25.12.2013 Aufrufe

Dem Zensor. Staatserhaltende Sozial- demokratie. - DIR

Dem Zensor. Staatserhaltende Sozial- demokratie. - DIR

Dem Zensor. Staatserhaltende Sozial- demokratie. - DIR

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Zersetzung w a r soweit vorgeschritten, daß<br />

man eigentlich kaum noch darüber diskutierte,<br />

o b, sondern nur darüber, w a n n es<br />

endgültig zerfallen werde.<br />

Da kam die rettende Tat, die D e m o ­<br />

kratisierung und Parlamentarisierung des<br />

Reiches. Der alte Kaiser Franz Josef ließ<br />

sich erleuchten. Er sah ein, die alten Bahnen<br />

mußten resolut verlassen werden, wenn<br />

nicht Monarchie und Staatszusammenhang<br />

zum Teufel gehen sollten.<br />

S e i n e b e s t e n G e h i l f e n b e i d e r<br />

E r n e u e r u n g Ö s t e r r e i c h s w a r e n<br />

d i e S o z i a l d e m o k r a t e n . . . .<br />

Der <strong>Sozial</strong><strong>demokratie</strong> gebührt nach ihrer<br />

Stärke ein Vizepräsidentenposten! D a s war<br />

gemeinsame Überzeugung aller vernünftigen<br />

Politiker, U n d die <strong>Sozial</strong><strong>demokratie</strong> hielt es<br />

