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Abschlussbericht Freistrahlanlagen Banter See Technik.pdf

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Institut für Innovations-Transfer<br />

Institut für Energie-, Verfahrens- und Umwelttechnik<br />

Jade Hochschule, Wilhelmshaven<br />

Prof. Dr.-Ing. Peter Lücking<br />

Dipl.-Ing. Richard Liesegang<br />

Dipl.-Ing. Jörg Scheltwort<br />

Freistrahl-Anlagen im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong><br />

<strong>Abschlussbericht</strong> <strong>Technik</strong><br />

Auftrag der Stadt Wilhelmshaven vom 27.07.2007<br />

Januar 2013


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Veranlassung ...................................................................................................................... 3<br />

2 <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> .......................................................................................................................... 4<br />

3 Cyanobakterien (Blaualgen)................................................................................................ 6<br />

4 Sanierung und Restaurierung ........................................................................................... 10<br />

5 Freistrahlverfahren ............................................................................................................ 15<br />

6 Auftrag ............................................................................................................................... 18<br />

7 Auslegung, Konstruktion, Bau, Infrastruktur, Kosten ......................................................... 19<br />

8 Ergebnisse ........................................................................................................................ 32<br />

9 Parallele Ereignisse ........................................................................................................... 45<br />

10 Befragung von <strong>See</strong>nutzern .............................................................................................. 51<br />

11 Bewertung und Ausblick .................................................................................................. 54<br />

12 Zusammenfassung .......................................................................................................... 56<br />

13 Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 57<br />

2


1 Veranlassung<br />

Die im jahreszeitlichen Rhythmus in Gewässern auftretenden verstärkten Wachstumsphasen<br />

von Phytoplankton sind natürlich und im Grunde genommen problemlos. Wenn ein übermäßiges<br />

Planktonwachstum, eine sog. Blüte zu beobachten ist, so deutet das i. Allg. auf ein<br />

Überangebot von Nährstoffen hin. In ruhenden Gewässern wird weltweit zunehmend ein hoher<br />

Anteil an Cyanobakterien oder Blaualgen festgestellt. Unter bestimmten Umständen dominieren<br />

sie das Plankton, und bei exzessiver Vermehrung beherrschen sie wochenlang das<br />

Erscheinungsbild des <strong>See</strong>s. Abgestorbene Blaualgen bedecken mit einer übelriechenden<br />

Schicht die Wasseroberfläche und setzen bei ihrem Zerfall Giftstoffe frei. Als Freizeit- und<br />

Erholungsobjekt ist der <strong>See</strong> zumindest zeitweise nicht mehr nutzbar.<br />

Das Institut für Energie-, Verfahrens- und Umwelttechnik (EVU) der Jade Hochschule in Wilhelmshaven<br />

vertritt seine Fachgebiete in Forschung und Lehre im Rahmen der Ingenieurausbildung.<br />

Neben Wärme- und Energietechnik sind Strömungs-, Verfahrens- und Umwelttechnik<br />

die Schwerpunkte der Aktivitäten seiner Mitglieder. In diesem Umfeld entstand im<br />

Jahre 2002 eine Veröffentlichung des Institutsmitglieds Prof. Dr.-Ing. Jürgen Michele, welche<br />

die Blaualgenproblematik aufgreift und zu ihrer Bekämpfung die Freistrahltechnik empfiehlt.<br />

Er beschreibt die Wirkungsweise dieser verfahrenstechnisch klassischen Rührtechnik und ihr<br />

Potential beim Einsatz in ruhenden Gewässern. Er diskutiert bereits erfolgte ähnliche Einsätze<br />

lt. verfügbarer Literatur und vergleicht sie mit alternativen Restaurierungsmaßnahmen für<br />

von Blaualgen betroffene <strong>See</strong>n.<br />

Andere Institutsmitglieder kamen Prof. Michele zu Hilfe, und es wurde der gemeinsame Entschluss<br />

gefasst, den Versuch zu unternehmen, die theoretischen Überlegungen mit einer<br />

realen Freistrahlanlage experimentell zu überprüfen. Im Jahre 2005 wurde eine erste Anlage<br />

im Accumer <strong>See</strong> – einem Baggersee in der Nähe von Wilhelmshaven – installiert. Finanzielle<br />

Mittel wurden von der Fachhochschule bereitgestellt, und tatkräftige Unterstützung der Infrastrukturarbeiten<br />

kam vom Sportfischerverein Wilhelmshaven, dem der <strong>See</strong> gehört. Die Anlage<br />

selbst wurde von Studenten konstruiert.<br />

Angesichts wachsender Probleme mit Cyanobakterien im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> und aufmerksam geworden<br />

auf das Freistrahlprojekt der Fachhochschule, gab die Stadt Wilhelmshaven im Jahre<br />

2006 beim Institut EVU bzw. beim Institut für Technologietransfer (ITI) an der Fachhochschule<br />

eine Studie zum Einsatz von <strong>Freistrahlanlagen</strong> im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> in Auftrag. Gleichzeitig wurde<br />

Prof. Dr. Gerd Liebezeit vom Wilhelmshavener Terramare-Institut (jetzt ICBM der Uni<br />

Oldenburg) gebeten, eine Bestandsaufnahme der biologisch-chemischen Situation und der<br />

Entwicklungsgeschichte vorzunehmen. Auf der Grundlage dieser Arbeiten schloss die Stadt<br />

Wilhelmshaven im Jahre 2007 einen Vertrag mit dem ITI der Fachhochschule über den Bau<br />

von zwei <strong>Freistrahlanlagen</strong> und ihren Betrieb im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> für einen Zeitraum von fünf Jahren<br />

(2008 – 2012) ab. Dieser Langzeitversuch wird von einem biologisch-chemischen Messprogramm<br />

begleitet, das die Firma MarChemConsult von Prof. Liebezeit durchführt. Die Projektleitung<br />

liegt bei Prof. Dr.-Ing. Peter Lücking vom Institut EVU.<br />

3


2 <strong>Banter</strong> <strong>See</strong><br />

Der <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> in Wilhelmshaven ist ein ehemaliges Hafenbecken. Er ist etwa 2500 m lang<br />

und 400 m breit, hat damit eine Fläche von rund 1 Mio m 2 und bei einer mittleren Tiefe von<br />

10 m ein Volumen von etwa 10 Mio m 3 . Er erstreckt sich grob in west-östlicher Richtung (s.<br />

Abb. 1) und ist nach Süden durch den <strong>See</strong>deich vom Jadebusen getrennt. Der <strong>See</strong> diente im<br />

2. Weltkrieg als Reparatur- und Ausrüstungshafen u.a. für U-Boote. Westlich unmittelbar<br />

benachbart befand sich ein großes Munitionslager. Am Nordufer gab es zu noch früheren<br />

Zeiten eine Mülldeponie. Das Gelände wurde gegen Kriegsende schwer bombardiert, die<br />

Anlagen wurden nach dem Krieg geschleift. Diverse Altlasten durchziehen den Grund rund<br />

um den <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>: Öl aus zerstörten Treibstofftanks, Munition, altes Gerät, Müll, … Noch<br />

heute ist das Gelände des ehemaligen Munitionslagers großräumig gesperrt.<br />

Nach dem Krieg wurde der <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> vom Großen Hafen im Osten mit dem sog. Grodendamm,<br />

der mit Kriegsschutt aufgehäuft wurde, abgetrennt und zum Binnensee gemacht.<br />

Er hat nur noch einen sehr geringen Wasseraustausch über das Grundwasser und durch<br />

den porösen Grodendamm. Über die letzten Jahrzehnte hat der Salzgehalt seines Wassers<br />

stark abgenommen, und man kann ihn als Brackwassersee bezeichnen.<br />

Abb. 1: Der <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> in Wilhelmshaven<br />

Das ehemalige Kriegshafenbecken wurde zum Freizeitsee. Eine Badeanstalt entstand, Vereine<br />

für Tauchen, Surfen, Kanufahren, Segeln siedelten sich an, Angler stehen am Ufer. Ein<br />

Strandcafé wird gerne besucht. Von der Stadt gepachtete Freizeitgrundstücke säumen mit<br />

ihren Wochenendhäuschen über weite Strecken den Rand des <strong>See</strong>s. Ein abgeschlossenes<br />

Freizeitgelände befindet sich an seinem westlichen Ende. Industrielle <strong>See</strong>anrainer sind das<br />

Manitowoc-Werk für Autokräne (ehem. Krupp) und ein Asphaltwerk. Am Nordufer befand<br />

4


sich die <strong>Banter</strong> Kaserne, die nach dem Krieg lange Zeit von britischen Soldaten benutzt wurde,<br />

deren meiste Gebäude aber kürzlich abgerissen wurden, so dass eine größere Brachfläche<br />

entstanden ist. Zu erwähnen ist noch die am dortigen Ufer angelegte <strong>See</strong>schwalbenkolonie,<br />

die von der Vogelwarte Helgoland betreut wird.<br />

Die Wasserqualität eines <strong>See</strong>s und seine Ökologie werden maßgeblich von Schadstoffeinträgen<br />

beeinflusst. Hier sind vor allem Nährstoffe zu nennen, von denen insbesondere die<br />

Phosphate für die Cyanobakterien-Entwicklung von Bedeutung sind. Eine <strong>See</strong>sanierung<br />

muss in erster Linie dafür Sorge tragen, dass die Einträge abgestellt werden. Das Wasser<br />

des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s wurde zunächst von den Abwässern der Freizeitgärten belastet, die dann<br />

aber kanalisiert wurden. Landwirtschaftliche Einträge gibt es vom südlich benachbarten<br />

Deich, der von Schafen beweidet wird. Allerdings wird der Deich seit 2011 nicht mehr in den<br />

<strong>Banter</strong> <strong>See</strong>, sondern in den Jadebusen entwässert. Weitere Einträge gelangen über das<br />

Grundwasser aus dem nördlich gelegenen stark belasteten Ems-Jade-Kanal in den <strong>See</strong>.<br />

Wurden auch wiederholt sämtliche bekannten Zuflüsse kontrolliert, so sind doch weitere<br />

punktuelle und diffuse Quellen angesichts des problematischen Umfelds wahrscheinlich,<br />

aber noch unbekannt.<br />

Die Bedeutung des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s als Freizeitgebiet nimmt zu. Die nähere Umgebung wird<br />

städteplanerisch entwickelt: Es entstehen Hotels und Wohngebäude gehobener Qualität, die<br />

am <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> vorbei zum Jadebusen führende Jade-Allee wird zur Flaniermeile ausgebaut<br />

und der Tourismus soll gefördert werden. Im Übrigen ist der <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> das einzige verbliebene<br />

Naherholungsgebiet am Wasser im Wilhelmshavener Stadtgebiet neben dem<br />

Südstrand, nachdem der Geniusstrand zugunsten des JadeWeserPorts aufgegeben worden<br />

ist. Hinzu kommen starke Interessen der Vereine und <strong>See</strong>anrainer, so dass ein steigender<br />

Druck der Öffentlichkeit dazu führt, dass die Bemühungen seitens der Stadt um die Sanierung<br />

und Restaurierung des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s forciert werden.<br />

5


3 Cyanobakterien (Blaualgen)<br />

Die Cyanobakterien (von griech. κυανός kyanós, „blau“; früher Blaualgen genannt) bilden<br />

eine Abteilung der Domäne Bacteria. Sie zeichnen sich vor allen anderen Bakterien durch<br />

ihre Fähigkeit zur oxygenen Photosynthese aus. Früher wurden sie zu den Phycophyta (Algen)<br />

gerechnet und als Klasse Cyanophyceae (Blaualgen) geführt. Einige Cyanobakterien<br />

enthalten neben anderen Photosynthese-Farbstoffen blaues Phycocyanin und ihre Farbe ist<br />

deshalb blaugrün. Darum wurden sie „Blaualgen“ genannt und diese Bezeichnung wurde für<br />

alle Cyanobakterien verwendet – auch für diejenigen, die kein Phycocyanin enthalten und<br />

nicht blaugrün gefärbt sind. Cyanobakterien besitzen im Gegensatz zu Algen keinen echten<br />

Zellkern und sind somit als Prokaryoten nicht mit den als „Algen“ bezeichneten eukaryotischen<br />

Lebewesen verwandt, sondern zählen zu den Bakterien. Cyanobakterien besiedeln<br />

vermutlich seit mehr als 3,5 Mrd. Jahren (Archaikum) die Erde und zählen damit zu den ältesten<br />

Lebensformen überhaupt. Es sind etwa 2000 Formen als „Arten“ von Cyanobakterien<br />

benannt, die in fünf bis sieben Ordnungen eingeteilt werden. Cyanobakterien sind gramnegativ<br />

und ein- bis vielzellig. Bei mehrzelligen Cyanobakterien ist die Anordnung der Zellen hintereinander<br />

in langen Fäden (zum Beispiel Anabaena und Oscillatoria), flächig (zum Beispiel<br />

Merismopedia) oder räumlich (zum Beispiel Pleurocapsa und Microcystis).<br />

Die Cyanobakterien nutzen für ihre Photosynthese nicht nur den Teil des Lichtspektrums,<br />

den auch die grünen Pflanzen verwenden, sondern sie haben neben Chlorophyll a einen<br />

zusätzlichen Antennenkomplex in Form von Phycobilisomen, in denen Phycobiline, nämlich<br />

Phycocyanin (blau) oder Phycoerythrin (rot), enthalten sind. … Phycobiline ermöglichen die<br />

Nutzung eines größeren Bereichs des Lichtspektrums. … Cyanobakterien können auf diese<br />

Weise ausgesprochene Schwachlichtbereiche erfolgreich besiedeln, wie z.B. die Unterseite<br />

von Flussgeröll oder tiefe Schichten in <strong>See</strong>n. … Viele Cyanobakterien können Stickstofffixierung<br />

betreiben: Sie wandeln in Heterozysten molekularen Stickstoff (N 2 ) in Ammonium<br />

(NH 4 + ) um. Es wurde nachgewiesen, dass fast alle Arten sehr unterschiedliche Toxine produzieren.<br />

Eine Massenentwicklung von Cyanobakterien kann die Wasserqualität stark vermindern und<br />

die Gewässernutzung deutlich einschränken. Sie produzieren eine Vielzahl von Sekundärmetaboliten,<br />

die als Allelochemikalien, Antibiotika, Hormone und Toxine wirken und z.B. Fische<br />

und Zooplankton schädigen können. Einige der Toxine gehören zu den stärksten natürlichen<br />

Giften und können auch für Menschen gesundheitsgefährdend sein. Nach dem Absterben<br />

der Cyanobakterienmassen werden sie mikrobiell abgebaut, wobei Sauerstoff verbraucht<br />

wird. Dadurch wird die Sauerstoffkonzentration im Gewässer oft stark verringert und<br />

es kann zu einem Fischsterben kommen. Die Bedingungen für unverhältnismäßige Vermehrung<br />

von Cyanobakterien sind vielfältig und nicht immer eindeutig zu klären. Hoher Phosphat-<br />

und Nährstoffgehalt im Wasser, beispielsweise durch ungeklärte Abwässer mit<br />

Waschmittelrückständen, begünstigen in Verbindung mit höheren Wassertemperaturen die<br />

Entwicklung der Bakterien.<br />

WIKIPEDIA [1]<br />

6


Blaualgen (Cyanobakterien) sind neben Grünalgen (Chlorophyceen) und Kieselalgen (Diatomeen)<br />

ein wesentlicher Bestandteil des Phytoplanktons. Dieses „Pflanzen-Plankton“ ist<br />

Primärproduzent von Biomasse und betreibt Photosynthese aus CO 2 und Nährstoffen, nutzt<br />

also Licht als Energiequelle. Es steht in einer natürlichen jahreszeitlichen Entwicklung in<br />

