, da <strong>war</strong> ihr Ges<strong>ich</strong>t. Letztendl<strong>ich</strong> hatte jemand sie bemerkt!<br />

Die Erle<strong>ich</strong>terung hielt nur für den Bruchteil einer Sekunde und dann las <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Gedanken<br />

des Mannes <strong>der</strong> aus dem Schatten ihr Ges<strong>ich</strong>t begutachtete genauer.<br />

Sein Geist <strong>war</strong> <strong>mir</strong> fremd und doch n<strong>ich</strong>t ganz unbekannt. Einst hatte <strong>ich</strong> genau solche<br />

Gedanken gejagt.<br />

„NEIN!“ brüllte <strong>ich</strong>, und ein gewaltiges Knurren brach aus meiner Kehle. Mein Fuß trat das<br />

Gaspedal durch, aber wo sollte <strong>ich</strong> hinfahren?<br />

Ich kannte <strong>die</strong> ungefähre R<strong>ich</strong>tung aus <strong>der</strong> <strong>die</strong> Gedanken kamen, aber das Wissen <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

detailiert genug. Irgendetwas, da musste irgendetwas sein – ein Straßenschild, eine Ladenfront,<br />

irgendetwas in seinem <strong>Blick</strong>feld, dass seinen Aufenthaltsort verraten würde. Aber Bella stand im<br />

Schatten und sein <strong>Blick</strong> <strong>war</strong> auf ihr verängstigtes Ges<strong>ich</strong>t geheftet – er genoss ihre Angst.<br />

Ihr Ges<strong>ich</strong>t verschwamm in seinen Gedanken mit an<strong>der</strong>en Ges<strong>ich</strong>tern. Bella <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t sein<br />

<strong>erste</strong>s Opfer.<br />

<strong>Das</strong> Geräusch meines Knurrens brachte den Autorahmen <strong>zu</strong>m vibrieren, aber das lenkte m<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t ab.


In den Wänden hinter ihr <strong>war</strong>en keine Fenster. Irgendwo im Industriegebiet, weit weg von<br />

<strong>der</strong> bevölkerten Einkaufsstraße. Mein Wagen fuhr quietschend um <strong>die</strong> Kurve, überholte ein an<strong>der</strong>es<br />

Fahrzeug auf dem Weg in <strong>die</strong>, wie <strong>ich</strong> hoffte, r<strong>ich</strong>tige R<strong>ich</strong>tung. Als <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Fahrer hupte, <strong>war</strong> das<br />

Geräusch schon weit hinter <strong>mir</strong>.<br />

Sie nur wie sie zittert! Der Mann lachte er<strong>war</strong>tungsvoll. Die Angst <strong>war</strong> seine Motivation – er<br />

genoss es.<br />

„Bleib weg von <strong>mir</strong>.“ Ihre Stimme <strong>war</strong> ruhig und fest, kein Schrei.<br />

„Seih doch n<strong>ich</strong>t so, Herzchen.“<br />

Er sah wie sie s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> einem rauen Lachen umdrehte, das aus einer an<strong>der</strong>en R<strong>ich</strong>tung kam.<br />

<strong>Das</strong> Geräusch verärgerte ihn – Halts Maul, Jeff! Dachte er – aber er mochte es wie sie<br />

<strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>ckte. Es erregte ihn. Er begann s<strong>ich</strong> ihre Bitten vor<strong>zu</strong>stellen, wie sie betteln würde…<br />

Ich hatte n<strong>ich</strong>t mitbekommen, dass da noch an<strong>der</strong>e bei ihm <strong>war</strong>en, bis <strong>ich</strong> das Lachen gehört<br />

hatte. Ich verließ seine Gedanken auf <strong>der</strong> Verzweifelten Suche nach etwas was <strong>ich</strong> gebrauchen<br />

könnte. Er machte einen Schritt auf sie <strong>zu</strong> und bog seine Finger durch.<br />

Die Gedanken um ihn herum <strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t so eine Kloake wie seine. Sie <strong>war</strong>en alle le<strong>ich</strong>t<br />

betrunken und keiner von ihnen <strong>war</strong> s<strong>ich</strong> darüber im Klaren wie weit <strong>der</strong> Kerl, den sie Lonnie<br />

nannten, vorhatte <strong>zu</strong> gehen. Sie folgten ihm blind. Er hatte ihnen ein bisschen Spaß versprochen…<br />

Einer von ihnen sah nervös <strong>die</strong> Straße hinunter – er wollte n<strong>ich</strong>t dabei erwischt werden wie<br />

er ein Mädchen belästigte – und gab <strong>mir</strong> was <strong>ich</strong> brauchte. Ich erkannte <strong>die</strong> Kreu<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> <strong>der</strong> er<br />

hinübersah.<br />

Ich überfuhr eine rote Ampel und schlid<strong>der</strong>te durch eine Lücke zwischen zwei Autos <strong>die</strong><br />

gerade groß genug für meinen Wagen <strong>war</strong>. Hinter <strong>mir</strong> erhob s<strong>ich</strong> ein wahres Hupkonzert.<br />

Mein Handy vibrierte in meiner Tasche. Ich ignorierte es.<br />

Lonnie bewegte s<strong>ich</strong> langsam auf das Mädchen <strong>zu</strong> um <strong>die</strong> Spannung <strong>zu</strong> steigern – <strong>der</strong><br />

Moment des Schreckens <strong>der</strong> ihn erregte. Er <strong>war</strong>tete auf ihren Schrei um ihn aus<strong>zu</strong>kosten.<br />

Aber Bella hielt den Mund geschlossen und spannte ihren Körper. Er <strong>war</strong> überrascht – er<br />

hatte er<strong>war</strong>tet, dass sie versuchen würde, weg<strong>zu</strong>rennen. Überrascht und ein wenig enttäuscht. Er<br />

mochte es, seiner Beute nach <strong>zu</strong> rennen, das Adrenalin <strong>der</strong> Jagd.<br />

Diese hier ist mutig. Ich denke, dass ist vielle<strong>ich</strong>t sogar besser… sie ist kämpferisch.<br />

Ich <strong>war</strong> nur noch einen Block entfernt. <strong>Das</strong> Monster konnte jetzt das Dröhnen meines Motors<br />

hören, aber er beachtet ihn n<strong>ich</strong>t, er <strong>war</strong> <strong>zu</strong> sehr auf sein Opfer v<strong>erste</strong>ift.<br />

Mal sehen, wie er <strong>die</strong> Jagd fand, wenn er <strong>die</strong> Beute <strong>war</strong>. Mal sehen, was er von meiner Art <strong>zu</strong><br />

jagen hielt.<br />

In einem an<strong>der</strong>en Teil meiner Gedanken ging <strong>ich</strong> bereits <strong>die</strong> verschiedenen Foltermethoden<br />

durch, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> in meinen Tagen <strong>der</strong> Selbstjustiz bezeugt hatte, um <strong>die</strong> schmerzvollste<br />

heraus<strong>zu</strong>suchen. Er würde dafür leiden. Er würde s<strong>ich</strong> vor Schmerz winden. Die an<strong>der</strong>en würden<br />

einfach nur sterben, aber das Monster das Lonnie hieß würde um seinen Tod betteln lange bevor <strong>ich</strong><br />

ihm <strong>die</strong>ses Geschenk machen würde.<br />

Ich <strong>war</strong> in <strong>der</strong> Straße, <strong>die</strong> ihre kreuzte.<br />

Ich flog scharf um <strong>die</strong> Kurve, meine Scheinwerfer huschten über <strong>die</strong> Szenerie und ließen alle<br />

erstarren. Ich hätte den Anführer überfahren können, <strong>der</strong> <strong>zu</strong>r Seite sprang, aber das <strong>war</strong> ein <strong>zu</strong><br />

schneller Tod für ihn.<br />

Der Wagen drehte s<strong>ich</strong> und rutschte über <strong>die</strong> Fahrbahn, bis er wie<strong>der</strong> in <strong>die</strong> R<strong>ich</strong>tung zeigte<br />

aus <strong>der</strong> <strong>ich</strong> gekommen <strong>war</strong>. Die Beifahrertür <strong>war</strong> Bella am nächsten und <strong>ich</strong> ließ sie aufschwingen. Sie<br />

rannte bereits <strong>zu</strong>m Wagen.<br />

„Steig ein,“ knurrte <strong>ich</strong>.


Was <strong>zu</strong>m Teufel?<br />

Ich wusste, dass das keine gute Idee ist! Sie ist n<strong>ich</strong>t allein.<br />

Soll <strong>ich</strong> rennen?<br />

Ich glaub <strong>ich</strong> muss m<strong>ich</strong> übergeben…<br />

Bella sprang durch <strong>die</strong> offene Tür ohne <strong>zu</strong> zögern und schlug sie hinter s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>.<br />

Und dann sah sie m<strong>ich</strong> an, mit dem vertrauensvollsten <strong>Blick</strong> den <strong>ich</strong> je an einem Menschen<br />

gesehen hatte und all meine brutalen Pläne fielen in s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen.<br />

Es dauerte weniger als eine Sekunde bis <strong>ich</strong> begriff, dass <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t im Wagen lassen konnte<br />

während <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> um <strong>die</strong> vier Männer auf <strong>der</strong> Straße kümmerte. Was würde <strong>ich</strong> ihr sagen, n<strong>ich</strong>t<br />

hinsehen? Hah! Wann tat sie jemals das was <strong>ich</strong> ihr sagte? Wann tat sie jemals etwas S<strong>ich</strong>eres?<br />

Würde <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Kerle wegzerren, weg aus ihrer S<strong>ich</strong>tweite, und sie hier alleine lassen? Es <strong>war</strong><br />

eher unwahrscheinl<strong>ich</strong>, dass ein weiterer gefährl<strong>ich</strong>er Mensch heute Nacht durch <strong>die</strong> Straßen von<br />

Port Angeles schl<strong>ich</strong>, aber <strong>der</strong> <strong>erste</strong> <strong>war</strong> genauso unwahrscheinl<strong>ich</strong> gewesen! Wie ein Magnet zog sie<br />

alles Gefährl<strong>ich</strong> an. Ich konnte sie n<strong>ich</strong>t aus den Augen lassen.<br />

Für sie wirkte es wie ein und <strong>die</strong>selbe Bewegung als <strong>ich</strong> beschleunigte und sie so schnell von<br />

ihren Verfolgern wegbrachte, dass <strong>die</strong>se meinem Wagen nur mit einem verständnislosen <strong>Blick</strong><br />

hinterher starrten. Sie hatte mein Zögern n<strong>ich</strong>t bemerkte. Für sie sah es so aus, als wäre Flucht von<br />

Anfang an <strong>der</strong> Plan gewesen.<br />

Ich konnte ihn n<strong>ich</strong>t einmal anfahren. <strong>Das</strong> würde ihr Angst machen.<br />

Ich wollte seinen Tod so verzweifelt, dass das Verlangen danach in meinen Ohren klingelte,<br />

meine S<strong>ich</strong>t vernebelte und wie ein bitterer Nachgeschmack auf meiner Zunge lag. Meine Muskeln<br />

<strong>war</strong>en von dem Druck angespannt, <strong>der</strong> Begierde, <strong>der</strong> Notwendigkeit. Ich musste ihn töten. Ich würde<br />

ihn langsam schälen, Stück für Stück, Haut von Muskel, Muskel von Knochen…<br />

Allerdings saß da das Mädchen – das einzige Mädchen auf <strong>die</strong>ser Welt – dass s<strong>ich</strong> mit beiden<br />

Händen in den Sitz krallte und m<strong>ich</strong> anstarrte, ihre Augen immer noch geweitet und voller Vertrauen.<br />

Vergeltung würde <strong>war</strong>ten müssen.<br />

„Schnall d<strong>ich</strong> an,“ befahl <strong>ich</strong>. Meine Stimme <strong>war</strong> rau vor lauter Hass und Blutdurst. N<strong>ich</strong>t <strong>der</strong><br />

gewöhnl<strong>ich</strong>e Blutdurst. Ich würde m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t damit beflecken irgendeinen Teil <strong>die</strong>ses Mannes in <strong>mir</strong><br />

auf<strong>zu</strong>nehmen.<br />

Sie schloss den S<strong>ich</strong>erheitsgurt und schreckte <strong>zu</strong>sammen bei dem leisen Klicken. Dieses kleine<br />

Geräusch lies sie <strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>cken, aber es störte sie n<strong>ich</strong>t, dass <strong>ich</strong> durch <strong>die</strong> Straße jagte und alle<br />

Verkehrsregeln missachtete. Ich fühlte dass sie m<strong>ich</strong> ansah. Sie wirkte seltsam entspannt. <strong>Das</strong> ergab<br />

keinen Sinn für m<strong>ich</strong> – n<strong>ich</strong>t nachdem was sie gerade erlebt hatte.<br />

„Bist du okay?“ fragte sie, ihre Stimme <strong>war</strong> rau vor Aufregung und Angst.<br />

Sie wollte wissen, ob <strong>ich</strong> okay <strong>war</strong>?<br />

Ich dachte für den Bruchteil einer Sekunde über ihre Frage nach. N<strong>ich</strong>t lange genug für sie um<br />

das Zögern <strong>zu</strong> bemerken. War <strong>ich</strong> okay?<br />

„Nein,“ bemerkte <strong>ich</strong> und mein Ton schäumte vor Wut.<br />

Ich brachte sie <strong>zu</strong> <strong>der</strong>selben unbenutzten Einfahrt an <strong>der</strong> <strong>ich</strong> den Nachmittag verbracht hatte,<br />

beschäftigt mit <strong>der</strong> erbärml<strong>ich</strong>sten Überwachung überhaupt. Unter den Bäumen <strong>war</strong> sie jetzt<br />

sch<strong>war</strong>z.<br />

Ich <strong>war</strong> so wütend, dass mein Körper erstarrte und <strong>ich</strong> bewegungslos dasaß. Meine eisigen<br />

Hände sehnten s<strong>ich</strong> danach ihren Angreifer <strong>zu</strong> erschlagen, ihn in Stücke <strong>zu</strong> reißen und so <strong>zu</strong><br />

verstümmeln, dass man seinen Körper nie mehr identifizieren könnte…<br />

Aber das würde beinhalten, dass <strong>ich</strong> sie hier allein lassen musste, ungeschützt in <strong>der</strong> dunklen<br />

Nacht.


„Bella?“ fragte <strong>ich</strong> mit <strong>zu</strong>sammengepressten Zähnen.<br />

„Ja?“ erwi<strong>der</strong>te sie heiser. Sie räusperte s<strong>ich</strong>.<br />

„Geht es dir gut?“ das <strong>war</strong> das allerw<strong>ich</strong>tigste, ob<strong>erste</strong> Priorität. Vergeltung <strong>war</strong> zweitrangig.<br />

Ich wusste das, aber mein Körper <strong>war</strong> so voller Wut, dass <strong>ich</strong> kaum denken konnte.<br />

„Ja.“ Ihre Stimme <strong>war</strong> immer noch belegt – vor Angst, kein Zweifel.<br />

Also konnte <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t allein lassen.<br />

Selbst wenn sie aus irgendwelchen unerfindl<strong>ich</strong>en Gründen mal n<strong>ich</strong>t in dauern<strong>der</strong> Gefahr<br />

schwebte – ein blö<strong>der</strong> Scherz, den das Universum mit <strong>mir</strong> trieb - selbst wenn <strong>ich</strong> s<strong>ich</strong>er sein konnte,<br />

dass sie in meiner Abwesenheit absolut s<strong>ich</strong>er <strong>war</strong>, konnte <strong>ich</strong> sie in <strong>der</strong> Dunkelheit n<strong>ich</strong>t allein<br />

lassen.<br />

Sie musste schreckl<strong>ich</strong>e angst haben.<br />

Dennoch <strong>war</strong> <strong>ich</strong> im Moment n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage sie <strong>zu</strong> trösten – selbst wenn <strong>ich</strong> gewusst hätte<br />

wie man so etwas macht, was <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t wusste. S<strong>ich</strong>er würde sie <strong>die</strong> Gewaltbereitschaft spüren, <strong>die</strong><br />

<strong>ich</strong> ausstrahlte, so viel <strong>war</strong> offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>. Ich würde sie nur noch mehr ängstigen, wenn <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Lust<br />

jemanden ab<strong>zu</strong>schlachten, <strong>die</strong> in <strong>mir</strong> brodelte, n<strong>ich</strong>t bändigen konnte.<br />

Ich musste an etwas an<strong>der</strong>es denken.<br />

„Lenk m<strong>ich</strong> bitte ab,“ bat <strong>ich</strong> sie.<br />

„Wie bitte?“<br />

Ich hatte kaum genug Selbstkontrolle um ihr <strong>zu</strong> erklären, was <strong>ich</strong> brauchte.<br />

„Plapper über irgendetwas unbedeutendes bis <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> beruhigt habe,“ erklärte <strong>ich</strong> mit<br />

<strong>zu</strong>sammengekniffenen Zähnen. Einzig <strong>die</strong> Tatsache, dass sie m<strong>ich</strong> brauchte, hielt m<strong>ich</strong> im Wagen. Ich<br />

konnte <strong>die</strong> Gedanken des Mannes hören, seine Enttäuschung, seine Wut… Ich wusste wo <strong>ich</strong> ihn<br />

finden konnte… Ich schloss meine Augen und wünschte <strong>mir</strong>, dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts sehen konnte…<br />

„Ähm…“ Sie zögerte – <strong>ich</strong> vermute sie versuchte aus meiner Bitte schlau <strong>zu</strong> werden. „Ich<br />

werde wohl Tyler Crowley morgen nach <strong>der</strong> Schule überfahren?“ Sie sagte es, als wäre es eine Frage.<br />

Ja – das <strong>war</strong> es was <strong>ich</strong> brauchte. Natürl<strong>ich</strong> fing Bella mit etwas an, womit <strong>ich</strong> überhaupt<br />

n<strong>ich</strong>t gerechnet hatte. Genau wie vorher klang <strong>der</strong> Hang <strong>zu</strong>r Gewalt in ihrer Stimme eher belustigt –<br />

ein alberner Wi<strong>der</strong>spruch. Wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t innerl<strong>ich</strong> gebrannt hätte vor lauter Verlangen jemanden <strong>zu</strong><br />

töten, hätte <strong>ich</strong> gelacht.<br />

„Warum?“ bellte <strong>ich</strong> um sie <strong>zu</strong>m weitersprechen <strong>zu</strong> bewegen.<br />

„Er erzählt überall herum, dass <strong>ich</strong> mit ihm <strong>zu</strong>m Abschlussball gehen würde,“ sagte sie, ihre<br />

Stimme hatte wie<strong>der</strong> <strong>die</strong>sen wütenden Tiger-Kätzchen-Tonfall. „Entwe<strong>der</strong> er ist total verrückt, o<strong>der</strong><br />

er versucht immer noch es wie<strong>der</strong> gut <strong>zu</strong> machen, dass er m<strong>ich</strong> fast getötet hätte, letzten… naja, du<br />

weißt schon wann,“ fügte sie trocken hin<strong>zu</strong>, „und irgendwie glaubt er, <strong>der</strong> Abschlussball wäre <strong>die</strong><br />

beste Mögl<strong>ich</strong>keit, das <strong>zu</strong> tun. Also hab <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> gedacht, wenn <strong>ich</strong> sein Leben auch in Gefahr bringe,<br />

sind wir quitt, und er kann aufhören s<strong>ich</strong> schuldig <strong>zu</strong> fühlen. Ich kann ganz gut auf Feinde verz<strong>ich</strong>ten<br />

und vielle<strong>ich</strong>t hört Lauren auf Gift <strong>zu</strong> versprühen, wenn er m<strong>ich</strong> in Ruhe lässt. Vielle<strong>ich</strong>t muss <strong>ich</strong> aber<br />

auch seinen Sentra schrotten,“ fuhr sie gedankenverloren fort. „Wenn er kein Auto hat, kann er auch<br />

niemanden <strong>zu</strong>m Abschlussball fahren…“<br />

Es <strong>war</strong> ermutigend <strong>zu</strong> sehen, dass sie manche Dinge auch mal falsch verstand. Tylers<br />

Aufmerksamkeit hatte n<strong>ich</strong>ts mit dem Unfall <strong>zu</strong> tun. Sie schien n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>hen wie sie auf <strong>die</strong><br />

menschl<strong>ich</strong>en Jungs an <strong>der</strong> High School wirkte. Merkte sie auch n<strong>ich</strong>t, wie sie auf m<strong>ich</strong> wirkte?<br />

Ah, es funktionierte. Ihre verblüffenden Gedankengänge zogen doch immer wie<strong>der</strong> meine<br />

Aufmerksamkeit auf s<strong>ich</strong>. Ich begann wie<strong>der</strong> <strong>die</strong> Kontrolle über m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> gewinnen, etwas an<strong>der</strong>es als<br />

Rache und Folter <strong>zu</strong> sehen…


„Davon hab <strong>ich</strong> gehört,“ erzählte <strong>ich</strong> ihr. Sie hatte aufgehört <strong>zu</strong> reden und <strong>ich</strong> musste sie da<strong>zu</strong><br />

bringen, dass sie weitersprach.<br />

„Du hast davon gehört?“ fragte sie ungläubig. Und dann klang sie wüten<strong>der</strong> als <strong>zu</strong>vor. „Wenn<br />

er vom Hals abwärts gelähmt ist kann er auch n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>m Ball gehen.“<br />

Ich wünschte es gäbe einen Weg sie <strong>zu</strong> bitten mit ihren Mordgelüsten und angedrohten<br />

Körperverlet<strong>zu</strong>ngen fort<strong>zu</strong>fahren ohne verrückt <strong>zu</strong> klingen. Sie hätte s<strong>ich</strong> keine bessere Methode<br />

einfallen lassen können um m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> beruhigen. Und ihre Worte – für sie reiner Sarkasmus,<br />

Übertreibung – <strong>war</strong>en eine Erinnerung <strong>die</strong> <strong>ich</strong> in <strong>die</strong>sem Moment herzl<strong>ich</strong> gebrauchen konnte.<br />

Ich seufzte und öffnete meine Augen.<br />

„Besser?“ fragte sie ängstl<strong>ich</strong>.<br />

„N<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong>.“<br />

Nein, <strong>ich</strong> <strong>war</strong> ruhiger aber <strong>mir</strong> ging es n<strong>ich</strong>t besser. Denn <strong>ich</strong> hatte gerade festgestellt, dass<br />

<strong>ich</strong> das Monster namens Lonnie n<strong>ich</strong>t töten könnte, aber <strong>ich</strong> wollte es immer noch mehr als fast alles<br />

an<strong>der</strong>e auf <strong>der</strong> Welt. Fast.<br />

<strong>Das</strong> einzige was <strong>ich</strong> im Moment mehr wollte, als einen absolut berechtigten Mord <strong>zu</strong><br />

begehen, <strong>war</strong> <strong>die</strong>ses Mädchen. Und, obwohl <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t haben konnte, machte <strong>der</strong> Traum sie <strong>zu</strong><br />

haben es <strong>mir</strong> unmögl<strong>ich</strong> heute Nacht auf Mordtour <strong>zu</strong> gehen – ganz egal wie gerechtfertigt <strong>die</strong>se<br />

Sache sein würde.<br />

Bella ver<strong>die</strong>nte etwas Besseres als einen Mör<strong>der</strong>.<br />

Ich hatte sieben Jahrzehnte damit verbracht etwas an<strong>der</strong>es als das <strong>zu</strong> sein – alles an<strong>der</strong>e als<br />

ein Mör<strong>der</strong>. Diese Jahrelange Anstrengung konnte m<strong>ich</strong> dennoch n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> dem machen, den <strong>die</strong>ses<br />

Mädchen, das neben <strong>mir</strong> saß, ver<strong>die</strong>nte. Und dennoch hatte <strong>ich</strong> das Gefühl, wenn <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>die</strong>sem<br />

Leben <strong>zu</strong>rückkehrte – das Leben eines Mör<strong>der</strong>s – wenn auch nur für eine Nacht, würde <strong>ich</strong> sie für<br />

immer verlieren. Selbst wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t ihr Blut trank – selbst wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t das flammende Rot als<br />

Beweis in meinen Augen hätte – würde sie den Unterschied n<strong>ich</strong>t bemerkten?<br />

Ich versuchte gut genug für sie <strong>zu</strong> sein. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> ein unmögl<strong>ich</strong>es Ziel. Aber <strong>ich</strong> würde es<br />

weiter versuchen.<br />

„Was ist los?“ flüsterte sie.<br />

Ihr Atem füllte meine Nase und erinnerte m<strong>ich</strong> daran, <strong>war</strong>um <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t ver<strong>die</strong>nte. Nach all<br />

dem was passiert <strong>war</strong>, sogar mit all <strong>der</strong> Liebe <strong>die</strong> <strong>ich</strong> für sie empfand… <strong>mir</strong> lief immer noch das<br />

Wasser im Munde <strong>zu</strong>sammen.<br />

Ich würde ihr soviel Ehrl<strong>ich</strong>keit geben wie <strong>ich</strong> konnte. <strong>Das</strong> schuldete <strong>ich</strong> ihr.<br />

„Manchmal habe <strong>ich</strong> etwas Probleme m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> beherrschen, Bella.“ Ich starrte in <strong>die</strong> sch<strong>war</strong>ze<br />

Nacht und wünschte <strong>mir</strong>, dass sie den Schrecken in meiner Stimme hörte und gle<strong>ich</strong>zeitig auch n<strong>ich</strong>t.<br />

Der Wunsch sie würde es n<strong>ich</strong>t hören, <strong>war</strong> stärker. Lauf, Bella, lauf. Bleib, Bella, bleib. „Aber es wäre<br />

n<strong>ich</strong>t hilfre<strong>ich</strong>, wenn <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rückfahren und sie jagen würde…“ allein schon <strong>der</strong> Gedanke daran, ließ<br />

m<strong>ich</strong> fast aus dem Wagen springen. Ich atmete tief durch und ließ ihren Duft meine Kehle hinunter<br />

brennen. „Jedenfalls, versuche <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> davon <strong>zu</strong> überzeugen.“<br />

„Oh.“<br />

Sie sagte n<strong>ich</strong>ts weiter. Wie viel hatte sie aus meinen Worten herausgehört? Ich schielte<br />

heiml<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr herüber, aber in ihrem Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>ts <strong>zu</strong> lesen. Ausdruckslos vor Schock,<br />

vielle<strong>ich</strong>t. Naja, sie schrie wenigstens n<strong>ich</strong>t. Noch n<strong>ich</strong>t.<br />

Für einen Moment <strong>war</strong> es still. Ich rang mit <strong>mir</strong> selbst bei dem Versuch etwas <strong>zu</strong> sein was <strong>ich</strong><br />

sein sollte. Was <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t sein konnte.


„Jessica und Angela werden s<strong>ich</strong> Sorgen machen,“ sagte sie leise. Ihre Stimme klang sehr<br />

ruhig und <strong>ich</strong> <strong>war</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er, wie das sein konnte. Stand sie unter Schock? Vielle<strong>ich</strong>t hatte sie<br />

<strong>die</strong> Geschehnisse des heutigen Abends noch n<strong>ich</strong>t ganz realisiert? „Wir wollten uns treffen.“<br />

Wollte sie weg von <strong>mir</strong>? O<strong>der</strong> machte sie s<strong>ich</strong> nur Gedanken, um <strong>die</strong> Sorge ihrer Freunde?<br />

Ich antwortete ihr n<strong>ich</strong>t, son<strong>der</strong>n startete den Wagen und fuhr <strong>zu</strong>rück. Mit jedem Schritt den<br />

<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Stadt näher kam, wurde es schwerer m<strong>ich</strong> an meine Vorsätze <strong>zu</strong> halten. Ich <strong>war</strong> schon viel <strong>zu</strong><br />

nah an ihm dran…<br />

Wenn es unmögl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> – wenn <strong>ich</strong> <strong>die</strong>ses Mädchen niemals haben o<strong>der</strong> ver<strong>die</strong>nen könnte –<br />

wo <strong>war</strong> dann <strong>der</strong> Sinn darin, <strong>die</strong>sen Kerl unbeschadet davon kommen <strong>zu</strong> lassen? Bestimmt würde <strong>ich</strong><br />

<strong>mir</strong> soviel erlauben können…<br />

Nein. Ich würde n<strong>ich</strong>t aufgeben. Noch n<strong>ich</strong>t. Ich wollte sie <strong>zu</strong> sehr um <strong>zu</strong> kapitulieren.<br />

Wir <strong>war</strong>en bereits an dem Restaurant an dem sie ihre Freunde treffen wollte, bevor <strong>ich</strong><br />

überhaupt den Sinn meiner Gedanken verstand. Jessica und Angela hatten schon <strong>zu</strong> Ende gegessen<br />

und <strong>war</strong>en nun beide ehrl<strong>ich</strong> besorgt um Bella. Sie machten s<strong>ich</strong> gerade auf den Weg um nach ihr <strong>zu</strong><br />

suchen und gingen <strong>die</strong> dunkle Straße hinunter.<br />

Es <strong>war</strong> keine gute Nacht für sie um alleine herum<strong>zu</strong>laufen –<br />

„Woher wusstest du, wo…?“ Bellas n<strong>ich</strong>t beendete Frage unterbrach m<strong>ich</strong> und <strong>ich</strong> bemerkte<br />

dass <strong>ich</strong> schon wie<strong>der</strong> einen Fauxpas begangen hatte. Ich <strong>war</strong> <strong>zu</strong> abgelenkt gewesen um sie <strong>zu</strong> fragen<br />

wo sie s<strong>ich</strong> mit ihren Freunden treffen wollte.<br />

Aber anstatt, <strong>die</strong> Frage <strong>zu</strong> beenden und auf einer Antwort <strong>zu</strong> beharren, schüttelte Bella nur<br />

ihren Kopf und lächelte le<strong>ich</strong>t.<br />

Was hatte das nun wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> bedeuten?<br />

Naja, <strong>ich</strong> hatte keine Zeit über ihre seltsame Akzeptanz meines noch seltsameren Wissens <strong>zu</strong><br />

rätseln. Ich öffnete meine Tür.<br />

„Was machst du?“ fragte sie verwirrt.<br />

D<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t aus den Augen lassen. Mir n<strong>ich</strong>t erlauben heute Nacht allein <strong>zu</strong> sein. In <strong>die</strong>ser<br />

Reihenfolge. „Ich lade d<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>m Essen ein.“<br />

Naja, das würde interessant werden. Es wirkte als wäre es eine an<strong>der</strong>e Nacht gewesen, in <strong>der</strong><br />

<strong>ich</strong> <strong>mir</strong> überlegt hatte, Alice mit<strong>zu</strong>bringen und so <strong>zu</strong> tun als hätte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>fällig das selbe Restaurant<br />

ausgewählt wie Bella und ihre Freundinnen. Und jetzt stand <strong>ich</strong> hier und hatte praktisch eine<br />

Verabredung mit dem Mädchen. Obwohl es n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> zählte da <strong>ich</strong> ihr n<strong>ich</strong>t <strong>die</strong> Gelegenheit gab,<br />

ab<strong>zu</strong>lehnen.<br />

Sie hatte ihre Tür schon halb geöffnet, bevor <strong>ich</strong> um das Auto herum <strong>war</strong> – normalerweise<br />

<strong>war</strong> es n<strong>ich</strong>t all<strong>zu</strong> frustrierend s<strong>ich</strong> in einer unauffälligen Geschwindigkeit <strong>zu</strong> bewegen – statt darauf<br />

<strong>zu</strong> <strong>war</strong>ten, dass <strong>ich</strong> das für sie tat. Tat sie das weil sie es n<strong>ich</strong>t gewohnt <strong>war</strong> wie eine Dame behandelt<br />

<strong>zu</strong> werden o<strong>der</strong> weil sie m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t für einen Gentleman hielt?<br />

Ich <strong>war</strong>tete auf sie während <strong>ich</strong> beobachtete wie ihre Freundinnen fast um <strong>die</strong> dunkle Ecke<br />

verschwanden.<br />

„Würdest du bitte Jessica und Angela davon abhalten nach dir <strong>zu</strong> suchen, bevor <strong>ich</strong> sie auch<br />

noch retten muss?“ bat <strong>ich</strong> sie schnell. „Ich glaube n<strong>ich</strong>t, dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> beherrschen kann, wenn <strong>ich</strong><br />

deinen an<strong>der</strong>en Freunden noch einmal begegne.“ Nein, dafür wäre <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t stark genug.<br />

Sie <strong>zu</strong>ckte <strong>zu</strong>sammen und fasste s<strong>ich</strong> dann schnell wie<strong>der</strong>. Sie machte einen Schritt in ihre<br />

R<strong>ich</strong>tung und rief, „Jess! Angela!“ mit kräftiger Stimme. Sie drehten s<strong>ich</strong> um und sie wedelte mit<br />

ihrem Arm über ihrem Kopf herum um ihre Aufmerksamkeit auf s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ziehen.<br />

Bella! Es geht ihr gut! Dachte Angela erle<strong>ich</strong>tert.


Zieml<strong>ich</strong> spät. Grummelte Jessica vor s<strong>ich</strong> hin, aber auch sie <strong>war</strong> dankbar, dass Bell n<strong>ich</strong>ts<br />

<strong>zu</strong>gestoßen <strong>war</strong>. <strong>Das</strong> machte sie etwas sympathischer.<br />

Sie eilten <strong>zu</strong>rück und blieben dann abrupt stehen, geschockt, als sie m<strong>ich</strong> neben ihr sahen.<br />

Oh – oh! Dachte Jess, überrascht. Auf keinen Fall!<br />

Ed<strong>war</strong>d Cullen? Ist sie alleine losgegangen um ihn <strong>zu</strong> suchen? Aber <strong>war</strong>um sollte sie s<strong>ich</strong><br />

danach erkundigen, dass sie n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Stadt <strong>war</strong>en, wenn sie wusste, dass er hier <strong>war</strong>… Ich<br />

erhaschte einen kurzen <strong>Blick</strong> auf Bellas gekränktes Ges<strong>ich</strong>t als sie Angela gefragt hatte, ob meine<br />

Familie öfter mal <strong>der</strong> Schule fernblieb. Nein, sie konnte es n<strong>ich</strong>t gewusst haben, entschied Angela.<br />

Jessicas Gedanken hatte <strong>die</strong> Überraschung überwunden und begannen mit den<br />

Spekulationen. Bella verheiml<strong>ich</strong>t <strong>mir</strong> etwas.<br />

„Wo <strong>war</strong>st du?“ fragte sie. Sie schaute Bella an aber beobachtete m<strong>ich</strong> aus den<br />

Augenwinkeln.<br />

„Ich hatte m<strong>ich</strong> verlaufen. Und dann habe <strong>ich</strong> Ed<strong>war</strong>d getroffen,“ sagte Bella und wedelte mit<br />

einer Hand in meine R<strong>ich</strong>tung. Ihre Stimme klang seltsam normal. Als wäre das wirkl<strong>ich</strong> alles was<br />

passiert <strong>war</strong>.<br />

Sie musste einfach unter Schock stehen. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> <strong>die</strong> einzige Erklärung für ihre Ruhe.<br />

„Wäre es in Ordnung, wenn <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> euch anschließen würde?“ fragte <strong>ich</strong> – um höfl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong><br />

sein; <strong>ich</strong> wusste, dass sie bereits gegessen hatten.<br />

Heilige Scheiße, ist <strong>der</strong> heiß! Dachte Jessica, ihre Gedanken <strong>war</strong>en plötzl<strong>ich</strong><br />

un<strong>zu</strong>sammenhängend.<br />

Angela <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t viel mehr gefasst. Ich wünschte wir hätten noch n<strong>ich</strong>t gegessen. Wow.<br />

Einfach nur. Wow.<br />

Warum konnte Bella n<strong>ich</strong>t so auf m<strong>ich</strong> reagieren?<br />

„Äh… klar,“ stimmte Jessica <strong>zu</strong>.<br />

Angelas <strong>Blick</strong> wurde etwas düster. „Ähm, eigentl<strong>ich</strong> haben wir schon gegessen, während wir<br />

auf d<strong>ich</strong> ge<strong>war</strong>tet haben, Bella,“ gab sie <strong>zu</strong>. „Tut <strong>mir</strong> leid.“<br />

Was? Halt <strong>die</strong> Klappe! Beschwerte s<strong>ich</strong> Jessica innerl<strong>ich</strong>.<br />

Bella <strong>zu</strong>ckte lässig mit den Schultern. So ungezwungen. Definitiv unter Schock. „<strong>Das</strong> ist ok –<br />

<strong>ich</strong> hab sowieso keinen Hunger.“<br />

„Ich denke, du solltest etwas essen,“ wie<strong>der</strong>sprach <strong>ich</strong>. Sie brauchte Zucker für ihren Kreislauf<br />

– obwohl ihr Blut süß genug roch, so wie es <strong>war</strong>, dachte <strong>ich</strong> ironisch. <strong>Das</strong> Entsetzen würde sie jeden<br />

Moment packen und ein leerer Magen würde da n<strong>ich</strong>t helfen. Sie wurde le<strong>ich</strong>t ohnmächtig wie <strong>ich</strong><br />

aus Erfahrung wusste.<br />

Diese Mädchen <strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t in Gefahr wenn sie s<strong>ich</strong> sofort auf den Heimweg machen<br />

würden. Die Gefahr verfolgte n<strong>ich</strong>t jeden ihrer Schritte.<br />

Und <strong>ich</strong> wäre lieber allein mit Bella – so lange sie auch mit <strong>mir</strong> allein sein wollte.<br />

„Würde es dir etwas ausmachen, wenn <strong>ich</strong> Bella heute nach Hause fahre?“ sagte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong><br />

Jessica bevor Bella etwas entgegnen konnte. „Dann müsstet ihr n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>ten, während sie isst.“<br />

„Äh, nein, das ist kein Problem, denke <strong>ich</strong>…“ Jessica schaute Bella intensiv an und hielt nach<br />

einem Anze<strong>ich</strong>en dafür Ausschau, dass es das <strong>war</strong> was sie wollte.<br />

Ich würde so gern bleiben… aber sie will ihn vermutl<strong>ich</strong> für s<strong>ich</strong> allein haben. Wer würde das<br />

n<strong>ich</strong>t wollen? Dachte Jess. Zur gle<strong>ich</strong>en Zeit, sah sie wie Bella ihr <strong>zu</strong>zwinkerte.<br />

Bella zwinkerte?<br />

„Okay,“ sagte Angela schnell, sie hatte es eilig <strong>zu</strong> verschwinden, wenn es das <strong>war</strong>, was Bella<br />

wollte. Und es schien, dass sie es wirkl<strong>ich</strong> wollte. „Wir sehen uns dann morgen, Bella… Ed<strong>war</strong>d.“ Sie


emühte s<strong>ich</strong> meinen Namen so lässig wie mögl<strong>ich</strong> aus<strong>zu</strong>sprechen. Dann griff sie nach Jessicas Hand<br />

und zog sie von uns weg.<br />

Ich würde einen Weg finden müssen um Angela dafür <strong>zu</strong> danken.<br />

Jessicas Auto stand n<strong>ich</strong>t weit entfernt in dem L<strong>ich</strong>tkegel einer Straßenlaterne. Bella<br />

beobachtete sie genau, bis sie im Wagen <strong>war</strong>en, eine kleine Sorgenfalte auf <strong>der</strong> Stirn. Sie musste s<strong>ich</strong><br />

also sehr wohl im Klaren darüber sein, in was für einer Gefahr sie s<strong>ich</strong> befunden hatte. Jessica winkte<br />

noch einmal als sie davon fuhr und Bella winkte <strong>zu</strong>rück. Erst als <strong>der</strong> Wagen verschwunden <strong>war</strong>,<br />

atmete sie tief durch und wandte s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> um.<br />

„Ehrl<strong>ich</strong>, <strong>ich</strong> bin n<strong>ich</strong>t hungrig,“ sagte sie.<br />

Warum hatte sie ge<strong>war</strong>tet bis sie weg <strong>war</strong>en um <strong>zu</strong> reden? Wollte sie wirkl<strong>ich</strong> mit <strong>mir</strong> allein<br />

sein – sogar jetzt, nachdem sie meine mör<strong>der</strong>ische Wut bezeugt hatte?<br />

Ob das nun <strong>der</strong> Fall <strong>war</strong> o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t, sie würde etwas essen.<br />

„Tu <strong>mir</strong> den Gefallen,“ sagte <strong>ich</strong>.<br />

Ich öffnete ihr <strong>die</strong> Restauranttür und <strong>war</strong>tete.<br />

Sie seufzte und trat ein.<br />

Ich ging neben ihr <strong>zu</strong> dem Podium an dem <strong>die</strong> Hostess stand. Bella wirkte immer noch<br />

vollkommen selbstbeherrscht. Ich wollte ihre Hand berühren, ihre Stirn, um ihre Temperatur <strong>zu</strong><br />

überprüfen. Aber sie würde vor meiner kalten Hand <strong>zu</strong>rückschrecken wie <strong>zu</strong>vor.<br />

Oh, Mann, <strong>die</strong> recht laute mentale Stimme <strong>der</strong> Hostess drang in mein Bewusstsein. Oh Mann,<br />

oh Mann.<br />

Heute Nacht verdrehte <strong>ich</strong> einige Köpfe. O<strong>der</strong> bemerkte <strong>ich</strong> es heute nur so intensiv, weil <strong>ich</strong><br />

so sehr wollte, dass Bella m<strong>ich</strong> so sah? Wir wirkten immer beson<strong>der</strong>s anziehend auf unsere Beute. Ich<br />

hatte nie beson<strong>der</strong>s darüber nachgedacht. Normalerweise – es seih denn man versuchte wie<strong>der</strong>holt,<br />

wie Shelly Cope und Jessica Stanley, den Schrecken <strong>zu</strong> übersehen – gewann <strong>die</strong> Angst recht schnell<br />

<strong>die</strong> Oberhand über <strong>die</strong> anfängl<strong>ich</strong>en Anziehung…<br />

„Ein Tisch für zwei?“ bat <strong>ich</strong>, als <strong>die</strong> Hostess n<strong>ich</strong>ts sagte.<br />

„Oh, äh, ja. Willkommen im La Bella Italia.“ Mmm! Was für eine Stimme! „Folgen sie <strong>mir</strong><br />

bitte.“ Ihre Gedanken <strong>war</strong>en abwesend – abschätzend.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t ist sie seine Kusine. Sie kann n<strong>ich</strong>t sein Schwester sein, sie sehen s<strong>ich</strong> kein bisschen<br />

ähnl<strong>ich</strong>. Aber auf jeden Fall verwandt. Er kann n<strong>ich</strong>t mit ihr <strong>zu</strong>sammen sein.<br />

Der menschl<strong>ich</strong>e <strong>Blick</strong> <strong>war</strong> getrübt; sie sahen n<strong>ich</strong>t klar. Wie konnte <strong>die</strong>se kleingeistige Frau<br />

meine Erscheinung – eine Falle für <strong>die</strong> Beute – so attraktive finden aber trotzdem n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage<br />

sein, <strong>die</strong> sanfte Perfektion des Mädchens neben <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> sehen?<br />

Naja, man muss ihr ja n<strong>ich</strong>t auch noch helfen, nur für den Fall, dachte <strong>die</strong> Hostess während<br />

sie uns an einen Vier-Personen Tisch in <strong>der</strong> Mitte des überfüllten Teils des Restaurants führte. Kann<br />

<strong>ich</strong> ihm meine Nummer geben, wenn sie daneben sitzt…? Grübelte sie.<br />

Ich zog einen Schein aus meiner hinteren Hosentasche. Menschen <strong>war</strong>en beson<strong>der</strong>s<br />

kooperativ, wenn Geld mit im Spiel <strong>war</strong>.<br />

Bella <strong>war</strong> bereits im Begriff s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> setzen. Ich schüttelte meinen Kopf in ihre R<strong>ich</strong>tung und sie<br />

zögerte während sie ihren Kopf verwirrt <strong>zu</strong>r Seite neigte. Ja, sie würde heute Nacht noch verwirrter<br />

sein. Eine Menschenmenge <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> ideale Ort für so eine Unterhaltung.<br />

„Vielle<strong>ich</strong>t hätten Sie einen etwas ruhigeren Tisch für uns?“ fragte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Dame und re<strong>ich</strong>te<br />

ihr den Schein. Ihre Augen weiteten s<strong>ich</strong> vor Überraschung und verengten s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> als sie den<br />

Schein entgegen nahm.<br />

„Natürl<strong>ich</strong>.“<br />

Sie schielte auf den Schein, während sie uns hinter eine Trennwand führte.


Fünfzig Dollar für einen besseren Tisch? Re<strong>ich</strong> ist er auch noch. <strong>Das</strong> macht Sinn – <strong>ich</strong> wette<br />

seine Jacke ist mehr wert als mein letzter Gehaltscheck. Verdammt. Warum will er mit ihr allein sein?<br />

Sie bot uns einen Tisch in einer ruhigen Ecke des Restaurants an, wo uns niemand sehen<br />

konnte – wo niemand Bellas Reaktion sehen konnte auf was immer <strong>ich</strong> ihr erzählen würde. Ich hatte<br />

keine Ahnung, was sie heute von <strong>mir</strong> wissen wollen würde. O<strong>der</strong> was <strong>ich</strong> ihr preisgeben würde.<br />

Wie viel hatte sie bereits erahnt? Welche Erklärungen <strong>der</strong> heutigen Ereignisse hatte sie s<strong>ich</strong><br />

selbst <strong>zu</strong>sammengereimt?<br />

„Wie wäre <strong>die</strong>ser Tisch?“ fragte <strong>die</strong> Hostess.<br />

„Perfekt,“ beteuerte <strong>ich</strong> ihr und, etwas genervt von ihrem herablassenden Verhalten Bella<br />

gegenüber, lächelte <strong>ich</strong> sie breit an und zeigte meine Zähne. Damit sie m<strong>ich</strong> r<strong>ich</strong>tig sah.<br />

Whoa. „Ähm… ihre Kellnerin wird sofort bei ihnen sein.“ Er kann n<strong>ich</strong>t echt sein. Ich muss<br />

träumen. Vielle<strong>ich</strong>t verschwindet sie… vielle<strong>ich</strong>t sollte <strong>ich</strong> meine Nummer mit Ketchup auf seinen<br />

Teller schreiben… Sie wandte s<strong>ich</strong> ab und wankte le<strong>ich</strong>t davon.<br />

Seltsam. Sie hatte immer noch keine Angst. Ich erinnerte m<strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong> daran wie Emmett<br />

m<strong>ich</strong> vor so vielen Wochen in <strong>der</strong> Cafeteria aufgezogen hatte. Ich wette <strong>ich</strong> hätte ihr mehr Angst<br />

einjagen können als du.<br />

Verlor <strong>ich</strong> meinen Schrecken?<br />

„Du solltest wirkl<strong>ich</strong> aufhören so etwas mit den Menschen <strong>zu</strong> machen,“ unterbrach Bella<br />

missbilligend meine Gedanken. „<strong>Das</strong> ist wirkl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t fair.“<br />

Ich sah ihren kritischen Ges<strong>ich</strong>tsausdruck. Was meinte sie? Ich hatte <strong>die</strong> Dame n<strong>ich</strong>t<br />

verängstigt, obwohl <strong>ich</strong> es vorgehabt hatte. „Was mache <strong>ich</strong> denn?“<br />

„Leute so <strong>zu</strong> blenden – sie hyperventiliert vermutl<strong>ich</strong> gerade in <strong>der</strong> Küche.“<br />

Hmm. Bella lag fast r<strong>ich</strong>tig. Die Hostess <strong>war</strong> im Moment wenig <strong>zu</strong>sammenhängend, während<br />

sie ihre inkorrekte Beschreibung von <strong>mir</strong> ihren Kollegen <strong>zu</strong>m Besten gab.<br />

„Ach, komm schon,“ zog Bella m<strong>ich</strong> auf, als <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t direkt antwortete. „Du musst doch<br />

wissen, wie du auf <strong>die</strong> Mensch wirkst.“<br />

„Ich blende <strong>die</strong> Leute?“ <strong>Das</strong> <strong>war</strong> eine interessante Umschreibung. Korrekt genug für heute<br />

Abend. Ich frag m<strong>ich</strong>, <strong>war</strong>um es so an<strong>der</strong>s <strong>war</strong>…<br />

„Du hast es n<strong>ich</strong>t bemerkt?“ fragte sie kritisch. „Glaubst du je<strong>der</strong> bekommt so einfach was er<br />

will?“<br />

„Blende <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong>?“ meine Neugier brach aus <strong>mir</strong> heraus bevor <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Worte <strong>zu</strong>rückhalten<br />

konnte.<br />

Aber bevor <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> bereuen konnte <strong>die</strong> Worte ausgesprochen <strong>zu</strong> haben, antwortete sie,<br />

„Manchmal.“ Und ihre Wangen bekamen einen le<strong>ich</strong>ten Rotton.<br />

Ich blendete sie.<br />

Mein stummes Herz schwoll vor einer so intensiven Hoffnung an <strong>die</strong> <strong>ich</strong> noch nie <strong>zu</strong>vor<br />

empfunden hatte.<br />

„Hallo,“ sagte jemand. Die Kellnerin. Ihre Gedanken <strong>war</strong>en lauter und expliziter als <strong>die</strong> <strong>der</strong><br />

Hostess, aber <strong>ich</strong> blendete sie aus. Stattdessen starrte <strong>ich</strong> auf Bellas Ges<strong>ich</strong>t, beobachtete wie das<br />

Blut unter ihrer Haut floss, bemerkte n<strong>ich</strong>t, wie es in meiner Kehle brannte, aber bemerkte sehr wohl<br />

wie es ihr blasses Ges<strong>ich</strong>t erhellte, wie es ihre cremige Haut betonte…<br />

Die Kellnerin <strong>war</strong>tete auf etwas von <strong>mir</strong>. Ah, sie hatte gefragt, was wir trinken wollten. Ich<br />

schaute immer noch auf Bella und <strong>die</strong> Kellnerin wandte s<strong>ich</strong> ihr fluchend <strong>zu</strong>.<br />

„Ich nehme eine Cola?“ sagte Bella, als ob sie um Erlaubnis fragte.<br />

„Zwei Cola,“ bestellte <strong>ich</strong>. Durst – normaler, menschl<strong>ich</strong>er Durst – <strong>war</strong> ein Ze<strong>ich</strong>en von<br />

Schock. Ich würde s<strong>ich</strong>ergehen, dass sie den Zucker aus <strong>der</strong> Cola in ihren Kreislauf aufnahm.


