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Rede des Staatspräsidenten als PDF-Dokument - Französische ...

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Frankreich – Info<br />

Herausgeber: <strong>Französische</strong> Botschaft<br />

Presse- und Kommunikationsabteilung<br />

Pariser Platz 5 - 10117 Berlin<br />

info@ambafrance-de.org<br />

www.ambafrance-de.org<br />

2013<br />

<strong>Rede</strong> von Staatspräsident François Hollande<br />

bei der Botschafterkonferenz<br />

Paris, 27. August 2013<br />

Die Welt ist in Entsetzen erstarrt, nachdem bekannt wurde, dass in Syrien Chemiewaffen<br />

eingesetzt wurden. Alles deutet darauf hin, dass diese niederträchtige Tat dem Regime<br />

zuzuschreiben ist. Damit ist das Urteil der Welt endgültig über das Regime gefällt. Denn es ist<br />

wirklich schändlich, Waffen einzusetzen, die in allen internationalen Konventionen der<br />

Völkergemeinschaft seit 90 Jahren geächtet sind. Muss ich daran erinnern, dass in diesem<br />

Konflikt bereits 100 000 Menschen ums Leben gekommen sind? Und dass er sich jetzt auf die<br />

ganze Region ausweitet? Mit Anschlägen in Libanon. Mit dem Zustrom an Flüchtlingen in<br />

Jordanien und in der Türkei. Mit der Entfesselung tödlicher Gewalt in Irak. Dieser Bürgerkrieg<br />

gefährdet heute den Frieden in der Welt.<br />

Frankreich ist bereits seit einem Jahr aktiv. Es hat die Konferenz der Freunde <strong>des</strong> syrischen<br />

Volks ins Leben gerufen, die im Juli 2012 in Paris stattfand. Es hat im vergangenen September<br />

<strong>als</strong> erstes Land die Nationale Koalition <strong>als</strong> legitime Vertreterin <strong>des</strong> syrischen Volks anerkannt.<br />

Und es hat der Opposition sehr schnell humanitäre und materielle Hilfe zukommen lassen,<br />

damit sie ihren Kampf führen kann.<br />

Heute liegt es in unserer Verantwortung, die geeignete Antwort auf die Greueltaten <strong>des</strong><br />

syrischen Regimes zu finden, sobald die UN-Untersuchungsmission ihren Auftrag im<br />

Wesentlichen erfüllt hat.<br />

Das Giftgas-Massaker in Damaskus kann nicht unbeantwortet bleiben. Angesichts <strong>des</strong><br />

Einsatzes von Chemiewaffen muss die Staatengemeinschaft reagieren. Frankreich ist bereit,<br />

diejenigen zu bestrafen, die diese schreckliche Entscheidung getroffen haben, Unschuldige zu<br />

vergasen.<br />

In den letzten Tagen habe ich mich immer wieder mit unseren Verbündeten beraten, mit den<br />

amerikanischen und europäischen ebenso wie mit unseren arabischen Partnern, um alle<br />

Optionen in Betracht zu ziehen. Morgen werde ich den Verteidigungsrat zusammenrufen, und<br />

das Parlament wird schnellstens über die Sachlage informiert werden.<br />

Im Übrigen habe ich beschlossen, unsere militärische Unterstützung der syrischen<br />

Nationalen Koalition zu verstärken, natürlich unter Einhaltung unserer europäischen<br />

Verpflichtungen. Nur mit einer solchen Entschlossenheit wird es irgendwann eine politische<br />

Lösung in Syrien geben können.<br />

www.ambafrance-de.org


2<br />

Frankreichs Verantwortung – das ist der Sinn der Außenpolitik, die ich seit meiner Wahl<br />

zusammen mit Laurent Fabius betreibe – ruht auf drei großen Grundsätzen:<br />

- Unabhängigkeit: Sie gestattet uns jederzeit in voller Souveränität zu handeln und dabei treu<br />

zu unseren Bündnissen, zur europäischen Solidarität und zu unseren bilateralen<br />

Vereinbarungen zu stehen. Aufgrund dieser Freiheit ist Frankreich nützlich für die Welt und für<br />

den Frieden.<br />

- Einhaltung <strong>des</strong> Völkerrechts: Das ist die beste Garantie, die Grenzen zu achten,<br />

Streitigkeiten zu schlichten und die kollektive Sicherheit zu gewährleisten. Doch das Völkerrecht<br />

muss sich mit seiner Zeit entwickeln. Es kann nicht <strong>als</strong> Ausrede dafür herhalten, dass<br />

