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Stadtmagazin Neue Szene Augsburg 2012-03

Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info immer auch unter www.neue-szene.de

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38<br />

Warten auf...<br />

...einen Neuanfang<br />

<strong>Augsburg</strong>, Innenstadt, ein Mann, alleine auf einer Bank, er sieht nicht aus wie ein zufriedener<br />

Pensionär, eher verloren. Wir kommen ins Gespräch über Obdachlosigkeit,<br />

Träume und das Leben an sich Von Marcus Ertle<br />

Das Zufallsinterview des Monats<br />

Jede Woche ein neues Interview auf www.neue-szene.de<br />

ist nicht leicht zu verstehen. Klar, ist ein richtiger<br />

Intellektueller.<br />

Über was würden Sie jetzt gern reden?<br />

Ach, Gott...<br />

Ja, wie wär’s mit Gott?<br />

Gott, warum, wen meinen Sie, die Kirche? Ich<br />

glaube an Gott, ja, aber nicht an die Kirche, die<br />

ist mir zu konservativ.<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Szene</strong>: Was machen Sie heute Abend<br />

noch?<br />

Peter G.: Ich gehe jetzt ins Obdachlosenheim.<br />

Sie waren aber wahrscheinlich nicht schon<br />

immer obdachlos.<br />

Nein, meine Wohnung wurde von einem Immobilienhai<br />

gekauft und der sagte: Entweder<br />

Sie kaufen die Wohnung oder Sie müssen raus.<br />

Dann war die Alternative entweder in die<br />

neue Wohnung oder...<br />

Die konnte ich mir nicht leisten, ich war ja arbeitslos,<br />

und eine neue Wohnung ist mir gar<br />

nicht zur Verfügung gestellt worden!<br />

Aber es sind ja nicht alle Hartz4-Empfänger<br />

obdachlos.<br />

Schauen Sie, ich bin gelernter Metallflugzeugbauer,<br />

das müssen Sie sich mal vorstellen, und<br />

ich war vier Jahre bei den Fallschirmjägern. Da<br />

ist’s mir noch gutgegangen, aber meine Freundin<br />

ist damals tödlich verunglückt, das war der<br />

Knackpunkt. Dann habe ich dem Alkohol zugesprochen,<br />

verstehen Sie, das geht so schnell,<br />

dass man ganz unten landet, auf der vorletzten<br />

Stufe.<br />

Was ist die letzte Stufe?<br />

Das ist die Finsternis, das Ende. Ich hätte mich<br />

schon längst umgebracht, aber ich bin zu feige<br />

dazu, ich bin zu feige irgendwie. Aber ich denke<br />

mir dann immer, es muss trotzdem weitergehen.<br />

Vielleicht geht es auch weiter. Wo sehen Sie<br />

sich in ein paar Jahren?<br />

Das frag’ ich mich auch, auf jeden Fall muss ich<br />

wieder hochkommen, ich muss raus aus dem<br />

Sumpf.<br />

Wie träumen Sie nachts?<br />

Albträume habe ich. Ich werde verfolgt und ich<br />

kommenichtvomFleck,ichwerdeverfolgtund<br />

bin wie gefesselt und einer kommt und ich will<br />

rennen, rennen, rennen und komm nicht weiter<br />

und der Verfolger kommt immer näher. Und<br />

dann wach ich schweißgebadet auf.<br />

Haben Sie auch schöne Träume?<br />

Weniger.<br />

Es soll helfen, wenn man kurz vor dem Einschlafen<br />

an etwas Schönes denkt.<br />

Ja? Ich versuch’s mal.<br />

Wo wären Sie jetzt gerne?<br />

Das ist schwer zu sagen, das kann ich nicht beantworten.<br />

Sie könnten zum Beispiel gern an einem südlichen<br />

Strand sein wollen.<br />

Am Strand von Honolulu liegen und die Füße in<br />

die Höhe strecken? Um Gottes Willen, das ist<br />

nicht meine Art.<br />

Was war Ihr letztes Buch?<br />

(überlegt) “Das Häuten der Zwiebel” von Günter<br />

Grass, den muss man mehrmals lesen, der<br />

Was gibt Ihnen eigentlich die Kraft durchzuhalten?<br />

Ich weiß es nicht, meine Lebensgefährtin ist ja<br />

tot, seitdem habe ich keine tieferen zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen, will ich auch gar<br />

nicht mehr haben.<br />

Wieso nicht?<br />

Ich kann es mir nicht vorstellen, ich komme von<br />

der Erinnerung an meine Lebensgefährtin nicht<br />

mehr los.<br />

Das hält Sie fest.<br />

(überlegt) Ich denke eben immer an sie und<br />

schau mir ihr Bild an, da werde ich manchmal<br />

richtig depressiv. Können Sie das verstehen?<br />

Ich versuche mir vorzustellen, wie es ist, eine<br />

wichtige Person im Leben zu verlieren. Es<br />

muss grausam sein und ich kann mir auch<br />

vorstellen, dass man danach nicht mehr auf<br />

die Beine kommt, da nützen dann alle klugen<br />

Worte nichts.<br />

Vielleicht sollte man sich beim Psychiater auf<br />

die Couch legen.<br />

Oder einen neuen Sinn finden?<br />

Einen Sinn, ja.<br />

Was ist für Sie der Sinn des Lebens?<br />

Der Sinn vom Leben ist Gemeinschaft, Zusammengehörigkeit<br />

und kein Betrug.<br />

Danke.

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