Sie sah zieml<strong>ich</strong> gesund aus. Mehr als gesund. Sie sah blendend aus.<br />

„Was?“ verlangte sie – sie fragte s<strong>ich</strong> wohl, <strong>war</strong>um <strong>ich</strong> sie anstarrte. Ich hatte kaum<br />

mitbekommen, dass <strong>die</strong> Kellnerin gegangen <strong>war</strong>.<br />

„Wie fühlst du d<strong>ich</strong>?“ fragte <strong>ich</strong>.<br />

Die Frage überraschte sie. „Mir geht es gut.“<br />

„Du fühlst d<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t schwindelig, schlecht, kalt?“<br />

<strong>Das</strong> verwirrte sie noch mehr. „Sollte <strong>ich</strong>?“<br />

„Naja, ehrl<strong>ich</strong>gesagt <strong>war</strong>te <strong>ich</strong> darauf, dass du einen Schock bekommst.“ Ich lächelte le<strong>ich</strong>t<br />

und er<strong>war</strong>tete ihren Wie<strong>der</strong>spruch. Sie wollte n<strong>ich</strong>t, dass man s<strong>ich</strong> um sie kümmerte.<br />

Sie brauchte eine Minute um <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> antworten. Ihr <strong>Blick</strong> <strong>war</strong> irritiert. So schaute sie<br />

manchmal wenn <strong>ich</strong> sie anlächelte. War sie… geblendet?<br />

<strong>Das</strong> würde <strong>ich</strong> nur <strong>zu</strong> gerne glauben.<br />

„Ich glaube n<strong>ich</strong>t, dass das passiert. Ich <strong>war</strong> schon immer gut darin unangenehme Dinge<br />

aus<strong>zu</strong>blenden,“ antwortete sie ein wenige atemlos.<br />

Hatte sie viel Erfahrung mit unangenehmen Dingen? War ihr Leben immer so gefährl<strong>ich</strong>?<br />

„Ich fühle m<strong>ich</strong> besser, wenn du etwas Zucker und Essen <strong>zu</strong> dir genommen hast.“<br />

Die Kellnerin brachte <strong>die</strong> Colas und einen Korb mit Brot. Sie stellte alles ab und versuchte<br />

Augenkontakt mit <strong>mir</strong> her<strong>zu</strong>stellen während sie nach meiner Bestellung fragte. Ich gab ihr <strong>zu</strong><br />

v<strong>erste</strong>hen, dass sie s<strong>ich</strong> auf Bella konzentrieren sollte und blendete sie dann wie<strong>der</strong> aus. Ihre<br />

Gedanken <strong>war</strong>en vulgär.<br />

„Ähm…“ Bella <strong>war</strong>f einen kurzen <strong>Blick</strong> auf <strong>die</strong> Speisekarte. „Ich nehme <strong>die</strong> Pilzravioli.“<br />

Die Kellnerin wandte s<strong>ich</strong> sofort wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> um. „Und für d<strong>ich</strong>?“<br />

„Ich nehme n<strong>ich</strong>ts, danke.“<br />

Bella machte ein beleidigtes Ges<strong>ich</strong>t. Hmm. Sie musste bemerkt haben dass <strong>ich</strong> nie aß. Sie<br />

bemerkte alles. Und <strong>ich</strong> vergaß in ihrer Gegen<strong>war</strong>t immer vors<strong>ich</strong>tig <strong>zu</strong> sein.<br />

Ich <strong>war</strong>tete, bis wir wie<strong>der</strong> allein <strong>war</strong>en.<br />

„Trink,“ ermahnte <strong>ich</strong> sie.<br />

Ich <strong>war</strong> überrascht, als sie sofort reagierte ohne Wie<strong>der</strong>worte <strong>zu</strong> geben. Sie trank das Glas in<br />

einem Zug leer, also schob <strong>ich</strong> ihr stirnrunzelnd <strong>die</strong> zweite Cola herüber. Durst o<strong>der</strong> Schock?<br />

Sie trank noch ein paar Schlucke und schüttelte s<strong>ich</strong> kurz.<br />

„Ist dir kalt?“<br />

„Nur <strong>die</strong> Cola,“ sagte sie, aber sie zitterte wie<strong>der</strong> und ihre Lippen bebten le<strong>ich</strong>t als würden<br />

ihre Zähne gle<strong>ich</strong> anfangen <strong>zu</strong> klappern.<br />

Die schöne Bluse <strong>die</strong> sie trug <strong>war</strong> <strong>zu</strong> dünn um sie <strong>zu</strong> schützen. Sie lag an ihr wie eine zweite<br />

Haut und <strong>war</strong> genauso zart wie <strong>die</strong> <strong>erste</strong>. Sie <strong>war</strong> so schwach, so sterbl<strong>ich</strong>. „Hast du keine Jacke<br />

dabei?“<br />

„Doch.“ Sie sah s<strong>ich</strong> etwas verwun<strong>der</strong>t um. „Oh – Ich hab sie in Jessicas Wagen liegen<br />

lassen.“<br />

Ich zog meine Jacke aus und hoffte, dass <strong>die</strong> Geste n<strong>ich</strong>t durch meine Körpertemperatur<br />

geschmälert wurde. Es wäre schön gewesen ihr einen <strong>war</strong>men Mantel anbieten <strong>zu</strong> können. Sie<br />

schaute m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> mit le<strong>ich</strong>t erröteten Wangen an. Was dachte sie jetzt?<br />

Ich re<strong>ich</strong>te ihr <strong>die</strong> Jacke über den Tisch und sie zog sie sofort an, dann zitterte sie wie<strong>der</strong>.<br />

Ja, es wäre schön <strong>war</strong>m <strong>zu</strong> sein.<br />

„Danke,“ sagte sie. Sie atmete tief ein und schob dann <strong>die</strong> Ärmel <strong>der</strong> Jacke soweit hoch, dass<br />

sie ihre Hände frei bekam. Dann atmete sie wie<strong>der</strong> tief durch.


Wurden ihr <strong>die</strong> Geschehnisse des heutigen Abends endl<strong>ich</strong> bewusst? Ihr Ges<strong>ich</strong>tsfarbe <strong>war</strong><br />

immer noch normal; ihre Haut <strong>war</strong> cremig und rosig neben dem dunklen Blau ihrer Bluse.<br />

„Die Farbe Blau hebt deinen Hautton sehr schön hervor,“ bemerkte <strong>ich</strong>. Ich <strong>war</strong> nur ehrl<strong>ich</strong>.<br />

Sie errötete und verstärkte dadurch den Effekt.<br />

Sie sah gesund aus, aber das <strong>war</strong> kein Grund so <strong>zu</strong> tun, als wäre n<strong>ich</strong>ts gewesen. Ich schob ihr<br />

den Korb mit Brot <strong>zu</strong>.<br />

„Ehrl<strong>ich</strong>,“ wiedesprach sie, als sie erriet was <strong>ich</strong> vorhatte. „Ich bekomme keinen Schock.“<br />

„<strong>Das</strong> solltest du aber – ein normaler Mensch würde einen Schock bekommen. Du siehst n<strong>ich</strong>t<br />

einmal verängstigt aus.“ Ich beobachtete sie, abschätzend und fragte m<strong>ich</strong>, <strong>war</strong>um sie n<strong>ich</strong>t normal<br />

sein konnte und dann, ob <strong>ich</strong> das wirkl<strong>ich</strong> wollte.<br />

„Ich fühle m<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong>er bei dir,“ sagte sie und ihre Augen <strong>war</strong>en wie<strong>der</strong> voller Vertrauen.<br />

Vertrauen das <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t ver<strong>die</strong>nte.<br />

Ihre Instinkte <strong>war</strong>en vollkommen falsch – entgegengesetzt. <strong>Das</strong> musste das Problem sein. Sie<br />

sah <strong>die</strong> Gefahr n<strong>ich</strong>t so wie ein menschl<strong>ich</strong>es Wesen sie sehen sollte. Sie hatte <strong>die</strong> gegenteilige<br />

Reaktion. Anstatt <strong>zu</strong> rennen, verweilte sie, angezogen von dem was sie ängstigen sollte…<br />

Wie sollte <strong>ich</strong> sie vor <strong>mir</strong> selbst schützen wenn keiner von uns beiden das wollte?<br />

„<strong>Das</strong> ist komplizierter als <strong>ich</strong> gedacht hätte,“ murmelte <strong>ich</strong>.<br />

Ich konnte sehen wie sie meine Worte in ihrem Kopf drehte und wendete und <strong>ich</strong> fragte<br />

m<strong>ich</strong>, was sie daraus machte. Sie nahm eine Brotstangen und begann <strong>zu</strong> essen, ohne es wirkl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong><br />

bemerken. Sie kaute einen Moment und legte ihren Kopf dann gedankenverloren <strong>zu</strong>r Seite.<br />

„Normalerweise bist du besser gelaunt, wenn deine Augen so hell sind,“ sagte sie ihn einem<br />

lässigen Tonfall.<br />

Ihre Beobachtung, so selbstverständl<strong>ich</strong> ausgesprochen, lies m<strong>ich</strong> taumeln. „Was?“<br />

„Du bist immer sehr schlecht gelaunt, wenn deine Augen sch<strong>war</strong>z sind – dann rechne <strong>ich</strong><br />

damit. Ich hab eine Theorie da<strong>zu</strong>,“ fügte sie le<strong>ich</strong>thin hin<strong>zu</strong>.<br />

Also hatte sie s<strong>ich</strong> ihre eigenen Theorien <strong>zu</strong>sammengebastelt. Natürl<strong>ich</strong> hatte sie das. Ich<br />

bekam ein wenig Angst als <strong>ich</strong> versuchte <strong>mir</strong> vor<strong>zu</strong>stellen wie nahe sie <strong>der</strong> Wahrheit gekommen sein<br />

könnte.<br />

„Mehr Theorien?“<br />

„Mm-hm.“ Sie kaute einen weiteren Bissen, absolut unbekümmert. Als ob sie n<strong>ich</strong>t gerade<br />

<strong>die</strong> Eigenschaften eines Monster mit dem Monster selbst besprechen würde.<br />

„Ich hoffe, du <strong>war</strong>st <strong>die</strong>smal etwas kreativer…“ log <strong>ich</strong>, als sie n<strong>ich</strong>t weitersprach. Was <strong>ich</strong><br />

wirkl<strong>ich</strong> hoffte <strong>war</strong>, dass sie falsch lag – Meilenweit von <strong>der</strong> Wahrheit entfernt. „O<strong>der</strong> klaust du<br />

immer noch aus Comics?“<br />

„Naja, nein, <strong>ich</strong> hab es n<strong>ich</strong>t aus einem Comic,“ sagte sie etwas verschämt. „Aber <strong>ich</strong> bin auch<br />

n<strong>ich</strong>t ganz allein darauf gekommen.“<br />

„Und?“ fragte <strong>ich</strong> durch meine Zähne.<br />

Sie würde bestimmt n<strong>ich</strong>t so locker reden, wenn sie kurz davor <strong>war</strong> <strong>zu</strong> schreien.<br />

Als sie s<strong>ich</strong> zögernd auf <strong>die</strong> Lippe biss, kam <strong>die</strong> Kellnerin mit ihrem Essen um <strong>die</strong> Ecke. Ich<br />

beachtete sie kaum als sie den Teller vor Bella abstellte und fragte, ob <strong>ich</strong> noch etwas bräuchte.<br />

Ich verneinte, bestellte aber noch etwas Cola. Die Kellnerin hatte <strong>die</strong> leeren Gläser n<strong>ich</strong>t<br />

bemerkt. Sie nahm sie an s<strong>ich</strong> und verschwand.<br />

„Du wolltest etwas sagen?“ brachte <strong>ich</strong> ungeduldig hervor sobald wir wie<strong>der</strong> allein <strong>war</strong>en.<br />

„Ich erzähl es dir im Auto,“ sagte sie leise. Ah, das würde böse werden. Sie wollte ihre<br />

Vermutung n<strong>ich</strong>t vor an<strong>der</strong>en aussprechen. „Wenn…“ fuhr sie plötzl<strong>ich</strong> fort.<br />

„Es gibt Bedingungen?“ <strong>ich</strong> <strong>war</strong> so gespannt, dass <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Worte fast knurrte.


„Ich hab natürl<strong>ich</strong> ein paar Fragen.“<br />

„Natürl<strong>ich</strong>,“ stimmte <strong>ich</strong> mit fester Stimme <strong>zu</strong>.<br />

Ihr Fragen würden vielle<strong>ich</strong>t ausre<strong>ich</strong>en um <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> zeigen in welche R<strong>ich</strong>tung ihre Theorie<br />

ging. Aber wie sollte <strong>ich</strong> sie beantworten? Mit vertretbaren Lügen? O<strong>der</strong> würde <strong>ich</strong> sie mit <strong>der</strong><br />

Wahrheit davon kommen lassen? O<strong>der</strong> würde <strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>ts sagen, da <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t entscheiden<br />

konnte?<br />

Wir saßen uns stumm gegenüber während <strong>die</strong> Kellnerin zwei weitere Colas brachte.<br />

„Na dann leg mal los,“ sagte <strong>ich</strong>, als sie wie<strong>der</strong> verschwunden <strong>war</strong> und biss <strong>die</strong> Zähne<br />

<strong>zu</strong>sammen.<br />

„Warum bist du in Port Angeles?“<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> eine <strong>zu</strong> einfache Frage – für sie. Die Frage verriet n<strong>ich</strong>ts, wohingegen meine Antwort<br />

viel <strong>zu</strong> viel verraten würde. Sie sollte <strong>zu</strong>erst etwas aufdecken.<br />

„Nächste,“ sagte <strong>ich</strong>.<br />

„Aber das ist doch <strong>die</strong> einfachste!“<br />

„Nächste,“ sagte <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong>.<br />

Meine Ablehnung frustrierte sie. Sie wandte den <strong>Blick</strong> von <strong>mir</strong> ab und schaute auf ihr Essen.<br />

Während sie scharf nachdachte, nahm sie einen Bissen und kaute sorgfältig. Sie spülte den Bissen mit<br />

etwas Cola hinunter und sah wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> auf. Ihre Augen <strong>war</strong>en <strong>zu</strong> schmalen Schlitzen<br />

<strong>zu</strong>sammengekniffen während sie überlegte.<br />

„Na gut, dann,“ sagte sie, „sagen wir mal, rein hypothetisch natürl<strong>ich</strong>, jemand… weiß was<br />

an<strong>der</strong>e Menschen denken, kann ihre Gedanken lesen, sowas in <strong>der</strong> Art – mit ein paar Ausnahmen.“<br />

Es könnte schlimmer sein.<br />

<strong>Das</strong> erklärte das kleine Lächeln im Auto. Sie <strong>war</strong> schnell – bisher hatte das noch niemand von<br />

<strong>mir</strong> erraten. Abgesehen vor Carlisle, aber damals <strong>war</strong> es zieml<strong>ich</strong> offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> gewesen, als <strong>ich</strong> <strong>zu</strong><br />

Beginn alle seine Gedanken beantwortet hatte, als hätte er sie laut ausgesprochen. Er verstand es<br />

bevor <strong>ich</strong> es verstand…<br />

Die Frage <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t so schlimm. Da klar <strong>war</strong>, dass sie wusste, dass mit <strong>mir</strong> etwas n<strong>ich</strong>t<br />

stimmte, <strong>war</strong> <strong>die</strong>se Frage n<strong>ich</strong>t so ernst. Gedankenlesen <strong>war</strong> immerhin keine typische Eigenschaft für<br />

Vampire. Ich ging auf ihre Hypothese ein.<br />

„Nur eine Ausnahme,“ korrigierte <strong>ich</strong>. „Hypothetisch.“<br />

Sie unterdrückte ein Lächeln – meine vage Ehrl<strong>ich</strong>keit gefiel ihr. „Na gut, mit einer Ausnahme<br />

also. Wie funktioniert das? Wo sind <strong>die</strong> Grenzen? Wie könnte… <strong>die</strong>ser Jemand… jemand an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong><br />

genau <strong>der</strong> r<strong>ich</strong>tigen Zeit finden? Wie könnte er wissen, dass sie in Gefahr <strong>war</strong>?“<br />

„Hypothetisch?“<br />

„Klar.“ Ihre Lippen <strong>zu</strong>ckten und ihre flüssigen braunen Augen schauten m<strong>ich</strong> begierig an.<br />

„Naja,“ <strong>ich</strong> zögerte. „Wenn… <strong>die</strong>ser Jemand…“<br />

„Sagen wir, er heißt Joe,“ schlug sie vor.<br />

Ich musste über ihren Enthusiasmus lächeln. Glaubte sie wirkl<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Wahrheit wäre etwas<br />

Gutes? Wenn meine Geheimnisse angenehm wären, <strong>war</strong>um sollte <strong>ich</strong> sie dann vor ihr bewahren?<br />

„Also dann Joe,“ stimmte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>. „Wenn Joe gut aufpasste müsste das Timing gar n<strong>ich</strong>t mal so<br />

gut sein.“ Ich schüttelte meinen Kopf und unterdrückte einen Schauer bei dem Gedanken, dass <strong>ich</strong><br />

heute beinahe <strong>zu</strong> spät gekommen wäre. „Nur du kannst in einer so kleinen Stadt in Schwierigkeiten<br />

geraten. Du hättest ihre Verbrechensrate für <strong>die</strong> nächsten Jahrzehnte in <strong>die</strong> Höhe getrieben.“<br />

Ihre Mundwinkel senkten s<strong>ich</strong> und sie zog einen Schmollmund. „Wir haben von einem rein<br />

hypothetischen fall gesprochen.“<br />

Ich lachte über ihren Ärger.


Ihre Lippen, ihre Haut… sie sahen so we<strong>ich</strong> aus. Ich wollte sie berühren. Ich wollte mit<br />

meinen Fingerspitzen ihre Mundwinkel berühren und sie wie<strong>der</strong> nach oben ziehen. Unmögl<strong>ich</strong>.<br />

Meine Haut würde abstoßend auf sie wirken.<br />

„Ja, stimmt,“ sagte <strong>ich</strong> um <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Unterhaltung <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>kommen bevor <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> noch mehr<br />

deprimierte. „Sollen wir d<strong>ich</strong> Jane nennen?“<br />

Sie beugte s<strong>ich</strong> über den Tisch <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> herüber, jedwede Belustigung und Veruns<strong>ich</strong>erung<br />

<strong>war</strong>en aus ihrem <strong>Blick</strong> gew<strong>ich</strong>en.<br />

„Woher wusstest du es?“ fragte sie mit ruhiger und fester Stimme.<br />

Sollte <strong>ich</strong> ihr <strong>die</strong> Wahrheit sagen? Und wenn ja, wie viel?<br />

Ich wollte es ihr sagen. Ich wollte das Vertrauen ver<strong>die</strong>nen, dass <strong>ich</strong> immer noch in ihrem<br />

Ges<strong>ich</strong>t sah.<br />

„Du kannst <strong>mir</strong> vertrauen, weißt du,“ flüsterte sie und streckte eine Hand aus, als wolle sie<br />

meine Hände berühren, <strong>die</strong> gefaltet auf dem leeren Tisch vor <strong>mir</strong> lagen.<br />

Ich zog sie <strong>zu</strong>rück – <strong>ich</strong> hasste <strong>die</strong> Vorstellung ihrer Reaktion auf meine kalte, steinerne Haut<br />

– und sie ließ ihre Hand fallen.<br />

Ich wusste, dass <strong>ich</strong> darauf vertrauen konnte, dass sie meine Geheimnisse bewahrte; sie <strong>war</strong><br />

absolut vertrauenswürdig, durch und durch gut. Aber <strong>ich</strong> konnte n<strong>ich</strong>t darauf vertrauen, dass sie<br />

n<strong>ich</strong>t entsetzt sein würde. Sie sollte entsetzt sein. Die Wahrheit <strong>war</strong> Entsetzl<strong>ich</strong>.<br />

„Ich weiß n<strong>ich</strong>t, ob <strong>ich</strong> noch <strong>die</strong> Wahl habe,“ murmelte <strong>ich</strong>. Ich erinnerte m<strong>ich</strong> daran, dass <strong>ich</strong><br />

sie mal damit aufgezogen hatte, dass sie `sehr unaufmerksam` <strong>war</strong>. Ich hatte sie damit beleidigt,<br />

wenn <strong>ich</strong> ihren Ges<strong>ich</strong>tsausdruck r<strong>ich</strong>tig gedeutet hatte. Naja, <strong>ich</strong> konnte <strong>die</strong>se Fehleinschät<strong>zu</strong>ng<br />

korrigieren. „Ich lag falsch – du bist viel aufmerksamer als <strong>ich</strong> dir <strong>zu</strong>getraut hatte.“ Und obwohl sie es<br />

vielle<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t bemerkt hatte, <strong>ich</strong> traute ihr eine Menge <strong>zu</strong>. Ihr entging n<strong>ich</strong>ts.<br />

„Ich dacht, du hättest immer recht,“ sagte sie und zog m<strong>ich</strong> lächelnd auf.<br />

„Normalerweise schon.“ Normalerweise wusste <strong>ich</strong> was <strong>ich</strong> tat. Normalerweise <strong>war</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong><br />

<strong>der</strong> Dinge s<strong>ich</strong>er. Und jetzt <strong>war</strong> alles Chaos und Tumult.<br />

Dennoch würde <strong>ich</strong> es n<strong>ich</strong>t eintauschen wollen. Ich wollte n<strong>ich</strong>t das Leben, das Sinn machte.<br />

N<strong>ich</strong>t wenn Chaos bedeutete, bei Bella <strong>zu</strong> sein.<br />

„Ich lag falsch was d<strong>ich</strong> angeht und noch bei einer an<strong>der</strong>en Sache,“ fuhr <strong>ich</strong> fort und<br />

wechselte gle<strong>ich</strong> das Thema. „Du bist kein Magnet für Unfälle – das ist n<strong>ich</strong>t ganz <strong>die</strong> R<strong>ich</strong>tige<br />

Beze<strong>ich</strong>nung. Du bist ein Magnet für Gefahren. Wenn es im Umkreis von zehn Meilen irgendeine<br />

Gefahr gibt, wird sie d<strong>ich</strong> finden.“ Warum sie? Was hatte sie getan um das alles <strong>zu</strong> ver<strong>die</strong>nen?<br />

Bellas Ges<strong>ich</strong>tsausdruck wurde wie<strong>der</strong> ernst. „Und du zählst d<strong>ich</strong> selbst auch <strong>zu</strong> <strong>die</strong>sen<br />

Gefahren?“<br />

Auf <strong>die</strong>se Frage ehrl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> antworten <strong>war</strong> w<strong>ich</strong>tiger als alles an<strong>der</strong>e. „Eindeutig.“<br />

Ihre Augen verengten s<strong>ich</strong> le<strong>ich</strong>t – n<strong>ich</strong>t argwöhnisch <strong>die</strong>smal, son<strong>der</strong>n seltsam betroffen. Sie<br />

streckte ihre Hand wie<strong>der</strong> über den Tisch, langsam und ganz bewusst. Ich zog meine Hand ein Stück<br />

<strong>zu</strong>rück, aber sie ignorierte es, sie <strong>war</strong> entschlossen m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> berühren. Ich hielt den Atem an – n<strong>ich</strong>t<br />

wegen ihres Duftes, son<strong>der</strong>n wegen <strong>der</strong> plötzl<strong>ich</strong>en überwältigenden Anspannung. Angst. Meine<br />

Haut würde sie abschrecken. Sie würde davonlaufen.<br />

Sie str<strong>ich</strong> sanft mit ihren Fingerspitzen über meinen Handrücken. Die Hitze ihrer sanften,<br />

freiwilligen Berührung <strong>war</strong> mit n<strong>ich</strong>ts <strong>zu</strong> vergle<strong>ich</strong>en dass <strong>ich</strong> je <strong>zu</strong>vor gefühlt hatte. Es <strong>war</strong> fast reine<br />

Freude. Hätte es sein können, wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t solche Angst gehabt hätte. Ich beobachtete ihr Ges<strong>ich</strong>t,<br />

als sie meine kalte steinerne Haut berührte und <strong>war</strong> immer noch n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage <strong>zu</strong> atmen.<br />

Ihre Mundwinkel hoben s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> einem kleinen Lächeln.<br />

„Danke,“ sagte sie und erwi<strong>der</strong>te meinen <strong>Blick</strong>. „<strong>Das</strong> <strong>war</strong> schon das zweite Mal.“


Ihre we<strong>ich</strong>en Finger verweilten auf meiner Hand als ob es ihnen dort gefiel.<br />

Ich antwortete ihr so locker <strong>ich</strong> konnte. „Wir sollten es n<strong>ich</strong>t auf ein drittes Mal ankommen<br />

lassen, einverstanden?“<br />

Sie verzog ein bisschen das Ges<strong>ich</strong>t, nickte aber.<br />

Ich zog meine Hand unter ihrer weg. So wun<strong>der</strong>bar wie s<strong>ich</strong> ihre Berührung angefühlt hatte,<br />

wollte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t darauf <strong>war</strong>ten, dass <strong>die</strong> Magie ihrer Toleranz verschwand und s<strong>ich</strong> in Abscheu<br />

verwandelte. Ich v<strong>erste</strong>ckte meine Hände unter dem Tisch.<br />

Ich las in ihren Augen; obwohl ihre Gedanken stumm <strong>war</strong>en, konnte <strong>ich</strong> Vertrauen und<br />

Bewun<strong>der</strong>ung in ihnen erkennen. In <strong>die</strong>sem Moment bemerkte <strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> ihre Fragen beantworten<br />

wollte. N<strong>ich</strong>t weil <strong>ich</strong> es ihr schuldete. N<strong>ich</strong>t weil <strong>ich</strong> wollte, dass sie <strong>mir</strong> vertraute.<br />

Ich wollte, dass sie m<strong>ich</strong> kannte.<br />

„Ich bin dir nach Port Angeles gefolgt,“ sagte <strong>ich</strong> ihr, <strong>die</strong> Worte sprudelten so schnell aus <strong>mir</strong><br />

heraus, dass <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t überdenken konnte. Ich kannte <strong>die</strong> Gefahren <strong>der</strong> Wahrheit, das Risiko das<br />

<strong>ich</strong> einging. Jeden Moment konnte ihre unnatürl<strong>ich</strong>e Gelassenheit in Hysterie umschwenken. Aber<br />

das brachte m<strong>ich</strong> nur da<strong>zu</strong>, noch schneller <strong>zu</strong> sprechen. „Ich habe noch nie <strong>zu</strong>vor versucht jemanden<br />

<strong>zu</strong> beschützen und es ist schwieriger als <strong>ich</strong> gedacht hätte. Aber das liegt vermutl<strong>ich</strong> nur daran, dass<br />

du es bist. Normale Menschen scheinen den Tag ohne größere Katastrophen <strong>zu</strong> üb<strong>erste</strong>hen.“<br />

Ich beobachtete sie ab<strong>war</strong>tend.<br />

Sie lächelte. Ihre Mundwinkel hoben s<strong>ich</strong> und ihre Schokoladen-Augen wurden <strong>war</strong>m.<br />

Ich hatte gerade <strong>zu</strong>gegeben, dass <strong>ich</strong> sie verfolgte und sie lächelte.<br />

„Hast du je darüber nachgedacht, dass meine Tage beim <strong>erste</strong>n Mal schon gezählt <strong>war</strong>en, als<br />

<strong>der</strong> Van auf m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>kam und du ins Schicksal eingegriffen hast?“ fragte sie.<br />

„<strong>Das</strong> <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t das <strong>erste</strong> Mal,“ sagte <strong>ich</strong> und starrte auf den dunklen Tisch, meine Schultern<br />

beschämt gesenkt. „Deine Tage <strong>war</strong>en gezählt, als <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> das <strong>erste</strong> Mal gesehen habe.“<br />

Es <strong>war</strong> <strong>die</strong> Wahrheit und es erzürnte m<strong>ich</strong>. Ich hing über ihrem Leben wie <strong>die</strong> Klinge einer<br />

Guillotine. Es <strong>war</strong> als wäre sie von einem grausamen, ungerechten Schicksal <strong>zu</strong>m Tode verurteilt und<br />

– nachdem <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> als unbrauchbares Werkzeug erwiesen hatte –versuchte <strong>die</strong>ses Schicksal immer<br />

wie<strong>der</strong> sie <strong>zu</strong> töten. Ich versuchte <strong>mir</strong> <strong>die</strong>ses Schicksal bildl<strong>ich</strong> vor<strong>zu</strong>stellen – eine grausige,<br />

eifersüchtige Hexe, eine rachsüchtige Harpyie.<br />

Ich wollte etwas o<strong>der</strong> jemanden haben, <strong>der</strong> dafür verantwortl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> – damit <strong>ich</strong> etwas<br />

Konkretes hatte, gegen das <strong>ich</strong> kämpfen konnte. Irgendetwas <strong>zu</strong>m vern<strong>ich</strong>ten, damit Bella s<strong>ich</strong>er <strong>war</strong>.<br />

Bella <strong>war</strong> sehr ruhig; ihr Atem ging schneller.<br />

Ich sah <strong>zu</strong> ihr auf, wohlwissentl<strong>ich</strong> dass <strong>ich</strong> endl<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Angst sehen würde auf <strong>die</strong> <strong>ich</strong> so lange<br />

ge<strong>war</strong>tet hatte. Hatte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gerade <strong>zu</strong>gegeben wie nah <strong>ich</strong> daran gewesen <strong>war</strong> sie <strong>zu</strong> töten?<br />

Näher als <strong>der</strong> Van <strong>der</strong> versucht hatte sie <strong>zu</strong> zerquetschen. Und doch <strong>war</strong> ihr Ges<strong>ich</strong>t immer noch<br />

entspannt, ihre Augen nur verwun<strong>der</strong>t <strong>zu</strong>sammengezogen.<br />

„Erinnerst du d<strong>ich</strong>?“ Sie musste s<strong>ich</strong> daran erinnern.<br />

„Ja,“ sagte sie mit klarer fester Stimme. Ihre tiefen Augen <strong>war</strong>en voller Erkenntnis.<br />

Sie wusste es. Sie wusste, dass <strong>ich</strong> sie hatte töten wollen.<br />

Wo blieben <strong>die</strong> Schreie?<br />

„Und dennoch sitzt du hier,“ sagte <strong>ich</strong> und brachte <strong>die</strong> Tatsache auf den Punkt.<br />

„Ja, <strong>ich</strong> sitze hier… wegen dir.“ Ihr Ges<strong>ich</strong>tsausdruck verän<strong>der</strong>te s<strong>ich</strong>, wurde neugierig, als sie<br />

grob das Thema wechselte. „Weil du irgendwie wusstest, wie du m<strong>ich</strong> heute finden konntest…?“<br />

Hoffnungslos versuchte <strong>ich</strong> ein weiteres Mal durch <strong>die</strong> Barriere <strong>zu</strong> brechen <strong>die</strong> ihre Gedanken<br />

abschirmte, <strong>ich</strong> wollte sie so verzweifelt v<strong>erste</strong>hen. Es ergab alles keinen Sinn für m<strong>ich</strong>. Wie konnte<br />

sie s<strong>ich</strong> darüber noch Gedanken machen, nachdem <strong>die</strong> Wahrheit so deutl<strong>ich</strong> auf dem Tisch lag?


Sie <strong>war</strong>tete nur neugierig. Ihre Haut <strong>war</strong> blass, was normal für sie <strong>war</strong>, aber es beunruhigte<br />

m<strong>ich</strong> dennoch. Ihr Essen stand immer noch fast unberührt vor ihr. Wenn <strong>ich</strong> ihr weiterhin <strong>zu</strong> viel<br />

erzählen würde, bräuchte sie eine Grundlage wenn <strong>der</strong> Schock letztl<strong>ich</strong> eintrat.<br />

Ich nannte meine Bedingungen. „Du isst, <strong>ich</strong> rede.“<br />

Sie überschlug den Gedanken eine halbe Sekunde lang und schob s<strong>ich</strong> dann hastig einen<br />

Bissen in den Mund. Die Eile strafte ihre Ruhe lügen. Sie <strong>war</strong> begieriger nach meiner Antwort als ihre<br />

Augen <strong>zu</strong>gaben.<br />

„Es ist schwerer als es sein sollte – dir <strong>zu</strong> folgen,“ erkläre <strong>ich</strong> ihr. „Normalerweise kann <strong>ich</strong><br />

jemanden sehr schnell finden, wenn <strong>ich</strong> einmal seine Gedanken gehört habe.“<br />

Ich beobachtete ihr Ges<strong>ich</strong>t ganz genau, während <strong>ich</strong> das sagte. R<strong>ich</strong>tig <strong>zu</strong> raten <strong>war</strong> eine<br />

Sache, aber es bestätigt <strong>zu</strong> bekommen eine ganz an<strong>der</strong>e.<br />

Sie regte s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t, ihre Augen <strong>war</strong>en geweitet. Ich spürte wie <strong>ich</strong> meine Zähne <strong>zu</strong>sammen<br />

biss während <strong>ich</strong> auf ihre Panik <strong>war</strong>tete.<br />

Aber sie blinzelte nur einmal, schluckte laut und schob s<strong>ich</strong> direkt einen weiteren Bissen in<br />

den Mund. Sie wollte dass <strong>ich</strong> weitersprach.<br />

„Ich konzentrierte m<strong>ich</strong> auf Jessica,“ fuhr <strong>ich</strong> fort und beobachtete wie sie jedes Wort aufsog.<br />

„N<strong>ich</strong>t beson<strong>der</strong>s aufmerksam – wie schon gesagt, nur du kannst in Port Angeles in Gefahr geraten“<br />

<strong>ich</strong> konnte n<strong>ich</strong>t wied<strong>erste</strong>hen das hin<strong>zu</strong><strong>zu</strong>fügen. War ihr bewusst, dass an<strong>der</strong>e Menschen n<strong>ich</strong>t<br />

ständig Todesnahe Erfahrungen machten o<strong>der</strong> dachte sie, sie seih normal? Sie <strong>war</strong> alles an<strong>der</strong>e als<br />

normal, unnormaler als alles was <strong>ich</strong> bisher kannte. „Und <strong>zu</strong> erst bemerkte <strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>t dass du<br />

alleine losgezogen bist. Als <strong>ich</strong> bemerkte, dass du n<strong>ich</strong>t mehr bei ihr <strong>war</strong>st fuhr <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> dem Buchladen<br />

den <strong>ich</strong> in ihrem Kopf gesehen hatte. Ich wusste, dass du n<strong>ich</strong>t hineingegangen bist, son<strong>der</strong>n d<strong>ich</strong><br />

nach Süden gewandt hattest… und <strong>ich</strong> wusste, dass du bald umdrehen musstest. Als hab <strong>ich</strong> einfach<br />

auf d<strong>ich</strong> ge<strong>war</strong>tet und <strong>die</strong> Gedanken <strong>der</strong> Passanten durchstöbert – um <strong>zu</strong> sehen ob d<strong>ich</strong><br />

irgendjemand bemerkt hatte, damit <strong>ich</strong> wusste, wo <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> finden konnte. Ich hatte keinen Grund<br />

besorgt <strong>zu</strong> sein… aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong> seltsam beunruhigt…“ <strong>ich</strong> atmete schneller als <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> an das Gefühl<br />

<strong>der</strong> Panik erinnerte. Ihr Duft brannte in meinem Hals und <strong>ich</strong> <strong>war</strong> dankbar. Es <strong>war</strong> ein Schmerz <strong>der</strong><br />

bedeutete, dass sie am Leben <strong>war</strong>. So lange <strong>ich</strong> brannte, <strong>war</strong> sie s<strong>ich</strong>er.<br />

„Ich begann im Kreis herum<strong>zu</strong>fahren und <strong>zu</strong>… lauschen.“ Ich hoffte <strong>die</strong> Worte ergaben einen<br />

Sinn für sie. <strong>Das</strong> musste verwirrend sein. „Die Sonne ging langsam unter und <strong>ich</strong> <strong>war</strong> kurz davor dir <strong>zu</strong><br />

Fuß <strong>zu</strong> folgen. Und dann…“<br />

Als m<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Erinnerung überkam – absolut klar und deutl<strong>ich</strong>, als wäre <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>die</strong>sem<br />

Zeitpunkt <strong>zu</strong>rückversetzt woren – fühlte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> selbe mör<strong>der</strong>isch Wut in <strong>mir</strong> aufschäumen.<br />

Ich wollte seinen Tod. Ich brauchte seinen Tod. Ich biss meine Zähne <strong>zu</strong>sammen und<br />

konzentrierte m<strong>ich</strong> darauf, an dem Tisch sitzen <strong>zu</strong> bleiben. Bella brauchte m<strong>ich</strong> immer noch. Nur<br />

darauf kam es an.<br />

„Was dann?“ flüsterte sie mit geweiteten Augen.<br />

„Ich hörte was sie dachten,“ quetschte <strong>ich</strong> durch meine Zähen hervor, n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage ein<br />

knurren <strong>zu</strong> unterdrücken. „Ich sah dein Ges<strong>ich</strong>t in seinen Gedanken.“<br />

Ich konnte dem Verlangen <strong>zu</strong> töten kaum wied<strong>erste</strong>hen. Ich wusste genau wo <strong>ich</strong> ihn finden<br />

würde. Seine dunklen Gedanken klebten am Nachthimmel und zogen m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihm…<br />

Ich bedeckte mein Ges<strong>ich</strong>t, in dem Bewusstsein, dass mein Ausdruck <strong>der</strong> eines Monsters <strong>war</strong>,<br />

eines Jägers, eines Killers. Ich fixierte ihr Ges<strong>ich</strong>t vor meinen geschlossenen Augen um <strong>die</strong> Kontrolle<br />

<strong>zu</strong> behalten, konzentrierte m<strong>ich</strong> nur auf ihr Ges<strong>ich</strong>t. Ihr zartes Knochengerüst, <strong>die</strong> dünne Hülle ihrer<br />

blassen Haut – wie Seide, gespannt über Glas, unglaubl<strong>ich</strong> we<strong>ich</strong> und le<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> zerbrechen. Sie <strong>war</strong> <strong>zu</strong>


verletzl<strong>ich</strong> für <strong>die</strong>se Welt. Sie brauchte einen Beschützer. Und, aufgrund einer verworrenen<br />

schlechten Leitung des Schicksals, <strong>war</strong> <strong>ich</strong> das Beste was <strong>zu</strong>r Verfügung stand.<br />

Ich versuchte meine heftige Reaktion <strong>zu</strong> erklären, damit sie m<strong>ich</strong> verstand.<br />

„Es <strong>war</strong> sehr… schwer – du kannst dir n<strong>ich</strong>t vorstellen wie schwer – d<strong>ich</strong> einfach nur<br />

fort<strong>zu</strong>bringen und sie… am Leben <strong>zu</strong> lassen,“ flüsterte <strong>ich</strong>. „Ich hätte d<strong>ich</strong> mit Jessica und Angela nach<br />

Hause fahren lassen können, aber <strong>ich</strong> hatte Angst, dass <strong>ich</strong> nach ihnen suchen würde, wenn du weg<br />

wärst.“<br />

<strong>Das</strong> zweite Mal heute Nacht gestand <strong>ich</strong> einen Mord geplant <strong>zu</strong> haben. Immerhin <strong>war</strong> <strong>die</strong>ser<br />

hier vertretbar.<br />

Sie <strong>war</strong> ruhig während <strong>ich</strong> versuchte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> fassen. Ich hörte ihren Herzschlag. Der<br />

Rhythmus <strong>war</strong> unregelmäßig, aber er verlangsamte s<strong>ich</strong> mit <strong>der</strong> Zeit und wurde wie<strong>der</strong> stabil. Auch<br />

ihr Atem <strong>war</strong> gle<strong>ich</strong>mäßig.<br />

Ich <strong>war</strong> <strong>zu</strong> d<strong>ich</strong>t an <strong>der</strong> Grenze. Ich musste sie nach Hause bringen bevor…<br />

Würde <strong>ich</strong> ihn dann töten? Würde <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>m Mör<strong>der</strong> werden nachdem sie <strong>mir</strong><br />

vertraute? Gab es irgendeinen Weg m<strong>ich</strong> auf<strong>zu</strong>halten?<br />

Sie hatte versprochen <strong>mir</strong> ihre neueste Theorie <strong>zu</strong> verraten wenn wir alleine <strong>war</strong>en. Wollte<br />

<strong>ich</strong> sie hören? Ich sehnte m<strong>ich</strong> danach, aber würde <strong>die</strong> Befriedigung meiner Neugierde besser sein,<br />

als es n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> wissen?<br />

Irgendwie musste sie genug Vertrauen für eine Nacht haben.<br />

Ich sah sie wie<strong>der</strong> an, ihr Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> blasser als vorher aber gefasst.<br />

„Bist du fertig? Können wir nach Hause fahren?“ fragte <strong>ich</strong>.<br />

„Ich bin fertig,“ sagte sie und wählte ihre Worte bewusst, als ob ein einfaches `Ja` n<strong>ich</strong>t<br />

ausdrücken könnte, was sie sagen wollte.<br />

Frustrierend.<br />

Die Kellnerin kam <strong>zu</strong>rück. Sie hatte Bellas letzten Satz gehört, während sie hinter <strong>der</strong><br />

Abtrennung hin und her überlegt hatte, was sie <strong>mir</strong> noch anbieten könnte. Ich wollte meine Augen<br />

verdrehen bei den Angeboten <strong>die</strong> sie im Kopf hatte.<br />

„Na, wie sieht’s aus?“ fragte sie m<strong>ich</strong>.<br />

„Wir hätten gern <strong>die</strong> Rechnung, danke,“ sagte <strong>ich</strong> ihr, mit dem <strong>Blick</strong> auf Bella.<br />

Die Atmung <strong>der</strong> Kellnerin beschleunigte und sie <strong>war</strong> für einen Augenblick – um es mit Bellas<br />

Worten <strong>zu</strong> sagen – geblendet von meiner Stimme.<br />

In einem Moment plötzl<strong>ich</strong>er Erkenntnis, während <strong>ich</strong> meine Stimme im Kopf <strong>der</strong> Kellnerin<br />

hörte, bemerkte <strong>ich</strong> <strong>war</strong>um <strong>ich</strong> heute so viel Bewun<strong>der</strong>ung erntete – unbeschadet von <strong>der</strong> normalen<br />

Angst.<br />

Es <strong>war</strong> wegen Bella. Bei dem Versuch, keine Gefahr für sie <strong>zu</strong> sein, weniger gruselig <strong>zu</strong> sein,<br />

menschl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sein, hatte <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Grenzen überschritten. Die an<strong>der</strong>en Menschen sahen nur<br />

noch Schönheit, da <strong>ich</strong> meinen Schrecken so sehr unter Kontrolle hielt.<br />

Ich schaute <strong>zu</strong>r Kellnerin auf und <strong>war</strong>tete bis sie s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> gefasst hatte. Es <strong>war</strong> irgendwie<br />

amüsant, jetzt da <strong>ich</strong> den Grund dafür kannte.<br />

„Natürl<strong>ich</strong>,“ stotterte sie. „Bitte sehr.“<br />

Sie gab <strong>mir</strong> <strong>die</strong> Mappe mit <strong>der</strong> Rechnung und dachte an <strong>die</strong> Karte, <strong>die</strong> sie darin v<strong>erste</strong>ckt<br />

hatte. Eine Karte mit ihrem Namen und ihrer Telefonnummer.<br />

Ja, es <strong>war</strong> irgendwie lustig.<br />

Ich hatte das Geld schon bereit. Ich gab <strong>die</strong> Mappe sofort <strong>zu</strong>rück damit sie n<strong>ich</strong>t auf einen<br />

Anruf <strong>war</strong>ten musste, <strong>der</strong> niemals kommen würde.


„Stimmt so,“ sagte <strong>ich</strong> und hoffte, dass <strong>die</strong> Menge des Trinkgeldes ihre Enttäuschung ein<br />

wenig lin<strong>der</strong>n würde.<br />

Ich stand auf und Bella folgte <strong>mir</strong>. Ich wollte ihr meine Hand anbieten, dachte aber, dass das<br />

mein Glück für heute <strong>zu</strong> sehr strapazieren würde. Ich bedankte m<strong>ich</strong> bei <strong>der</strong> Kellnerin, lies Bella dabei<br />

aber kein einziges Mal aus den Augen. Bella schien s<strong>ich</strong> ebenfalls über irgendetwas <strong>zu</strong> amüsieren.<br />

Wir verließen das Restaurant; <strong>ich</strong> lief so nah neben ihr her wie <strong>ich</strong> es <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>traute. Nah<br />

genug, dass <strong>die</strong> Wärme <strong>die</strong> ihr Körper ausstrahlte wie eine physische Berührung an meiner linken<br />

Seite <strong>war</strong>. Als <strong>ich</strong> ihr <strong>die</strong> Tür öffnete seufzte sie leise und <strong>ich</strong> fragte m<strong>ich</strong>, was sie so sehr bedauerte<br />

dass es sie traurig machte. Ich schaute ihr in <strong>die</strong> Augen und wollte gerade fragen, als sie ihren <strong>Blick</strong><br />

senkte, vor Verlegenheit. <strong>Das</strong> machte m<strong>ich</strong> noch neugieriger aber auch abgeneigter <strong>zu</strong> fragen. Die<br />

Stille zwischen uns hielt auch noch an als <strong>ich</strong> ihr <strong>die</strong> Autotür aufhielt und m<strong>ich</strong> dann auf den<br />

Fahrersitz setzte.<br />

Ich schaltete <strong>die</strong> Hei<strong>zu</strong>ng an – das <strong>war</strong>me Wetter <strong>war</strong> plötzl<strong>ich</strong> vorbei; das kalte Auto musste<br />

unangenehm für sie sein. Sie kuschelte s<strong>ich</strong> in meine Jacke mit einem le<strong>ich</strong>ten Lächeln auf den<br />

Lippen.<br />

Ich <strong>war</strong>tete und schob <strong>die</strong> Unterhaltung hinaus bis das L<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> Promenade hinter uns<br />

verblasste. Dadurch fühlte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> mehr allein mit ihr.<br />

War das r<strong>ich</strong>tig? Jetzt da <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> nur noch auf sie konzentrierte wirkte das Auto plötzl<strong>ich</strong><br />

sehr klein. Ihr Duft wurde von <strong>der</strong> Hei<strong>zu</strong>ng herumgewirbelt, baute s<strong>ich</strong> auf und wurde stärke. Er<br />

wuchs immer mehr an und wurde <strong>zu</strong> einem eigenen weiteren Wesen im Auto. Eine Präsenz <strong>die</strong><br />

Anerkennung for<strong>der</strong>te.<br />

Die hatte sie; <strong>ich</strong> brannte. Aber das Brennen <strong>war</strong> erträgl<strong>ich</strong>. Es wirkte seltsam r<strong>ich</strong>tig für m<strong>ich</strong>.<br />

Ich hatte so viel gegeben heute Nacht - mehr als <strong>ich</strong> er<strong>war</strong>tet hatte. Und hier <strong>war</strong> sie, immer noch<br />

freiwillig an meiner Seite. Ich <strong>war</strong> dafür etwas schuldig. Ein Opfer. Ein brennendes Angebot.<br />

Wenn <strong>ich</strong> es nur dabei belassen könnte; nur brennen, n<strong>ich</strong>ts weiter. Aber das Gift füllte<br />

meinen Mund, und meine Muskeln spannten s<strong>ich</strong> in Er<strong>war</strong>tung, als würde <strong>ich</strong> jagen…<br />

Ich musste solche Gedanken aus meinem Kopf verbannen. Und <strong>ich</strong> wusste was m<strong>ich</strong><br />

ablenken würde.<br />

„Jetzt,“ sagte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>r ihr und <strong>die</strong> Angst vor ihrer Antwort überschattete das Brennen. „Bist du<br />

dran.“


9. Theorie<br />

„Kann <strong>ich</strong> dir noch eine Frage stellen?“ bat sie, statt auf meine Auffor<strong>der</strong>ung <strong>zu</strong> antworten.<br />

Ich <strong>war</strong> hellhörig und rechnete mit dem schlimmsten. Und dennoch, wie verführerisch es<br />

<strong>war</strong>, <strong>die</strong>sen Moment noch länger hinaus<strong>zu</strong>zögern. Bella freiwillig für noch ein paar Sekunden länger<br />

bei <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> haben. Ich seufzte bei dem Dilemma und sagte, „Eine.“<br />

„Naja…,“ sie zögerte für einen Moment als ob sie erst darüber nachdenken musste, welche<br />

Frage sie stellen wollte. „Du hast gesagt, du wusstest, dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t in den Buchladen gegangen bin<br />

und dass <strong>ich</strong> nach Süden gegangen bin. Ich hab m<strong>ich</strong> nur gefragt, woher du das gewusst hast.“<br />

Ich <strong>war</strong>f einen kurzen <strong>Blick</strong> durch <strong>die</strong> Windschutzscheibe. Wie<strong>der</strong> eine Frage, <strong>die</strong> n<strong>ich</strong>ts von<br />

ihr preisgab, aber viel <strong>zu</strong> viel von <strong>mir</strong>.<br />

„Ich dachte wir hätten <strong>die</strong> Ausflüchte hinter uns,“ sagte sie in kritischem, enttäuschtem Ton.<br />

Wie ironisch. Sie <strong>war</strong> absolut auswe<strong>ich</strong>end ohne es überhaupt <strong>zu</strong> versuchen.<br />

Naja, sie wollte dass <strong>ich</strong> direkt <strong>war</strong>. Und bedauerl<strong>ich</strong>erweise führte <strong>die</strong>se Beziehung in keine<br />

gute R<strong>ich</strong>tung.<br />

„Na gut, also,“ sagte <strong>ich</strong>. „Ich bin deinem Geruch gefolgt.“<br />

Ich wollte ihr Ges<strong>ich</strong>t sehen, aber <strong>ich</strong> hatte Angst davor, was <strong>ich</strong> wohl sehen würde.<br />

Stattdessen lauschte <strong>ich</strong> wie ihr Atem schneller und dann wie<strong>der</strong> normal wurde. Nach einer Weile<br />

sprach sie wie<strong>der</strong> und ihre Stimme <strong>war</strong> fester als <strong>ich</strong> er<strong>war</strong>tet hatte.<br />

„Und dann hast du eine meiner <strong>erste</strong>n Fragen noch n<strong>ich</strong>t beantwortet…“ sagte sie.<br />

Ich schaute sie stirnrunzelnd an. Sie versuchte auch Zeit <strong>zu</strong> schinden.<br />

„Welche?“<br />

„Wie funktioniert das – mit dem Gedankenlesen?“ wie<strong>der</strong>holte sie ihre Frage aus dem<br />

Restaurant. „Kannst du von jedem <strong>die</strong> Gedanken lesen, überall? Wie machst du das? Kann <strong>der</strong> Rest<br />

deiner Familie…?“ sie brach ab und errötete wie<strong>der</strong>.<br />

„<strong>Das</strong> ist mehr als eine,“ sagte <strong>ich</strong>.<br />

Sie sah m<strong>ich</strong> nur an und <strong>war</strong>tete auf ihre Antworten.<br />

Warum sollte <strong>ich</strong> sie ihr n<strong>ich</strong>t geben? Sie hatte schon so viel erraten und es <strong>war</strong> ein<br />

einfacheres Thema als das was drohend näher rückte.<br />

„Nur <strong>ich</strong> kann Gedanken lesen. Aber <strong>ich</strong> kann auch n<strong>ich</strong>t jeden überall hören. Ich muss<br />

ungefähr in <strong>der</strong> Umgebung sein. Je bekannter <strong>die</strong> `Stimme` ist, umso weiter entfernt kann <strong>ich</strong> sie<br />

hören. Aber n<strong>ich</strong>t mehr als ein paar Meilen weit.“ Ich versuchte es so <strong>zu</strong> beschreiben, dass sie es<br />

verstand. Versuchte etwas <strong>zu</strong> finden, womit <strong>ich</strong> es vergle<strong>ich</strong>en konnte. „Es ist ein bisschen so, als<br />

würde man in einer riesigen Halle stehen voller Leute und alle reden gle<strong>ich</strong>zeitig. Es ist nur ein<br />

Summen – ein Meer von Stimmen im Hintergrund. Bis <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> auf eine Stimme konzentriere, dann<br />

werden <strong>die</strong>se Gedanken klar. Meistens blende <strong>ich</strong> alles aus – es kann sehr ablenkend sein. Außerdem<br />

ist es dann einfacher normal <strong>zu</strong> wirken,“ – <strong>ich</strong> schnitt eine Grimasse – „wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t aus Versehen<br />

<strong>die</strong> Gedanken von jemandem beantworte statt seine Worte.“<br />

„Warum glaubst du kannst du m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t hören?“ wun<strong>der</strong>te sie s<strong>ich</strong>.<br />

Ich gab ihr eine weitere Wahrheit und einen weiteren Vergle<strong>ich</strong>.