Massenmassaker verübt werden. Deshalb erkenne ich den Grundsatz der<br />

„Schutzverantwortung“ gegenüber der Zivilbevölkerung an, der 2005 von der<br />

Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde.<br />

- Und schließlich die Forderung nach Dialog: Denn Frankreich will Brücken zwischen den<br />

Kontinenten schlagen und das vermeiden, was manch einer den Kampf der Kulturen genannt<br />

hat. Frankreich versteht sich <strong>als</strong> „Orientierungsmacht“, <strong>als</strong>o eine Nation, die sich über ihre<br />

Eigeninteressen hinaus äußert.<br />

Um wirkungsvoll zu sein, müssen sich diese drei Grundsätze auf entsprechende<br />

Handlungsinstrumente stützen. In erster Linie auf die Diplomatie, aber auch auf die<br />

militärischen Fähigkeiten, die Frankreich eine besondere Rolle verleihen, die durch seinen<br />

Status <strong>als</strong> ständiges Mitglied im Sicherheitsrat noch verstärkt wird.<br />

Frankreich muss sicherstellen, dass sein Verteidigungsapparat verlässlich bleibt.<br />

Gewährleistet wird dies durch das kommende Militärplanungsgesetz, das auf das Weißbuch der<br />

Verteidigung aufbaut. Der Verteidigungshaushalt wird für die kommenden fünf Jahre<br />

gleichbleibend beibehalten, selbst in dieser haushaltspolitisch so schwierigen Phase. Doch dies<br />

ist die unabdingbare Voraussetzung, um unsere Glaubwürdigkeit aufrecht zu erhalten und um<br />

im Rahmen <strong>des</strong> Völkerrechts, immer wenn es unser Land für notwendig hält, über einen Einsatz<br />

entscheiden zu können.<br />

Dies war am 11. Januar in Mali der Fall. Nicht um an Stelle der Afrikaner, sondern<br />

gemeinsam mit ihnen zu handeln. Sieben französische Soldaten sind bei der Operation Serval<br />

ums Leben gekommen, Dutzende weitere wurden verletzt. Ich möchte hier ihre<br />

Opferbereitschaft und unsere Streitkräften im Allgemeinen würdigen, die es ermöglicht haben,<br />

das malische Territorium zu befreien und Präsidentschaftswahlen zu organisieren, deren<br />

erfreulichen Verlauf ich an dieser Stelle anerkennen möchte. Die Wahlen haben dem neuen<br />

Präsidenten Ibrahim Boubacar Keita eine starke Legitimität verliehen. Innerhalb von acht<br />

Monaten, von Januar bis Juli, hätten wir es damit geschafft, die Terroristen zu verdrängen,<br />

Sicherheit in Mali herzustellen und den politischen Übergang einzuleiten. Selten hat in den<br />

vergangenen Jahren ein Einsatz in so kurzer Zeit seine Ziele erreichen können. Frankreich<br />

wird nun seine militärische Präsenz reduzieren, aber es wird Mali weiterhin bei den<br />

bevorstehenden Herausforderungen begleiten: den Staat wieder aufbauen, die<br />

Regierungsführung verbessern, für Sicherheit sorgen, die Entwicklung vorantreiben. Und<br />

äußerst wachsam sein. Denn gewalttätige Gruppen, Terroristen wie Schmuggler, versuchen,<br />

überall dort Fuß zu fassen, wo es Staaten nicht gelingt, ihr Territorium zu kontrollieren, und dort,<br />

wo die regionale Zusammenarbeit nicht funktioniert.<br />

So auch in der Demokratischen Republik Kongo, wo sich die Greueltaten, denen vor allem<br />

Frauen und Kinder zum Opfer fallen, häufen. Deswegen haben wir erreicht, dass die UNO eine


3<br />

Interventionsbrigade in die Kivu-Provinzen entsendet. Nun ist es an der MONUSCO, sich<br />

in Goma den bewaffneten Gruppen entgegenzustellen, die die Region <strong>des</strong>tabilisieren.<br />

Auch in der Zentralafrikanischen Republik ist es höchste Zeit, zu handeln. Das Land steht<br />

auf der Kippe zur „Somalisierung“. Ich habe Nichtregierungsorganisationen getroffen, die dort<br />

tätig sind. Sie leisten eine bewundernswerte Arbeit. Die Zustände vor Ort sind erdrückend.<br />

60 000 Kinder sind gefährdet, an Unterernährung zu sterben. Eineinhalb von insgesamt fünf<br />

Millionen Einwohnern wurden vertrieben. Ich rufe die Afrikanische Union und den<br />

Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf, sich dieser Situation anzunehmen. Frankreich<br />

wird ihnen dabei helfen. Aber ich erinnere an dieser Stelle daran, dass es in erster Linie<br />

