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Kai Wolfinger - Robert Walser-Zentrum

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vermittelt wird, ja eigentlich den Schreiber selbst bezeichnet, denn innerhalb der Fiktion<br />

ist «Jakob von Gunten» ein geschriebenes Tagebuch; so ist auch evident, wie der<br />

Titel des Romans in Kombination mit einem zugrunde liegenden Vallotton-<br />

Gemäldes für den Leser funktioniert: Die abgebildete Person ist Jakob von Gunten,<br />

und vielleicht meinen wir in der Kleidung des jungen Herren – ein akkurat gestärktes<br />

weißes Hemd und eine schwarze Jacke – die Uniform Jakob von Guntens zu erblicken:<br />

21<br />

Wir tragen Uniformen. Nun, dieses Uniformtragen erniedrigt und erhebt uns gleichzeitig. Wir<br />

sehen wie unfreie Leute aus, und das ist möglicherweise eine Schmach, aber wir sehen auch<br />

hübsch darin aus, und das entfernt uns von der tiefen Schande derjenigen Menschen, die in<br />

höchsteigenen, aber zerrissenen und schmutzigen Kleidern dahergehen. (SW 11, S. 8)<br />

Es ist unbestreitbar, dass dieser Effekt uns Jakob von Gunten visualisieren soll. Innerhalb<br />

der Produktionsgeschichte von <strong>Walser</strong>s «Sämtlichen Werken» werden die<br />

Überlegungen in diese Richtung gegangen sein: Man entschied sich von Verlagsseite<br />

aus für den zu einer gleichen Zeit wie <strong>Walser</strong> lebenden Künstler mit Bezug zur<br />

Schweiz und suchte aus dem Fundus seiner Gemälde für die einzelnen Bände entfernt<br />

passende oder evident geeignete Bildbeispiele. Als man zum «Jakob von Gunten»<br />

kam, stand man vor der Frage, welches Porträt man nehmen könnte und entschied<br />

sich für dieses, sinnigerweise für ein Porträt Félix Vallottons, das dieser 1886<br />

von seinem Bruder angefertigt hat. Die Implikationen, die sich dem entnehmen ließen,<br />

sind mannigfaltig: Warum wurde Vallottons Bruderbildnis einem Buch zugeordnet,<br />

das im Themenbereich Schule, Erziehung, Lehre, Unterwerfung angesiedelt<br />

ist und wo wären die Parallelen zum Leben der dargestellten Person? Soll das Porträt<br />

eine entfernte Ähnlichkeit mit der Fotografie <strong>Walser</strong>s selbst haben, auf der er als<br />

Diener dargestellt ist, ebenfalls mit weißem Hemd und schwarzem Sakko, aber leicht<br />

gedrehtem Gesicht? Ich weiß nicht, ob dieser Effekt, den das Vallotton-Porträt in<br />

Verbindung mit <strong>Walser</strong>s Roman erzielt, beim Suhrkamp Verlag reflektiert hat und<br />

ihn deshalb anschließend einer Korrektur unterzog, oder ob man Vallottons Bruderbildnis<br />

wieder von der konstruierten Nähe zu «Jakob von Gunten» entfernen wollte.<br />

Jedenfalls ist die Änderung bezeichnend, die der Suhrkamp Verlag in den weiteren<br />

Auflagen unternimmt.<br />

21<br />

Dieses Evokationsverfahren, dass das sprachlich Beschriebene einem Bild zugeordnet wird, machen<br />

sich Zeitungen und der Klatschjournalismus zunutze. Vgl. aber auch das medientheoretisch<br />

geschickte Evokationsverfahren zwischen Schrift und Bild in den Büchern von W. G. Sebald.<br />

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