Orthographieerwerb: kognitive Grundlagen - Guido Nottbusch
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<strong>Orthographieerwerb</strong>: <strong>kognitive</strong> <strong>Grundlagen</strong> * SS 2005 2<br />
Geschwindigkeit des Gedächtnisabrufs<br />
• starke Zusammenhänge zwischen dem Benennen von nicht-schriftlichen<br />
Stimuli und der Leseleistung<br />
Interpretationen:<br />
1. geringe Geschwindigkeit ist Folge eines nicht ausreichend ausgebildeten<br />
phonologischen Kodes (zentrales phonologisches Verarbeitungsdefizit),<br />
2. geringe Geschwindigkeit ist Ausdruck eines allgemeinen Defizits beim<br />
Zugriff auf Gedächtnisrepräsentationen<br />
Für 2. spricht, dass Maße der phonologischen Bewusstheit nicht mit der<br />
Abrufgeschwindigkeit korrelieren. Stattdessen korreliert schnelles Benennen<br />
mit dem Lesen von bekannten Wörtern, phonologische Bewusstheit mit dem<br />
Lesen von unbekannten Wörtern.<br />
Phonologische Bewusstheit<br />
Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne:<br />
• Aufgabe erfordert die Analyse lautlicher Aspekte der gesprochenen<br />
Sprache<br />
• Reimen, Silben segmentieren, Lautassoziationen, Vokale im Anlaut<br />
erkennen<br />
Phonologische Bewusstheit im engeren Sinne:<br />
• Aufgabe erfordert den bewussten Umgang mit Phonemen<br />
• Lautsegmentierung, Phonemisolierung, Phonemersetzung,<br />
Phonemsynthese.<br />
Zwei unterschiedliche Annahmen:<br />
• Phonologischen Bewusstheit ist die Voraussetzung für den<br />
Schriftspracherwerb<br />
• trifft zu auf die PB im weiteren Sinne<br />
• gilt vor allem zu Beginn des Schriftspracherwerbs<br />
• positive Effekt des Trainings auf Lesen und Rechtschreiben nur zu<br />
Beginn des Schriftspracherwerbs oder davor<br />
• Phonologischen Bewusstheit ist eine Folge des Schriftspracherwerbs<br />
• trifft zu auf die PB im engeren Sinne<br />
• kann nur im Zusammenhang mit dem Schriftspracherwerb vermittelt<br />
werden (Studien mit Analphabeten, Einfluss auf Dialekte,<br />
Langzeitstudien mit Erstklässlern, Studien mit nicht-alphabetischen<br />
Schriftsystemen)<br />
• Bedeutung nimmt im Verlauf des Schriftspracherwerb zu<br />
• isoliertes Training nach dem Ende des ersten Schuljahres bewirkt keine<br />
nachhaltigen Effekte.<br />
• Die Beziehung zwischen der phonologischen Bewusstheit und dem<br />
Schriftspracherwerb ist somit reziprok.<br />
<strong>Guido</strong> <strong>Nottbusch</strong> * Universität Bielefeld