Sache der Afrikaner ist, ihre Sicherheit zu gewährleisten.<br />

Dies ist der Sinn <strong>des</strong> Elysée-Gipfels, der im Dezember stattfindet, acht Monate nachdem die<br />

Afrikanische Union beschlossen hat, eine Krisenreaktionskapazität einzurichten, und sechs<br />

Monate nach dem Treffen zur maritimen Sicherheit am Golf von Guinea, in <strong>des</strong>sen Rahmen<br />

Maßnahmen gegen Piraterie eingeleitet wurden.<br />

Europa wird bei dem Gipfeltreffen in Paris vertreten sein. Denn wir müssen gemeinsam<br />

auf die Anfragen der afrikanischen Länder in Sachen Ausbildung und Ausrüstung ihrer<br />

Streitkräfte reagieren. Denn dieser Kontinent hat eine große Zukunft vor sich. Er muss in<br />

der Lage sein, selbst über sein Schicksal zu bestimmen. Frankreich wird ihm dabei zur<br />

Seite stehen. Ohne Eigeninteresse.<br />

Es liegt auch in der Verantwortung Frankreichs, die arabischen Länder in ihrer schweren<br />

Übergangsphase zu begleiten.<br />

Ich habe in Tunis daran erinnert, dass keine Religion unvereinbar mit einer demokratischen<br />

Staatsführung sei und dass der Islam dafür einen weiteren Beweis liefern könne, sobald die<br />

persönlichen Freiheiten, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Pluralismus<br />

geachtet werden. Frankreich <strong>als</strong>o steht dem tunesischen Volk solidarisch zur Seite, damit es<br />

wieder die Möglichkeit findet, sich zu äußern, indem schnell Wahlen organisiert werden, die<br />

ebenso unbestreitbar sein sollen wie die im Jahre 2011. Ein Grund mehr, um die<br />

Verantwortlichen für die Gewalt an den Pranger zu stellen, die in Tunesien an politischen<br />

Aktivisten verübt wird und den demokratischen Prozess wissentlich gefährdet.<br />

Im Namen derselben Werte rufen wir die ägyptische Regierung dazu auf, den zivilen Frieden<br />

so schnell wie möglich wieder herzustellen und gemeinsam mit allen Teilen der Bevölkerung<br />

Neuwahlen anzusteuern. Frankreich ist bereit, gemeinsam mit anderen seinen Beitrag <strong>als</strong><br />

Vermittler zu leisten. Mit diesem Vorschlag ist nicht die Absicht verbunden, sich einzumischen,<br />

sondern einzig das Bemühen, hilfreich zu sein.<br />

Ich möchte hier noch weiter gehen und den Ländern der Region neue Perspektiven der<br />

Zusammenarbeit eröffnen. Beim 5+5-Gipfel in Malta habe ich ein „Mittelmeer der<br />

Projekte“ vorgeschlagen. Wir können nicht bei den folgenlosen Initiativen aus den<br />

vergangenen Jahren stehen bleiben. Mein Aufruf gilt neuen Partnerschaften, die weniger<br />

anspruchsvoll und dafür konkreter sind.<br />

Ich bin mir jedoch bewusst, dass sich nichts Soli<strong>des</strong> erreichen lässt, solange der<br />

Konflikt zwischen Israel und Palästina nicht beigelegt ist. Frankreichs Haltung ist<br />

unverändert. Die Grundlagen für eine gerechte und nachhaltige Lösung sind bekannt. Sie<br />

basieren auf einem Nebeneinander zweier lebensfähiger Staaten, die sich innerhalb<br />

sicherer Grenzen gegenseitig anerkennen. Ich habe die Aufnahme Palästinas <strong>als</strong> Nicht-<br />

Mitglied-Beobachterstaat in die Vereinten Nationen unterstützt. Doch keine Abstimmung<br />

könnte jem<strong>als</strong> direkte Gespräche ersetzen. Daher begrüße ich die Wiederaufnahme der


4<br />

Gespräche, die beharrlich von der amerikanischen Regierung gefördert werden.<br />

Dass sich niemand täuscht: Dies ist eine der letzten Gelegenheiten, um Frieden zu schließen.<br />

Sie darf nicht vertan werden. Gemeinsam mit seinen europäischen Partnern ist Frankreich<br />

bereit, seiner Rolle gegenüber Israelis und Palästinensern und in Abstimmung mit seinen<br />

arabischen Partnern in vollem Umfang gerecht zu werden. Das werde ich im Herbst auch in<br />