für ihre Pflicht, von ihrem Rechte Gebrauch<br />

zu machen. Nebensächliche Etikettenfragen<br />

behandelte sie als Nebensache. Pernerstorfer<br />

w u r d e Vizepräsident und ging zum Kaiser.<br />

„Er ist sehr lieb zu mir gewesen," soll<br />

Franz Josef über Pernerstorfers Besuch g e ­<br />

sagt haben. Ein entzückendes Wort. Leise,<br />

nicht verletzende Ironie schimmert hindurch.<br />

So spricht ein Monarch, der nicht vergebens<br />

gelebt hat.<br />

Die österreichische <strong>Sozial</strong><strong>demokratie</strong><br />

fühlt sich als Vertreterin der Massen in<br />

erster Linie, verpflichtet, den Staat zu erhalten,<br />

dem diese Massen angehören. Darum<br />

opferte sie Einzelheiten des soz.-dem. P r o ­<br />

gramms, um erst einmal diesem Staat das<br />

rettende Wahlrecht zu geben. Darum nahm<br />

sie die Bürde des Vizepräsidiums auf sich.<br />

Darum trieb sie alle diese Jahre hindurch<br />

Realpolitik. Darum krönte sie ihr O r d n u n g s ­<br />

werk durch die Vernichtung der parlamentarischen<br />

Unordnung.<br />

D R . V i k t o r A d l e r u n d K a i s e r<br />

F r a n z J o s e f , d a s s i n d h e u t e d i e<br />

b e i d e n H a u p t e l e m e n t e d e s Z u ­<br />

s a m m e n h a l t s d e s ö s t e r r e i c h i ­<br />

s c h e n S t a a t s o r g a n i s m u s .<br />

Und die N u t z a n w e n d u n g für Deutschland<br />

?"<br />

Diese Frage traut sich Herr v. Gerlach<br />

nicht offen zu beantworten. Er glaubt, daß<br />

wenn er zu deutlich wird, die Entwicklung<br />

der Dinge zu stören. Er sagt d a h e r : „Es<br />

gibt Dinge, deren Entwicklung man dann<br />

am meisten stört, wenn man zu deutlich<br />

darüber spricht. W e r Ohren hat, zu hören,<br />

und Augen hat zu sehen, dem scheint die<br />

Zukunft Deutschlands in einem anderen<br />

Lichte als einem alldeutschen Oberlehrer."<br />

Ganz r e c h t ! Herr v. G e r l a c h ; beim<br />

Loben muß auch etwas Vorsicht geübt<br />

werden. Kann doch bei allzu großer Deutlichkeit<br />

schließlich d o c h mancher auf den<br />

W e g aufmerksam werden, den die Führer der<br />

<strong>Sozial</strong><strong>demokratie</strong> im Sturmschritt laufen.<br />

Könnten doch sonst die Mittrottenden<br />

schließlich sich doch der W o r t e des Abgeordneten<br />

Bebel erinnern, die er 1890 in<br />

Halle a . S . also s p r a c h : „ W e n n u n s d i e<br />

G e g n e r l o b e n , h a b e n w i r e n t w e ­<br />

d e r e i n e g r o ß e D u m m h e i t b e g a n ­<br />

g e n , o d e r w i r s i n d a u f d e m b e s t e n<br />

W e g e , e i n e s o l c h e z u b e g e h e n ! "<br />

D a r u m ist es besser und fruchtbringender,<br />

als deutscher Liberaler die österreichische<br />

<strong>Sozial</strong><strong>demokratie</strong> und als österreichischer<br />