Wechselwirkung mit dem Nährsalzangebot. Ein stärkeres Angebot im Frühjahr und Herbst<br />

führt unter gleichzeitig günstigen Wetterbedingungen zu einem verstärkten Planktonwachstum.<br />

Von einer Blüte spricht man, wenn das Biomassewachstum deutlich überdurchschnittlich<br />

ist.<br />

Die natürliche jahreszeitliche Wechselwirkung zwischen Plankton und Nährsalzen sieht so<br />

aus, dass im Frühjahr mit steigenden Temperaturen und zunehmender Lichtintensität das<br />

Planktonwachstum einsetzt und der Nährsalzverbrauch zunimmt. Nährsalze sind Nitrate und<br />

Phosphate aus früherem Biomasseabbau. Ein überdurchschnittliches Wachstum führt zur<br />

„Frühjahrsblüte“. Im Sommer sind die Nährstoffe aufgebraucht, das Plankton geht zurück,<br />

Nährstoffe regenerieren durch Biomasseabbau am Boden unter Verbrauch von Sauerstoff.<br />

Eine mögliche Temperatur- (Dichte-) Schichtung der Wassersäule (s.u.) verhindert einen<br />

Transport nach oben. Im Herbst gelangen durch stärker einsetzende Windumwälzung des<br />

Wassers zunehmend Nährstoffe nach oben, es kommt ggf. zur „Herbstblüte“, die aber in der<br />

Regel schwächer ausfällt, weil Temperatur und Lichtintensität nachlassen.<br />

Wichtige Leistungen der Cyanobakterien sind:<br />

Kolonie- und Aggregatbildung (Biofilme).<br />

Auftriebsregulierung im Lichtgradienten mit Kohlehydraten als Ballast.<br />

N 2 -Fixierung. Durch Assimilierung von N 2 und Verarbeitung zu Ammonium (NH + 4 )<br />

sind z.B. Nodularia und Anabaena autark gegenüber eukaryotischem Phytoplankton,<br />

das auf gelöste Nährsalze (Nitrate) angewiesen ist.<br />

Bildung von Dauerstadien, Ruhestadien, sog. Akineten, die sich im Sediment einlagern<br />

(Nodularia und Anabaena).<br />

Toxinbildung, leberschädigend (Nodularia, Microcystis), nervenschädigend (Anabaena).<br />

GERDES [2]<br />

Eine zunehmende Intensität der Primärproduktion (Trophie) eines Gewässers bezeichnet<br />

man als Eutrophierung. Sie wird meistens durch eine gesteigerte Verfügbarkeit oder Ausnutzung<br />

von Nährstoffen bewirkt. Eine gesteigerte Verfügbarkeit resultiert meistens aus einer<br />

das natürliche Maß überschreitenden anthropogenen Belastung. Zu den grundlegenden Erkenntnissen<br />

der Ursachenforschung gehört, dass für die meisten <strong>See</strong>n Phosphat als limitierender<br />

Faktor den wichtigsten Einfluss auf die Eutrophierung ausübt. Wegen der negativen<br />

Folgen der Eutrophierung ist ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Erhaltung<br />

der Gewässer eine Vielzahl von Maßnahmen zur Symptombehandlung und Ursachenbekämpfung<br />

entwickelt und angewendet worden, die eine Verminderung der Phosphor-<br />

Konzentration zum Ziel haben. Hier wird zwischen Sanierung und Restaurierung unterschieden.<br />

Unter Sanierung definiert man Maßnahmen zur Verminderung des Nährstoff-Eintrages<br />

aus dem Einzugsgebiet, während man unter Restaurierung seeinterne Verfahren zusammenfasst,<br />

die die negativen Folgen der Eutrophierung beseitigen, also oligotrophierend wir-<br />

7


ken. Als wichtigster Ansatzpunkt für die Therapie eutrophierter <strong>See</strong>n gilt die Verminderung<br />

des pflanzenverfügbaren Phosphors.<br />

Empirische Modelle zeigen, dass die Biomasse des Phytoplanktons geschichteter <strong>See</strong>n sich<br />

aus dem Phosphor-Angebot beschreiben und vorhersagen lässt. Die tatsächliche Ausprägung<br />

trophischer Zustände ist von weiteren physikalischen und chemischen Faktoren, von<br />

der Struktur und Dynamik des Nahrungsnetzes und von der Bioverfügbarkeit des Phosphors<br />

in der euphotischen Zone abhängig. Um eine signifikante Abnahme der sommerlichen Phytoplanktonmaxima<br />

und vor allem den Rückgang von Cyanobakterien-Dominanzen zu erreichen,<br />

sind mittlere Gesamt-Phosphor- (TP-) Konzentrationen von unter 80 g/l notwendig.<br />

Ein deutlicher Rückgang auch der Mittelwerte der Phytoplanktonentwicklung tritt vermutlich<br />

erst unter 50 g/l auf. Als wesentliche weitere Faktoren für den Rückgang der Cyanobakterien-Dominanz<br />

sind das Unterwasserlichtklima und die Mischungsverhältnisse anzusehen.<br />

Veränderungen im Einzugsgebiet des Gewässers, die zur Lastsenkung führen, sog. externe<br />

Maßnahmen werden mit zusätzlichen seeinternen Maßnahme kombiniert, um den Kosteneinsatz<br />

zu optimieren oder die Anpassungszeit zu verkürzen. Die Phosphor-Bilanz eines<br />

<strong>See</strong>s zeigt die Änderung des Phosphor-Inhalts als Differenz zwischen Import und der Summe<br />

aus Export und Nettosedimentation. Die Nettosedimentation ergibt sich wiederum aus<br />

der Differenz von Bruttosedimentation und Rücklösung. Damit sind die Ansatzpunkte für Sanierung<br />

und Restaurierung gegeben, d.h. den Phosphor-Inhalt eines <strong>See</strong>s zu vermindern.<br />

HUPFER, SCHARF [3]<br />

Von besonderer Bedeutung in tieferen <strong>See</strong>n ist die Schichtung der Wassersäule im Sommer,<br />

aber auch im Winter. Die Abb. 2 skizziert die Schichtung im Jahresverlauf. Im Sommer lagert<br />

sich die wärmere und leichtere Schicht im sog. Epilimnion über der kälteren und schwereren<br />

Schicht des sog. Hypolimnions. Die Zwischenschicht, Metalimnion genannt, trennt die beiden<br />

Bereiche und fungiert als Barriere. Sie kann nämlich von einer windgetriebenen Wasserumwälzung<br />

nicht durchdrungen werden, die sich auf das Epilimnion beschränkt und das Hypolimnion<br />

nicht erreicht. Die Folge ist eine Verhinderung des Stoffaustauschs über die gesamte<br />

Höhe der Wassersäule. Nur im Frühjahr und Herbst ist bei nicht vorhandenem Temperaturgradienten<br />

eine vollständige Durchmischung durch Windkraft möglich. Im Winter führt eine<br />

mögliche Eisdecke zu einem Erliegen der Zirkulation und zu einer verstärkten Sedimentation.<br />

Die Verhinderung des Stoffaustauschs im Sommer bewirkt, dass Nährsalze aus der Remineralisation<br />

am Boden zurückgehalten werden und für ein ausgewogenes Verhältnis im Epilimnion<br />

nicht zur Verfügung stehen (ggf. Nitratmangel). Ferner ist die Folge, dass die Sauerstoffzehrung<br />

durch Biomasseabbau am Boden nicht durch Nachschub von den sauerstoffreichen<br />

oberflächennahen Schichten ausgeglichen werden kann und es zu Sauerstoffmangel<br />

kommt. Bei Sauerstoffmangel kann es auch zur Rücklösung von Phosphat aus dem Sediment<br />

kommen, das andernfalls dort unter aeroben Bedingungen eingelagert worden ist (Bildung<br />

dreiwertiger Eisenoxidhydroxide, die Phosphat gut sorbieren können).<br />

8


Abb. 2: Schema der Schichtung eines <strong>See</strong>s im Jahresverlauf<br />

Betrachtet man nun neben der Bedeutung des Phosphats für die Entwicklung des Phytoplanktons<br />

allgemein die weiteren offensichtlich vorteilhaften Faktoren für Cyanobakterien-<br />

Dominanzen, so sind Wassertemperatur, Wasserbewegung (Turbulenz) und Lichtintensität<br />

zu nennen sowie möglicherweise das N/P-Verhältnis der anorganischen Nährsalze. Das sog.<br />

Redfield-Verhältnis von 16:1 (atomar) gilt für ein ausgewogenes Angebot. Bei niedrigeren<br />

Verhältnissen sind die N 2 -fixierenden Arten (Cyanobakterien) im Vorteil.<br />

Siehe auch LIEBEZEIT ET AL. [4]!<br />

9


4 Sanierung und Restaurierung<br />

Für die Regulierung des Phytoplanktons allgemein ist zunächst das Nährstoffangebot entscheidend.<br />

Der beste verfügbare Indikator des verfügbaren Nährstoffangebots ist der Gesamt-Phosphorgehalt<br />

des Wassers (TP, „Total Phosphorus“). Stickstoff wird seltener als begrenzender<br />

Nährstoff genannt. Der Gesamtphosphor tritt in partikulärer und gelöster Form<br />

auf und kann durch Filterung in diese Fraktionen getrennt werden. Die gelöste Fraktion<br />

(DOP, „Dissolved Organic Phosphorus“) lässt sich weiterhin chemisch in den gelösten reaktiven<br />

Teil (SRP, „Soluble Reactive Phosphorus“ oder RDP, „Reactive Dissolved Phosphorus“)<br />

und den gelösten nichtreaktiven Teil (SUP, „Soluble Unreactive Phosphorus“) trennen.<br />

Als praktisch beste Abschätzung des unmittelbar verfügbaren und für das Phytoplankton-<br />

Wachstum entscheidenden Phosphors gilt der SRP-Gehalt. Er ist äquivalent zur Konzentration<br />

von Orthophosphat, das vom Phytoplankton genutzt wird.<br />

Die Biomasse nimmt zunächst mit TP zu, bevor der zweite wichtige Parameter seine Wirkung<br />

entfaltet – das Lichtangebot. Abhängig von der Tiefe des <strong>See</strong>s und von der Trübung<br />

der Wassersäule beschränkt es in unterschiedlichem Maß die verschiedenen Planktonarten.<br />

Sedimentation von Plankton, Rückmischung, Spülung, Turbulenz, Fressfeinde sind weitere<br />

Parameter, die das Phytoplanktonwachstum beeinflussen.<br />

Das Phytoplankton wird grob aufgeteilt in die beiden wesentlichen Gruppen der Algen und<br />

der Cyanobakterien. Beide Gruppen stehen untereinander im Wettbewerb. Gleichgewichtszustände<br />

sind instabil. Die Planktongemeinschaft wird als intrinsisch chaotisches System<br />

beschrieben, das auch noch wechselnden äußeren Einflüssen ausgesetzt ist. Das Langzeitverhalten<br />

ist daher nicht vorhersagbar. Die beiden Gruppen zeigen spezifische Eigenschaften,<br />

die ihnen Vorteile oder Nachteile im Wettbewerb einbringen.<br />

SCHEFFER [5]<br />

Das Ziel der hier zu betrachtenden Maßnahmen am und im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> ist die Vermeidung<br />

von Cyanobakterien-Blüten. Die denkbaren Möglichkeiten der Sanierung und Restaurierung<br />

verfolgen nach dem oben gesagten im Prinzip zwei Stoßrichtungen:<br />

1) Eine Reduzierung des Phytoplanktons generell durch Verringerung der TP-<br />

Konzentration.<br />

2) Eine Manipulation des Wettbewerbs zwischen Algen und Cyanobakterien zuungunsten<br />

der Cyanobakterien durch Beschneidung ihrer Vorteile.<br />

Zu 1) ergeben sich aus den Betrachtungen zur Phosphor-Bilanz eines <strong>See</strong>s (s.o.) prinzipiell<br />

folgende Möglichkeiten, den Phosphor-Inhalt eines <strong>See</strong>s zu vermindern:<br />

<br />

<br />

<br />

Senkung des Phosphor-Imports durch Maßnahmen im Einzugsgebiet.<br />

Erhöhung des Phosphor-Exports durch Tiefenwasserableitung oder Verlängerung der<br />

Zirkulationsperiode bei Spülung des Epilimnions.<br />

Erhöhung der Phosphor-Nettosedimentation durch verstärkte Fällungsprozesse<br />

und/oder Verringerung der Phosphor-Rücklösung aus dem Sediment.<br />

10


Zu 2) gibt es eine Reihe von spezifischen Eigenschaften der Cyanobakterien, bei denen man<br />

ansetzen kann:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Schattentoleranz, Auftriebsregulierung: Die konkurrierenden Algen können mehr Licht<br />

bekommen, wenn sie in höhere Schichten gefördert werden.<br />

N 2 -Fixierung, niedrige N/P-Werte: Ein ausgewogenes Nährstoffangebot im Epilimnion<br />

kann durch Transport von unten nach oben geschaffen werden.<br />

Ruheliebend: Eine Bewegung des Wassers kann die Ruhe stören.<br />

Relativ langsameres Wachstum: Eine Spülung kann die lokale Entwicklung unterbrechen.<br />

Oft nicht fressbar: Fresser können gefördert bzw. eingesetzt werden.<br />

Für eine Verringerung der TP-Konzentration im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> wurde nach Möglichkeit der Import<br />

reduziert. Bereits in den 1990er Jahren wurden die Freizeitgrundstücke an die Kanalisation<br />

angeschlossen. Die zahlreichen Zuflüsse wurden wiederholt kontrolliert. Zuletzt wurde<br />

2011 der Rynschlot, der den <strong>See</strong>deich in den <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> entwässerte, in den Jadebusen<br />

umgeleitet. Der Deich wird mit Schafen beweidet, deren Ausscheidungen das abfließende<br />

Wasser stark mit Phosphaten belasten. Weitere punktuelle und diffuse Phosphor-Quellen<br />

werden in der belasteten Umgebung des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s vermutet, die z.B. über das Grundwasser<br />

in den <strong>See</strong> fördern. Über das Grundwasser kann auch eine Verbindung zum landwirtschaftlich<br />

belasteten Ems-Jade-Kanal in unmittelbarer Nachbarschaft bestehen. Diese<br />

Quellen sind schwierig bis unmöglich zu kontrollieren. Eine Sanierung der Altlasten rings um<br />

den <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> ist unbezahlbar.<br />

Eine Erhöhung des Phosphor-Exports ist zunächst mit einem verstärkten Wasseraustausch<br />

möglich. Derzeit ist der Austausch gering. Er kann gesteigert werden, indem man den Grodendamm<br />

öffnet und damit eine Verbindung zum Großen Hafen schafft. Darüber hinaus<br />

könnte man eine Verbindung zum Jadebusen herstellen, womit sogar ein Durchfluss realisiert<br />

werden könnte (s. Gutachten Manzenrieder). Diese bautechnischen Maßnahmen sind<br />

teuer und haben ferner den von einigen Nutzern des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s abgelehnten Effekt, dass<br />

sich die Wassereigenschaften drastisch verändern. Ein begrenzter Wasseraustausch durch<br />

den ohnehin porösen Grodendamm ist auch durch Absenken des Wasserniveaus im Großen<br />

Hafen und anschließendes Wiederauffüllen möglich. Die Durchlässigkeit des Damms könnte<br />

dafür verstärkt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass das einströmende Wasser weniger<br />

Phosphor enthält als das abströmende. Gezielter arbeitet daher die Tiefenwasserableitung,<br />

mit der zu bestimmten günstigen Zeitpunkten phosphorreiches Tiefenwasser aus dem<br />

