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48. Jahrgang, Nummer 4, Amras, im Dezember 2012

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Portrait<br />

Foto: Mag.a Maria Ludescher-Bramböck<br />

Jahren Feiertagsschule, einer Art Vorläufer<br />

der Berufsschule an Sonn- und<br />

Feiertagen, und harter Arbeit am Bauernhof<br />

flüchtete sie geradezu mit den<br />

wenigen Groschen, die sie hatte, nach<br />

Nordtirol. Zuerst nach Zirl, dann 1937<br />

nach Patsch zur Familie Knoflach - <strong>im</strong>mer<br />

als Magd und mehr oder weniger<br />

um Kost, Quartier und Kleidung. Der<br />

Bauer machte neben der Landwirtschaft<br />

auch Botenfahrten mit dem LKW. Diese<br />

Äußerungen von Lisl Schiener erinnerten<br />

mich daran, dass ein ehemaliger<br />

Arbeitskollege ebenfalls Knoflach hieß<br />

und ebenfalls mit Lastkraftwagen zu tun<br />

hatte. früher. Das wäre ja noch schöner,<br />

wenn Adi womöglich aus der Familie<br />

stammt, in der die Lisl vor über 70 Jahren<br />

gedient hätte!<br />

Über seinen Sohn Hermann, ebenfalls<br />

ein ehemaliger Kollege, konnte ich ihn<br />

danach fragen. (Ich bedanke mich an<br />

dieser Stelle bei den beiden Knoflachs.)<br />

Und siehe da, welch ein Zufall: Ich hatte<br />

den richtigen Knoflach gefunden, denn<br />

in Patsch gibt es einige dieses Namens.<br />

Und Adi erinnerte sich und erzählte und<br />

erzählte. über die Lisl. Dass sie eine unglaublich<br />

fleißige und gute Seele gewesen<br />

sei und eine sehr ruhige Frau. Dass<br />

sie überall mitgearbeitet hätte, auf dem<br />

Feld, <strong>im</strong> Stall und dass sie auf ihn und<br />

die anderen Kinder damals aufgepasst<br />

hätte. Wie sagte er so schön: „Sie war<br />

wie eine zweite Mutter für mich!“ Und<br />

eines Tages <strong>im</strong> Jahr 1940 wäre die<br />

Lisl verschwunden gewesen. Sie habe<br />

sich be<strong>im</strong> Jauchewagen verletzt und sei<br />

in der Klinik, sagte man den Kindern.<br />

Nach ein paar Tagen sei sie wieder auf<br />

den Hof zurück gekommen - mit einem<br />

kleinen Buben, den sie Karl nannte. Adi<br />

Knoflach erzählte mir auch, dass der<br />

Vater von Karl, ein Sohn des Nachbarbauern,<br />

den Krieg nicht überlebt habe.<br />

Auf einem Kriegsschiff Richtung Norwegen<br />

sei er bei einem Torpedoangriff<br />

vom Mast erschlagen worden. Und nun<br />

stelle man sich die Situation der Lisl zu<br />

dieser Zeit vor. Etliche Leserinnen, vor<br />

allem aus bäuerlichen Kreisen, werden<br />

sich noch erinnern können, was es um<br />

1940 hieß, als Magd ein Kind zu haben,<br />

dessen Vater aus dem Krieg nicht mehr<br />

zurück kam. Das Schicksal wollte es,<br />

dass der Bruder des Gefallenen keinen<br />

männlichen Nachkommen für den Hof<br />

hatte und den Sohn der Lisl gerne an<br />

Kindesstatt annahm, adoptierte und ihm<br />

den Hof überließ. Heute ist Karl 72 Jahre<br />

alt, ein gestandener und fleißiger Bauer<br />

und Mitglied in vielen Vereinen von<br />

Patsch.<br />

Ich würde diese Geschichte nicht erzählt<br />

haben, weil es doch eine sehr sensible<br />

private Angelegenheit ist, mit der Lisl zurande<br />

kommen musste. Jedoch haben<br />

auch sie und ihre Tochter von eben diesem<br />

Sohn Karl gesprochen und somit<br />

kein Gehe<strong>im</strong>nis daraus gemacht. Man<br />

muss die Verhältnisse damals berücksichtigen,<br />

die Zeiten und Möglichkeiten<br />

waren andere. Die Verbindung ist nach<br />

wie vor aufrecht und die Familien besuchen<br />

