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Blaue Reihe - Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen eV

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gesehene und im UNMIS-Mandat reflektierte, aber tatsächlich nur unzureichende Prozess der<br />

Demilitarisierung und Demobilisierung, insbesondere im Hinblick auf Kleinwaffen, entspricht in<br />

Umfang und Zeitbedarf jedoch nicht den Erwartungen. Viele Kleinwaffen sind im Umlauf und<br />

können offenbar mühelos beschafft werden. Mit Blick auf unzureichende Reintegrationsprogramme<br />

wird <strong>die</strong> finanzielle Zurückhaltung der Geber als Ursache dargestellt. 16<br />

• Vieh<strong>die</strong>bstähle im großen Stil, häufig organisiert und begangen durch schwerbewaffnete Banden.<br />

Gesteuert durch ein erhebliches Maß krimineller Energie hat sich hier ein offenbar einträglicher<br />

„Wirtschaftszweig“ entwickelt, dessen Akteure auch vor dem Einsatz tödlicher Gewalt nicht<br />

zurückschrecken. Bei Herden von bis zu mehreren tausend Rindern geht es um viel Geld.<br />

• Schließlich: Fehlende Rechtssicherheit – <strong>für</strong> den Einzelnen wie <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Gesellschaft</strong> insgesamt<br />

– kann den entstehenden Staat von Beginn an mit einem Makel versehen und destabilisierend<br />

wirken. Wir hören den teils schmerzhaften, teils verbitternden Satz „impunity is endemic“. Doch<br />

auf der Grundlage verbreiteter Straflosigkeit kann keine Gerechtigkeit wachsen. Von Vertrauen<br />

in den neuen Staat ganz zu schweigen. Das Nebeneinander von Rechtssystemen, eines traditionellen,<br />

auf Stammestraditionen beruhenden, und eines modernen, rechtsstaatliche Grundsätze<br />

reflektierenden, muss erst noch in eine von der Bevölkerung akzeptierte Form gebracht werden.<br />

Diese Risiken und Unwägbarkeiten werden den Südsudan in <strong>die</strong> Unabhängigkeit begleiten. Man<br />

wird sehen, inwieweit das damit verbundene Krisenpotential eingedämmt werden kann. Klaus-<br />

Dieter Tietz, der amtierende Police Commissioner der UNMIS, vermerkt vor dem Hintergrund seines<br />

täglichen Umgangs mit sicherheitsrelevanten Ereignissen und staatlicher Fragilität: So sehr<br />

auch einzelne Ereignisse (wie etwa gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen unkontrollierten<br />

Milizen und SPLA) <strong>die</strong> Entwicklung beeinträchtigen, sie seien nicht geeignet, <strong>die</strong> Stabilität des jungen<br />

Staates insgesamt ins Wanken zu bringen.<br />

Es scheint, es wäre schon ein Erfolg, wenigstens an der einen oder anderen Stelle eine Verschlechterung<br />

der Lage zu vermeiden. Denn dem Südsudan fehlt heute so ziemlich alles, was einen funktionierenden<br />

Staat ausmacht: erfahrene Politiker, eine funktionierende Verwaltung, ein stabiler<br />

Sicherheitssektor, grundlegende Infrastruktur, ein Steuersystem. Zudem werden nun, nachdem das<br />

große Ziel der Lösung vom Norden erreicht ist, über kurz oder lang auch im Innern vermehrt Konflikte<br />

aufbrechen – um Macht, um Einfluss und um Partikularinteressen. Bei mehr als 100 Stämmen<br />

allein im Südsudan ist leicht erkennbar, dass hier künftig mehr Auseinandersetzungen zu erwarten<br />

sind. Das Ausbalancieren von Klientelgruppen dürfte zunehmend zur Realität und zur ständigen<br />

Herausforderung <strong>für</strong> <strong>die</strong> politischen Verantwortungsträger werden, in der Hauptstadt Juba wie in<br />

den zehn südsudanesischen Bundesstaaten.<br />

Der 9. Juli 2011 – und dann?<br />

Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann scheint aber im Südsudan trotz all <strong>die</strong>ser Belastungen eine<br />

wenn auch noch zaghafte innenpolitische Diskussion über <strong>die</strong> Zeit nach dem 9. Juli begonnen<br />

zu haben. Dabei kommen grundlegende Werte ins Spiel: Demokratie, Legitimität, Glaubwürdigkeit.<br />

Ob eine solche Debatte <strong>die</strong> Bevölkerung erreicht, ist zwar eher zu bezweifeln. Denn trotz des<br />

Referendumserfolges dürfte es den Menschen jetzt in erster Linie um verbesserte Lebensbedingungen<br />

gehen, um sichere Straßen, um sauberes Wasser, um eine geregelte Arbeit. Die Frage<br />

nach politischer Partizipation wird erst später kommen, viel später. Das hält den Leitartikler der<br />

„Citizen“, einer, wie man hört, SPLM-nahen Tageszeitung in Juba, aber nicht davon ab, den Streit<br />

zu provozieren: Er propagiert <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zeit nach dem 9. Juli einen „wirklichen“ Neuanfang <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Republik Südsudan. Konkret gefordert wird etwa <strong>die</strong> zügige Auflösung der im April 2010 (fragwürdig)<br />

gewählten Parlamente, verbunden mit wirklich demokratischen Neuwahlen. Amnestieangebote<br />

16<br />

Vgl. S/2010/681 vom 31.12.2010, Nr. 49.<br />

13

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