Israel und Palästina sagen.<br />

Es gibt aber auch noch ein anderes Thema, das den Frieden in der Region bedroht. Das<br />

iranische Atomprogramm, sobald es militärischen Zwecken dient. Bis jetzt sind die<br />

Verhandlungen gescheitert. Ich will hoffen, dass die Wahl von Präsident Rohani die<br />

Voraussetzungen verändert. Denn Iran zahlt den Preis in Form von Sanktionen und<br />

Abschottung. Und dieser Preis wird höher, wenn sich nichts ändert. Dieses große Land muss<br />

sich für Transparenz entscheiden und für die vollständige Einhaltung seiner internationalen<br />

Verpflichtungen. Ich erwarte <strong>als</strong>o konkrete, rasche, überprüfbare und überprüfte Gesten.<br />

Doch die Zeit drängt. Je mehr Iran sich mit den Mitteln <strong>des</strong> Inakzeptablen ausstattet, <strong>des</strong>to<br />

größer wird die Bedrohung. Und der Countdown läuft bereits. Daher auch die dringende<br />

Notwendigkeit einer Verhandlung im Rahmen EU3+3. Es müssen dringend Fortschritte erzielt<br />

werden.<br />

So verschafft sich Frankreich Gehör in allen wichtigen Fragen, allen Konflikte, allen Krisen.<br />

Nicht für sich selbst, seinen Einfluss und seine Interessen, sondern für seine Vorstellung vom<br />

Gleichgewicht der Welt und von seiner eigenen Verantwortung.<br />

Es liegt auch in Frankreichs Verantwortung, alle notwendigen Konsequenzen aus dem<br />

globalen Wandel zu ziehen. Aufstrebende Mächte gibt es mittlerweile Dutzende. Innerhalb von<br />

zwanzig Jahren ist der Anteil der Schwellenländer am weltweiten BIP von 36 % auf 50 %<br />

angestiegen. Die größten von ihnen haben technologisch schon beinahe mit den<br />

Industrieländern aufgeschlossen. Sie verfügen über erhebliche Devisenreserven. Es entwickeln<br />

sich enorme Mittelklassen. Laut Schätzungen werden in zehn Jahren vier Milliarden Menschen<br />

in Städten leben, die Hälfte davon in Asien. Dies ist eine wirtschaftliche Herausforderung, aber<br />

auch eine beachtliche Chance für unsere Unternehmen, unsere Universitäten, unsere<br />

Kreativen.<br />

Ich habe Vertrauen in die Fähigkeit Frankreichs, sich diesem Wettbewerb zu stellen. Es<br />

muss dafür aber die richtigen Entscheidungen treffen, seine Politik anpassen, seine Wirtschaft<br />

modernisieren. Diese Reformen habe ich eingeleitet. Das Ziel, das ich festgelegt habe, lautet,<br />

bis 2017 eine ausgeglichene Handelsbilanz – ohne Energieausgaben – zu erreichen.<br />

Dafür müssen alle Instrumente <strong>des</strong> Staates genutzt werden. Unsere Botschaften, unsere<br />

Konsulate, unsere Wirtschaftsabteilungen im Ausland, Ubifrance, Coface, die Agentur für<br />

internationale Investitionen: Alle müssen gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten, nämlich unsere<br />

Unternehmen bei der Erschließung neuer Märkte zu unterstützen.<br />

Die Instrumente zur Exportfinanzierung müssen ebenfalls verbessert werden: Es ist nicht<br />

akzeptabel, dass große Angebote der französischen Industrie gegenüber den Konkurrenten im<br />

Nachteil sind, weil es an finanzieller Unterstützung fehlt. Die Regierung arbeitet daran. Die KMU<br />

müssen einen Schwerpunkt unserer Wirtschaftsdiplomatie bilden. Hinter jedem großen<br />

Auftrag müssen auch die französischen Zulieferer, Ausrüster, Lieferanten Zugang zu den<br />

Märkten erhalten. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren Botschafterinnen und Botschafter,<br />

genau darauf zu achten.<br />

Gleichzeitig muss unser Land mehr Investoren, Unternehmer, Wissenschaftler, Studenten<br />

anziehen. Alle Möglichkeiten werden dafür geschaffen, auch bei der Erteilung von Visa. Der<br />

Tourismus muss zu einer großen nationalen Angelegenheit erhoben werden; dazu müssen der


5<br />

Empfang an den Flughäfen verbessert, die Sicherheit verstärkt, das Ausstattungs- sowie<br />

das Dienstleistungsniveau angehoben werden. Frankreich ist bereits jetzt das beliebteste<br />