„Ich weiß es n<strong>ich</strong>t,“ gab <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>. „Ich vermute, dass dein Gehirn n<strong>ich</strong>t genauso arbeitet wie das<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en. Als würden deine Gedanken auf UKW gesendet, aber <strong>ich</strong> kann nur KW empfangen.“<br />

Ich bemerkte, dass sie <strong>die</strong>sen Vergle<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mögen würde. Die Er<strong>war</strong>tung ihrer Reaktion<br />

brachte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>m lächeln. Sie enttäuschte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t.<br />

„Mein Gehirn funktioniert n<strong>ich</strong>t r<strong>ich</strong>tig?“ fragte sie und hob verärgert ihre Stimme. „Ich bin<br />

also ein Freak?“<br />

Ah, <strong>die</strong> Ironie wie<strong>der</strong>.<br />

„Ich höre Stimmen in meinem Kopf und du glaubst, du wärst <strong>der</strong> Freak?“ Ich lachte. Sie<br />

verstand all <strong>die</strong> kleinen Dinge, aber <strong>die</strong> großen verstand sie immer falsch. Immer <strong>die</strong> falschen<br />

Instinkte…<br />

Bella nagte an ihrer Unterlippe und <strong>die</strong> Falte zwischen ihren Augen <strong>war</strong> sehr tief.<br />

„Keine Sorge,“ vers<strong>ich</strong>erte <strong>ich</strong> ihr. „Es ist nur eine Theorie…“ und es gab eine viel w<strong>ich</strong>tigere<br />

Theorie <strong>zu</strong> besprechen. Ich konnte es n<strong>ich</strong>t er<strong>war</strong>ten, das endl<strong>ich</strong> hinter m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> bringen. Jede<br />

Sekunde <strong>die</strong> verstr<strong>ich</strong> fühlte s<strong>ich</strong> immer mehr wie gestohlene Zeit an.<br />

„Was uns wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> dir <strong>zu</strong>rück bringt,“ sagte <strong>ich</strong> zwiegespalten, einerseits ängstl<strong>ich</strong>,<br />

an<strong>der</strong>erseits wie<strong>der</strong>strebend.<br />

Sie seufzte und kaute immer noch auf ihrer Lippe herum – <strong>ich</strong> machte <strong>mir</strong> sorgen, dass sie<br />

s<strong>ich</strong> verletzen könnte. Sie schaute <strong>mir</strong> mit aufgewühltem Ges<strong>ich</strong>tsausdruck in <strong>die</strong> Augen.<br />

„Haben wir <strong>die</strong> Ausflüchte n<strong>ich</strong>t alle hinter uns gelassen?“ fragte <strong>ich</strong> leise.<br />

Sie senkte den <strong>Blick</strong> und schien einen inneren Kampf <strong>zu</strong> führen. Plötzl<strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>ifte sie s<strong>ich</strong><br />

und riss erschrocken <strong>die</strong> Augen auf. <strong>Das</strong> <strong>erste</strong> Mal stand ihr <strong>die</strong> Angst ins Ges<strong>ich</strong>t geschrieben.<br />

„Heilige Scheiße!“ japste sie.<br />

Ich bekam Panik. Was hatte sie gesehen? Wie hatte <strong>ich</strong> sie verängstigt?<br />

Dann rief sie, „Fahr langsamer!“<br />

„Was ist los?“ Ich verstand n<strong>ich</strong>t woher ihre Angst kam.<br />

„Du fährst fast 100 Meilen pro Stunde!“ brüllte sie m<strong>ich</strong> an. Sie <strong>war</strong>f einen kurzen <strong>Blick</strong> aus<br />

dem Fenster und schrak vor den vorbeirasenden Bäumen <strong>zu</strong>rück.<br />

<strong>Das</strong> bisschen Geschwindigkeit ließ sie vor Angst aufschreien?<br />

Ich verdrehte meine Augen. „Entspann d<strong>ich</strong> Bella.“<br />

„Willst du uns umbringen?“ <strong>war</strong>f sie <strong>mir</strong> mit hoher angespannter Stimme vor.<br />

„Es wird schon n<strong>ich</strong>ts passieren,“ versprach <strong>ich</strong> ihr.<br />

Sie atmete tief ein und sprach dann etwas ruhiger weiter. „Warum hast du es so eilig?“<br />

„Ich fahre immer so.“<br />

Amüsiert von ihrem geschockten Ges<strong>ich</strong>tsausdruck erwi<strong>der</strong>te <strong>ich</strong> ihren <strong>Blick</strong>.<br />

„Schau auf <strong>die</strong> Straße!“ rief sie.<br />

„Ich hatte noch nie einen Unfall, Bella. Ich hab noch n<strong>ich</strong>t einmal einen Strafzettel<br />

bekommen.“ Ich grinste sie an und tippte <strong>mir</strong> an <strong>die</strong> Stirn. Es machte <strong>die</strong> Situation noch komischer –<br />

es <strong>war</strong> so absurd m<strong>ich</strong> mit ihr über so etwas Geheimes und seltsames lustig <strong>zu</strong> machen. „Eingebauter<br />

Radardetektor.“<br />

„Sehr witzig,“ sagte sie sarkastisch, ihre Stimme klang eher ängstl<strong>ich</strong> als sauer. „Charlie ist<br />

Polizist, du erinnerst d<strong>ich</strong>? Ich bin da<strong>zu</strong> erzogen worden, m<strong>ich</strong> an Verkehrsregeln <strong>zu</strong> halten.<br />

Abgesehen davon, wenn du uns vor einen Baum fährst, kannst du wahrscheinl<strong>ich</strong> einfach aussteigen<br />

und weggehen.“<br />

„Wahrscheinl<strong>ich</strong>,“ wie<strong>der</strong>holte <strong>ich</strong> und lachte humorlos. Ja, wir würden wohl einen sehr<br />

unterschiedl<strong>ich</strong>en Preis zahlen müssen bei einem Autounfall. Ich konnte v<strong>erste</strong>hen, dass sie Angst<br />

hatte, trotz meiner Qualitäten als Autofahrer… „Aber du n<strong>ich</strong>t.“


Mit einem Seufzer senkte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Geschwindigkeit. „Zufrieden?“<br />

Sie <strong>war</strong>f einen <strong>Blick</strong> auf den Tacho. „Fast.“<br />

„Genug Kommentare <strong>zu</strong> meinem Fahrstil,“ sagte <strong>ich</strong> ungeduldig. Wie oft <strong>war</strong> sie meiner Frage<br />

jetzt ausgew<strong>ich</strong>en? Dreimal? Vier? Waren ihre Spekulationen so Schreckl<strong>ich</strong>? Ich musste es wissen –<br />

sofort. „Ich <strong>war</strong>te immer noch auf deine neueste Theorie.“<br />

Sie biss s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> auf <strong>die</strong> Lippe und sah bedrückt aus, fast schon als hätte sie Schmerzen.<br />

Ich versuchte meine Ungeduld <strong>zu</strong> beherrschen und meine Stimme we<strong>ich</strong>er klingen <strong>zu</strong> lassen.<br />

Ich wollte sie n<strong>ich</strong>t beunruhigen.<br />

„Ich werde n<strong>ich</strong>t lachen,“ versprach <strong>ich</strong>, in <strong>der</strong> Hoffnung, dass sie nur vor Scham n<strong>ich</strong>t<br />

sprechen wollte.<br />

„Ich habe eher Angst dass du sauer auf m<strong>ich</strong> sein könntest,“ flüsterte sie.<br />

Ich hatte Mühe meine Stimme <strong>zu</strong> kontrollieren. „Ist es so schlimm?“<br />

„Zieml<strong>ich</strong>, ja.“<br />

Sie schaute nach unten und w<strong>ich</strong> meinem <strong>Blick</strong> aus. Die Sekunden verstr<strong>ich</strong>en.<br />

„Schieß los,“ ermutigte <strong>ich</strong> sie.<br />

Sie antwortete kleinlaut, „Ich wo n<strong>ich</strong>t wie <strong>ich</strong> anfangen soll.“<br />

„Wieso fängst du n<strong>ich</strong>t am Anfang an?“ Ich erinnerte m<strong>ich</strong> an ihre Worte vor dem Essen. „Du<br />

sagtest du wärst n<strong>ich</strong>t allein drauf gekommen.“<br />

„Nein,“ stimmte sie <strong>zu</strong> und <strong>war</strong> dann wie<strong>der</strong> still.<br />

Ich versuchte <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> überlegen, was sie inspiriert haben könnte. „Wie bist du darauf<br />

gekommen – ein Buch? Ein Film?“<br />

Ich hätte ihre Sammlung durchsehen sollen, als sie n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> Hause <strong>war</strong>. Ich hatte keine<br />

Ahnung, ob Bram Stoker o<strong>der</strong> Anne Rice bei ihren abgegriffenen Büchern lagen…<br />

„Nein,“ sagte sie wie<strong>der</strong>. „Es <strong>war</strong> am Samstag, am Strand.“<br />

Damit hatte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gerechnet. Der lokale Klatsch und Tratsch über uns <strong>war</strong> nie beson<strong>der</strong>s<br />

bizarr gewesen – o<strong>der</strong> präzise. Gab es ein neues Gerücht, dass <strong>ich</strong> verpasst hatte? Bella spähte von<br />

ihren Händen auf und sah meinen Überraschten Ges<strong>ich</strong>tsausdruck.<br />

„Ich hab einen alten Freund <strong>der</strong> Familie getroffen – Jacob Black,“ fuhr sie fort. „Sein Vater<br />

und Charlie sind schon befreundet seit <strong>ich</strong> ein Baby <strong>war</strong>.“<br />

Jacob Black – <strong>der</strong> Name <strong>war</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t bekannt und dennoch erinnerte er m<strong>ich</strong> an etwas… vor<br />

langer Zeit… <strong>ich</strong> schaute gerade aus durch <strong>die</strong> Windschutzscheibe und durchforstete meine<br />

Erinnerungen um <strong>die</strong> Verbindung <strong>zu</strong> finden.<br />

„Sein Vater ist einer <strong>der</strong> Ältesten von den Quileute,“ sagte sie.<br />

Jacob Black. Ephraim Black. Ein Nachfahre, kein Zweifel.<br />

Es <strong>war</strong> so schlimm wie es nur kommen konnte.<br />

Sie kannte <strong>die</strong> Wahrheit.<br />

In Gedanken ging <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Konsequenzen durch während <strong>der</strong> Wagen durch <strong>die</strong> sch<strong>war</strong>zen<br />

Kurven <strong>der</strong> Straße flog, mein Körper <strong>war</strong> starr vor Angst – bewegungslos abgesehen von den kleinen<br />

automatischen Aktionen <strong>die</strong> nötig <strong>war</strong>en um den Wagen <strong>zu</strong> steuern.<br />

Sie kannte <strong>die</strong> Wahrheit.<br />

Aber… wenn sie <strong>die</strong> Wahrheit am Samstag erfahren hatte… dann kannte sie sie schon den<br />

ganzen Abend… und dennoch…<br />

„Wir sind spazieren gegangen,“ erzählte sie weiter. „Und er hat <strong>mir</strong> von ein paar alten<br />

Legenden erzählt – er wollte <strong>mir</strong> ein bisschen Angst machen, denke <strong>ich</strong>. Er erzählte <strong>mir</strong> eine…“


Sie hielt kurz inne, aber es gab keinen Grund mehr für Skrupel; <strong>ich</strong> wusste, was sie sagen<br />

würde. <strong>Das</strong> einzige Geheimnis das es noch <strong>zu</strong> lüften galt <strong>war</strong> das, <strong>war</strong>um sie jetzt und hier bei <strong>mir</strong><br />

<strong>war</strong>.<br />

„Erzähl weiter,“ sagte <strong>ich</strong>.<br />

„Über Vampire,“ hauchte sie, ihre Stimme <strong>war</strong> kaum mehr ein Flüstern.<br />

Irgendwie <strong>war</strong> es noch schlimmer, sie das Wort aussprechen <strong>zu</strong> hören, als <strong>zu</strong> wissen, dass sie<br />

<strong>die</strong> Wahrheit kannte. Ich schrak bei dem Ausdruck <strong>zu</strong>rück, hatte m<strong>ich</strong> aber schnell wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Gewalt.<br />

„Und da hast du sofort an m<strong>ich</strong> gedacht?“ fragte <strong>ich</strong>.<br />

„Nein. Er… hat deine Familie erwähnt.“<br />

Es <strong>war</strong> pure Ironie, dass ausrechnet <strong>der</strong> Nachfahre von Ephraim den Vertrag verletzte den er<br />

geschworen hatte ein<strong>zu</strong>halten. Ein Enkel, o<strong>der</strong> vielle<strong>ich</strong>t Ur-Enkel. Wie viele Jahre <strong>war</strong> es her?<br />

Siebzig?<br />

Ich hätte wissen müssen, dass <strong>die</strong> Gefahr weniger von dem alten Mann ausging <strong>der</strong> an <strong>die</strong><br />

Legenden glaubte. Natürl<strong>ich</strong>, <strong>die</strong> jüngere Generation – <strong>die</strong>jenigen <strong>die</strong> z<strong>war</strong> ge<strong>war</strong>nt wurden, <strong>die</strong> aber<br />

den alten Aberglauben lächerl<strong>ich</strong> fanden – natürl<strong>ich</strong> lag dort <strong>die</strong> Gefahr <strong>der</strong> Entlarvung.<br />

Ich vermutete, dass es <strong>mir</strong> nun erlaubt <strong>war</strong>, den kleinen Stamm ab<strong>zu</strong>schlachten wenn <strong>ich</strong><br />

da<strong>zu</strong> geneigt wäre. Ephraim und sein Rudel von Beschützern <strong>war</strong>en lange tot…<br />

„Er dacht es wäre bloß ein dummer Aberglaube,“ sagte Bella plötzl<strong>ich</strong> mit einer neuen Angst<br />

in <strong>der</strong> Stimme. „Er hätte n<strong>ich</strong>t gedacht, dass <strong>ich</strong> irgendetwas davon ernst nehmen würde.“<br />

Aus meinem Augenwinkel sah <strong>ich</strong>, wie sie unruhig ihre Hände verschränkte.<br />

„Es <strong>war</strong> mein Fehler,“ sagte sie nach einer kurzen Pause und dann senkte sie ihren Kopf als<br />

ob sie s<strong>ich</strong> schämen würde. „Ich habe ihn da<strong>zu</strong> gebracht es <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> erzählen.“<br />

„Warum?“ Es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t mehr so anstrengend meine Stimme gle<strong>ich</strong>mäßig <strong>zu</strong> halten. <strong>Das</strong><br />

schlimmste <strong>war</strong> bereits geschehen. So lange wir über <strong>die</strong> Details <strong>der</strong> Aufdeckung sprachen, mussten<br />

wir uns keine Gedanken über ihre Konsequenzen machen.<br />

„Lauren hatte etwas über d<strong>ich</strong> gesagt – sie hatte versucht m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> provozieren.“ Sie verzog<br />

ein bisschen das Ges<strong>ich</strong>t bei <strong>der</strong> Erinnerung daran. Ich <strong>war</strong> ein bisschen abgelenkt von <strong>der</strong> Frage, wie<br />

Bella von irgendjemandem provoziert werden konnte, <strong>der</strong> über m<strong>ich</strong> sprach… „Und ein älterer Junge<br />

des Stammes hatte gesagt, dass deine Familie n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>m Reservat kommen würde, aber es hörte s<strong>ich</strong><br />

so an, als ob er etwas an<strong>der</strong>es meinte. Also hab <strong>ich</strong> Jacob beiseite genommen und es aus ihm heraus<br />

gekitzelt.“<br />

Sie senkte ihren Kopf noch weiter als sie das <strong>zu</strong>gab und ihr Ausdruck wirkte irgendwie…<br />

schuldig.<br />

Ich wand meinen <strong>Blick</strong> von ihr ab und lachte laut auf. Sie fühlte s<strong>ich</strong> schuldig? Was könnte sie<br />

getan haben um irgendeine Art von Tadel <strong>zu</strong> ver<strong>die</strong>nen?<br />

„Wie hast du es aus ihm heraus gekitzelt?“ fragte <strong>ich</strong>.<br />

„Ich hab versucht <strong>zu</strong> flirten – es hat besser geklappt als <strong>ich</strong> gedacht hätte,“ erklärte sie und<br />

ihre Stimme klang ungläubig bei <strong>der</strong> Erinnerung an ihren Erfolg.<br />

Ich konnte es <strong>mir</strong> nur vorstellen – wenn man bedachte was für eine Wirkung sie auf alles<br />

Männl<strong>ich</strong>e in ihrer Umgebung hatte, vollkommen unbewusst von ihrer Seite – wir überwältigend<br />

musste sie dann erst sein, wenn sie versuchte attraktiv <strong>zu</strong> sein. Ich hatte plötzl<strong>ich</strong> Mitleid mit dem<br />

armen Jungen auf den sie ihre ganze Naturgewalt losgelassen hatte.<br />

„<strong>Das</strong> hätte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> gern gesehen,“ sagte <strong>ich</strong> und lachte wie<strong>der</strong> vor Schadenfreude. Ich<br />

wünschte <strong>ich</strong> hätte <strong>die</strong> Reaktion des Jungen gesehen, hätte das ganze Ausmaß <strong>der</strong> Verwüstung mit<br />

eigenen Augen bezeugt. „Und du wirfst <strong>mir</strong> vor, <strong>ich</strong> würde <strong>die</strong> Leute blenden – armer Jacob Black.“


Ich <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t so sauer über <strong>die</strong> Art meiner Entlarvung wie <strong>ich</strong> gedacht hätte, dass <strong>ich</strong> sein<br />

würde. Er wusste es einfach n<strong>ich</strong>t besser. Und wie konnte <strong>ich</strong> von irgendjemandem er<strong>war</strong>ten, dass er<br />

<strong>die</strong>sem Mädchen irgendeinen Wunsch verwehrte? Nein, <strong>ich</strong> hatte nur Mitleid aufgrund des Schadens<br />

den sie <strong>die</strong>sem unschuldigen Geist <strong>zu</strong>gefügt haben mochte.<br />

Ich spürte wie ihr Erröten <strong>die</strong> Luft zwischen uns aufheizte. Ich sah <strong>zu</strong> ihr herüber und sie<br />

schaute aus dem Fenster. Sie sprach n<strong>ich</strong>t weiter.<br />

„Was hast du dann gemacht?“ fragte <strong>ich</strong>. Zeit um <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Horrorgesch<strong>ich</strong>te <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>kehren.<br />

„Ich hab ein bisschen im Internet nachgeforscht.“<br />

Immer wie<strong>der</strong> praktisch. „Und hat d<strong>ich</strong> das überzeugt?“<br />

„Nein,“ sagte sie. „N<strong>ich</strong>ts passte. <strong>Das</strong> meiste <strong>war</strong> eher albern. Und dann…“<br />

Sie brach ab und <strong>ich</strong> hörte wie sie ihre Zähne <strong>zu</strong>sammenbiss.<br />

„Was?“ verlangte <strong>ich</strong>. Was hatte sie gefunden? Was an <strong>die</strong>sem Albtraum hatte einen Sinn für<br />

sie ergeben?<br />

Nach einer kurzen Pause flüsterte, „Ich hab beschlossen, dass es egal ist.“<br />

Für den Bruchteil einer Sekunde <strong>war</strong>en meinen Gedanken erstarrt und plötzl<strong>ich</strong> passte alles<br />

<strong>zu</strong>sammen. Weshalb sie ihre Freunde weggeschickt hatte, statt mit ihnen <strong>zu</strong> flüchten. Warum sie<br />

wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> ins Auto gestiegen <strong>war</strong>, statt weg<strong>zu</strong>rennen und nach <strong>der</strong> Polizei <strong>zu</strong> rufen…<br />

Ihre Reaktionen <strong>war</strong>en immer falsch – immer absolut falsch. Sie zog <strong>die</strong> Gefahr an. Sie lud sie<br />

ein.<br />

„Es ist egal?“ presste <strong>ich</strong> durch meine Zähne und Wut stieg in <strong>mir</strong> auf. Wie sollte <strong>ich</strong><br />

jemanden beschützen <strong>der</strong> so… so… so entschlossen <strong>war</strong> ungeschützt <strong>zu</strong> sein?<br />

„Ja,“ sagte sie leise mit einer Stimme <strong>die</strong> unglaubl<strong>ich</strong> we<strong>ich</strong> klang. „Es ist <strong>mir</strong> egal, was du<br />

bist.“<br />

Sie <strong>war</strong> unglaubl<strong>ich</strong>.<br />

„Es ist macht dir n<strong>ich</strong>ts aus, dass <strong>ich</strong> ein Monster bin? <strong>Das</strong>s <strong>ich</strong> kein Mensch bin?“<br />

„Nein.“<br />

Ich fing an m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> fragen, ob sie wirkl<strong>ich</strong> gesund <strong>war</strong>.<br />

Ich könnte <strong>die</strong> beste Pflege für sie arrangieren… Carlisle hatte <strong>die</strong> nötigen Verbindungen um<br />

ihr <strong>die</strong> besten Ärzte <strong>zu</strong> besorgen, <strong>die</strong> talentiertesten Therapeuten. Vielle<strong>ich</strong>t konnte man irgendetwas<br />

tun um was immer mit ihr n<strong>ich</strong>t stimmte <strong>zu</strong> heilen, was immer es <strong>war</strong>, dass es ihr ermögl<strong>ich</strong>te neben<br />

einem Vampir <strong>zu</strong> sitzen mit einem absolut ruhigen und gle<strong>ich</strong>mäßigen Puls. Ich würde ihre<br />

Behandlung selbstverständl<strong>ich</strong> überwachen und sie so oft besuchen wie es <strong>mir</strong> erlaubt <strong>war</strong>…<br />

„Du bist sauer,“ seufzte sie. „Ich hätte besser n<strong>ich</strong>ts gesagt.“<br />

Als ob es einem von uns geholfen hätte, wenn sie <strong>die</strong>se störende Tatsache verschwiegen<br />

hätte.<br />

„Nein. Ich möchte gerne wissen, was du denkst – auch wenn, was du denkst vollkommen<br />

verrückt ist.“<br />

„Also liege <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> falsch?“ fragte sie in einem etwas streitlustigen Tonfall.<br />

„<strong>Das</strong> habe <strong>ich</strong> damit n<strong>ich</strong>t gemeint!“ Ich biss wie<strong>der</strong> <strong>die</strong> Zähne <strong>zu</strong>sammen. „`Es ist egal`!“<br />

wie<strong>der</strong>holte <strong>ich</strong> bissig.<br />

Sie japste. „Ich hab also recht?“<br />

„Ist das w<strong>ich</strong>tig?“ konterte <strong>ich</strong>.<br />

Sie atmete tief durch. Ich <strong>war</strong>tete wütend auf ihre Antwort.<br />

„N<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong>,“ sagte sie mit kontrollierter Stimme. „Aber <strong>ich</strong> bin neugierig.“<br />

N<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong>. Es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> w<strong>ich</strong>tig. Es <strong>war</strong> ihr egal. Sie wusste dass <strong>ich</strong> kein Mensch<br />

<strong>war</strong>, ein Monster, es <strong>war</strong> ihr n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> w<strong>ich</strong>tig.


Abgesehen von meinen Zweifeln an ihrer geistigen Zurechnungsfähigkeit, fühlte <strong>ich</strong> einen<br />

le<strong>ich</strong>ten Anflug von Hoffnung. Ich versuchte sie <strong>zu</strong> unterdrücken.<br />

„Was möchtest du wissen?“ fragte <strong>ich</strong> sie. Es gab keine Geheimnisse mehr nur noch<br />

unw<strong>ich</strong>tige Details.<br />

„Wie alt bist du?“ fragte sie.<br />

Meine Antwort kam automatisch und <strong>war</strong> tief verwurzelt. „Siebzehn.“<br />

„Und wie lange bist du schon Siebzehn?“<br />

Ich versuchte n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> lächeln bei ihrem herablassenden Tonfall. „Eine Weile,“ gab <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>.<br />

„Okay,“ sagte sie plötzl<strong>ich</strong> enthusiastisch. Sie lächelte m<strong>ich</strong> an. Als <strong>ich</strong> ihren <strong>Blick</strong> erwi<strong>der</strong>te,<br />

wie<strong>der</strong> an ihrer geistigen Zurechnungsfähigkeit zweifelnd, lächelte sie noch breiter. Ich verzog das<br />

Ges<strong>ich</strong>t.<br />

„Lach jetzt n<strong>ich</strong>t,“ <strong>war</strong>nte sie. „Aber wie kommt es, dass du bei Tagesl<strong>ich</strong>t rausgehen<br />

kannst?“<br />

Ich lachte trotz ihrer Bitte. Es sah so aus als hätten ihre Nachforschungen n<strong>ich</strong>ts Unnormales<br />

ergeben. „Mythos,“ erklärte <strong>ich</strong> ihr.<br />

„Ihr verbrennt n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Sonne?“<br />

„Mythos.“<br />

„Ihr schlaft n<strong>ich</strong>t in Särgen?“<br />

„Mythos.“<br />

Schlaf <strong>war</strong> schon so lange kein Teil meines Lebens mehr – <strong>zu</strong>mindest n<strong>ich</strong>t bis <strong>zu</strong> den letzten<br />

paar Nächten in denen <strong>ich</strong> Bella beim Träumen beobachtet hatte…<br />

„Ich kann n<strong>ich</strong>t schlafen,“ murmelte <strong>ich</strong> und beantwortete ihre Frage damit ausführl<strong>ich</strong>er.<br />

Sie <strong>war</strong> für einen Moment still.<br />

„Gar n<strong>ich</strong>t?“ fragte sie.<br />

„Nie,“ flüsterte <strong>ich</strong>.<br />

Ich schaute in ihre Augen, geweitet unter den geschwungenen Wimpern und sehnte m<strong>ich</strong><br />

danach schlafen <strong>zu</strong> können. N<strong>ich</strong>t um <strong>zu</strong> vergessen, n<strong>ich</strong>t um <strong>der</strong> Langeweile <strong>zu</strong> entfliehen, son<strong>der</strong>n<br />

weil <strong>ich</strong> träumen wollte. Wenn <strong>ich</strong> bewusstlos wäre, wenn <strong>ich</strong> träumen könnte, dann könnte <strong>ich</strong> für<br />

ein paar Stunden in einer Welt leben wo sie und <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen sein konnten. Sie träumte von <strong>mir</strong>.<br />

Ich wollte von ihr träumen.<br />

Sie schaute m<strong>ich</strong> mit verwun<strong>der</strong>tem Ges<strong>ich</strong>tsausdruck an. Ich musste wegschauen.<br />

Ich konnte n<strong>ich</strong>t von ihr träumen. Sie sollte n<strong>ich</strong>t von <strong>mir</strong> träumen.<br />

„Du hast <strong>mir</strong> <strong>die</strong> w<strong>ich</strong>tigste aller Fragen noch n<strong>ich</strong>t gestellt,“ sagte <strong>ich</strong>, meine stumme Brust<br />

<strong>war</strong> noch kälter und härter als <strong>zu</strong>vor. Sie musste endl<strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>hen. An irgendeinem Punkt musste sie<br />

merken, was sie hier gerade tat. Sie musste v<strong>erste</strong>hen, dass das alles w<strong>ich</strong>tig <strong>war</strong> – w<strong>ich</strong>tiger als alle<br />

an<strong>der</strong>en Überlegungen. Überlegungen wie <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>ich</strong> sie liebte.<br />

„Und welche ist das?“ fragte sie überrascht und ahnungslos.<br />

Dadurch wurde meine Stimme nur noch härter. „Machst du dir keine Sorgen um meine<br />

Ernährung?“<br />

„Oh. <strong>Das</strong>.“ Sie sprach leise und <strong>ich</strong> wusste es n<strong>ich</strong>t ein<strong>zu</strong>schätzen.<br />

„Ja, das. Willst du n<strong>ich</strong>t wissen, ob <strong>ich</strong> Blut trinke?“<br />

Sie <strong>zu</strong>ckte <strong>zu</strong>rück bei meiner Frage. Endl<strong>ich</strong>. Sie verstand.<br />

„Naja, Jacob hatte etwas darüber gesagt,“ sagte sie.<br />

„Was hat Jacob gesagt?“<br />

„Er sagte, dass ihr keine… Menschen jagt. Er sagte deine Familie galt n<strong>ich</strong>t als gefährl<strong>ich</strong> weil<br />

ihr nur Tiere jagt.“


„Er sagte, wir wären n<strong>ich</strong>t gefährl<strong>ich</strong>?“ wie<strong>der</strong>holte <strong>ich</strong> zynisch.<br />

„N<strong>ich</strong>t genau,“ korrigierte sie. „Er sagte, dass ihr n<strong>ich</strong>t als gefährl<strong>ich</strong> galtet. Aber <strong>die</strong> Quileutes<br />

wollen euch trotzdem lieber n<strong>ich</strong>t auf ihrem Land haben, <strong>zu</strong>r S<strong>ich</strong>erheit.“<br />

Ich starrte auf <strong>die</strong> Straße, meine Gedanken <strong>war</strong>en hoffnungslos verknotet, meine Kehle<br />

schmerzte vor bekanntem brennendem Durst.<br />

„Also, hat er recht?“ fragte sie, so locker als würde sie nach dem Wetterber<strong>ich</strong>t fragen. „<strong>Das</strong>s<br />

ihr keine Menschen jagt?“<br />

„Die Quileutes haben ein langes Gedächtnis.“<br />

Sie nickte und dachte scharf nach.<br />

„Aber gib d<strong>ich</strong> damit n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>frieden,“ sagte <strong>ich</strong> schnell. „Sie haben recht, wenn sie s<strong>ich</strong> von<br />

uns fernhalten. Wir sind immer noch gefährl<strong>ich</strong>.“<br />

„<strong>Das</strong> v<strong>erste</strong>he <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t.“<br />

Nein, natürl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Wie sollte <strong>ich</strong> es ihr erklären?<br />

„Wir versuchen es,“ erklärte <strong>ich</strong> ihr. „Normalerweise sind wir sehr gut darin. Manchmal<br />

machen wir Fehler. Ich <strong>zu</strong>m Beispiel in dem <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> erlaube mit dir allein <strong>zu</strong> sein.“<br />

Ihr Duft <strong>war</strong> immer noch präsent im Auto. Ich gewöhnte m<strong>ich</strong> daran, <strong>ich</strong> konnte ihn fast<br />

ignorieren, aber <strong>ich</strong> konnte n<strong>ich</strong>t leugnen, dass mein Körper s<strong>ich</strong> immer noch aus den falschen<br />

Gründen nach ihr sehnte. Mein Mund <strong>war</strong> gefüllt mit Gift.<br />

„<strong>Das</strong> ist ein Fehler?“ fragte sie mit Schmerz und Trauer in <strong>der</strong> Stimme. Dieser Klang<br />

entwaffnete m<strong>ich</strong>. Sie wollte mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>sammen sein – trotz allem wollte sie mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>sammen sein.<br />

Hoffnung keimte erneut auf und <strong>ich</strong> erstickte sie.<br />

„Ein sehr gefährl<strong>ich</strong>er,“ sagte <strong>ich</strong> ihr ehrl<strong>ich</strong> und wünschte <strong>mir</strong>, dass <strong>die</strong>se Ehrl<strong>ich</strong>keit<br />

bewirkte, dass es ihr etwas ausmachte.<br />

Sie antwortete <strong>zu</strong>nächst n<strong>ich</strong>t. Ich hörte wie s<strong>ich</strong> ihre Atmung än<strong>der</strong>te – sie beschleunigte<br />

s<strong>ich</strong> auf seltsame Weise <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t nach Angst anhörte.<br />

„Erzähl <strong>mir</strong> mehr,“ sagte sie plötzl<strong>ich</strong> mit vor Schmerz beben<strong>der</strong> Stimme.<br />

Ich beobachtete sie aufmerksam.<br />

Sie hatte Schmerzen. Wie hatte <strong>ich</strong> das <strong>zu</strong>lassen können?<br />

„Was möchtest du denn noch wissen?“ fragte <strong>ich</strong> sie und überlegte wie <strong>ich</strong> es vermeiden<br />

konnte, sie noch mehr <strong>zu</strong> verletzen.<br />

„Erzähl <strong>mir</strong> <strong>war</strong>um ihr Tiere statt Menschen jagt,“ sagte sie, immer noch gequält.<br />

War das n<strong>ich</strong>t offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>? O<strong>der</strong> vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> ihr das auch egal.<br />

„Ich möchte kein Monster sein,“ murmelte <strong>ich</strong>.<br />

„Aber Tiere re<strong>ich</strong>en n<strong>ich</strong>t?“<br />

Ich dachte über einen weiteren Vergle<strong>ich</strong> nach, einen den sie v<strong>erste</strong>hen würde. „Ich kann es<br />

natürl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mit S<strong>ich</strong>erheit sagen, aber <strong>ich</strong> würde es mit einer Ernährung auf Tofu und Soja-Basis<br />

vergle<strong>ich</strong>en; wir nennen uns selbst Vegetarier, ein kleiner Insi<strong>der</strong> Witz. Es stillt den Hunger n<strong>ich</strong>t<br />

vollkommen – o<strong>der</strong> besser den Durst. Aber es macht uns stark genug um <strong>zu</strong> wied<strong>erste</strong>hen.<br />

Meistens.“ Ich wurde leiser; <strong>ich</strong> schämte m<strong>ich</strong> dafür sie in Gefahr gebracht <strong>zu</strong> haben. Eine Gefahr <strong>die</strong><br />

<strong>ich</strong> immer noch <strong>zu</strong>ließ… „Zu manchen Zeiten ist es schwerer als <strong>zu</strong> an<strong>der</strong>en.“<br />

„Ist es jetzt sehr schwer für d<strong>ich</strong>?“<br />

Ich seufzte. Natürl<strong>ich</strong> würde sie <strong>die</strong> Frage stellen, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t beantworten wollte. „Ja,“ gab<br />

<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>.<br />

Diesmal lag <strong>ich</strong> r<strong>ich</strong>tig was meine Er<strong>war</strong>tungen an ihre Reaktion betraf: ihr Atem blieb<br />

gle<strong>ich</strong>mäßig, ihr Herz schlug normal weiter. Ich er<strong>war</strong>tete es, aber <strong>ich</strong> verstand es n<strong>ich</strong>t. Wieso hatte<br />

sie keine Angst?


„Aber jetzt bist du n<strong>ich</strong>t hungrig,“ stellte sie fest und <strong>war</strong> s<strong>ich</strong> ihrer vollkommen s<strong>ich</strong>er.<br />

„Wieso glaubst du das?“<br />

„Deine Augen,“ sagte sie ohne weiteres. „Ich hab dir gesagt, <strong>ich</strong> hätte eine Theorie. Ich habe<br />

festgestellt, dass Menschen – Männer speziell – schlechter gelaunt sind, wenn sie Hunger haben.“<br />

Ich lachte innerl<strong>ich</strong> über ihren Ausdruck: schlecht gelaunt. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> weit untertrieben. Aber<br />

sie lag vollkommen r<strong>ich</strong>tig, wie immer. „Du bist sehr aufmerksam, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>?“ <strong>ich</strong> lachte wie<strong>der</strong>.<br />

Sie lächelten ein bisschen und <strong>die</strong> Falte zwischen ihren Augen tauchte wie<strong>der</strong> auf als ob sie<br />

s<strong>ich</strong> konzentrierte.<br />

„Warst du <strong>die</strong>ses Wochenende mit Emmett jagen?“ fragte sie nachdem <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> beruhigt<br />

hatte. Die lässige Art mit <strong>der</strong> sie darüber sprach <strong>war</strong> sowohl faszinierend als auch frustrierend.<br />

Konnte es wirkl<strong>ich</strong> sein, dass sie so viel so einfach verkraftete? Ich <strong>war</strong> näher an einem Schock als sie<br />

„Ja,“ antwortete <strong>ich</strong> ihr, und dann, als <strong>ich</strong> es eigentl<strong>ich</strong> schon dabei belassen wollte, hatte <strong>ich</strong><br />

wie<strong>der</strong> das gle<strong>ich</strong>e Bedürfnis wie im Restaurant: Ich wollte dass sie m<strong>ich</strong> kannte. „Ich wollte n<strong>ich</strong>t<br />

gehen,“ fuhr <strong>ich</strong> langsam fort, „aber es <strong>war</strong> nötig. Es ist einfacher in deiner Nähe <strong>zu</strong> sein, wenn <strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t durstig bin.“<br />

„Warum wolltest du n<strong>ich</strong>t gehen?“<br />

Ich atmete tief ein und erwi<strong>der</strong>te dann ihren <strong>Blick</strong>. Diese Art <strong>der</strong> Ehrl<strong>ich</strong>keit <strong>war</strong> auf eine<br />

an<strong>der</strong>e Art und Weise schwierig.<br />

„Ich fühle m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t wohl…“ <strong>ich</strong> denke, <strong>die</strong>ser Ausdruck trifft es am besten, obwohl er n<strong>ich</strong>t<br />

stark genug <strong>war</strong>, „wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t in deiner Nähe bin. Es <strong>war</strong> kein Scherz als <strong>ich</strong> letzten Donnerstag <strong>zu</strong><br />

dir sagte, dass du n<strong>ich</strong>t ins Meer fallen o<strong>der</strong> d<strong>ich</strong> von einem Truck überfahren lassen sollst. Ich <strong>war</strong><br />

das ganze Wochenende abgelenkt weil <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> Sorgen um d<strong>ich</strong> gemacht habe. Und nachdem was<br />

heute Abend passiert ist, bin <strong>ich</strong> überrascht, dass du das Wochenende unbeschadet überstanden<br />

hast.“ Dann erinnerte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> an <strong>die</strong> Kratzer auf ihren Handflächen. „Naja, n<strong>ich</strong>t ganz unbeschadet,“<br />

ermahnte <strong>ich</strong>.<br />

„Was?“<br />

„Deine Hände,“ erinnerte <strong>ich</strong> sie.<br />

Sie seufzte und verzog das Ges<strong>ich</strong>t. „Ich bin hingefallen.“<br />

Ich hatte r<strong>ich</strong>tig geraten. „<strong>Das</strong> hab <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> gedacht,“ sagte <strong>ich</strong>, n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage mein Lächeln<br />

<strong>zu</strong> verbergen. „So wie <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> kenne, hätte es schlimmer kommen können – und <strong>die</strong>se Mögl<strong>ich</strong>keit<br />

hat m<strong>ich</strong> das ganze Wochenende gequält. Es <strong>war</strong>en sehr lange drei Tage. Ich bin Emmett ganz schön<br />

auf <strong>die</strong> Nerven gegangen.“ Ehrl<strong>ich</strong>gesagt, <strong>war</strong> das immer noch <strong>der</strong> Fall. Ich verwirrte Emmett s<strong>ich</strong>er<br />

immer noch und den Rest meiner Familie ebenso. Abgesehen von Alice…<br />

„Drei Tage?“ fragte sie mit plötzl<strong>ich</strong> scharfer Stimme. „Seid ihr n<strong>ich</strong>t erst heute <strong>zu</strong>rück<br />

gekommen?“<br />

Ich verstand ihren Tonfall n<strong>ich</strong>t. „Nein, wir sind am Sonntag <strong>zu</strong>rückgekommen.“<br />

„Warum <strong>war</strong> dann keiner von euch in <strong>der</strong> Schule?“ verlangte sie <strong>zu</strong> wissen. Ihre Aggression<br />

verwirrte m<strong>ich</strong>. Sie schien n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>hen, dass <strong>die</strong>se Frage wie<strong>der</strong> etwas mit Mythologie <strong>zu</strong> tun<br />

hatte.<br />

„Naja, du hattest gefragt, ob <strong>die</strong> Sonne m<strong>ich</strong> verletzt und das tut sie n<strong>ich</strong>t,“ sagte <strong>ich</strong>. „Aber<br />

<strong>ich</strong> kann trotzdem n<strong>ich</strong>t raus gehen wenn <strong>die</strong> Sonne scheint, <strong>zu</strong>mindest nirgendwohin wo man m<strong>ich</strong><br />

sehen kann.“<br />

<strong>Das</strong> lenkte sie von ihrer mysteriösen Verstimmung ab. „Warum?“ fragte sie und lehnte ihren<br />

Kopf <strong>zu</strong>r Seite.<br />

Ich bezweifelte, dass <strong>ich</strong> einen ausre<strong>ich</strong>enden Vergle<strong>ich</strong> finden würde um das <strong>zu</strong> erklären.<br />

Also sagte <strong>ich</strong> ihr nur, „Ich werd’s dir irgendwann zeigen.“ Und dann fragte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> ob das ein


Versprechen <strong>war</strong>, dass <strong>ich</strong> vielle<strong>ich</strong>t würde brechen müssen. Würde <strong>ich</strong> sie nach <strong>die</strong>ser Nacht<br />

wie<strong>der</strong>sehen? Liebte <strong>ich</strong> sie schon genug um sie verlassen <strong>zu</strong> können?<br />

„Du hättest anrufen können,” sagte sie.<br />

Was für eine seltsame Auffor<strong>der</strong>ung. „Aber <strong>ich</strong> wusste doch dass du s<strong>ich</strong>er bist.“<br />

„Aber <strong>ich</strong> wusste n<strong>ich</strong>t, wo du <strong>war</strong>st. Ich…“ sie brach ab und starrte auf ihre Hände.<br />

„Was?“<br />

„Ich mochte es n<strong>ich</strong>t,“ sagte sie schüchtern und <strong>die</strong> Haut über ihren Wangenknochen wurde<br />

wie<strong>der</strong> <strong>war</strong>m. „d<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> sehen. Es macht <strong>mir</strong> auch angst.“<br />

Bist du jetzt <strong>zu</strong>frieden? Wollte <strong>ich</strong> von <strong>mir</strong> selbst wissen. Naja, hier <strong>war</strong> <strong>die</strong> Belohnung für all<br />

meine Hoffnungen.<br />

Ich <strong>war</strong> verwirrt, begeistert, entsetzt – am meisten entsetzt – davon dass alle meine<br />

wildesten Träume gar n<strong>ich</strong>t so abwegig <strong>war</strong>en. Deshalb machte es ihr n<strong>ich</strong>ts aus, dass <strong>ich</strong> ein<br />

Monster <strong>war</strong>. Es <strong>war</strong> <strong>der</strong> gle<strong>ich</strong>e Grund weshalb <strong>mir</strong> <strong>die</strong> Regeln egal <strong>war</strong>en. Warum r<strong>ich</strong>tig und falsch<br />

keinen Einfluss mehr auf m<strong>ich</strong> hatten. Warum all meine Prioritäten um eins nach unten gerutscht<br />

sind um an ob<strong>erste</strong>r Stelle Platz für <strong>die</strong>ses Mädchen <strong>zu</strong> schaffen.<br />

Bella mochte m<strong>ich</strong> auch.<br />

Ich wusste, dass es n<strong>ich</strong>ts im Vergle<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> meiner Liebe für sie <strong>war</strong>. Aber es <strong>war</strong> genug für sie<br />

um ihr Leben <strong>zu</strong> riskieren um hier neben <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> sitzen. Und es gern <strong>zu</strong> tun.<br />

Genug um ihr Schmerzen <strong>zu</strong> bereiten, wenn <strong>ich</strong> das r<strong>ich</strong>tige tat und sie verließ.<br />

Gab es irgendetwas das <strong>ich</strong> jetzt noch tun konnte, dass sie n<strong>ich</strong>t verletzen würde? Überhaupt<br />

irgendetwas?<br />

Ich hätte weg bleiben sollen. Ich hätte nie wie<strong>der</strong> nach Forks <strong>zu</strong>rückkommen sollen. Ich<br />

würde ihr nur Schmerzen bereiten.<br />

Würde m<strong>ich</strong> das davon abhalten jetzt <strong>zu</strong> bleiben? Es noch schlimmer <strong>zu</strong> machen?<br />

So wie <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> jetzt fühlte, ihre Wärme auf meiner Haut spürte…<br />

Nein. N<strong>ich</strong>ts würde m<strong>ich</strong> davon abhalten.<br />

„Ah,“ brummte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> selbst. „<strong>Das</strong> ist falsch.“<br />

„Was hab <strong>ich</strong> gesagt?“ fragte sie schnell um <strong>die</strong> Schuld auf s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> nehmen.<br />

„Siehst du es n<strong>ich</strong>t, Bella? Es ist eine Sache, wenn <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> unglückl<strong>ich</strong> mache, aber eine ganz<br />

an<strong>der</strong>e, wenn du so tief drinsteckst. Ich möchte n<strong>ich</strong>t hören, dass du so fühlst.“ Es <strong>war</strong> <strong>die</strong> Wahrheit,<br />

es <strong>war</strong> eine Lüge. Der egoistische Teil von <strong>mir</strong> machte Luftsprünge bei dem Wissen, dass sie m<strong>ich</strong><br />

genauso wollte wie <strong>ich</strong> sie wollte. „Es ist falsch. Es ist n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er. Ich bin gefährl<strong>ich</strong>, Bella – bitte<br />

v<strong>erste</strong>h das.“<br />

„Nein.“ Sie schob schmollend ihre Lippen vor.<br />

„Ich meine es ernst.“ Ich kämpfte so stark mit <strong>mir</strong> – <strong>zu</strong>m einen wollte <strong>ich</strong> verzweifelt, dass sie<br />

es akzeptierte und <strong>zu</strong>m an<strong>der</strong>en genauso verzweifelt dass sie s<strong>ich</strong> von meinen Warnungen n<strong>ich</strong>t in<br />

<strong>die</strong> Flucht schlagen ließ – dass <strong>die</strong> Worte wie ein Knurren zwischen meinen Zähnen hervorkamen.<br />

„Ich mein es auch ernst,“ gab sie <strong>zu</strong>rück. „Ich hab dir gesagt, es ist <strong>mir</strong> egal was du bist. Es ist<br />

<strong>zu</strong> spät.“<br />

Zu spät? Alices Vision schwirrte in meinem Kopf, Bellas blutrote Augen starrten m<strong>ich</strong><br />

unverwandt an. Ausdruckslos – aber es <strong>war</strong> ausgeschlossen, dass sie m<strong>ich</strong> für <strong>die</strong>se Zukunft n<strong>ich</strong>t<br />

hassen würde. M<strong>ich</strong> dafür hasste, dass <strong>ich</strong> ihr alles genommen hatte. Ihr ihr Leben und ihre Seele<br />

gestohlen hatte.<br />

Es konnte n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> spät sein.<br />

„Sag das niemals,“ zischte <strong>ich</strong>.


Sie starrte aus ihrem Fenster und biss s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> auf <strong>die</strong> Lippe. Ihre Hände <strong>war</strong>en in ihrem<br />

Schoss <strong>zu</strong> Fäusten geballt. Ihr Atem stockte und brach ab.<br />

„Was denkst du?“ Ich musste es wissen.<br />

Sie schüttelte den Kopf ohne m<strong>ich</strong> an<strong>zu</strong>sehen. Ich sah etwas Glitzerndes auf ihrer Wange, wie<br />

ein Kristall.<br />

Qual. „Weinst du?“ Ich hatte sie <strong>zu</strong>m Weinen gebracht. So sehr hatte <strong>ich</strong> sie verletzt.<br />

Sie wischte <strong>die</strong> Träne mit ihrem Handrücken ab.<br />

„Nein,“ log sie mit brüchiger Stimme.<br />

Ein lange begrabener Instinkt bewirkte, dass <strong>ich</strong> meine Hand nach ihr ausstreckte – in <strong>die</strong>ser<br />

einen Sekunde fühlte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> menschl<strong>ich</strong>er als jemals <strong>zu</strong>vor. Und dann erinnerte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> daran,<br />

dass <strong>ich</strong> es… n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>. Und <strong>ich</strong> ließ meine Hand sinken.<br />

„Es tut <strong>mir</strong> leid,“ sagte <strong>ich</strong> und biss meine Zähne <strong>zu</strong>sammen. Wie konnte <strong>ich</strong> ihr jemals sagen<br />

wie leid es <strong>mir</strong> tat? All <strong>die</strong> dummen Fehler <strong>die</strong> <strong>ich</strong> begangen hatte. Mein unendl<strong>ich</strong>er Egoismus. <strong>Das</strong>s<br />

sie <strong>die</strong> unglückl<strong>ich</strong>e <strong>war</strong>, <strong>die</strong> meine <strong>erste</strong> tragische Liebe entfachte. Auch <strong>die</strong> Dinge, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

kontrollieren konnte – dass <strong>ich</strong> das Monster <strong>war</strong>, dass von Schicksal da<strong>zu</strong> auserkoren <strong>war</strong>, ihr Leben<br />

<strong>zu</strong> beenden. <strong>Das</strong> alles tat <strong>mir</strong> so leid.<br />

Ich atmete tief durch – ignorierte meine elende Reaktion auf den Duft im Auto – und<br />

versuchte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen <strong>zu</strong> reißen.<br />

Ich wollte das Thema wechseln, an etwas an<strong>der</strong>es denken. Glückl<strong>ich</strong>erweise <strong>war</strong> meine<br />

Neugierde bzgl. des Mädchens unerschöpfl<strong>ich</strong>. Ich hatte immer eine Frage.<br />

„Sag <strong>mir</strong> mal eins,“ sagte <strong>ich</strong><br />

„Ja?“ fragte sie mit tränenerstickter Stimme.<br />

„Was hast du gedacht, bevor <strong>ich</strong> um <strong>die</strong> Ecke kam? Ich hab deinen Ges<strong>ich</strong>tsausdruck n<strong>ich</strong>t<br />

verstanden – du sahst n<strong>ich</strong>t beson<strong>der</strong>s ängstl<strong>ich</strong> aus, eher als würdest du d<strong>ich</strong> stark konzentrieren.“<br />

Ich erinnerte m<strong>ich</strong> an ihr Ges<strong>ich</strong>t – zwang m<strong>ich</strong> da<strong>zu</strong> n<strong>ich</strong>t daran <strong>zu</strong> denken, durch wessen Augen <strong>ich</strong><br />

es gesehen hatte – den Ausdruck wil<strong>der</strong> Entschlossenheit darin.<br />

„Ich habe versucht m<strong>ich</strong> daran <strong>zu</strong> erinnern, wie man einen Angreifer unschädl<strong>ich</strong> macht,“<br />

sagte sie mit gefassterer Stimme. „du weißt schon, Selbstverteidigung. Ich wollte ihm seine Nase in<br />

sein Gehirn rammen.“ Ihre Fassung hielt n<strong>ich</strong>t an bis <strong>zu</strong>m Ende ihrer Erklärung. Ihr Tonfall än<strong>der</strong>te<br />

s<strong>ich</strong> bis er hasserfüllt <strong>war</strong>. Es <strong>war</strong> keine Übertreibung und ihre Kätzchenhafte Wut hatte <strong>die</strong>ses Mal<br />

n<strong>ich</strong>ts Amüsantes. Ich konnte ihre zerbrechl<strong>ich</strong>e Figur sehen – Seide über Glas – überschattet von<br />

den großen kräftigen menschl<strong>ich</strong>en Monstern <strong>die</strong> sie verletzt hätten. Die Wut kochte in meinem<br />

Hinterkopf auf.<br />

„Du wolltest mit ihnen kämpfen?“ <strong>ich</strong> wollte stöhnen. Ihre Instinkte <strong>war</strong>en lebensgefährl<strong>ich</strong> –<br />

für sie selbst. „Hast du n<strong>ich</strong>t daran gedacht weg<strong>zu</strong>rennen?“<br />

„Ich falle oft hin, wenn <strong>ich</strong> renne,“ sagte sie kleinlaut.<br />

„Was ist mit schreien?“<br />

„Da<strong>zu</strong> wollte <strong>ich</strong> gerade kommen.“<br />

Ich schüttelte ungläubig meinen Kopf. Wie hatte sie es geschafft am Leben <strong>zu</strong> bleiben bevor<br />

sie nach Forks kam?<br />

„Du hattest recht,“ sagte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr mit einem bitteren Unterton. „Ich for<strong>der</strong>e wirkl<strong>ich</strong> das<br />

Schicksal heraus wenn <strong>ich</strong> versuche d<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> beschützen.“<br />

Sie seufzte und <strong>war</strong>f einen <strong>Blick</strong> aus dem Fenster. Dann sah sie m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> an.<br />

„Sehe <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> morgen?“ fragte sie plötzl<strong>ich</strong>.<br />

So lange <strong>ich</strong> auf dem Weg in <strong>die</strong> Hölle <strong>war</strong> – <strong>ich</strong> würde <strong>die</strong> Reise genießen.


