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Übersicht über die aktuelle höchstrichterliche ... - GRUR

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Transit und Parallelimport<br />

Aktuelle Entwicklungen in der<br />

<strong>höchstrichterliche</strong>n Rechtsprechung<br />

Dr. Alfred Bergmann<br />

Richter am Bundesgerichtshof


Der freie Warenverkehr<br />

• Art. 28 EG: Verbot mengenmäßiger<br />

Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen<br />

gleicher Wirkung<br />

• Art. 30 Satz 1 EG: Gerechtfertigt zum<br />

Schutz des gewerblichen und<br />

kommerziellen Eigentums<br />

• Art. 30 Satz 2 EG: Nicht jedoch bei<br />

verschleierter Beschränkung des Handels


Markenverletzung durch Transit<br />

von Waren<br />

• Ungebrochene Durchfuhr gekennzeichneter<br />

Ware durch Deutschland<br />

• Benutzungshandlung i.S. von § 14 Abs. 2<br />

MarkenG, Art. 5 MarkenRL<br />

• Warenverkehrsfreiheit, Art. 28, 30 EG


BGH <strong>GRUR</strong> 2005, 768 - Diesel I<br />

• Transport im Zollverschlussverfahren von Irland<br />

<strong>über</strong> Deutschland nach Polen und zurück<br />

• In Irland kein Schutz für „DIESEL“,<br />

in Deutschland ja,<br />

in Polen auch, aber Markenverletzung unklar<br />

• Ware auf dem Rücktransport von Polen an der<br />

deutschen Grenze beschlagnahmt


Vorlagefragen<br />

• Kann Markeninhaber Durchfuhr verbieten?<br />

• Kommt es darauf an, ob das Zeichen im<br />

Bestimmungsland (hier: Irland) Schutz genießt<br />

oder nicht?<br />

• Ist danach zu unterscheiden, ob das<br />

Ursprungsland (hier: Polen) ein Mitgliedstaat ist<br />

oder nicht?<br />

• Ist es von Bedeutung, ob im Ursprungsland<br />

Kennzeichenrechte verletzt werden?