Reiseland weltweit, unser Ziel ist es, von allen europäischen Ländern den größten Tourismus-<br />

Saldo zu erzielen. Es gibt nicht die Wirtschaft auf der einen, das Prestige auf der anderen Seite.<br />

Alles trägt zur Präsenz Frankreichs im Ausland bei: So auch unsere Hochschulpolitik.<br />

Frankreich nimmt 48 000 internationale Wissenschaftler und 300 000 ausländische Studenten<br />

auf: Das müssen wir noch steigern. Das ist die Rolle von Campus France, <strong>des</strong>sen Aufgabe es<br />

ist, mehr begabte Studenten an unsere Universitäten und Hochschulen zu bringen. Auch unser<br />

Kulturnetzwerk ist ein wichtiger Hebel, um die „Marke Frankreich“ zu behaupten, unsere<br />

Kulturschaffenden, unsere Architekten zu fördern, unsere Lebensart für die aufstrebenden<br />

Mittelklassen erstrebenswert zu machen.<br />

Eine aktive Diplomatie ist auch eine Diplomatie für die im Ausland lebenden Franzosen.<br />

Das ist Hélène Conways Ressort. Die Zahl der außerhalb unserer Grenzen lebenden<br />

Franzosen hat sich in 15 Jahren verdoppelt. Unser Land zählt mehr <strong>als</strong> zwei Millionen<br />

Menschen, die am wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben ihres Aufenthaltslan<strong>des</strong><br />

teilhaben. Es wird mehr und mehr zu einer gängigen Erfahrung, einen Teil der beruflichen<br />

Laufbahn in einem anderen Land zu verbringen. Eine Entwicklung, auf die sich unsere<br />

Diplomatie einstellen muss. Zum einen, um unsere Mitbürger zu unterstützen, zum anderen<br />

aber auch, um ihre Präsenz zu nutzen.<br />

Die Ausstrahlungskraft Frankreichs liegt in seiner Sprache begründet. Der frankophone<br />

Raum umfasst 15 % <strong>des</strong> weltweiten Bruttosozialprodukts. Das ist ein großartiger Trumpf. In<br />

Afrika, wo 2050 insgesamt 600 Millionen Menschen französisch sprechen werden. In Asien und<br />

Amerika, wo unsere Sprache zunehmend benutzt wird. Und in allen Gremien, in denen<br />

Entscheidungen getroffen werden, denn damit die Welt von morgen französisch denkt, muss sie<br />

erst einmal französisch sprechen. Diese Aufgabe habe ich Yamina Benguigui anvertraut.<br />

Frankreich ist eine universelle Nation. Es ist seine Bestimmung, echte Partnerschaften mit den<br />

großen Ländern aufzubauen.<br />

Mit China möchte ich, dass der 50. Jahrestag der Wiederaufnahme unserer diplomatischen<br />

Beziehungen Anlass bietet, unsere Zusammenarbeit im Bereich der zivilen Kernenergie und der<br />

Energie fortzusetzen, aber auch unsere Handelsbeziehungen wieder ins Gleichgewicht zu<br />

bringen. Der chinesische Premierminister hat in aller Freundlichkeit zu mir gesagt, China müsse<br />

gegenüber Frankreich keine Überschüsse erzielen. Ich habe mit gleicher Höflichkeit erwidert,<br />

Frankreich müsse ebenso wenig strukturelle Defizite gegenüber China aufweisen. Wir müssen<br />

uns sicherlich aufeinander zu bewegen, auch, damit wir mehr chinesische Investitionen in<br />

Frankreich aufnehmen.<br />

Ich will hier keine neuen Ängste schüren, aber wenn wir die Möglichkeit haben, Investitionen ins<br />

Land zu holen, auch in unseren Industrieapparat, dann will ich die nicht zurückweisen. Genauso<br />

wie wir französische Investitionen im Ausland fördern, denn das ist eine Möglichkeit, Zugang zu<br />

Märkten zu erlangen, Marktanteile zu erobern, müssen wir zulassen, dass es Industrie-<br />

Investitionen aus Schwellenländern in Frankreich gibt. Es besteht seit vielen Jahren eine große<br />

Diskrepanz zwischen französischen Investitionen im Ausland und ausländischen Investitionen in<br />

Frankreich. Auch wenn Frankreich eines der Länder ist, in denen es die meisten Investitionen<br />

aus dem Ausland gibt.<br />

Mit Indien, der größten Demokratie der Welt, will ich unsere Wirtschaftsbeziehungen, unsere<br />

Verteidigungskooperation und unseren kulturellen Austausch noch ausbauen.