„Ja – <strong>ich</strong> muss auch noch einen Aufsatz abgeben.“ Ich lächelte sie an und es fühlte s<strong>ich</strong> gut an<br />

das <strong>zu</strong> tun. „Ich halte dir in <strong>der</strong> Pause einen Platz frei.“<br />

Ihr Herz flatterte; mein totes Herz fühlte s<strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong> wärmer an.<br />

Ich hielt vor dem Haus ihres Vaters an. Sie machte keine Anstalten m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> verlassen.<br />

„Verspr<strong>ich</strong>st du <strong>mir</strong>, dass du morgen da sein wirst?“ beharrte sie.<br />

„Ich verspreche es.“<br />

Wieso machte es m<strong>ich</strong> so glückl<strong>ich</strong> das falsche <strong>zu</strong> tun? Es musste etwas Falsches daran sein.<br />

Sie nickte <strong>zu</strong>frieden und fing an meine Jacke aus<strong>zu</strong>ziehen.<br />

„Du kannst sie behalten,“ bot <strong>ich</strong> ihr schnell an. Ich wollte ihr gerne etwas von <strong>mir</strong> dalassen.<br />

Ein Andenken, so wie <strong>der</strong> Flaschendeckel, <strong>der</strong> jetzt in meiner Tasche steckte… „Du hast keine Jacke<br />

für morgen.“<br />

Sie gab <strong>mir</strong> <strong>die</strong> Jacke <strong>zu</strong>rück und lächelte m<strong>ich</strong> reumütig an. „Ich möchte es Charlie n<strong>ich</strong>t<br />

erklären müssen,“ erklärte sie <strong>mir</strong>.<br />

<strong>Das</strong> konnte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> vorstellen. Ich lächelte sie an. „Oh, stimmt.“<br />

Sie legte ihre Hand an den Türgriff und hielt inne. Sie wollte genauso wenig gehen, wie <strong>ich</strong> sie<br />

gehen lassen wollte.<br />

Sie ungeschützt <strong>zu</strong> lassen, auch nur für wenige Augenblicke…<br />

Peter und Charlotte <strong>war</strong>en schon lange auf dem Weg, weit hinter Seattle, kein Zweifel. Aber<br />

es gab immer noch an<strong>der</strong>e. Diese Welt <strong>war</strong> kein s<strong>ich</strong>erer Ort für einen Menschen und für sie wirkte<br />

sie noch gefährl<strong>ich</strong>er als für irgendjemanden sonst.<br />

„Bella?“ fragte <strong>ich</strong>, überrascht von dem befriedigenden Gefühl dass <strong>ich</strong> verspürte wenn <strong>ich</strong><br />

nur ihren Namen aussprach.<br />

„Ja?“<br />

„Verspr<strong>ich</strong>st du <strong>mir</strong> etwas?“<br />

„Ja,“ stimmte sie bereitwillig <strong>zu</strong> und dann verengte sie ihre Augen als ob sie über einen<br />

Grund nachdachte meine Bitte ab<strong>zu</strong>schlagen.<br />

„Geh n<strong>ich</strong>t alleine in den Wald.“ Warnte <strong>ich</strong> sie und fragte m<strong>ich</strong>, ob <strong>die</strong>se Bitte etwas wäre,<br />

das sie lieber abschlagen würde.<br />

Sie blinzelte verwirrt. „Warum?“<br />

Ich <strong>war</strong>f einen <strong>Blick</strong> auf <strong>die</strong> n<strong>ich</strong>t gerade vertrauenswürdige Dunkelheit. Die Schwärze <strong>der</strong><br />

Nacht <strong>war</strong> kein Problem für meine Augen, aber genauso wenig <strong>war</strong> sie ein Problem für jeden an<strong>der</strong>en<br />

Jäger. Nur Menschen machte sie blind.<br />

„Ich bin n<strong>ich</strong>t immer <strong>die</strong> größte Gefahr da draußen,“ erklärte <strong>ich</strong> ihr. „Belassen wir es einfach<br />

dabei.“<br />

Sie schüttelte s<strong>ich</strong>, fing s<strong>ich</strong> aber schnell wie<strong>der</strong> und lächelte sogar als sie sagte, „Was immer<br />

du sagst.“<br />

Ihr Atem berührte mein Ges<strong>ich</strong>t, so süß und wohlriechend.<br />

Ich könnte <strong>die</strong> ganze Nacht so sitzen bleiben, aber sie brauchte ihren Schlaf. <strong>Das</strong> Verlangen<br />

sie <strong>zu</strong> <strong>war</strong>nen und das sie <strong>zu</strong> schützen <strong>war</strong>en absolut gle<strong>ich</strong>wertig als sie ihren Kampf in <strong>mir</strong> führten.<br />

Ich seufzte über das Unmögl<strong>ich</strong>e. „Wir sehen uns dann morgen,“ sagte <strong>ich</strong> in dem<br />

Bewusstsein, dass <strong>ich</strong> sie viel früher wie<strong>der</strong>sehen würde. Aber sie würde m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t vor morgen<br />

sehen.<br />

„Morgen also,“ stimmte sie <strong>zu</strong> als sie <strong>die</strong> Tür öffnete.<br />

Wie<strong>der</strong> eine Qual sie gehen <strong>zu</strong> sehen.<br />

Ich lehnte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr und wollte sie aufhalten. „Bella?“


Sie drehte s<strong>ich</strong> um und erstarrte vor Überraschung als sie sah wie nahe unsere Ges<strong>ich</strong>ter s<strong>ich</strong><br />

<strong>war</strong>en.<br />

Auch <strong>ich</strong> <strong>war</strong> überwältigt von <strong>die</strong>ser Nähe. Die Hitze strömte in Wellen aus ihrem Körper und<br />

stre<strong>ich</strong>elte mein Ges<strong>ich</strong>t. Ich konnte fast ihre seidige Haut spüren…<br />

Ihr Herzschlag stotterte und ihr Mund klappte auf.<br />

„Schlaf gut,“ flüsterte <strong>ich</strong> und lehnte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rück bevor das Verlangen meines Körpers –<br />

we<strong>der</strong> <strong>der</strong> bekannte Durst noch <strong>der</strong> neue und seltsame Hunger den <strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong> fühlte – m<strong>ich</strong> da<strong>zu</strong><br />

verleitete irgendetwas <strong>zu</strong> tun, dass sie verletzen könnte.<br />

Sie saß noch einen Moment lang da, bewegungslos und mit geweiteten Augen. Geblendet<br />

vermutete <strong>ich</strong>.<br />

Genau wie <strong>ich</strong>.<br />

Sie fasste s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> – obwohl ihr Ges<strong>ich</strong>t immer noch etwas verwirrt aussah – und fiel fast<br />

aus dem Auto während sie über ihre Füße stolperte und musste s<strong>ich</strong> am Auto festhalten.<br />

Ich k<strong>ich</strong>erte – hoffentl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> leise für sie um es <strong>zu</strong> hören.<br />

Ich beobachtete wie sie den Weg entlang stolperte bis sie den L<strong>ich</strong>tkegel erre<strong>ich</strong>te <strong>der</strong> <strong>die</strong><br />

Eingangstür umgab. S<strong>ich</strong>er für <strong>die</strong>sen Moment. Und <strong>ich</strong> würde bald <strong>zu</strong>rück sein um m<strong>ich</strong> davon <strong>zu</strong><br />

überzeugen.<br />

Ich konnte spüren wie ihre Augen <strong>mir</strong> folgten, als <strong>ich</strong> <strong>die</strong> dunkle Straße hinunterfuhr. <strong>Das</strong> <strong>war</strong><br />

eine ganz neue Erfahrung für m<strong>ich</strong>. Normalerweise konnte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> selbst durch <strong>die</strong> folgenden Augen<br />

beobachten. Aber das hier <strong>war</strong> seltsam aufregend – <strong>die</strong>ses unfassbare Gefühle von Augen in meinem<br />

Rücken. Ich wusste dass es nur daran lag, dass es ihre Augen <strong>war</strong>en.<br />

Eine Millionen Gedanken rasten durch meinen Kopf während <strong>ich</strong> ziellos durch <strong>die</strong> Nacht fuhr.<br />

Ich kurvte lange durch <strong>die</strong> Straßen und dachte an Bella und <strong>die</strong> unglaubl<strong>ich</strong>e Erle<strong>ich</strong>terung <strong>die</strong><br />

<strong>ich</strong> verspürte, jetzt da <strong>die</strong> Wahrheit heraus <strong>war</strong>. Ich musste <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t länger Sorgen machen, dass sie<br />

herausfinden könnte, was <strong>ich</strong> <strong>war</strong>. Sie wusste es. Es <strong>war</strong> ihr egal. Obwohl es für sie offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong><br />

etwas Schlechtes <strong>war</strong>, <strong>war</strong> es für m<strong>ich</strong> unglaubl<strong>ich</strong> befreiend.<br />

Aber noch viel mehr dachte <strong>ich</strong> über Bellas erwi<strong>der</strong>te Liebe nach. Sie konnte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

genauso lieben, wie <strong>ich</strong> sie liebte – eine solche übermächtige, alles verzehrende, erdrückende Liebe<br />

würde vermutl<strong>ich</strong> ihren zerbrechl<strong>ich</strong>en Körper zerstören. Aber ihre Gefühle <strong>war</strong>en stark genug.<br />

Genug um <strong>die</strong> instinktive Angst <strong>zu</strong> besiegen. Genug um mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>sammen sein <strong>zu</strong> wollen. Und mit ihr<br />

<strong>zu</strong>sammen <strong>zu</strong> sein, <strong>war</strong> <strong>die</strong> größte Freude, <strong>die</strong> <strong>ich</strong> je verspürt hatte.<br />

Für eine Weile – während <strong>ich</strong> allein <strong>war</strong> und ausnahmsweise niemand an<strong>der</strong>en verletzte –<br />

erlaubte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> <strong>die</strong>se Freude <strong>zu</strong> empfinden ohne an <strong>die</strong> damit verbundene Tragö<strong>die</strong> <strong>zu</strong> denken. Ich<br />

<strong>war</strong> einfach nur glückl<strong>ich</strong>, dass sie m<strong>ich</strong> mochte. Ich jubelte über den Triumph, ihre Liebe gewonnen<br />

<strong>zu</strong> haben. Ich stellte <strong>mir</strong> vor wie wir Tag für Tag nebeneinan<strong>der</strong> sitzen würden, wie <strong>ich</strong> ihre Stimme<br />

hören und sie <strong>zu</strong>m lächeln bringen würde.<br />

Ich wie<strong>der</strong>holte das Lächeln in meinen Gedanken, sah wie s<strong>ich</strong> ihre vollen Lippen an den<br />

Mundwinkeln nach oben bogen, das angedeutete Grübchen, auf ihrem spitzen Kinn, wie ihre Augen<br />

<strong>war</strong>m wurden und schmolzen… Ihre Finger hatten s<strong>ich</strong> heute so <strong>war</strong>m und sanft auf meiner Haut<br />

angefühlt. Ich stellte <strong>mir</strong> vor, wie s<strong>ich</strong> <strong>die</strong> zarte Haut über ihren Wangenknochen anfühlen musste –<br />

seidig, <strong>war</strong>m… so zerbrechl<strong>ich</strong>. Seid über Glas… beängstigend zerbrechl<strong>ich</strong>.<br />

Ich sah n<strong>ich</strong>t wo meine Gedanken hinführten bis es <strong>zu</strong> spät <strong>war</strong>. Während <strong>ich</strong> auf <strong>die</strong>ser<br />

verheerenden Verwundbarkeit verweilte, störten an<strong>der</strong>e Bil<strong>der</strong> ihres Ges<strong>ich</strong>tes meine Fantasien.<br />

Verloren in den Schatten, ble<strong>ich</strong> vor Angst – und dennoch <strong>war</strong>en ihre Lippen<br />

<strong>zu</strong>sammengepresst, ihre Augen fest entschlossen, voller Konzentration, ihr schmaler Körper gestrafft<br />

um <strong>die</strong> massigen Figuren <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>schlagen <strong>die</strong> um sie herum standen, Albträume in <strong>der</strong> Dunkelheit…


„Ah,“ stöhnte <strong>ich</strong> als <strong>der</strong> siedende Hass den <strong>ich</strong> vor lauter Freude über ihre Liebe vollkommen<br />

vergessen hatte, erneut in einem Inferno aus Wut über m<strong>ich</strong> einstürzte.<br />

Ich <strong>war</strong> allein. Bella <strong>war</strong> s<strong>ich</strong>er <strong>zu</strong> Hause; für einen Moment <strong>war</strong> <strong>ich</strong> wahnsinnig erle<strong>ich</strong>tert<br />

darüber dass Charlie Swan – <strong>der</strong> Kopf <strong>der</strong> örtl<strong>ich</strong>en Gesetzeshüter, ausgebildet und bewaffnet – ihr<br />

Vater <strong>war</strong>. <strong>Das</strong> hatte etwas <strong>zu</strong> bedeuten, verschaffte ihr einen Unterschlupf.<br />

Sie <strong>war</strong> in S<strong>ich</strong>erheit. Es würde n<strong>ich</strong>t lange dauern, <strong>die</strong>se Beleidung <strong>zu</strong> rächen…<br />

Nein. Sie ver<strong>die</strong>nte etwas Besseres. Ich konnte es n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>lassen, dass sie etwas für einen<br />

Mör<strong>der</strong> empfand.<br />

Aber… was <strong>war</strong> mit den an<strong>der</strong>en?<br />

Bella <strong>war</strong> in S<strong>ich</strong>erheit, ja. Angela und Jessica <strong>war</strong>en bestimmt auch s<strong>ich</strong>er in ihren Betten.<br />

Dennoch lief ein Monster frei herum in den Straßen von Port Angeles. Ein menschl<strong>ich</strong>es<br />

Monster – machte ihn das <strong>zu</strong> einem menschl<strong>ich</strong>en Problem? Den Mord <strong>zu</strong> begehen nachdem es m<strong>ich</strong><br />

verlangte <strong>war</strong> falsch. <strong>Das</strong> wusste <strong>ich</strong>. Aber ihm <strong>die</strong> Mögl<strong>ich</strong>keit <strong>zu</strong> lassen, wie<strong>der</strong> jemanden<br />

an<strong>zu</strong>greifen <strong>war</strong> auch n<strong>ich</strong>t r<strong>ich</strong>tig.<br />

Die blonde Hostess vom Restaurant. Die Kellnerin <strong>die</strong> <strong>ich</strong> nie wirkl<strong>ich</strong> angesehen hatte. Beide<br />

hatten m<strong>ich</strong> auf lächerl<strong>ich</strong>e Weise genervt, aber deshalb ver<strong>die</strong>nten sie noch lange keine Gefahr.<br />

Jede von ihnen <strong>war</strong> vielle<strong>ich</strong>t für irgendjemanden seine Bella.<br />

Diese Erkenntnis ließ m<strong>ich</strong> eine Entscheidung treffen.<br />

Ich wendete den Wagen R<strong>ich</strong>tung Norden und beschleunigte, nun da <strong>ich</strong> ein Ziel hatte. Wann<br />

immer <strong>ich</strong> ein Problem hatte, dass <strong>zu</strong> groß für m<strong>ich</strong> <strong>war</strong> – etwas handfestes wie <strong>die</strong>ses hier – wusste<br />

<strong>ich</strong> wo <strong>ich</strong> Hilfe finden konnte.<br />

Alice saß auf <strong>der</strong> Veranda und <strong>war</strong>tete auf m<strong>ich</strong>. Ich hielt direkt vor dem Haus, statt <strong>zu</strong>r<br />

Garage durch <strong>zu</strong> fahren.<br />

„Carlisle ist in seinem Arbeitszimmer,“ sagte Alice bevor <strong>ich</strong> fragen konnte.<br />

„Danke,“ sagte <strong>ich</strong> und wuschelte durch ihr Haar, als <strong>ich</strong> an ihr vorbeiging.<br />

Danke dass du m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rückgerufen hast, dachte sie sarkastisch.<br />

„Oh,“ <strong>ich</strong> hielt vor <strong>der</strong> Tür inne und holte mein Handy aus <strong>der</strong> Tasche. „Tut <strong>mir</strong> leid. Ich hab<br />

n<strong>ich</strong>t mal nachgesehen, wer es <strong>war</strong>. Ich <strong>war</strong>… beschäftigt.“<br />

„Ja, <strong>ich</strong> weiß. Es tut <strong>mir</strong> auch leid. Als <strong>ich</strong> sah was passieren würde, <strong>war</strong>st du schon<br />

unterwegs.“<br />

„Es <strong>war</strong> knapp,“ murmelte <strong>ich</strong>.<br />

Tut <strong>mir</strong> leid, wie<strong>der</strong>holte sie beschämt.<br />

Es <strong>war</strong> le<strong>ich</strong>t gnädig <strong>zu</strong> sein, in dem Wissen, das es Bella gut ging. „Mach dir keine Sorgen. Ich<br />

weiß, dass du n<strong>ich</strong>t auf alles achten kannst. Niemand er<strong>war</strong>tet von dir, dass du allwissend bist, Alice.“<br />

„Danke.“<br />

„Ich hätte d<strong>ich</strong> heute Abend fast <strong>zu</strong>m Essen eingeladen – hast du das gesehen bevor <strong>ich</strong><br />

meine Meinung geän<strong>der</strong>t habe?“<br />

Sie grinste. „Nein, das habe <strong>ich</strong> auch verpasst. Ich wünschte <strong>ich</strong> hätte es gewusst. Ich wäre<br />

gekommen.“<br />

„Worauf hast du d<strong>ich</strong> denn konzentriert, dass du so viel verpasst hast?“<br />

Jasper denkt über unseren Jahrestag nach. Sie lachte. Er versucht s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t für ein Geschenk<br />

<strong>zu</strong> entscheiden, aber <strong>ich</strong> glaube <strong>ich</strong> kann es <strong>mir</strong> ungefähr vorstellen…<br />

„Du bist echt skrupellos.“<br />

„Jap.“<br />

Sie schürzte ihre Lippen und schaute <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> auf mit einem le<strong>ich</strong>t vorwurfsvollen Ausdruck.<br />

Später habe <strong>ich</strong> besser aufgepasst. Wirst du ihnen sagen, dass sie es weiß?


Ich seufzte. „Ja. Später.“<br />

Ich werde n<strong>ich</strong>ts sagen. Tu <strong>mir</strong> einen Gefallen, und sag es Rosalie wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Nähe<br />

bin, okay?<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte mit den Schultern. „Klar.“<br />

Bella hat es zieml<strong>ich</strong> gut aufgenommen.<br />

„Zu gut.“<br />

Alice grinste m<strong>ich</strong> an. Unterschätz Bella n<strong>ich</strong>t.<br />

Ich versuchte das Bild aus<strong>zu</strong>blenden, dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t sehen wollte – Bella und Alice, beste<br />

Freunde.<br />

Ich seufzte schwer vor Ungeduld. Ich wollte den nächsten Teil des Abends schnell hinter m<strong>ich</strong><br />

bringen; Ich wollte, dass es vorbei <strong>war</strong>. Aber <strong>ich</strong> machte <strong>mir</strong> ein wenig Sorgen Forks <strong>zu</strong> verlassen…<br />

„Alice…“ fing <strong>ich</strong> an. Sie sah was <strong>ich</strong> vor hatte <strong>zu</strong> fragen.<br />

Heute Nacht wird ihr n<strong>ich</strong>ts passieren. Ich werde jetzt besser aufpassen. Sie braucht eine<br />

vierundzwanzig stündige Überwachung, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>?<br />

„Mindestens.“<br />

„Aber abgesehen davon wirst du bald wie<strong>der</strong> bei ihr sein.“<br />

Ich atmete tief durch. Ihre Worte taten gut.<br />

„Na los – bring es hinter d<strong>ich</strong>, damit du da sein kannst wo du sein willst,“ sagte sie.<br />

Ich nickte und eilte hinauf <strong>zu</strong> Carlisles Zimmer.<br />

Er <strong>war</strong>tete bereits auf m<strong>ich</strong> mit dem <strong>Blick</strong> auf <strong>die</strong> Tür geheftet, statt auf das dicke Buch das<br />

vor ihm lag.<br />

„Ich hab gehört, dass Alice dir gesagt hat, wo du m<strong>ich</strong> finden kannst,“ sagte er und lächelte.<br />

Es <strong>war</strong> eine Erle<strong>ich</strong>terung bei ihm <strong>zu</strong> sein, sein Einfühlungsvermögen und seine Intelligenz in<br />

seinen Augen <strong>zu</strong> sehen. Carlisle würde wissen, was <strong>zu</strong> tun ist.<br />

„Ich brauche Hilfe.“<br />

„Was immer du willst, Ed<strong>war</strong>d,“ versprach er.<br />

„Hat Alice dir erzählt, was Bella heute Abend passiert ist?“<br />

Was fast passiert ist, korrigierte er m<strong>ich</strong>.<br />

„Ja, fast. Ich hab ein Problem Carlisle. Weißt du, <strong>ich</strong> möchte ihn… wirkl<strong>ich</strong> sehr gern… töten.“<br />

Die Worte kamen schnell und leidenschaftl<strong>ich</strong> aus <strong>mir</strong> heraus. „So sehr. Aber <strong>ich</strong> weiß, das wäre<br />

falsch, denn es wäre Rache und keine Gerechtigkeit. Es wäre nur aus Zorn und n<strong>ich</strong>t objektiv. Aber<br />

dennoch kann es n<strong>ich</strong>t r<strong>ich</strong>tig sein, einen Triebtäter und Serienmör<strong>der</strong> frei in Port Angeles<br />

herumlaufen <strong>zu</strong> lassen! Ich kenne <strong>die</strong> Menschen dort n<strong>ich</strong>t, aber <strong>ich</strong> kann auch n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>lassen, dass<br />

jemand an<strong>der</strong>es Bellas Platz einnimmt. Diese an<strong>der</strong>e Frau – jemand empfindet vielle<strong>ich</strong>t genauso für<br />

sie, wie <strong>ich</strong> für Bella. Er würde genauso leiden wie <strong>ich</strong> gelitten hätte, wenn Bella verletzt worden<br />

wäre. Es ist n<strong>ich</strong>t r<strong>ich</strong>tig…“<br />

Sein breites uner<strong>war</strong>tetes Lächeln unterbrach den Fluss meiner Worte.<br />

Sie tut dir sehr gut, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>? So viel Mitgefühl, so viel Selbstkontrolle. Ich bin beeindruckt.<br />

„Ich bin n<strong>ich</strong>t wegen Komplimenten hier, Carlisle.“<br />

„Natürl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Aber <strong>ich</strong> kann n<strong>ich</strong>ts für meine Gedanken, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>?“ Er lächelte wie<strong>der</strong>.<br />

„Ich kümmere m<strong>ich</strong> darum. Du kannst beruhigt sein. Niemand wird an Bellas Stelle verletzt werden.“<br />

Ich sah den Plan in seinem Kopf. Es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> das was <strong>ich</strong> wollte, es stellte mein<br />

Verlangen nach Brutalität n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>frieden, aber <strong>ich</strong> wusste, dass es das R<strong>ich</strong>tige <strong>war</strong>.<br />

„Ich zeige dir wo du sie finden kannst,“ sagte <strong>ich</strong>.<br />

„Dann lass uns gehen.“


Er hob seine sch<strong>war</strong>ze Tasche im Vorbeigehen auf. Ich hätte einen Aggressiveren Weg<br />

bevor<strong>zu</strong>gt – wie einen gespaltenen Schädel – aber <strong>ich</strong> würde es Carlisle auf seine Weise regeln<br />

lassen.<br />

Wir nahmen meinen Wagen. Alice stand immer noch auf den Treppenstufen an <strong>der</strong> Veranda.<br />

Sie grinste und winkte als wir davonfuhren. Ich sah, was sie für uns vorhergesehen hatte, wir würden<br />

keine Schwierigkeiten haben.<br />

Die Fahrt auf <strong>der</strong> dunklen leeren Straße <strong>war</strong> sehr kurz. Ich schaltete <strong>die</strong> Scheinwerfer n<strong>ich</strong>t an<br />

um keine Aufmerksamkeit <strong>zu</strong> erregen. Ich musste lächeln bei dem Gedanken wie Bella auf <strong>die</strong>se<br />

Handlung reagiert hätte. Ich <strong>war</strong> bereits langsamer gefahren als sonst – um meine Zeit mit ihr <strong>zu</strong><br />

verlängern – als sie s<strong>ich</strong> beschwert hatte.<br />

Carlisle dachte auch an Bella.<br />

Ich hätte n<strong>ich</strong>t gedacht, dass sie gut für ihn ist. So uner<strong>war</strong>tet. Vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> es irgendwie<br />

Vorherbestimmt. Vielle<strong>ich</strong>t <strong>die</strong>nt es einem höheren Zweck. Außer…<br />

Er stellte s<strong>ich</strong> Bella mit schneeweißer Haut und blutroten Augen vor und ver<strong>war</strong>f <strong>die</strong><br />

Vorstellung dann wie<strong>der</strong>.<br />

Ja. Außer. Genau. Denn wie konnte irgendetwas gut daran sein etwas so Reines und Schönes<br />

<strong>zu</strong> zerstören?<br />

Ich starrte finster in <strong>die</strong> Nacht, all <strong>die</strong> Freude <strong>der</strong> vergangen Stunde zerstört von seinen<br />

Gedanken.<br />

Ed<strong>war</strong>d ver<strong>die</strong>nt es glückl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> sein. <strong>Das</strong> Schicksal schuldet es ihm. Die Schärfe in Carlisles<br />

Gedanken überraschte m<strong>ich</strong>. Es muss einen Weg geben.<br />

Ich wünschte <strong>ich</strong> könnte es glauben – beides. Aber da <strong>war</strong> kein höherer Zweck in dem was<br />

Bella passierte. Nur eine bösartige Harpyie, ein hässl<strong>ich</strong>es, bitteres Verhängnis das es n<strong>ich</strong>t ertragen<br />

konnte, Bella das Leben <strong>zu</strong> lassen, das sie ver<strong>die</strong>nte.<br />

Ich blieb n<strong>ich</strong>t in Port Angeles. Ich brachte Carlisle <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Spelunke wo <strong>die</strong> Kreatur namens<br />

Lonnie sein Enttäuschung mit seinen Kumpels mit Alkohol hinunterspülte – zwei von ihnen <strong>war</strong>en<br />

bereits gegangen. Carlisle konnte sehen wie schwer es für m<strong>ich</strong> <strong>war</strong>, ihnen so nah <strong>zu</strong> sein – seine<br />

Gedanken <strong>zu</strong> sehen, seine Erinnerungen an Bella <strong>die</strong> vermischt <strong>war</strong>en mit an<strong>der</strong>en Mädchen <strong>die</strong><br />

weniger Glück gehabt hatten und denen niemand mehr helfen konnte.<br />

Mein Atem beschleunigte. Ich umklammerte das Lenkrad.<br />

Geh, Ed<strong>war</strong>d, sagte er sanft. Ich sorge dafür dass keine von ihnen mehr in Gefahr sein wird.<br />

Geh <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> Bella.<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> genau das r<strong>ich</strong>tige was er sagen konnte. Ihr Name <strong>war</strong> <strong>die</strong> einzige Ablenkung <strong>die</strong><br />

etwas bei <strong>mir</strong> bewirkte.<br />

Ich ließ ihn allein im Wagen und rannte geradewegs durch den schlafenden Wald <strong>zu</strong>rück nach<br />

Forks. Es ging schneller als <strong>der</strong> Hinweg in dem rasenden Auto. Nur wenige Minuten später kletterte<br />

<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Hauswand hinauf und schob ihr Fenster beiseite.<br />

Ich seufzte leise vor Erle<strong>ich</strong>terung. Alles <strong>war</strong> so wie es sein sollte. Bella lag s<strong>ich</strong>er in ihrem<br />

Bett und träumte, ihre nassen Haare wie Seegras auf ihrem Kissen ausgebreitet.<br />

Aber an<strong>der</strong>s als in den an<strong>der</strong>en Nächten, lag sie <strong>zu</strong>sammengerollt wie ein Ball da und hatte<br />

<strong>die</strong> Decke eng um ihre Schultern geschlungen. Vor Kälte, vermutete <strong>ich</strong>. Bevor <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> auf meinen<br />

übl<strong>ich</strong>en Platz setzen konnte, schüttelte sie s<strong>ich</strong> im Schlaf und ihre Lippen bebten.<br />

Ich dachte kurz nach und schlüpfte dann durch <strong>die</strong> Tür in den Flur hinaus um einen an<strong>der</strong>en<br />

Teil ihres Hauses <strong>zu</strong>m <strong>erste</strong>n Mal <strong>zu</strong> erkunden.<br />

Charlies Schnarchen <strong>war</strong> laut und gle<strong>ich</strong>mäßig. Ich schnappte einen Bruchteil seines Traumes<br />

auf. Irgendetwas mit strömendem Wasser und geduldiger Er<strong>war</strong>tung… vielle<strong>ich</strong>t angeln?


Da, am oberen Ende <strong>der</strong> Treppe <strong>war</strong> ein viel versprechend aussehen<strong>der</strong> Schrank. Ich öffnete<br />

ihn hoffnungsvoll und fand wonach <strong>ich</strong> gesucht hatte. Ich nahm <strong>die</strong> am dicksten aussehende Decke<br />

von dem Stoffberg und brachte sie in ihr Zimmer. Ich würde sie <strong>zu</strong>rückbringen bevor Bella aufwachte<br />

und niemand würde etwas merken.<br />

Während <strong>ich</strong> meinen Atem anhielt breitete <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Decke vors<strong>ich</strong>tig über ihr aus; sie reagierte<br />

n<strong>ich</strong>t auf das <strong>zu</strong>sätzl<strong>ich</strong>e Gew<strong>ich</strong>t. Ich setzte m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> in den Schaukelstuhl.<br />

Während <strong>ich</strong> gebannt darauf <strong>war</strong>tete, dass es ihr wärmer wurde, dachte <strong>ich</strong> an Carlisle und<br />

fragte m<strong>ich</strong>, wo er wohl gerade <strong>war</strong>. Ich wusste, dass sein Plan aufgehen würde – Alice hatte es<br />

gesehen.<br />

An meinen Vater <strong>zu</strong> denken brachte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>m seufzen – Carlisle hatte <strong>zu</strong> viel Vertrauen in<br />

m<strong>ich</strong>. Ich wünschte <strong>ich</strong> wäre <strong>die</strong> Person <strong>die</strong> er in <strong>mir</strong> sah. Die Person <strong>die</strong> Glück ver<strong>die</strong>nte, <strong>die</strong> hoffen<br />

konnte, <strong>die</strong>ses schlafenden Mädchen wert <strong>zu</strong> sein. Wie viel an<strong>der</strong>s <strong>die</strong> Dinge wären, wenn <strong>ich</strong> <strong>die</strong>ser<br />

Ed<strong>war</strong>d sein könnte.<br />

Als <strong>ich</strong> darüber nachdachte, erfüllte ein seltsames Bild meine Gedanken.<br />

Für einen Augenblick verwandelte s<strong>ich</strong> das hexenhafte, verhängnisvolle Ges<strong>ich</strong>t, dass s<strong>ich</strong><br />

nach Bellas Zerstörung sehnte, in das eines tör<strong>ich</strong>ten und sorglosen Engels. Ein Schutzengel –<br />

irgendetwas das Carlisles Version von <strong>mir</strong> teilte. Mit einem achtlosen Lächeln auf den Lippen, seine<br />

himmelblauen Augen voller Übermut, gestaltete <strong>der</strong> Engel Bella auf eine Art und Weise in <strong>der</strong> <strong>ich</strong> sie<br />

n<strong>ich</strong>t übersehen konnte. Ein lächerl<strong>ich</strong> starker Duft, <strong>der</strong> meine Aufmerksamkeit for<strong>der</strong>te, ein<br />

stummer Geist <strong>der</strong> meine Neugierde entfachte, ein stille Schönheit <strong>die</strong> meine Augen auf s<strong>ich</strong> zog,<br />

eine selbstlose Seele <strong>die</strong> meine Ehrfurcht ver<strong>die</strong>nte. Ohne den natürl<strong>ich</strong>en Selbsterhaltungstrieb –<br />

damit Bella es aushielt in meiner Nähe <strong>zu</strong> sein – und, letztl<strong>ich</strong>, noch eine Priese erschreckend großes<br />

Pech.<br />

Mit einem unerschrockenen Lachen, trieb <strong>der</strong> verantwortungslose Engel Bella in meine Arme<br />

und vertraute munter darauf, dass <strong>ich</strong> Bella trotz meiner fehlerhaften Moral am Leben ließ.<br />

In <strong>die</strong>ser Vision <strong>war</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t Bellas R<strong>ich</strong>terspruch; sie <strong>war</strong> meine Belohnung.<br />

Ich schüttelte meinen Kopf über <strong>die</strong>sen verantwortungslosen Engel. Er <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t besser als<br />

<strong>die</strong> Harpyie. Ich konnte eine höhere Macht <strong>die</strong> so gefährl<strong>ich</strong> und dumm handelte n<strong>ich</strong>t gut heißen.<br />

Dann lieber das hässl<strong>ich</strong>e Schicksal das <strong>ich</strong> bekämpfen konnte.<br />

Und <strong>ich</strong> hatte keinen Engel. Sie <strong>war</strong>en für <strong>die</strong> Guten reserviert – für Menschen wie Bella. Also<br />

wo <strong>war</strong> ihr Engel <strong>die</strong> ganze Zeit? Wer wachte über sie?<br />

Ich lachte leise, aufgeschreckt von <strong>der</strong> Erkenntnis, dass in <strong>die</strong>sem Moment <strong>ich</strong> <strong>die</strong>se Rolle<br />

einnahm.<br />

Ein Vampir-Engel.<br />

Nach ungefähr einer halben Stunde rollte Bella s<strong>ich</strong> entspannt auseinan<strong>der</strong>. Sie atmete tiefer<br />

und begann <strong>zu</strong> murmeln. Ich lächelte <strong>zu</strong>frieden. Es <strong>war</strong> nur eine kleine Sache, aber immerhin schlief<br />

sie in <strong>die</strong>ser Nacht besser, weil <strong>ich</strong> hier <strong>war</strong>.<br />

„Ed<strong>war</strong>d,“ seufzte sie und lächelte auch.<br />

Für <strong>die</strong>sen Moment schob <strong>ich</strong> alles Unheil beiseite und <strong>war</strong> einfach nur glückl<strong>ich</strong>.


10. Befragungen<br />

CNN brachte <strong>die</strong> Story direkt als aller <strong>erste</strong>s.<br />

Ich <strong>war</strong> froh, dass es in den Nachr<strong>ich</strong>ten kam bevor <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>r Schule aufbrechen musste, <strong>ich</strong><br />

konnte es n<strong>ich</strong>t ab<strong>war</strong>ten <strong>zu</strong> hören, wie <strong>die</strong> Menschen den Ber<strong>ich</strong>t formulieren würden, wie viel<br />

Aufmerksamkeit sie ihm schenkten. Glückl<strong>ich</strong>erweise <strong>war</strong> <strong>der</strong> Tag voller Neuigkeiten. Es gab ein<br />

Erdbeben in Südamerika und eine politische Entführung im mittleren Osten. Die Nachr<strong>ich</strong>t bestand<br />

nur aus wenige Sekunden, ein paar Sätzen und einem körnigen Bild.<br />

„Alonzo Cal<strong>der</strong>as Wallace, wurde wegen mehrfacher Vergewaltigung und Mord in Texas und<br />

Oklahoma gesucht. Er wurde in den frühen Morgenstunden bewusstlos in <strong>der</strong> Nähe eines<br />

Polizeireviers gefunden. Im Moment ist noch n<strong>ich</strong>t klar, ob man ihn nach Houston o<strong>der</strong> Oklahoma<br />

City überführen wird, damit er dort vor Ger<strong>ich</strong>t gestellt wird.“<br />

<strong>Das</strong> Bild <strong>war</strong> unscharf, ein Fahndungsfoto, und <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Zeit als das Foto aufgenommen wurde<br />

hatte er einen d<strong>ich</strong>ten Vollbart. Selbst wenn Bella den Ber<strong>ich</strong>t sah, würde sie ihn vermutl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

erkennen. <strong>Das</strong> hoffte <strong>ich</strong> jedenfalls; es würde sie nur unnötig aufregen.<br />

„Die Untersuchungen hier in <strong>der</strong> Stadt werden nur sehr knapp ausfallen. Es ist <strong>zu</strong> weit<br />

entfernt um von lokalem Interesse <strong>zu</strong> sein,“ erkläre <strong>mir</strong> Alice. „Es <strong>war</strong> gut, dass Carlisle ihn aus dem<br />

Staat geschafft hat.“<br />

Ich nickte. Bella schaute n<strong>ich</strong>t viel Fern und <strong>ich</strong> hatte ihren Vater noch nie etwas an<strong>der</strong>es als<br />

Sportsendungen anschauen sehen.<br />

Ich hatte getan, was <strong>ich</strong> konnte. Dieses Monster jagte n<strong>ich</strong>t länger und <strong>ich</strong> <strong>war</strong> kein Mör<strong>der</strong>.<br />

Jedenfalls n<strong>ich</strong>t kürzl<strong>ich</strong>. Es <strong>war</strong> r<strong>ich</strong>tig gewesen Carlisle <strong>zu</strong> vertrauen, dennoch wünschte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong>, das<br />

Monster wäre n<strong>ich</strong>t so einfach davon gekommen. Ich erwischte m<strong>ich</strong> bei <strong>der</strong> Hoffnung, dass er nach<br />

Texas ausgeliefert werden würde, wo <strong>die</strong> Todesstrafe immer noch in Kraft <strong>war</strong>…<br />

Nein. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> egal. Ich würde damit abschließen und m<strong>ich</strong> auf w<strong>ich</strong>tigere Dinge<br />

konzentrieren.<br />

Ich hatte Bellas Zimmer vor n<strong>ich</strong>t ganz einer Stunde verlassen und <strong>ich</strong> konnte es schon wie<strong>der</strong><br />

kaum er<strong>war</strong>ten sie endl<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> sehen.<br />

„Alice, würde es dir etwas ausmachen...“<br />

Sie unterbrach m<strong>ich</strong>. „Rosalie wird uns fahren. Sie wird verärgert sein, aber du kannst dir<br />

s<strong>ich</strong>er vorstellen, dass sie <strong>die</strong> Ausrede gern nutzen wird um ihren Wagen vor<strong>zu</strong>führen.“ Alice lachte<br />

glockenhell.<br />

Ich grinste sie an. „Wir sehen uns dann in <strong>der</strong> Schule.“<br />

Alice seufzte und mein Grinsen wurde <strong>zu</strong> einer Grimasse.<br />

Ich weiß, <strong>ich</strong> weiß, dachte sie. Noch n<strong>ich</strong>t. Ich <strong>war</strong>te bis du bereit dafür bist, dass Bella m<strong>ich</strong><br />

kennenlernt. Aber du solltest wissen, dass das n<strong>ich</strong>t nur egoistisch von <strong>mir</strong> ist. Bella wird m<strong>ich</strong> auch<br />

mögen.<br />

Ich antwortete ihr n<strong>ich</strong>t und eilte <strong>zu</strong>r Tür hinaus. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> ein ganz an<strong>der</strong>er <strong>Blick</strong>winkel.<br />

Würde Bella Alice kennenlernen wollen? Einen Vampir <strong>zu</strong>r Freundin haben wollen?<br />

So wie <strong>ich</strong> Bella kannte… würde ihr <strong>die</strong>se Vorstellung vermutl<strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>ts ausmachen.<br />

Ich runzelte <strong>die</strong> Stirn. Was Bella wollte und was das Beste für sie <strong>war</strong>, <strong>war</strong>en zwei sehr<br />

unterschiedl<strong>ich</strong>e Dinge.


Als <strong>ich</strong> meinen Wagen in Bellas Einfahrt parkte, begann <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> unwohl <strong>zu</strong> fühlen. Ein<br />

menschl<strong>ich</strong>es Spr<strong>ich</strong>wort besagt, dass <strong>die</strong> Dinge am nächsten Morgen ganz an<strong>der</strong>s aussehen – dass<br />

<strong>die</strong> Dinge s<strong>ich</strong> än<strong>der</strong>n, wenn man eine Nacht darüber geschlafen hat. Würde <strong>ich</strong> für Bella an<strong>der</strong>s<br />

aussehen in dem blassen L<strong>ich</strong>t eines nebeligen Morgens? Unheiml<strong>ich</strong>er o<strong>der</strong> weniger unheiml<strong>ich</strong> als<br />

in <strong>der</strong> Schwärze <strong>der</strong> Nacht? War <strong>die</strong> Wahrheit <strong>zu</strong> ihr durchgedrungen während sie geschlafen hatte?<br />

Würde sie letztl<strong>ich</strong> doch Angst haben?<br />

Ihre Träume <strong>war</strong>en friedl<strong>ich</strong> gewesen letzte Nacht. Als sie immer und immer wie<strong>der</strong> meinen<br />

Namen genannt hatte, hatte sie gelächelt. Mehr als einmal hatte sie m<strong>ich</strong> im Schlaf gebeten <strong>zu</strong><br />

bleiben. Würde das heute n<strong>ich</strong>ts mehr bedeuten?<br />

Ich <strong>war</strong>tete nervös und lauschte auf <strong>die</strong> Geräusche, <strong>die</strong> sie im Haus verursachte – <strong>die</strong><br />

schnellen Schritte auf <strong>der</strong> Treppe, das Reißen einer Schutzfolie, <strong>die</strong> Inhalte des Kühlschranks <strong>die</strong><br />

aneinan<strong>der</strong> schlugen beim Schließen <strong>der</strong> Tür. Es hörte s<strong>ich</strong> an, als hätte sie es eilig. Konnte sie es<br />

n<strong>ich</strong>t er<strong>war</strong>ten <strong>zu</strong>r Schule <strong>zu</strong> kommen? Der Gedanke brachte m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> hoffnungsvoll <strong>zu</strong>m lächeln.<br />

Ich <strong>war</strong>f einen <strong>Blick</strong> auf <strong>die</strong> Uhr. Es hatte den Anschein – wenn man bedachte dass ihr<br />

altersschwacher Truck in seiner Geschwindigkeit stark beeinträchtigt <strong>war</strong> – dass sie wirkl<strong>ich</strong> spät dran<br />

<strong>war</strong>.<br />

Bella stürmte aus dem Haus und ihre Schultasche rutschte ihr von <strong>der</strong> Schulter, ihr Haar <strong>war</strong><br />

nur lose <strong>zu</strong>sammengebunden und <strong>der</strong> Zopf rutschte in ihrem Nacken bereits wie<strong>der</strong> heraus. Der<br />

dicke grüne Pullover verhin<strong>der</strong>te n<strong>ich</strong>t, dass sie ihre schmalen Schultern in <strong>der</strong> Kälte des Nebels<br />

anzog.<br />

Der lange Pulli <strong>war</strong> <strong>zu</strong> groß für sie, unförmig. Er verbarg ihre schlanke Figur und verwandelte<br />

all ihre zarten Kurven in eine unförmige Masse. Ich begrüßte <strong>die</strong>se Tatsache genauso wie <strong>ich</strong> <strong>mir</strong><br />

gewünscht hätte, sie hätte etwas in <strong>der</strong> Art an, wie <strong>die</strong> blaue Bluse, <strong>die</strong> sie letzte Nacht getragen<br />

hatte… <strong>der</strong> Stoff hatte s<strong>ich</strong> so sanft an ihre Haut angeschmiegt und <strong>war</strong> tief genug ausgeschnitten<br />

gewesen um ihre Schlüsselbeine, <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> von <strong>der</strong> kleinen Mulde unter ihrer Kehle abhoben, auf<br />

hypnotisierende Weise <strong>zu</strong> entblößen. <strong>Das</strong> Blau <strong>war</strong> wie Wasser um ihre zarte Figur geflossen…<br />

Es <strong>war</strong> besser – unverz<strong>ich</strong>tbar – dass s<strong>ich</strong> meine Gedanken sehr weit von <strong>die</strong>sem Anblick<br />

entfernten, daher <strong>war</strong> <strong>ich</strong> dankbar dafür, dass sie <strong>die</strong>sen unförmigen Pullover trug. Ich konnte es <strong>mir</strong><br />

n<strong>ich</strong>t leisten Fehler <strong>zu</strong> machen und es wäre ein fataler Fehler <strong>die</strong>sem seltsamen Verlangen<br />

nach<strong>zu</strong>geben, das ihre Lippen… ihre Haut… ihr Körper… in <strong>mir</strong> entfachte. Ein Verlangen, dass seit<br />

Jahren aus <strong>mir</strong> gew<strong>ich</strong>en <strong>war</strong>. Aber <strong>ich</strong> konnte <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t erlauben daran <strong>zu</strong> denken, sie <strong>zu</strong> berühren,<br />

das <strong>war</strong> unmögl<strong>ich</strong>.<br />

Ich würde sie zerbrechen.<br />

Bella drehte <strong>der</strong> Haustür in einer solchen Eile den Rücken <strong>zu</strong>, dass sie beinahe an meinem<br />

Wagen vorbeigestürmt wäre ohne ihn überhaupt wahr<strong>zu</strong>nehmen.<br />

Ich stieg aus und gab <strong>mir</strong> keine Mühe darauf <strong>zu</strong> achten m<strong>ich</strong> mit menschl<strong>ich</strong>er<br />

Geschwindigkeit <strong>zu</strong> bewegen, als <strong>ich</strong> den Wagen umrundete und <strong>die</strong> Beifahrertür für sie öffnete. Ich<br />

würde n<strong>ich</strong>t mehr versuchen sie <strong>zu</strong> täuschen – <strong>zu</strong>mindest wenn wir allein <strong>war</strong>en würde <strong>ich</strong> Ichselbst<br />

sein.<br />

Sie sah verwirrt <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> auf, als <strong>ich</strong> aus dem N<strong>ich</strong>ts auf<strong>zu</strong>tauchen schien. Und dann<br />

verwandelte s<strong>ich</strong> <strong>die</strong> Überraschung in ihrem <strong>Blick</strong> in etwas an<strong>der</strong>es und <strong>ich</strong> hatte keine Angst mehr –<br />

o<strong>der</strong> Hoffnung – dass ihre Gefühle für m<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong> über Nacht geän<strong>der</strong>t haben könnten. Wärme,<br />

Verwun<strong>der</strong>ung, Faszination, all das schwamm in <strong>der</strong> geschmolzenen Schokolade ihrer Augen.<br />

„Möchtest du heute mit <strong>mir</strong> fahren?“ fragte <strong>ich</strong>. An<strong>der</strong>s als bei dem Essen gestern Abend<br />

würde <strong>ich</strong> ihr <strong>die</strong> Wahl lassen. Von jetzt an würde sie immer eine Wahl haben.<br />

„Ja, danke,“ murmelte sie und stieg ohne <strong>zu</strong> zögern ein.


Würde <strong>der</strong> Nervenkitzel jemals aufhören den <strong>ich</strong> empfand weil <strong>ich</strong> <strong>der</strong>jenige <strong>war</strong>, <strong>zu</strong> dem sie<br />

Ja sagte? Ich bezweifelte es.<br />

Ich konnte es kaum er<strong>war</strong>ten wie<strong>der</strong> neben ihr <strong>zu</strong> sitzen, also raste <strong>ich</strong> um das Auto herum.<br />

Sie wirkte kein bisschen überrascht von meinem plötzl<strong>ich</strong>en Auftauchen auf dem Fahrersitz neben<br />

ihr.<br />

<strong>Das</strong> Glück dass <strong>ich</strong> empfand, jetzt da sie so neben <strong>mir</strong> saß, <strong>war</strong> vollkommen. So sehr <strong>ich</strong> <strong>die</strong><br />

Liebe und Kameradschaft meiner Familie genoss, trotz <strong>der</strong> vielfältigen Unterhaltung und Ablenkung<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Welt <strong>zu</strong> bieten hatte, <strong>war</strong> <strong>ich</strong> noch nie so glückl<strong>ich</strong> gewesen. Auch wenn <strong>ich</strong> wusste, dass es<br />

falsch <strong>war</strong>, dass es sehr wahrscheinl<strong>ich</strong> kein gutes Ende nehmen würde, konnte <strong>ich</strong> das Lächeln n<strong>ich</strong>t<br />

lange <strong>zu</strong>rückhalten.<br />

Meine Jacke hing über <strong>der</strong> Kopfstütze ihres Sitzes. Ich sah wie sie sie beäugte.<br />

„Ich hab dir <strong>die</strong> Jacke mitgebracht,“ erklärte <strong>ich</strong> ihr. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> meine Entschuldigung gewesen,<br />

für den Fall dass <strong>ich</strong> eine gebraucht hätte, um heute Morgen vor ihrer Tür <strong>zu</strong> stehen. Es <strong>war</strong> kalt. Sie<br />

hatte keine Jacke. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> s<strong>ich</strong>er eine akzeptable Kavaliersgeste. „<strong>ich</strong> wollte n<strong>ich</strong>t, dass du d<strong>ich</strong><br />

erkältest o<strong>der</strong> so etwas.“<br />

„So empfindl<strong>ich</strong> bin <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t,“ sagte sie und starrte mehr auf meine Brust als auf mein<br />

Ges<strong>ich</strong>t, als ob sie zögerte <strong>mir</strong> in <strong>die</strong> Augen <strong>zu</strong> sehen. Aber sie zog <strong>die</strong> Jacke an, bevor <strong>ich</strong> es ihr<br />

befehlen o<strong>der</strong> aufschwatzen musste.<br />

„Bist du n<strong>ich</strong>t?“ murmelte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> selbst.<br />

Sie starrte auf <strong>die</strong> Straße während <strong>ich</strong> beschleunigte und R<strong>ich</strong>tung Schule fuhr. Ich hielt <strong>die</strong><br />

Stille nur wenige Sekunden aus. Ich musste wissen, was sie heute Morgen dachte. Es hatte s<strong>ich</strong> so<br />

viel zwischen uns geän<strong>der</strong>t seit <strong>die</strong> Sonne das letzte Mal aufgegangen <strong>war</strong>.<br />

„Was denn, keine zwanzig Fragen heute?“ fragte <strong>ich</strong> und versuchte es wie<strong>der</strong> langsam<br />

an<strong>zu</strong>gehen.<br />

Sie lächelte und wirkte erle<strong>ich</strong>tert darüber, dass <strong>ich</strong> das Thema angesprochen hatte. „Stören<br />

d<strong>ich</strong> meine Fragen?“<br />

„N<strong>ich</strong>t so sehr wie deine Reaktionen,“ gab <strong>ich</strong> ehrl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> und erwi<strong>der</strong>te ihr Lächeln.<br />

Sie verzog ihren Mund. „Sind meine Reaktionen schlecht?“<br />

„Nein, das ist ja das Problem. Du nimmst alles so locker auf – es ist unnatürl<strong>ich</strong>.“ N<strong>ich</strong>t ein<br />

Schrei bis jetzt. Wie konnte das sein? „Ich frag m<strong>ich</strong> was du wirkl<strong>ich</strong> denkst.“ Diese Frage stellte <strong>ich</strong><br />

<strong>mir</strong> natürl<strong>ich</strong> bei allem was sie tat o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t tat.<br />

„Ich sage dir immer, was <strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> denke.“<br />

„Du behältst Dinge für d<strong>ich</strong>.“<br />

Sie biss s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> auf <strong>die</strong> Lippe. Sie schien es n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> bemerken, wenn sie das tat – es <strong>war</strong><br />

wohl eine unbewusste Reaktion auf Anspannung. „N<strong>ich</strong>t viele.“<br />

Diese wenigen Worte re<strong>ich</strong>ten aus um meine Neugierde <strong>zu</strong> steigern. Was enthielt sie <strong>mir</strong><br />

bewusst vor?<br />

„Genug um m<strong>ich</strong> wahnsinnig <strong>zu</strong> machen,“ sagte <strong>ich</strong>.<br />

Sie zögerte und flüsterte dann, „Du willst es gar n<strong>ich</strong>t hören.“<br />

Ich musste einen Augenblick nachdenken, ging unsere Unterhaltung <strong>der</strong> letzten Nacht Wort<br />

für Wort durch, bevor <strong>ich</strong> den Zusammenhang verstand. Vielle<strong>ich</strong>t musste <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> so sehr<br />

konzentrieren, weil <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>ts vorstellen konnte, dass <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t sagen hören wollte. Und dann<br />

– weil <strong>der</strong> Tonfall in ihrer Stimme <strong>der</strong> gle<strong>ich</strong>e <strong>war</strong> wie letzt Nacht; plötzl<strong>ich</strong> voller Schmerz – erinnerte<br />

<strong>ich</strong> m<strong>ich</strong>. Ich hatte sie einmal gebeten ihre Gedanken n<strong>ich</strong>t aus<strong>zu</strong>sprechen. Sag das niemals, hatte <strong>ich</strong><br />

sie angeknurrt. Ich hatte sie <strong>zu</strong>m Weinen gebracht…


War es das was sie vor <strong>mir</strong> verheiml<strong>ich</strong>te? Die Tiefe ihrer Gefühle für m<strong>ich</strong>? <strong>Das</strong>s es ihr n<strong>ich</strong>ts<br />

ausmachte, dass <strong>ich</strong> ein Monster <strong>war</strong> und dass es <strong>zu</strong> spät für sie <strong>war</strong> um ihre Meinung <strong>zu</strong> än<strong>der</strong>n?<br />

Ich konnte n<strong>ich</strong>t sprechen, denn <strong>die</strong> Freude und <strong>der</strong> Schmerz <strong>war</strong>en <strong>zu</strong> groß um sie in Worte<br />

<strong>zu</strong> fassen, <strong>der</strong> Kampf zwischen ihnen <strong>zu</strong> hart um eine angebrachte Antwort <strong>zu</strong><strong>zu</strong>lassen. Abgesehen<br />

von dem gle<strong>ich</strong>mäßigen Rhythmus ihres Herzens und ihres Atems <strong>war</strong> es still im Auto.<br />

„Wo ist <strong>der</strong> Rest deiner Familie?“ fragte sie plötzl<strong>ich</strong>.<br />

Ich atmete tief durch – registrierte den Duft im Wagen das <strong>erste</strong> mal mit heftigem Schmerz;<br />

<strong>ich</strong> bemerkte <strong>zu</strong>frieden, dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> daran gewöhnte – und zwang m<strong>ich</strong> da<strong>zu</strong> wie<strong>der</strong> lässig <strong>zu</strong> sein.<br />

„Sie haben Rosalies Auto genommen.“ Ich parkte auf dem freien Platz neben dem in Frage<br />

kommenden Auto. Ich unterdrückte ein Lächeln als <strong>ich</strong> sah, wie s<strong>ich</strong> ihre Augen weiteten.<br />

„Prahlerisch, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>?“<br />

„Ähm, wow. Wenn sie so einen Wagen hat, <strong>war</strong>um fährt sie dann immer mit dir?“<br />

Rosalie hätte Bellas Reaktion genossen… wenn sie Bella gegenüber objektiv gewesen wäre,<br />

was definitiv n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> Fall <strong>war</strong>.<br />

„Wie <strong>ich</strong> schon sagte, es ist prahlerisch. Wir versuchen n<strong>ich</strong>t auf<strong>zu</strong>fallen.“<br />

„<strong>Das</strong> gelingt euch n<strong>ich</strong>t,“ sagte sie <strong>mir</strong> und lachte erle<strong>ich</strong>tert.<br />

Ihr munteres vollkommen sorgloses Lachen erwärmte meine hohle Brust genauso wie es<br />

meinen Kopf vor Zweifel schwirren ließ.<br />

„Also, <strong>war</strong>um ist Rosalie heute mit ihrem Wagen gefahren, wenn er so auffällig ist?“ fragte<br />

sie.<br />

„Hast du es noch n<strong>ich</strong>t bemerkt? Ich breche jetzt alle Regeln“<br />

Meine Antwort sollte ein kleines bisschen beängstigend klingen – selbstverständl<strong>ich</strong> lächelte<br />

Bella darüber.<br />

Sie <strong>war</strong>tete n<strong>ich</strong>t, bis <strong>ich</strong> ihr <strong>die</strong> Tür öffnete, genau wie letzte Nacht. Ich musste m<strong>ich</strong> hier in<br />

<strong>der</strong> Schule normal verhalten – also konnte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t schnell genug bewegen um das <strong>zu</strong><br />

verhin<strong>der</strong>n – aber sie würde s<strong>ich</strong> daran gewöhnen müssen, mit mehr Zuvorkommenheit behandelt <strong>zu</strong><br />

werden, und sie würde s<strong>ich</strong> schnell daran gewöhnen müssen.<br />

Ich ging so d<strong>ich</strong>t neben ihr her, wie <strong>ich</strong> es <strong>mir</strong> erlaubte und achtete darauf, ob <strong>die</strong>se Nähe sie<br />

störte. Zweimal <strong>zu</strong>ckte ihre Hand in meine R<strong>ich</strong>tung doch dann zog sie s<strong>ich</strong> schnell <strong>zu</strong>rück. Es sah so<br />

aus, als wollte sie m<strong>ich</strong> berühren… mein Atmen wurde schneller.<br />

„Warum habt ihr überhaupt solche Autos? Wenn ihr n<strong>ich</strong>t auffallen wollt?“ fragte sie<br />

während wir gingen.<br />

„Eine Schwäche,“ gab <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>. „Wir fahren alle gerne schnell.“<br />

„<strong>Das</strong> passt,“ murmelte sie.<br />

Sie sah n<strong>ich</strong>t mehr auf und daher entging ihr mein antwortendes Grinsen.<br />

Oh nein! <strong>Das</strong> glaub <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t! Wie <strong>zu</strong>m Teufel hat Bella das angestellt? Ich kapiers n<strong>ich</strong>t!<br />

Warum?<br />

Jessicas mentaler Schock unterbrach meine Gedanken. Sie <strong>war</strong>tete unter dem Vordach <strong>der</strong><br />

Cafeteria um s<strong>ich</strong> vor dem Regen <strong>zu</strong> schützen, mit Bellas Winterjacke über dem Arm. Ihre Augen<br />

<strong>war</strong>en ungläubig aufgerissen.<br />

Bella bemerkte sie einen Augenblick später. Ein helles Rot schoss in ihre Wangen, als sie den<br />

Ausdruck auf Jessicas Ges<strong>ich</strong>t sah. Die Gedanken in Jessicas Kopf <strong>war</strong>en zieml<strong>ich</strong> deutl<strong>ich</strong> in ihrem<br />

Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> lesen.<br />

„Hey, Jessica. Danke, dass du daran gedacht hast,“ grüßte Bella sie. Sie streckte <strong>die</strong> Hand<br />

nach ihrer Jacke aus und Jessica re<strong>ich</strong>te sie ihr wortlos.