EuGH <strong>GRUR</strong> 2007, 146 - Montex<br />

Holdings/Diesel<br />

• Bloße Durchfuhr keine Markenverletzung<br />

• Verbot nur bei Inverkehrbringen der Ware<br />

im Durchfuhrland<br />

• Bloße Gefahr, dass unbefugt in Deutschland<br />

in Verkehr gebracht wird, reicht nicht<br />

• Unerheblich, woher <strong>die</strong> Waren kommen<br />

und ob im Ursprungsland Kennzeichenrechte<br />

verletzt werden


BGH <strong>GRUR</strong> 2007, 876 - Diesel II<br />

• Klageabweisung<br />

• Bloße Durchfuhr keine Markenverletzung<br />

• Im Streitfall keine tatsächlichen<br />

Anhaltspunkte für Inverkehrbringen in<br />

Deutschland<br />

• Darlegungs- und Beweislast insoweit beim<br />

Markeninhaber


BGH <strong>GRUR</strong> 2007, 875 - Durchfuhr<br />

von Originalware<br />

• Gekennzeichnete Originalwaren, <strong>die</strong> vom<br />

Markeninhaber in Russland in den Verkehr<br />

gebracht worden waren<br />

• Transit auf dem Luftweg nach Deutschland,<br />

von dort auf dem Seeweg in <strong>die</strong> USA<br />

• In Deutschland beschlagnahmt<br />

• Gleichfalls Abweisung der Klage


Transit<br />

• Es sollte nicht so sehr auf <strong>die</strong> zollrechtliche<br />

Einordnung des in Rede stehenden<br />

Geschehens ankommen<br />

• Eine Verletzung des spezifischen Gegenstands<br />

des Markenrechts setzt eine<br />

Vermarktung der betreffenden Waren in<br />

dem betreffenden Gebiet voraus<br />

• Bloße körperliche Verbringung in das<br />

betreffende Gebiet genügt nicht


Lord Justice Jacob<br />

„Bisweilen habe ich den Eindruck, dass<br />

das Recht auf <strong>die</strong>sem Gebiet an<br />

Realitätssinn verliert – schließlich geht es<br />

hier lediglich um den Gebrauch einer<br />

Marke für Waren des Markeninhabers, <strong>die</strong><br />

sich in einwandfreiem Zustand befinden.<br />

Ich denke, dass <strong>die</strong> komplizierte Lage, in<br />

<strong>die</strong> das Recht geraten ist, den<br />

durchschnittlichen Verbraucher in<br />

Erstaunen versetzen würde.“


Parallelimport<br />

• Einfuhr und Vertrieb erschöpfter Ware<br />

grundsätzlich zulässig, § 24 Abs. 1<br />

MarkenG<br />

• Verbietungsrecht bei berechtigten<br />

Gründen, insbesondere bei Veränderung<br />

der Ware, § 24 Abs. 2 MarkenG


Parallelimport von Arzneimitteln<br />

• Umpacken gekennzeichneter Arzneimittel<br />

grundsätzlich Beeinträchtigung der<br />

Herkunftsgarantie (= berechtigter Grund<br />

i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG)<br />

• Daher auch grundsätzlich zulässige<br />

Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit<br />

(Art. 28 EG) nach Art. 30 Satz 1 EG<br />

• Dagegen nicht, wenn verschleierte<br />

Beschränkung i.S. von Art. 30 Satz 2 EG


Kein Verbietungsrecht des<br />

Markeninhabers, wenn<br />

• Umpacken erforderlich zur Vermarktung<br />

im Einfuhrland<br />

• Keine Beeinträchtigung der verpackten<br />

Ware<br />

• Klare Angabe, wer umgepackt hat und wer<br />

Hersteller der Ware ist<br />

• Keine rufschädigende Aufmachung<br />

• Vorabunterrichtung


EuGH <strong>GRUR</strong> 2007, 586 –<br />

Boehringer/Swingward II<br />

• Erforderlichkeit nur des Umpackens als<br />

solches, nicht der Art und Weise<br />

• Art und Weise des Umpackens = Frage<br />

der Rufschädigung oder der Beeinträchtigung<br />

der Ware<br />

• Feststellung der Rufschädigung im<br />

Einzelfall Sache des nationalen Gerichts


BGH <strong>GRUR</strong> 2007, 1075 - STILNOX<br />

Vertrieb durch Markeninhaberin in Deutschland<br />

in 10er- und 20er-Packungen


Packung in Spanien<br />

Vertrieb in Spanien in 3 Blistern zu je 10<br />

Tabletten


Verpackung des Parallelimporteurs


BGH <strong>GRUR</strong> 2007, 1075 - STILNOX<br />

Beanstandung der Markeninhaberin:<br />

- 1 Blister kann in Originalpackung<br />

verbleiben<br />

- Gestaltung der neuen Verpackung<br />

wegen Annäherung unzulässig


BGH - STILNOX<br />

• Weiterer Vertrieb eines Teilinhalts betrifft<br />

Art und Weise des Umpackens, nicht<br />

dessen Erforderlichkeit<br />

• Neues Packungsdesign keine<br />

Rufschädigung


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 160 - CORDARONE<br />

• „Zweimarkenstrategie“ des Herstellers: In<br />

Deutschland Vertrieb als „CORDAREX“, in<br />

Belgien als „CORDARONE“<br />

• In Deutschland kein Markenschutz für<br />

„CORDARONE“<br />

• Packungsgrößen in Deutschland 20, 50<br />

und 100 Tabletten, in Belgien 20 und 60


Handlungen des Parallelimporteurs<br />

• Import 60er Packungen „CORDARONE“<br />

aus Belgien<br />

• Vertrieb unter „CORDARONE“ in neuer<br />

Verpackung zu 20 und 100 Tabletten<br />

• Anmeldung eigener Marke<br />

„CORDARONE“ am 29.9.2000


Vorgehen des Herstellers<br />

• Erstreckung der IR-Marke „CORDARONE“ auf<br />

Deutschland mit Wirkung zum 19.1.2001<br />

• Beanstandung des Parallelimports aus beiden<br />

Marken:<br />

- „CORDARONE“, weil Anmeldung des<br />

Parallelimporteurs missbräuchlich<br />

- „CORDAREX“, weil Verwechslungsgefahr


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 160 -<br />

CORDARONE<br />

• Keine Ansprüche aus „CORDARONE“,<br />

weil Marke des Parallelimporteurs<br />

prioritätsälter<br />

• Keine rechtsmissbräuchliche Eintragung


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 160 -<br />

CORDARONE<br />

• Auch keine Ansprüche aus „CORDAREX“<br />

• Verwechslungsgefahr dahingestellt<br />

• Jedenfalls kein Verbietungsanspruch<br />

wegen unzulässiger Marktabschottung<br />

(Art. 28, 30 EG)