die deutsche <strong>Sozial</strong><strong>demokratie</strong><br />

ihrer Taktik wegen zu loben. D a s fällt nicht so<br />

auf, und die D u m m e n freuen sich viel mehr.<br />

Selbsterkenntnis.<br />

„<strong>Sozial</strong>istische Minister sind u n t e r<br />

das Niveau fortgeschrittener bürgerlicher<br />

Regierungen gesunken. Kein „sozialistischer<br />

Minister" hat auch nur annähernd für die<br />

<strong>Dem</strong>okratie geleistet, w a s ein ehrlicher,<br />

w e n n auch beschränkter <strong>Dem</strong>okrat wie<br />

C o m b e s für sie tat. Die sozialistischen Minister<br />

haben mit a l l e n Mitteln sich im Amt<br />

zu sichern gesucht . . ."<br />

Ch. Rappaport (<strong>Sozial</strong>demokrat)<br />

in der theoretischen Revue der deutschen<br />

<strong>Sozial</strong><strong>demokratie</strong> „Die neue Zeit."<br />

Lohnkampf und Preissteigerung.<br />

„Die vorstehende theoretische Untersuchung<br />

führt somit zu dem Ergebnis, daß der Kampf der<br />

Arbeiterschaft um den Lohn ein völlig nutzloser<br />

ist . . . Immer und immer wieder beobachten wir<br />

das Schauspiel, daß die Preise durch Lohnforderungen<br />

empo: getrieben werden, was wieder zu<br />

neuen Lohnforderungen Anlaß gibt . . .<br />

Dr. Otto Conrad, Konsulent der nied.-öst.<br />

Handels- und Gewerbekammer in der . ö s t e r ­<br />

reichischen Rundschau" im Janner 1910.<br />

Die vorstehenden Äußerungen eines<br />

Schriftstellers des Kapitalismus wollen „Irrlehren<br />

der Nationalökonomie" widerlegen.<br />

In Wahrheit aber wiederholen sie alle Argumente,<br />

die bereits längst widerlegt wurden.<br />

Gewiß, Herr Otto Conrad und diejenigen,<br />

die sich seine Logik zu eigen<br />

machen, werden dies nicht einsehen. Sie<br />

verfallen eben, obgleich Bekämpfer von Irrlehren,<br />

in neue, noch weit gewaltigere Irrlehren,<br />

indem sie den Schein für Wahrheit<br />

ausgeben und die Ursachen ihrer Scheinwahrheiten<br />

ganz und gar nicht begreifen.<br />

Ihre Logik ist eine ungemein einfache,<br />

und das Merkwürdige daran ist. d a ß die<br />

Menschen sie bislang noch nicht erkannt<br />

und ihr entsprechend Folge geleistet haben.<br />

Also der Lohnkampf des Arbeiters führt<br />

zur Steigerung des Preises des von ihm<br />

erzeugten P r o d u k t e s ; noch mehr, da diese<br />

Steigerung des Preises eine künstliche Beschränkung<br />

der Nachfrage des Konsums<br />

mit sich bringt, so führt dieser Lohnkampf<br />

des Arbeiters zur Einschränkung der P r o ­<br />

duktion und damit zur Vermehrung der Arbeitslosigkeit.<br />

Diese Darlegungen haben wir<br />

erst unlängst auch aus dem M u n d e österreichischer<br />

reaktionärer Staatsmänner vern<br />

o m m e n ; sie sind gewiß einfach und spottwohlfeil.<br />

Und dennoch ist sie vollständig falsch<br />

gerade in dem, daß sie eine gewisse<br />

h a l b e Wahrheit enthält. Bekanntlich sind<br />

die halben Wahrheiten stets weit gefährlicher<br />

als die ganzen Lügen. Diese durchschaut<br />

man leicht, jene haben viel scheinbar<br />

Bestechliches, Gewinnendes an sich.<br />

Die Leere dieses ganzen kapitalistischen<br />

Gedankenganges, die darauf hinausläuft,<br />

dem Arbeiter eine angebliche Nutz- und<br />

Zwecklosigkeit des wirtschaftlichen Klassenkampfes<br />

— und wer kann im Gewerkschaftskampf<br />

den Klassenkampf nicht erblicken?<br />

— zu beweisen, ersieht man,<br />

wenn man sich Länder der kapitalistischen<br />

Ausbeutung vor Augen hält, in denen die<br />

Gewerkschaftsbewegung fast gar nicht existiert.<br />

Nehmen wir Indien, nehmen wir den<br />

Kongo. Nehmen wir meinetwegen „zivilisiertere"<br />

S t a a t e n ; vergleichen wir z. B. die<br />

Lage des englischen Arbeiters mit jener des<br />

reichsdeutschen. Wieso kommt es, daß in<br />

England, wo der gewerkschaftliche Kampf,<br />

wenn auch stets im Rahmen des Bestehenden,<br />

aber bis vor Kurzem rein wirtschaftlich<br />

und im ökonomischen Klassensinn<br />

des Arbeiters geführt ward, die Lage<br />

des Arbeiters eine wirtschaftlich höher stehende<br />

ist als z. B. in D e u t s c h l a n d ? Daß<br />

also der englische Arbeiter mit seinem Verdienst<br />

m e h r Lebensmittel kaufen und b e ­<br />

streiten kann als der deutsche Arbeiter.<br />

W ä h r e n d wir in jenen Ländern, in denen<br />

die Gewerkschaftsbewegung nicht oder<br />

schwach existiert, geradezu schwindelhaft<br />

hohe Preise für die Lebensmittel und erbärmliche<br />

Löhne vorfinden.<br />

Lohnkampf und Preissteigerung hängen<br />

n i c h t a b s o l u t mit einander zusammen.<br />

Ein klarer Beweis dafür ist mit Leichtigkeit<br />

zu g e b e n : Der englische Kohlengräber und<br />

Bergarbeiter stellt höhere Anforderungen<br />