<strong>See</strong> heraus gepumpt wird. Eine Bepflanzung abgeflachter Uferbereiche z.B. mit Schilf und<br />

dessen Ernte und Entsorgung führt ebenfalls zu einer Nährstoffentnahme aus dem <strong>See</strong>.<br />

Eine Steigerung der Phosphor-Nettosedimentation kann mittels chemischer Phosphat-<br />

Fällung erreicht werden, die aber angesichts der Größe des <strong>See</strong>s kostspielig ist, und deren<br />

Nachhaltigkeit ungewiss ist. Die mögliche Rücklösung von Phosphor aus dem Sediment<br />

lässt sich durch eine – teure – Abdeckung verhindern. Aber auch eine Verbesserung des O 2 -<br />

Gehalts im Tiefenwasser über dem Sediment steigert ggf. die Einlagerung bzw. vermindert<br />

die Rücklösung von Phosphor. Unter oxidierenden Bedingungen im Tiefenwasser wird RDP<br />

(= SRP) an basischen Eisenhydroxiden festgehalten. Eine künstlich gesteuerte Zufuhr von<br />

Sauerstoff gelingt z.B. durch Hochpumpen von sauerstoffarmem Wasser an die Oberfläche,<br />

durch Sauerstoff-Direkteintrag und durch Ausbringen von Nitratsauerstoff zur Sedimentoxi-<br />

11


dation (s. [3]). Ferner bietet sich die Destratifikation des Gewässers an, deren potentiell vielfältige<br />

Wirkungsweise wie folgt beschrieben wird:<br />

Die künstliche Destratifikation soll die Phytoplanktonproduktion und andere Symptome eines<br />

zu hohen Trophiegrades durch folgende Prozesse vermindern:<br />

1. Durch die Vergrößerung der durchmischten Schicht wird die für das Wachstum des<br />

Phytoplanktons notwendige Lichtenergie begrenzt. Eine Verminderung der Biomassekonzentration<br />

findet auch durch die Verdünnung statt.<br />

2. Der Eintrag von Sauerstoff vergrößert den aeroben Lebensraum und verhindert winterliches<br />

Fischsterben. Die Zufuhr von Sauerstoff in das Tiefenwasser und an die Sedimentoberfläche<br />

soll die Nachlieferung von Phosphor aus dem Sediment unterdrücken<br />

und die Anreicherung reduzierter Substanzen im Tiefenwasser vermindern. Besonders<br />

in Trinkwasser-Talsperren stellt die Anreicherung von Fe 2+ und Mn 2+ ein Aufbereitungsproblem<br />

dar.<br />

3. Ständige Durchmischung verhindert die Anreicherung von Phosphor im Tiefenwasser,<br />

was dazu führt, dass ß auf einen Wert von nahezu 1 erhöht wird (Quotient aus<br />

den mittleren P-Konzentrationen im Abfluss (Epilimnion) und im gesamten <strong>See</strong> (Stratifikationsfaktor),<br />

aus der Phosphor-Bilanz eines <strong>See</strong>s, d. Verf.). Wegen des dadurch<br />

erhöhten P-Exportes verringert sich die mittlere P-Konzentration im <strong>See</strong>.<br />

4. Zu Beginn der Zirkulation kommt es zur Erhöhung des CO 2 -Gehaltes und zu einer<br />

pH-Absenkung in der euphotischen Zone, was zu einer Verschiebung des Artenspektrums<br />

von unerwünschten Cyanobakterien zu den für die Beschaffenheit des Wassers<br />

günstigeren Grün- und Kieselalgen führen kann … Cyanobakterien sind zudem<br />

empfindlicher gegen Lichtlimitation und gegen schnelle Veränderungen des hydrostatischen<br />

Druckes … Diatomeen profitieren dagegen von der Nachlieferung des Siliciums<br />

aus dem Tiefenwasser und den geringeren Aussinkverlusten unter Zirkulationsbedingungen.<br />

5. Zooplankton kann sich auf Grund der größeren Verteilung und der Besiedlung von<br />

lichtarmen Bereichen dem Fraßdruck durch Fische besser entziehen. Höhere A-<br />

bundanzen des Zooplanktons vermindern die Phytoplankton-Biomasse …<br />

HUPFER, SCHARF [3]<br />

Möchte man bei gegebenem Phosphorangebot eine Verschiebung des Gleichgewichts im<br />

Phytoplankton zwischen Algen und Cyanobakterien erreichen und die Cyanobakterien<br />

schwächen, so kann man versuchen, einige ihrer oben aufgeführten spezifischen Eigenschaften<br />

und Vorlieben zu behindern:<br />

Ein Wasseraustausch ist nachteilig für die langsamer wachsenden Cyanobakterien. Eine<br />

verstärkte Umwälzung der Wassersäule fördert ein ausgewogenes Nährstoffangebot im Epilimnium,<br />

das weniger zu niedrigen N/P-Verhältnissen neigt. Ferner werden auch Algen in<br />

lichtreichere Schichten gebracht und verlieren Nachteile gegenüber schattentoleranten und<br />

auftriebsregulierenden Cyanobakterien. Die Lichtabdeckung durch die Cyanobakterien wird<br />

geringer. Eine Hervorrufung bewegten turbulenten Wassers stört darüber hinaus die Entwicklung<br />

der Cyanobakterien, die ruhiges Wasser bevorzugen.<br />

12


Hier setzt auch die Argumentation der Firma SOLARBEE an [6]. SolarBee hat mittlerweile Erfahrungen<br />

aus über 300 <strong>See</strong>n in Nordamerika (Stand 2009), in denen sie Umwälzapparate<br />

zur Kontrolle von Cyanobakterien-Blüten erfolgreich einsetzt. Anstatt das gesamte Algenwachstum<br />

durch Reduzierung der Nährstoffverfügbarkeit zu begrenzen, verhindere die von<br />

den Umwälzapparaten hervorgerufene „Zirkulation mit großer Reichweite“ die Cyanobakterien-Blüten<br />

durch Störung ihres Lebensraums. Diese Form der Biomanipulation benachteilige<br />

die nicht fressbaren Cyanobakterien und bevorzuge ihre fressbaren Konkurrenten zur Förderung<br />

einer komplexen Nahrungskette im Wasser. Im Gegensatz zu den Grün- und Kieselalgen<br />

sind viele Cyanobakterien an stagnierende Bedingungen angepasst und können ihren<br />

Auftrieb in der Wassersäule selbst regulieren. Wenn Cyanobakterien dominieren, bleibt der<br />

Nährstoffkreislauf auf dem niedrigen Niveau zwischen Planktonwachstum und Zerfall. Wenn<br />

das übrige Phytoplankton dominiert, steigt die Biomasse in der Nahrungskette auf zu<br />

Zooplankton, Wirbellosen und Fisch, und die <strong>See</strong>ökologie wird verbessert. Das Problem sei<br />

nicht ein Überangebot an Nährstoffen, sondern es sei Aufgabe, dieses Angebot in die richtige<br />

Richtung zu lenken, d.h. zu „gutem“ fressbarem Phytoplankton. Der SolarBee Umwälzapparat<br />

zirkuliert nur die Wasserschicht, in der die Algen wachsen, d.h. das Epilimnion. Er dient<br />

nicht der Destratifikation und nicht dem Sauerstoffeintrag in die Tiefe.<br />

Neben diesen physikalischen Einflussmöglichkeiten können auch biologische Maßnahmen<br />

empfohlen werden. So können bestimmte Fressfeinde eingesetzt und gefördert werden,<br />

während i. Allg. die Cyanobakterien oft vom Zooplankton verschmäht werden. Auch artenreiche<br />

Biotope in Ufernähe (Schilfgürtel, s.o.) wirken der Dominanz einzelner Cyanobakterienarten<br />

entgegen.<br />

Sucht man nun nach einer technischen Eingriffsmöglichkeit, um eine Blüte von Cyanobakterien<br />

zu behindern, die sanft ist und wenig Investitionskosten und Energieverbrauch verursacht,<br />

so bietet sich die Realisierung einer verstärkten Durchmischung und Destratifikation<br />

an. Sie ermöglicht eine Steigerung der Transportvorgänge von oben nach unten (Sauerstoff!)<br />

und von unten nach oben (Nährstoffe, Algen ans Licht!) sowie eine Zunahme der Unruhe in<br />

der Wassersäule. Mit einer solchen Maßnahme könnte also sowohl der Phosphorgehalt tendenziell<br />

reduziert werden, als auch steuernd in die Konkurrenz zwischen Algen und<br />

Cyanobakterien eingegriffen werden. Durchmischung und Destratifikation bedeuten hier<br />

auch die Verzögerung und Unterbindung der Ausbildung einer thermischen Schichtung sowie<br />

in der Folge die Ermöglichung einer windinduzierten Umwälzung der gesamten Wassersäule.<br />

Sie lassen sich mit unterschiedlichen strömungstechnischen Maßnahmen realisieren<br />

(s. [3]). Man kann durch Blasenvorhänge oder Saugpumpen Tiefenwasser an die Oberfläche<br />

bringen oder alternativ Oberflächenwasser in die Tiefe fördern. Letzteres geschieht mit <strong>Freistrahlanlagen</strong>,<br />

die auch im <strong>Banter</strong>-<strong>See</strong>-Projekt, über das hier berichtet wird, zum Einsatz<br />

kommen.<br />

13


Für die multiple Wirkung von <strong>Freistrahlanlagen</strong> lassen sich fünf Thesen aufstellen:<br />

1.) Das ökologische Gleichgewicht in einem stehenden Gewässer ist – u.a. bzgl. der Zusammensetzung<br />

des Phytoplanktons – labil. Das Gewässer ist ein chaotisches System.<br />

Das vorgefundene Gleichgewicht ist blaualgenfreundlich. Ein eng benachbartes<br />

Gleichgewicht ist möglicherweise weniger blaualgenfreundlich, d.h. eine kleine Störung,<br />

z.B. durch einen sanften künstlichen Eingriff, könnte genügen, eine signifikante<br />

Verschiebung zu erreichen.<br />

2.) Cyanobakterien mögen kein unruhiges Gewässer. Die Aufrechterhaltung einer langsamen<br />

aber großräumigen Bewegung könnte hilfreich sein, insbesondere in windstillen<br />

Perioden oder auch bei einer Sommerstagnation in größeren Wassertiefen, die<br />

von einer windinduzierten Strömung nicht erreicht werden. Ruhiges oder stehendes<br />

Wasser ist lt. HUDNELL [7] einer von vier stimulierenden Faktoren für eine Cyanobakterienblüte<br />

– neben einem Überangebot an Nährstoffen, Wärme und Sonnenlicht.<br />

Kontinuierliche Zirkulation fördere die Artenvielfalt und unterdrücke Cyanobakterienblüten.<br />

3.) Eine Sommerstagnation zu verhindern, zu behindern oder aufzubrechen trägt dazu<br />

bei, die Windkräfte im gesamten Wasservolumen wirksam werden zu lassen und eine<br />

Durchmischung bis zum Grund zu ermöglichen. Die Destratifikation fördert u.a. den<br />

vertikalen Temperaturausgleich und dämpft Temperaturspitzen nahe der Oberfläche.<br />

4.) Die Förderung von sauerstoffreichem Oberflächenwasser in die Tiefe kann einen positiven<br />

Effekt haben. Am <strong>See</strong>grund besteht hoher Sauerstoffbedarf für die Mineralisierung<br />

abgesunkener Biomasse. Oft fehlt aber ein ausreichender natürlicher Wasseraustausch<br />

mit den oberflächennahen Schichten über eine windinduzierte Strömung,<br />

um den Bedarf adäquat zu decken – insbesondere während einer Sommerstagnation.<br />

Sauerstoffmangel in der Wasserschicht über dem Sediment fördert u.a. die<br />

Rücklösung von dort eingelagerten Nährstoffen.<br />

5.) Eine künstlich verstärkte Durchmischung der Wassersäule transportiert bislang abgedeckte<br />

und weniger schattentolerante Grün- und Kieselalgen zur lichtreicheren Oberfläche<br />

und fördert sie damit in ihrer Konkurrenz zu den Cyanobakterien.<br />

14


5 Freistrahlverfahren<br />

Der Freistrahl ist eine Strömungsgrundform, in der ein Fluidstrahl aus einer Öffnung in eine<br />

ruhende oder langsamer strömende Umgebung tritt und sich dort ohne seitliche Begrenzung<br />

durch feste Wände ausbreitet. Der Freistrahl ist seit Jahrzehnten erforscht, d.h. vermessen<br />

und modelliert. Er verfügt über Eigenschaften, die ihn für den strömungstechnischen Einsatz<br />

im Bereich der Vermischung von Fluiden (Rühren) besonders geeignet machen:<br />

<br />

<br />

<br />

Der Impulsstrom des Freistrahls bleibt konstant, weil reibende Begrenzungswände<br />

fehlen und kein statischer Druckunterschied zur Umgebung besteht (ohne Auftriebskraft).<br />

Daher hat er eine große Reichweite bei geringer Eintrittsleistung und das Potential,<br />

in dichtere Fluidschichten einzudringen.<br />

Der Volumenstrom des meist turbulenten Freistrahls nimmt durch seitliche Einmischung<br />

stetig zu. Der Freistrahl erfasst und bewegt damit ein Vielfaches seines Eintrittsvolumenstroms.<br />

Der Freistrahl entfaltet seine große Mischwirkung bei geringem Energieeinsatz.<br />

Wegen dieser Eigenschaften findet der Freistrahl vielfältige Anwendung in der mechanischen<br />

Verfahrenstechnik (Rührprozesse), in der Raumlufttechnik (Zuluft-Eintrag) usw.<br />

MICHELE, MICHELE [8] demonstrieren empirische Berechnungsformeln von Truckenbrodt für<br />

einen voll ausgebildeten runden turbulenten Strahl bei gleichen Stoff- und statischen Zustandseigenschaften<br />

von Strahl und Umgebung. Die Formeln betreffen die Entwicklung des<br />

Strahlradius, der Maximalgeschwindigkeit im Strahlzentrum, des Volumenstroms und des<br />

affinen Geschwindigkeitsprofils. Sie sind aus der Grenzschichttheorie abgeleitet worden<br />

durch Integration der turbulenten Grenzschichtgleichungen [9], gehen dabei von einer freien<br />

Turbulenz aus und wurden anhand von Messergebnissen verifiziert. Die Abbildungen zeigen<br />

das Stromlinienbild des runden turbulenten Freistrahls sowie die Geschwindigkeitsverteilung,<br />

wobei Messwerte mit theoretischen Verläufen verglichen werden [9]. Die genannten Formeln<br />

werden in der unten beschriebenen Auslegung verwendet.<br />

Abb. 3: Stromlinienbild des runden turbulenten Freistrahles, aus SCHLICHTING [9]<br />

15


Abb. 4: Geschwindigkeitsverteilung im runden turbulenten Freistrahl, aus SCHLICHTING [9]<br />

Die für den Freistrahl aufzubringende Strömungsleistung äußert sich in dem kinetischen<br />

Energiestrom am Freistrahl-Austritt<br />

Bleibt der Impulsstrom<br />

<br />

<br />

<br />

2 ,<br />

<br />

auch konstant, so verringert sich doch der kinetische Energiestrom entlang der Strecke aufgrund<br />

der inneren Strömungsreibung (Dissipation). Energetisch am günstigsten ist die Realisierung<br />

des Impulsstroms mit einem großen Eintrittsmassenstrom und einer kleinen Eintrittsgeschwindigkeit.<br />

