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Kein Hochfahren - keine Abstürze - KOPS

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139<br />

DISTANZ UNO ANNAHERUNG<br />

Wolfram Dufner ist als Diplomat weit in der Welt herum gekommen<br />

und hat zahlreiche interessante Menschen getroffen.<br />

Dass Ernst junger fur ihn zu den herausragenden<br />

gehort, darf man dem Band »Tage mit Ernst junger« entnehmen.<br />

Eine auBergewohnliche Form von Freundschaft<br />

erhalt hi er Gestalt: gepragt von beiderseitigem groBem<br />

Respekt, von intellektuellem Austausch, von einer Distanz,<br />

die nie aufgehoben wird, und vielleicht sogar deshalb. von<br />

verlasslicher Dauer.<br />

Im jahr 1979 beginnen die regelmaBigen Besuche der Ehepaare.<br />

mal in Wilflingen bei jungers. vor allem aber in den<br />

exotischen Landern, in denen die Dufners als Botschaftsehepaar<br />

residieren. Die Treffen in Singapur 1981 und 1986 in<br />

Kuala Lumpur und die Ausfluge zu alten Kulturstatten, aber<br />

auch zu den Urwaldern Pahangs nutzt der schreibende<br />

Diplomat a.D. fur beeindruckende Schilderungen einer<br />

fremden Sphare, deren Kluft zum westlichen Leben nicht<br />

zugeschuttet wird. sond'ern in ihrer ganzen Tiefe und ihrem<br />

Reiz bestehen bleibt. Die Zeichnungen der Vielvolkerwelt,<br />

der nicht immer segensreichen Einflusse des Westens und<br />

des Stadttreibens haben ReisefUhrerqualitat. Wie Dufner<br />

schliemich uber die Beschreibung der Gerausche seine<br />

Leserschaft mitten in den Urwald entfuhrt .• meint man sie zu<br />

horen, die Pfiffe und Schreie der Vogel, das Schnarren der<br />

Zikaden.<br />

Dass junger fasziniert ist von dieser »joseph-Conrad-Welt«<br />

liegt auf der Hand, und Dufner trifft wohl genau die Spuren<br />

der untergegangenen Kolonialepoche. junger sieht zum<br />

zweiten Mal in seinem Leben den Halleyschen Kometen, was<br />

Anlass gibt fur etliche Anekdoten und fur den Schriftsteller<br />

von fundamentaler Bedeutung gewesen sein muss.<br />

Wie Dufner kurze Blicke freigibt auf diese andere Welt, wirft<br />

er Schlaglichter auf Ernst junger, den er bis zu dessen Tod<br />

1998 nicht nur privat, sondern auch bei vielen wichtigen<br />

Ereignissen. so dem 100. Geburtstag. begleitete. Spannend<br />

wird es wahrend der Treffen von junger und Golo Mann, die<br />

dem Diplomaten Dufner, mittlerweile in die Schweiz versetzt,<br />

zu verdanken sind und die Versohnung zweier bemerkenswerte<br />

Manner zeitigen. Gerade Dufners Annaherungen<br />

an Golo Mann sind beruhrend: wie der in Kilchberg bei<br />

Zurich im Haus seiner Eltern »hilflos und einsam« wohnt<br />

Kurze Eindrucke genugen. um einen hoch gebildeten und<br />

uberaus begabten Erzahler vorzustellen, der langst mehr in<br />

der Geschichte als in der Gegenwart zuhause ist. Uberhaupt:<br />

eine leise Melancholie durchzieht dieses bebilderte<br />

Bandchen, das si ch so schon auf die Annaherung aus der<br />

Distanz versteht.<br />

• msp.<br />

--'-----------------<br />

Wolfram Dufner: »Tage mit Ernst lOnger«. Societiits·Verlag, 196 Seiten,<br />

19,90 Euro<br />

BOSE MAOCHEN UNO BRAVE JUNGS?<br />

Die bad girls im Titel und in den Beitragen des Sammelbandes,<br />

der aus der regelmaBigen Vortragsreihe Gender<br />

Studies an der Universitat :Konstanz hervorgegangen ist.<br />

haben so gar nichts mit der naheliegendsten Ubersetzung<br />

als »bose Madchen« gemeinsam: Mogen sie auch nach den<br />

jeweilig herrschenden Vorstellungen unangepasst und<br />

unmoralisch in ihrem Verhalten gewesen oder gar strafrechtlich<br />

aufgefallen sein, so haben alle Frauen in den Beitragen,<br />

die eine Zeitspanne von der Antike bis heute umfassen,<br />

mit sehr viel Mut und Energie mit ganz unterschiedlichen<br />

Schicksalen gekampft.<br />

Die Leserlnnen erfahren von unterschiedlichen Gruppen von<br />

Frauen, wie z.B. den Hetaren, Soldatinnen, Nihilistinnen und<br />

Anhangerinnen rechtsextremer Gruppierungen. aber auch<br />

von Einzelschicksalen wie das von Barbara Reinhardtin<br />

11744-17931. die sich von ihrem Geburtsort Speyer bis an den<br />

Bodensee nach Konstanz mit Diebstahlen durchschlug. Die<br />

Geschichte dieser Frau, besser auch als Schleiferbarbel<br />

bekannt, wird von Eva Wiebel anhand von Gaunerlisten und<br />

Verhorprotokollen lebendig erzahlt sowie chronologisch aufgeschlusselt.<br />

Die bisherigen Negativdarstellungen werden in einer rezeptionsgeschichtlichen<br />

Analyse etwas zu ihren Gunsten revdiert.<br />

Die in vielen historischen Quellen durchweg positive<br />

Figur des Konstanzer Hans, der durch den Verrat an der<br />

Schleiferbarbel der Todesstrafe entgehen konnte. wird von<br />

Eva Wiebel sehr kritisch betrachtet. und es gelingt auf diese<br />

Art und Weise, der Schleiferbarbel ohne Uberzeichnung und<br />

mannlichem bzw. positiv stilisiertem Konterpart ihre in der<br />

Geschichtsschreibung fast verlorengegangene Geschichte<br />

wied'erzugeben.<br />

Auch andere Autorlnnen haben sich trotz oft schlechter<br />

Quellenlage nicht davon abhaHen lassen, Frauenschicksale<br />

wie z.B. das von Heloise, Queen Emma und Else Kienle mit<br />

Hilfe der vorhandenen historischen Quellen naher zu betrachten<br />

und fUr die Leserlnnen zuganglich zu machen.<br />

unl'kon 113.2004

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