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Adivasi. Hoffnung und Kampf der indischen - Gossner Mission

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Assam — das gestörte Paradies<br />

Zwei Millionen <strong>Adivasi</strong> wurden als Arbeitskräfte auf Teeplantagen nach Assam verschleppt. Ihre<br />

Nachfahren bilden eine Bevölkerungsgruppe, die beson<strong>der</strong>s unter dem Verlust <strong>der</strong> kulturellen<br />

Identität <strong>und</strong> Armut leidet. Von <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Rohstoffen in Assam profitieren sie <strong>und</strong> die<br />

einheimischen Hügelvölker nicht. Initiativen <strong>der</strong> <strong>Gossner</strong> Kirche versuchen hier, <strong>Hoffnung</strong> für<br />

Ureinwohner zu stiften.<br />

14<br />

Von paradiesischen Bil<strong>der</strong>n schwärmen Reisende<br />

nach Besuchen in Assam: Das Brahmaputra-Tal<br />

ist seit Urzeiten fruchtbares Siedlungsgebiet<br />

<strong>und</strong> Wiege vorzeitlicher Hochkulturen.<br />

Noch heute zeugen die Ruinen alter<br />

Paläste <strong>und</strong> Burgen von dem Reichtum<br />

vergangener Zeiten. Teakbäume <strong>und</strong> Palmen<br />

säumen die Ufer des Brahmaputra, eingewoben<br />

in die Uferhänge liegen malerische Dörfer<br />

<strong>und</strong> Siedlungen. Seine Fluten werden das<br />

ganze Jahr hindurch von den Schneebergen<br />

des Himalaja gespeist, dessen majestätische<br />

Gipfel man immer wie<strong>der</strong> über weiten Tälern<br />

mit grünen Teegärten erblicken kann.<br />

In Assam leben <strong>Adivasi</strong>, die vor Generationen<br />

als Zwangsarbeiter in die Teegärten<br />

verpflichtet wurden. Von ihnen hört man,<br />

dass das Land so fruchtbar ist, dass selbst<br />

<strong>Adivasi</strong> nach drei o<strong>der</strong> vier Generationen das<br />

Arbeiten verlernt haben. Man muss nicht<br />

zwei o<strong>der</strong> drei mal pflügen, wie zu Hause in<br />

Chotanagpur, <strong>und</strong> auch nicht mühsam Laub<br />

<strong>und</strong> Dung sammeln. Christen weisen in diesem<br />

Zusammhang oft auf die Geschichte vom<br />

Paradies, vom Garten Eden hin, in den <strong>der</strong><br />

Mensch hineingesetzt ist, um ihn zu bebauen<br />

<strong>und</strong> zu bewahren.<br />

Vieles mutet auch heute noch paradiesisch<br />

an, aber ebenso unübersehbar sind die<br />

Störungen, die Bil<strong>der</strong> grausamer Armut <strong>und</strong><br />

Vernachlässigung. Sicher spielen die Naturkatastrophen<br />

dabei eine erhebliche Rolle. Die<br />

Verän<strong>der</strong>ungen des Klimas <strong>und</strong> die Abholzung<br />

des Himalajavorlandes haben dazu geführt,<br />

dass fast in jedem Jahr unkontrollierte<br />

Fluten das Land <strong>und</strong> die Ansiedlungen <strong>der</strong><br />

Menschen überschwemmen. Bei <strong>der</strong> letzten<br />

Flut haben Tausende ihr Leben o<strong>der</strong> mindestens<br />

ihr Obdach verloren, siedeln notdürftig<br />

an den Wällen <strong>der</strong> Straßen, um so vorläufigen<br />

Schutz zu finden, darunter viele<br />

Flüchtlinge aus Bangladesh, das noch stärker<br />

betroffen war.<br />

<strong>Adivasi</strong> als Teepflücker auf Plantagen<br />

857 Teegärten gibt es in Assam. Die Größe<br />

eines solchen Teegartens liegt in <strong>der</strong> Regel<br />

zwischen 1.000 <strong>und</strong> 20.000 ha. Die Gärten<br />

sind durch ein ausgefeiltes System natürlicher<br />

Kanäle <strong>und</strong> Brunnen ständig bewässert.<br />

Als die Teeproduktion in Indien Anfang<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts begann, war es schwierig,<br />

geeignete Arbeitskräfte für die Gärten<br />

zu finden. Die ansässigen Bergvölker (hilltribes)<br />

waren an organisierte Lohnarbeit<br />

nicht gewöhnt. Aus China importierte Teearbeiter<br />

waren nach kurzer Zeit in den Handel<br />

<strong>und</strong> Genuss von Opium über das angrenzende<br />

»Goldene Dreieck« verwickelt. Für<br />

1.000 ha Teegarten benötigt man selbst heute<br />

noch mindestens 1.500 Arbeiter, saisonal<br />

bis 2.500. So kam es zu <strong>der</strong> massenhaften<br />

Anwerbung <strong>und</strong> Verschleppung von <strong>Adivasi</strong><br />

aus Chotanagpur, die als fleißige <strong>und</strong> k<strong>und</strong>ige<br />