Allerdings steigen mit dem Massenstrom die Anlagengröße und damit der<br />

Investitionsaufwand. Außerdem sinkt mit kleinerem die Reichweite des Freistrahls und<br />

seine Eindringtiefe in dichtere Fluidschichten.<br />

Michele weist wiederholt darauf hin, dass die Strahlausbreitung sich stark ändert, wenn Zähigkeit<br />

und Dichte der Fluide unterschiedlich sind. Wenn in einer stratifizierten Wassersäule<br />

der von oben nach unten gerichtete Freistrahl eine höhere Temperatur, d.h. eine geringere<br />

Dichte als die Umgebung hat, in die er eindringt, kommt es aufgrund von Auftriebseffekten zu<br />

einer Ablenkung. Unter Umständen erreicht der Freistrahl nicht den Gewässergrund und wird<br />

zur Oberfläche zurückgelenkt. Jedoch dort, wo er auf die dichtere Schicht trifft, schafft er<br />

lokal eine Region geringerer Dichte, d.h. auch geringeren statischen Drucks, in die folglich<br />

von der Seite dichteres Fluid einströmt, womit das Metalimnion nach unten gedrückt wird.<br />

Diese Dichtekonvektion bewirkt einen Ausgleich über weite Entfernungen. [8]<br />

16


Hier die Schlussfolgerungen des Aufsatzes von MICHELE, MICHELE [8]:<br />

The free jet is a very efficient tool to convey large amounts of oxygen rich water into the metalimnion,<br />

thereby expanding the epilimnion, and destratifying a water system as intended.<br />

The installation and operation costs are very low, so this technology can be applied for<br />

coastal basins, large and smaller lakes and even fish farming ponds. The oxygen efficiency<br />

may be more than one order of magnitude higher compared to other technologies. If properly<br />

designed for the depth required the jet reaches down – even in strong stratification situations<br />

(saline layers). This means that the habitat for oxygen demanding life forms is expanded.<br />

Generally, the literature reports increased biodiversity if mixing is achieved and the habitat is<br />

oxygen rich.<br />

Installation should be such that the natural effects are reinforced and not reduced.<br />

With an inclined free jet the mass transport is threefold: primary flow by pumping, entrainment,<br />

and mixing of cold (dense) water by the raising stream. The moved mass is increased<br />

considerably over the initial stream.<br />

Starting the operation in early spring would have the greatest effect. The first spring destratification<br />

would be destroyed and the development of it will start later in the year. Artificial mixing<br />

generally leads to an early overturn in autumn. When the anoxic hypolimnion is kept relatively<br />

small, no negative effects will be observed in this situation.<br />

Required energy levels may be so low that consideration of photo voltaic or wind-driven operation<br />

of the pumping system is worthwhile.<br />

17


6 Auftrag<br />

Am 27.07.2007 vergab die Stadt Wilhelmshaven (Grundstücks- und Gebäudeservice GGS)<br />

an das Institut für Innovations-Transfer (ITI) an der Jade Hochschule den Auftrag zum Bau<br />

zweier Freistrahlapparate und zu deren Betrieb im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> in den Jahren 2008 bis 2012.<br />

Das Vorhaben sollte von einem ökologischen Untersuchungsprogramm begleitet werden.<br />

Das Projekt gilt als Langzeitversuch, inwieweit mit dem Einsatz von Freistrahlen eine Verbesserung<br />

der Cyanobakteriensituation erreicht werden kann. Vorausgegangen waren in<br />

2006 eine Bestandsaufnahme und eine Machbarkeitsstudie.<br />

Die Bestandsaufnahme <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> [4] fasst die Erkenntnisse verschiedener Untersuchungen<br />

zur Trophie des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s der vergangenen Jahre zusammen. Der Trophiegrad bezeichnet<br />

die Intensität der Primärproduktion in Gewässern, und man unterscheidet verschiedene<br />

Trophiestufen, d.h. Güteklassen und nennt verschiedene Einflussfaktoren. Der <strong>Banter</strong><br />

<strong>See</strong> wird je nach Kriterium als oligotroph bis eutroph eingestuft. Wichtigster Einflussfaktor ist<br />

die Phosphorbelastung. Aber trotz niedriger Phosphatkonzentration sei es im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong><br />

regelmäßig zu Cyanobakterienblüten gekommen. Allerdings sei zur Blütezeit die RDP-<br />

Konzentration relativ hoch gewesen, bei einem DIN/RDP- (Redfield-) Verhältnis deutlich unter<br />

10. Das deute auf eine Stickstofflimitierung hin, was N 2 -fixierende Cyanobakterienarten<br />

bevorteile. Der Bericht diskutiert weiterhin mögliche vorhandene P-Quellen externer und seeinterner<br />

Art. Als relativ kurzfristige Maßnahmen zur Verhinderung von Cyanobakterienblüten<br />

werden eine Vielzahl von technischen Ansätzen (sog. externe Maßnahmen) genannt. Insbesondere<br />

wird die Belüftung des Hypolimnions hervorgehoben. Langfristig sei die Reduzierung<br />

des Nährstoffeintrags (sog. interne Maßnahmen) anzustreben. Für ein den Freistrahleinsatz<br />

begleitendes ökologisches Untersuchungsprogramm wird eine Kostenkalkulation<br />

vorgelegt. Der Bericht endet mit einem Beitrag zum aktuellen Freistrahleinsatz im Accumer<br />

<strong>See</strong>.<br />

Die Studie über einen Einsatz von Freistrahl-Apparaten [10] behandelt die Auslegung, die<br />

Konstruktion und die Kostenabschätzung für Bau und Betrieb von zwei Anlagen im <strong>Banter</strong><br />

<strong>See</strong>. Die Auslegung betrifft die Formulierung strömungstechnischer Anforderungen bzgl. des<br />

Fördervolumenstroms, des Propellerdurchmessers und damit der Austrittsgeschwindigkeit.<br />

Ferner werden die Anordnung im <strong>See</strong> und die Ausrichtung festgelegt. Das Konstruktionskapitel<br />

erläutert die Plattform und die Antriebseinheit, incl. eines Nachweises der Schwimmstabilität<br />

und incl. der Propellerauslegung. Ferner werden die Verankerung und der elektrische<br />

Anschluss beschrieben, sowie die Punkte Sicherheit, Montage und Ausbringung, Betrieb und<br />

Überwachung angesprochen. Eine Kostenkalkulation schließt die Studie ab.<br />

18


7 Auslegung, Konstruktion, Bau, Infrastruktur, Kosten<br />

Auslegungsdaten, Standorte, Infrastruktur<br />

Der <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> hat eine Fläche von ca. 1.15 Mio m 2 und damit bei einer mittleren Wassertiefe<br />

von 10 m ein Volumen von ca. 11.5 Mio m 3 . Er liegt lang gestreckt etwa in West-Ost-<br />

Richtung und weist bei einer Engstelle in der Mitte eine deutliche Zweiteilung auf (s. Abb. 5).<br />

Diese topographische Gegebenheit legt den Einsatz von zwei Freistrahl-Apparaten nahe. Die<br />

beiden Freistrahl-Apparate werden in WSW-Richtung ausgerichtet, als Kompromiss zwischen<br />

der vorherrschenden SW-Windrichtung und der Längsrichtung des <strong>See</strong>s. Sie arbeiten<br />

auf diese Weise gegen die Windrichtung und fördern in die Rückströmung der vom Wind<br />

getriebenen oberflächennaher Wasserschichten.<br />

„Bant 1“<br />

„Bant 2“<br />

Abb. 5: <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> und Standorte der <strong>Freistrahlanlagen</strong><br />

Die für die Stadt Wilhelmshaven angefertigte Projektstudie [10] gibt Auskunft über die strömungstechnischen<br />

Anforderungen, die Konstruktion und die Infrastrukturmaßnahmen – vor<br />

allem für den ersten Apparat „Bant 1“.<br />

Die Vorgabe des zu fördernden Volumenstroms beider Anlagen richtete sich nach dem<br />

<strong>See</strong>volumen . Eine theoretische Umwälzzeit von / 1600 wurde nach den Erfahrungen<br />

vom Accumer <strong>See</strong> und nach den Zahlen vergleichbarer Anlagen von „SolarBee“<br />

festgelegt. Daraus folgte der anzustrebende Gesamtvolumenstrom beider Anlagen zu<br />

2 / . Erreicht wurden 1.5 ⁄ , wenn beide Anlagen in ihren Auslegungspunkten<br />

betrieben wurden.<br />

19


Auslegungsdaten „Bant 1“<br />

Durchmesser Propeller 1.3 <br />

Neigungswinkel 37.5 <br />

Drehzahl 110 <br />

Leistungsaufnahme 1.87 <br />

Wirkungsgrad<br />

Strömungsleistung<br />

<br />

<br />

<br />

2<br />

0.15<br />

0.28 <br />

Anfangsgeschwindigkeit 0.95 <br />

Anfangsdurchmesser Freistrahl<br />

√2<br />

0.92 <br />

Volumenstrom<br />

<br />

4 0.63 <br />

<br />

Schub 590 <br />

Weg zum <strong>See</strong>grund (-10 m) bei linearer<br />

Strahlausbreitung<br />

Geschwindigkeit am <strong>See</strong>grund in<br />

Strahlmitte<br />

<br />

6.571 /<br />

16.4 <br />

0.35 <br />

Eine Variation des Betriebspunkts ist bei „Bant 1“ über eine Drehzahländerung möglich. Der<br />

mit einem Frequenzumrichter angesteuerte Elektromotor erlaubt eine Leistungssteigerung<br />

bis 11 kW.<br />

20


Auslegungsdaten „Bant 2“<br />

Durchmesser Propeller 1.5 <br />

Neigungswinkel 30 <br />

Drehzahl 40 <br />

Leistungsaufnahme 2.5 <br />

Wirkungsgrad<br />

Strömungsleistung<br />

<br />

<br />

<br />

2<br />

0.15<br />

0.375 <br />

Anfangsgeschwindigkeit 0.95 <br />

Anfangsdurchmesser Freistrahl<br />

√2<br />

1.06 <br />

Volumenstrom<br />

<br />

4 0.84 <br />

<br />

Schub 790 <br />

Weg zum <strong>See</strong>grund (-10 m) bei linearer<br />

Strahlausbreitung<br />

Geschwindigkeit am <strong>See</strong>grund in<br />

Strahlmitte<br />

<br />

6.571 /<br />

20 <br />

0.33 <br />

Der zweite Apparat „Bant 2“ hat eine ähnliche Plattform wie „Bant 1“. Propeller und Antrieb<br />

wurden als Komplettpaket von der Firma WILO bezogen. Eine Drehzahländerung war nicht<br />

möglich.<br />

Die Auslegungsdaten wurden von den Schubmessungen – dargestellt im Kap. „Ergebnisse“<br />

– bestätigt. Die ursprünglich in der Studie genannten höheren Volumenströme beruhten auf<br />

einem fehlerhaften Rechenansatz.<br />

Die theoretischen Strömungsgeschwindigkeiten im Strahlzentrum abhängig von der Lauflänge<br />

folgen aus einer empirischen Formel von Truckenbrodt, s. [8]. Taucher bestätigen eine<br />

deutlich erkennbare Strömungsgeschwindigkeit am <strong>See</strong>grund und eine freigewehte Sedimentoberfläche.<br />

21


Zur Stromversorgung sind <strong>See</strong>kabel ausgehend von zwei Zentralen Anschlusssäulen (ZAS)<br />

am Nordufer des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s verlegt worden (Länge je ca. 250 m). „ZAS 1“ befindet sich am<br />

östlichen Ende der Spundwand. „ZAS 2“ befindet sich am Café Fährhaus.<br />

Die Verankerung erfolgte mittels zweier Ankersteinpaare (1000 kg je Ankerstein) im Westen<br />

der Apparate zu ihrer Ausrichtung und mit einem Pfluganker im Osten zu ihrer Sicherung<br />

nach hinten.<br />

Konstruktion „Bant 1“<br />

Eine CAD-Zeichnung der ersten Freistrahlanlage für den <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> ist in Abb. 6 zu sehen.<br />

Auf ihr fehlt noch der elektrische Anschlusskasten zur Aufnahme des Frequenzumrichters.<br />

Ferner hat die tatsächliche Anlage kein Kardangelenk zwischen der Antriebswelle und der<br />

Propellerwelle. Die Plattform misst 3.3 x 4 m und ist aus Edelstahl gebaut.<br />

Der Elektro-Getriebemotor unter der rechteckigen Haube leistet max. 11 kW und wird über<br />

einen Frequenzumrichter angesteuert. Dafür ist ein größerer Schaltschrank notwendig, der<br />

mit Wasser gekühlt werden. Zur Fernüberwachung wird ein SMS-Sender für Störmeldungen<br />

installiert. (Studentische Projektarbeit 2007/08)<br />

Die Antriebswelle liegt unter 37.5 0 geneigt und ist etwa 3 m lang. Eine elastische Kupplung<br />

stellt die Verbindung zur Propellerwelle her, die sich in Gleitlagern dreht. Der Propeller hat<br />

einen Durchmesser von 1.3 m und dreht im Auslegungsfall mit 110 min -1 . Er ist in der ersten<br />

Ausführung eine dreiflügelige eigene Stahlblechkonstruktion und wird von einer Stromröhre<br />

umschlossen (Diplomarbeit 2007).<br />

22


Abb.6: Konstruktionszeichnung „Bant 1“<br />

Der Apparat „Bant 1“ hatte einige Problemstellen, die in den ersten beiden Betriebsjahren zu<br />

Unterbrechungen führten:<br />

Die Kupplung zwischen Antriebs- und Propellerwelle versagte in der Saison 2008<br />

zweimal. Dann konnte eine elastische Kupplung gefunden werden, die seit 2009<br />

komplett durchgehalten hat.<br />

Gegen Ende der Saison 2009 kam es zu einem Bruch einer Propellerschaufel. Die<br />

Ursache wurde untersucht, um eine konstruktive Verbesserung vorzuschlagen (Studentische<br />

Projektarbeit 2010). Seit 2010 wird jedoch ein zweiflügeliger Kaufpropeller<br />

eingesetzt, dessen 3D-Profile strömungstechnisch optimiert sind.<br />

Der Kühlwasserkasten neigt zu Undichtigkeit und musste neu verklebt werden. Allerdings<br />

ist bei einer üblicherweise eingestellten Leistung unter 2 kW keine Kühlung erforderlich.<br />

Der Frequenzumrichter ist empfindlich und kompliziert zu bedienen.<br />

Die folgenden Abb. 7 und 8 zeigen „Bant 1“ beim Stapellauf und bei der Bergung im Jahr<br />

2009.<br />

23


Abb. 7: Stapellauf von „Bant 1“ am 02.04.2009<br />

Abb. 8: Bergung von „Bant 1“ im September 2009 (37. KW)<br />

Konstruktion „Bant 2“<br />

Eine CAD-Zeichnung der zweiten Freistrahlanlage für den <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> ist in Abb. 9 zu sehen.<br />

Die Plattform ist wie bei der ersten Anlage 3.3 x 4 m groß, aber aus lackiertem Baustahl<br />

gefertigt, um die Materialkosten zu reduzieren. Sie trägt eine Tauchmotor - Propeller - Einheit<br />

von WILO (TR 215.40 - 4/8V), die unter einem Winkel von 30 0 geneigt ist und eine feste<br />

Drehzahl aufweist, also elektrisch unkompliziert ist. Der Propeller hat einen Durchmesser<br />

von 1.5 m und dreht mit 40 rpm. Er hat zwei Flügel, die als GFK-Konstruktion stark dreidimensional<br />

geformt und strömungstechnisch optimiert sind. Der Propeller läuft offen, d.h. ohne<br />

