Jens Tasche Körper, Bindung und Abwehr - Bioenergetik Berlin
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die Mutter fähig <strong>und</strong> willens ist, seine Bedürfnisse wahrzunehmen <strong>und</strong> zu realisieren. (vgl.<br />
Fonagy 1994, 105)<br />
Zentral im Denken der Ich-Psychologie steht die Fähigkeit des Ichs <strong>Abwehr</strong>mechanismen<br />
hervorzubringen <strong>und</strong> mit deren Hilfe u.a. die notwendigen Affektregulationen vorzunehmen.<br />
<strong>Abwehr</strong>mechanismen sorgen für ein seelisches Gleichgewicht bei inneren <strong>und</strong> äußeren Belastungen.<br />
Im Laufe der Entwicklung reifen sie <strong>und</strong> führen letztlich dazu, dass in einem komplexen<br />
Zusammenspiel zwischen inneren <strong>und</strong> äußeren Bedingungen, einer stützende Umwelt<br />
<strong>und</strong> den sich entwickelnden <strong>Abwehr</strong>mechanismen ein funktionsfähiges Instrument zur Affektregulierung<br />
entsteht.<br />
Neben der normalen Entwicklung kann es aber durch eine Verschiebung der Parameter (z.B.<br />
krankheitsbedingt eingeschränkte Fähigkeit zur Reifung der <strong>Abwehr</strong>, ungewöhnlich starke<br />
innere oder äußere Belastungen <strong>und</strong> eine versagende Umwelt) dazu kommen, dass das Ich<br />
gezwungen ist, das seelische Gleichgewicht dadurch zu bewahren, dass es psychische Funktionen<br />
wie eine sozial adäquate Affektregulierung <strong>und</strong> eine angemessene Realitätswahrnehmung<br />
opfert. In diesen Fällen bleibt die <strong>Abwehr</strong>organisation auch bei erwachsenen Menschen<br />
weitgehend auf primitive oder unreife <strong>Abwehr</strong>reaktionen beschränkt, die Ausdruck einer psychischen<br />
Störung sind. Neurotische <strong>Abwehr</strong>mechanismen werden von der Ich-Psychologie<br />
deshalb danach bewertet, in welchem Ausmaß es dem Betroffenen gelingt, eine angemessene<br />
Affekt- <strong>und</strong> Impulsregulierung zu organisieren, ohne dass es zu einer veränderten Realitätswahrnehmung<br />
kommt. (vgl. OPD 1996, 162 – 166)<br />
Wie sehen BA, <strong>Bindung</strong>stheorie <strong>und</strong> Ich-Psychologie die kindliche Sexualität hinsichtlich<br />
ihrer Bedeutung für die Entstehung von Psychopathologien?<br />
Die Betrachtung der frühkindlichen Sexualität hat sich in allen drei Konzeptionen weit von<br />
den ursprünglichen triebpsychologischen Vorstellungen Freuds entfernt. Zwar bestreitet wohl<br />
niemand die Existenz frühkindlicher Sexualität <strong>und</strong> natürlich ist auch bekannt, dass sehr viele<br />
Psychopathologien auch ein gestörtes Verhältnis zur eigenen Sexualität implizieren. Dennoch<br />
wird der Einfluss der frühkindlichen Sexualität auf psychopathologische Entwicklungen<br />
heute allgemein sehr viel geringer eingeschätzt, als in der freudschen Triebpsychologie.<br />
Die <strong>Bindung</strong>stheorie hat offenbar den Zusammenhang von <strong>Bindung</strong> <strong>und</strong> sexueller Entwicklung<br />
bisher wenig konzeptualisiert. Auch sie leugnet nicht den Zusammenhang zwischen neurotischen<br />
Problemen <strong>und</strong> sexuellen Schwierigkeiten, nimmt jedoch an, dass es sich dabei um<br />
einen generellen Konflikt zwischen Wünschen bzw. Vorstellungen <strong>und</strong> deren Realisierungsmöglichkeiten<br />
handelt, der nicht im Bereich des psychischen lösbar ist <strong>und</strong> deshalb in physischer<br />
Form erlebt wird. Eine besondere Bedeutung billigt die <strong>Bindung</strong>stheorie der frühkindlichen<br />
Sexualität aber nicht zu (vgl. Fonagy 1994, 72)<br />
Die BA ist natürlich historisch der Idee der frühkindlichen Sexualität als zentrale Quelle seelischer<br />
Entwicklungsstörungen verb<strong>und</strong>en. Jedoch hat die Umdeutung der sexuellen Lust in<br />
Lebensfreude <strong>und</strong> die Annahme, dass seelische Störungen generell auf ein Umweltversagen<br />
zurückgeführt werden können, in der bioenergetischen Praxis zu einem Verständnis geführt,<br />
dass allgemein die Gefühle <strong>und</strong> nicht mehr den Trieb als Motiv psychischer Entwicklung annimmt.<br />
In der heutigen bioenergetischen Praxis wird das in den kathartischen Prozessen auftretende<br />
Material kaum noch hinsichtlich des darin vielleicht verborgenen psychosexuellen<br />
Inhalts untersucht. Vielmehr begreifen wohl die meisten Bioenergetischen AnalytikerInnen<br />
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