N a c h d r u c k v e r b o t e n . Alle Rechte, auch das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Copyright by K. KREUZINGER, Eger 1935, Czechoslovakia. Alle Aufnahmen zu den Abbildungen stammen aus eigenen Kulturen (ausgenommen das Bild zu Nr. 763 auf Seite 41, welches Herr Čakora bei Herrn Lustig aufgenommen hat) oder wurden während der Forschungsreisen der Mitgl<strong>ie</strong>der der I. V. Z. F. D. K. I. D. H. gemacht. PUBLIZIERT am 31. April 1935. ISSUED April 31, 1935.
Rückschau und Ausbl<strong>ic</strong>k: Vor hundert Jahren und später hatten d<strong>ie</strong> zeitgenössischen Kakteenautoren große Kenntnisse des damals vorhandenen Materials und seiner verwandtschaftl<strong>ic</strong>hen Bindungen. Später gingen v<strong>ie</strong>le d<strong>ie</strong>ser Kenntnisse verloren oder wurden autoritär ignor<strong>ie</strong>rt. Es lag im Zeitgeschmack und ‐geist, daß bei Prof. Dr. K. Schumann (dem damaligen Vorsitzenden der D.K.G.) d<strong>ie</strong> erstrebte „Vereinfachung“ bei der V<strong>ie</strong>lzahl der damals schon bekannten Arten einen Höhepunkt erre<strong>ic</strong>hte: er kennt in seiner Gesamtbeschreibung der Kakteen nur mehr 21 Gattungen. Dem, s<strong>ic</strong>h in das Geb<strong>ie</strong>t einarbeitenden Neuling wird damit das Erkennen natürl<strong>ic</strong>her Sippen unmögl<strong>ic</strong>h gemacht; d<strong>ie</strong> scheinbar klare Verständl<strong>ic</strong>hkeit für den La<strong>ie</strong>n gle<strong>ic</strong>ht mehr einer Zwangsjacke als dem natürl<strong>ic</strong>hen Geist. Es ist künstl<strong>ic</strong>he Botanik. Schumann selbst betrachtete seine Monograph<strong>ie</strong> (1897/98) als n<strong>ic</strong>hts Endgültiges; er wollte s<strong>ie</strong> auch n<strong>ic</strong>ht so betrachtet sehen. Als er starb, wäre sein Nachfolger Professor Dr. Gürke der Mann gewesen, der Schumanns Kakteenwerk zeitgemäß umgestaltete; allein sein früher Tod verhinderte d<strong>ie</strong> Durchführung aller Reformbestrebungen, denn nach 1911 wurde der „Schumann“ immer mehr das unantastbar r<strong>ic</strong>htige Standardwerk für d<strong>ie</strong> deutsche Kakteenforschung und ‐nomenklatur. Je mehr neue Arten später bekannt wurden, desto unnatürl<strong>ic</strong>her wurde das Ganze. In verknöcherter Tradition war man in eine Sackgasse geraten, wollte d<strong>ie</strong>se aber zunächst n<strong>ic</strong>ht erkennen. In den Jahren 1919 bis 1923 ersch<strong>ie</strong>n das Werk von Britton und Rose. Was man in Deutschland versäumt hatte, holten d<strong>ie</strong> Amerikaner jetzt gründl<strong>ic</strong>hst nach. S<strong>ie</strong> schossen allerdings in v<strong>ie</strong>ler Hins<strong>ic</strong>ht weit über praktische und wissenschaftl<strong>ic</strong>he Grenzen und Z<strong>ie</strong>le hinaus; auch enthalten d<strong>ie</strong> v<strong>ie</strong>r großen Bände v<strong>ie</strong>le, oft schwerw<strong>ie</strong>gende Fehler und Irrtümer. (So z. B. d<strong>ie</strong> Unterbringung von Mammillaria [Neomamillaria] bei Coryphanfha [= Scheitelblüher!]; ferner d<strong>ie</strong> ganze Malacocarpus‐Notocactus Gruppe, etc.) Selbst größte Mittel konnten eben allumfassende Kenntnisse n<strong>ic</strong>ht ersetzen. In Deutschland wurde d<strong>ie</strong> Britton‐Rose’sche Nomenklatur nach ihrem Erscheinen abgelehnt. Erst in jüngster Zeit trat d<strong>ie</strong> ersehnte Umstellung ein. Es ist dem wissenschaftl<strong>ic</strong>hen Vorsitzenden der D.K.G., Herrn Prof. Dr. E. Werdermann, hoch