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 156 – Aspirin II<br />

• Vertrieb durch Hersteller in Griechenland<br />

in Packungen zu 20 Tabletten<br />

• Vertrieb durch Hersteller in Deutschland<br />

zu 100 Tabletten<br />

• Import aus Griechenland und Vertrieb in<br />

eigener Umverpackung zu 100 Tabletten<br />

durch Parallelimporteur


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 156 – Aspirin II<br />

• Umpacken nicht erforderlich, weil<br />

Bündelung möglich und vom Verbraucher<br />

nicht abgelehnt wird<br />

• Bloß wirtschaftliche Vorteile reichen nicht<br />

aus, wenn kein Hindernis für den<br />

tatsächlichen Marktzugang


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 156 – Aspirin II<br />

• Vorabunterrichtung im beiderseitigen Interesse<br />

• Begründet gesetzliches Schuldverhältnis (§ 242<br />

BGB)<br />

• Treuwidriges Handeln, wenn neue<br />

Umverpackung auf Vorabunterrichtung durch<br />

den Parallelimporteur nicht beanstandet wurde


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 614 -<br />

ACERBON<br />

• Vertrieb des Arzneimittels in Deutschland<br />

unter der Bezeichnung „ACERBON“<br />

• Vertrieb im Ausland unter der Bezeichnung<br />

„ZESTRIL“<br />

• 14.12.2000 Anzeige des Parallelimporteurs<br />

<strong>über</strong> Vertrieb unter „ACERBON“<br />

• 16.1.2001 Beanstandung nur der<br />

Gebrauchsinformation


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 614 -<br />

ACERBON<br />

• 15. 10. 2001 (erfolglose) Abmahnung<br />

wegen Umkennzeichnung<br />

• LG Hamburg, Urt. v. 6.9.2000 in Verfahren<br />

gegen andere Parallelimporteure:<br />

Umkennzeichnung zulässig<br />

• Unterwerfungserklärung der Beklagten,<br />

bedingt durch endgültige Entscheidung<br />

des anderen Verfahrens


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 614 -<br />

ACERBON<br />

• Umkennzeichnung letztlich durch OLG<br />

Hamburg untersagt<br />

• Revision beim BGH: Schadensersatz für<br />

den Zeitraum vor dem 15.10.2001<br />

(Abmahnung wegen Umkennzeichnung)<br />

• BGH: widersprüchliches Verhalten, weil<br />

mit der Beanstandung vom 16.1.01 auf <strong>die</strong><br />

Anzeige vom 14.12.00 Umkennzeichnung<br />

nicht als unzulässig geltend gemacht


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 707 - Micardis<br />

Wortmarke „Micardis“<br />

und schwarz/weiße<br />

Wort-/Bildmarke


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 707 - Micardis<br />

• Zentrale EU-Zulassung für "Micardis<br />

40 mg" und "Micardis 80 mg“ in den<br />

Packungsgrößen N1 zu 28 Tabletten, N2<br />

zu 56 und N3 zu 98 Tabletten<br />

• Vertrieb in Deutschland in <strong>die</strong>sen<br />

Packungsgrößen<br />

• In Italien nur Packungsgröße N1 (28<br />

Tabletten) „40mg“ und „80mg“


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 707 - Micardis<br />

• Parallelimport N1 (28 Tabletten) aus<br />

Italien<br />

• Umpacken in eigene Verpackungen N2<br />

(56 Tabletten) und N3 (98 Tabletten)<br />

• Verwendung der Kennzeichnung<br />

„Micardis“ mit Sternchenhinweis „Marke<br />

der Klägerin“<br />

• Gestaltung der Verpackung wie Klägerin


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 707 - Micardis


