KURZBESUCH Theater <strong>Neu</strong>-<strong>Ulm</strong> Podium für BEZIEHUNGSKISTEN in KONFUSION 48
KURZBESUCH Einiges ist hier von sehr übersichtlicher Größe, wie die Spielstätte oder das feste Ensemble. Umso größer sind dafür Ideenreichtum, Spielwitz und Durchhaltewillen, ja auch die Vorbilder. Das Publikum findet in den Stücken immer ein Stück weit sich selbst. Schon deshalb ist das Theater <strong>Neu</strong>-<strong>Ulm</strong> aus der lokalen Szene nicht mehr wegzudenken. Theater <strong>Neu</strong>-<strong>Ulm</strong> Theaterplatz – Hermann-Köhl-Straße 3 www.theater-neu-ulm.de Sagt ein Besucher: „Das war wie in der Gefangenschaft.“ Sagt eine Besucherin: „Das ist wie mit mir und meinem Mann zusammen in der Küche.“ Heinz Koch zitiert gerne diese Anekdote aus seinem reichhaltigen Fundus. Denn sie dient ihm zur Erläuterung, wie ein und dasselbe Stück gänzlich – oder zumindest doch ziemlich – unterschied liche Erinnerungen anzutippen vermag. Berührt hat die Inszenierung offenkundig beide Gäste, und somit ist es gut. Wir sind auf einen Kaffee mit dem Theatermacher verabredet. Das Haferl des Direktors, Regisseurs, Mimen sollte die erste halbe Stunde erst mal unberührt bleiben, sein Inhalt in Folge erst lau werden und dann sehr lau. Er hat einfach zu viel zu erzählen, als dass er sich durch so profane Dinge wie eine dampfende Tasse den Redefluss unterbrechen ließe. 20 Jahre Theaterleben liegen hinter ihm, davon 16 in <strong>Neu</strong>-<strong>Ulm</strong>, mit mindestens vier Inszenierungen pro Jahr und darin 110, 120 Vorstellungen. Mit Stücken zwischen einem und elf Darstellern, Erfolgserlebnissen, Rückschlägen und Erfahrungen aller Art. Ein repräsentativer Einblick darin will dann erst einmal auf Kaffee-Länge minimiert werden. Mann und Frau und so Und dann noch diese vertrackte Einstiegsfrage: Was das denn sei – intelli gente Unterhaltung ? Nach kurzer Unterbrechung: „Es ist unser Markenname. Und etwas sehr Gefährliches.“ Gefährlich deshalb, klärt Koch auf, weil manche damit Elitäres verbänden und es doch vielmehr Absicht sei, dem Publikum sehr nahezutreten. Es habe sich so entwickelt, dass dieses hauptsächlich interessiert sei an Beziehungsfragen. Diese aufzuwerfen, freizulegen, auf die Spitze zu treiben, bildet den Kern der Marke „Theater <strong>Neu</strong>-<strong>Ulm</strong>“. Gespielt werden bevorzugt Komödien, solche mit doppelbödigen Stoffen, bei denen unter der Oberfläche des Komischen tragische Momente zum Vorschein kommen. Solche der intelligenten Sorte also. Mittlerweile ist Claudia Riese dazu gestoßen. Riese ist die andere Hälfte der Direktion und wie ihr Partner multifunktional tätig in dem Zimmertheater. Und dann erläutern sie, warum Komödien mit das Schwierigste seien. Daher würden sie die eigenen Inszenierungen wieder und wieder anschauen, immer auf der Suche nach dem perfekten Timing und den Gründen, warum eine Szene funktioniert oder eben nicht. Loriot und Laurel & Hardy nennt Koch als seine Vorbilder, die Uhrwerker des Komischen, und dazu Franca Rame und Dario Fo, die politisch bewegten Erneuerer des Volkstheaters. Gänzlich ausrechen lasse sich der Erfolg einer Aufführung dennoch nicht. „Die andere Hälfte hängt vom Publikum ab“, sagt Koch. Wolle es sich nicht einlassen, klappe die Komik nicht. Frau Riese, Herr Koch, reden Sie sich eigentlich gegenseitig in ihre Regie- Arbeiten rein ? Entspinnt sich hier gar ein Komödienstoff ? Erstaunlich nüchterne Antwort: Sie schicken einander raus, wenn sie in Ruhe gelassen werden wollen. Weitaus häufiger aber sehen sie im Urteil des Partners eine willkommene Möglichkeit, der sich im Laufe von Proben einstellenden Betriebsblindheit zu entgehen. Riese ganz rational: „Ich kann doch nicht einfach sagen, nach mir die Sintflut.“ Wenn schon die Liebe ständig in die Katastrophe mündet, soll doch wenigstens die „Beziehungskiste Theater <strong>Neu</strong>-<strong>Ulm</strong>“ unverbrüchlich sein. Thomas Vogel Claudia Riese und Heinz Koch – bei der Arbeit. 49