anzurechnen, d<strong>ie</strong> nötig gewordene Revision wenigstens einiger Gattungen endl<strong>ic</strong>h zu erkennen und schl<strong>ie</strong>ßl<strong>ic</strong>h den Mut zu haben, offiz<strong>ie</strong>ll mit der Umgestaltung zu beginnen: mit dem dogmatisch gewordenen Schumann‐Schlüssel zu brechen. Wenn man manche der alten Kakteenkataloge durchblättert, wird man den Gedanken n<strong>ic</strong>ht los, daß d<strong>ie</strong> Kakteenkultivateure früher doch bessere Pflanzenl<strong>ie</strong>bhaber waren, als d<strong>ie</strong> meisten jetzigen Kakteenhändler. Jene kannten ihre Pfleglinge sehr genau. Mit den Augen des wahren Pflanzenfreundes erkannten s<strong>ie</strong> Arteigenheiten und schilderten s<strong>ie</strong> auch. Heute sehen d<strong>ie</strong> meisten d<strong>ie</strong> Kakteen nur mit dem Händlerauge: als Ware. — Ja, manche haben ihre kommerz<strong>ie</strong>llen Interessen so gut mit einem wissenschaftl<strong>ic</strong>hen Pelzchen verbrämt, daß s<strong>ie</strong> echte Kakteencagliostros wurden. Wenn <strong>ic</strong>h h<strong>ie</strong>r eine Einteilung benutze, d<strong>ie</strong> auf dem Entwurf des Frič‐Schelle’schen Verwandtschaftssystems von 1930/31 aufgebaut wurde, so gesch<strong>ie</strong>ht das deshalb, weil <strong>ic</strong>h d<strong>ie</strong>se Verteilung als derzeit beste anerkenne. Ich habe außerdem für alle in d<strong>ie</strong>ser Arbeit aufgestellten Behauptungen jetzt jederzeit greifbare Belege, d<strong>ie</strong> bisher fehlten und deren Mangel v<strong>ie</strong>le unnütze Diskussionen hervorr<strong>ie</strong>f: einmal das Samenherbar und meine Mikrosamenaufnahmen, sow<strong>ie</strong> stark vergrößerte Samenschalenquerschnitts‐ und ‐aufs<strong>ic</strong>htsbilder; dann ferner Blütenherbarmaterial, das A. V. Frič nach eigener Methode in natürl<strong>ic</strong>hen Farben und mit allen Details konserv<strong>ie</strong>rte. Es mag sein, daß d<strong>ie</strong> heute verwässerten 21 Schumannschen Gattungen aus Gewohnheit bequemer und vor allem ungefährl<strong>ic</strong>her waren, da man dabei weder seine Unkenntnis zeigen oder s<strong>ic</strong>h gar blam<strong>ie</strong>ren konnte. Es ist also sehr gefährl<strong>ic</strong>h, beides zu risk<strong>ie</strong>ren, aber da es verd<strong>ie</strong>nstvoller und fortschrittl<strong>ic</strong>her ist, so sei das Neuland doch betreten, ebenso w<strong>ie</strong> es d<strong>ie</strong> Autoren alter Kakteenkataloge taten. D<strong>ie</strong> Bequeml<strong>ic</strong>hkeit und d<strong>ie</strong> Angst, v<strong>ie</strong>lle<strong>ic</strong>ht einen Fehltritt zu tun, sollte nirgends der Hemmschuh t<strong>ie</strong>ferer Erkenntnis sein. Ein Kakteenkatalog mit den alten, heute unlogisch gewordenen Sammelgattungen würde d<strong>ie</strong> Wißbeg<strong>ie</strong>rde aller echten Kakteenl<strong>ie</strong>bhaber ignor<strong>ie</strong>ren. Man sollte wissen: das Bekannte aus dem Kakteenre<strong>ic</strong>h ist der kleinere Teil; weitaus größer ist das Unbekannte. Erst beides zusammen gäbe Vollendetes. Also bin <strong>ic</strong>h weit davon entfernt, d<strong>ie</strong>se Systematik als endgültig und etwa absolut r<strong>ic</strong>htig zu beze<strong>ic</strong>hnen; s<strong>ie</strong> ist aber nach meiner Ans<strong>ic</strong>ht logisch. Hoffent l<strong>ic</strong>h werden auch andere darüber nachdenken: Zum Nutzen des Ganzen. Eselzug bei der Rückkehr von Llano de Jaumave, Tamaulipas, Méx<strong>ic</strong>o. Entdeckung der Obregonia (Nr. 111 a). 3