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 707 - Micardis<br />

• Klage auf Unterlassung der Verwendung<br />

der Packungsgestaltung<br />

• In allen Instanzen ohne Erfolg<br />

• Alle Markenrechte durch Inverkehrbringen<br />

in Italien erschöpft<br />

• Umpacken erforderlich, weil für jede<br />

Einheit mit der jeweiligen Wirkstoffstärke<br />

und Packungsgröße eigene Zulassungsnummer;<br />

Bündeln daher unzulässig


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 707 - Micardis<br />

• Wenn Umpacken zulässig, dann dürfen<br />

sowohl Wortkennzeichen angebracht als<br />

auch Verpackungsgestaltung verwendet<br />

werden<br />

• Denn auch hinsichtlich Verpackung sind<br />

<strong>die</strong> Rechte aus der entsprechenden Marke<br />

erschöpft


BGH <strong>GRUR</strong> 2008, 707 - Micardis<br />

• Es kommt nicht auf <strong>die</strong> Notwendigkeit der<br />

Verwendung der Packungsgestaltung an<br />

(Abkehr von BGH <strong>GRUR</strong> 2002, 1063 –<br />

Aspirin I)<br />

• Keine Rufschädigung<br />

• Hinreichende Angabe, wer Hersteller, wer<br />

einführt, umpackt und vertreibt


BGH, Urt. v. 24.4.2008 – I ZR<br />

30/05 – Lefax/Lefaxin<br />

• Vertrieb des Arzneimittels in Deutschland<br />

unter der deutschen Marke „Lefax“ in<br />

Packungen zu 20 Kautabletten<br />

• Vertrieb in Österreich unter der Marke<br />

„Lefaxin“ zu 30, 50 und 300 Kautabletten


BGH, Urt. v. 24.4.2008 – I ZR<br />

30/05 – Lefax/Lefaxin<br />

• Parallelimport aus Österreich und<br />

Abstockung auf 20 Kautabletten<br />

• Verwendung eigener Umverpackung<br />

• Kennzeichnung mit „Lefaxin“<br />

• Anbringen des eigenen Unternehmenslogos<br />

(grünes Quadrat aus 25 kleinen<br />

Quadraten in Grünschattierungen –<br />

EURIM PHARM)


BGH, Urt. v. 24.4.2008 – I ZR<br />

30/05 – Lefax/Lefaxin


BGH, Urt. v. 24.4.2008 – I ZR<br />

30/05 – Lefax/Lefaxin<br />

• Keine Erschöpfung, da Ware nicht unter<br />

der Klagemarke „Lefax“ in den Verkehr<br />

gebracht<br />

• Grundsätze zur Zulässigkeit des<br />

Parallelimports nach Art. 28, 30 EG<br />

gleichwohl anwendbar


BGH, Urt. v. 24.4.2008 – I ZR<br />

30/05 – Lefax/Lefaxin<br />

• Umpacken als solches erforderlich<br />

• Keine Rufschädigung oder sonstiger<br />

Eingriff in <strong>die</strong> geschützten Funktionen der<br />

Klagemarke<br />

• Logo in unmittelbarem Zusammenhang<br />

mit Hinweis auf Parallelimporteur


Zulässigkeit des Umpackens<br />

• Maßgeblich ist <strong>die</strong> Erforderlichkeit des<br />

Umpackens als solches<br />

• Ist <strong>die</strong>s zu bejahen, dann gilt nicht der<br />

Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs<br />

• Beurteilung dann nur unter dem<br />

Gesichtspunkt der Rufschädigung<br />

• Schlussanträge der Generalanwältin<br />

Sharpston v. 9.10.2008 in C-276/05


Generalanwältin Sharpston<br />

(C-348/04)<br />

„Ich hoffe, dass <strong>die</strong> nationalen Gerichte<br />

anschließend beherzt ihre Rolle ausfüllen<br />

und <strong>die</strong> Grundsätze auf <strong>die</strong> ihnen<br />

vorliegenden Tatsachen anwenden<br />

werden, ohne weiterhin um <strong>die</strong> nähere<br />

Ausgestaltung <strong>die</strong>ser Prinzipien zu<br />

ersuchen.“

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