sowohl ans Leben, wie auch an die g e ­<br />

werkschaftlichen Möglichkeiten; sein Lohn<br />

ist bedeutend höher als jener des österreichischen<br />

und reichsdeutschen Bergarbeiters.<br />

Mir liegen im Augenblick die<br />

Ziffern der deutschen Preise nicht vor,<br />

aber d a s weiß ich, daß die Kohle in Österreich<br />

um rund 40 Heller per Meterzentner<br />

teurer ist als in England. W o h e r kommt<br />

dies, wenn der Gewerkschaftskampf es ist,<br />

der die Preise in die Höhe schnellen läßt?<br />

Allerdings, in e i n e m Sinne mag man<br />

diese Behauptung, die aber auch in diesem<br />

Fall n i c h t das Problem trifft, sondern daneben<br />

schlägt, gern gelten l a s s e n ; und<br />

durch diesen einen Sinn gewinnt sie ja<br />

aber auch den Schein ihrer Richtigkeit.<br />

Es sei rund heraus g e s a g t : W e n n die<br />

Gewerkschaftsbewegung auf diesem Niveau<br />

verbleibt, auf dem sie sich gegenwärtig befindet,<br />

s o w i r d s i e s e l b s t v e r s t ä n d ­<br />

l i c h e i n m i t w i r k e n d e r F a k t o r i n<br />

d e r k a p i t a l i s t i s c h e n P r e i s s t e i ­<br />

g e r u n g . Ursprünglich werden die Preissteigerungen<br />

durch den Staat, durch seine<br />

wucherische Zollpolitik, durch seine wirtschaftlichen<br />

Monopole herbeigeführt. Sie<br />

sind die wahre, erste und ursprünglich einzige<br />

Quelle der Preissteigerung der Waren.<br />

Die Belastungen der Industrie drücken<br />

naturgemäß auf den Profit des Kapitalisten,<br />

und dieser wehrt sich dagegen, daß er die<br />

Preise höher fixiert. So beginnen die Preistreibereien<br />

in der kapitalistischen Ära, selbst<br />

schon zu einer Zeit, wo die Gewerkschaftsbewegung<br />

in ihrer heutigen Form noch<br />

nicht bestand. Heute dauert dieselbe Tendenz<br />

gleichmäßig fort. U n d da ist es allerdings<br />

eine Tatsache, daß die Gewerkschaften,<br />

die auf der alten soz.-dem. Basis<br />

stehen und mit ihren Kleinstreiks vorgehen,<br />

sich um die lebende Solidarität und Einheit<br />

im Proletariat als Produzent u n d Konsument<br />

nicht bekümmern, daß sie es sich<br />

g e f a l l e n l a s s e n , wenn ihnen die Preise,<br />

in Folge i s o l i e r t e r Lohnkämpfe einzelner<br />

Branchen etc., noch mehr in die Höhe getrieben<br />

werden, als es schon unter dem<br />

Einfluß des Staates ohnedies geschieht.<br />

In Wien haben wir vor Neujahr die<br />

Bewegung der Straßenbahner gehabt. Ihre<br />

Löhne sind ihnen vom Gemeinderate gesteigert<br />

w o r d e n ; doch gleichzeitig sind die<br />

Fahrtarife für d a s Publikum gestiegen.<br />

Aber es ist falsch, das Kind mit dem<br />

Bade auszuschütten, wollte man diese Tatsache<br />

nun auf Konto des Gewerkschaftsund<br />

Lohnkampfes schlechthin setzen. Wir<br />

haben es hier mit einem Unverständnis, mit<br />

einer reaktionären Verkümmerung des Lohnkampfes,<br />

mit einer vollständigen Verkennung<br />

jedes Solidaritätsmomentes im gewerkschaftlichen<br />

Kampf zu tun. Daran ist n i c h t<br />

d i e s e r , daran sind die ihn führenden<br />

Menschen schuld, und ihre Kampfesart kann<br />

ja jederzeit geändert werden, sobald sie<br />

selbst die nötige Geisteserkenntnis dazu<br />

haben, wobei dieser reaktionäre gelbe Gewerkschaftskampf,<br />

wie er gegenwärtig allerdings<br />

gesucht wird, zu dem wird, was wir<br />

Anarchisten aus ihm machen w o l l e n : z u m<br />

r e v o l u t i o n ä r e n W i r t s c h a f t s k a m p f<br />

d e r G e w e r k s c h a f t s b e w e g u n g , der<br />

dann — und das ist das Wichtige — n i c h t<br />

dieselben Wirkungen im Gefolge hat, wie<br />

der gegenwärtig auf Grundlage des Kleinstreiks<br />

und der Harmonie zwischen Kapital<br />

und Arbeit geführte.<br />

Es soll nicht geleugnet werden, daß<br />

die Konservativen, wie auch die soz.-dem.<br />

Führer der bestehenden Gewerkschaften,<br />

die auf Schein und S a n d aufgebaut und<br />

absolut ziellos sind in ihrem Streben, daß<br />

sie naturgemäß dahin wirken, daß der Kapitalist<br />

ihnen jeden sogenannten „Sieg"<br />

übel vergilt, indem er die Preise ihrer<br />

Waren steigert und zwar maßlos steigert,<br />

während ihr „Sieg" nur sehr mäßig war.<br />

Aber es wäre unsinnig, nun zu sagen, die<br />

Gewerkschaftsbewegung a l s s o l c h e sei<br />

Schuld daran. Nein, ihre Korrumpierung,<br />

ihre Hindrängung auf d a s kapitalistische<br />

Moralgebiet, das ist Schuld daran. Der<br />

Kapitalist steigert die Preise, sobald als er<br />

die Löhne gesteigert hat, nicht weil solches<br />

im W e s e n der Gewerkschaftsbewegung oder<br />

ihres Lohnkampfes liegt, s o n d e r n d e s ­<br />

h a l b , weil die Gewerkschaften nicht dazu

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!