Nestroy und das Burgtheater 1 - Welcker-online.de
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Aber gera<strong>de</strong> diese Trennung <strong>de</strong>r Sphären gewährt mir, die an<strong>de</strong>re mit<br />
jener Klarheit zu erkennen, die sie mir durch keinen Wi<strong>de</strong>rstand abhan<strong>de</strong>ln<br />
wird. Und wenn es ihr möglich wäre, mich auf <strong>de</strong>m Gebiet meiner literarischen<br />
Betätigung kleinmütig zu stimmen <strong>und</strong> vor die Frage zu stellen, ob<br />
<strong>de</strong>nn nicht vielleicht meine Betrachtung die Schuld trage <strong>und</strong> <strong>das</strong> Bild schiefer<br />
sei als die Wirklichkeit — doch mich wan<strong>de</strong>lt innerhalb meines Wortwirkens<br />
wahrlich ganz an<strong>de</strong>rer Kleinmut an <strong>und</strong> ganz an<strong>de</strong>re Zweifel machen<br />
mich beschei<strong>de</strong>n —: ein Gebiet gibt es, auf <strong>de</strong>m ich sie ihrer Unzulänglichkeit<br />
an mir mit Beweiskraft überführen kann, <strong>das</strong> Gebiet <strong>de</strong>s gesprochenen Wortes,<br />
<strong>das</strong> doch die Probe jener unmittelbaren Wirkung ermöglicht, die <strong>de</strong>n Wert<br />
als Macht einsetzt <strong>und</strong> also von dieser Welt ist <strong>und</strong> ihres Verständnisses sicher<br />
— <strong>das</strong> Gebiet, aus <strong>de</strong>m sie mit <strong>de</strong>r ganzen verlegenen Feigheit, mit <strong>de</strong>r<br />
sie sonst vor meinem Dasein verweilt, einfach davongerannt ist. Auch hier<br />
noch will ich ihr nach <strong>de</strong>m Maß <strong>de</strong>r menschlichen Schwäche eine Ausflucht<br />
gönnen. Ich stehe heute zum zweih<strong>und</strong>ertsten Mal vor Ihnen. Zu welchem Demonstrator<br />
<strong>de</strong>r eigenen Macht müßte ich wer<strong>de</strong>n, wenn ich mit <strong>de</strong>r gelassensten<br />
Objektivität diese in keinem Kulturzentrum erlebte Tatsache würdigen<br />
wollte <strong>und</strong> eben mit <strong>de</strong>r stellvertreten<strong>de</strong>n Verpflichtung für sämtliche geistigen<br />
Instanzen, die sie unbeachtet lassen. Es wür<strong>de</strong>, wollte ich nur als einer<br />
<strong>de</strong>r M<strong>und</strong>e, die darüber zu sprechen hätten, <strong>und</strong> für alle, die es schweigen,<br />
mit lei<strong>de</strong>nschaftsloser Sachlichkeit, mit einer Aufzählung <strong>de</strong>r äußeren Erfolgstatsachen<br />
mich vernehmen lassen, eine wahre Orgie <strong>de</strong>r Selbstbespiegelung.<br />
Sie bleibt mir erlassen; <strong>de</strong>nn wenn <strong>das</strong> gedruckte. Wort sich über <strong>das</strong> vorausgesetzte<br />
Mitwissen <strong>und</strong> Mitfühlen <strong>de</strong>r Anhänger getrost erheben mag <strong>und</strong> immer<br />
wie<strong>de</strong>r die bekannte Handlung zwischen mir <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Gegenwelt zum<br />
neuen Werk erhöhen — <strong>das</strong> gesprochene, vor <strong>de</strong>n förmlich Stoffbeteiligten gesprochene,<br />
muß ihnen in <strong>de</strong>r Tat nicht sagen, was sie nicht nur wissen, son<strong>de</strong>rn<br />
woran sie selbst gewirkt haben. Wenn <strong>das</strong> gedruckte Wort auch ohne Leser<br />
wür<strong>de</strong> <strong>und</strong> wäre, die Hörer gehören zum Vortrag, <strong>de</strong>r ohne sie nicht wäre,<br />
nicht wegen <strong>de</strong>s fehlen<strong>de</strong>n Ohrs, son<strong>de</strong>rn wegen <strong>de</strong>s fehlen<strong>de</strong>n Elements.<br />
Aber nicht um Sie han<strong>de</strong>lt es sich, son<strong>de</strong>rn um die, die nicht hören. Nicht was<br />
diese zweih<strong>und</strong>ert Vorlesungen waren, aber was die Gesellschaft ist, die um<br />
sie wissend sie floh, weil sie in ihrer unvernichtbaren Tatsache <strong>de</strong>n Ausdruck<br />
<strong>de</strong>r eigenen Ohnmacht erkannte — <strong>das</strong> bleibt zu sagen übrig. Und <strong>de</strong>n Drang,<br />
diese Fülle von Absenz auszuschöpfen <strong>und</strong> <strong>das</strong> publizistische Phänomen dieser<br />
Tatsache darzustellen, <strong>de</strong>n Antrieb, über <strong>das</strong> große Schweigen zu re<strong>de</strong>n,<br />
wird <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r es nicht abzuän<strong>de</strong>rn trachtet <strong>und</strong> <strong>de</strong>r eine kulturhistorische<br />
Pflicht auch dann erfüllen muß, wenn sie ihn selbst betrifft <strong>und</strong> sie kein an<strong>de</strong>rer<br />
erfüllt — solche Herzenslust kann ihm die Mißgunst als Selbstbespiegelung,<br />
doch nicht als Selbstgespräch verkleinern.<br />
Ich habe <strong>de</strong>n Angehörigen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Welt, die da mit weniger Neugier<strong>de</strong><br />
an meiner Vortragstätigkeit beteiligt sind als die Er<strong>de</strong>nbewohner an <strong>de</strong>n<br />
Vorgängen auf <strong>de</strong>m Mars (<strong>de</strong>r aber zum Unterschied von mir Annäherungsversuche<br />
macht), eine Ausflucht gelassen. Ich bin noch weit mehr als sie<br />
selbst durchdrungen von <strong>de</strong>r Unvorstellbarkeit <strong>de</strong>s Falles, daß einer von ihnen<br />
einer Vorlesung aus meinen eigenen Schriften beiwohne, die doch in <strong>de</strong>r<br />
Regel eine aus ihren eigenen Schriften ist. Als Kenner <strong>und</strong> Hüter <strong>de</strong>r Gesetze,<br />
auf <strong>de</strong>nen die Wirkung innerhalb eines Auditoriums zustan<strong>de</strong>kommt, als einer,<br />
<strong>de</strong>r diese Strömungen zwischen Podium <strong>und</strong> Publikum mit <strong>de</strong>m Ton, ja<br />
mit Hand <strong>und</strong> Blick regulieren kann, weiß ich um die Gefahren, die <strong>de</strong>m dargestellten<br />
Wort, <strong>und</strong> wäre es noch so stark, von <strong>de</strong>r Ablenkung durch jene<br />
akustischen Fremdkörper drohen, zu welchen vor allem die optischen Augen-<br />
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