6<br />

In Japan hatte ich bei meinem Staatsbesuch im vergangenen Juni Gelegenheit, an unserer<br />

besonderen Partnerschaft mit der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt neue Impulse zu geben,<br />

die das Wachstum ganz oben auf ihre Agenda geschrieben hat.<br />

Mit Brasilien, wo große internationale Ereignisse stattfinden werden, ist Frankreich besonders<br />

nah verbunden. Ich werde Gelegenheit haben, diese Verbundenheit bei einer Reise noch vor<br />

Ablauf <strong>des</strong> Jahres erneut zu bekräftigen.<br />

Zu Südafrika unterhalten wir einen intensiven Dialog über die Sicherheit <strong>des</strong> Kontinents, der<br />

sehr wertvoll ist, weil es dadurch möglich wird, den Schnitt zwischen dem anglophonen und<br />

dem frankophonen Afrika aufzuheben.<br />

Schließlich will ich noch Russland erwähnen. Wir wissen, was uns verbindet – die Geschichte,<br />

die Wirtschaft, die Kultur –, aber auch, was uns trennt, und diese Offenheit erlaubt es uns,<br />

voranzukommen.<br />

Denn es ist meine Pflicht, überall darauf hinzuweisen, welche Bedeutung die Achtung der<br />

Menschenrechte für uns hat. Frankreich ist stolz darauf, die Menschenrechte überall dort zu<br />

verteidigen, wo sie mit Füßen getreten werden; und daran zu erinnern, dass es einen Anspruch<br />

auf Würde gibt; auf die Gleichbehandlung von Männern und Frauen; und auch darauf, dass<br />

gegen Homophobie, die besorgniserregende Ausmaße annimmt, vorgegangen wird.<br />

Frankreichs Verantwortung liegt darin, einen Beitrag zu einer besser gesteuerten Welt zu<br />

leisten. Welche Ziele verfolgen wir?<br />

Zuerst einmal müssen wir weiter gegen die Steuerflucht vorgehen. Wichtige Fortschritte<br />

wurden beim G8 in Sachen Austausch von Wirtschaftsinformationen, Aufhebung <strong>des</strong><br />

Bankgeheimnisses und Bekämpfung der aggressiven Steueroptimierung erzielt. Vom G20<br />

nächste Woche in Sankt Petersburg erwarte ich, dass alle diese Fortschritte weitergeführt<br />

werden.<br />

Dann müssen die globalen Ungleichgewichte verringert werden. Die großen<br />

Volkswirtschaften müssen ihre Politik in den Steuerungsinstitutionen, IWF, Weltbank, G8, G20,<br />

stärker abstimmen. Das Wachstum der einen darf nicht länger zu Lasten der anderen erfolgen.<br />

Ebenfalls in diesem Sinne ist es wesentlich, dass die Währungen den realen Zustand der<br />

Volkswirtschaften widerspiegeln.<br />

Schließlich muss eine Einigung beim Klima gefunden werden. Wir können nicht die<br />

Feststellung treffen, dass sich das Klima verändert und dann nicht entsprechend<br />

reagieren. Das wird Gegenstand der Konferenz 2015 sein, die in Frankreich stattfinden wird,<br />

da wir vorgeschlagen haben, sie zu organisieren.<br />

Um Erfolg zu haben, müssen wir zwei Vorgaben miteinander in Einklang bringen: das<br />

Streben nach Entwicklung, erst recht der ärmsten Länder, und die Notwendigkeit, den<br />

Klimawandel in vertretbaren Grenzen zu halten. Unser Ansatz soll <strong>als</strong>o auf der Grundlage von<br />

freiwilligen, nach verlässlichen, transparenten Kriterien festgelegten Beiträgen der Staaten und<br />

auf einer globalen, alle Länder bindenden Vereinbarung beruhen, entsprechend den<br />

Grundsätzen der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeit“.<br />

Frankreich soll mit gutem Beispiel vorangehen, angesichts seiner eigenen Energiewandel<br />

und der Einhaltung seiner europäischen Verpflichtungen. Es hat bereits mit der<br />

Überzeugungsarbeit begonnen. Ich habe diese Aufgabe Nicolas Hulot übertragen. Ich vertraue<br />

darauf, das wir das Scheitern von Kopenhagen überwinden können.