Ich sollte höfl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Bellas Freunden sein, egal ob sie gute Freunde <strong>war</strong>en o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t. „Guten<br />

Morgen, Jessica.“<br />

Wow…<br />

Jessicas Augen wurden noch größer. Es <strong>war</strong> seltsam und amüsant… und, ehrl<strong>ich</strong>gesagt, ein<br />

bisschen peinl<strong>ich</strong>… <strong>zu</strong> bemerken wie sehr <strong>die</strong> Nähe <strong>zu</strong> Bella m<strong>ich</strong> verwe<strong>ich</strong>l<strong>ich</strong>t hatte. Es sah so aus,<br />

als hätte niemand mehr Angst vor <strong>mir</strong>. Wenn Emmett das herausfände würde er m<strong>ich</strong> das nächste<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t lang auslachen.<br />

„Äh… hi,“ nuschelte Jessica und ihre Augen wan<strong>der</strong>ten Bedeutungsschwanger <strong>zu</strong> Bella. „Ich<br />

denke, wir sehen uns dann in Mathe.“<br />

Du wirst <strong>mir</strong> alles erzählen. Ich werde kein Nein akzeptieren. Details. Ich brauche Details!<br />

Ed<strong>war</strong>d scheiß CULLEN!! <strong>Das</strong> Leben ist so unfair.<br />

Bellas Mundwinkel <strong>zu</strong>ckten. „Ja, wir sehen uns dann.“<br />

Jessicas Gedanken spielten verrückt während sie <strong>zu</strong> ihrem <strong>erste</strong>n Kurs rannte und uns hin<br />

und wie<strong>der</strong> verstohlene <strong>Blick</strong>e <strong>zu</strong><strong>war</strong>f.<br />

Die ganze Gesch<strong>ich</strong>te. Ich akzeptiere n<strong>ich</strong>ts an<strong>der</strong>es. Hatten sie geplant s<strong>ich</strong> gestern <strong>zu</strong><br />

treffen? Treffen sie s<strong>ich</strong> öfter? Wie lange schon? Wie konnte sie das geheim halten? Warum sollte sie<br />

das wollen? Es kann n<strong>ich</strong>ts lockeres sein – sie muss total verknallt in ihn sein. Gibt es eine an<strong>der</strong>e<br />

Mögl<strong>ich</strong>keit? Ich werde es heraus finden. Ich halt es n<strong>ich</strong>t aus, es n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> wissen. Ich frage m<strong>ich</strong>, ob<br />

sie <strong>zu</strong>sammen sind? Oh, verdammt… Jessicas Gedanken drifteten plötzl<strong>ich</strong> ab und wortlose Fantasien<br />

jagten durch ihren Kopf. Bei <strong>die</strong>sen Spekulationen <strong>zu</strong>ckte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen und n<strong>ich</strong>t nur weil sie in<br />

ihren Gedanken Bella durch s<strong>ich</strong> selbst ersetze.<br />

So konnte es niemals sein. Und dennoch… <strong>ich</strong> wollte es…<br />

Ich wollte es <strong>mir</strong> selbst n<strong>ich</strong>t eingestehen. Auf wie viele falsche Arten wollte <strong>ich</strong> Bella? Auf<br />

welche würde <strong>ich</strong> sie letztl<strong>ich</strong> töten?<br />

Ich schüttelte meinen Kopf und versuchte m<strong>ich</strong> ab<strong>zu</strong>lenken.<br />

„Was wirst du ihr erzählen?“ fragte <strong>ich</strong> Bella.<br />

„Hey!“ flüsterte sie vorwurfsvoll. „Ich dachte du könntest meine Gedanken n<strong>ich</strong>t lesen!“<br />

„Kann <strong>ich</strong> auch n<strong>ich</strong>t.“ Ich schaute sie verwun<strong>der</strong>t an und versuchte den Sinn hinter ihren<br />

Worten <strong>zu</strong> v<strong>erste</strong>hen. Ah – wir mussten <strong>zu</strong>r selben Zeit dasselbe gedacht haben. Hmm… das gefiel<br />

<strong>mir</strong>. „Na jedenfalls,“ sagte <strong>ich</strong> ihr, „kann <strong>ich</strong> ihre lesen – sie wird dir in <strong>der</strong> Klasse auflauern.“<br />

Bella stöhnte und ließ dann <strong>die</strong> Jacke von ihren Schultern gleiten. Ich bemerkte erst n<strong>ich</strong>t,<br />

dass sie sie <strong>zu</strong>rückgab – <strong>ich</strong> hätte n<strong>ich</strong>t danach gefragt; <strong>mir</strong> wäre es lieber gewesen, sie würde sie<br />

behalten… ein Andenken – deshalb <strong>war</strong> <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> langsam um ihr meine Hilfe an<strong>zu</strong>bieten. Sie re<strong>ich</strong>te <strong>mir</strong><br />

meine Jacke und steckte ihre Arme durch ihre eigene ohne m<strong>ich</strong> an<strong>zu</strong>sehen, also bemerkte sie n<strong>ich</strong>t,<br />

dass meine Hände ausgestreckt <strong>war</strong>en um ihre <strong>zu</strong> helfen. Ich runzelte <strong>die</strong> Stirn darüber und<br />

kontrollierte meinen Ausdruck schnell wie<strong>der</strong> bevor sie es bemerkte.<br />

„Also, was wirst du ihr erzählen?“ fragte <strong>ich</strong>.<br />

„Wie wäre es mit ein bisschen Hilfe? Was will sie denn wissen?“<br />

Ich lächelte und schüttelte meinen Kopf. Ich wollte hören, was sie dachte ohne einen<br />

Hinweis. „<strong>Das</strong> ist n<strong>ich</strong>t fair.“<br />

Ihre Augen verengten s<strong>ich</strong>. „Nein, dass du dein Wissen n<strong>ich</strong>t teilst – das ist unfair.“<br />

R<strong>ich</strong>tig – sie mochte keine Doppelmoral.<br />

Wir erre<strong>ich</strong>ten ihre Klassentür – wo <strong>ich</strong> sie verlassen musste; <strong>ich</strong> fragte m<strong>ich</strong> ob Ms. Cope<br />

entgegenkommen<strong>der</strong> <strong>war</strong>, was eine Än<strong>der</strong>ung bzgl. meines Englischkurses anging… <strong>ich</strong> konzentrierte<br />

m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong>. Ich konnte fair sein.


„Sie möchte wissen ob wir heiml<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen sind,“ sagte <strong>ich</strong> langsam. „Und sie möchte<br />

wissen, was du für m<strong>ich</strong> empfindest.“<br />

Sie riss <strong>die</strong> Augen auf – n<strong>ich</strong>t verwun<strong>der</strong>t son<strong>der</strong>n eher naiv. Ihre Augen <strong>war</strong>en offen für<br />

m<strong>ich</strong>, lesbar. Sie spielte unschuldig.<br />

„Hmm,“ murmelte sie. „Was soll <strong>ich</strong> ihr bloß sagen?“<br />

„Hmmm.“ Sie versuchte immer m<strong>ich</strong> da<strong>zu</strong> <strong>zu</strong> bringen, mehr preis<strong>zu</strong>geben, als sie es tat. Ich<br />

überlegte, wie <strong>ich</strong> ihr antworten könnte.<br />

Eine lose Haarsträhne, le<strong>ich</strong>t klamm vom Nebel, fiel ihr über <strong>die</strong> Schulter und kräuselte s<strong>ich</strong><br />

dort wo <strong>der</strong> alberne Pullover ihr Schlüsselbein v<strong>erste</strong>ckte. Sie fesselte meinen <strong>Blick</strong>… lenkte ihn auf<br />

<strong>die</strong> an<strong>der</strong>en v<strong>erste</strong>ckten Kurven…<br />

Ich streckte vors<strong>ich</strong>tig meine Hand nach <strong>der</strong> Strähne aus, darauf bedacht, ihre Haut n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong><br />

berühren – <strong>der</strong> Morgen <strong>war</strong> kühl genug auch ohne meine Berührung – und wickelte sie <strong>zu</strong>rück in den<br />

losen Haarknoten, damit sie m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t wie<strong>der</strong> ablenken konnte. Ich erinnerte m<strong>ich</strong> daran, wie Mike<br />

Newton ihr Haar berührt hatte, und <strong>ich</strong> biss meine Zähne <strong>zu</strong>sammen bei dem Gedanken. Sie <strong>war</strong> vor<br />

ihm <strong>zu</strong>rückge<strong>zu</strong>ckt. Ihre Reaktion jetzt <strong>war</strong> keineswegs <strong>die</strong> gle<strong>ich</strong>e; stattdessen weiteten s<strong>ich</strong> ihre<br />

Augen ein wenig, Blut schoss ihr ins Ges<strong>ich</strong>t und ihr Herzschlag wurde unregelmäßig.<br />

Ich versuchte mein Lächeln <strong>zu</strong> verbergen als <strong>ich</strong> ihre Frage beantwortete.<br />

„Ich denke, <strong>die</strong> <strong>erste</strong> Frage könntest du mit Ja beantworten… wenn es dir n<strong>ich</strong>ts ausmacht…“<br />

ihre Wahl, immer ihre Wahl, „… es wäre einfacher als jede an<strong>der</strong>en Erklärung.“<br />

„Es macht <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>ts aus,“ flüsterte sie. Ihr Herz hatte seinen normalen Rhythmus noch n<strong>ich</strong>t<br />

wie<strong>der</strong>gefunden.<br />

„Und ihre an<strong>der</strong>e Frage…“ Jetzt konnte <strong>ich</strong> mein Lächeln n<strong>ich</strong>t mehr verbergen. „Also <strong>die</strong><br />

Antwort auf <strong>die</strong>se Frage würde <strong>ich</strong> selbst gern hören.“<br />

Darüber soll Bella erst mal nachdenken. Ich unterdrückte ein Lachen als <strong>ich</strong> den schockierten<br />

Ausdruck in ihrem Ges<strong>ich</strong>t sah.<br />

Ich drehte m<strong>ich</strong> schnell um, bevor sie noch weitere Fragen stellen konnte. Es <strong>war</strong> schwer für<br />

m<strong>ich</strong> ihr n<strong>ich</strong>t alles <strong>zu</strong> geben was sie wollte. Und <strong>ich</strong> wollte ihre Gedanken hören, n<strong>ich</strong>t meine.<br />

„Wir sehen uns beim Mittagessen,“ rief <strong>ich</strong> ihr über <strong>die</strong> Schulter <strong>zu</strong>, eine Ausrede um <strong>zu</strong><br />

sehen, ob sie <strong>mir</strong> immer noch hinterher starrte mit geweiteten Augen. Ihr Mund stand weit offen. Ich<br />

drehte m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> um und lachte.<br />

Als <strong>ich</strong> davon schlen<strong>der</strong>te <strong>war</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> <strong>der</strong> geschockten und spekulierenden Gedanken um<br />

m<strong>ich</strong> herum kaum bewusst – <strong>die</strong> <strong>Blick</strong>e wechselten zwischen Bellas Ges<strong>ich</strong>t und meiner s<strong>ich</strong><br />

entfernenden Figur. Ich schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit. Ich konnte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t konzentrieren.<br />

Es <strong>war</strong> schon schwer genug meine Füße in einer akzeptablen Geschwindigkeit <strong>zu</strong> bewegen, als <strong>ich</strong><br />

den feuchten Rasen <strong>zu</strong> meinem nächsten Kurs überquerte. Ich wollte rennen – r<strong>ich</strong>tig rennen, so<br />

schnell, dass <strong>ich</strong> verschwinden würde, so schnell, dass es s<strong>ich</strong> anfühlte als würde <strong>ich</strong> fliegen. Ein Teil<br />

von <strong>mir</strong> flog bereits.<br />

Ich zog <strong>die</strong> Jacke an auf meinem Weg <strong>zu</strong>m Unterr<strong>ich</strong>t und ließ m<strong>ich</strong> von ihrem Duft einhüllen.<br />

Ich würde jetzt brennen – m<strong>ich</strong> von dem Geruch desensibilisieren lassen – dann würde es später<br />

le<strong>ich</strong>ter <strong>zu</strong> ignorieren sein, wenn <strong>ich</strong> beim Mittagessen wie<strong>der</strong> mit ihr <strong>zu</strong>sammen <strong>war</strong>…<br />

Es <strong>war</strong> gut, dass <strong>die</strong> Lehrer keine Lust mehr hatten m<strong>ich</strong> auf<strong>zu</strong>rufen. Heute würden sie m<strong>ich</strong><br />

wohl unvorbereitet und ohne Antwort erwischen. Meine Gedanken <strong>war</strong>en heute Morgen ganz<br />

woan<strong>der</strong>s; nur mein Körper saß im Klassenraum.<br />

Natürl<strong>ich</strong> beobachtete <strong>ich</strong> Bella. <strong>Das</strong> wurde langsam alltägl<strong>ich</strong> – so automatisch wie Atmen.<br />

Ich hörte ihre Unterhaltung mit dem enttäuschten Mike Newton. Sie lenkte das Gespräch schnell auf


Jessica und <strong>ich</strong> grinste so breit, dass Rob Sawyer, <strong>der</strong> rechts von <strong>mir</strong> saß, <strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>ckte, tiefer in<br />

seinen Stuhl sank und s<strong>ich</strong> von <strong>mir</strong> weglehnte.<br />

Ugh. Unheiml<strong>ich</strong>.<br />

Also hatte <strong>ich</strong> es doch n<strong>ich</strong>t ganz verloren.<br />

Außerdem beobachtete <strong>ich</strong> Jessica, wie sie ihre Fragen an Bella formulierte. Ich konnte <strong>die</strong><br />

vierte Stunde genauso wenig er<strong>war</strong>ten wie das neugierige menschl<strong>ich</strong>e Mädchen, das den neuesten<br />

Tratsch hören wollte.<br />

Und <strong>ich</strong> belauschte auch Angela Weber.<br />

Ich hatte <strong>die</strong> Dankbarkeit <strong>die</strong> <strong>ich</strong> ihr gegenüber empfand n<strong>ich</strong>t vergessen – <strong>erste</strong>ns weil sie<br />

nur Gutes über Bella dachte und zweitens für ihre Hilfe letzte Nacht. Also <strong>war</strong>tete <strong>ich</strong> den ganzen<br />

Morgen darauf, dass <strong>mir</strong> irgendetwas auffiel, das sie haben wollte. Ich dachte, es würde einfach<br />

werden; wie bei jedem normalen Menschen musste es irgendeinen Quatsch geben, den sie<br />

unbedingt haben wollte. Mehrere vermutl<strong>ich</strong>. Ich würde irgendetwas anonym schicken und uns für<br />

quitt erklären.<br />

Aber Angela erwies s<strong>ich</strong> als genauso wenige entgegenkommend wie Bella mit ihren<br />

Gedanken. Sie <strong>war</strong> seltsam <strong>zu</strong>frieden für einen Teenager. Glückl<strong>ich</strong>. Vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> das <strong>der</strong> Grund für<br />

ihre unübl<strong>ich</strong>e Freundl<strong>ich</strong>keit – sie <strong>war</strong> eine <strong>der</strong> wenigen Menschen <strong>die</strong> hatten was sie wollten und<br />

wollten was sie hatten. Wenn sie mal n<strong>ich</strong>t den Lehrern <strong>zu</strong>hörte und s<strong>ich</strong> auf ihre Notizen<br />

konzentrierte, dann dachte sie an ihre kleinen Zwillingsbrü<strong>der</strong>, mit denen sie <strong>die</strong>ses Wochenende an<br />

den Strand fahren würde – malte s<strong>ich</strong> aus wie viel Spaß sie haben würde mit einer fast elterl<strong>ich</strong>en<br />

Zufriedenheit. Sie passte öfter mal auf sie auf, <strong>war</strong> aber n<strong>ich</strong>t genervt davon… es <strong>war</strong> irgendwie süß.<br />

Aber es half <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> weiter.<br />

Es musste doch etwas geben, das sie s<strong>ich</strong> wünschte. Ich würde nur weiter Ausschau halten<br />

müssen. Aber später. Jetzt <strong>war</strong> es Zeit für Bellas Mathestunde mit Jessica.<br />

Ich achtete n<strong>ich</strong>t darauf wo <strong>ich</strong> lang ging als <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> auf den Weg <strong>zu</strong> meinem Englischkurs<br />

machte. Jessica saß bereits auf ihrem Platz und klapperte mit beiden Füßen unruhig auf dem Boden<br />

herum während sie darauf <strong>war</strong>tete, dass Bella endl<strong>ich</strong> kam.<br />

Sobald <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> auf meinen Platz setzte wurde <strong>ich</strong> absolut ruhig. Ich musste m<strong>ich</strong> daran<br />

erinnern m<strong>ich</strong> hin und wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> bewegen. Um <strong>die</strong> Maskerade aufrecht <strong>zu</strong> erhalten. Es <strong>war</strong> schwer,<br />

da meine Gedanken so sehr auf <strong>die</strong> von Jessica konzentriert <strong>war</strong>en. Ich hoffte, dass sie s<strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong><br />

Mühe geben würde, Bellas Ges<strong>ich</strong>t für m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> lesen.<br />

Jessicas Fußklappern wurde schneller als Bella den Raum betrat.<br />

Sie sieht… bedrückt aus. Warum? Vielle<strong>ich</strong>t hat sie doch n<strong>ich</strong>ts mit Ed<strong>war</strong>d Cullen. <strong>Das</strong> wäre<br />

s<strong>ich</strong>er eine Enttäuschung. Allerdings… wenn er immer noch <strong>zu</strong> haben ist… wenn er plötzl<strong>ich</strong> Interesse<br />

an Verabredungen hat, würde <strong>ich</strong> ihm gern aushelfen…<br />

Bellas Ges<strong>ich</strong>t sah n<strong>ich</strong>t bedrückt aus, eher wie<strong>der</strong>willig. Sie <strong>war</strong> besorgt – sie wusste, dass<br />

<strong>ich</strong> alles hören würde, was sie jetzt sagte. Ich lächelte in m<strong>ich</strong> hinein.<br />

„Erzähl <strong>mir</strong> alles!“ verlangte Jessica als Bella noch damit beschäftigt <strong>war</strong>, ihre Jacke<br />

aus<strong>zu</strong>ziehen und über ihre Stuhllehne <strong>zu</strong> hängen. Sie bewegte s<strong>ich</strong> bedächtig, unwillig.<br />

Ugh, sie ist so langsam. Lass uns endl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> den interessanten Themen kommen!<br />

„Was möchtest du wissen?“ fragte Bella, als sie s<strong>ich</strong> setzte.<br />

„Was ist letzte Nacht passiert?“<br />

„Er hat m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>m Essen eingeladen und dann nach Hause gefahren.“<br />

Und dann? Komm schon, da muss doch noch mehr passiert sein! Sie lügt sowieso, das weiß<br />

<strong>ich</strong>. Ich werde sie darauf ansprechen.<br />

„Wie bist du so schnell nach Hause gekommen?“


Ich sah wie Bella ihre Augen verdrehte.<br />

„Er fährt wie ein Verrückter. Es <strong>war</strong> schreckl<strong>ich</strong>.“<br />

Sie lächelte le<strong>ich</strong>t und <strong>ich</strong> lachte laut auf womit <strong>ich</strong> Mr. Masons Ausführungen unterbrach.<br />

Ich versuchte aus dem Lachen ein Husten werden <strong>zu</strong> lassen, aber <strong>ich</strong> konnte niemanden mehr<br />

täuschen. Mr. Mason <strong>war</strong>f <strong>mir</strong> einen irritierten <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong>, aber <strong>ich</strong> kümmerte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t um <strong>die</strong><br />

Gedanken <strong>die</strong> dahinter steckten. Ich lauschte immer noch auf Jessica.<br />

Hmm. Hört s<strong>ich</strong> so an als ob sie <strong>die</strong> Wahrheit sagt. Warum lässt sie s<strong>ich</strong> jedes Wort einzeln<br />

aus <strong>der</strong> Nase ziehen? An ihrer Stelle würde <strong>ich</strong> alles so laut <strong>ich</strong> könnte heraus posaunen.<br />

„Ward ihr verabredet – hast du ihm gesagt, dass ihr euch dort treffen sollt?“<br />

Jessica sah <strong>die</strong> Überraschung in Bellas Ges<strong>ich</strong>t und <strong>war</strong> enttäuscht darüber dass sie echt <strong>war</strong>.<br />

„Nein – <strong>ich</strong> <strong>war</strong> eher überrascht ihn dort <strong>zu</strong> sehen,“ erzählte Bella ihr.<br />

Was geht ihr vor?? „Aber er hat d<strong>ich</strong> heute <strong>zu</strong>r Schule abgeholt?“ Da muss doch noch mehr<br />

dahinter stecken.<br />

„Ja – das <strong>war</strong> auch eine Überraschung. Er hat mitbekommen, dass <strong>ich</strong> gestern keine Jacke<br />

hatte.“<br />

<strong>Das</strong> ist ja n<strong>ich</strong>t gerade spannend, dachte Jessica wie<strong>der</strong> enttäuscht.<br />

Ihre Fragestellung ermüdete m<strong>ich</strong> – <strong>ich</strong> wollte etwas hören, dass <strong>ich</strong> noch n<strong>ich</strong>t wusste. Ich<br />

hoffte, dass sie n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> un<strong>zu</strong>frieden <strong>war</strong> und das Verhör beendete bevor sie <strong>die</strong> Fragen gestellt<br />

hatte, <strong>die</strong> m<strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> interessierten.<br />

„Also, seid ihr wie<strong>der</strong> verabredet?“ fragte Jessica.<br />

„Er hat <strong>mir</strong> angeboten m<strong>ich</strong> am Samstag nach Seattle <strong>zu</strong> fahren, weil er denkt, dass mein<br />

Truck <strong>die</strong> Strecke n<strong>ich</strong>t schafft – zählt das?“<br />

Hmm. Er scheint s<strong>ich</strong> große Mühe <strong>zu</strong> geben um… naja, auf sie auf<strong>zu</strong>passen, irgendwie. Also<br />

muss da etwas von seiner Seite aus sein, wenn schon n<strong>ich</strong>t von ihrer. Wie kann das sein? Bella ist<br />

verrückt.<br />

„Ja,“ beantwortete Jessica Bellas Frage.<br />

„Also dann,“ schloss Bella. „Ja.“<br />

„Wow… Ed<strong>war</strong>d Cullen.“ Egal ob sie auf ihn steht o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t, dass ist schon was.<br />

„Ich weiß,“ seufzte Bella.<br />

Der Ton in ihrer Stimme ermutigte Jessica. Na endl<strong>ich</strong> – hört s<strong>ich</strong> so an, als hätte sie es<br />

begriffen! Sie muss doch merken…<br />

„Warte!“ sagte Jessica und erinnerte s<strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong> an <strong>die</strong> w<strong>ich</strong>tigste aller Fragen. „Hat er d<strong>ich</strong><br />

geküsst?“ Bitte sag ja. Und dann beschreib jede Sekunde!<br />

„Nein,“ murmelte Bella und dann sah sie auf ihre Hände und ihr Ges<strong>ich</strong>t verfinsterte s<strong>ich</strong>. „So<br />

ist es irgendwie n<strong>ich</strong>t.“<br />

Verdammt. Ich wünschte… Ha. Sieht so aus, als ob sie es s<strong>ich</strong> auch wünschte.<br />

Ich runzelte <strong>die</strong> Stirn. Bella sah wegen irgendetwas besorgt aus, aber es konnte n<strong>ich</strong>t<br />

Enttäuschung sein, wie Jessica vermutete. <strong>Das</strong> konnte sie n<strong>ich</strong>t wollen. N<strong>ich</strong>t bei dem was sie wusste.<br />

Sie konnte meinen Zähnen n<strong>ich</strong>t so nahe kommen wollen. Demnach <strong>zu</strong> urteilen was sie wusste, hatte<br />

<strong>ich</strong> Reißzähne.<br />

Ich schau<strong>der</strong>te.<br />

„Glaubst du am Samstag…?“ stachelte Jessica.<br />

Bella sah noch frustrierter aus, als sie sagte, „<strong>Das</strong> bezweifle <strong>ich</strong>.“<br />

Ja, sie wünscht es s<strong>ich</strong>. Es ärgert sie.<br />

Lag es daran, dass <strong>ich</strong> all das durch Jessicas Perspektive beobachtete, dass es so aussah, als<br />

hätte Jessica recht?


Für eine halbe Sekunde <strong>war</strong> <strong>ich</strong> von <strong>der</strong> Idee, <strong>der</strong> Unmögl<strong>ich</strong>keit, abgelenkt, wie es sein<br />

könnte sie <strong>zu</strong> küssen. Meine Lippen auf ihren Lippen, kalter Stein auf <strong>war</strong>mer, we<strong>ich</strong>er Seide…<br />

Und dann stirbt sie.<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte <strong>zu</strong>sammen, schüttelte meinen Kopf und versuchte wie<strong>der</strong> auf<strong>zu</strong>passen.<br />

„Worüber habt ihr euch unterhalten?“ Hast du überhaupt mit ihm geredet o<strong>der</strong> hast du dir<br />

von ihm auch alles aus <strong>der</strong> Nase ziehen lassen?<br />

Ich lächelte wehmütig. Jessica lag n<strong>ich</strong>t ganz falsch.<br />

„Ich weiß n<strong>ich</strong>t, Jess, alles mögl<strong>ich</strong>e. Wir haben uns ein bisschen über den Englisch-Aufsatz<br />

unterhalten.“<br />

Ein ganz kleines bisschen. Mein Lächeln wurde breiter.<br />

Oh, KOMM SCHON. „Bitte, Bella! Gib <strong>mir</strong> ein paar Einzelheiten.“<br />

Bella überlegte einen Moment.<br />

„Naja… ok, <strong>ich</strong> hab was. Du hättest sehen sollen wie <strong>die</strong> Kellnerin mit ihm geflirtet hat – das<br />

<strong>war</strong> <strong>der</strong> Hammer. Aber er hat sie n<strong>ich</strong>t mal beachtet.“<br />

Was für eine seltsame Einzelheit. Ich <strong>war</strong> überrascht, dass Bella das überhaupt bemerkt<br />

hatte. Es <strong>war</strong> so unbedeutend.<br />

Interessant… „<strong>Das</strong> ist ein gutes Ze<strong>ich</strong>en. War sie hübsch?“<br />

Hmm. Jessica schien das w<strong>ich</strong>tiger <strong>zu</strong> finden, als <strong>ich</strong>. Muss wohl irgendein Frauending sein.<br />

„Sehr,“ sagte Bella. „Und vielle<strong>ich</strong>t neunzehn o<strong>der</strong> zwanzig.“<br />

Jessica <strong>war</strong> einen Moment von einer Erinnerung an ihr Date mit Mike am Montag abgelenkt –<br />

Mike <strong>war</strong> ein wenig <strong>zu</strong> freundl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> einer Kellnerin gewesen, <strong>die</strong> Jessica n<strong>ich</strong>t mal hübsch fand. Sie<br />

schob <strong>die</strong> Erinnerung beiseite und kam ohne s<strong>ich</strong> etwas von ihrem Ärgern anmerken <strong>zu</strong> lassen <strong>zu</strong><br />

ihrer Frage nach Einzelheiten <strong>zu</strong>rück.<br />

„Noch besser. Er muss d<strong>ich</strong> wirkl<strong>ich</strong> mögen.“<br />

„<strong>Das</strong> glaube <strong>ich</strong> auch,“ sagte Bella langsam. Ich konnte m<strong>ich</strong> kaum noch auf meinem Stuhl<br />

halten, blieb aber immer noch absolut ruhig. „Aber das ist schwer <strong>zu</strong> sagen. Er ist immer so<br />

kryptisch.“<br />

Ich <strong>war</strong> wohl doch n<strong>ich</strong>t so le<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> durchschauen und außer Kontrolle wie <strong>ich</strong> gedacht hatte.<br />

Dennoch… aufmerksam wie sie <strong>war</strong>… Wie konnte sie n<strong>ich</strong>t bemerken, dass <strong>ich</strong> sie liebte? Ich ging in<br />

Gedanken unsere Unterhaltung durch und <strong>war</strong> überrascht, dass <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Worte n<strong>ich</strong>t laut<br />

ausgesprochen hatte. Es hatte s<strong>ich</strong> angefühlt als wäre <strong>die</strong>ses Wissen in jedem Wort zwischen uns<br />

mitgeschwungen.<br />

Wow. Wie kannst du einem männl<strong>ich</strong>en Model gegenübersitzen und d<strong>ich</strong> unterhalten? „Ich<br />

v<strong>erste</strong>he n<strong>ich</strong>t wie du den Mut aufbringst mit ihm allein <strong>zu</strong> sein,“ sagte Jessica.<br />

Bella <strong>war</strong> für einen kurzen Moment geschockt. „Warum?“<br />

Seltsame Reaktion. Was denkt sie denn was <strong>ich</strong> meine? „Er ist so…“ Wie ist das r<strong>ich</strong>tige Wort?<br />

„Einschüchternd. Ich wüsste n<strong>ich</strong>t was <strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihm sagen sollte.“ Ich konnte heute Morgen ja n<strong>ich</strong>t mal<br />

r<strong>ich</strong>tig englisch (in unserem Fall wohl eher deutsch) mit ihm reden. Ich muss m<strong>ich</strong> wie ein kompletter<br />

Vollidiot angehört haben.<br />

Bella lächelte. „Ich hab auch ein wenig Probleme m<strong>ich</strong> in seiner Gegen<strong>war</strong>t normal <strong>zu</strong><br />

verhalten.“<br />

Sie schien <strong>zu</strong> versuchen Jessica ein besseres Gefühl <strong>zu</strong> geben. Sie <strong>war</strong> so unnatürl<strong>ich</strong><br />

selbstbeherrscht gewesen als wir <strong>zu</strong>sammen <strong>war</strong>en.<br />

„Oh naja,“ seufzte Jessica. „Er sieht ja auch einfach fantastisch aus.“<br />

Bellas Ges<strong>ich</strong>tsausdruck wurde plötzl<strong>ich</strong> kühl. Ihre Augen blitzen auf, wie sie es taten, wenn<br />

Bella s<strong>ich</strong> über Ungerechtigkeiten ärgerte. Jessica bemerkte <strong>die</strong> Verän<strong>der</strong>ung n<strong>ich</strong>t.


„Da ist noch viel mehr an ihm als das,“ schnappte Bella.<br />

Oooh. Jetzt kommen wir <strong>der</strong> Sache langsam näher. „Ehrl<strong>ich</strong>? Was denn?“<br />

Bella nagte einen Moment an ihrer Lippe. „Ich kann es n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> erklären,“ sagte sie<br />

schließl<strong>ich</strong>. „Aber er ist noch viel unglaubl<strong>ich</strong>er hinter <strong>der</strong> Oberfläche.“ Sie sah an Jessica vorbei, ein<br />

bisschen desorientiert, als ob sie etwas in sehr weiter Ferne anstarrte.<br />

<strong>Das</strong> was <strong>ich</strong> jetzt fühlte <strong>war</strong> ein bisschen so wie das Gefühl das <strong>ich</strong> hatte, wenn Carlisle o<strong>der</strong><br />

Esme m<strong>ich</strong> mehr lobten als <strong>ich</strong> es ver<strong>die</strong>nte. Ähnl<strong>ich</strong> aber intensiver, verzehren<strong>der</strong>.<br />

Verkauf m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t für dumm – es gibt n<strong>ich</strong>ts Besseres als sein Ges<strong>ich</strong>t! Außer sein Körper<br />

vielle<strong>ich</strong>t. Schmelz. „<strong>Das</strong> geht?“ k<strong>ich</strong>erte Jessica.<br />

Bella wandte s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t um. Ihr <strong>Blick</strong> <strong>war</strong> immer noch in <strong>die</strong> Ferne ger<strong>ich</strong>tet.<br />

Ein normaler Mensch würde s<strong>ich</strong> hämisch freuen. Vielle<strong>ich</strong>t sollte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Fragen einfacher<br />

formulieren. Ha ha. Als wenn <strong>ich</strong> mit einem Kin<strong>der</strong>gartenkind reden würde. „Also magst du ihn?“<br />

Ich <strong>war</strong> wie<strong>der</strong> starr.<br />

Bella sah Jessica n<strong>ich</strong>t an. „Ja.“<br />

„Ich meine, magst du ihn so r<strong>ich</strong>tig?“<br />

„Ja.“<br />

Sieh s<strong>ich</strong> einer an, wie rot sie wird!<br />

Ich sah es <strong>mir</strong> an.<br />

„Wie sehr magst du ihn?“ verlangte Jessica <strong>zu</strong> wissen.<br />

Der Klassenraum hätte um m<strong>ich</strong> herum in Flammen aufgehen können und <strong>ich</strong> hätte es n<strong>ich</strong>t<br />

bemerkt.<br />

Bellas Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> jetzt knallrot – <strong>ich</strong> konnte <strong>die</strong> Hitze fast spüren.<br />

„Zu sehr,“ flüsterte sie. „Mehr als er m<strong>ich</strong> mag. Aber <strong>ich</strong> wüsste n<strong>ich</strong>t, wie <strong>ich</strong> das än<strong>der</strong>n<br />

könnte.“<br />

Treffer! Was hat Mr. Varner gerade gefragt? „Ähm – welche Nummer Mr. Varner?“<br />

Es <strong>war</strong> gut, dass Jessica Bella n<strong>ich</strong>t mehr ausfragen konnte. Ich brauchte ein Minute Pause.<br />

Was <strong>zu</strong>r Hölle dachte <strong>die</strong>ses Mädchen denn jetzt? Mehr als er m<strong>ich</strong> mag? Wie kam sie denn<br />

darauf? Aber <strong>ich</strong> wüsste n<strong>ich</strong>t wie <strong>ich</strong> das än<strong>der</strong>n könnte? Was sollte das denn heißen? Ich konnte<br />

keine logische Erklärung für <strong>die</strong>se Worte finden. Sie <strong>war</strong>en absolut unsinnig.<br />

Anscheinend konnte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts für Selbstverständl<strong>ich</strong> annehmen. Offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>e Dinge, Dinge<br />

<strong>die</strong> einen Sinn ergaben, wurden auf seltsame Weise verdreht und ins Gegenteil umgewandelt in<br />

ihrem bizarren Gehirn. Mehr als er m<strong>ich</strong> mag? Vielle<strong>ich</strong>t sollte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Karten sofort offen auf den<br />

Tisch legen.<br />

Ich <strong>war</strong>f einen <strong>Blick</strong> auf <strong>die</strong> Uhr und biss <strong>die</strong> Zähne <strong>zu</strong>sammen. Wie konnten s<strong>ich</strong> schl<strong>ich</strong>te<br />

Minuten für einen Unsterbl<strong>ich</strong> so lang anfühlen?<br />

Mein Kiefer <strong>war</strong> während <strong>der</strong> gesamten Mathestunde von Mr. Varner <strong>zu</strong>sammengepresst.<br />

Ich hörte mehr von seinem Unterr<strong>ich</strong>t als von dem in dem <strong>ich</strong> saß. Bella und Jessica sprachen n<strong>ich</strong>t<br />

wie<strong>der</strong>, aber Jessica <strong>war</strong>f Bella hin und wie<strong>der</strong> einen verstohlenen <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong> und ihr Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong><br />

wie<strong>der</strong> puterrot ohne ers<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>en Grund.<br />

Die Mittagspause konnte gar n<strong>ich</strong>t schnell genug kommen.<br />

Ich <strong>war</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er, ob Jessica ein paar <strong>der</strong> Antworten <strong>die</strong> <strong>ich</strong> hören wollte aus Bella<br />

herausbekäme, wenn <strong>die</strong> Stunde <strong>zu</strong> Ende <strong>war</strong>, aber Bella <strong>war</strong> schneller.<br />

Sobald <strong>die</strong> Klingel ertönte, drehte Bella s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Jessica.<br />

„In Englisch hat Mike m<strong>ich</strong> gefragt ob du irgendetwas wegen Montag gesagt hättest,“ sagte<br />

Bella mit einem breiten Lächeln im Ges<strong>ich</strong>t. Ich verstand es genauso wie es gemeint <strong>war</strong> – Angriff ist<br />

<strong>die</strong> beste Verteidigung.


Mike hat nach <strong>mir</strong> gefragt? Die Freude ließ Jessicas Gedanken plötzl<strong>ich</strong> we<strong>ich</strong>er werden,<br />

ohne ihren typischen Biss. „Ist n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>! Was hast du gesagt?“<br />

„Ich sagte ihm, dass du erzählt hast, dass ihr sehr viel Spaß hattet – und er sah <strong>zu</strong>frieden aus.“<br />

„Sag <strong>mir</strong> genau was er gesagt hat und dann haargenau was du geantwortet hast!“<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> alles was <strong>ich</strong> heute von Jessica bekommen würde. Bella lächelte als würde sie<br />

dasselbe denken. Als wenn sie <strong>die</strong> Runde gewonnen hätte.<br />

Naja, das Mittagessen <strong>war</strong> eine an<strong>der</strong>e Gesch<strong>ich</strong>te. Ich würde <strong>die</strong> Antworten erfolgre<strong>ich</strong>er<br />

aus ihr rausbekommen als Jessica, dafür würde <strong>ich</strong> sorgen.<br />

Ich hielt es kaum aus, obligatorisch in Jessicas Gedanken rein<strong>zu</strong>schauen während <strong>der</strong> vierten<br />

Stunde. Ich hatte kein verlangen nach ihren obsessiven Gedanken über Mike Newton. Ich hatte mehr<br />

als genug von ihm in den letzten zwei Wochen. Er hatte Glück, dass er überhaupt noch am Leben<br />

<strong>war</strong>.<br />

Ich bewegte m<strong>ich</strong> teilnahmslos mit Alice durch den Sportunterr<strong>ich</strong>t, so wie wir uns immer<br />

bewegten wenn es <strong>zu</strong> körperl<strong>ich</strong>en Aktivitäten mit Menschen kam. Natürl<strong>ich</strong> <strong>war</strong> sie meine<br />

Partnerin. Es <strong>war</strong> <strong>der</strong> <strong>erste</strong> Tag Badminton. Ich seufzte vor Langeweile als <strong>ich</strong> den Schläger in Zeitlupe<br />

bewegte um den Fe<strong>der</strong>ball <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong>r an<strong>der</strong>en Seite <strong>zu</strong> schlagen. Lauren Mallory <strong>war</strong> in dem an<strong>der</strong>n<br />

Team; Sie verfehlte. Alice wirbelte ihren Schläger herum wie einen Taktstock und starrte an <strong>die</strong><br />

Decke.<br />

Wir alle hassten Sport, beson<strong>der</strong>s Emmett. Ein Spiel <strong>zu</strong> schmeißen <strong>war</strong> eine Beleidigung für<br />

seine persönl<strong>ich</strong>e Philosophie. Sport schien noch schlimmer <strong>zu</strong> sein, als sonst – <strong>ich</strong> <strong>war</strong> genauso<br />

verärgert wie Emmett immer <strong>war</strong>.<br />

Bevor mein Kopf vor Ungeduld platzen konnte beendete Coach Clapp das Spiel und entließ<br />

uns ein paar Minuten früher. Ich <strong>war</strong> lächerl<strong>ich</strong>erweise dankbar dafür, dass er das Frühstück<br />

ausgelassen hatte – seine neue Diät – und <strong>der</strong> konsequente Hunger veranlasste ihn da<strong>zu</strong>, so schnell<br />

wie mögl<strong>ich</strong> das Schulgelände <strong>zu</strong> verlassen um irgendwo ein fettiges Mittagessen <strong>zu</strong> s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> nehmen.<br />

Er versprach s<strong>ich</strong> selbst, morgen wie<strong>der</strong> von vorn an<strong>zu</strong>fangen.<br />

Dadurch hatte <strong>ich</strong> genug Zeit <strong>zu</strong>m Mathe-Gebäude <strong>zu</strong> kommen bevor Bellas Unterr<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong><br />

Ende <strong>war</strong>.<br />

Viel Spaß, dachte Alice, als sie davon schlen<strong>der</strong>te um s<strong>ich</strong> mit Jasper <strong>zu</strong> treffen. Ich muss nur<br />

noch ein paar Tage lange geduldig ab<strong>war</strong>ten. Ich vermute mal du wirst Bella n<strong>ich</strong>t von <strong>mir</strong> grüßen,<br />

o<strong>der</strong>?<br />

Ich schüttelte verärgert meinen Kopf. Waren alle Me<strong>die</strong>n so selbstgefällig?<br />

Ach ja, nur <strong>zu</strong> deiner Information, <strong>die</strong>ses Wochenende wird sehr sonnig werden. Vielle<strong>ich</strong>t<br />

möchtest du deine Pläne än<strong>der</strong>n.<br />

Ich seufzte während <strong>ich</strong> weiter in <strong>die</strong> an<strong>der</strong>e R<strong>ich</strong>tung ging. Selbstgefällig, aber auch nützl<strong>ich</strong>.<br />

Ich lehnte m<strong>ich</strong> an <strong>die</strong> Wand neben <strong>der</strong> Tür und <strong>war</strong>tete. Ich <strong>war</strong> nahe genug um Jessicas<br />

Worte genauso deutl<strong>ich</strong> durch <strong>die</strong> Wand hören <strong>zu</strong> können wie ihre Gedanken.<br />

„Du wirst heute n<strong>ich</strong>t bei uns sitzen, o<strong>der</strong>?“ Sie sieht so… strahlend aus. Ich wette sie hat <strong>mir</strong><br />

tonnenweise Informationen vorenthalten.<br />

„Ich denke n<strong>ich</strong>t,“ antwortete Bella seltsam uns<strong>ich</strong>er.<br />

Hatte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t versprochen das Mittagessen mit ihr <strong>zu</strong> verbringen? Was dachte sie bloß?<br />

Sie kamen <strong>zu</strong>sammen aus <strong>der</strong> Klasse heraus und beide Mädchen rissen <strong>die</strong> Augen auf, als sie<br />

m<strong>ich</strong> sahen. Aber <strong>ich</strong> konnte nur Jessica hören.<br />

Nett. Wow. Oh ja, da geht noch viel mehr als sie <strong>mir</strong> erzählt hat. Vielle<strong>ich</strong>t sollte <strong>ich</strong> sie heute<br />

Abend mal anrufen… O<strong>der</strong> vielle<strong>ich</strong>t sollte <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t ermutigen. Hm. Ich hoffe, er hat bald genug<br />

von ihr. Mike ist süß aber… wow.


„Wir sehen uns dann später, Bella.“<br />

Bella kam auf m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> und hielt einen Schritt von <strong>mir</strong> entfernt an, immer noch uns<strong>ich</strong>er. Die<br />

Haut über ihren Wangenknochen <strong>war</strong> le<strong>ich</strong>t gerötet.<br />

Ich kannte sie mittlerweile gut genug um <strong>zu</strong> wissen, dass hinter ihrem Zögern keine Angst<br />

steckte. Anscheinend lag es an <strong>die</strong>ser Kluft <strong>die</strong> sie s<strong>ich</strong> zwischen unseren Gefühlen einbildete. Mehr<br />

als er m<strong>ich</strong> mag. Absurd!<br />

„Hallo,“ sagte <strong>ich</strong>, ein bisschen sehr knapp.<br />

Ihr Ges<strong>ich</strong>t erhellte s<strong>ich</strong>. „Hi.“<br />

Es sah n<strong>ich</strong>t so aus, als wollte sie noch mehr sagen, also führte <strong>ich</strong> sie <strong>zu</strong>r Cafeteria und sie<br />

ging schweigend neben <strong>mir</strong> her.<br />

Die Jacke hatte gewirkt – ihr Duft <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t so überwältigend wie sonst. Es <strong>war</strong> nur eine<br />

le<strong>ich</strong>te Verstärkung <strong>der</strong> Schmerzen <strong>die</strong> <strong>ich</strong> bereits spürte. Ich konnte es le<strong>ich</strong>ter ignorieren als <strong>ich</strong><br />

einst für mögl<strong>ich</strong> gehalten hatte.<br />

Bella <strong>war</strong> unruhig als wir in <strong>der</strong> Schlange <strong>war</strong>teten, spielte abwesend mit dem Reißverschluss<br />

ihrer Jacke und trat von einem Fuß auf den an<strong>der</strong>en. Sie <strong>war</strong>f <strong>mir</strong> viele verstohlene <strong>Blick</strong>e <strong>zu</strong>, und<br />

wenn <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rück sah, senkte sie ihren <strong>Blick</strong>, als ob sie s<strong>ich</strong> schämte. Lag es daran, dass uns so viele<br />

Leute anstarrten? Vielle<strong>ich</strong>t konnte sie das Getuschel um uns herum hören – das Getratsche <strong>war</strong><br />

heute verbal und mental das gle<strong>ich</strong>e.<br />

O<strong>der</strong> vielle<strong>ich</strong>t sah sie an meinem Ges<strong>ich</strong>tsausdruck, dass sie in Schwierigkeiten <strong>war</strong>.<br />

Sie sagte n<strong>ich</strong>ts, bis <strong>ich</strong> anfing das Mittagessen für sie aufs Tablett <strong>zu</strong> laden. Ich wusste n<strong>ich</strong>t,<br />

was sie mochte – noch n<strong>ich</strong>t – also nahm <strong>ich</strong> von allem etwas.<br />

„Was machst du da?“ zischte sie leise. „Soll das alles für m<strong>ich</strong> sein?“<br />

Ich schüttelte meinen Kopf und trug das Tablett <strong>zu</strong>r Kasse. „Die Hälfte ist natürl<strong>ich</strong> für m<strong>ich</strong>.“<br />

Sie hob skeptisch eine Augenbraue, sagte aber n<strong>ich</strong>ts weiter während <strong>ich</strong> bezahlte und sie <strong>zu</strong><br />

dem Tisch geleitete an dem wir letzte Woche vor dem tragischen Experiment bzgl.<br />

Blutgruppenbestimmung gesessen hatten. Es wirkte so, als währen viel mehr als nur ein paar Tage<br />

vergangen. Alles <strong>war</strong> an<strong>der</strong>s.<br />

Sie setzte s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> <strong>mir</strong> gegenüber. Ich schob das Tablett <strong>zu</strong> ihr herüber.<br />

„Nimm dir was du magst,“ bot <strong>ich</strong> ihr an.<br />

Sie nahm einen Apfel und drehte ihn in ihren Händen mit einem Abschätzenden Ausdruck in<br />

ihren Augen.<br />

„Ich bin neugierig.“<br />

Was für eine Überraschung.<br />

„Was würdest du tun, wenn d<strong>ich</strong> jemand zwingen würde, etwas <strong>zu</strong> essen?“ fuhr sie mit leiser<br />

Stimme fort, so dass kein menschl<strong>ich</strong>es Ohr sie hören konnte. Unsterbl<strong>ich</strong>e Ohren <strong>war</strong>en etwas<br />

an<strong>der</strong>es, wenn <strong>die</strong>se Ohren aufpassen würden. Ich hätte es ihnen wohl doch besser früher sagen<br />

sollen…<br />

„Du bist immer neugierig,“ beschwerte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong>. Aber naja. Es <strong>war</strong> ja n<strong>ich</strong>t so, als hätte <strong>ich</strong><br />

noch nie vorher was essen müssen. Es <strong>war</strong> ein Teil des V<strong>erste</strong>ckspiels. Ein unangenehmer Teil.<br />

Ich griff nach dem nächstbesten Etwas und hielt ihrem <strong>Blick</strong> stand während <strong>ich</strong> einen kleinen<br />

Bissen von was auch immer nahm. Ohne nach<strong>zu</strong>sehen konnte <strong>ich</strong> es n<strong>ich</strong>t sagen. Es <strong>war</strong> genauso<br />

schleimig und grob und wi<strong>der</strong>wärtig wie alles menschl<strong>ich</strong>e Essen. Ich kaute schnell und versuchte<br />

n<strong>ich</strong>t das Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> verziehen während <strong>ich</strong> schluckte. Der Klumpen Essen rutschte langsam und<br />

unangenehm meinen Hals hinunter. Ich seufzte bei <strong>der</strong> Vorstellung wie <strong>ich</strong> ihn später wie<strong>der</strong><br />

herauswürgen müsste. Wi<strong>der</strong>l<strong>ich</strong>.<br />

Bella <strong>war</strong> geschockt. Beeindruckt.