Bauern galten <strong>und</strong> die in <strong>der</strong> Zeit unter<br />

Enteignungen <strong>und</strong> Vertreibung von ihrem angestammten<br />

Land zu leiden hatten. Etwa<br />

zwei Millionen wurden nach Assam verbracht,<br />

etwa 200.000 starben auf dem Transport.<br />

Die Arbeiter <strong>und</strong> Pflückerinnen wurden<br />

nur mit Gutscheinen für den Laden, <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Firma gehört, entlohnt. Um sich die billigen<br />

Arbeitskräfte zu erhalten, sollte so die Rückkehr<br />

in die alte Heimat unmöglich gemacht<br />

werden.<br />

Aber selbst diese billigen Arbeitskräfte<br />

werden heute zu teuer. Internationale Konkurrenz<br />

drückt auf den Teepreis, <strong>und</strong> so<br />

muss, nicht zuletzt auch durch Vermin<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Lohnkosten, billiger produziert werden.<br />

Um einen Euro liegt heute <strong>der</strong> Tageslohn in<br />

den Teegärten, <strong>der</strong> staatliche Mindestlohn ist<br />

auf etwa 1,50 EUR pro Tag festgelegt. Teegartenmanager<br />

beziffern die Arbeitskosten<br />

pro Tag auf 2,50 EUR, Rentenversicherung,<br />

subventionierten Reis <strong>und</strong> in den Teegärten<br />

gelegene Unterkünfte, Schulen <strong>und</strong> Hospitäler<br />

mit eingeschlossen. Doch wird bei diesen<br />

zusätzlichen Leistungen häufig betrogen.<br />

Heute gehört <strong>der</strong> Tee aus Assam, <strong>der</strong><br />

etwa 60% <strong>der</strong> <strong>indischen</strong> Produktion ausmacht,<br />

neben Darjeeling zu den Spitzensorten<br />

weltweit <strong>und</strong> ist <strong>der</strong> größte Devisenbringer<br />

Indiens. Damit wurden aber auch das<br />

Land <strong>und</strong> mit ihm viele seiner Bewohner von<br />

<strong>der</strong> Monokultur Tee abhängig, <strong>und</strong> wer seine<br />

Arbeit auf den Teeplantagen verliert, hat<br />

es schwer, woan<strong>der</strong>s Fuß zu fassen.<br />

Verlust <strong>der</strong> kulturellen Identität<br />

Ein beson<strong>der</strong>es Problem <strong>der</strong> Nachkommen<br />

<strong>der</strong> aus Chotanagpur eingewan<strong>der</strong>ten <strong>Adivasi</strong>-Teepflücker<br />

ist, dass sie in Assam nicht<br />

zu den registrierten Stämmen (Scheduled Tribes)<br />

zählen, für die beson<strong>der</strong>e Gesetze zum<br />

Min<strong>der</strong>heitenschutz gelten – im Gegensatz<br />

zu den <strong>Adivasi</strong>, die noch in Chotanagpur leben,<br />

o<strong>der</strong> den indigenen Hügelvölkern in<br />

Assam (Bodos, Karbis u. a.). Sie können also<br />

nicht von den För<strong>der</strong>maßnahmen zur Wahrung<br />

<strong>der</strong> kulturellen Identität <strong>und</strong> zur Verhin<strong>der</strong>ung<br />

von Verarmung <strong>und</strong> Marginalisierung<br />

<strong>der</strong> indigenen Bevölkerung profitieren.<br />

Sie sind beson<strong>der</strong>s gefährdet, kulturell<br />

gänzlich entwurzelt <strong>und</strong> von <strong>der</strong> hinduistischen<br />

»Leitkultur« überrollt zu werden.<br />

Viele <strong>Adivasi</strong> auf den Teeplantagen können<br />

das Leben in Armut <strong>und</strong> Unsicherheit nur<br />

noch mit Alkohol aushalten <strong>und</strong> diese Abhängigkeit<br />

lähmt sie, Perspektiven für einen<br />

Weg aus <strong>der</strong> Armut zu entwickeln.

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