7<br />

Präsident Obama ist beim Thema Erderwärmung sehr engagiert, und meine<br />

Kontakte mit den führenden Politikern in China, Indien, Brasilien wie mit den afrikanischen<br />

Staatschefs bestärken mich in der Vorstellung, dass ein Kompromiss möglich ist.<br />

Das gilt auch für die Sicherstellung der Entwicklungsfinanzierung. Frankreich ist der<br />

viertgrößte Geldgeber weltweit. Ich hatte mich verpflichtet, den Rahmen für diese Politik, die<br />

über neun Milliarden Euro jährlich ausmacht, zu erneuern. Das ist Gegenstand <strong>des</strong><br />

Gesetzentwurfs über unsere Entwicklungspolitik, den Pascal Canfin vorbereitet hat. Frankreich<br />

wird seine Maßnahmen auf die ärmsten Länder konzentrieren und beabsichtigt, alle Akteure<br />

aus dem Entwicklungsbereich einzubeziehen, wie die Gebietskörperschaften, die<br />

Nichtregierungsorganisationen, die Unternehmen.<br />

Ich habe außerdem gefordert, dass wir unseren Beitrag zum Globalen Fonds zur Bekämpfung<br />

von Aids, Malaria und Tuberkulose auf dem derzeitigen Stand halten.<br />

Meine Damen und Herren Botschafter,<br />

es liegt auch in Frankreichs Verantwortung, in Europa Initiativen zu ergreifen. Seit einem<br />

Jahr werden Fortschritte erzielt: Die Integrität der Eurozone wurde bewahrt. Griechenland<br />

wurde gerettet, wenn auch nicht schmerzfrei. Stabilitäts- und Solidaritätsmechanismen wurden<br />

eingeführt. Die EZB hat ihren Teil dazu beigetragen. Der Haushaltspakt wurde ratifiziert. Die<br />

Bankenunion wurde auf den Weg gebracht. Das Wachstum wurde wieder in den Mittelpunkt der<br />

Agenda gestellt. Die Beschäftigung der Jugendlichen hat jetzt für uns alle Vorrang. Frankreich<br />

wird übrigens die zweite europäische Konferenz zu diesem Thema im November ausrichten.<br />

Das sind alles Fortschritte, die wenige in einem Jahr für möglich gehalten hätte.<br />

Heute kommt Europa aus der Rezession heraus. Alles, was die Beschäftigung ankurbeln<br />

und Arbeitsplätze schaffen kann, muss gefördert und ausgebaut werden. Das wird uns<br />

nur durch eine Neuausrichtung Europas gelingen.<br />

Meine Vorschläge lassen sich in drei Worten zusammenfassen: vereinfachen,<br />

voranbringen, klären.<br />

- Vereinfachen: mit einer stabilen Präsidentschaft der Eurogruppe, mit der Einführung einer<br />

Wirtschaftsregierung in der Eurozone und mit einer Harmonisierung der Steuer- und<br />

Sozialregelungen, u. a. <strong>des</strong> Min<strong>des</strong>tlohns.<br />

- Voranbringen: Wir müssen dem europäischen Projekt zumin<strong>des</strong>t in drei Bereichen Inhalt<br />

geben. Erstens im Energiebereich: Ich bin für eine Energiegemeinschaft, die den Verbund der<br />

Netze, die Versorgungssicherheit und den Klimaschutz gewährleistet. Zweitens digitale<br />

Technologien: Ich wünsche mir, dass Europa im Oktober eigene Regeln zum Schutz privater<br />

Daten aufstellt und festlegt, welche Technologien es auf seinem Gebiet benötigt. Und drittens<br />

Verteidigung: Ich will beim Europäischen Rat im Dezember den Anstoß zu einer europäischen<br />

Rüstungsindustrie geben, Strukturprogramme umsetzen und auf dem Weg zu einem Europa<br />

der Verteidigung vorankommen.<br />

- Klären: Es ist an der Zeit, aus den unterschiedlichen Beziehungen der Mitgliedsländer zur<br />

Europäischen Union die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Ich respektiere die Entscheidung<br />

derer, die nicht weiter gehen wollen und selbst derjenigen, die nicht würden mitmachen wollen.<br />

Ich will aber auf jeden Fall mit den Ländern vorankommen, die entschlossen sind, weiter zu<br />

gehen. Das ist unser solidarisches Integrationsprojekt in einem „differenzierten Europa“, in dem<br />

das Tempo, die Inhalte und selbst die Entscheidungsregeln unterschiedlich wären. Wobei die<br />

Union aller <strong>als</strong> Raum der Freiheit, der Demokratie und der Solidarität erhalten bliebe.