Ich wollte meine Augen verdrehen. Natürl<strong>ich</strong> hatten wir <strong>die</strong>se Täuschung perfektioniert.<br />

“Wenn d<strong>ich</strong> jemand zwingen würde, Erde <strong>zu</strong> essen, könntest du es doch auch, o<strong>der</strong>?”<br />

Sie kräuselte ihre Nase und lächelte. „Hab <strong>ich</strong> mal… wegen einer Wette. So schlimm <strong>war</strong> es<br />

gar n<strong>ich</strong>t.“<br />

Ich lachte. „<strong>Das</strong> überrascht m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t.“<br />

Sie sehen gut <strong>zu</strong>sammen aus, n<strong>ich</strong>t <strong>war</strong>? Gute Körpersprache. Ich werde Bella meine<br />

Beobachtungen später erzählen. Er lehnt s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> ihr hin, genau wie er es tun würde, wenn er<br />

interessiert wäre. Er sieht interessiert aus. Er sieht… perfekt aus. Jessica seufzte. Lecker.<br />

Jessicas und mein <strong>Blick</strong> trafen s<strong>ich</strong>, sie schaute nervös weg und k<strong>ich</strong>erte mit dem Mädchen<br />

das neben ihr saß.<br />

Hmmm. Vielle<strong>ich</strong>t sollte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> doch besser an Mike halten. Realität, n<strong>ich</strong>t Fantasie…<br />

„Jessica analysiert alles was <strong>ich</strong> tue,“ informierte <strong>ich</strong> Bella. „Sie wird es später alles vor dir<br />

ausbreiten.“<br />

Ich schob das Tablett wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> ihr herüber – Pizza, stellte <strong>ich</strong> fest – und überlegte wie <strong>ich</strong> am<br />

besten anfangen sollte. Meine vorherige Frustration kehrte <strong>zu</strong>rück als <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Worte in meinem Kopf<br />

wie<strong>der</strong>holte: Mehr als er m<strong>ich</strong> mag. Aber <strong>ich</strong> wüsste n<strong>ich</strong>t, wie <strong>ich</strong> das än<strong>der</strong>n könnte.<br />

Sie nahm einen Bissen von demselben Stück Pizza. Es amüsierte m<strong>ich</strong>, wie vertrauensvoll sie<br />

<strong>war</strong>. Natürl<strong>ich</strong> wusste sie n<strong>ich</strong>t, dass <strong>ich</strong> giftig <strong>war</strong> – n<strong>ich</strong>t das Essen teilen sie verletzen würde.<br />

Dennoch er<strong>war</strong>tete <strong>ich</strong> irgendwie, dass sie m<strong>ich</strong> an<strong>der</strong>s behandelte. Wie etwas an<strong>der</strong>es. <strong>Das</strong> tat sie<br />

nie – jedenfalls n<strong>ich</strong>t auf eine negative Art und Weise…<br />

Ich würde langsam anfangen.<br />

„Die Kellnerin <strong>war</strong> also hübsch?“<br />

Sie hob wie<strong>der</strong> <strong>die</strong> Augenbraue. „<strong>Das</strong> hast du wirkl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t bemerkt?“<br />

Als ob irgendeine Frau hoffen konnte m<strong>ich</strong> von Bella ab<strong>zu</strong>lenken. Schon wie<strong>der</strong> absurd.<br />

„Nein, <strong>ich</strong> hab n<strong>ich</strong>t drauf geachtet. Mir ging viel im Kopf herum.“ N<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>letzt <strong>die</strong> we<strong>ich</strong>e<br />

Berührung ihrer dünnen Bluse…<br />

Gut, dass sie heute <strong>die</strong>sen hässl<strong>ich</strong>en Pullover trug.<br />

„Die Ärmste,“ sagte Bella lächelnd.<br />

Es gefiel ihr dass <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Kellnerin n<strong>ich</strong>t im Geringsten interessant gefunden hatte. <strong>Das</strong> konnte<br />

<strong>ich</strong> v<strong>erste</strong>hen. Wie oft hatte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> vorgestellt Mike im Biologieraum aus<strong>zu</strong>schalten?<br />

Sie konnte n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> glauben, dass ihre menschl<strong>ich</strong>en Gefühle, <strong>die</strong> Erfüllung ihrer<br />

siebzehn sterbl<strong>ich</strong>en Jahre, stärker sein konnten, als <strong>die</strong> Unsterbl<strong>ich</strong>e Leidenschaft <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> in <strong>mir</strong> in<br />

einem Jahrhun<strong>der</strong>t aufgebaut hatte.<br />

„Etwas dass du <strong>zu</strong> Jessica gesagt hast…“ <strong>ich</strong> schaffte es n<strong>ich</strong>t locker <strong>zu</strong> klingen. „Naja, es stört<br />

m<strong>ich</strong>.“<br />

Sie nahm sofort eine Verteidigungshaltung an. „Es überrascht m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t, dass du etwas<br />

gehört hast, dass dir n<strong>ich</strong>t gefällt. Du weißt was man über den Lauscher an <strong>der</strong> Wand sagt?“<br />

Der Lauscher an <strong>der</strong> Wand hört seine eigene Schand, das sagt man.<br />

„Ich hab dir gesagt, dass <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>hören würde,“ erinnerte <strong>ich</strong> sie.<br />

„Und <strong>ich</strong> hab dir gesagt, dass du n<strong>ich</strong>t alles wissen willst, was <strong>ich</strong> denke.“<br />

Ah, sie dachte wie<strong>der</strong> an <strong>die</strong> Situation in <strong>der</strong> <strong>ich</strong> sie <strong>zu</strong>m Weinen gebracht hatte. Ich hatte<br />

einen Kloß im Hals vor Reue. „<strong>Das</strong> stimmt. Dennoch hast du n<strong>ich</strong>t ganz recht. Ich möchte wissen was<br />

du denkst – alles. Ich wünschte nur… dass du manchen Dinge n<strong>ich</strong>t denken würdest.“<br />

Mehr Halbwahrheiten. Ich wusste, <strong>ich</strong> sollte n<strong>ich</strong>t wollen, dass sie m<strong>ich</strong> mochte. Aber <strong>ich</strong><br />

wollte es. Natürl<strong>ich</strong> wollte <strong>ich</strong> es.<br />

„<strong>Das</strong> ist aber nun mal eine Tatsache,“ grummelte sie und <strong>war</strong>f <strong>mir</strong> einen finsteren <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong>.


„Aber darum geht es jetzt n<strong>ich</strong>t.“<br />

„Worum geht es dann?“<br />

Sie lehnte s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> herüber mit ihrer Hand um ihren Hals gelegt. <strong>Das</strong> erregte meine<br />

Aufmerksamkeit – lenkte m<strong>ich</strong> ab. Wie we<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong> <strong>die</strong>se Haut anfühlen musste…<br />

Konzentrier d<strong>ich</strong>, ermahnte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong>.<br />

„Glaubst du wirkl<strong>ich</strong>, dass du mehr für m<strong>ich</strong> empfindest als <strong>ich</strong> für d<strong>ich</strong>?“ fragte <strong>ich</strong>. Die Frage<br />

hörte s<strong>ich</strong> lächerl<strong>ich</strong> an, als ob <strong>die</strong> Worte <strong>zu</strong>sammenhanglos wären.<br />

Sie riss <strong>die</strong> Augen auf und hielt den Atem an. Dann sah sie schnell weg und atmete mit einem<br />

Keuchen weiter.<br />

„Du tust es schon wie<strong>der</strong>,“ murmelte sie.<br />

„Was?“<br />

„M<strong>ich</strong> blenden,“ gab sie <strong>zu</strong> und erwi<strong>der</strong>te vors<strong>ich</strong>tig meinen <strong>Blick</strong>.<br />

„Oh.“ Hmm. Ich <strong>war</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er, was <strong>ich</strong> dagegen tun könnte. Noch <strong>war</strong> <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> s<strong>ich</strong>er,<br />

dass <strong>ich</strong> sie n<strong>ich</strong>t blenden wollte. Ich <strong>war</strong> immer noch aufgeregt, weil <strong>ich</strong> es konnte. Aber das half <strong>der</strong><br />

Unterhaltung n<strong>ich</strong>t weiter.<br />

„Es ist n<strong>ich</strong>t deine Schuld.“ Seufzte sie. „Du kannst n<strong>ich</strong>ts dafür.“<br />

„Wirst du <strong>mir</strong> meine Frage beantworten?“ verlangte <strong>ich</strong>.<br />

Sie starrte auf den Tisch. „Ja.“<br />

<strong>Das</strong> <strong>war</strong> alles was sie sagte.<br />

„Ja, du wirst <strong>die</strong> Frage beantworten, o<strong>der</strong> ja, du glaubst es wirkl<strong>ich</strong>?“ fragte <strong>ich</strong> ungeduldig.<br />

„Ja, <strong>ich</strong> glaube es wirkl<strong>ich</strong>,“ sagte sie ohne auf<strong>zu</strong>schauen. Da <strong>war</strong> ein le<strong>ich</strong>t trauriger Unterton<br />

in ihrer Stimme. Sie errötete wie<strong>der</strong> und ihre Zähne begannen wie<strong>der</strong> ihre Lippe <strong>zu</strong> bearbeiten.<br />

Plötzl<strong>ich</strong> bemerkte <strong>ich</strong>, dass es sehr schwer für sie sein musste, das <strong>zu</strong><strong>zu</strong>geben, da sie es<br />

wirkl<strong>ich</strong> glaubte. Und <strong>ich</strong> <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t besser als <strong>die</strong>ser Feigling Mike, das <strong>ich</strong> von ihr verlangte ihre<br />

Gefühle preis<strong>zu</strong>geben bevor <strong>ich</strong> meine offenlegte. Es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> ihr durchgedrungen also musste<br />

<strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> entschuldigen.<br />

„Da liegst du falsch,“ versprach <strong>ich</strong>. Sie musste <strong>die</strong> Sanftmut in meiner Stimme hören.<br />

Bella sah <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> auf, ihre Augen <strong>war</strong>en unklar und gaben n<strong>ich</strong>ts preis. „<strong>Das</strong> kannst du n<strong>ich</strong>t<br />

wissen,“ flüsterte sie.<br />

Sie dachte, dass <strong>ich</strong> ihre Gefühle unterschätze, da <strong>ich</strong> ihre Gedanken n<strong>ich</strong>t hören konnte.<br />

Aber <strong>die</strong> Wahrheit <strong>war</strong>, dass sie meine unterschätze.<br />

„Warum denkst du das?“ wun<strong>der</strong>te <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong>.<br />

Sie starrte m<strong>ich</strong> an mit <strong>der</strong> Falte zwischen ihren Augenbrauen und kaute auf ihrer Lippe. Zum<br />

millionsten Mal wünschte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> verzweifelt, sie einfach nur hören <strong>zu</strong> können.<br />

Ich wollte sie gerade anbetteln <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> sagen mit welchen Gedanken sie gerad <strong>zu</strong> kämpfen<br />

hatte, aber sie hielt einen Finger hoch um m<strong>ich</strong> davon ab<strong>zu</strong>halten.<br />

„Lass m<strong>ich</strong> nachdenken,“ bat sie.<br />

So lange sie nur ihre Gedanken sortierte konnte <strong>ich</strong> geduldig sein.<br />

O<strong>der</strong> <strong>zu</strong>mindest so tun als ob.<br />

Sie presste ihre Hände <strong>zu</strong>sammen, verschlang ihre zarten Finger ineinan<strong>der</strong> und löste sie<br />

wie<strong>der</strong>. Sie sah auf ihre Hände, als gehörten sie <strong>zu</strong> jemand an<strong>der</strong>em, während sie sprach.<br />

„Naja, abgesehen von den offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>en Dingen,“ murmelte sie. „Manchmal… <strong>ich</strong> kann es<br />

n<strong>ich</strong>t mit S<strong>ich</strong>erheit sagen – <strong>ich</strong> weiß n<strong>ich</strong>t, wie man Gedanken liest – aber manchmal ist es so als<br />

würdest du d<strong>ich</strong> verabschieden obwohl du etwas ganz an<strong>der</strong>es sagst.“ Sie schaute n<strong>ich</strong>t auf.<br />

<strong>Das</strong> hatte sie also bemerkt. Hatte sie auch bemerkt dass es nur Schwäche und Egoismus<br />

<strong>war</strong>en <strong>die</strong> m<strong>ich</strong> hier hielten? Dachte sie deswegen schlecht von <strong>mir</strong>?


„Gut erkannt,“ hauchte <strong>ich</strong> und dann sah <strong>ich</strong> mit Entsetzen ihren schmerzerfüllten<br />

Ges<strong>ich</strong>tsausdruck. Ich beeilte m<strong>ich</strong> ihre Annahme <strong>zu</strong> wie<strong>der</strong>legen. „Aber genau deshalb liegst du<br />

falsch. Allerdings…“ Fing <strong>ich</strong> an und hielt dann inne, während <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> an <strong>die</strong> <strong>erste</strong>n Worte ihrer<br />

Erklärung erinnerte. Sie störten m<strong>ich</strong>, obwohl <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er <strong>war</strong>, dass <strong>ich</strong> sie r<strong>ich</strong>tig verstanden<br />

hatte. „Was meinst du mit den ‚offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>en Dingen‘?“<br />

„Naja, sie m<strong>ich</strong> doch mal an,“ sagte sie.<br />

Ich sah sie an. Alles was <strong>ich</strong> <strong>die</strong> ganze Zeit tat, <strong>war</strong> sie an<strong>zu</strong>sehen. Was meinte sie?<br />

„Ich bin vollkommen durchschnittl<strong>ich</strong>,“ erklärte sie. „Naja, abgesehen von den schlechten<br />

Dingen wie <strong>die</strong> ganzen Nahto<strong>der</strong>fahrungen und <strong>die</strong> Ungeschickl<strong>ich</strong>keit. Und dann sieh d<strong>ich</strong> an.“ Sie<br />

fächerte durch <strong>die</strong> Luft in meine R<strong>ich</strong>tung, als ob sie über etwas redete, dass so offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> <strong>war</strong>,<br />

dass man es n<strong>ich</strong>t aussprechen müsste.<br />

Sie dachte sie wäre durchschnittl<strong>ich</strong>? Sie dachte dass <strong>ich</strong> irgendwie besser wäre als sie? In<br />

wessen Vorstellung? Dumme, kleingeistige, blinde menschl<strong>ich</strong>e wie <strong>die</strong> von Jessica o<strong>der</strong> Ms. Cope?<br />

Wie konnte sie n<strong>ich</strong>t merken, dass sie <strong>die</strong> schönste… <strong>die</strong> herrl<strong>ich</strong>ste… Diese Worte <strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t<br />

annähernd gut genug.<br />

Sie hatte keine Ahnung.<br />

„Du siehst d<strong>ich</strong> selbst n<strong>ich</strong>t gerade klar, weißt du,“ erkläre <strong>ich</strong> ihr. „Ich gebe <strong>zu</strong>, dass du recht<br />

hast, was <strong>die</strong> schlechten Eigenschaften angeht…“ <strong>ich</strong> lachte humorlos. Ich fand das böse Schicksal das<br />

sie verfolgte n<strong>ich</strong>t amüsant. Die Ungeschickl<strong>ich</strong>keit jedoch <strong>war</strong> irgendwie witzig. Liebenswert. Würde<br />

sie <strong>mir</strong> glauben, wenn <strong>ich</strong> ihr sagte, dass sie sowohl äußerl<strong>ich</strong> als auch innerl<strong>ich</strong> schön <strong>war</strong>? Vielle<strong>ich</strong>t<br />

fand sie Untermauerungen überzeugen<strong>der</strong>. „Aber du hast n<strong>ich</strong>t gehört was jedes männl<strong>ich</strong>e Wesen<br />

hier an deinem <strong>erste</strong>n Tag gedacht hat.“<br />

Ah, <strong>die</strong> Hoffnung, <strong>die</strong> Aufregung, <strong>die</strong> Begierde <strong>die</strong>ser Gedanken. Wie schnell sie <strong>zu</strong><br />

unmögl<strong>ich</strong>en Fantasien geworden <strong>war</strong>en. Unmögl<strong>ich</strong> weil sie keinen von ihnen wollte.<br />

Ich <strong>war</strong> <strong>der</strong>jenige <strong>zu</strong> dem sie Ja gesagt hatte.<br />

Mein Lächeln muss selbstgefällig gewesen sein.<br />

Ihr Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> Ausdruckslos vor Überraschung. „<strong>Das</strong> glaube <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t,“ murmelte sie.<br />

„Vertrau <strong>mir</strong> nur <strong>die</strong>ses eine Mal – du bist das Gegenteil von durchschnittl<strong>ich</strong>.“<br />

Ihre Existenz <strong>war</strong> Grund genug <strong>die</strong> Schöpfung <strong>der</strong> Welt <strong>zu</strong> rechtfertigen.<br />

Sie <strong>war</strong> Komplimente n<strong>ich</strong>t gewöhnt, das konnte <strong>ich</strong> sehen. Wie<strong>der</strong> etwas an das sie s<strong>ich</strong><br />

würde gewöhnen müssen. Sie errötete und wechselte das Thema. „Aber <strong>ich</strong> verabschiede m<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t.“<br />

„V<strong>erste</strong>hst du denn n<strong>ich</strong>t? <strong>Das</strong> beweist doch dass <strong>ich</strong> recht habe. Ich empfinde viel mehr für<br />

d<strong>ich</strong>, denn wenn <strong>ich</strong> das tun kann…“ Würde <strong>ich</strong> je selbstlos genug sein um das R<strong>ich</strong>tige <strong>zu</strong> tun? Ich<br />

schüttelte verzweifelt meinen Kopf. Ich würde <strong>die</strong> Kraft aufbringen müssen. Sie ver<strong>die</strong>nte ein Leben.<br />

N<strong>ich</strong>t das was Alice für sie kommen sah. „Wenn es das r<strong>ich</strong>tige ist, <strong>zu</strong> gehen…“ Und es musste das<br />

R<strong>ich</strong>tige sein, o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t? Es gab keinen unbekümmerten Engel. Bella gehörte n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> <strong>mir</strong>. „Dann<br />

würde <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> selbst Schmerzen <strong>zu</strong>fügen um dir keine <strong>zu</strong> bereiten, damit du s<strong>ich</strong>er bist.“<br />

Als <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Worte aussprach wünschte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> dass sie wahr wären.<br />

Sie <strong>war</strong>f <strong>mir</strong> einen wütenden <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong>. Irgendwie hatten meine Worte sie verärgert. „Und du<br />

glaubst n<strong>ich</strong>t, dass <strong>ich</strong> das selbe tun würde?“ fragte sie zornig.<br />

So wütend – so zart und so zerbrechl<strong>ich</strong>. Wie könnte sie jemanden verletzen? „Du würdest<br />

<strong>die</strong>se Wahl nie treffen müssen,“ erklärte <strong>ich</strong> ihr, erneut deprimiert von dem großen Unterschied<br />

zwischen uns.<br />

Sie starrte m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> an und Überzeugung ersetzte den Ärger in ihren Augen und betonte<br />

<strong>die</strong> Falte zwischen ihnen.


Da musste wirkl<strong>ich</strong> etwas absolut falsch sein im Universum wenn jemand so Gutes und so<br />

Zerbrechl<strong>ich</strong>es keinen Schutzengel ver<strong>die</strong>nte, <strong>der</strong> sie vor Unheil bewahrte.<br />

Naja, dachte <strong>ich</strong> mit sch<strong>war</strong>zem Humor, immerhin hat sie einen Schutz-Vampir.<br />

Ich lächelte. Wie sehr <strong>ich</strong> meine Ausrede <strong>zu</strong> bleiben liebte. „Natürl<strong>ich</strong> ist d<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> schützen ein<br />

Full-Time-Job, <strong>der</strong> meine ständige Anwesenheit erfor<strong>der</strong>t.“<br />

Sie lächelte auch. „Heute hat noch keiner versucht m<strong>ich</strong> um<strong>zu</strong>bringen,“ sagte sie le<strong>ich</strong>thin<br />

und dann sah ihr Ges<strong>ich</strong>t für eine halbe Sekunde wie<strong>der</strong> nachdenkl<strong>ich</strong> aus bevor ihre Augen wie<strong>der</strong><br />

unklar wurden.<br />

„Noch,“ fügte <strong>ich</strong> trocken hin<strong>zu</strong>.<br />

„Noch,“ stimmte sie <strong>zu</strong> meiner Überraschung <strong>zu</strong>. Ich hätte gedacht, dass sie es ablehnen<br />

würde, Schutz <strong>zu</strong> benötigen.<br />

Wie konnte er nur? Dieser Egoistische Esel! Wie konnte er uns das antun? Rosalies stechen<strong>der</strong><br />

mentaler Aufschrei brach durch meine Konzentration.<br />

„Beruhig d<strong>ich</strong>, Rose,“ hörte <strong>ich</strong> Emmett am an<strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong> Cafeteria flüstern. Sein Arm lag<br />

auf ihren Schultern und presste sie fest an seiner Seite – hielt sie <strong>zu</strong>rück.<br />

Tut <strong>mir</strong> leid Ed<strong>war</strong>d, dachte Alice schuldbewusst. Sie konnte s<strong>ich</strong> denken, dass Bella <strong>zu</strong> viel<br />

wusste wegen eurer Unterhaltung… und, naja, es wäre schlimmer gewesen, wenn <strong>ich</strong> ihr n<strong>ich</strong>t sofort<br />

<strong>die</strong> Wahrheit gesagt hätte. <strong>Das</strong> kannst du <strong>mir</strong> glauben.<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte <strong>zu</strong>sammen bei <strong>der</strong> Vision <strong>die</strong> folgte, was passiert wäre, wenn <strong>ich</strong> Rosalie <strong>zu</strong> Hause<br />

erzählt hätte, dass Bella wusste, dass <strong>ich</strong> ein Vampir <strong>war</strong>, wo Rosalie <strong>die</strong> Fassade n<strong>ich</strong>t aufrecht<br />

erhalten musste. Ich würde meinen Aston Martin außerhalb <strong>der</strong> Staatsgrenze v<strong>erste</strong>cken müssen,<br />

wenn Rosalie s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t beruhigt hatte, bis <strong>die</strong> Schule vorbei <strong>war</strong>. Die Vorstellung von meinem<br />

Lieblingsauto, zerquetscht und brennend, <strong>war</strong> nie<strong>der</strong>schmetternd – trotzdem wusste <strong>ich</strong>, dass <strong>ich</strong> <strong>die</strong><br />

Strafe ver<strong>die</strong>nte.<br />

Jasper <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t viel glückl<strong>ich</strong>er.<br />

Ich würde m<strong>ich</strong> später um <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en kümmern. Ich hatte nur begrenzte Zeit um mit Bella<br />

allein <strong>zu</strong> sein und <strong>die</strong> wollte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t verschwenden. Und Alice <strong>zu</strong> hören hatte m<strong>ich</strong> daran erinnert,<br />

dass <strong>ich</strong> noch etwas <strong>zu</strong> klären hatte.<br />

„Ich hab noch eine Frage an d<strong>ich</strong>,“ sagte <strong>ich</strong> und blendete Rosalies mentalen Hysterie Anfall<br />

aus.<br />

„Schieß los,“ sagte Bella lächelnd.<br />

„Musst du <strong>die</strong>ses Wochenende wirkl<strong>ich</strong> nach Seattle o<strong>der</strong> <strong>war</strong> das nur eine Ausrede um<br />

deinen ganzen Verehrern <strong>zu</strong> entkommen?“<br />

Sie schnitt <strong>mir</strong> eine Grimasse. „Du weißt, dass <strong>ich</strong> dir <strong>die</strong> Sache mit Tyler noch n<strong>ich</strong>t verziehen<br />

habe. Es ist deine Schuld, dass er denkt <strong>ich</strong> würde mit ihm <strong>zu</strong>m Abschlussball gehen.“<br />

„Oh, er hätte auch ohne m<strong>ich</strong> eine Mögl<strong>ich</strong>keit gefunden d<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> fragen – <strong>ich</strong> wollte einfach<br />

nur dein Ges<strong>ich</strong>t sehen.“<br />

Ich lachte bei <strong>der</strong> Erinnerung an ihren entgeisterten Ausdruck. Keine von den dunklen<br />

Wahrheiten <strong>die</strong> <strong>ich</strong> ihr über m<strong>ich</strong> preisgegeben habe, hat sie je so entsetzt gucken lassen. Die<br />

Wahrheit machte ihr keine Angst. Sie wollte mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>sammen sein. Verblüffend.<br />

„Wenn <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> gefragt hätte, hättest du m<strong>ich</strong> auch <strong>zu</strong>rückgewiesen?“<br />

„Vermutl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t,“ sagte sie. „Aber <strong>ich</strong> hätte dir später abgesagt – hätte eine Krankheit o<strong>der</strong><br />

einen gebrochenen Knöchel vorgetäuscht.“<br />

Wie seltsam. „Warum solltest du so etwas tun?“


Sie schüttelte ihren Kopf als wenn sie enttäuscht wäre, dass <strong>ich</strong> es n<strong>ich</strong>t sofort verstand. „Du<br />

hast m<strong>ich</strong> noch nie in Sport gesehen, vermute <strong>ich</strong>, aber <strong>ich</strong> hätte gedacht, dass du es trotzdem<br />

v<strong>erste</strong>hen würdest.“<br />

Ah. „Beziehst du d<strong>ich</strong> auf <strong>die</strong> Tatsache, dass du n<strong>ich</strong>t über eine glatte, ebene Fläche laufen<br />

kannst ohne etwas <strong>zu</strong> finden worüber du stolpern kannst?“<br />

„Offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>.“<br />

„<strong>Das</strong> wäre kein Problem. Es kommt nur auf <strong>die</strong> Führung an.“<br />

Für den Bruchteil einer Sekunde <strong>war</strong> <strong>ich</strong> überwältigt von <strong>der</strong> Vorstellung sie beim Tanzen in<br />

meinen Armen <strong>zu</strong> halten – wo sie mit S<strong>ich</strong>erheit etwas Schöneres und Ansprechen<strong>der</strong>es tragen<br />

würde, als <strong>die</strong>sen hässl<strong>ich</strong>en Pullover.<br />

Mit absoluter Klarheit erinnerte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> daran wie s<strong>ich</strong> ihr Körper unter <strong>mir</strong> angefühlt hatte,<br />

als <strong>ich</strong> sie vor dem heran rutschenden Van gerettet hatte. Noch stärker als an <strong>die</strong> Panik, o<strong>der</strong> <strong>die</strong><br />

Verzweiflung o<strong>der</strong> den Ärger, erinnerte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> an <strong>die</strong>ses Gefühl. Sie <strong>war</strong> so <strong>war</strong>m und we<strong>ich</strong><br />

gewesen und hatte s<strong>ich</strong> so le<strong>ich</strong>t an meinen steinernen Körper angepasst…<br />

Ich riss m<strong>ich</strong> von <strong>die</strong>ser Erinnerung los.<br />

„Aber du hast <strong>mir</strong> noch n<strong>ich</strong>t gesagt…“ sagte <strong>ich</strong> schnell um sie davon ab<strong>zu</strong>halten mit <strong>mir</strong><br />

über ihre Ungeschickl<strong>ich</strong>keit <strong>zu</strong> diskutieren, was sie scheinbar vor hatte. „Musst du unbedingt nach<br />

Seattle o<strong>der</strong> können wir auch was an<strong>der</strong>es machen?“<br />

Unaufr<strong>ich</strong>tig – ihr <strong>die</strong> Wahl überlassen ohne ihr <strong>die</strong> Mögl<strong>ich</strong>keit ein<strong>zu</strong>räumen den Tag ohne<br />

m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> verbringen. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> fair von <strong>mir</strong>. Aber <strong>ich</strong> hatte ihr letzte Nacht etwas<br />

versprochen… und <strong>mir</strong> gefiel <strong>die</strong> Idee <strong>die</strong>sen Versprechen <strong>zu</strong> halten – fast so sehr wie <strong>die</strong>se Idee m<strong>ich</strong><br />

ängstigte.<br />

Die Sonne würde am Samstag scheinen. Ich könnte ihr mein wahres Ich zeigen, wenn <strong>ich</strong><br />

stark genug wäre ihr Entsetzen und ihren Ekel <strong>zu</strong> ertragen. Ich kannte den perfekten Ort um ein<br />

solches Risiko ein<strong>zu</strong>gehen.<br />

„Ich bin offen für Vorschläge,“ sagte Bella. „Aber <strong>ich</strong> muss d<strong>ich</strong> um einen Gefallen bitten.“<br />

Ein eingeschränktes Ja. Was könnte sie von <strong>mir</strong> wollen?<br />

„Was?“<br />

„Kann <strong>ich</strong> fahren?“<br />

War das ihre Vorstellung von Humor? „Warum?“<br />

„Naja, hauptsächl<strong>ich</strong> weil, als <strong>ich</strong> Charlie erzählt habe, dass <strong>ich</strong> nach Seattle fahre, hat er m<strong>ich</strong><br />

explizit gefragt ob <strong>ich</strong> alleine fahre und <strong>zu</strong> dem Zeitpunkt <strong>war</strong> das noch so. Wenn er noch mal fragt,<br />

würde <strong>ich</strong> vermutl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t lügen, aber <strong>ich</strong> denke n<strong>ich</strong>t, dass er noch mal fragen wird und wenn <strong>ich</strong><br />

den Truck <strong>zu</strong> Hause lasse würde es das Thema unnötigerweise <strong>zu</strong>r Sprache bringen. Und außerdem<br />

macht <strong>mir</strong> dein Fahrstil angst.“<br />

Ich verdrehte meine Augen. „Bei all den Dingen <strong>die</strong> dir an <strong>mir</strong> Angst einjagen könnten,<br />

machst du dir Sorgen um meinen Fahrstil.“ Ihr Gehirn funktionierte auf jeden Fall verkehrtherum. Ich<br />

schüttelte empört meinen Kopf.<br />

Ed<strong>war</strong>d, rief Alice drängend.<br />

Plötzl<strong>ich</strong> starrte <strong>ich</strong> auf einen hellen Kreis aus Sonnenl<strong>ich</strong>t, <strong>der</strong> in einer von Alices Visionen<br />

erschienen <strong>war</strong>.<br />

Es <strong>war</strong> ein Ort den <strong>ich</strong> sehr gut kannte, <strong>der</strong> Ort an den <strong>ich</strong> Bella mit hin nehmen wollte – eine<br />

kleine L<strong>ich</strong>tung wo niemand außer <strong>mir</strong> je hinging. Ein ruhiger, schöner Ort an dem <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> darauf<br />

verlassen konnte, allein <strong>zu</strong> sein – weit genug weg von jedem Pfad o<strong>der</strong> menschl<strong>ich</strong>en Lebens, dass<br />

sogar mein Geist Ruhe und Frieden hatte.


Alice erinnerte s<strong>ich</strong> auch an <strong>die</strong>sen Ort, denn sie hatte m<strong>ich</strong> dort vor n<strong>ich</strong>t all<strong>zu</strong> langer zeit in<br />

einer an<strong>der</strong>en Vision gesehen – eine <strong>die</strong>ser flackernden unsteten Visionen <strong>die</strong> Alice <strong>mir</strong> an dem<br />

Morgen gezeigt hatte, als <strong>ich</strong> Bella vor dem Van gerettet hatte.<br />

In <strong>die</strong>ser flackernden Vision <strong>war</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t allein gewesen. Und jetzt <strong>war</strong> sie klar – Bella <strong>war</strong><br />

mit <strong>mir</strong> dort. Also <strong>war</strong> <strong>ich</strong> mutig genug. Sie starrte m<strong>ich</strong> an, Regenbogen tanzten auf ihrem Ges<strong>ich</strong>t,<br />

ihre Augen <strong>war</strong>en unergründl<strong>ich</strong>.<br />

Es ist <strong>der</strong>selbe Ort, dachte Alice voller Entsetzen, das n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Vision passte. Anspannung<br />

vielle<strong>ich</strong>t aber Entsetzen? Was meinte sie mit <strong>der</strong>selbe Ort?<br />

Und dann sah <strong>ich</strong> es.<br />

Ed<strong>war</strong>d! Alice protestierte schrill. Ich liebe sie, Ed<strong>war</strong>d!<br />

Ich blendete sie verärgert aus.<br />

Sie liebte Bella n<strong>ich</strong>t so wie <strong>ich</strong> sie liebte. Ihre Vision <strong>war</strong> unmögl<strong>ich</strong>. Falsch. Sie <strong>war</strong><br />

irgendwie geblendet, sah unmögl<strong>ich</strong>e Dinge.<br />

N<strong>ich</strong>t mal eine halbe Sekunde <strong>war</strong> vergangen. Bella sah m<strong>ich</strong> neugierig an und <strong>war</strong>tete<br />

darauf, dass <strong>ich</strong> ihrer Bitte nachgab. Hatte sie den kurzen Anflug von Wi<strong>der</strong>willen gesehen o<strong>der</strong> ging<br />

es <strong>zu</strong> schnell für sie?<br />

Ich konzentrierte m<strong>ich</strong> auf sie und unsere Unterhaltung und verbannte Alice und ihre<br />

fehlerhaften, lügenden Visionen aus meinen Gedanken. Sie ver<strong>die</strong>nten meine Aufmerksamkeit n<strong>ich</strong>t.<br />

Trotzdem <strong>war</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage den spielerischen Ton unserer Unterhaltung<br />

aufrecht<strong>zu</strong>erhalten.<br />

„Willst du deinem Vater n<strong>ich</strong>t erzählen, dass du den Tag mit <strong>mir</strong> verbringst?“ fragte <strong>ich</strong> mit<br />

einem düsteren Unterton in <strong>der</strong> Stimme.<br />

Ich kämpfte gegen <strong>die</strong> Vision und versuchte sie noch weiter weg <strong>zu</strong> schieben um sie davon<br />

ab<strong>zu</strong>halten durch meinen Kopf <strong>zu</strong> flackern.<br />

„Mit Charlie ist weniger meistens mehr,“ sagte Bella voller Überzeugung. „Wo gehen wir<br />

denn überhaupt hin?“<br />

Alice hatte unrecht. Vollkommen unrecht. Es <strong>war</strong> einfach n<strong>ich</strong>t mögl<strong>ich</strong> dass das passieren<br />

würde. Außerdem <strong>war</strong> es eine alte Vision, gebrechl<strong>ich</strong>. Die Dinge hatten s<strong>ich</strong> geän<strong>der</strong>t.<br />

„<strong>Das</strong> Wetter wird schön sein,“ erkläre <strong>ich</strong> ihr langsam und bekämpfte <strong>die</strong> Angst und <strong>die</strong><br />

Uns<strong>ich</strong>erheit. Alice hatte unrecht. Ich würde so tun als ob <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts gehört und gesehen hätte. „Also<br />

werde <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> aus <strong>der</strong> Öffentl<strong>ich</strong>keit fern halten… und du kannst bei <strong>mir</strong> bleiben wenn du<br />

möchtest.“<br />

Bella verstand sofort was <strong>ich</strong> meinte; ihre Augen strahlten er<strong>war</strong>tungsvoll. „Und dann zeigst<br />

du <strong>mir</strong> was du meintest wegen <strong>der</strong> Sonne?“<br />

Vielle<strong>ich</strong>t, wie schon so viele Male <strong>zu</strong>vor, würde ihre Reaktion das genaue Gegenteil sein von<br />

dem was <strong>ich</strong> vermutete. Ich lächelte bei <strong>die</strong>ser Vorstellung und bemühte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> den schöneren<br />

Gedanken <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> kommen. „Ja. Aber…“ Sie hatte noch n<strong>ich</strong>t Ja gesagt. „Wenn du n<strong>ich</strong>t… mit <strong>mir</strong><br />

allein sein möchtest, wäre es <strong>mir</strong> dennoch lieber, wenn du n<strong>ich</strong>t allein nach Seattle gehen würdest.<br />

Ich fühle m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t wohl bei <strong>der</strong> Vorstellung, was dir in einer Stadt <strong>die</strong>ser Größe alles passieren<br />

könnte.“<br />

Sie presste ihre Lippen aufeinan<strong>der</strong>; sie <strong>war</strong> beleidigt.<br />

„Phoenix ist dreimal so groß wie Seattle – allein schon von <strong>der</strong> Bevölkerung her. Die<br />

eigentl<strong>ich</strong>e Größe…“<br />

„Aber scheinbar <strong>war</strong>en deine Tage noch n<strong>ich</strong>t gezählt in Phoenix,“ sagte <strong>ich</strong> und unterbrach<br />

ihre Rechtfertigungen. „Also wäre es <strong>mir</strong> lieber, wenn du bei <strong>mir</strong> wärst.“<br />

Sie könnte für immer bleiben und es wäre n<strong>ich</strong>t lange genug.


So sollte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t denken. Wir hatten kein Für Immer. Die vergehenden Sekunden zählten<br />

mehr als je <strong>zu</strong>vor; jede Sekunde verän<strong>der</strong>te sie während <strong>ich</strong> unberührt blieb.<br />

„Wenn das so ist, habe <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts dagegen mit dir allein <strong>zu</strong> sein,“ sagte sie.<br />

Nein – weil ihre Instinkte verkehrtherum <strong>war</strong>en.<br />

„Ich weiß,“ seufzte <strong>ich</strong>. „dennoch könntest du es Charlie erzählen.“<br />

„Warum um alles in <strong>der</strong> Welt sollte <strong>ich</strong> das tun?“ fragte sie und klang entsetzt.<br />

Ich <strong>war</strong>f ihr einen finsteren <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong>, <strong>die</strong> Visionen <strong>die</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t gerade erfolgre<strong>ich</strong> <strong>zu</strong><br />

unterdrücken versuchte schwirrten durch meinen Kopf.<br />

„Um <strong>mir</strong> einen Grund <strong>zu</strong> geben, d<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> bringen,“ zischte <strong>ich</strong>. So viel musste sie <strong>mir</strong><br />

<strong>zu</strong>gestehen – einen Zeugen <strong>der</strong> m<strong>ich</strong> da<strong>zu</strong> zwang, vors<strong>ich</strong>tig <strong>zu</strong> sein.<br />

Warum hatte Alice <strong>mir</strong> <strong>die</strong>ses Wissen aufgezwungen?<br />

Bella schluckte laut und starrte m<strong>ich</strong> lange an. Was sah sie?<br />

„Ich denke <strong>ich</strong> lasse es darauf ankommen,“ sagte sie.<br />

Ugh! War es ein beson<strong>der</strong>er Kick für sie ihr Leben <strong>zu</strong> riskieren? Ein Adrenalinstoß den sie<br />

herbeisehnte?<br />

Ich schielte <strong>zu</strong> Alice <strong>die</strong> meinen <strong>Blick</strong> <strong>war</strong>nend erwi<strong>der</strong>te. Neben ihr starrte Rosalie finster vor<br />

s<strong>ich</strong> hin, aber das hätte m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t weniger kümmern können. Sollte sie doch den Wagen zerstören.<br />

Es <strong>war</strong> bloß ein Spielzeug.<br />

„Lass uns über etwas an<strong>der</strong>es reden,“ schlug Bella vor.<br />

Ich sah sie wie<strong>der</strong> an und wun<strong>der</strong>te m<strong>ich</strong> wie sie so Blind sein konnte gegenüber den Dingen<br />

auf <strong>die</strong> es wirkl<strong>ich</strong> ankam. Warum konnte sie n<strong>ich</strong>t das Monster sehen, das <strong>ich</strong> <strong>war</strong>?<br />

„Worüber möchtest du denn reden?“<br />

Sie blickte erst nach links und dann nach rechts als ob sie s<strong>ich</strong> davon überzeugen wollte, dass<br />

uns niemand <strong>zu</strong>hörte. Sie wollte anscheinend ein weiteres Mythenbehaftetes Thema ansprechen.<br />

Ihre Augen erstarrten kurz und ihr Körper v<strong>erste</strong>ifte s<strong>ich</strong>, dann wandte sie ihren <strong>Blick</strong> wie<strong>der</strong> <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>.<br />

„Warum seid ihr letztes Wochenende <strong>zu</strong> den Goat Rocks gefahren… um <strong>zu</strong> jagen? Charlie<br />

sagte es wäre kein guter Platz <strong>zu</strong>m campen, wegen den Bären.“<br />

So blind. Ich erwi<strong>der</strong>te ihren <strong>Blick</strong> und hob eine Augenbraue.<br />

„Bären?“ japste sie.<br />

Ich lächelte ironisch während <strong>ich</strong> beobachtete wie sie <strong>die</strong>se Information sacken ließ. Würde<br />

sie das da<strong>zu</strong> veranlassen m<strong>ich</strong> endl<strong>ich</strong> ernst <strong>zu</strong> neben? Würde irgendetwas sie da<strong>zu</strong> veranlassen?<br />

Sie riss s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>sammen. „Du weißt, dass keine Bärensaison ist,“ sagte sie streng und<br />

verengte ihre Augen.<br />

„Wenn du r<strong>ich</strong>tig lesen würdest, wüsstest du, dass das nur <strong>die</strong> Jagd mit Waffen betrifft.“<br />

Sie verlor für einen kurzen Moment <strong>die</strong> Kontrolle über ihr Ges<strong>ich</strong>t. Ihr Mund klappte auf.<br />

„Bären?“ sagte sie wie<strong>der</strong>, eine zaghafte Frage <strong>die</strong>smal, kein erschrockenes Japsen.<br />

„Grizzlybären mag Emmett am liebsten.“<br />

Wie<strong>der</strong> beobachtete <strong>ich</strong> wie sie <strong>die</strong>se Information schluckte.<br />

„Hmm,“ murmelte sie. Sie nahm einen weitern Bissen Pizza und senkte den <strong>Blick</strong>. Sie kaute<br />

bedächtig und nahm einen Schluck Limonade.<br />

„Also,“ sagte sie und schaute wie<strong>der</strong> auf. „Was magst du am liebsten?“<br />

Ich vermute <strong>ich</strong> hätte mit sowas in <strong>der</strong> Art rechnen müssen, aber das hatte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t. Bella<br />

<strong>war</strong> letztendl<strong>ich</strong> doch immer überraschend.<br />

„Puma,“ antwortete <strong>ich</strong> schroff.<br />

„Ah,“ sagte sie in neutralem Tonfall. Ihr Herzschlag <strong>war</strong> normal und gle<strong>ich</strong>mäßig, als ob wir<br />

uns über ein Lieblingsrestaurant unterhalten würden.


Na gut. Wenn sie so tun wollte, als wäre das n<strong>ich</strong>ts Ungewöhnl<strong>ich</strong>es…<br />

„Natürl<strong>ich</strong> müssen wir darauf achten, dass wir <strong>die</strong> Umwelt n<strong>ich</strong>t schädigen indem wir<br />

unüberlegt jagen.“ Erklärte <strong>ich</strong> ihr, meine Stimme abgeklärt und nüchtern. „Wir konzentrieren uns<br />

auf Gebiete mit einer Überpopulation von Raubtieren – so weiträumig wie mögl<strong>ich</strong>. Hier gibt es<br />

immer genug Rehe und Hirsche, aber wo bleibt da <strong>der</strong> Spaß?“<br />

Sie hörte <strong>mir</strong> mit höfl<strong>ich</strong>em, interessiertem Ges<strong>ich</strong>tsausdruck <strong>zu</strong>, als wenn <strong>ich</strong> ein Lehrer wär,<br />

<strong>der</strong> einen Vortrag hielt. Ich musste lächeln.<br />

„Oh natürl<strong>ich</strong>,“ murmelte sie lässig und nahm wie<strong>der</strong> ein bisschen Pizza.<br />

„Anfang Frühling ist Emmetts Lieblings Bärensaison,“ sagte <strong>ich</strong> und fuhr mit meinem Vortrag<br />

fort. „Sie wachen dann gerade erst aus ihrem Winterschlaf auf und sind dann sehr le<strong>ich</strong>t reizbar.“<br />

Siebzig Jahre später und er <strong>war</strong> immer noch n<strong>ich</strong>t darüber hinweg gekommen <strong>die</strong>sen <strong>erste</strong>n<br />

Kampf verloren <strong>zu</strong> haben.<br />

„Es gibt doch n<strong>ich</strong>ts schöneres als einen wütenden Grizzlybären,“ stimmte Bella <strong>zu</strong> und nickte<br />

feierl<strong>ich</strong>.<br />

Ich konnte ein Lachen n<strong>ich</strong>t unterdrücken als <strong>ich</strong> den Kopf schüttelte über ihre unlogische<br />

Ruhe. Es musste <strong>zu</strong>r Sprache gebracht werden. „Sag <strong>mir</strong> bitte, was du wirkl<strong>ich</strong> denkst.“<br />

„Ich versuche es <strong>mir</strong> vor<strong>zu</strong>stellen – aber <strong>ich</strong> kann es n<strong>ich</strong>t,” sagte sie und <strong>die</strong> Falte zwischen<br />

ihren Augen tauchte wie<strong>der</strong> auf. „Wie jagt man denn einen Bären ohne Waffen?“<br />

„Oh, wir haben Waffen,“ erklärte <strong>ich</strong> ihr und schenkte ihr ein sehr breites Lächeln. Ich<br />

rechnete damit, dass sie <strong>zu</strong>rückschrecken würde, aber sie <strong>war</strong> sehr ruhig und beobachtete m<strong>ich</strong>.<br />

„Nur n<strong>ich</strong>t solche, wie sie sie in den Jagdgesetzen beschreiben. Wenn du jemals im Fernsehen<br />

gesehen hast, wie ein Bär angreift, solltest du dir Emmett beim jagen vorstellen können.“<br />

Sie <strong>war</strong>f einen <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong> dem Tisch hinüber an dem <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en saßen und schau<strong>der</strong>te.<br />

Endl<strong>ich</strong>. Und dann lachte <strong>ich</strong> über m<strong>ich</strong> selbst, denn ein Teil von <strong>mir</strong> wünschte s<strong>ich</strong> sie würde<br />

so blind bleiben.<br />

Ihre dunklen Augen <strong>war</strong>en nun groß und tief als sie m<strong>ich</strong> ansah. „Bist du auch wie ein Bär?“<br />

fragte sie fast flüsternd.<br />

„Mehr wie ein Puma, das sagen jedenfalls <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en,“ erklärte <strong>ich</strong> ihr und versuchte<br />

wie<strong>der</strong> abgeklärt <strong>zu</strong> klingen. „Vielle<strong>ich</strong>t sind unsere Vorlieben beze<strong>ich</strong>nend.“<br />

Ihre Mundwinkel hoben s<strong>ich</strong> ein wenig. „Vielle<strong>ich</strong>t,“ wie<strong>der</strong>holte sie. Und dann legte sie den<br />

Kopf <strong>zu</strong>r Seite und <strong>die</strong> Neugierde stand ihr ins Ges<strong>ich</strong>t geschrieben. „Werde <strong>ich</strong> das irgendwann mal<br />

sehen können?“<br />

Ich brauchte keine Bil<strong>der</strong> von Alice um <strong>mir</strong> ausmalen <strong>zu</strong> können wie schreckl<strong>ich</strong> das wäre –<br />

meine Vorstellungskraft <strong>war</strong> gut genug.<br />

„Auf keinen Fall,“ schnaubte <strong>ich</strong>.<br />

Sie <strong>zu</strong>ckte vor <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>rück, ihre Augen verwirrt und verängstigt.<br />

Ich lehnte m<strong>ich</strong> ebenfalls <strong>zu</strong>rück, wollte etwas Raum zwischen uns bringen. <strong>Das</strong> würde sie<br />

niemals sehen, o<strong>der</strong>? Sie würde n<strong>ich</strong>ts tun, was <strong>mir</strong> helfen könnte sie am Leben <strong>zu</strong> lassen.<br />

„Zu beängstigend für m<strong>ich</strong>?“ fragte sie mit gle<strong>ich</strong>mäßiger Stimme. Ihr Herz schlug immer<br />

noch doppelt so schnell.<br />

„Wenn es das wäre, würde <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> sofort mitnehmen,“ gab <strong>ich</strong> durch meine<br />

<strong>zu</strong>sammengepressten Zähen <strong>zu</strong>rück. „Du könntest eine gesunde Portion Angst gut vertragen. N<strong>ich</strong>ts<br />

könnte heilsamer für d<strong>ich</strong> sein.“<br />

„Warum dann?“ verlangte sie ungehin<strong>der</strong>t.<br />

Ich starrte sie düster an und <strong>war</strong>tete darauf, dass sie angst bekommen würde. Ich hatte<br />

Angst. Ich konnte es <strong>mir</strong> nur <strong>zu</strong> gut vorstellen wie es wäre Bella bei <strong>der</strong> Jagd bei <strong>mir</strong> <strong>zu</strong> haben…


Ihre Augen blieben neugierig, ungeduldig, n<strong>ich</strong>ts weiter. Sie gab n<strong>ich</strong>t auf und <strong>war</strong>tete auf<br />

ihre Antwort.<br />

Aber unsere Stunde <strong>war</strong> um.<br />

„Später,“ schnappte <strong>ich</strong> und erhob m<strong>ich</strong>. „Wir kommen sonst <strong>zu</strong> spät.“<br />

Sie sah s<strong>ich</strong> verwirrt um, als wenn sie vergessen hätte, dass wir beim Mittagessen saßen. Als<br />

ob sie sogar vergessen hätte, dass wir in <strong>der</strong> Schule <strong>war</strong>en – überrascht, dass wir n<strong>ich</strong>t irgendwo<br />

allein <strong>war</strong>en. Ich verstand <strong>die</strong>ses Gefühl nur <strong>zu</strong> gut. Es <strong>war</strong> schwer den Rest <strong>der</strong> Welt wahr<strong>zu</strong>nehmen,<br />

wenn <strong>ich</strong> mit ihr <strong>zu</strong>sammen <strong>war</strong>.<br />

Sie stand schnell auf und <strong>war</strong>f ihre Tasche über <strong>die</strong> Schulter.<br />

„Dann also später,“ sagte sie und <strong>ich</strong> konnte <strong>die</strong> Entschlossenheit in ihrem Ges<strong>ich</strong>t sehen. Sie<br />

würde m<strong>ich</strong> darauf festnageln.


11. Komplikationen<br />

Bella und <strong>ich</strong> gingen schweigend <strong>zu</strong> Biologie. Ich versuchte m<strong>ich</strong> auf den Moment <strong>zu</strong> konzentrieren,<br />

auf das Mädchen neben <strong>mir</strong>, auf alles was real und solide <strong>war</strong>, auf alles, was Alices hinterlistige,<br />

unbedeutende Visionen aus meinen Kopf vertreiben konnte.<br />

Wir gingen an Angela Weber vorbei <strong>die</strong> auf dem Gehweg mit einem Jungen aus ihrem<br />

Mathekurs sprach. Ich überflog flüchtig ihre Gedanken und er<strong>war</strong>tete eine weitere Enttäuschung nur<br />

um von ihrem sehnsüchtigen Ton überrascht <strong>zu</strong> werden.<br />

Ah, also gab es doch etwas, das Angela wollte. Unglückl<strong>ich</strong>erweise <strong>war</strong> es n<strong>ich</strong>ts dass einfach<br />

so in Geschenkpapier eingepackt werden konnte.<br />

Ich fühlte m<strong>ich</strong> auf einmal seltsam wohl, als <strong>ich</strong> Angelas hoffnungsloses Verlangen hörte. Ein<br />

Anflug von Seelenverwandtschaft, von dem Angela nie etwas erfahren würde, durchfuhr m<strong>ich</strong> und<br />

<strong>ich</strong> <strong>war</strong> für <strong>die</strong>se Sekunde eins mit dem freundl<strong>ich</strong>en Menschenmädchen.<br />

Es <strong>war</strong> seltsam tröstend <strong>zu</strong> wissen, dass <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> einzige <strong>war</strong>, <strong>der</strong> eine tragische<br />

Liebesgesch<strong>ich</strong>te durchlebte. Herzschmerz <strong>war</strong> überall.<br />

In <strong>der</strong> nächsten Sekunde <strong>war</strong> <strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong> verärgert. Denn Angelas Gesch<strong>ich</strong>te musste n<strong>ich</strong>t<br />

tragisch sein. Sie <strong>war</strong> ein Mensch und er <strong>war</strong> ein Mensch und <strong>der</strong> Unterschied, <strong>der</strong> in ihrem Kopf so<br />

unüberbrückbar schien, <strong>war</strong> lächerl<strong>ich</strong> im Vergle<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> meiner Situation. Es gab keinen Grund für ihr<br />

gebrochenes Herz. Was für eine verschwendete Trauer, wenn es keinen einleuchtenden Grund dafür<br />

gab, dass sie n<strong>ich</strong>t mit dem <strong>zu</strong>sammen <strong>war</strong>, den sie wollte. Warum sollte sie n<strong>ich</strong>t haben können was<br />

sie wollte? Warum sollte <strong>die</strong>se eine Gesch<strong>ich</strong>te kein Happy End haben?<br />

Ich wollte ihr ein Geschenk machen… Also würde <strong>ich</strong> ihr geben, was sie wollte. Da <strong>ich</strong> wusste,<br />

wie <strong>ich</strong> auf Menschen wirkte, sollte das n<strong>ich</strong>t all<strong>zu</strong> schwer werden. Ich streifte das Bewusstsein des<br />

Jungen neben ihr, dem Objekt ihrer Begierde, und er schien n<strong>ich</strong>t uninteressiert <strong>zu</strong> sein, er stand nur<br />

vor dem gle<strong>ich</strong>en Hin<strong>der</strong>nis wie sie. Hoffnungslos ergeben, so wie sie <strong>war</strong>.<br />

Alles was <strong>ich</strong> tun musste, <strong>war</strong> eine Andeutung machen…<br />

Der Plan schmiedete s<strong>ich</strong> le<strong>ich</strong>t, das Drehbuch schrieb s<strong>ich</strong> von selbst ohne dass <strong>ich</strong> groß<br />

etwas da<strong>zu</strong> beitragen musste. Ich würde Emmetts Hilfe benötigen – ihn da<strong>zu</strong> <strong>zu</strong> bringen <strong>war</strong> <strong>die</strong><br />

einzige Schwierigkeit. Die Menschl<strong>ich</strong>e Natur <strong>war</strong> so einfach <strong>zu</strong> manipulieren im Gegensatz <strong>zu</strong> <strong>der</strong><br />

eines Vampirs.<br />

Ich <strong>war</strong> <strong>zu</strong>frieden mit meiner Lösung, mit meinem Geschenk für Angela. Es <strong>war</strong> eine nette<br />

Ablenkung von meinen eigenen Problemen. Würden meine doch auch so le<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> regeln sein.<br />

Meine Laune hatte s<strong>ich</strong> le<strong>ich</strong>t verbessert als Bella und <strong>ich</strong> uns auf unsere Plätze setzten.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t sollte <strong>ich</strong> etwas positiver denken. Vielle<strong>ich</strong>t gab es irgendwo da draußen auch eine Lösung<br />

für uns <strong>die</strong> s<strong>ich</strong> meinem <strong>Blick</strong> entzog so wie Angelas offens<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>e Lösung für sie n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> sehen <strong>war</strong>.<br />

Wahrscheinl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t... Aber <strong>war</strong>um Zeit mit Hoffnungslosigkeit verschwenden? Ich hatte keine Zeit<br />

<strong>zu</strong>m Verschwenden wenn es um Bella ging. Jede Sekunde zählte.<br />

Mr. Banner betrat den Raum und schob einen alten Fernseher und einen Videorekor<strong>der</strong> vor<br />

s<strong>ich</strong> her. Er behandelte ein Thema, dass ihn n<strong>ich</strong>t beson<strong>der</strong>s interessierte – genetische<br />

Fehlfunktionen – indem er <strong>die</strong> nächsten drei Unterr<strong>ich</strong>tsstunden eine Film zeigte. Lorenzos Öl <strong>war</strong><br />

kein beson<strong>der</strong>s heiterer Film, aber das störte <strong>die</strong> Freude im Klassenzimmer n<strong>ich</strong>t im Geringsten.<br />

Keine Notizen, kein Klausurrelevantes Thema. Drei freie Tage. Die Menschen jubelten.<br />

So o<strong>der</strong> so <strong>war</strong> es <strong>mir</strong> egal. Ich hatte sowieso n<strong>ich</strong>t vorgehabt meine Aufmerksamkeit auf<br />

irgendetwas an<strong>der</strong>es als Bella <strong>zu</strong> r<strong>ich</strong>ten.