Stromröhre. Zur Sicherung ist er von einem Drahtgitterkäfig umgeben.<br />

24


Abb. 9: Konstruktionszeichnung „Bant 2“<br />

Der Apparat „Bant 2“ hat nur wenige unwesentliche<br />

Problemstellen:<br />

<br />

<br />

Wegen der Schräglage<br />

der Tauchmotor - Propeller - Einheit musstee auf Empfehlung<br />

der Fa. WILO die Getriebeölmenge erhöht werden.<br />

Am Aufnahmegerüst kommt es zuu Korrosion.<br />

Die folgenden Abb. 10 bis 12 zeigen „Bant 2“ beim Stapellauf und u bei der Bergung in 2009.<br />

25


Abb. 10: Stapellauf von „Bant 2“ am 02.04.2009<br />

Abb. 11: Bergung von „Bant 2“ am 08.10.2009<br />

Abb. 12: Bergung von „Bant 2“ am 08.10.2009<br />

26


Externee unentgeltliche Hilfe<br />

Bei der Einrichtung<br />

der Infrastruktur, beim Bau der<br />

Plattformen sowie beim Ausbringen und<br />

Einholen der Anlagen gab es<br />

umfangreiche Hilfe von lokalen Institutionen, Firmen und Vereinen.<br />

Die Ankersteine wurden vom Bauhof des Wasser- und Schifffahrtsamtess (WSA) Wilhelms-<br />

haven zur Verfügung gestellt und vom Technischen Hilfswerkk (THW, Ortsgruppe Wilhelms-<br />

haven, Hr. Hirch) in<br />

Ufernähe vor dem Grodendammm in den <strong>See</strong> gesetzt. An ihre endgültigen<br />

Positionen gelangten sie mittels Hebesäcken in einer gemeinsamen Schleppaktion von Tauvon<br />

den<br />

chern des UWC-Manta und Helfern des THW. Die <strong>See</strong>kabel wurden vom THW<br />

Zentralen Anschlusssäulen (ZAS) zu denn Freistrahl-Positionen<br />

verlegt.<br />

Der Bau<br />

der Plattform von „Bant 1“ erfolgte in der Ausbildungswerkstatt<br />

„Bant 2“<br />

wurde im Marinearsenal (MArs) Wilhelmshaven gefertigt.<br />

des WSA-Bauhofs.<br />

Ausbringen, Versetzen und Bergen der Anlagen leistete in den meisten Fällen das THW.<br />

Die Firma Manitowoc (Hr. Abels) stellt regelmäßig Platz auf ihrem Gelände für Montage und<br />

Demontage zur Verfügung.<br />

Allen Hilfeleistenden ein besonderer Dank an dieser<br />

Stelle!<br />

27


Finanzierung<br />

Der Auftrag der Stadt Wilhelmshaven, Grundstücke und Gebäude GGS, vom 27.06.2007<br />

(eigentlich 27.07.2007) beinhaltete die Maßnahme „Bau und Betrieb von 2 Freistrahlapparaten<br />

einschließlich begleitendes ökologisches Untersuchungsprogramm“. Er folgte der Angebotssumme<br />

von 165.000 € (einschließlich Mehrwertsteuer) für die technische Herstellung<br />

und für das 1. Betriebsjahr 2008. Davon entfielen 121.444 € auf die Herstellkosten und<br />

43.556 € auf die Betriebskosten incl. ökologischen Untersuchungsprogramms. Für die weiteren<br />

4 Betriebsjahre wurden je 43.000 € Betriebskosten und 9.520 € Reparaturkosten bewilligt.<br />

Im Angebot waren jährliche Stromkosten von 9.520 € veranschlagt worden, die aber<br />

deutlich geringer ausfielen und tatsächlich nicht vom Auftragnehmer getragen wurden. Über<br />

die einzelnen Einnahmen und Ausgaben wurde detailliert Buch geführt. In der Übersicht<br />

ergibt sich das folgende Bild mit Preisen ohne Mehrwertsteuer:<br />

Kostenart bewilligt verausgabt prozentual Bemerkung<br />

Herstellung 102.054 € 93.316 € 91 %<br />

Betrieb 78.689 € 49.670 € 63 % ohne Strom<br />

Ökologisches Begleitprogramm 94.450 € 94.450 € 100 %<br />

Gesamt 275.193 € 237.436 € 86 %<br />

Die jährliche Entwicklung der Kostenanteile veranschaulicht die folgende Graphik:<br />

50.000<br />

45.000<br />

40.000<br />

35.000<br />

30.000<br />

25.000<br />

20.000<br />

15.000<br />

10.000<br />

5.000<br />

0<br />

Kostenübersicht<br />

2007 2008 2009 2010 2011 2012<br />

<strong>Technik</strong> Personal Ökologie Verwaltung<br />

31


8 Ergebnisse<br />

Betrieb der <strong>Freistrahlanlagen</strong><br />

Die Betriebszeiten, der Stromverbrauch und daraus die elektrischen Antriebsleistungen wurden<br />

vollständig erfasst. Seit dem 01.09.2008 wurden dazu regelmäßig die Zählerstände der<br />

ZAS abgelesen. Die folgenden Abbildungen zeigen die zeitlichen Verläufe der elektrischen<br />

Leistung beider Anlagen in den fünf Betriebsjahren. „Bant 1“ bietet ein unregelmäßigeres Bild<br />

verglichen mit „Bant 2“. Gründe sind neben Anfangsschwierigkeiten wie Kupplungsschäden<br />

und Kühlpumpenausfälle sich zusetzende Schutzgitter, aber auch durchgeführte Drehzahlvariationen.<br />

„Bant 2“ lief sehr gleichmäßig und zuverlässig dank ihrer einfacheren Konstruktion<br />

bei konstanter Drehzahl. Die jährlichen Stromverbräuche sind der Tabelle zu entnehmen:<br />

Bant 1 Bant 2<br />

2008 3646 kWh<br />

2009 3905 kWh 9761 kWh<br />

2010 6866 kWh 10665 kWh<br />

2011 6046 kWh 10322 kWh<br />

2012 6377 kWh 10587 kWh<br />

Summe 26840 kWh 41335 kWh<br />

2,50<br />

Leistung Bant 1 [kW]<br />

2,00<br />

1,50<br />

1,00<br />

0,50<br />

0,00<br />

01.04.08 01.05.08 31.05.08 30.06.08 30.07.08 29.08.08 28.09.08 28.10.08<br />

32


2,00<br />

Leistung Bant 1 [kW]<br />

1,50<br />

1,00<br />

0,50<br />

0,00<br />

01.04.09 01.05.09 31.05.09 30.06.09 30.07.09 29.08.09 28.09.09 28.10.09<br />

3,00<br />

Leistung Bant 2 [kW]<br />

2,50<br />

2,00<br />

1,50<br />

1,00<br />

0,50<br />

0,00<br />

01.04.09 01.05.09 31.05.09 30.06.09 30.07.09 29.08.09 28.09.09 28.10.09<br />

33


2,50<br />

Leistung Bant 1 [kW]<br />

2,00<br />

1,50<br />

1,00<br />

0,50<br />

0,00<br />

01.04.10 01.05.10 31.05.10 30.06.10 30.07.10 29.08.10 28.09.10 28.10.10<br />

3,00<br />

Leistung Bant 2 [kW]<br />

2,50<br />

2,00<br />

1,50<br />

1,00<br />

0,50<br />

0,00<br />

01.04.10 01.05.10 31.05.10 30.06.10 30.07.10 29.08.10 28.09.10 28.10.10<br />

34


2,00<br />

Leistung Bant 1 [kW]<br />

1,50<br />

1,00<br />

0,50<br />

0,00<br />

01.04.11 01.05.11 31.05.11 30.06.11 30.07.11 29.08.11 28.09.11 28.10.11<br />

3,00<br />

Leistung Bant 2 [kW]<br />

2,50<br />

2,00<br />

1,50<br />

1,00<br />

0,50<br />

0,00<br />

01.04.11 01.05.11 31.05.11 30.06.11 30.07.11 29.08.11 28.09.11 28.10.11<br />

35


2,00<br />

Leistung Bant 1 [kW]<br />

1,50<br />

1,00<br />

0,50<br />

0,00<br />

01.04.12 01.05.12 31.05.12 30.06.12 30.07.12 29.08.12 28.09.12 28.10.12<br />

3,00<br />

Leistung Bant 2 [kW]<br />

2,50<br />

2,00<br />

1,50<br />

1,00<br />

0,50<br />

0,00<br />

01.04.12 01.05.12 31.05.12 30.06.12 30.07.12 29.08.12 28.09.12 28.10.12<br />

36


Energietechnischer Wirkungsgrad der Propeller<br />

Der Gesamtwirkungsgrad bezieht die erzielte Strömungsleistung auf die eingesetzte elektrische<br />

Leistung<br />

<br />

<br />

Die Strömungsleistung ist der Strom der kinetischen Energie des austretenden Freistrahls<br />

<br />

<br />

<br />

2 <br />

<br />

2 <br />

2<br />

mit dem Schub als dem Produkt aus austretendem Massenstrom und Austrittsgeschwindigkeit<br />

.<br />

Die elektrische Leistung wird aus dem zeitlichen Stromverbrauch bestimmt (s.o.)<br />

<br />

<br />

Mittels Kraftmessungen an den beiden Ankerseilen über eine zwischengeschaltete Kraftmesswaage<br />

wird der Propellerschub bestimmt. Austrittsgeschwindigkeit und Strömungsleistung<br />

folgen aus<br />

<br />

2 <br />

mit der Wasserdichte und der Propellerfläche .<br />

Für die Schubbestimmung gilt das Kräftegleichgewicht in x-Richtung, d.h. in Ponton-<br />

Längsrichtung parallel zur Wasseroberfläche (xy-Ebene)<br />

cos cos cos cos cos <br />

mit<br />

Schub in Richtung Propellerachse (Betrag)<br />

,<br />

<br />

,<br />

Seilkraft links, rechts (Betrag)<br />

Winkel zwischen Propellerachse und x-Richtung<br />

Winkel zwischen Ankerseil und xy-Ebene<br />

, Winkel zwischen Projektion des Ankerseils auf xy-Ebene und x-Richtung<br />

Mit den gemessenen Kräften und bei bekannten Winkeln kann somit der Schub berechnet<br />

werden. Wegen unterschiedlicher Längen der beiden Ankerseile sind die Kräfte und Winkel<br />

links und rechts nicht gleich. Das Kräftegleichgewicht in y-Richtung verlangt<br />

0 cos sin cos sin <br />

Darüber lassen sich die nach Augenschein bestimmten Winkel und korrigieren.<br />

37


Die Messungen erfolgten bei Windstille, d.h. ohne Windkraft auf die Anlage. Eine Kraft des<br />

Versorgungskabels wird nur in z-Richtung angenommen (Gewichtskraft).<br />

An der Anlage „Bant 1“ wurde eine Drehzahlvariation vorgenommen (Messungen am<br />

02.08.2012). Die folgenden Abbildungen zeigen die Verläufe von Kräften, Leistung, Wirkungsgrad<br />

und Volumenstrom in Abhängigkeit von der Drehzahl. Das Wirkungsgradoptimum<br />

liegt mit 0.165 knapp unter 100 rpm.<br />

35,0<br />

Seilkräfte [kg] vs. Drehzahl [rpm]<br />

30,0<br />

25,0<br />

20,0<br />

15,0<br />

Kraft links<br />

Kraft rechts<br />

10,0<br />

5,0<br />

0,0<br />

0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 120,0<br />

10,0<br />

y‐Seilkraftkomponenten [kg] vs. Drehzahl [rpm]<br />

9,0<br />

8,0<br />

7,0<br />

6,0<br />

5,0<br />

4,0<br />

Kraft li y<br />

Kraft re y<br />

3,0<br />

2,0<br />

1,0<br />

0,0<br />

0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 120,0<br />

700,0<br />

x‐Kraftkomponente und Schub [N] vs. Drehzahl [rpm]<br />

600,0<br />

500,0<br />

400,0<br />

300,0<br />

Kraft x [N]<br />

Schub [N]<br />

200,0<br />

100,0<br />

0,0<br />

0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 120,0<br />

38


2,50<br />

Elektrische Leistung [kW] vs. Drehzahl [100 rpm]<br />

2,00<br />

1,50<br />

y = 1,3578x 2 ‐ 0,0635x + 0,3431<br />

R² = 0,9979<br />

1,00<br />

Leist. [kW]<br />

Poly. (Leist. [kW])<br />

0,50<br />

0,00<br />

0,00 0,20 0,40 0,60 0,80 1,00 1,20<br />

1,20<br />

Austrittsgeschwindigkeit [m/s] vs. Drehzahl [rpm]<br />

1,00<br />

0,80<br />

0,60<br />

0,40<br />

0,20<br />

0,00<br />

0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 120,0<br />

0,70<br />

Volumenstrom [m 3 /s] vs. Drehzahl [rpm]<br />

0,60<br />

0,50<br />

0,40<br />

0,30<br />

0,20<br />

0,10<br />

0,00<br />

0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 120,0<br />

0,180<br />

Wirkungsgrad vs. Drehzahl [rpm]<br />

0,160<br />

0,140<br />

0,120<br />

0,100<br />

0,080<br />

0,060<br />

0,040<br />

0,020<br />

0,000<br />

0,0 20,0 40,0 60,0 80,0 100,0 120,0<br />

39


An der Anlage „Bant 2“ wurden die entsprechenden Werte für die einzig verfügbare Drehzahl<br />

von 40 rpm bestimmt (Messungen am 11.10.2012):<br />

Schub<br />

768 N<br />

Elektrische Leistung 2.49 kW<br />

Austrittsgeschwindigkeit 0.93 m/s<br />

Volumenstrom 0.82 m 3 /s<br />

Wirkungsgrad 0.144<br />

Geschwindigkeitsmessungen im Freistrahl<br />

Tiefenprofile der Strömungsgeschwindigkeit wurden mit einer Akustik-Doppler-Sonde aufgenommen<br />

(Sentinel ADCP „Acoustic Doppler Current Profiler“ von Teledyne RD Instruments).<br />

Sie war am Bug des Messschiffs „Navicula“ des ICBM der Universität Oldenburg montiert<br />

und vermaß Traversen in unterschiedlichen Abständen vor den <strong>Freistrahlanlagen</strong>. Damit<br />

konnten die Profile der beiden Freistrahlen entlang ihrer Ausbreitungsrichtung verfolgt werden<br />

(Messungen vom 28./29.06.2011).<br />

Die einzelnen aufgenommenen Geschwindigkeitsfelder – jeweils zweidimensional in Tiefe<br />

und Fahrtrichtung – werden gemeinsam als dreidimensionale Felddarstellungen in den folgenden<br />

Abb. 13 bis 15 dargestellt. Die Messwerte zeigen sich räumlich nur grob aufgelöst<br />

mit einem hohen Rauschanteil.<br />

Bant 1: Der Freistrahl verläuft geradlinig steil nach unten (37.5 0 zur Wasseroberfläche geneigt)<br />

und erreicht deutlich den Grund.<br />

Bant 2: Der Freistrahl beginnt relativ flach (in diesem Jahr ausnahmsweise nur 20 0 geneigt),<br />

wird zur Wasseroberfläche abgelenkt und erreicht nicht den Grund. Offensichtlich kann das<br />

zu diesem Messzeitpunkt durch intensive Sonneneinstrahlung wärmere Oberflächenwasser<br />

nicht sehr weit in die kältere und damit dichtere Tiefe eindringen.<br />

40


Abb. 13: Geschwindigkeitsfelder vor Bant 1 bei niedriger Drehzahl, Wassertiefe bis 9 m<br />