8<br />

Was all diese Themen und damit diese Initiative angeht, will Frankreich in<br />

Abstimmung mit Deutschland handeln. Weil unsere beiden Länder untrennbar<br />

miteinander verbunden sind. Ganz gleich, welche Regierungen im Amt sind, ganz gleich,<br />

welche Mehrheiten es gibt – wir haben die Pflicht, Europas Zukunft zu gestalten. Nächste<br />

Woche werde ich Bun<strong>des</strong>präsident Joachim Gauck zum Staatsbesuch in Frankreich<br />

empfangen. Es war sein Wunsch, mehrere symbolische Orte zu besuchen; in Paris natürlich,<br />

wo er hauptsächlich sein wird; in Marseille, zur Würdigung dieser in neuem kulturellen Glanz<br />

erstrahlten Stadt; und nicht zuletzt in Oradour-sur-Glane, wo er die einzig gültige Botschaft<br />

überbringen wird, nämlich nichts vergessen und zugleich in der Lage sein, die Zukunft<br />

gemeinsam aufzubauen. Dies wird ein neuer Beweis für die Stärke dieser Freundschaft sein.<br />

Ein Merkmal dieser Freundschaft ist, dass sich die beiden Länder nicht auf sich selbst<br />

zurückziehen, sondern einzig und allein im Dienst der europäischen Idee stehen.<br />

Nach den Bun<strong>des</strong>tagswahlen möchte ich, das Frankreich und Deutschland wieder die Initiative<br />

ergreifen, wie unsere beiden Länder es in jeder Etappe <strong>des</strong> europäischen Aufbauwerks zu tun<br />

vermochten.<br />

Aus all diesen Gründen, und ich vergesse dabei nicht die Wahlen zum Europaparlament, wird<br />

das bevorstehende Jahr entscheidend für die Zukunft Europas sein. Soll ich es fast<br />

schematisch, um nicht zu sagen karikierend ausdrücken? Entweder Europa ist in der Lage, ein<br />

Projekt für sich zu entwerfen, oder es wird langsam aber sicher in einen Prozess der<br />

Desintegration, der Deklassierung geraten, der fatal sein wird, nicht nur für Europa – dieses<br />

große Abenteuer der Menschheit in den vergangenen 70 Jahren –, sondern ein solcher Prozess<br />

wird der ganzen Welt schaden, weil Europa eine Referenz ist, ein Rahmen, ja ein Beispiel für<br />

regionale Zusammenarbeit.<br />

Meine Damen und Herren,<br />

Sie sind die Überbringer der Botschaft, die Frankreich vermitteln möchte. Das ist eine Aufgabe<br />

und eine Ehre zugleich. Ich konnte während meiner vielen Reisen feststellen, welch hohe<br />

Qualität unser diplomatisches Instrument auszeichnet und ebenso all jene, die im zivilen wie im<br />

militärischen Bereich dazu beitragen. Laurent Fabius möchte dieses Instrumentarium, zu Recht,<br />

weiterentwickeln. Es geht nicht darum, zu verändern um der Veränderung willen; es geht<br />

vielmehr darum, die Herausforderungen und die Veränderungen der Welt bewältigen zu<br />

können. Frankreich muss überall in Bewegung sein, das ist Ihre Aufgabe und auch<br />

unsere.<br />

- In Bewegung, um politische Lösungen für auftauchende Spannungen zu suchen,<br />

- in Bewegung, um die Völker in ihrem Streben zu begleiten,<br />

- um die ärmsten Länder zu unterstützen,<br />

-um die unverzichtbaren Regulierungen voranzubringen,<br />

- um Partnerschaften mit den aufstrebenden Ländern aufzubauen,<br />

- und schließlich, um unsere Verantwortung auszuüben.<br />

Es gibt Augenblicke, in denen diese Verantwortung schwer wiegt: Frankreich einsetzen oder<br />

nicht einsetzen? Handeln oder nicht handeln? Entscheiden oder nicht entscheiden? Eingreifen<br />

oder machen lassen? Diese Frage stellt sich dem Staatschef in besonderen Augenblicken in<br />

der Geschichte unseres Lan<strong>des</strong>. Wieder einmal stellt sich diese Frage oder wird sich in den<br />

nächsten Tagen stellen. Handeln oder nicht handeln? Dabei sein oder die anderen machen<br />

lassen? Frankreich hat beschlossen, seine Verantwortung überall zu übernehmen, für sich<br />

selbst und für das Gleichgewicht der Welt.<br />

Vielen Dank.<br />

.


Frankreich – Info<br />

29/08/2013<br />

Herausgeber : <strong>Französische</strong> Botschaft<br />

- Presse- und Informationsabteilung -<br />

Kochstr. 6/7 - 10969 Berlin<br />

Tel. 030/20 63 91 77 Fax 030/20 63 91 11<br />

E-Mail: info@botschaft-frankreich.de<br />

Internet: www.botschaft-frankreich.de<br />

www.botschaft-frankreich.de

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