Heute schob <strong>ich</strong> meinen Stuhl n<strong>ich</strong>t von ihr weg um <strong>mir</strong> Platz <strong>zu</strong>m atmen <strong>zu</strong> lassen.<br />

Stattdessen setzte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> so nah neben sie wie je<strong>der</strong> normale Mensch es tun würde. Näher als wir<br />

im Auto nebeneinan<strong>der</strong> gesessen hatten, nah genug, dass <strong>die</strong> linke Seite meines Körpers in <strong>die</strong> Hitze<br />

ihrer Haut getaucht wurde.<br />

Es <strong>war</strong> eine seltsame Erfahrung, sowohl angenehm als auch nervenaufreibend, aber es <strong>war</strong><br />

<strong>mir</strong> lieber als ihr gegenüber <strong>zu</strong> sitzen. Es <strong>war</strong> mehr als <strong>ich</strong> gewöhnt <strong>war</strong> aber <strong>ich</strong> merkte schnell, dass<br />

es noch n<strong>ich</strong>t genug <strong>war</strong>. Ich <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong>frieden. Ihr so nah <strong>zu</strong> sein, bewirkte ledigl<strong>ich</strong> dass <strong>ich</strong> ihr<br />

noch näher sein wollte. Die Anziehungskraft wurde stärker je näher <strong>ich</strong> kam.<br />

Ich hatte sie beschuldigt ein Magnet für Gefahren <strong>zu</strong> sein. In <strong>die</strong>sem Moment fühlte es s<strong>ich</strong><br />

so an wäre das <strong>die</strong> buchstäbl<strong>ich</strong>e Wahrheit. Ich <strong>war</strong> eine Gefahr und mit jedem Millimeter den <strong>ich</strong><br />

<strong>mir</strong> erlaubte ihr näher <strong>zu</strong> kommen wurde ihre Anziehungskraft stärker.<br />

Und dann lösche Mr. Banner das L<strong>ich</strong>t.<br />

Es <strong>war</strong> seltsam was für einen großen Unterschied das machte, wenn man bedachte, dass<br />

meinen Augen <strong>die</strong> Dunkelheit n<strong>ich</strong>ts ausmachte. Ich konnte genau so gut sehen wie vorher. Jedes<br />

Detail des Raumes <strong>war</strong> klar <strong>zu</strong> sehen.<br />

Also <strong>war</strong>um <strong>die</strong>se plötzl<strong>ich</strong>e Elektrizität in <strong>der</strong> Luft, in <strong>der</strong> Dunkelheit <strong>die</strong> für m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

dunkel <strong>war</strong>? Lag es daran, dass <strong>ich</strong> wusste dass <strong>ich</strong> <strong>der</strong> einzige <strong>war</strong> <strong>der</strong> klar sehen konnte? <strong>Das</strong>s wir<br />

beide, Bella und <strong>ich</strong>, uns<strong>ich</strong>tbar für <strong>die</strong> an<strong>der</strong>en <strong>war</strong>en? Als wären wir allein in <strong>die</strong>sem Raum, nur wir<br />

beide, v<strong>erste</strong>ckt in <strong>die</strong>sem dunklen Raum, so nah beieinan<strong>der</strong>…<br />

Meine Hand bewegte s<strong>ich</strong> ohne mein Zutun auf sie <strong>zu</strong>. Nur um ihre Hand <strong>zu</strong> berühren, sie in<br />

<strong>der</strong> Dunkelheit <strong>zu</strong> halten. Wäre das ein so schreckl<strong>ich</strong>er Fehler? Wenn meine Haut sie störte, musste<br />

sie ihre Hand nur <strong>zu</strong>rückziehen…<br />

Ich riss meine Hand <strong>zu</strong>rück, verschränkte <strong>die</strong> Arme vor <strong>der</strong> Brust und ballte <strong>die</strong> Hände <strong>zu</strong><br />

Fäusten <strong>zu</strong>sammen. Keine Fehler. Ich hatte <strong>mir</strong> versprochen keine Fehler <strong>zu</strong> machen, egal wie klein<br />

sie auch sein mögen. Wenn <strong>ich</strong> ihre Hand halten würde – würde <strong>ich</strong> nur noch mehr wollen – eine<br />

weitere unbedeutende Berührung, ein weiteres Stück näher <strong>zu</strong> ihr rücken. Ich konnte es fühlen. Eine<br />

neue Art von Verlangen wuchs in <strong>mir</strong> und versuchte meine Selbstkontrolle aus<strong>zu</strong>schalten.<br />

Keine Fehler.<br />

Bella kreuzte ebenfalls ihre Arme vor <strong>der</strong> Brust und ballte ihre Hände <strong>zu</strong> Fäusten wie meine.<br />

Was denkst du? Ich sehnte m<strong>ich</strong> danach ihr <strong>die</strong>se Frage <strong>zu</strong> stellen, aber <strong>der</strong> Raum <strong>war</strong> <strong>zu</strong><br />

ruhig um mit einer geflüsterten Unterhaltung davon <strong>zu</strong> kommen.<br />

Der Film begann und erhellte <strong>die</strong> Dunkelheit ein kleinwenig. Bella schielte <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> herüber und<br />

bemerkte meine steife Körperhaltung – genau wie <strong>die</strong> Ihre – und lächelte. Sie öffnete le<strong>ich</strong>t ihre<br />

Lippen und ihre Augen strahlten <strong>war</strong>m und einladend.<br />

O<strong>der</strong> vielle<strong>ich</strong>t sah <strong>ich</strong> auch nur, was <strong>ich</strong> sehen wollte.<br />

Ich lächelte <strong>zu</strong>rück; sie schnappte kurz nach Luft und sah dann schnell weg.<br />

<strong>Das</strong> machte es noch schlimmer. Ich kannte ihre Gedanken n<strong>ich</strong>t aber <strong>ich</strong> <strong>war</strong> <strong>mir</strong> plötzl<strong>ich</strong><br />

s<strong>ich</strong>er, dass <strong>ich</strong> heute Morgen recht gehabt hatte und sie wollte dass <strong>ich</strong> sie berühre. Sie spürte<br />

<strong>die</strong>ses gefährl<strong>ich</strong>e Verlangen genauso sehr wie <strong>ich</strong>.<br />

Die elektrische Spannung summte zwischen unseren Körpern.<br />

Sie bewegte s<strong>ich</strong> <strong>die</strong> ganze Stunde keinen Millimeter und behielt ihre steife, kontrollierte<br />

Position bei wie <strong>ich</strong> mein. Gelegentl<strong>ich</strong> blinzelte sie <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> herüber und jedesmal durchfuhr m<strong>ich</strong><br />

schlagartig <strong>der</strong> summende Strom.<br />

Die Stunde verging – langsam aber immer noch n<strong>ich</strong>t langsam genug. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> so neu, <strong>ich</strong><br />

hätte tagelang so mit ihr dasitzen können, nur um <strong>die</strong>ses Gefühl <strong>zu</strong> erforschen.


Ich hatte tausende kleiner Auseinan<strong>der</strong>set<strong>zu</strong>ngen mit <strong>mir</strong> selbst während <strong>die</strong> Minuten<br />

vergingen, Vernunft kämpfte gegen Verlangen, während <strong>ich</strong> versuchte eine Berührung <strong>zu</strong><br />

rechtfertigen.<br />

Schließl<strong>ich</strong> schaltete Mr. Banner das L<strong>ich</strong>t wie<strong>der</strong> ein.<br />

In dem grellen L<strong>ich</strong>t wurde <strong>die</strong> Atmosphäre in dem Raum wie<strong>der</strong> normal. Bella seufzte,<br />

streckte s<strong>ich</strong> und bog ihre Finger durch. Es musste unangenehm für sie gewesen sein, <strong>die</strong>se Position<br />

so lange bei<strong>zu</strong>behalten. Für m<strong>ich</strong> <strong>war</strong> es le<strong>ich</strong>ter – Reglosigkeit <strong>war</strong> ganz natürl<strong>ich</strong>.<br />

Ich schmunzelte über ihren Erle<strong>ich</strong>terten Ges<strong>ich</strong>tsausdruck. „<strong>Das</strong> <strong>war</strong> interessant.“<br />

„Mmm,“ murmelte sie und verstand genau was <strong>ich</strong> meinte, sagte aber n<strong>ich</strong>ts weiter. Was<br />

würde <strong>ich</strong> dafür geben, <strong>zu</strong> wissen, was sie jetzt dachte.<br />

Ich seufzte. Wie oft <strong>ich</strong> es <strong>mir</strong> auch wünschte, es half n<strong>ich</strong>ts.<br />

„Sollen wir?“ fragte <strong>ich</strong>.<br />

Sie verzog das Ges<strong>ich</strong>t und erhob s<strong>ich</strong> ungeschickt, ihre Hände ausgestreckt als hätte sie<br />

Angst jeden Moment <strong>zu</strong> fallen.<br />

Ich könnte ihr meine Hand anbieten. O<strong>der</strong> <strong>ich</strong> könnte meine Hand unter ihren Ellenbogen<br />

legen – ganz le<strong>ich</strong>t nur – um sie <strong>zu</strong> stützen. <strong>Das</strong> wäre s<strong>ich</strong>er n<strong>ich</strong>t all<strong>zu</strong> schlimm…<br />

Keine Fehler.<br />

Sie <strong>war</strong> sehr still während wir <strong>zu</strong>r Sporthalle gingen. Die Falte zwischen ihren Augen <strong>war</strong> ein<br />

Beweis, ein Ze<strong>ich</strong>en dafür, dass sie tief in Gedanken <strong>war</strong>. Auch <strong>ich</strong> <strong>war</strong> nachdenkl<strong>ich</strong>.<br />

Eine le<strong>ich</strong>te Berührung ihrer Haut würde sie n<strong>ich</strong>t verletzen, argumentierte meine Egoistische<br />

Seite.<br />

Ich konnte den Druck meiner Berührung kontrollieren. Es <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t beson<strong>der</strong>s schwer wenn<br />

<strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen riss. Mein Taktgefühl <strong>war</strong> besser entwickelt als das eines Menschen; <strong>ich</strong> konnte<br />

mit einem dutzend Kristallgläser jonglieren ohne eins <strong>zu</strong> zerbrechen; Ich konnte eine Seifenblase<br />

berühren ohne dass sie zerplatze. So lange <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> unter Kontrolle hatte…<br />

Bella <strong>war</strong> wie eine Seifenblase – zerbrechl<strong>ich</strong> und kurzlebig. Befristet.<br />

Wie lang könnte <strong>ich</strong> meine Anwesenheit in ihrem Leben rechtfertigen? Wie viel Zeit hatte<br />

<strong>ich</strong>? Hätte <strong>ich</strong> eine weitere Chance wie <strong>die</strong>se, wie <strong>die</strong>sen Moment, wie <strong>die</strong>se Sekunde? Sie würde<br />

n<strong>ich</strong>t für immer in meiner Re<strong>ich</strong>weite sein…<br />

Bella drehte s<strong>ich</strong> vor <strong>der</strong> Eingangstür <strong>zu</strong>r Sporthallte <strong>zu</strong> <strong>mir</strong> um und ihrer Augen weiteten s<strong>ich</strong><br />

als sie den Ausdruck in meinem Ges<strong>ich</strong>t sah. Sie sprach n<strong>ich</strong>t. Ich sah m<strong>ich</strong> selbst in dem Spiegel ihrer<br />

Augen, sah den Kampf in meinen eigenen wüten. Ich sah wie s<strong>ich</strong> mein Ges<strong>ich</strong>t än<strong>der</strong>te als meine<br />

bessere Hälfte den Kampf verlor.<br />

Meine Hand hob s<strong>ich</strong> ohne mein Zutun. So sanft als wäre sie aus hauchdünnem Glas, als wäre<br />

sie eine Seifenblase, str<strong>ich</strong>en meine Finger über <strong>die</strong> <strong>war</strong>me Haut <strong>die</strong> ihre Wangenknochen bedeckte.<br />

Sie wurde noch wärmer unter meiner Berührung und <strong>ich</strong> konnte das Pulsieren ihres Blutes unter<br />

ihrer transparenten Haut spüren.<br />

Genug, befahl <strong>ich</strong> <strong>mir</strong>, obwohl meine Hand danach verlangte ihr Ges<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> stre<strong>ich</strong>eln. Genug.<br />

Es <strong>war</strong> schwer meine Hand <strong>zu</strong>rück <strong>zu</strong> ziehen, m<strong>ich</strong> davon ab<strong>zu</strong>halten ihr noch nähre <strong>zu</strong><br />

kommen als <strong>ich</strong> bereits <strong>war</strong>. Tausende von Mögl<strong>ich</strong>keiten rasten auf einmal durch meinen Kopf –<br />

tausend unterschiedl<strong>ich</strong>e Mögl<strong>ich</strong>keiten sie <strong>zu</strong> berühren. Meine Fingerspitzen über <strong>die</strong> Konturen<br />

ihrer Lippen führen. Meine Handfläche unter ihr Kinn legen. Die Spange aus ihrem Haar ziehen und<br />

spüren wie es s<strong>ich</strong> über meiner Hand ausbreitete. Meine Arme um ihre Taille legen, sie an meinen<br />

Körper heranziehen.<br />

Genug.


Ich zwang m<strong>ich</strong>, m<strong>ich</strong> von ihr ab<strong>zu</strong>wenden und m<strong>ich</strong> von ihr <strong>zu</strong> entfernen. Mein Körper<br />

bewegte s<strong>ich</strong> steif – wi<strong>der</strong>willig.<br />

Ich ließ meinen Geist verweilen um <strong>zu</strong> beobachten wie sie s<strong>ich</strong> hastig umdrehte, nahe<strong>zu</strong> vor<br />

<strong>der</strong> Versuchung davonrannte. Ich fing Mike Newtons Gedanken auf – sie <strong>war</strong>en am lautesten –<br />

während er beobachtete, wie Bella unaufmerksam an ihm vorbeieilte, ihre Augen ausdruckslos und<br />

ihre Wangen gerötet. Er blickte finster drein und plötzl<strong>ich</strong> raste mein Name in Verbindung mit<br />

unzähligen Flüchen durch seinen Kopf; <strong>ich</strong> konnte ein Grinsen n<strong>ich</strong>t unterdrücken.<br />

Meine Hand kribbelte. Ich streckte sie und ballte sie dann <strong>zu</strong> einer Faust <strong>zu</strong>sammen, aber <strong>ich</strong><br />

spürte immer noch ein schmerzlos Stechen.<br />

Nein, <strong>ich</strong> hatte sie n<strong>ich</strong>t verletzt – aber sie <strong>zu</strong> berühren <strong>war</strong> dennoch ein Fehler gewesen.<br />

Es fühlte s<strong>ich</strong> an als würde <strong>ich</strong> brennen – als hätte s<strong>ich</strong> das Brennen meines Durstes auf<br />

meinen gesamten Körper ausgebreitet.<br />

Wenn <strong>ich</strong> ihr das nächste Mal nahe <strong>war</strong>, würde <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> davon abhalten können, sie wie<strong>der</strong><br />

<strong>zu</strong> berühren? Und wenn <strong>ich</strong> sie einmal berührte, würde <strong>ich</strong> danach aufhören können?<br />

Keine Fehler mehr. <strong>Das</strong> <strong>war</strong>‘s. Genieße den Moment, Ed<strong>war</strong>d, sagte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> grimmig, und<br />

behalte deine Hände bei dir. <strong>Das</strong> o<strong>der</strong> <strong>ich</strong> würde m<strong>ich</strong> da<strong>zu</strong> zwingen müssen <strong>zu</strong> gehen… irgendwie.<br />

Denn <strong>ich</strong> konnte es <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t erlauben in ihrer Nähe <strong>zu</strong> sein, wenn <strong>ich</strong> weiterhin Fehler machen<br />

würde.<br />

Ich atmete tief durch und versuchte meine Gedanken <strong>zu</strong> bändigen.<br />

Emmett holte m<strong>ich</strong> vor dem Englisch-Gebäude ein.<br />

„Hey, Ed<strong>war</strong>d.“ Er sieht besser aus. Seltsam, aber besser. Glückl<strong>ich</strong>.<br />

„Hey, Em.“ Sah <strong>ich</strong> glückl<strong>ich</strong> aus? Ich denke, abgesehen von dem Chaos in meinem Kopf,<br />

fühlte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> glückl<strong>ich</strong>.<br />

Du solltest in Zukunft besser deine Klappe halten, Junge. Rosalie will dir <strong>die</strong> Zunge<br />

herausreißen.<br />

Ich seufzte. „Tut <strong>mir</strong> leid, dass du es ausbaden musstest. Bist du sauer auf m<strong>ich</strong>?“<br />

„Ach was. Rose wird darüber hinweg kommen. Es musste doch so kommen.“ Bei dem was<br />

Alice kommen sieht…<br />

Im Moment wollte <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t an Alices Visionen denken. Ich starrte geradeaus und presste<br />

meine Zähne aufeinan<strong>der</strong>.<br />

Als <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> nach einer Ablenkung umsah, sah <strong>ich</strong> wie Ben Cheney den Spanischraum vor uns<br />

betrat. Ah – hier <strong>war</strong> meine Gelegenheit Angela Weber ihr Geschenk <strong>zu</strong> geben.<br />

Ich hielt an und packte Emmett am Arm. „Warte eine Sekunde.“<br />

Was ist los?<br />

„Ich weiß, dass <strong>ich</strong> es n<strong>ich</strong>t ver<strong>die</strong>ne, aber würdest du <strong>mir</strong> trotzdem einen Gefallen tun?“<br />

„Was denn für einen?“ fragte er neugierig.<br />

Leise – und in einer Geschwindigkeit <strong>die</strong> es einem Menschen unmögl<strong>ich</strong> machte <strong>die</strong> Worte <strong>zu</strong><br />

v<strong>erste</strong>hen, selbst wenn <strong>ich</strong> sie lauter ausgesprochen hätte – erklärte <strong>ich</strong> ihm was <strong>ich</strong> vorhatte.<br />

Er starrte m<strong>ich</strong> ausdruckslos an, seine Gedanken <strong>war</strong>en genauso leer wie sein Ges<strong>ich</strong>t.<br />

„Also?“ drängte <strong>ich</strong>. „Wirst du <strong>mir</strong> helfen?“<br />

Er brauchte eine Minute um <strong>zu</strong> antworten. „Aber, <strong>war</strong>um?“<br />

„Komm schon, Emmett. Warum n<strong>ich</strong>t?“<br />

Wer bist du und was hast du mit meinem Bru<strong>der</strong> gemacht?<br />

„Bist du n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong>jenige <strong>der</strong> s<strong>ich</strong> dauernd beschwert, dass in <strong>der</strong> Schule immer dasselbe<br />

passiert? <strong>Das</strong> hier ist doch mal was an<strong>der</strong>es, o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t? Nenn es ein Experiment – ein Experiment<br />

<strong>der</strong> menschl<strong>ich</strong>en Natur.“


Er schaute m<strong>ich</strong> eine weitere Minute an bevor er nachgab. „Naja, es ist etwas an<strong>der</strong>es, das<br />

geb <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>… na gut, okay.“ Emmett schnaubte und <strong>zu</strong>ckte dann mit den Schultern. „Ich werde dir<br />

helfen.“<br />

Ich grinste ihn an und <strong>war</strong> noch begeisterter von meinem Plan, jetzt da er dabei <strong>war</strong>. Rosalie<br />

<strong>war</strong> eine Nervensäge aber <strong>ich</strong> schuldete ihr etwas dafür, dass sie Emmett ausgewählt hatte; niemand<br />

hatte einen besseren Bru<strong>der</strong>, als <strong>ich</strong>.<br />

Emmett brauchte n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> üben. Ich flüsterte ihm <strong>zu</strong> was er sagen sollte, während wir den<br />

Klassenraum betraten.<br />

Ben saß bereits auf seinem Platz hinter <strong>mir</strong> und suchte seine Hausaufgaben <strong>zu</strong>sammen um<br />

sie ein<strong>zu</strong>re<strong>ich</strong>en. Emmett und <strong>ich</strong> setzen uns und taten dasselbe. Im Klassenraum <strong>war</strong> es noch n<strong>ich</strong>t<br />

still; das murmeln <strong>der</strong> gedämpften Unterhaltungen würde anhalten bis Mrs. Goff um<br />

Aufmerksamkeit bat. Sie hatte keine Eile während sie <strong>die</strong> Tests <strong>der</strong> letzten Klasse begutachtete.<br />

„Also,“ sagte Emmett etwas lauter als nötig – wenn er nur mit <strong>mir</strong> sprechen würde. „Hast du<br />

Angela Weber schon gefragt ob sie mit dir ausgeht?“<br />

<strong>Das</strong> Geräusch von raschelndem Papier hinter <strong>mir</strong> hörte abrupt auf als Ben erstarrte und seine<br />

Aufmerksamkeit auf unsere Unterhaltung lenkte.<br />

Angela? Sie reden über Angela?<br />

Gut. Ich hatte sein Interesse geweckt.<br />

„Nein,“ sagte <strong>ich</strong> und schüttelte langsam meinen Kopf um enttäuscht <strong>zu</strong> wirken.<br />

„Warum n<strong>ich</strong>t?“ improvisierte Emmett. „Bist du <strong>zu</strong> feige?“<br />

Ich schnitt ihm eine Grimasse. „Nein, <strong>ich</strong> hab gehört, dass sie an jemand an<strong>der</strong>em interessiert<br />

ist.“<br />

Ed<strong>war</strong>d Cullen wollte Angela um ein Date bitten? Aber… Nein, das gefällt <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t. Ich will<br />

n<strong>ich</strong>t, dass er in ihrer Nähe ist. Er ist… n<strong>ich</strong>t r<strong>ich</strong>tig für sie. N<strong>ich</strong>t… s<strong>ich</strong>er.<br />

Ich hätte n<strong>ich</strong>t mit seiner Ritterl<strong>ich</strong>keit gerechnet, seinem Beschützerinstinkt. Ich hatte auf<br />

Eifersucht spekuliert. Aber so sollte es auch gehen.<br />

„Davon lasst du d<strong>ich</strong> abhalten?“ fragte Emmett verächtl<strong>ich</strong> und improvisierte wie<strong>der</strong>. „Keine<br />

Lust auf einen kleinen Konkurrenzkampf?“<br />

Ich <strong>war</strong>f ihm einen finsteren <strong>Blick</strong> <strong>zu</strong>, aber versuchte das Beste aus dem <strong>zu</strong> machen, was er<br />

<strong>mir</strong> gab. „Weißt du, <strong>ich</strong> glaube sie mag <strong>die</strong>sen Ben wirkl<strong>ich</strong>. Ich werde n<strong>ich</strong>t versuchen sie vom<br />

Gegenteil <strong>zu</strong> überzeugen. Es gibt auch noch an<strong>der</strong>e Mädchen.“<br />

Die Reaktion in dem Stuhl hinter <strong>mir</strong> <strong>war</strong> elektrisch.<br />

„Wer?“ fragte Emmett und hielt s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> an das Drehbuch.<br />

„Mein Laborpartner sagte es wäre irgendein Typ namens Cheney. Ich bin <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er ob<br />

<strong>ich</strong> ihn kenne.“<br />

Ich unterdrückte mein Lächeln. Nur <strong>die</strong> hochmütigen Cullens konnte es s<strong>ich</strong> erlauben<br />

vor<strong>zu</strong>geben n<strong>ich</strong>t jeden Schüler an <strong>die</strong>ser kleinen Schule <strong>zu</strong> kennen.<br />

Bens Kopf <strong>war</strong> wirr vor Schock. M<strong>ich</strong>? Lieber als Ed<strong>war</strong>d Cullen? Aber <strong>war</strong>um sollte sie m<strong>ich</strong><br />

mögen?<br />

„Ed<strong>war</strong>d,“ murmelte Emmett etwas leiser und deutete mit den Augen auf den Jungen. „Er<br />

sitzt direkt hinter dir,“ formte er so deutl<strong>ich</strong> mit den Lippen, dass <strong>der</strong> Mensch <strong>die</strong> Worte le<strong>ich</strong>t<br />

ablesen konnte.<br />

„Oh,“ murmelte <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>rück.<br />

Ich drehte m<strong>ich</strong> um und <strong>war</strong>f einen kurzen <strong>Blick</strong> auf den Jungen hinter <strong>mir</strong>. Für eine Sekunde<br />

<strong>war</strong>en <strong>die</strong> sch<strong>war</strong>zen Augen hinter <strong>der</strong> Brille verängstigt, aber dann v<strong>erste</strong>ifte er s<strong>ich</strong> und hob seine


schmalen Schultern, angegriffen von meiner eindeutig herablassenden Bewertung. Er reckte sein<br />

Kinn und ein Anflug von Wut verdunkelte seine goldbraune Haut.<br />

„Hah,“ sagte <strong>ich</strong> arrogant als <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> Emmett umdrehte.<br />

Er denkt, er wäre etwas Besseres als <strong>ich</strong>. Aber Angela n<strong>ich</strong>t. Ich werd‘s ihm schon zeigen…<br />

Perfekt.<br />

„Hattest du n<strong>ich</strong>t gesagt, dass sie mit Yorkie <strong>zu</strong>m Ball geht?“ fragte Emmett und schnaubte<br />

als er den Namen des Jungen aussprach den viele wegen seiner Ungeschickl<strong>ich</strong>keit verachteten.<br />

„<strong>Das</strong> <strong>war</strong> anscheinend sowas wie eine Gruppenentscheidung.“ Ich wollte dass Ben darüber<br />

Bescheid wusste. „Angela ist schüchtern. Wenn B – naja, wenn ein Junge n<strong>ich</strong>t den Mut aufbringt sie<br />

<strong>zu</strong> fragen ob sie mit ihm ausgehen möchte, würde sie es auch nie tun.“<br />

„Du magst wohl schüchterne Mädchen,“ sagte Emmett wie<strong>der</strong> improvisierend. Stille<br />

Mädchen. Mädchen wie… hmm, <strong>ich</strong> weiß n<strong>ich</strong>t. Vielle<strong>ich</strong>t Bella Swan?<br />

Ich grinste ihn an. „Genau.“ Dann kam <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> unserem Auftritt <strong>zu</strong>rück. „Vielle<strong>ich</strong>t wird<br />

Angela irgendwann müde <strong>zu</strong> <strong>war</strong>ten. Vielle<strong>ich</strong>t frag <strong>ich</strong> sie ob sie mit <strong>mir</strong> <strong>zu</strong>m Abschlussball geht.“<br />

Nein, das wirst du n<strong>ich</strong>t, dachte Ben und setzte s<strong>ich</strong> in seinem Stuhl auf. Was macht es schon,<br />

dass sie so viel größer ist als <strong>ich</strong>? Wenn es ihr n<strong>ich</strong>ts ausmacht, dann stört es m<strong>ich</strong> auch n<strong>ich</strong>t. Sie ist<br />

das netteste, intelligenteste und schönste Mädchen an <strong>der</strong> ganzen Schule… und sie mag m<strong>ich</strong>.<br />

Ich mochte <strong>die</strong>sen Ben. Er schien klug <strong>zu</strong> sein und es ehrl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> meinen. Vielle<strong>ich</strong>t ver<strong>die</strong>nte<br />

er sogar ein Mädchen wie Angela.<br />

Ich zeigte Emmett ein Daumen-Hoch-Ze<strong>ich</strong>en unter dem Tisch als Mrs. Goff <strong>die</strong> Klasse<br />

begrüßte.<br />

Okay, <strong>ich</strong> geb es <strong>zu</strong> – es hat irgendwie Spaß gemacht, dachte Emmett.<br />

Ich lächelte <strong>zu</strong>frieden darüber, dass <strong>ich</strong> es geschafft hatte einer Liebesgesch<strong>ich</strong>te <strong>zu</strong>m Happy<br />

End <strong>zu</strong> verhelfen. Ich <strong>war</strong> <strong>zu</strong>vers<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>, dass Ben sein Vorhaben in <strong>die</strong> Tat umsetzte und Angela ihr<br />

Geschenk von <strong>mir</strong> bekam. Meine Schulden <strong>war</strong>en begl<strong>ich</strong>en.<br />

Wie dumm <strong>die</strong> Menschen doch <strong>war</strong>en, s<strong>ich</strong> von sechs Inch Unterschied ihr Glück zerstören <strong>zu</strong><br />

lassen.<br />

Mein Erfolg versetzte m<strong>ich</strong> in gute Stimmung. Ich lächelte wie<strong>der</strong> als <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> in meinem<br />

Stuhl <strong>zu</strong>rücklehnte und m<strong>ich</strong> darauf vorbereitet unterhalten <strong>zu</strong> werden. Immerhin, wie Bella beim<br />

Mittagessen gesagt hatte, hatte <strong>ich</strong> sie noch nie beim Sport gesehen.<br />

Mikes Gedanken <strong>war</strong>en am le<strong>ich</strong>testen <strong>zu</strong> finden in dem Stimmengewirr in <strong>der</strong> Sporthalle.<br />

Sein Geist <strong>war</strong> <strong>mir</strong> nur <strong>zu</strong> vertraut geworden in den letzten Wochen. Mit einem Seufzen ließ <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong><br />

da<strong>zu</strong> herab durch ihn <strong>zu</strong> hören. Immerhin konnte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> s<strong>ich</strong>er sein, dass er seine Aufmerksamkeit<br />

auf Bella r<strong>ich</strong>ten würde.<br />

Ich kam gerade rechtzeitig um <strong>zu</strong> hören, wie er ihr anbot ihr Badminton-Partner <strong>zu</strong> sein; als<br />

er den Vorschlag machte, ging er in Gedanken noch an<strong>der</strong>e Partnerschaftl<strong>ich</strong>e Aktivitäten mit ihr<br />

durch. Mein Lächeln erstarb, meine Zähne schlugen aufeinan<strong>der</strong> und <strong>ich</strong> musste m<strong>ich</strong> daran erinnert,<br />

dass Mike Newton <strong>zu</strong> ermorden keine Option <strong>war</strong>.<br />

„Danke, Mike – du weißt, dass du das n<strong>ich</strong>t tun musst.“<br />

„Keine Sorge, <strong>ich</strong> werde Abstand halten.“<br />

Sie grinsten s<strong>ich</strong> an und unzählige kleine Unfälle – alle irgendwie in Verbindung mit Bella –<br />

rasten durch Mikes Kopf.<br />

Mike spielte <strong>zu</strong>erst alleine, während Bella s<strong>ich</strong> auf dem hinteren Teil des Spielfeldes<br />

herumdrückte und ihren Schläger so behutsam hielt, als wäre er eine Art Waffe. Dann kam Coach<br />

Clapp vorbei und wies Mike an, Bella mitspielen <strong>zu</strong> lassen.


Oh oh, dachte Mike als Bella seufzend näher kam und ihren Schläger in einem seltsamen<br />

Winkel hielt.<br />

Jennifer Ford schlug den Fe<strong>der</strong>ball direkt <strong>zu</strong> Bella mit einem selbstgefälligen Ton in ihren<br />

Gedanken. Mike sah wie Bella nach ihm schlug und ihren Schläger meterweit an ihrem Ziel<br />

vorbeischwang. Er griff ein und versuchte den Ball <strong>zu</strong> retten.<br />

Ich beobachtete <strong>die</strong> Flugbahn von Bellas Schläger alarmiert. Er traf das gespannte Netz und<br />

sprang <strong>zu</strong> ihr <strong>zu</strong>rück, traf ihre Stirn und schleu<strong>der</strong>te herum um Mikes Arm mit einem schallenden<br />

Klatschen <strong>zu</strong> treffen.<br />

Au. Au. Autsch. <strong>Das</strong> gibt einen fette blauen Fleck.<br />

Bella knetete ihre Stirn. Es <strong>war</strong> schwer auf meinem Platz sitzen <strong>zu</strong> bleiben wo <strong>ich</strong> hingehörte,<br />

wenn <strong>ich</strong> sah, dass sie verletzt <strong>war</strong>. Aber was könnte <strong>ich</strong> tun wenn <strong>ich</strong> da wäre? Außerdem schien es<br />

keine schwere Verlet<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> sein… Ich zögerte weiter <strong>zu</strong> <strong>zu</strong>sehen. Wenn sie vorhatte weiterhin <strong>zu</strong><br />

versuchen <strong>zu</strong> spielen, würde <strong>ich</strong> eine Ausrede erfinden müssen um sie aus dem Unterr<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> holen.<br />

Der Coach lachte. „Tut <strong>mir</strong> leid, Newton.“ Diese Mädchen ist <strong>der</strong> schlimmste Fluch den <strong>ich</strong> je<br />

gesehen habe. Man sollte sie den an<strong>der</strong>en n<strong>ich</strong>t aufdrängen…<br />

Er drehte s<strong>ich</strong> vorsätzl<strong>ich</strong> um und ging weiter um eine an<strong>der</strong>es Spiel <strong>zu</strong> beobachte, so dass<br />

Bella wie<strong>der</strong> in ihre vorherige Beobachterposition <strong>zu</strong>rückfallen konnte.<br />

Au, dachte Mike wie<strong>der</strong> und massierte seinen Arm. Er drehte s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> Bella um. „Bist du<br />

okay?“<br />

„Ja, und du?“ fragte sie scheu und wurde rot.<br />

„Ich glaub <strong>ich</strong> werd’s überleben.“ Ich möchte ja n<strong>ich</strong>t wie eine Heulsuse klingen. Aber,<br />

verdammt, das tut weh!<br />

Mike schwang seinen Arm im Kreis und stöhnte.<br />

„Ich werde einfach hier hinten stehen bleiben,“ sagte Bella, eher mit Scham und Verdruss im<br />

Ges<strong>ich</strong>t als Schmerzen. Vielle<strong>ich</strong>t hatte Mike das meiste abbekommen. Ich hoffte ehrl<strong>ich</strong>gesagt, dass<br />

es so <strong>war</strong>. Immerhin spielte sie n<strong>ich</strong>t weiter. Sie hielt ihren Schläger vors<strong>ich</strong>tig hinter ihrem Rücken<br />

und ihre Augen <strong>war</strong>en geweitete vor Reue… Ich musste mein Lachen als Husten tarnen.<br />

Was ist so lustig? Wollte Emmett wissen.<br />

„Erzähl <strong>ich</strong> dir später,“ murmelte <strong>ich</strong>.<br />

Bella griff n<strong>ich</strong>t mehr in das Spiel mit ein. Der Coach ignorierte sie und ließ Mike alleine<br />

spielen.<br />

Ich raste durch den Test am Ende <strong>der</strong> Stunde und Mrs. Goff ließ m<strong>ich</strong> früher gehen. Ich<br />

achtete genau auf Mike während <strong>ich</strong> über das Schulgelände lief. Er hatte s<strong>ich</strong> entschieden, Bella auf<br />

m<strong>ich</strong> an<strong>zu</strong>sprechen.<br />

Jessica schwört, dass sie <strong>zu</strong>sammen sind. Warum? Warum musste er ausgerechnet sie<br />

auswählen?<br />

Er schien das wahre Phänomen n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> bemerkten – das sie m<strong>ich</strong> ausgewählt hatte.<br />

„Also.“<br />

„Also, was?“ wun<strong>der</strong>te sie s<strong>ich</strong>.<br />

„Du und Cullen, huh?“ Du und <strong>der</strong> Freak. Wenn dir ein re<strong>ich</strong>er Typ so viel bedeutet…<br />

Ich knirschte mit den Zähnen bei <strong>die</strong>ser herabsetzenden Annahme.<br />

„<strong>Das</strong> geht d<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts an, Mike.“<br />

Verteidigung. Also ist es wahr. Mist. „<strong>Das</strong> gefällt <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t.“<br />

„<strong>Das</strong> muss es auch n<strong>ich</strong>t,“ schnappte sie.


Warum sieht sie n<strong>ich</strong>t was für eine Zirkusattraktion er ist? Wie sie alle. So wie er sie anstarrt.<br />

Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken, wenn <strong>ich</strong> das sehe. „Er sieht d<strong>ich</strong> an, als ob… als ob du<br />

etwas <strong>zu</strong> Essen wärst.“<br />

Ich <strong>zu</strong>ckte <strong>zu</strong>sammen und <strong>war</strong>tete auf ihre Antwort.<br />

Ihr Ges<strong>ich</strong>t wurde knallrot und sie presste ihre Lippen <strong>zu</strong>sammen als würde sie den Atem<br />

anhalten. Dann, plötzl<strong>ich</strong>, prustete sie los.<br />

Jetzt lacht sie m<strong>ich</strong> aus. Großartig.<br />

Mikes Gedanken wurden trotzig und er verschwand in <strong>der</strong> Umkleidekabine.<br />

Ich lehnte m<strong>ich</strong> an <strong>die</strong> Mauer <strong>der</strong> Turnhalle und versuchte m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> fassen.<br />

Wie konnte sie über Mikes Beobachtung lachen – er hatte so genau ins Sch<strong>war</strong>ze getroffen,<br />

dass <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> Sorgen <strong>zu</strong> machen begann, ob Forks <strong>zu</strong> viel wusste… Weshalb sollte sie über <strong>die</strong><br />

Vermutung lachen, dass <strong>ich</strong> sie töten könnte, wenn sie wusste, dass es <strong>die</strong> absolute Wahrheit <strong>war</strong>?<br />

Was <strong>war</strong> daran lustig?<br />

Was stimmte n<strong>ich</strong>t mit ihr?<br />

Hatte sie einen mör<strong>der</strong>ischen Sinn für Humor? <strong>Das</strong> würde n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> meiner Vorstellung ihres<br />

Charakters passen, aber wie konnte <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> s<strong>ich</strong>er sein? O<strong>der</strong> vielle<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> mein Tagtraum über den<br />

albernen Engel in so fern wahr, dass sie gar keine Angst empfinden konnte. Mutig – das <strong>war</strong> ein Wort<br />

dafür. An<strong>der</strong>e Leute würden sagen dumm, aber <strong>ich</strong> wusste wie schlau sie <strong>war</strong>. Egal was <strong>der</strong> Grund<br />

dafür <strong>war</strong>, keine Angst <strong>zu</strong> empfinden und auch <strong>die</strong>ser verdrehte Sinn für Humor <strong>war</strong>en n<strong>ich</strong>t gut für<br />

sie. War es <strong>die</strong>se seltsame Eigenheit <strong>die</strong> sie in ständige Gefahr brachte? Vielle<strong>ich</strong>t würde sie m<strong>ich</strong> für<br />

immer hier brauchen…<br />

Bei dem Gedanken hob s<strong>ich</strong> meine Stimmung.<br />

Wenn <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammenreißen konnte, m<strong>ich</strong> s<strong>ich</strong>er machen konnte, dann wäre es vielle<strong>ich</strong>t<br />

r<strong>ich</strong>tig bei ihr <strong>zu</strong> bleiben.<br />

Als sie durch <strong>die</strong> Tür <strong>der</strong> Turnhalle trat, hatte sie ihre Schultern angezogen und biss s<strong>ich</strong><br />

wie<strong>der</strong> auf <strong>die</strong> Unterlippe – an Anze<strong>ich</strong>en für Besorgnis. Aber sobald ihr <strong>Blick</strong> meinen traf, entspannte<br />

sie ihre Schultern und ein Lächeln breitete s<strong>ich</strong> über ihr Ges<strong>ich</strong>t. Es <strong>war</strong> ein seltsam friedl<strong>ich</strong>er<br />

Ausdruck. Sie kam ohne <strong>zu</strong> zögern auf m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> und hielt erst an, als sie so nah <strong>war</strong>, dass <strong>die</strong> Hitze<br />

ihres Körpers wie eine Welle auf m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> schwappte.<br />

„Hi,“ flüsterte sie.<br />

<strong>Das</strong> Glück, dass <strong>ich</strong> in dem Moment empfand <strong>war</strong> wie<strong>der</strong> mit n<strong>ich</strong>ts <strong>zu</strong> vergle<strong>ich</strong>en.<br />

„Hallo,“ sagte <strong>ich</strong> und dann – weil meine Laune plötzl<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> so gut <strong>war</strong>, konnte <strong>ich</strong> es<br />

n<strong>ich</strong>t lassen sie auf<strong>zu</strong>ziehen – fügte <strong>ich</strong> hin<strong>zu</strong>. „Wie <strong>war</strong> Sport?“<br />

Ihr Lächeln schwand. „Gut.“<br />

Sie <strong>war</strong> eine schlechte Lügnerin.<br />

„Wirkl<strong>ich</strong>?“ fragte <strong>ich</strong> – <strong>ich</strong> machte <strong>mir</strong> immer noch sorgen um ihren Kopf; hatte sie<br />

Schmerzen? – aber Mike Newtons Gedanken <strong>war</strong>en so laut, dass sie meine Konzentration störten.<br />

Ich hasse ihn. Ich wünschte er würde sterben. Ich hoffe er fährt mit seinem glänzenden Auto<br />

direkt über eine Klippe. Warum konnte er sie n<strong>ich</strong>t einfach in Ruhe lassen? Er sollte s<strong>ich</strong> an<br />

seinesgle<strong>ich</strong>en halten – an <strong>die</strong> Freaks.<br />

„Was?“ verlangte Bella?<br />

Ich r<strong>ich</strong>tete meine Augen wie<strong>der</strong> auf ihr Ges<strong>ich</strong>t. Sie sah Mike hinterher und dann wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong><br />

<strong>mir</strong>.<br />

„Newton geht <strong>mir</strong> langsam auf <strong>die</strong> Nerven,“ gab <strong>ich</strong> <strong>zu</strong>.


Ihr Mund klappte auf und ihr Lächeln verschwand. Sie musste vergessen haben, dass <strong>ich</strong> <strong>die</strong><br />

Macht hatte, sie ihre letzte verhängnisvolle Stunde über <strong>zu</strong> beobachten, o<strong>der</strong> gehofft, dass <strong>ich</strong> davon<br />

keinen Gebrauch gemacht hatte. „Hast du schon wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong>gehört?“<br />

„Wie geht es deinem Kopf?“<br />

„Du bist unglaubl<strong>ich</strong>!“ presste sie durch ihre Zähne, dreht s<strong>ich</strong> um und stapfte wütend<br />

R<strong>ich</strong>tung Parkplatz. Ihre Haut wurde dunkelrot – es <strong>war</strong> ihr peinl<strong>ich</strong>.<br />

Ich holte <strong>zu</strong> ihr auf und hoffte, dass ihr Ärger bald verschwand. Normalerweise verzieh sie<br />

<strong>mir</strong> recht schnell.<br />

„Du hast doch erwähnt, dass <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> noch nie bei Sport gesehen habe,“ erklärte <strong>ich</strong>. „<strong>Das</strong> hat<br />

m<strong>ich</strong> neugierig gemacht.“<br />

Sie antwortete n<strong>ich</strong>t; ihre Augenbrauen eng <strong>zu</strong>sammengezogen.<br />

Sie hielt plötzl<strong>ich</strong> an, als sie sah, dass <strong>der</strong> Weg <strong>zu</strong> meinem Wagen von einer Traube<br />

männl<strong>ich</strong>er Schüler versperrt <strong>war</strong>.<br />

Ich frag m<strong>ich</strong>, wie schnell das Ding fährt…<br />

Sie dir <strong>die</strong> SMG shift paddel (irgend so ein Autofachkram… keine Ahnung was das ist) an.<br />

Sowas hab <strong>ich</strong> noch nie außerhalb eines Magazins gesehen…<br />

Nette Seitengitter …<br />

Ich wünschte <strong>ich</strong> hätte sechzigtausend Dollar herumliegen…<br />

Genau deshalb <strong>war</strong> es besser, wenn Rosalie ihren Wagen nur außerhalb <strong>der</strong> Stadt nutzte.<br />

Ich wand m<strong>ich</strong> durch das Gedränge wollüstiger Jungs <strong>zu</strong> meinem Auto; Bella zögerte eine<br />

Sekunde und tat es <strong>mir</strong> dann gle<strong>ich</strong>.<br />

„Protzig,“ murmelte <strong>ich</strong>, als sie einstieg.<br />

„Was ist das für ein Wagen?“ wun<strong>der</strong>te sie s<strong>ich</strong>.<br />

„Ein M3.“<br />

Sie runzelte <strong>die</strong> Stirn. „Diese Sprache spreche <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t.“<br />

„Es ist ein BMW.“ Ich verdrehte meine Augen und konzentrierte m<strong>ich</strong> dann darauf,<br />

aus<strong>zu</strong>parken ohne irgendjemanden <strong>zu</strong> überfahren. Ich musste in paar Jungs tief in <strong>die</strong> Augen sehen,<br />

<strong>die</strong> scheinbar n<strong>ich</strong>t aus dem Weg gehen wollten. Meinem <strong>Blick</strong> eine halbe Sekunde lang <strong>zu</strong> begegnen<br />

re<strong>ich</strong>te aus um sie vom Gegenteil <strong>zu</strong> überzeugen.<br />

„Bist du immer noch sauer?“ fragte <strong>ich</strong> sie.<br />

„Definitiv,“ antwortete sie knapp.<br />

Ich seufzte. Vielle<strong>ich</strong>t hätte <strong>ich</strong> es n<strong>ich</strong>t ansprechen sollen. Aber naja. Ich konnte versuchen<br />

ihr entgegen<strong>zu</strong>kommen, denke <strong>ich</strong>. „Würdest du <strong>mir</strong> verzeihen, wenn <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> entschuldige?“<br />

Sie dachte einen Moment darüber nach. „Vielle<strong>ich</strong>t… wenn du es ernst meinst,“ entschied<br />

sie. „Und wenn du <strong>mir</strong> verspr<strong>ich</strong>st, es n<strong>ich</strong>t noch einmal <strong>zu</strong> tun.“<br />

Ich wollte sie n<strong>ich</strong>t anlügen und deshalb konnte <strong>ich</strong> dem auf keinen Fall <strong>zu</strong>stimmen. Vielle<strong>ich</strong>t<br />

konnte <strong>ich</strong> ihr etwas an<strong>der</strong>es anbieten.<br />

„Wie wäre es, wenn <strong>ich</strong> es ernst meine und dir erlaube am Samstag <strong>zu</strong> fahren?“ Ich <strong>zu</strong>ckte<br />

innerl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>sammen bei dem Gedanken.<br />

Die Falte zwischen ihren Augen kam <strong>zu</strong>m Vorschein, als sie darüber nachdachte. „In<br />

Ordnung,“ sagte sie einen Augenblick später.<br />

Nun <strong>zu</strong> meiner Entschuldigung… Ich hatte noch nie <strong>zu</strong>vor versucht Bella abs<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> <strong>zu</strong><br />

blenden, aber jetzt schien ein guter Zeitpunkt dafür <strong>zu</strong> sein. Ich schaute ihr tief in <strong>die</strong> Augen als <strong>ich</strong><br />

vom Schulgelände herunter fuhr, und fragte m<strong>ich</strong> ob <strong>ich</strong> es wohl r<strong>ich</strong>tig machte. Ich nutzte meinen<br />

Überzeugendsten Tonfall.<br />

„Dann tut es <strong>mir</strong> sehr leid, dass <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> verärgert habe.“


Ihr Herz schlug lauter als <strong>zu</strong>vor, und <strong>der</strong> Rhythmus <strong>war</strong> abgehackt. Ihre Augen <strong>war</strong>en weit<br />

aufgerissen und sahen etwas verblüfft aus.<br />

Ich lächelte halb. Es sah so aus als hätte <strong>ich</strong> es r<strong>ich</strong>tig gemacht. Natürl<strong>ich</strong> hatte <strong>ich</strong> auch<br />

einige Schwierigkeiten meinen <strong>Blick</strong> von ihren Augen <strong>zu</strong> lösen. Genauso geblendet. Gut, dass <strong>ich</strong><br />

<strong>die</strong>se Straße in und auswendig kannte.<br />

„Und <strong>ich</strong> werde Samstag früh pünktl<strong>ich</strong> vor deiner Tür stehen,“ fügte <strong>ich</strong> hin<strong>zu</strong> um <strong>die</strong><br />

Verabredung <strong>zu</strong> besiedeln.<br />

Sie blinzelte kurz und schüttelte ihren Kopf, scheinbar um wie<strong>der</strong> klar denken <strong>zu</strong> können.<br />

„Ähm,“ sagte sie, „es hilft n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong> bei <strong>der</strong> Sache mit Charlie, wenn plötzl<strong>ich</strong> ein Volvo ohne<br />

Erklärung in <strong>der</strong> Einfahrt steht.“<br />

Ah, wie wenig sie m<strong>ich</strong> immer noch kannte. „Ich hatte n<strong>ich</strong>t vorgehabt mein Auto<br />

mit<strong>zu</strong>bringen.“<br />

„Wie - …“ wollte sie fragen.<br />

Ich unterbrach sie. Die Antwort würde schwer <strong>zu</strong> erklären sein ohne es <strong>zu</strong> demonstrieren und<br />

dafür <strong>war</strong> wir jetzt kaum <strong>die</strong> r<strong>ich</strong>tige Zeit. „Mach dir deswegen keine Sorgen. Ich werde da sein, ohne<br />

Auto.“<br />

Sie lehnte ihren Kopf <strong>zu</strong>r Seite und sah einen Moment so aus, als würde sie weiter<br />

nachfragen wollen, än<strong>der</strong>te aber dann doch ihre Meinung.<br />

„Ist es schon später?“ fragte sie und erinnerte m<strong>ich</strong> an unsere noch n<strong>ich</strong>t beendete<br />

Unterhaltung in <strong>der</strong> Cafeteria; sie ließ <strong>die</strong> eine schwierige Frage fallen um dann direkt <strong>zu</strong> einer<br />

an<strong>der</strong>en noch unangenehmeren <strong>zu</strong> kommen.<br />

„Ich vermute es ist später,“ stimmte <strong>ich</strong> wi<strong>der</strong>willig <strong>zu</strong>.<br />

Ich parkte vor ihrem Haus und <strong>war</strong> angespannt als <strong>ich</strong> überlegte wie <strong>ich</strong> es ihr erklären<br />

könnte… ohne meine monströse Natur <strong>zu</strong> sehr <strong>zu</strong> offenbaren, ohne sie wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> ängstigen. O<strong>der</strong><br />

<strong>war</strong> das falsch? Meine Dunkelheit <strong>zu</strong> minimieren?<br />

Sie <strong>war</strong>tete mit demselben höfl<strong>ich</strong> interessierten Ges<strong>ich</strong>tsausdruck den sie beim Mittagessen<br />

aufgesetzt hatte. Wenn <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so ängstl<strong>ich</strong> gewesen wäre, hätte <strong>ich</strong> wohl darüber gelacht.<br />

„Und du willst wirkl<strong>ich</strong> immer noch wissen, <strong>war</strong>um du m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t jagen sehen darfst?“ fragte<br />

<strong>ich</strong>.<br />

„Naja, <strong>ich</strong> hab m<strong>ich</strong> eigentl<strong>ich</strong> mehr über deine Reaktion gewun<strong>der</strong>t,“ sagte sie.<br />

„Hab <strong>ich</strong> dir Angst gemacht?“ fragte <strong>ich</strong> und <strong>war</strong> <strong>mir</strong> s<strong>ich</strong>er, dass sie es verneinen würde.<br />

„Nein.“<br />

Ich versuchte n<strong>ich</strong>t <strong>zu</strong> lächeln, aber es gelang <strong>mir</strong> n<strong>ich</strong>t. „Tut <strong>mir</strong> leid, dass <strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> erschreckt<br />

habe.“ Und dann verschwand mein Lächeln gle<strong>ich</strong>zeitig mit jedem Anflug von Humor. „Es lag nur an<br />

dem Gedanken daran, wie es wäre wenn du dabei wärst… wenn wir jagen.“<br />

„<strong>Das</strong> wäre schlecht?“<br />

<strong>Das</strong> Bild in meinem Kopf <strong>war</strong> <strong>zu</strong> viel – Bella, so verletzl<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> leeren Dunkelheit: <strong>ich</strong> selbst,<br />

außer Kontrolle… <strong>ich</strong> versuchte es aus meinem Kopf <strong>zu</strong> verbannen. „Sehr.“<br />

„Weil…?“<br />

Ich atmete tief durch und konzentrierte m<strong>ich</strong> für einen Moment auf den brennenden Durst.<br />

Fühlte ihn, managte ihn, bewies meine Gewalt über ihn. Ich würde m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t mehr kontrollieren<br />

müssen – <strong>ich</strong> wollte so sehr, dass es wahr wäre. Ich würde s<strong>ich</strong>er für sie sein. Ich starrte auf <strong>die</strong><br />

willkommenen Wolken ohne sie <strong>zu</strong> sehen, wünschte <strong>mir</strong> <strong>ich</strong> könnte glauben, dass meine<br />

Entschlossenheit irgendeinen Unterschied machen würde, wenn <strong>ich</strong> beim Jagen auf ihren Geruch<br />

stieß.