Abb. 14: Geschwindigkeitsfelder vor Bant 1 bei hoher Drehzahl, Wassertiefe bis 9 m<br />

41


Abb. 15: Geschwindigkeitsfelder vor Bant 2, Wassertiefe bis 8.5 m<br />

Ökologische Begleituntersuchung<br />

Parallel zum Einsatz der <strong>Freistrahlanlagen</strong> wurde eine umfangreiche ökologische Begleituntersuchung<br />

von MarChemConsult, Prof. Liebezeit durchgeführt. Darüber wurde jährlich berichtet.<br />

Zum Zeitpunkt der Fertigstellung des vorliegenden <strong>Abschlussbericht</strong>s zur <strong>Technik</strong><br />

liegt der Bericht für 2012 zur Begleituntersuchung, der auch als <strong>Abschlussbericht</strong> konzipiert<br />

ist, noch nicht vor. Daher wird hier auf den Bericht für 2011 [11] zurückgegriffen. Im Fazit<br />

dieses Berichts heißt es:<br />

Im Jahr 2011 gingen sowohl die Zellzahlen des Phytoplanktons und damit auch der<br />

Cyanobakterien ebenso deutlich zurück wie die Konzentrationen des reaktiven gelösten<br />

Phosphats und die Menge an cyanobakteriellen Pigmenten. Ein Zusammentreiben von<br />

cyanobakterieller Biomasse nach dem Absterben einer Blüte wurde nur kurzfristig im Juni<br />

beobachtet. Die angetriebene Biomasse erreichte bei weitem nicht die Menge der Vorjahre<br />

und machte sich nur sehr kurzfristig durch die Freisetzung von Toxinen beim Abbau bemerkbar.<br />

Die Sauerstoffsättigung und die Secchi-Tiefenwerte stiegen 2011 an. Einige dieser Befunde<br />

lassen sich anhand der Langzeitdaten als Trends bezeichnen, z.B. der Rückgang der RDP-<br />

Konzentrationen. Dieser lässt sich allerdings nicht auf die Abkoppelung des Rynschlots im<br />

Sommer 2011 zurückführen, obwohl dies langfristig eine Rolle für den P-Haushalt des <strong>Banter</strong><br />

<strong>See</strong>s spielen sollte, berücksichtigt man die deutlich höheren RDP-Konzentrationen in diesem<br />

Zulauf.<br />

42


Es kann weiter spekuliert werden, dass bei den in diesem und im letzten Jahr vorherrschenden<br />

oxischen Bedingungen in größeren Wassertiefen als Folge der fehlenden Temperaturschichtung<br />

mehr Phosphat im Sediment festgelegt wurde, z.B. in Form von Eisenverbindungen.<br />

Bei der Interpretation anderer Parameter muss berücksichtigt werden, dass auch externe<br />

Einflüsse eine Rolle spielen. So zeigt eine Betrachtung der meteorologischen Einflüsse während<br />

der Wachstumsphase des Phytoplanktons (April bis September) deutliche Unterschiede<br />

zwischen den einzelnen Jahren. Allerdings sind diese z.B. zwischen 2010 und 2011 nicht so<br />

groß, als dass die beobachteten Effekte beim Phytoplankton damit erklärt werden könnten.<br />

Eine bislang nicht in Erwägung gezogene Quelle für Stickstoff- und Phosphatverbindungen<br />

können Verrieselungsleitungen von nicht mehr aktiven Kläranlagen sein. Eine solche Quelle<br />

käme erst nach einer tiefgründigen Wassersättigung des Bodens zum Tragen, so dass sich<br />

ohne gezielte Untersuchungen bzw. Laborexperimente die mögliche Bedeutung nicht belegen<br />

lässt.<br />

Ebenso muss die Auswaschung von Düngemitteln berücksichtigt werden, vor allem für N-<br />

Verbindungen. Dies könnte die hohen sommerlichen DIN-Konzentrationen erklären.<br />

Eine weitergehende Interpretation der Ergebnisse lässt sich mit den vorliegenden Daten daher<br />

nicht erreichen. Es fehlen dazu unter anderem Zeitserien der bekannten Einträge und<br />

Informationen zu anderen Eintragswegen. Ebenso fehlen Daten zu den funktionellen Zusammenhängen<br />

im gesamten Ökosystem, z.B. zur Rolle des Zooplanktons oder der Makrophyten<br />

(s. dazu [4]).<br />

Die folgenden Abbildungen aus dem genannten Jahresbericht zeigen die Entwicklungen des<br />

Phycocyaningehalts und der RDP-Konzentration über den bisherigen Zeitraum des<br />

Freistrahleinsatzes.<br />

43


Abb. 16: Entwicklung der über die gesamte Wassersäule integrierten Phycocyaningehalte<br />

von 2008 bis 2011. Für April bis Juni 2009 liegen<br />

wegen eines Gerätefehlers keine Phy-<br />

cocyaninwerte vor.<br />

[11]<br />

Abb. 17: Entwicklung der über die gesamte Wassersäule integrierten RDP-Konzentrationen<br />

von 2008 bis 2011. [11]<br />

44


9 Parallele Ereignisse<br />

Nach der Auftragserteilung 2007 und dem Beginn des Freistrahleinsatzes im Sommer 2008<br />

war das Thema Sanierung und Restaurierung des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s weiterhin umstritten. Der optische<br />

Eindruck des <strong>See</strong>s, die eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten und die Zukunft des<br />

Areals überhaupt hielten die Diskussion in Politik und Öffentlichkeit weiter aufrecht.<br />

Im Sommer 2010 gründete die Stadt auf Initiative von Dr. Graul einen Arbeitskreis <strong>Banter</strong><br />

<strong>See</strong>, der sich intensiv mit dessen Problematik befassen sollte. Alle am <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> engagierten<br />

Erfahrungsträger aus der Stadtverwaltung und aus der ortsansässigen Wissenschaft sollten<br />

zusammengeführt werden und unter der Leitung eines externen Moderators beraten, was<br />

zur Verbesserung der Wasserqualität weiterhin getan werden kann. Ziel war ein realistisches<br />

Handlungskonzept und eine einvernehmliche Basis für das weitere Vorgehen.<br />

Am 28.10.2010 beschloss der Rat der Stadt die „Erstellung eines Gesamtkonzeptes zur Verbesserung<br />

der Wasserqualität des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s sowie Bereitstellung der erforderlichen<br />

Haushaltsmittel“. Der externe Moderator / Berater sollte diesen Prozess der Konzepterstellung<br />

leiten, der Arbeitskreis Beratungs- und Lenkungsorgan sein. Der Moderator sollte dabei<br />

direkt den Kontakt zu den Mitgliedern des Arbeitskreises suchen.<br />

Zum externen Moderator wurde das Ingenieurbüro Dr.-Ing. Manzenrieder und Partner (IM+P)<br />

ausgewählt. Von der Auswahl des Moderators wurden die Vertreter der Fachhochschule im<br />

Februar 2011 kurzfristig ausdrücklich ausgeschlossen – mit dem Hinweis, dass es sich um<br />

eine verwaltungsinterne Angelegenheit handelte. Zu weiteren Arbeitskreissitzungen wurden<br />

wir nicht mehr eingeladen. Auch nahm der Moderator keinen Kontakt zu uns auf. Statt einen<br />

Arbeitskreis zu moderieren, hat Manzenrieder ein vergleichendes Gutachten verfasst. Die<br />

Ergebnisse wurden am 27.06.2011 der Öffentlichkeit vorgestellt. Vorher erlangten wir nur<br />

bruchstückhaft aus der Presse Kenntnis davon.<br />

Präsentation Manzenrieder<br />

Die Ergebnispräsentation des IM+P umfasst zunächst einige Vorbemerkungen zum Gewässermanagement<br />

allgemein, die Erwähnung des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s in der EG-<br />

Wasserrahmenrichtlinie sowie seine historische Entwicklung. Sie kommt dann auf das Kernproblem<br />

des Massenwachstums von Cyanobakterien und den Nährstoffzyklus zu sprechen.<br />

Auftragsgemäß sind 43 verfügbare Untersuchungsberichte aus den Jahren 1971 bis 2011<br />

kritisch ausgewertet worden. Eine Zusammenfassung der Hauptergebnisse erwähnt das Auftreten<br />

von Cyanobakterien-Blüten seit 1990 und den Haupteinflussfaktor des hohen bioverfügbaren<br />

RDP-Gehalts im Wasser und des hohen rücklösbaren P-Gehalts im Sediment.<br />

Der Einsatz der <strong>Freistrahlanlagen</strong> wird ausgesprochen negativ kritisch kommentiert. Die vorgeschlagenen<br />

Sanierungs- und Restaurierungsoptionen nennen zunächst die Reduzierung<br />

von Einleitungen, dann die Konditionierung des Sediments und ferner die Verdünnung durch<br />

Öffnung des <strong>See</strong>s. Die sog. endogene Option der Sedimentkonditionierung soll mit dem<br />

Phosphatfällungsmittel Bentophos erfolgen, für dessen Einsatz einige Referenzen genannt<br />

werden. Allerdings werden hier auch Schwachstellen bezeichnet, die u.a. eine Voruntersuchung<br />

notwendig erscheinen lassen. Die sog. exogene Option der Öffnung des <strong>See</strong>s wird<br />

einseitig und zweiseitig vorgeschlagen: Einseitig durch Öffnung des Grodendamms, wie es<br />

bereits 1976 einmal geplant worden ist, und zweiseitig durch zusätzliche Öffnung des <strong>See</strong>-<br />

45


deichs im Westen, um einen Durchfluss zu ermöglichen. Die Sanierungsoptionen werden<br />

bewertet und es wird auf die Notwendigkeit ergänzender Bestandsaufnahmen und der Ermittlung<br />

physikalischer Zeitreihen, z.B. bezüglich der Grundwasserdynamik, verwiesen. Eine<br />

Handlungsempfehlung schließt die Präsentation ab.<br />

Stellungnahmen<br />

Als Reaktion auf die Präsentation des IM+P wurden drei Stellungnahmen der am Freistrahlprojekt<br />

engagierten Professoren verfasst.<br />

Lücking schrieb am 29.06.2011 die folgende „Stellungnahme zur Begutachtung der Situation<br />

im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>“ und richtete sie an die Verantwortlichen der Stadt:<br />

Am Abend des 27. Juni d. J. konnte ich einen Vortrag des Herrn Dr. Manzenrieder über ein<br />

von ihm erstelltes Gesamtgutachten zum <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> hören. Darin sind bisherige Berichte<br />

und Gutachten zusammengefasst worden, sind Befragungen von Beteiligten und Betroffenen<br />

ausgewertet worden, und darin wird schließlich eine Empfehlung gegeben, wie mit dem <strong>Banter</strong><br />

<strong>See</strong> weiter verfahren werden soll.<br />

Ursprünglich war seitens der Stadt Wilhelmshaven ein Arbeitskreis geplant worden, der alle<br />

am <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> engagierten Erfahrungsträger zusammenführen sollte, und der unter Leitung<br />

eines externen Moderators beraten sollte, was zur Verbesserung der Wasserqualität des<br />

<strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s getan werden kann. Zum externen Moderator wurde Herr Dr. Manzenrieder<br />

ausgewählt, der aber dann, statt einen Arbeitskreis zu moderieren, das oben erwähnte vergleichende<br />

Gutachten verfasst hat.<br />

Ich war von diesem sogenannten Arbeitskreis ausdrücklich ausgeschlossen und habe Ergebnisse<br />

zunächst bruchstückhaft aus der Presse und dann erst am Informationsabend des<br />

27. Juni erfahren. Meine Mitarbeiter und ich sind niemals um eine Stellungnahme gefragt<br />

worden, obwohl wir die Einzigen sind, die seit Jahren in großem Umfang und ganz konkret<br />

am <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> arbeiten, um etwas gegen die Cyanobakterienplage zu tun. Die <strong>Freistrahlanlagen</strong><br />

werden im Bericht zwar erwähnt, aber negativ beurteilt – mit Argumenten, die eine<br />

genauere Kenntnis der zugrundeliegenden Überlegungen vermissen lassen. Das ist auch<br />

nicht verwunderlich, wenn man die Urheber ignoriert.<br />

Angehörige der Fachhochschule in Wilhelmshaven beschäftigen sich seit über 10 Jahren<br />

wissenschaftlich mit diesem Thema, sie leisten seit 4 Jahren engagierte Arbeit beim Betrieb<br />

der <strong>Freistrahlanlagen</strong> im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>, nebenberuflich und unentgeltlich – lediglich die Sachkosten<br />

werden von der Stadt finanziert. Die zugrundeliegenden Ideen finden mittlerweile internationale<br />

Beachtung.<br />

Das Gutachten erscheint oberflächlich und einseitig. Es fasst altbekannte Erkenntnisse<br />

bruchstückhaft zusammen und liefert nichts Neues. Viele mögliche Restaurierungsmaßnahmen<br />

werden überhaupt nicht erwähnt. Von Synergieeffekten, wie sie im ursprünglich geplanten<br />

Arbeitskreis erzielt werden sollten, kann keine Rede sein. Da hatte ich mehr erwartet, vor<br />

allem eine objektive Darstellungsweise. Auch die aufgewendete Zeit zur Erstellung des Gutachtens<br />

war denkbar kurz. Das einzig Neue im Gutachten ist der Versuch, das vermeintlich<br />

negative Ergebnis der <strong>Freistrahlanlagen</strong> als Erstes zu verkünden – allerdings für ein Ergebnis<br />

zu früh und ohne Rücksprache mit den Urhebern. Auffällig ist zudem die öffentliche ag-<br />

46


gressiv-polemische Diffamierung der <strong>Freistrahlanlagen</strong> seitens des Gutachters, und dass die<br />

städtischen Auftraggeber dies zulassen.<br />

Die Freistrahltechnik ist eine erste schonende und preisgünstige <strong>Technik</strong>, um eine Restaurierung<br />

des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s anzugehen. Sie muss über einen längeren Zeitraum eingesetzt werden.<br />

Erst dann kann ein Urteil über Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit gefällt werden. Der<br />

jetzige Einsatz dauert noch bis zur Saison 2012. In der Zwischenzeit sind erste Hinweise auf<br />

eine positive Wirksamkeit anhand der limnologischen Untersuchungen zu erkennen – ein<br />

abschließendes Urteil ist aber jetzt noch nicht möglich.<br />

Ein zweiter aufwändigerer Schritt zur <strong>See</strong>nrestaurierung ist der Wasseraustausch. Hier empfiehlt<br />

das FH-Team seit längerem die Tiefenwasserableitung, die vom o.g. Gesamtgutachten<br />

allerdings nicht erwähnt wird. Hier soll belastetes Tiefenwasser abgepumpt werden, um dann<br />

mit nachfließendem weniger belastetem Wasser einen Austausch zu realisieren. Dieser<br />

Schritt kann auch noch als umweltkonform betrachtet werden, erfordert aber das Einverständnis<br />

der <strong>See</strong>nutzer zur Änderung der Wassereigenschaften wie z.B. des Salzgehalts<br />

und den Einsatz größerer finanzieller Mittel.<br />

Höchstens an dritter Stelle steht unserer Einschätzung nach ein chemischer Eingriff, wie er<br />

mit dem Einsatz von Bentophos zur Phosphatbindung vorgeschlagen wird. Dieser Eingriff<br />

muss höchst kritisch gesehen werden. Er ist nicht umweltkonform, er ist teuer, und er ist<br />

nicht nachhaltig. Die Phosphorquelle im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> ist nicht bekannt, sie kann also auch<br />

nicht abgestellt werden, und wahrscheinlich müsste der Einsatz alle paar Jahre wiederholt<br />

werden.<br />

Michele schrieb am 30.06.2011 seine Stellungnahme, in der er dem Gutachter vorwirft, die<br />