sich.Nach <strong>Amras</strong> kam sie 1941<br />

- zum „Kiefinger-Bauern“ Adolf Schiener<br />

- und wieder als Magd. Mit der Hochzeit<br />

1950 haben beide gewonnen. Er, weil er<br />

nun eine tüchtige Bäuerin an seiner Seite<br />

hatte, und sie, weil sie das Gesindedasein<br />

endlich hinter sich lassen konnte.<br />

Tochter Anneliese wurde am 11.7.1954<br />

geboren.<br />

Es sei mir gestattet, eine persönliche<br />

Erinnerung an meine Volksschulzeit anzubringen.<br />

Damals war in der Adventzeit<br />

um 6 Uhr Rorate Pflicht, ungefrühstückt<br />

selbstverständlich. Danach durfte ich<br />

be<strong>im</strong> „Kiefinger“ mit Anneliese in die<br />

große Küche und bekam von der Lisl frische<br />

Kipferln vom gegenüber gelegenen<br />

Lebensmittelgeschäft, dem „Hocker“.<br />

Diesen wunderbaren Geruch und Genuss<br />

werde ich nie vergessen.<br />

Lisl war ihr Leben lang mit Leib und Seele<br />

in der Landwirtschaft und hat bis vor<br />

4 Jahren <strong>im</strong>mer noch mitgearbeitet. Das<br />

geht nun nicht mehr und es betrübt sie<br />

sehr. Im Stall standen früher Tuxer Rind<br />

und 3-4 Noriker, jetzt arbeitet man seit<br />

langem mit Fleckvieh. Schon früh hat<br />

sie den Traktorführerschein gemacht<br />

und ihr ein und alles und ganzer Stolz<br />

war der Ladewagen, eine Erfindung<br />

von 1960, die Ende der Siebzigerjahre<br />

patentiert wurde und mit der man <strong>im</strong><br />

Einmannbetrieb Erntegut beladen und<br />

abladen konnte.<br />

Der „Kiefinger-Bauer“ Adolf Schiener<br />

war leider schon <strong>im</strong>mer gesundheitlich<br />

angeschlagen und von Asthma geplagt.<br />

Er verstarb am 1.3.1994 elendiglich an<br />

einem nicht erkannten Blinddarmdurchbruch.<br />

Wenn man bedenkt, dass Lisl beinahe<br />

neun Jahrzehnte mit aller Kraft und<br />

Liebe in der Bauernschaft gewirkt hat,<br />

sei ihr nun ein ruhiger Tagesablauf gegönnt.<br />

Pünktlich um 7,20 Uhr wird sie<br />

von Tochter Anneliese geweckt, weil sie<br />

mehrmals in der Woche die Frühmesse<br />

besuchen möchte. Um 12 Uhr wird zu<br />

Mittag gegessen und gerne macht sie<br />

noch Geschirrdienst, liest ausführlich<br />

die Zeitung und schätzt die Einrichtung<br />

der Stephanusstube über alles. Dass<br />

der „Kiefinger-Hof“ zu den Vorzeige-<br />

Landwirtschaften gehört und ein beliebtes<br />

Fotomotiv für Gäste ist, die sich in<br />

<strong>Amras</strong> aufhalten, soll erwähnt werden.<br />

Lisl hatte großes Glück mit Tochter Anneliese<br />

und Schwiegersohn Walter, denen<br />

die Landwirtschaft ebenfalls sehr<br />

am Herzen liegt. Wie man hört, hat auch<br />

Urenkelin Anna Interesse. wir wollen es<br />

hoffen.<br />

Die Lisl wurde am 25. Oktober 98 Jahre<br />

alt, ein unglaubliches Alter. Sie ist somit<br />

die zweitälteste <strong>Amras</strong>erin. Dieser zarten<br />

Frau mit dem fast faltenlosen Gesicht<br />

und der ruhigen Art sieht man nicht<br />

an, dass ein hartes und arbeitsreiches<br />

Leben hinter ihr liegt. Sie wird liebevoll<br />

von der Familie umsorgt, von allen, die<br />

sie kennen, geschätzt und von Edith Zebisch,<br />

Helene Sendlhofer und Armanda<br />

Tschurtschenthaler auch außerhalb der<br />

Veranstaltungen in der Stephanusstube<br />

betreut - das ist Ausdruck großer Hochachtung,<br />

der wir uns anschließen, ihr alles<br />

Gute und Gottes Segen wünschen<br />

wollen!<br />

4 www.amras.at <strong>Amras</strong>er Bote <strong>2012</strong>

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