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Blaue Reihe - Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen eV

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zur Regelung aller offenen Fragen im Vorfeld der Unabhängigkeit des Südens statt. Diese waren<br />

nach Auskunft des Senior Political Officer des AU-Verbindungsbüros im Sudan, Mr. Boitshoko Mokgatlhe,<br />

durch ein Auf und Ab gekennzeichnet und mussten wegen der Gewaltausbrüche in Abyei<br />

bereits zweimal unterbrochen werden. Nur auf Betreiben des AUHLIP unter Vorsitz des ehemaligen<br />

Präsidenten der Republik Südafrika, Thabo Mbeki, wurden jeweils wieder Anläufe zur Fortsetzung<br />

der Gespräche unternommen. Und <strong>die</strong>s, obwohl so entscheidende Probleme wie <strong>die</strong> Staatsbürgerschaftsfragen,<br />

<strong>die</strong> Aufteilung der 38 Mrd. US-Dollar betragenden Auslandsverschuldung, <strong>die</strong><br />

Zuordnung der Gewinne aus der Erdölförderung, der künftige Status internationaler Verträge, <strong>die</strong><br />

Grenzfragen und vieles mehr dringend und schnell einer Lösung bedürfen. Auch <strong>die</strong> deutliche Ermahnung<br />

des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon, <strong>die</strong> Gespräche über Abyei wieder aufzunehmen<br />

und mit Priorität zu einer Regelung zu gelangen, brachte keine Bewegung. Das verabredete Ziel,<br />

den Status bis Ende März 2011 zu klären, wurde nicht nur nicht erreicht, es rückte aufgrund verbaler<br />

Aufrüstung der beiden Präsidenten in weite Ferne. Eine Verhandlungslösung ist z. Z. nicht in Sicht<br />

(Stand: August 2011). So erklärte Präsident Omar Hassan Ahmad al-Bashir bei einer Wahlkampfveranstaltung<br />

in Südkordofan noch am 27. April, Abyei sei und bleibe Teil des Nordens, drohte mit<br />

Nichtanerkennung des neuen Staates im Süden und darüber hinaus mit Krieg, nachdem er bereits<br />

vorher <strong>die</strong> Nichtbeachtung der Rechte der Misseriya durch den Süden als Gefahr <strong>für</strong> den Frieden<br />

bezeichnet hatte. Präsident Salva Kiir Mayardit andererseits ließ bei den Nachreferendumsgesprächen<br />

am Sitz der AU in Äthiopien keinerlei Zweifel am Anspruch des Südens auf Abyei.<br />

Neben den aufgeführten Faktoren ist der immer erwähnte Erdölreichtum Abyeis ein wesentlicher<br />

Grund <strong>für</strong> <strong>die</strong> Auseinandersetzung. Viele Experten übersehen dabei allerdings, dass <strong>die</strong> ertragreichsten<br />

Ölfelder (Heglig und Bamboo) durch den von beiden Seiten anerkannten Schiedsspruch<br />

des PCA vom Juni 2009, der <strong>die</strong> Grenze Abyeis nach Süden verschob, nunmehr zum Norden gehören.<br />

5<br />

Zu erwähnen sind in <strong>die</strong>sem Zusammenhang aber auch <strong>die</strong> fast nie genannten, bisher unerschlossenen<br />

weiteren Bodenschätze (industrielle Erze u. a.). Absolut verkannt wird oft <strong>die</strong> überragende<br />

Bedeutung von Wasser und Weidegründen, ein unschätzbarer Wert in <strong>die</strong>ser Grenzregion zwischen<br />

Halbwüste und fruchtbarem Land. Für <strong>die</strong> nomadisierenden Misseriya ist der zeitweise Zugang zu<br />

den stets Wasser führenden Flüssen Kea und insbesondere Bahr al-Arab überlebensnotwendig.<br />

Die Misseriya, eine Untergruppe der Baggara – als ehemals wesentlicher Träger des Mahdi-Aufstands<br />

eine einflussreiche Ethnie -, haben feste Verbindungen zu den drei Gruppen des arabischen<br />

Nordens, <strong>die</strong> seit Ende des 19. Jahrhunderts (Kalifat von Ondurman) <strong>die</strong> Geschicke des Landes<br />

– auch in Zeiten des Kondominiums mit Duldung der Briten – unter sich aushandeln. Vor <strong>die</strong>sem<br />

Hintergrund, und nicht nur wegen des Erdölreichtums, ist das Eintreten al-Bashirs <strong>für</strong> <strong>die</strong> Misseriya<br />

und Abyei zu werten. Er ist nicht der unumschränkt herrschende Präsident, als der er oft dargestellt<br />

wird. Auch sein politisches Schicksal ist, gerade in der Schwächephase der Abtrennung des<br />

Südens, unbeschadet seiner Beliebtheit in der Masse der Bevölkerung, von eben <strong>die</strong>ser Interessengruppe<br />

abhängig. Bei der Lagebeurteilung nicht zu vernachlässigende psychologische Faktoren<br />

sind, neben der genannten Affinität der SPLM-Führung zu Abyei, der Frust der Ngok-Dinkas<br />

über das vereinbarte, aber ausgesetzte Referendum, <strong>die</strong> Erinnerung an <strong>die</strong> gewaltigen, durch <strong>die</strong><br />

Misseriya 1965 verübten Massaker, wie auf deren Seite <strong>die</strong> Furcht um den Verlust des Zugangs zu<br />

Wasser und Weideflächen im Süden. Beide Bevölkerungsgruppen hegen zudem berechtigte Zweifel<br />

an der tatsächlichen Umsetzung der sowohl im CPA als auch im Abyei Referendum Act vom 31.<br />

Dezember 2009 festgeschriebenen, hehren Regelungen <strong>für</strong> das „Gebiet Abyei“.<br />

5<br />

Die Frage der Grenzen Abyeis wurde von beiden Seiten an den Ständigen Schiedsgerichtshof (Permanent<br />

Court of Arbitration; PCA) herangetragen. Grund war, dass <strong>die</strong> im CPA aufgeführte Grenze, <strong>die</strong> von<br />

den Briten 1905 nach Kurdufan transferierten neun Häuptlingsgebiete, nicht als geographische Begrenzung<br />

sondern als solche von Einflussgebieten zu verstehen ist und damit Fragen offen ließ. Der beidseitig<br />

anerkannte Schiedsspruch des PCA vom 23. Juli 2009 verschob <strong>die</strong> Grenze Abyeis zu Lasten der künftigen<br />

Republic of South Sudan deutlich nach Süden.<br />

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