Basis für die seinerzeitige Ratsentscheidung, <strong>Freistrahlanlagen</strong> zu installieren, nicht zu kennen.<br />

Er verweist auf seine Veröffentlichung in „Limnologica“ 2002 [8], auf ein Gespräch mit<br />

dem Gutachter über die Realisierung von <strong>Freistrahlanlagen</strong> im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> vor mehr als 6<br />

Jahren und auf die Veranstaltung des VDI in der Fachhochschule zu den <strong>Freistrahlanlagen</strong><br />

am 21.06.2011, die der Gutachter besucht habe und wo er sich von Berichten zur Wirksamkeit<br />

der Anlagen habe überzeugen lassen können. Michele erwähnt noch einmal die Fernwirkung<br />

des „minimalinvasiven“ Freistrahl-Eingriffs am Beispiel des Bleilochtalsperren-<br />

Projekts. Er verweist auf den deutlich erhöhten Sauerstoffgehalt an der Sedimentoberfläche.<br />

Ferner würde die Durchmischung eines Gewässers die Cyanobakterien vieler ihrer Vorteile<br />

berauben. Im „chaotischen System“ eines <strong>See</strong>s sei die Bewertung einer Maßnahme schwierig<br />

und eine Modellierung mit sicheren Aussagen ebenfalls nicht möglich. Die Methode der<br />

Destratifikation sei die in der Welt meist angewandte. Michele verweist auf die Firma „Solar<br />

Bee“ mit mehr als 1000 erfolgreichen Installationen.<br />

Liebezeit versandte am 04.07.2011 seine „Anmerkungen zur Präsentation ‚Sanierung des<br />

<strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s‘ durch das Ingenieurbüro Manzenrieder und Partner am 27.06.2011“. Seine<br />

Stichworte sind:<br />

<strong>See</strong>nsanierung: Liebezeit bemängelt, dass andere Möglichkeiten ohne nachvollziehbare<br />

Gründe nicht betrachtet wurden. Ebenso wenig finde sich das aktuelle eingesetzte Freistrahlverfahren<br />

in der Präsentation. Er vermisst entscheidende Informationen. „Zudem wäre<br />

es sicher hilfreich gewesen, wenn man sich auch mit derjenigen wissenschaftlichen Einrichtung,<br />

die etwa die Hälfte der ausgewerteten Berichte lieferte und so über ein umfangreiches<br />

Wissen über den <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> verfügt, direkt auseinandergesetzt hätte.“<br />

47


Nährsalzgehalte: Neben dem Phosphorgehalt seien weitere Parameter heranzuziehen, um<br />

den tatsächlichen Zustand eines Gewässers zu seiner trophischen Einstufung festzustellen.<br />

Eine einfache Klassifizierung anhand akzeptierter Kriterien sei nicht möglich.<br />

Biologie des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s: Die im <strong>See</strong> ablaufenden biologischen Prozesse seien so gut wie<br />

gar nicht verstanden.<br />

Sedimente: Mit der undifferenzierten Aussage, dass sich am Boden des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s eine<br />

bis zu 4 m mächtige „Weichschicht“ befände, würden unbelegte Bedenken erzeugt.<br />

Sedimentkonditionierung: Bentonit verhalte sich unproblematischer als andere Fällungsmittel.<br />

Es lägen aber noch keine Langzeitmessungen vor. Nachteile und Schwierigkeiten werden<br />

noch einmal angesprochen.<br />

Sedimentäres Phosphat: Eine Abschätzung möglicher Phosphateinträge aus dem Sediment<br />

sei eine müßige Übung. Die Aussage in der Präsentation, dass in den Sedimenten die dreifache<br />

Menge an Phosphat enthalten sei, sei purer Alarmismus.<br />

Auswirkungen von Sanierungsmaßnahmen: Eingriffe in die Ökologie von Gewässern ließen<br />

sich in ihren Auswirkungen nur in einer Langzeitperspektive bewerten. Ebenso genüge es<br />

nicht, nur einen einzigen Parameter (z.B. die Phosphatkonzentration) zu Aussagen heranzuziehen.<br />

Vor einer Entscheidung müsse ergänzend eine Reihe von grundlegenden Daten vorliegen.<br />

<strong>Banter</strong> <strong>See</strong> Konferenz<br />

Am 19.12.2011 lud der Oberbürgermeister zur ersten <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> Konferenz am 27.01.2012<br />

ein, um die Bürger der Stadt an den Überlegungen zur künftigen Entwicklung rund um den<br />

<strong>Banter</strong> <strong>See</strong> zu beteiligen. Es wurden vier Impulsreferate angesetzt, zu deren Themen anschließend<br />

vier Workshops eingeplant wurden. Themen waren die Blaualgenproblematik und<br />

die Sanierungsvorschläge, sowie die städtebaulichen Entwicklungsvorstellungen. Die Betreiber<br />

der Freistrahl-Anlagen wurden nicht zu einem Referat eingeladen und erhielten auch erst<br />

auf Nachfrage eine Einladung zur Konferenz. Hier die schriftliche Reaktion von Lücking vom<br />

02.01.2012 an die Stadtverwaltung:<br />

Sehr geehrte Herren,<br />

laut WZ vom 22.12.2011 liegt das Programm für die <strong>Banter</strong>-<strong>See</strong>-Konferenz am 27.01.2012<br />

fest. In der Reihe der angekündigten Impulsreferate vermissen wir den Platz für die Vertreter<br />

der Fachhochschule. Ferner wurden wir bisher nicht zu dieser Konferenz angesprochen. Wir<br />

erfahren davon nur aus der Zeitung, und es werden die trüben Erinnerungen an den <strong>Banter</strong>-<br />

<strong>See</strong>-Arbeitskreis des vergangenen Jahres wieder wach.<br />

Seit vier Jahren betreiben wir mit erheblichem persönlichem Aufwand die beiden <strong>Freistrahlanlagen</strong><br />

im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>. Damit sind wir die einzigen, die konkret an der Verbesserung der<br />

Wasserqualität des <strong>See</strong>s arbeiten und sich nicht nur in Studien und Mutmaßungen ergehen.<br />

Auch stellt sich inzwischen ein gewisser Erfolg unserer Bemühungen ein, wie man dem Jahresbericht<br />

2011 zur ökologischen Begleituntersuchung entnehmen kann.<br />

48


Darüber hinaus muss betont werden, dass wir – FH-Angehörige, Mitglieder örtlicher Vereine<br />

und Firmenangehörige – die aktiven Bürger der Stadt sind, die ehrenamtlich, d.h. ohne jegliches<br />

Honorar am Projekt <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> tätig sind. Und es ist schon ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit<br />

seitens der Öffentlichkeit und der städtischen Verantwortlichen erwünscht, damit<br />

die Arbeiten mit den <strong>Freistrahlanlagen</strong> auch in 2012 fortgesetzt werden können. Motivation<br />

ist angebracht für das weitere Engagement der FH-Freistrahlgruppe und ihrer Freunde für<br />

die Stadt und den <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> – sind wir doch schon etwas angeschlagen durch die schlechte<br />

Behandlung im Rahmen der Manzenrieder-Studie (s.a. mein Schreiben vom 29.06.2011).<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Peter Lücking<br />

Beschlussvorlage an den Rat<br />

Am 07.05.2012 machten der Stadtbaurat und der Oberbürgermeister einen Beschlussvorschlag<br />

für den Rat der Stadt, dass Phosphatfällungsmittel zu vergleichen und zu testen seien<br />

und dass weitere Aufträge vergeben werden zum Ganzjahresmonitoring von Gewässerparametern,<br />

zur Erkundung von Sediment und Grundwasserflüssen, zur Erstellung eines Baugrundgutachtens<br />

zu Grodendamm und zur Erstellung einer Studie zur biologischen Umgestaltung.<br />

Über konkrete Sanierungsmaßnahmen entscheide der Rat nach Beendigung des<br />

<strong>Freistrahlanlagen</strong>-Einsatzes 2012.<br />

Der Rat hatte im Juli 2011 eine sofortige Phosphatfällung mit Bentophos abgelehnt, die Erarbeitung<br />

eines Nutzungskonzepts für den <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> beschlossen und ein Moratorium eingelegt<br />

für andere in der Diskussion stehende Sanierungsverfahren, für die eine Reihe von<br />

aufgezählten Maßnahmen zu prüfen seien.<br />

Ein Zwischenbericht der Verwaltung zur <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> – Sanierung sieht die nachhaltige Lösung<br />

des Blaualgenproblems als wichtig an für alle Nutzungsüberlegungen im Bereich des<br />

<strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s. Die nach bisherigen Vorschlägen und Erkenntnissen in Frage kommenden<br />

Maßnahmen seien:<br />

1. Freistrahlverfahren: „Es könnte ein Einsatz noch über 2012 hinaus und der Ausbau<br />

des begleitenden Messprogrammes notwendig sein, um Erfolg oder Misserfolg feststellen<br />

zu können. Prognostiziert wird derzeit beides.“<br />

2. Wasseraustausch (ein-/zweiseitig)<br />

3. Phosphatfällung<br />

4. Salinitätserhöhung<br />

5. Fischbesatz / Uferbepflanzung<br />

6. Einleitungen unterbinden<br />

7. Grundlagen-Beschaffung<br />

„Die städtischen Gremien sollten sich vor weiteren kostenträchtigen und zeitaufwändigen<br />

Maßnahmen auf eine grobe Richtung fokussieren, eine TECHNISCHE, die in Richtung Wasseraustausch<br />

mit erheblichen baulichen Veränderungen, hohen Kosten und mehrjähriger<br />

Vorermittlung und Umsetzung geht, eine CHEMISCHE, die vorbehaltlich Anwendungsversuch<br />

und Wirkungsnachweis auf die ebenfalls mit hohen Kosten verbundene Einbringung<br />

von Bentophos®, Carbon Add® o.a. hinaus läuft oder auf die BIOLOGISCHE, die auf einen<br />

Umbau der Nahrungskette im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> und auf die Anpflanzung von Filter-Pflanzen setzt.<br />

49


Der weitere Einsatz der Freistrahlanlage würde sich mit der biologischen Lösung vertragen,<br />

mit den anderen Lösungen aber nicht.“<br />

50


10 Befragung von <strong>See</strong>nutzern<br />

Zum Abschluss des Projekts wurden im Januar 2012 einige <strong>See</strong>anrainer zu den <strong>Freistrahlanlagen</strong>,<br />

zur Cyanobakterienproblematik und zum <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> interviewt. Befragt wurden die<br />

Vorsitzenden der Vereine<br />

Kanu- und Segelsportverein Wilhelmshaven, KSW<br />

Wilhelmshavener Kanufreunde, WKF<br />

Windsurfing Club Jade, WCJ<br />

Sportfischerverein Wilhelmshaven, SFV<br />

Unterwasserclub Manta Wilhelmshaven, UWC<br />

Die folgenden Fragen wurden gestellt:<br />

(1) Wie beurteilen Sie die Wasserqualität im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> und welche Erwartungen haben<br />

Sie?<br />

(2) Haben Sie in den vergangenen fünf Jahren Veränderungen festgestellt?<br />

(3) Brauchen wir weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität?<br />

(4) Wie ist Ihre Meinung zu den <strong>Freistrahlanlagen</strong>?<br />

(5) Wie ist Ihre Meinung zu einer Öffnung des Grodendamms?<br />

Zu (1)<br />

Die Beurteilung des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s fällt naturgemäß unterschiedlich aus, je nachdem welche<br />

Eigenschaften die verschiedenen Vereine für ihre Sportarten und Freizeitangebote priorisieren.<br />

Segler und Kanuten fordern eine noch bessere Wasserqualität ohne jegliche Störung<br />

durch Blaualgen. Cyanobakterienblüten sind unangenehm für die Sporttreibenden, sie verschlechtern<br />

das Image des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s und bedrohen die Existenz der Vereine. Im einzigen<br />

Freizeitgewässer Wilhelmshavens muss Wassersport jederzeit möglich sein. Daher besteht<br />

der Wunsch nach Beseitigung der Cyanobakterienbelastung. (KSW, WKF)<br />

Für die Taucher sind die Sichtverhältnisse unter Wasser das wichtigste Kriterium. Die Nachfrage<br />

nach Tauchkursen und von auswärtigen Tauchtouristen ist direkt davon abhängig.<br />

Mindestens 5 m Sicht werden gewünscht. (UWC)<br />

Zufriedenstellend ist die Wasserqualität für die Windsurfer. Allerdings legen sie besonderen<br />

Wert auf die Uferbereiche, die besser gepflegt werden sollen. Die Bewaldung ist zu stark<br />

geworden und verschlechtert die Windverhältnisse. Das Außenbild wird durch die Industrieanlagen<br />

beeinträchtigt. (WCJ)<br />

Auch für die Sportfischer ist der Zustand des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s zufriedenstellend. Sie berichten<br />

von einer sehr guten Wasserqualität und von einer sehr guten Fischentwicklung. Ausrei-<br />

51


chender Sauerstoffgehalt sorgt für eine gute Produktivität gerade in den letzten Jahren.<br />

(SFV)<br />

Zu (2)<br />

Die Mehrzahl der Befragten spricht von positiven Veränderungen. Der Umfang der<br />

Cyanobakterienblüten ist deutlich weniger geworden. In den letzten Jahren gab es keine<br />

krassen Blüten mehr – wenn es Blüten gab, dann nur für 2-3 Tage und nicht über Wochen.<br />

(KSW, WKF)<br />

Die Windsurfer betonen die besser gewordene Sichttiefe, die sich ab dem zweiten Betriebsjahr<br />

der <strong>Freistrahlanlagen</strong> bemerkbar gemacht hat.<br />

Auch die Taucher konstatieren – wenn überhaupt – nur kurze Algenblüten. Die Sicht ist seit<br />

zwei Jahren wieder besser geworden. Ferner haben sich Flora und Fauna positiv entwickelt.<br />

Der <strong>See</strong>grasbewuchs hat sich wieder verbessert und ist tiefer gewandert, die angelegten<br />

Fischlaichplätze werden besser angenommen, es werden mehr Aale gesichtet usw. Außerdem<br />

ist die Geruchsbelästigung an einigen flachen Stellen im <strong>See</strong>, von der auch die Kanufahrer<br />

berichten, zurückgegangen. (UWC)<br />

Zu (3)<br />

Generell wird ein verstärkter Wasseraustausch gefordert. Der kann ohne großen technischen<br />

Aufwand durch Absenken und späteres Wiederanheben des Hafenwasserniveaus bei ohnehin<br />

porösem Grodendamm erreicht werden. Die Durchlässigkeit kann noch verstärkt werden<br />

ohne den Grodendamm gleich ganz aufzumachen. Auch die Tiefenwasserableitung wird für<br />

sinnvoll erachtet. (WKF, WCJ)<br />

Der Schwerpunkt wird eindeutig auf sanfte Maßnahmen gelegt. So herrscht allgemein die<br />

Meinung, dass die <strong>Freistrahlanlagen</strong> weiter betrieben werden sollen. Ferner soll für mehr<br />

Pflanzenwuchs gesorgt werden. Eine Ausweitung der Schilfzone und das regelmäßige Abernten<br />

werden immer wieder vorgeschlagen. Die Sportfischer planen weitere Maßnahmen<br />

wie das Aussetzen von Teichmuscheln und Wasserflöhen. Die Suche nach Altlasten soll<br />

fortgesetzt werden, um evtl. Schadstoffquellen ausfindig zu machen und abzustellen. (WCJ)<br />