„Wenn wir jagen… geben wir uns ganz unseren Sinnen hin,“ erklärte <strong>ich</strong> ihr und überdacht<br />

jedes Wort bevor <strong>ich</strong> es aussprach. „Wir lassen uns weniger von unseren Köpfen leiten. Beson<strong>der</strong>s<br />

von unserem Geruchssinn. Wenn du irgendwo in <strong>der</strong> Nähe wärst, wenn <strong>ich</strong> so <strong>die</strong> Kontrolle über<br />

m<strong>ich</strong> verliere…“<br />

Ich schüttelte gequält meinen Kopf bei <strong>der</strong> Vorstellung was dann mit S<strong>ich</strong>erheit passieren<br />

würde – n<strong>ich</strong>t könnte, son<strong>der</strong>n würde.<br />

Ich lauschte auf ihren Herzschlag und drehte m<strong>ich</strong> dann ruhelos <strong>zu</strong> ihr um, um in ihren Augen<br />

lesen <strong>zu</strong> können.<br />

Bellas Ges<strong>ich</strong>t <strong>war</strong> gefasst, ihre Augen blickten ernst. Ihr Mund <strong>war</strong> le<strong>ich</strong>t geschürzt vor<br />

Besorgnis vermutete <strong>ich</strong>. Aber besorgt um was? Ihre eigene S<strong>ich</strong>erheit? O<strong>der</strong> meine Qual? Ich starrte<br />

sie weiter an und versuchte ihren vieldeutigen Ausdruck <strong>zu</strong> interpretieren.<br />

Sie erwi<strong>der</strong>te meinen <strong>Blick</strong>. Nach einer Weile wurden ihre Augen größer und ihre Pupillen<br />

weiteten s<strong>ich</strong> obwohl s<strong>ich</strong> das L<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t geän<strong>der</strong>t hatte.<br />

Mein Atem wurde schneller und plötzl<strong>ich</strong> schien <strong>die</strong> Stille im Auto <strong>zu</strong> summen, genau wie in<br />

dem dunklen Biologieraum <strong>die</strong>sen Nachmittag. Der pulsierende Strom zwischen uns erhob s<strong>ich</strong><br />

wie<strong>der</strong> und das Verlangen sie <strong>zu</strong> berühren <strong>war</strong>, kurzzeitig, stärker als das Begehren meines Durstes.<br />

Die pochende Elektrizität fühlte s<strong>ich</strong> an, als hätte <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> einen Puls. Mein Körper sang<br />

mit. Als wäre <strong>ich</strong> wie<strong>der</strong> ein Mensch. Mehr als alles an<strong>der</strong>e auf <strong>der</strong> Welt wollte <strong>ich</strong> <strong>die</strong> Hitze ihrer<br />

Lippen auf meinen spüren. Für eine Sekunde kämpfte <strong>ich</strong> verzweifelt um <strong>die</strong> Kraft, <strong>die</strong> Kontrolle,<br />

meinen Mund auf ihre Haut legen <strong>zu</strong> können…<br />

Sie atmete hastig ein und erst da merkte <strong>ich</strong>, dass, als <strong>ich</strong> begonnen hatte schneller <strong>zu</strong> atmen,<br />

sie ganz aufgehört hatte.<br />

Ich schloss meine Augen bei dem Versuch <strong>die</strong> Verbindung zwischen uns <strong>zu</strong> unterbrechen.<br />

Keine Fehler mehr.<br />

Bellas Existenz <strong>war</strong> an tausend anfällige, ausgewogene chemische Prozesse gebunden <strong>die</strong> alle<br />

so einfach <strong>zu</strong>m erliegen gebracht werden konnte. <strong>Das</strong> rhythmische Ausdehnen ihrer Lungenflügel,<br />

<strong>der</strong> Strom von Sauerstoff bedeutete Leben o<strong>der</strong> Tod für sie. Der flatternde Rhythmus ihres<br />

zerbrechl<strong>ich</strong>en Herzens konnte von so vielen dummen Unfällen o<strong>der</strong> Krankheiten unterbrochen<br />

werden o<strong>der</strong>… von <strong>mir</strong>.<br />

Ich glaube n<strong>ich</strong>t, dass irgendeiner aus meiner Familie zögern würde, wenn er o<strong>der</strong> sie eine<br />

Chance geboten bekäme <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>kehren – wenn er o<strong>der</strong> sie <strong>die</strong> Unt<strong>erste</strong>rbl<strong>ich</strong>keit gegen<br />

Sterbl<strong>ich</strong>keit würde eintauschen können. Je<strong>der</strong> von uns würde dafür durchs Feuer gehen. Für so viele<br />

Tage o<strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te brennen wie nötig.<br />

Die meisten unserer Art preisten <strong>die</strong> Unsterbl<strong>ich</strong>keit über alles an<strong>der</strong>e. Es gab sogar<br />

Menschen <strong>die</strong> danach strebten, <strong>die</strong> an dunklen Orten nach denen suchten, <strong>die</strong> ihnen das dunkelste<br />

aller Geschenke machen konnten…<br />

Wir n<strong>ich</strong>t. N<strong>ich</strong>t meine Familie. Wir würden alles dafür geben, Menschen <strong>zu</strong> sein.<br />

Aber keiner von uns hatte s<strong>ich</strong> je so verzweifelt danach gesehnt wie <strong>ich</strong> in <strong>die</strong>sem Moment.<br />

Ich starte auf <strong>die</strong> mikroskopisch kleinen Gruben und Risse in <strong>der</strong> Windschutzscheibe, als wäre<br />

eine Lösung in dem Glas v<strong>erste</strong>ckt. Die Elektrizität <strong>war</strong> noch n<strong>ich</strong>t verschwunden und <strong>ich</strong> musste m<strong>ich</strong><br />

konzentrieren um meine Hände am Lenkrad <strong>zu</strong> halten.<br />

Meine rechte Hand begann wie<strong>der</strong> <strong>zu</strong> stechen, aber ohne Schmerzen, von da wo <strong>ich</strong> sie<br />

vorher berührt hatte.<br />

„Bella, <strong>ich</strong> denke du solltest jetzt reingehen.“<br />

Sie gehorchte sofort ohne Kommentar, stieg aus dem Wagen aus und schlug <strong>die</strong> Tür hinter<br />

s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong>. Fühlte sie das Katastrophenpotential genauso deutl<strong>ich</strong> wie <strong>ich</strong>?


Schmerzte es sie genauso m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> verlassen wie es m<strong>ich</strong> schmerzte sie gehen <strong>zu</strong> lassen? Der<br />

einzige Trost <strong>war</strong>, dass <strong>ich</strong> sie bald wie<strong>der</strong>sehen würde. Eher als sie m<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong>sehen würde. Ich<br />

lächelte bei dem Gedanken, ließ dann das Fenster herunter und lehnte m<strong>ich</strong> herüber um noch einmal<br />

mit ihr <strong>zu</strong> sprechen – es <strong>war</strong> s<strong>ich</strong>erer, jetzt wo <strong>die</strong> Hitze ihres Körpers außerhalb des Wagens <strong>war</strong>.<br />

Sie drehte s<strong>ich</strong> um, neugierig was <strong>ich</strong> wollte.<br />

Immer noch neugierig, obwohl sie <strong>mir</strong> heute so viele Fragen gestellt hatte. Meine eigene<br />

Neugierde <strong>war</strong> vollkommen unbefriedigt; ihre Fragen <strong>zu</strong> beantworten hatte nur meine Geheimnisse<br />

aufgedeckt – <strong>ich</strong> hatte wenig von ihr bekommen außer meinen eigenen Vermutungen. <strong>Das</strong> <strong>war</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

fair.<br />

„Oh, Bella?“<br />

„Ja?“<br />

„Morgen bin <strong>ich</strong> an <strong>der</strong> Reihe.“<br />

Sie runzelte <strong>die</strong> Stirn. „An <strong>der</strong> Reihe womit?“<br />

„Fragen <strong>zu</strong> stellen.“ Morgen, wenn wir an einem s<strong>ich</strong>ereren Ort <strong>war</strong>en, umringt von Zeugen,<br />

würde <strong>ich</strong> meine Antworten bekommen. Ich grinste bei dem Gedanken und dann wendete <strong>ich</strong> den<br />

Wagen, da sie keine Anstalten machte, <strong>zu</strong> gehen. Sogar wenn sie n<strong>ich</strong>t im Auto <strong>war</strong>, hallte <strong>der</strong><br />

elektrische Schwung in <strong>der</strong> Luft wie<strong>der</strong>. Ich wollte ebenfalls aussteigen um sie <strong>zu</strong>r Tür <strong>zu</strong> begleiten,<br />

als Ausrede um an ihrer Seite <strong>zu</strong> sein…<br />

Keine Fehler mehr. Ich trat aufs Gas und seufzte als sie hinter <strong>mir</strong> verschwand. Es schien als<br />

würde <strong>ich</strong> ständig <strong>zu</strong> Bella hinrennen und dann wie<strong>der</strong> vor ihr wegrennen, aber nie bleiben. Ich<br />

würde einen Weg finden müssen, m<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> behaupten wenn wir jemals im Begriff sein würden<br />

irgendeinen Frieden <strong>zu</strong> finden.<br />

So….hier en<strong>der</strong> <strong>der</strong> deutsche Teil…ab Kapitel 13<br />

geht es auf englisch <br />

Chapter 13 Balancing<br />

As I sped down the winding road I knew what lay ahead for me. My home. As the woods thinned out<br />

Iknew what I had to face. My family. I’m sure Rosalie had informed them all in her own colourful<br />

words of my recent revelations to this human girl. The human girl that she could never be. The<br />

human girl thathad been materialised out of my own personal hell. The human girl that was my<br />

punishment for being amonster. The human girl who’s delectable scent still lingered with me. The<br />

human girl…<br />

Bella<br />

thatactually had accepted the fiend beside her for the entire day. Bella who’s touch had not been a<br />

mistakeon my ice cold hands. Bella…As I parked in the garage I shot a side glance at the red car next<br />

to me. Any happiness from the day hadgone. I had left it on Bella’s doorstep as I drove away only a<br />

short while ago. In hope she’d keep it safe,and welcome just as she had today.<br />

NO!<br />

I growled to myself.<br />

No. I hope she doesn’t welcome it into her home. For her own good. Shedeserves better than me.


I locked the car and just as I thought everyone, except Alice, was waiting for me. Their thoughts<br />

reachedme before I had even walked through the door. The loudest was the string of profanities<br />

from Rosalie.Then Jasper’s quiet laughter. My father had a confused sense of relief in his eyes but his<br />

thoughts wereworried.I <strong>mir</strong>rored his worries. About my sanity.<br />

Maybe Emmett’s right.<br />

I thought<br />

Maybe I am losing it.<br />

Esme looked like she would have tears of joy if she could. Her thoughts were a buzzing humming<br />

song. Adance of happiness and the only words I could catch were<br />

She’s special, son.<br />

‘’Oh crap, common ref’’ Emmett boomed from next to the TV before silently adding;<br />

You started this soyou deal with Rose now.<br />

‘’Did you want to talk, Ed<strong>war</strong>d?’’ Carlisle asked me in a tone that would be used on someone who’d<br />

justrecently lost his mind. I stared blankly at him, ignoring Rosalie’s glare, trying to concentrate on<br />

histhoughts. The same ones he had on the night I had taken him back to Port Angeles to show him<br />

those… Ifelt anger seep into me… those brutes. My fury trickled down my arms and to my hands. I<br />

clenched theminto fists as if to stop it from leaking further. Causing any more damage. Justifying the<br />

fact I was notgood enough for<br />

her<br />

.I tried to see through the haze and listen again to Carlisle’s thoughts.<br />

Ed<strong>war</strong>d, she’s special. Esme thinks so too. Look at the effect she’s having on you.<br />

I loosened my firstsslightly<br />

. The change that we all see in you is absolute. Turning back from this now would only hin<strong>der</strong><br />

everything you are and everything you have worked to be.<br />

Unexpectedly lost focus on his thoughts andsnapped my head up at Rose. My fury hadn’t completely<br />

waned yet and she had just ignited it higher. Igrowled at her unsaid words and her smug smile told<br />

me that this is the reaction she had wanted fromher sick thoughts. Thoughts of taking a pure<br />

innocent life of a girl who was only a danger to herself. ‘’How typically Rose. You should…’’ My words<br />

fell short as I dropped to my knees and cried out ‘’NO! No. Not, Bella, No.’’ Blood soak through her<br />

clothes, from her still, now lifeless cold body. Turning whiter. I couldn’t stand tolook. I threw my<br />

hands over my eyes but vision still plagued me and I let another cry of agony slip frommy mouth. The<br />

pain was unbearable. As if my heart was trying to rip through my chest. Like it had come.<br />

alive and started to beat only so I could feel it breaking inside me. The ache was almost too<br />

much…Another cry left my mouth as I saw myself beside her. Bloody hands and lips. A smile on my<br />

monster’sface ‘’STOP THAT, ROSE’’ I heard Alice say in a final tone. ‘’Pathetic’’ Rosalie answered and<br />

the visions ceased and I heard her footsteps going out the door. I got upin a quick, lithe movement<br />

and before I could follow her I felt Emmett’s heavy hand was on my shoul<strong>der</strong>. ‘’Cool down, kid. I’ll<br />

talk to her’’ his voice was low and concluding. ‘’I wasn’t going to<br />

talk<br />

to her’’ I murmured to him.Alice was at Emmett’s side now and she gave a indifferent look. I scoffed<br />

at her but Emmett was alreadyfollowing Rosalie’s footsteps out the door without another response.<br />

Alice slowly turned to look up at me ‘’ I don’t have to guess what she was thinking’’ she whispered to<br />

me ‘’But Ed<strong>war</strong>d if you only could…’’ ‘’Not now Alice’’ I cut her off abruptly still trying to control my<br />

irritation. I turned on my heel and as Idarted to<strong>war</strong>ds the stairs I gave Carlisle and Esme a small,


discarded look. Within a second I was insidemy room hearing the door close behind me as I went to<br />

stand by the grand window. I tried to block outall thoughts but instead was greeted by an<br />

unwelcome intru<strong>der</strong><br />

Almost tasted that blood, her sent the ruby pouring from her<br />

the brute whispered from within. At thatmoment my throat was set aflame and I closed my eyes<br />

imagining, welcoming the venom filling mymouth.I shot open my eyes and reached in my pocket for<br />

the bottle cap and as I touched it I felt the flamesfrom my throat subside and move to where she had<br />

touched my hand. A fire that I could stand. The heatstill unchangedWithout a seconds thought I went<br />

to turn on my music system in hope to drown out the bloody thoughtscompletely. As music filled the<br />

room I mindlessly started to hum out of tune. No, not out of tune… Thequiet lullaby of the beautiful<br />

sleeping girl drowned out the music in my own head.Not long before I could see her again. Of course<br />

she didn’t know this. I could imagine her face if shefound out that I watched her sleep. She would go<br />

running and leave Forks for good. Part of me hoped forthat. For her sake. Only for her sake.There<br />

was a quiet knock on the door and before I could tell her to go away Alice let herself in. I turned<br />

togaze at her as I slid the bottle cap back into my pocket. ‘’You’re going to see her again tonight<br />

aren’t you’’ she said morosely.I sighed ‘’What do you want, Alice?’’ She smiled at my failed attempt<br />

to sound aloof. ‘’Well…’’ She started walking to<strong>war</strong>ds me ‘’I think it’s very unfair that you’re keeping<br />

my future best friend all to yourself’’ She whined.I rolled my eyes and turned back to looking out of<br />

the window. ‘’Your future is becoming more solid, Ed<strong>war</strong>d’’ She continued ‘’Every time I have a<br />

flash of Bella Sawnbeing hurt, that hazy image is quickly replaced by a much more solid one of her…<br />

with you. Always withyou’’<br />

2<br />

Of course she would be with me. I was her protector. For now. For as long as it was justifiable. In<br />

myhead.<br />

Or until she runs from me, screaming as she goes<br />

I thought less hopefully. ‘’What do you want, Alice?’’ I repeated for lack new of words. ‘’Nothing right<br />

now’’ She began in a mischievous tone ‘’I can see you’re aren’t ready for<br />

that<br />

yet.‘’ Thenher voice became serious ‘’But the more you try and run from her, the more you can’t. So<br />

why not juststop, Ed<strong>war</strong>d. Stop and just accept…’’ ‘’…that I might kill her one day’’ I finished for<br />

her. ‘’No’’ She said is a lou<strong>der</strong> more sarcastic tone.I saw her eyes narrow in the reflection of the<br />

window and I let my head drop. She was standing next tome now. ‘’ You won’t do that. And you<br />

know it. You would have done it already if that was the to be, Ed<strong>war</strong>d. AndI was going to say that you<br />

need to accept her as part of your life now.’’ I said nothing. ‘’And mine’’ She added quietly ‘I have to<br />

go’’ I said abruptly. I didn’t even wait for her response as I ran out of the house. Racingthrough the<br />

woods as fast as possible. I was halfway to her house when I realised the irony of it all. Ishould be<br />

running<br />

away<br />

from Bella Swan. Not to<strong>war</strong>ds her. Running far far away from her. Leaving her toa life she was worthy<br />

of. Not obliterating it with every stride I took. It’s as if I had no control over myself.Right and wrong.<br />

It was all a chaotic blur. Completely tangled with one other. Just like Bella and I. Twoopposites that<br />

were being thrown together. She was right, beautiful and pure. I was wrong, monstrousand tainted.I<br />

stopped my thoughts in front of her house. My mind was telling my body that each step I was<br />

takingwas wrong and I should turn back. But that voice was fading the closer I got to her room.<br />

I quietlyslipped through the window and just as if she knew, she welcomed me through her slumber


with a lightmummer of my name. All the happiness was back. She bought it inside with her. It<br />

was here in her room.I stood very still and waited for her stirring to ease while saying my name over<br />

and over. It felt like I washome.<br />

This is wrong. So wrong.<br />

I growled.I waited another moment before I heard her steady breathing. Relaxed now I was<br />

conflicted betweenwalking to<strong>war</strong>ds her or going to take my usual place on the rocking chair.<br />

No more mistakes<br />

I reminded myself The rocking chair won. As I sat there her scent swirled all around me. Encroaching<br />

me all over again. Butit was getting a lot easier, even the monster was quiet. I wanted to go over and<br />

stroke her cheek. Just tofeel her soft, <strong>war</strong>m skin for one last time.<br />

And then again for the last time. And again…<br />

I was weak and greedy when it came to Bella. I just wantedmore and I knew I wouldn’t… Couldn’t<br />

stop myself.<br />

Before I knew it I was walking over to her bed slowly and was about to reach over to caress the side<br />

of her face when she stirred again. This time much more than before.She was awake!I threw myself<br />

on the floor and lay very still.Oh no! Did I wake her? Not only was interfering with her everyday life I<br />

was disrupting her sleep as wellnow. Yes I was greedy.<br />

Happy now?<br />

I thought to myself angrilyBella sat up in her bed and rubbed her eyes. I tried to slide un<strong>der</strong> bed<br />

discreetly in case she got out. Atthat moment I remembered what Rose had said.<br />

‘’Pathetic’’<br />

This truly was pathetic. I shouldn’t even be here.I heard her slump back down and I very quickly and<br />

quietly shifted to a shadow near the corner of theroom. I should have gone out the window. But all<br />

logic, all reason was beyond me now. Bella could wakeup and see me right here and I wasn’t even<br />

thinking about leaving anytime soon.I shook my head.<br />

And I thought<br />

she<br />

needed to be in a facility for<br />

her<br />

health?<br />

She tossed around some more. She really wasn’t peaceful this night. I wanted very much to lay next<br />

toher. To hold her. To ease whatever agitation that wasn’t allowing her to sleep. But I would<br />

probably justmake it worse. Throw her dreams of me into nightmares.As right they should be. A<br />

monster like me had no place in the dreams of an angel‘s creation. I had toleave her room right this<br />

moment. I looked at the window. ‘’Ed<strong>war</strong>d?’’ She said in a questioning tone. I froze. Had she really<br />

seen me? Was I really being socareless? She whispered my name again and threw her arm over her<br />

covers and encircled them with asmall smile on her face.I was undone.<br />

Sleep my sweet Bella. Sleep.<br />

I thought. And I let my back slide down the edge of the wall as I madepreparations to watch her<br />

sleep until the sun disturbed me.<br />

Chapter 14- Division


It had been only less than an hour since I slid out of Bella’s window and raced through the forest to<br />

getto my home. I had freshened up and changed for school. Funny I had never been eager for school<br />

beforebut Bella had abruptly changed that<br />

. She was changing more than just that though.<br />

I signed and shookoff the thoughts.Alice threw me the keys of my Volvo. As I caught it she gave me a<br />

solemn look and put her hands on herhips. She didn’t have to say anything. Or even think it for me to<br />

know what she wanted. I wasn’t yetrinsed of my blissful mood so instead of answering her and<br />

ruining the day before it began; I lookeddown and walked to<strong>war</strong>ds the back of the house. Rosalie was<br />

already at her car. Thankfully her vanitywas my saviour today. All she could think about was whether<br />

or not to give her shiny car a once overbefore parading it in school today.<br />

Oh not riding with us again, Ed<strong>war</strong>d?<br />

Emmett asked me.I turned around to look at him walking into the garage with Jasper close behind<br />

him holding Alice‘s hand.Her face still had the pout firmly in place. I said nothing but my mood was<br />

souring pretty quickly. Givingthem all a quick icy look, to silence their judgments, I climbed into my<br />

car and backed out of the drive.My mood started to lift slowly the closer I got to Bella’s house. Closer<br />

to having her near me again. Asmall part of me still hoped she would decline my invite. Refuse to ride<br />

in my car. Reject being next tome. A small part of me wanted her to keep her distance. To ignore me.<br />

But that small part was gettingsmaller with each day. I wasn’t sure if<br />

that<br />

was a good thing.I parked on the corner of her street and watched Charlie go pass in his cruiser then<br />

swiftly pulled into hisspot on the drive.My eyes focused straight up to her room window. I saw<br />

her steal a look through it, faintly hearing herheart skip half a beat as a lovely blush filled her cheeks.<br />

She was obviously hoping that I would be hereagain. The same as yesterday. I won<strong>der</strong>ed how long I<br />

could continue this bizarre routine with her… Thisshould end it now. Before it’s too late.<br />

It already is too late.<br />

I thought remembering my anger at the similar words she spoke to me the othernight. Half growling<br />

to myself I was uneasy now because I couldn’t find that comfortable spot I had beenin just recently.<br />

Trying to make right of a very wrong situation with no hope in sight.I watched her carefully, without<br />

making it apparent, as she closed her front door and walked to<strong>war</strong>ds thepassenger side of my car. I<br />

almost hit the locks and bolted out of her drive but as she got closer Icouldn’t stop her, or rather I<br />

didn’t want to stop her, from opening the door and climbing in. “Good morning” I said through a<br />

smile I didn’t even know had formed. “How are you today?” I lookedover her face and remembered<br />

how poorly she had slept. “Good, thank you.” she replied.Her eyes bright but the circles un<strong>der</strong>neath<br />

contradicted them “You look tired” I pushed, hoping to knowmore about what had kept her so<br />

restless. “I couldn’t sleep” she said simply without further elaboration. How frustrating this still was.<br />

Howfrustrating that I would never know. I watched her tuck her long brown hair around her<br />

shoul<strong>der</strong>. Tryingto conceal her neck? Bella was trying to ease my<br />

temptation<br />

?! I shouldn’t be amused by the thought, butI couldn’t help it. Slightly disgusted with myself and<br />

more so exasperated at her complete off sense of self preservation I let it go and started the engine<br />

instead. “Neither could I” I replied to her casually.<br />

She let out a small laugh as she responded “I guess that’s right. I suppose I slept just a little bit<br />

morethan you did” “I’d wager you did” Before I could speak again her questions were back “So, what<br />

did you do last night?” “Not a chance.” I interrupted, there was too much I didn’t know about her.


And I wanted to knoweverything “It’s my day to ask questions” “Oh that’s right’’ she replied<br />

her brow creasing for whatever unknown reason this displeased her “Whatdo you want to<br />

know’’ “What’s your favourite colour” I started off quickly.She rolled her eyes as if she had expected<br />

much worse “It changes from day to day” “What’s your favourite colour today” I pushed “Probably<br />

brown” What an odd choice. “Brown?” I mused with doubt in my voice. But before I could even ask<br />

why it waslike<br />

she<br />

read<br />

my<br />

mind. “Sure brown is <strong>war</strong>m. I miss brown. Everything that’s supposed to be brown - tree trunks,<br />

rocks, dirt -it’s covered up with squashy green stuff here” I was staring into her eyes now as I<br />

listened. Why did Iquestion her choice of colour? It was beautiful. Deep. Captivating.<br />

Stop starting at her<br />

I scowled at myself. “You’re right” I composed my thoughts and looked away. “Brown is <strong>war</strong>m”<br />

I concluded out loud.Instinctively my hand reached over to<strong>war</strong>ds her. I wavered for less than half a<br />

second before brushingher hair back behind her shoul<strong>der</strong>s.She shouldn’t have to worry about my<br />

temptations. She shouldn’t have to worry about anything.As I drove into the school, easily pulling<br />

into a parking space, I turned back to look at Bella again. I didn’twant to have to part and go to class.<br />

I wanted her to stay in this car with me. I wanted to look into hereyes some more. To watch her lips<br />

move as she talked. To smell her scent as she played with her hair.Ignoring the burn that formed now<br />

at the back of my throat I knew I didn’t want her away from me foreven a moment.<br />

Stop it.<br />

I fought with myself again.<br />

It’s already gone beyond the realms of sanity, do I really need to push this any further<br />

.No I wouldn’t need to push. That was the problem. This was going tospin out by itself whether I<br />

pulled or pushed.I was bounding out of control and I needed to be reignedback in.Bella belonged in<br />

the sunlight. I belonged in the darkness. Where my true self could never seen.<br />

Exiled.<br />

The way I stared at her, the way she smelled to me…She should be running from my car right about<br />

now.<br />

There just wasn’t, and never will be, any common ground between us<br />

. Safer to continue my quizzing. “What music is in your CD player right now?” As she mentioned the<br />

name of the band I let a half smile reign over my face and my recent thoughts.The irony was, as<br />

always, just on time. I reached into my CD compartment, flipped through the CD’s tofind one in<br />

particular. I couldn’t help but feel a little smug at proving myself wrong.<br />

No common ground<br />

Imused…<br />

6<br />

“Debussy to this?” I handed Bella a CD. She looked at the cover and recognised it. It was the same<br />

CDshe had just mentioned.The day continued in a lazy, repetitive pattern. But I never bored.As usual<br />

her silent mind gave me no answers so I asked question after question. Revelling in thefascinating<br />

details whilst walking her to her classes, through to the lunch hour. I gathered the kind of movies she<br />

liked. She hadn’t travelled very much but she yearned to explore the world. I asked abouther<br />

favourite books. This seemed to enthuse her. She had a lot to say on what a good book should belike<br />

and what she had read. She answered all my questions, mostly with a perplexed uncertainty.


Some,though, made her blush. This would amuse me and I pressed the subject further just so I could<br />

watchthe colour in her cheeks deepen. Now I was intrigued as to why a simple question about her<br />

favouritegemstone, wh<strong>ich</strong> she said was topaz, had reddened her cheeks so quickly. “Tell me” I<br />

demanded afterher reluctance to answer.She looked away from my face and sighed in defeat.<br />

Playing with her hair she spoke quietly “It’s thecolour of your eyes today.” She looked anxious as she<br />

added “I suppose if you asked me in two weeks I’dsay onyx” Brushing it off completely, before I<br />

started to get irritated at her close observations, I resumed with thenext question. “What kind of<br />

flowers do you prefer?” She seemed just as pleased for the subject change.My quizzing paused in<br />

Biology as Mr Banner had decided to finish the video we were watching onPhotosynthesis. I<br />

discreetly slid my chair a little further away from Bella in anticipation of that strangeelectricity that<br />

seemed to intensify in the darkened room.It didn’t help. At all.I watched Bella in the dark as she<br />

leaned for<strong>war</strong>d on the table resting her chin in her folded arms. Istarted at her face for a long<br />

moment before my eyes wan<strong>der</strong>ed over her hair noticing her handsclenched over the table’s edge<br />

just like mine.<br />

No common ground<br />

I thought again without humour. Thehour dragged on the same as before and same as before I had<br />

the urge to reach over and touch her softskin, to feel the <strong>war</strong>mth of her hand in mine. Several times<br />

I almost did but stopped myself. I knew thatit would open a flood gate. But nothing was stopping me<br />

from making mistake after mistake. As thevideo ended and the lights were back on, I stood and<br />

was about to walk out the door and never look backbut my feet refused to move. I was frozen on the<br />

spot. I realised now that it was not about if I<br />

would<br />

walk away from Bella. It was about if I<br />

could.<br />

And in this moment, it was clear, I could not.As I walked Bella to her gym class in silence I folded into<br />

myself. I had no will left. Every ounce of energyI was putting into keeping my distance from her was<br />

futile. She was the center of every thought I hadnow. How could I escape that? We stopped in front<br />

off the gym I reached out, with no second thought orany hesitancy, and touched her face with the<br />

back of my hand. The fire never ceased to shock me.I turned without a word and walked to Spanish.<br />

Emmett was waiting for me, leaning against a walloutside of class.<br />

Hey kid, you look a ton better than this morning.<br />

He assumed “Thanks” I mumbled quietly. I didn’t know how to respond to the word<br />

better.<br />

We settled into class<br />

.<br />

Ibegan to rummage through the minds of Bella’s classmates and teacher. Trying every angle to get<br />

abetter view of her face. That boy Newton was still in a hostile mood to<strong>war</strong>ds Bella. This annoyed<br />

megreatly mostly because his hostility was misplaced. I wanted nothing more than to go over there<br />

andsnap his frail racket holding arm…<br />

Hey Ed<strong>war</strong>d what’s wrong.<br />

I looked at Emmett and I realised I was almost out of my seat.<br />

“Nothing” I whispered climbing back in. Then I signed quietly. How long was I going to keep this<br />

mutedbarrier up against my siblings? “It’s Mike Newton” I added “He’s really beginning to bother<br />

me” Emmett didn’t think anything more on that. And I listened to his thoughts coming out with a<br />

dozenreasons and conclusions to this ‘mess’ as he called it.Class was finally over and I gave Emmett a


defeated look and hurried to the gym. To Bella.A wide smile spread across her face and she sighed<br />

quietly to herself. I smiled back just as wide andrelieved.I didn’t allow too long of a silence before my<br />

questions began. This time I wanted the whys and hows of her answers. I wanted to know about her<br />

life before Forks. Before me. Although that wasn’t a pleasantthought it was as if I was trying to<br />

compensate for not being able to see into her mind. The firstraindrops started to give way to heavier<br />

ones as we sat in front of her father’s house for hours while shetold me every scene, every scent and<br />

every detail from her life in Phoenix. I noticed the time as shefinished off the description of her old<br />

messy room. “Are you finished” She asked at my silence. “Not even close - but your father will be<br />

home soon” “Charlie!” She said loudly, as if she had forgotten where we were. “How late is it” her<br />

eyes widenedslightly as they found the clock. “It’s twilight” I said mostly to myself. I looked across<br />

the horizon as I won<strong>der</strong>ed whether to continue thatsentence. I looked back at Bella, she was staring<br />

at me like she knew there was more “It’s the safesttime of day for us” I caved. “The easiest time. But<br />

also the saddest, in a way… the end of another day,the return of the night. Darkness is so<br />

predictable, don’t you think?” “I like the night. Without the dark, we’d never see the stars. Not that<br />

you can see them here much” Sheanswered and I laughed at her continuous findings of faults for<br />

Forks. “Charlie will be here in a fewminutes. So, unless you want to tell him you’ll be with me on<br />

Saturday…” “Thanks, but no thanks” She started gathering her books. “So is it my turn tomorrow,<br />

then?” “Certainly not!” I scowled with a smile. “I told you I wasn’t done, didn’t I?” “What more is<br />

there?” “You’ll find out tomorrow.” I concluded and reached across to open her door. In the midst of<br />

hearing herheart starting to race I heard a car nearing the house and another voice. I had to calm<br />

myself fromalmost ripping the door handle off. “Not good” I said quietly “What is it?” Bella asked a<br />

little shockedI looked at her bewil<strong>der</strong>ed expression and said “Another complication” I let the door fly<br />

open and quickly moved away from her. A dark car pulled up on the curb. My controlwasn’t going to<br />

last. Bella needed to get inside her house. Now. “Charlie’s round the corner” I saidgrimly. She<br />

instantly climbed out and into the rain. I glared back at the car and sped out of there withoutanother<br />

word.<br />

Chapter 15 - Back and Forth<br />

“Should I say ‘have fun’ or is that the wrong sentiment?” Bella asked turning back to look at me. “No<br />

’have fun’ works as well as anything” I said grinning at her candidness “Have fun then” “I’ll try. And<br />

you try to be safe” I cautioned “Safe in Forks - what a challenge” She said sarcastically “For you itisa<br />

challenge.” How little she knew herself “Promise.” I urged “I promise to try to be safe. I‘ll do the<br />

laundry tonight - that ought to be fraught with peril” “Don’t fall in” I said keeping with her mocking<br />

tone “I’ll do my best” I stood up. Bella followed suit and sighed “I’ll see you tomorrow” She looked<br />

unhappy and I knew why. Because I felt it too (though I knew I would see her before she sawme). “It<br />

seems like a long time to you, doesn’t it?” And she nodded confirming what I thought. “I’ll be there in<br />

the morning” I said and reached over to touch her face, brushing across her cheekbone.When I<br />

realised what I was doing I turned and walked away without another word.Alice was at the car,<br />

grinning, as I approached. She was ecstatic to have made contact with Bella today.As if that was a<br />

green light for her.She didn’t have free reign yet . I grimaced at her thoughtsI drove home in silence…<br />

on my part anyway, I couldn’t control Alice’s thoughts. But I knew if I saidanything it would just<br />

worsen the images in her head. I parked the car in the garage and made my wayinto the house with<br />

Alice just a step behind. Esme was in the dining room and Alice skipped around me tokiss her on the<br />

cheek. And then they both turned to look at me. I shifted on the spot and put my handsin my<br />

pockets, not able to meet their gaze I stared at the tips of my shoes. They didn’t speak but<br />

theirthoughts were almost identical. Neither of them saw me making a mistake. They didn’t think of<br />

it thatway. They were sure I wouldn’t undo Carlisle’s teachings. My fingertips found the bottle cap in


my rightpocket as I looked up at Esme. Through her mind I saw my face. It looked agonised, pleading<br />

almost.She was by my side in an instant, her hand on my face “You won’t fail, Ed<strong>war</strong>d.” she tried to<br />

reassure me “You are stronger than you think, son” “She’s right Ed<strong>war</strong>d,“ Alice chimed in “Do you<br />

really think I would let you be alone with Bella if I saw youhurting her? I wouldn‘t be able to bear it<br />

almost as much as you” “I guess you’re right Alice but…” I couldn’t bring myself to say my<br />

uncertainties out loud. Looking atEsme’s clear, determined face and then at Alice’s, how could I tell<br />

them when they had such faith in me?I couldn’t break that. No I couldn’t. I wouldn’t.I<br />

shouldn‘t…“We’ve got to go Ed<strong>war</strong>d, Bella will have finished class soon” Alice cut through my<br />

thoughts13 “Yes of course “ I said too formally. And hurried out the door giving Esme a half smile.<br />

She beamed backopenly.Alice and I reached Bella’s house and she gave me a wink and she flew to<br />

get the key from un<strong>der</strong> theeave and let herself in. I trailed right on her heel but once inside I didn’t<br />

follow her upstairs to Bella’sroom. I lingered in the hallway waiting for Alice to find the key. She was<br />

back in an instant “Ready?” Sheasked in her high voice.I looked at the inside of the house one more<br />

time, I’d only seen it in the dark before. I sighed andheaded out the door “Don’t forget to put the key<br />

back un<strong>der</strong> the eave, Alice” I called behind me but heranswer came from near Bella’s truck “All done”<br />

she s<strong>mir</strong>ked at me.I got into the drivers seat and Alice handed me the key as she slid in beside me.<br />

We were halfway to theschool when Alice spoke “Ed<strong>war</strong>d, I love Bella too, you know. And I couldn’t<br />

possibly let anything happento her” I didn’t speak “And you know how Jazz feels now. He doesn’t<br />

un<strong>der</strong>stand but he won’t step out of line.“ “Yes, Alice but maybe Emmett and Rose…” She cut me off<br />

“Oh Emmett thinks you’re crazy, sure, but he means no harm.” She was silent for amoment as she<br />

thought about Rosalie “Rose’s hostility to<strong>war</strong>dsmedoesn’t bother me as much as her thoughts<br />

to<strong>war</strong>ds Bella” I retorted back ather thoughts “Hmmmm yes Rose. She just needs… time. That’s all.<br />

She’ll come around soon. She just doesn’t see ityet butobviously I do” She didn’t sound convincing<br />

and her thoughts betrayed her. Rosalie was going tobe a problem. That much was certain.We<br />

reached the school and I parked the truck easily.Alice jumped out and waited for me. I turned the<br />

engine off and left the key in. Then I pulled out my penfrom my inside jacket pocket and looked for<br />

paper in the glove compartment “On the floor behind your seat“” Alice helped. I looked at her half<br />

scowling but she just smiled backinnocently. I found the note pad, tore a piece off and threw it back<br />

behind me. I thought about what towrite but decided that there was only one thing I needed Bella to<br />

do for me before I was able to see heragain.Be safeI folded the note, got out of the truck and placed<br />

it on the seat.<br />

Chapter 16 - Ready or Not<br />

Elks never seemed to satisfy me, but I didn’t want to go very far. And in the park that was all Alice<br />

and Icould find of substance.She didn’t actually hunt much. Just watched me most of the time. She<br />

wasn’t thirsty, just accompanyingme on this very necessary and fruitless trip. Necessary because I<br />

couldn’t allow myself to be thirstytomorrow even the slightest. And fruitless because no matter how<br />

many elks I slayed it would be in vainthe moment Bella’s scent caught up to me again.I wouldn’t<br />

think of that now.Finishing off my fourth meal of the evening, I felt full to the brim when Alice put<br />

her hand on my shoul<strong>der</strong>Ed<strong>war</strong>d, I really think that’ll be enoughI looked up and met her eyes. She<br />

had a small crease betweenher brows. Pulling back, sheepishly I cleaned the side of my mouth. Doing<br />

this for as long as we have, itwas an art form of sorts and we seldom made much of a mess. “Shall we<br />

go back now? Or did you want to test the theory that vampires can‘t get sick?” She teased me. “I’m<br />

finished.” I replied “Good. Jasper’s waiting for me and… everyone else is waiting foryou” “Sorry” I felt<br />

guilty for making her come with me when she didn’t need to but I wasn‘t looking for<strong>war</strong>d toanother


ound with my family. “It’s okay, they won’t be too much trouble. And this trip was for Bella” I<br />

narrowed my eyes and murmured “For Bella.” She laughed her bell like laugh and started to run<br />

backCome on slow coach, You need to change before you go to her house don’t you? Reaching the<br />

house before her, of course, I leaned back against the wall to wait, grinning when shefinally caught<br />

up “Slow coach?” I said feigning innocenceShe squinted her eyes at me and darted into the house. I<br />

wasn’t as eager to follow but I figured I mightas well get it over with, Bella will be sleeping soon and I<br />

didn’t want to miss a moment.As I hesitated by the door I heard Emmett talking “Rose, come on, he’s<br />

done well so far give him somecredit” “That’s only because there were always too many witnesses”<br />

she hissed back. “Not true…” Emmett began stifling a laugh “He’s with her alone in her room most<br />

nights or don’t youknow?” “Thanks, Emmett… But I’m not worried about his creepy,<br />

perversebehaviour.” She accentuated the word’perverse’ making me cringe “I like it here. I really<br />

don’t want to have to move again so soon, that’s all” Emmett was too busy laughing, when I finally<br />

walked in. He turned to look at me wh<strong>ich</strong> only made hislaughter more boisterous. I shook my head<br />

trying to rid myself of his thoughts.<br />

Chapter 17<br />

“YOU are going to ruineverythingtomorrow.” Rosalie shrieked at meI looked at the floor, not out of<br />

embarrassment but to control my anger. I wouldn’t be able to stop myself if she said anything about<br />

Bella. “Rosalie please…” Carlisle began “Oh what’s the point Carlisle? He’s made his choice. He’s<br />

chosenher over his sister. Over all of us” “That‘s not the case here” Carlisle continued his voice<br />

hardening. “Yeah, it’s called faith, Rose” Alice’s joined in “You’re all just placating him, making it<br />

worse until it‘s…” she narrowed her eyes refocusing on me “Untilit‘s meal time” That did it. “Ed<strong>war</strong>d<br />

don’t!” Alice shrilled but it was too late. Before I knew it I was airborne, lunging for Rosalie. Iheard a<br />

snarl rupture from her as I collided with Emmett who had darted between us. He wrapped hishuge<br />

arms around to restrain me but I couldn’t stop my own snarls ripping through me. Glaring solely<br />

onRosalie‘s blazing eyes as she bared her teeth but made no sound.I became a<strong>war</strong>e that a calming<br />

wave of serenity was washing over me. Jasper was trying to defuse thesituation but it wasn’t enough<br />

to contain my anger.I was ready to try and fight off Emmett when I felt a hand on my chest. Esme.She<br />

was looking at me with concerned pleading eyes. In her mind I saw my own face. I looked like… likea<br />

vampire. I immediately slumped, almost limp, in Emmett’s arms.Rosalie stormed out of the room in<br />

the blink of an eye and Emmett let me loose. “Emmett you should go after her” Alice said, her face<br />

twisted up in apprehension “Now Emmett… I don’tthink Esme wants herentirekitchen destroyed”<br />

Emmett looked at me for a long moment. But he wasn’t angry, just confused. He hated choosing<br />

sides.He sighed heavily and then went through to the kitchen.I was about to fly up to my room when<br />

Carlisle spoke “Will you be bringing Bella to… meet the family, Ed<strong>war</strong>d?” I glanced at him for half a<br />

second before slowly turning, with accusing eyes, to frown at Alice. “I was just telling Carlisle the few<br />

possible futures I saw for tomorrow, that all” she said with a ring of innocence in her voice and eyes<br />

wide.It was impossible not to believe her. My eyes fluttered to Jasper for a second as I answered<br />

Carlisle “Idon’t know” There was a ear splitting smash from the kitchen. “If you decide to bring Bella<br />

here I’d be more than happy to welcome her” Carlisle continued16 “And I would love…liketo meet<br />

her too” Esme began as she started to walk to the back of the house “but right now I’d like to salvage<br />

what’s left of my kitchen or Emmett for that matter” she smiled <strong>war</strong>mlyand disappeared.Jasper’s<br />

thoughts filled my mind.I don’t know about bringing Bella here Ed<strong>war</strong>d… I’m not sure…He wasscared<br />

that he wasn’t strong enough. I looked at him through narrowed eyes “Give him some credit,<br />

Ed<strong>war</strong>d” Alice cut in bitterly “Just keep your distance” I snapped at Jasper ignoring Alice’s glare.I


needed to get out of here. “Sorry” I whispered while fleeting to my room and slamming the door<br />

behindme.I couldn’t take anymore of this. Everyday was a chore. Juggling my family and Bella.<br />

Sometimes I didn’tknow if I was protecting Bella from my family and myself or protecting my family<br />

from Bella? I wasshaking my head as I looked for clothes in my closet. I needed to be near Bella<br />

again. My anxietiesseemed to melt away when I watched her sleep.I found a white shirt and blue<br />

jeans as there was a light knock on my door. If I ignored her she might goaway. “Oh stop being<br />

melodramatic, Ed<strong>war</strong>d” Alice walked in without consent “I just wanted to see you beforeyou left,<br />

that‘s all” I turned to glare at her as she sat herself on my long black leather couch, folding her hands<br />

over herchest tightly. “You love her, and as soon as you realise just how much you’ll stop all this over<br />

done brooding stuff” shequipped, winking at me. I couldn’t help giving her a half smile. Iwasrather<br />

doom and gloom lately, Ithought as I picked a tanned sweater out. “Hurry up, she’s almost<br />

asleep…well she trying” Alice told me whilst eyeing my chosen clothes. Then shechuckled blocking<br />

out whatever thought that amused her just then and flitted out of the room. Eyeing myclothes I<br />

won<strong>der</strong>ed what that was about. I hurried to freshen up and change.Racing out of the house and<br />

running through the forest alleviated me almost instantly. The speed and thewind made me feel free<br />

of all the weight I felt in the house. The unneeded air was welcome in my lungsand I breathed it in<br />

deep.Bella was fast asleep but her body didn’t look entirely relaxed. She had headphones in with the<br />

music stillgoing. I won<strong>der</strong>ed if I should turn it off. But decided against it. Partly because I didn’t want<br />

to wake herand partly because that was just excuse to touch her. I shook my head.Instead I sat<br />

quietly in the rocking chair thinking of the day ahead. Could I really be alone with Bella forthat<br />

long?No witnesses…An echo of the monster inside me reminded. It wasn’t as strong as before. The<br />

monsterwas getting weaker.But he was still there.I concluded wryly.Bella seemed more peaceful as<br />

the night moved for<strong>war</strong>d.I watched her steady breathing and took in her scent every so often with<br />

exaggerated deep breaths. Itburned.Deal with it I told myself and breathed even deeper.I thought<br />

about leaving in the morning and cancelling the trip. “Nope” she replied. She hadn’t told her father?<br />

“But Jessica thinks we’re going to Seattle together?” At least someone knew that she was with me,<br />

Icouldn’t slip up now. “No, I told her you cancelled on me - wh<strong>ich</strong> is true” “No one knows you’re with<br />

me?” How could she be so stupid, didn’t she un<strong>der</strong>stand what I was capableof? “That depends… I<br />

assume you told Alice” “That’s very helpful, Bella” What an apt time to make jokes. She didn‘t reply<br />

and I just got harsher “Areyou so depressed with Forks that it’s made you suicidal?” “You said it<br />

might cause trouble for you… us being together publicly” “So you’re worried about the trouble it<br />

might causeme- if youdon’t comehome”I tried hard not to raisemy voiceBella just nodded, and didn’t<br />

turn to look at me. “Of course you’d make this as difficult as possible for me” I murmured so slow<br />

there was no hope of hercatching that.We drove silently for the rest of the journey, if I spoke now it<br />

would only come out as a growl orprofanities. Neither of wh<strong>ich</strong> I wanted Bella to hear.We arrived at<br />

the beginning of the narrow marked out trail. Bella parked the truck on the edge and gotout. I waited<br />

a moment and watched her remove her sweater and tie it around her waist. She had on asleeveless<br />

shirt. He ivory skin looked soft. Warm. I shook my head quickly and looked up at the sky. Thesun was<br />

beginning to shine brighter now making the day much <strong>war</strong>mer. Climbing out, I removed my<br />

ownsweater but placed on the seat. Then I slammed the truck door to catch Bella’s attention. I kept<br />

my bodyfacing for<strong>war</strong>d into the vast forest awaiting us, but turned my face to look over my shoul<strong>der</strong><br />

as I spoke “This way” The annoyance was still clear in my voice and I began to walk into the forest.<br />

“The trail” Bella’s voice was frightened. “I said there was a trail at the end of the road, not that we<br />

were taking it” “No trail” the same panic in her voice. She was actually reacting as she should. “I<br />

won’t let you get lost” She seemed like she choked on whatever she was going to say as I turned to<br />

s<strong>mir</strong>k at her now. Her eyesmet mine and I was confused by the sadness I saw in them. Why would


she beupset ? “Do you want to go home” I asked quietly. I didn’t want her to go but I couldn’t let her<br />

be this frightened “No” she replied and then walked beside me closer as if to affirm her answer.<br />

“What’s wrong?” my voice calmer now. “I’m not a good hiker. You’ll have to be very patient.” she<br />

replied unhappily20 “I can be patient - if I make a great effort” I stared down at her face smiling,<br />

trying to ease her fear. “I’ll take you home” I finally promised hoping to relieve her doubts. “If you<br />

want me to hack five miles through the jungle before sundown, you’d better start leading theway”<br />

she said sourly. I couldn’t un<strong>der</strong>stand why she would be angry now. I frowned at her but sheoffered<br />

me no answer. So I began into the forest and she followed. She seemed to relax once we gotdeeper<br />

and I didn’t want her falling so I would hold aside all the damp ferns and moss webs for her.<br />

Andwhenever we would encounter obstacles such as fallen trees or rocks I would help her, lifting her<br />

gentlyby her elbow. The <strong>war</strong>mth of her skin stunned me every time. And I could hear her heartbeat<br />

accelerate.I wasn’t sure if that was a good thing. Maybe it was out of fear. Her eyes were sad<br />

whenever I caughther looking at me. We carried on walking mostly in silence unless I offered a<br />

question. I was lighter withthe quizzing today. She told me she had killed all her pet fish and this<br />

made me laugh loud. It was such arelief to be able to laugh this way. So openly. So fully. It felt so<br />

good.We carried on walking through the green maze at human pace. It didn’t bother me to take it<br />

this slow. It just meant more time with Bella. The ancient trees continued to bound out around us as<br />

we continued onmy path. We were close to the meadow now and the sun was beginning to shine<br />

down on the murkygreen, brightening it vividly. I could hear the rhythm of the gentle stream, and see<br />

the white, violet andyellow colours of the wild flowers ahead. “Are we there yet?” Bella mockedThat<br />

made me smile to hear that her mood was more lifted. “Nearly, do you see the brightness ahead?”<br />

She squinted “Um, should I? “Maybe it’s too soon foryour eyes” “Time to visit the optometrist” She<br />

was much happier now. I grinned at her ease.After another a few moments Bella began to over take<br />

my stride. Walking ahead, almost eagerly, into thebright yellow shades. She walked through into the<br />

perfect round meadow looking around at the beauty of it. I stayed behind un<strong>der</strong> a dark shade<br />

watching her <strong>war</strong>ily. She turned her head to find me and thenspun her whole body round until her<br />

eyes rested on mine. Could I do this? Could I show her what I am.She knew of course, but toseeit…<br />

would it be too much? Would she allow me to take her back to thetruck before she started<br />

screaming? I sighed almost silently to myself as Bella watched. Anticipation onher face. To my<br />

surprise she took a step to<strong>war</strong>ds me and smiled. I didn’t move. Again another stepto<strong>war</strong>ds me as she<br />

gestured with her hand for me to come closer. I held up my hand quickly. I didn’twant her to get too<br />

close.Okay it was time. I took one last unneeded deep breath and walked out un<strong>der</strong> the bright glow<br />

of themidday sun. “I’m not used to feeling so human. Is it always like this?” “For me?” she hesitated<br />

a little “No, never. Never before this” Holding her hands in mine I told her yet another uncontrollable<br />

truth “I don’t know how to be close to you. I don‘t know if I can” But I want to. I never want you to be<br />

awayfrom me. The last part I couldn’t say aloud.And then surprising me Bella leaned to<strong>war</strong>ds me and<br />

placed the side of her face against my chest andmurmured “This is enough.” She was right… This was<br />

enough. Just to have her so close. Protected. I’d never let anything harm thisbeautiful girl in my arms<br />

right now. Least of all me.I leaned down and put my face on her <strong>war</strong>m head, inhaling the scent of her<br />

hair. Was I smellingstrawberries? It was faint but it was there. “You’re better at this than you give<br />

yourself credit for” she interrupted my musing. “I have human instincts - they may be buried deep,<br />

but they’re there” We sat like that as I watched the sun fade away. The sky changed from a deep<br />

yellow to a musty orange.And darker still. Now the sky began to dull into a more grey and Bella<br />

sighed, Her breath stirred the airaround us. I realised it must be time for her to head back “You have<br />

to go” “I thought you couldn’t read my mind” she said “It’s getting clearer” I mocked. Oh how I wish<br />

it were true. But her mind was just as silent as the firsttime I encountered her. And then something


occurred to me. Excited me. I pulled her shoul<strong>der</strong>s back.She looked up at me with confusion at my<br />

sudden exhilaration “Can I show you something? I asked “Show me what?” “I’ll show you howI travel<br />

in the forest” I was thrilled at the idea of showing her how I ran. Showing hermy speed.Now Bella<br />

looked even more bemused and slightly fearful. “Don’t worry, you’ll be very safe, and we’ll get to<br />

your truck much faster” I half smiled at her. “Will you turn into a bat?” She asked quietly.I boomed<br />

with laughter. I don’t know if it was Bella’s face as she asked me that or the sheer anticipationof<br />

having a non vampire to share this with but I laughed loud. Lou<strong>der</strong> than I can ever<br />

rememberlaughing. “Like I haven’t heard that one before!” “Right I’m sure you get that all the<br />

time.”31 “Come on, little co<strong>war</strong>d, climb on my back” She looked at me as if I had just told a bad joke.<br />

So without wasting more time trying to convince her Ireached out to pull her on my back. I felt her<br />

heart fluttering like a butterfly. Her scent whirled aroundme as she secured her arms and legs around<br />

me tightly. Her face next to mine. Her breath on my neck. “I’m a bit heavier than your average<br />

backpack” she <strong>war</strong>ned. “Hah!” I exhaled. She wasn’t getting out of this one.I took her hand and<br />

pressed my face into her palm, inhaling deeply. “Easier all the time” And it was true.Then I began to<br />

run.

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