Zu (4)<br />

Die Meinung zu den <strong>Freistrahlanlagen</strong> ist überwiegend positiv. Sie sollen weiter betrieben<br />

werden. Allerdings ist vielfach das Ausmaß ihrer Wirkung unklar und die Wirkungsweise<br />

selbst in der Öffentlichkeit zu wenig verstanden. Es müssen verstärkt Erklärungen vermittelt<br />

und Nachweise publiziert werden. Als umweltschonende und kostengünstige Maßnahme<br />

sind die <strong>Freistrahlanlagen</strong> nach wie vor attraktiv.<br />

52


Zu (5)<br />

Eine Öffnung des Grodendamms stößt überwiegend auf Ablehnung. Lediglich die Segler<br />

wünschen sich einen befahrbaren Durchlass. Dagegen befürchten Kanufahrer und Taucher<br />

einen zunehmenden Wassersport und Verkehr z.B. mit gefährlichen Motorbooten. Der Grodendamm<br />

soll nur durchlässiger gemacht werden. Die Sportfischer lehnen einen verstärkten<br />

Zustrom von Salzwasser aus dem Hafen ab, der ihre bisherige Arbeit zur Fischbewirtschaftung<br />

zunichtemachen würde. Die Windsurfer möchten nicht in unappetitlichem Hafenwasser<br />

surfen.<br />

53


11 Bewertung und Ausblick<br />

Das fünfjährige Projekt „<strong>Freistrahlanlagen</strong> im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> zur Begegnung der Blaualgenproblematik“<br />

wurde erfolgreich abgeschlossen.<br />

Technisch erfüllten die beiden eigens dafür konstruierten Anlagen die in sie gesetzten Erwartungen.<br />

Sie verfügten weitgehend über die geforderte Leistung, versahen nach kleineren<br />

Anfangsschwierigkeiten zuverlässig ihren Dienst und hielten die vereinbarten Laufzeiten ein.<br />

Organisatorisch lief das Projekt sehr erfolgreich ab. Durch den unermüdlichen Einsatz des<br />

Personals aus der Jade Hochschule und vieler freiwilliger externer Helfer gelang es, bei geringen<br />

Personalkosten die Anlagen zu bauen und stets pünktlich in Betrieb zu nehmen. Der<br />

jährlich wiederkehrende Aufwand für Montage, Ausbringen, Bergen, Demontage und Wartung<br />

war nicht unerheblich und wurde von stark motivierten Mitarbeitern klaglos erfolgreich<br />

geleistet. Die Projektverwaltung war in den bewährten Händen des Instituts für Innovationstransfer<br />

(ITI) bestens aufgehoben.<br />

Ökologisch betrachtet haben sich einige interessante Veränderungen im <strong>See</strong> bemerkbar<br />

gemacht. Das begleitende Untersuchungsprogramm wurde kompetent von MarChemConsult,<br />

Prof. Dr. Liebezeit, durchgeführt. Die für die Ökologie des Phytoplanktons, insbesondere<br />

der Cyanobakterien relevanten biologisch-chemischen Gewässerparameter wurden den<br />

Freistrahleinsatz begleitend in Zeitreihen gemessen. Damit konnten ihre Werte und deren<br />

Veränderung über den gesamten Projektzeitraum verfolgt werden. Folgende Phänomene<br />

wurden beobachtet:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Eine ausgeprägte thermische Schichtung der Wassersäule trat nur sehr selten auf und<br />

nur in Fällen extremer Hitzeperioden.<br />

Die natürliche erhöhte Sauerstoffzehrung in Bodennähe war stets moderat und führte<br />

nie zu einer Mangelsituation.<br />

Der Phosphatgehalt des Gewässers nahm über den Untersuchungszeitraum stetig ab.<br />

Auch die Cyanobakterienmasse nahm stetig ab; es kam nur zu kleinen Blüten an wenigen<br />

Tagen – im Frühjahr und bei extremen Hitzeperioden.<br />

Dieser Verlauf der beobachteten Parameter entspricht den Erwartungen, die an die Wirkung<br />

von <strong>Freistrahlanlagen</strong> gestellt werden. Greift man die oben im Kapitel „Sanierung und Restaurierung“<br />

genannten fünf Thesen zur multiplen Wirkung von <strong>Freistrahlanlagen</strong> wieder auf,<br />

so lässt sich folgendes anmerken:<br />

1.) Die Labilität des ökologischen Gleichgewichts wird u.a. deutlich an den jährlich wechselnden<br />

Cyanobakterienarten, die jeweils dominant waren.<br />

2.) Eine kontinuierliche Zirkulation wird von den <strong>Freistrahlanlagen</strong> und in hohem Maße vom<br />

Wind induziert. Die direkt vom Freistrahl erzeugte Strömung ist messbar, mit menschlichem<br />

Empfinden deutlich spürbar – wie Taucher berichten – und zeigt sich in großflächiger<br />

oberflächennaher Zuströmung durch mitgenommene Partikel und Treibgut.<br />

3.) Die weitreichende Durchmischung der Wassersäule ist bis zum <strong>See</strong>grund nachgewiesen.<br />

4.) Ein Sauerstoffmangel über dem Sediment tritt nicht auf. Damit ist eine Rücklösung von<br />

Phosphaten unwahrscheinlich, eher findet weitere Einlagerung statt.<br />

5.) Die Konkurrenz zwischen Grün- / Kieselalgen und Cyanobakterien …?<br />

54


Ob die <strong>Freistrahlanlagen</strong> die wesentliche Ursache dieser Entwicklung sind, lässt sich nicht<br />

beweisen. Andere Faktoren, wie das Wetter (Temperatur, Wind) und das unbekannte Ausmaß<br />

der Nährstoffeinträge können ebenso, mehr oder weniger an diesem Erscheinungsbild<br />

beteiligt sein. Die Indizien sprechen jedenfalls eher für einen Erfolg als für einen Misserfolg<br />

des Einsatzes der <strong>Freistrahlanlagen</strong>.<br />

Für das weitere Vorgehen in Hinblick auf die Behandlung der Cyanobakterien-Problematik<br />

und die Verbesserung der Wasserqualität des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s können verschiedene Empfehlungen<br />

gegeben werden:<br />

Der Einsatz der <strong>Freistrahlanlagen</strong> sollte fortgesetzt werden. Die Entwicklung der Gewässerqualität<br />

spricht stark für ihre Wirksamkeit. Die Anlagen sind vorhanden und die Betriebskosten<br />

sind vergleichsweise gering. Gegebenenfalls könnten zwei weitere Anlagen ins Auge<br />

gefasst werden, die etwa baugleich mit der robusteren und preiswerteren Anlage „Bant 2“ als<br />

Ableger der beiden jetzigen Plattformen bisher noch schlecht erreichte <strong>See</strong>bereiche versorgen<br />

würden. Eine Anlage müsste in die Docksenkgrube fördern, die andere in Höhe des<br />

Surfclubs installiert werden. Im Übrigen kann eine geringe Cyanobakterien-Belastung, wie<br />

sie zurzeit vorherrscht, durchaus in Kauf genommen werden. Ergänzende biologische Maßnahmen,<br />

wie die Ausweitung der Schilfgürtel (bei jährlicher Ernte!) oder Biomanipulationen<br />

stehen dem weiteren Freistrahleinsatz nicht im Wege.<br />

Möchte man in größerem Ausmaß investieren, so empfiehlt sich eine Tiefenwasserableitung.<br />

Das sporadische Abpumpen der unteren 5 – 10 % des Wasservolumens kann effektiv<br />

Cyanobakterien und Nährstoffe aus dem <strong>See</strong> exportieren, wenn der Zeitpunkt gut gewählt<br />

wird. Ein günstiger Termin liegt am Ende der Winterstagnation, insbesondere wenn eine Eisdecke<br />

dem Gewässer die Ruhe vor Windumwälzung verschafft hat, so dass Partikel absinken<br />

konnten. Andere günstige Zeitpunkte liegen nach dem Absinken abgestorbener Blüten<br />

oder werden im Lauf einer ökologischen Begleituntersuchung festgestellt. Notwendig ist der<br />

Bau einer permanenten stationären Pumpstation – am Südufer Richtung Jadebusen oder am<br />

Nordufer Richtung Jade-Ems-Kanal – mit einem Vorfluter und ein bis zwei flexiblen ortsveränderlichen<br />

Saugleitungen. Bevorzugt sollte aus tiefen Stellen, z.B. aus der Docksenkgrube<br />

gepumpt werden.<br />

Eine Reduzierung des Nährstoffangebots durch Phosphatfällung mit chemischen Mitteln wird<br />

gerne angeführt. Sie ist heftig umstritten wegen grundsätzlicher Bedenken gegen chemische<br />

Eingriffe und mangels Nachhaltigkeit. Möglicherweise ist auch der tatsächliche Phosphatgehalt<br />

des <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>s gar nicht hoch genug, als dass sich ein solcher Einsatz lohnt. Und<br />

nicht zuletzt wegen der hohen Kosten wurde der Vorschlag auch vom Stadtrat abgelehnt.<br />

Ein Wasseraustausch in großem Umfang würde durch eine Öffnung des Grodendamms erreicht.<br />

Das wäre allerdings die kostspieligste Maßnahme. Sie würde zu einer radikalen Änderung<br />

der Wasserqualität führen verbunden mit einer weitreichenden Umwandlung des Biotops<br />

ohne die Sicherheit, dass es hinterher „besser“ wird. Diese umfangreiche bauliche<br />

Maßnahme ist allenfalls sinnvoll in Zusammenhang mit anderen Plänen zur Nutzung des<br />

<strong>Banter</strong> <strong>See</strong> Gebiets.<br />

55


12 Zusammenfassung<br />

In den Jahren 2008 – 2012 wurden vom Institut für Energie-, Verfahrens- und Umwelttechnik<br />

der Jade Hochschule zwei <strong>Freistrahlanlagen</strong> im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> in Wilhelmshaven betrieben. Der<br />

Anlass war ein verstärktes Auftreten von Cyanobakterien (Blaualgen), deren jährlich wiederkehrende<br />

Blüten die Nutzung des <strong>See</strong>s als Freizeitgewässer beeinträchtigen. Als eine der<br />

wesentlichen Ursachen wird die Belastung mit Phosphaten gesehen – neben der sommerlichen<br />

Temperaturschichtung und einem Sauerstoffmangel am <strong>See</strong>grund. Die Destratifizierung<br />

des Gewässers ist eine oft propagierte Möglichkeit, einen belasteten <strong>See</strong> zu restaurieren.<br />

Technisch ist dies mit Freistrahlen möglich, die in Verfahrens- und Lüftungstechnik ein<br />

breites Anwendungsgebiet haben. Fünf Thesen werden aufgezählt, die potentiell positive<br />

Wirkung von schräg eingebrachten Freistrahlen zu erklären: 1. die Störung des momentanen<br />

ökologischen Gleichgewichts, 2. die Aufrechterhaltung einer langsamen, großräumigen<br />

Wasserbewegung, 3. die Destratifikation, 4. der Transport von oberflächennahem sauerstoffreichem<br />

Wasser in die Tiefe und 5. die Förderung der mit den Cyanobakterien konkurrierenden<br />

Grün- und Kieselalgen.<br />

Die Auslegung der <strong>Freistrahlanlagen</strong>, ihre Konstruktion, ihr Bau und die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen<br />

werden kurz beschrieben. Ferner werden die entstandenen Kosten aufgeführt.<br />

Die Ergebnisdarstellung beschränkt sich auf die technischen Aspekte der Anlagen. Laufzeiten<br />

werden dokumentiert, gemessene Schübe und Propellerwirkungsgrade vorgestellt und<br />

die Ergebnisse von Geschwindigkeits-Feldmessungen gezeigt.<br />

Der Einsatz der <strong>Freistrahlanlagen</strong> wurde von umfangreichen ökologischen Untersuchungen<br />

begleitet, die von MarChemConsult, Prof. Liebezeit durchgeführt wurden. Die Ergebnisse<br />

werden in einem gesonderten <strong>Abschlussbericht</strong> zusammengefasst vorgestellt. Während des<br />

Projektzeitraums konnten folgende Phänomene beobachtet werden: Eine thermische Schichtung<br />

trat nur selten auf, in Bodennähe wurde kein Sauerstoffmangel beobachtet, der Phosphatgehalt<br />

ist rückläufig, die Cyanobakterienmasse ist rückläufig und es traten nur noch kleine<br />

Blüten an wenigen Tagen auf. Dieser Verlauf entspricht den Erwartungen, die an die <strong>Freistrahlanlagen</strong><br />

gestellt werden. Ob die <strong>Freistrahlanlagen</strong> die wesentliche Ursache dieser Entwicklung<br />

sind, lässt sich nicht beweisen. Andere Faktoren, wie das Wetter und das unbekannte<br />

Ausmaß der Nährstoffeinträge können ebenso an diesem Erscheinungsbild beteiligt<br />

sein. Die Indizien sprechen jedenfalls eher für einen Erfolg als für einen Misserfolg des Einsatzes<br />

der <strong>Freistrahlanlagen</strong>.<br />

Der Bericht schließt mit der Empfehlung, die <strong>Freistrahlanlagen</strong> weiter zu betreiben. Ergänzt<br />

werden sollte ihr Einsatz durch weitere biologische („sanfte“) Maßnahmen. Die Autoren sind<br />

damit einer Meinung mit der Mehrzahl der Vorsitzenden der den <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> nutzenden Vereine.<br />

56


13 Literaturverzeichnis<br />

[1] „Cyanobakterien,“ 3 Mai 2012. [Online]. Available: http://de.wikipedia.org/wiki. [Zugriff<br />

am 6 Juni 2012].<br />

[2] G. Gerdes, „Blüten toxischer Cyanobakterien als Folge der Eutrophierung von<br />

Nutzgewässern und Aquakulturen,“ Ringvorlesung Terramare ICBM, Wilhelmshaven,<br />

2004.<br />

[3] M. Hupfer und B. W. Scharf, „<strong>See</strong>ntherapie: Interne Maßnahmen zur Verminderung der<br />

Phosphorkonzentration,“ in Handbuch Angewandte Limnologie VI-2.1, 2002.<br />

[4] G. Liebezeit, S. Engel und P. Lücking, „<strong>Banter</strong> <strong>See</strong> Bestandsaufnahme,“<br />

Wilhelmshaven, 2006.<br />

[5] M. Scheffer, Ecology of Shallow Lakes, Dordrecht: Kluwer, 2004.<br />

[6] C. F. Knud-Hansen, „Paradigm shift for blue-green algae control through long-distance<br />

circulation: Empirical experience with SolarBee circulation since 2000,“ SolarBee, Inc.,<br />

2009.<br />

[7] H. K. Hudnell, „The state of U.S. freshwater harmful algal blooms assessment, policy<br />

and legislation. Review.,“ Toxicon 55, pp. 1024-1034, 2010.<br />

[8] J. Michele und V. Michele, „The free jet as a means to improve water quality:<br />

Destratification and oxygen enrichment,“ Limnologica 32, pp. 329-337, 2002.<br />

[9] H. Schlichting, Grenzschicht-Theorie, Karlsruhe: G. Braun, 1982.<br />

[10] Institut EVU, „Blaualgenproblematik <strong>Banter</strong> <strong>See</strong>: Studie über den Einsatz von Freistrahl-<br />

Apparaten,“ Fachhochschule OOW, Wilhelmshaven, 2007.<br />

[11] G. Liebezeit, „Ökologische Begleituntersuchung zum Einsatz eines Freistrahlverfahrens<br />

im <strong>Banter</strong> <strong>See</strong> 2011,“ MarChemConsult, Varel, 2011.<br />

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