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20130608 bvvp Stellungnahme zur Quotenregelung für Ärzte

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vvp-<strong>Stellungnahme</strong><br />

<strong>zur</strong> <strong>Quotenregelung</strong> <strong>für</strong> <strong>Ärzte</strong><br />

Der <strong>bvvp</strong> begrüßt die vom Bundestag getroffene Regelung zum Erhalt der Quoten <strong>für</strong> Kinder- und<br />

Jugendlichenpsychotherapeuten und <strong>für</strong> ärztliche Psychotherapeuten. Auf diese Weise wird innerhalb<br />

der gemeinsamen Bedarfsplanung <strong>für</strong> alle Psychotherapeuten die Vielfalt der Berufsgruppen gesichert,<br />

die psychisch und psychosomatisch Kranke behandeln.<br />

Der <strong>bvvp</strong> hatte schon 2006 ein Modell vorgelegt, mit dem ein bisher bestehender Nachteil der<br />

<strong>Quotenregelung</strong> hätte behoben werden können. Die nun getroffene Regelung ist ganz in diesem Sinne:<br />

Für den Fall, dass die freizuhaltenden Sitze <strong>für</strong> ärztliche Psychotherapeuten nicht besetzt werden<br />

können, hat dies keine Auswirkungen auf den rechnerischen Versorgungsgrad eines<br />

Bedarfsplanungsbereichs. Es ist also eine Regelung im Sinne der Patienten und deren Versorgung mit<br />

Psychotherapie.<br />

Die <strong>Ärzte</strong>schaft selbst hat über Jahrzehnte die Fachgebiete der Psychiatrie und später auch der<br />

Psychosomatik und Psychotherapie vernachlässigt und abgewertet. Durch das<br />

Psychotherapeutengesetz sollte 1999 die dadurch verursachte Versorgungslücke durch die<br />

Hinzunahme von zwei neuen Berufsgruppen geschlossen werden.<br />

Eine Schwächung der ärztlichen Psychotherapie durch eine Spezialisierung von Psychotherapie<br />

ausübenden Psychologischen Psychotherapeuten/ Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten auf der<br />

einen Seite und somatisch tätigen <strong>Ärzte</strong>n auf der anderen Seite birgt die Gefahr in sich, eine längst<br />

überholte Spaltung von Körper und Seele wieder zu fördern.<br />

Zum Hintergrund:<br />

Hinsichtlich der Fortführung der <strong>Ärzte</strong>quote gab es im Vorfeld von verschiedenen Seiten Aussagen,<br />

dass diese Quote überflüssig sei. Dem widerspricht der <strong>bvvp</strong> ganz entschieden. Hier werden zu<br />

Unrecht die unterschiedlichen Grundberufe der Psychotherapeuten gegeneinander ausgespielt.<br />

Bei der Differenzierung des Versorgungsauftrages von ärztlichen und psychologischen<br />

Psychotherapeuten geht es nicht um ein Besser oder Schlechter, sondern um den unterschiedlichen<br />

beruflichen Werdegang, verschiedene Teilkompetenzen, andere Sichtweisen und eine nicht vollständig<br />

identische Klientel.<br />

Ärztliche und psychologische Psychotherapeuten behandeln die gleichen Diagnosen mit den gleichen<br />

Verfahren und den gleichen Leistungsziffern des EBM. Daraus entsteht der Eindruck, dass es keinerlei<br />

Unterschiede zwischen ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten gäbe. Tatsächlich gibt es<br />

eine weitreichende Überschneidung der Tätigkeit bei der Behandlung psychischer und<br />

psychosomatischer Erkrankungen.<br />

Trotzdem wirken sich in der Versorgungsrealität die Befugnisse <strong>zur</strong> Diagnostik körperlicher<br />

Erkrankungen und <strong>zur</strong> Verschreibung von Arzneimitteln und die unterschiedlichen beruflichen Ausund<br />

Weiterbildungen insbesondere auf die Überweisungsentscheidungen von Haus- und Fachärzten<br />

aus.


Seite 2<br />

Folgende Gründe sprechen <strong>für</strong> den Erhalt der Psychotherapie durch <strong>Ärzte</strong>:<br />

1. Behandlungsschwerpunkte und Kooperationen:<br />

- Psychiatrisch vorbehandelte Patienten, die einer Medikation bedürfen, werden an ärztliche<br />

Psychotherapeuten <strong>zur</strong> Psychotherapie überwiesen, damit dort auch die Medikation<br />

fortgeführt und begleitet werden kann.<br />

- Patienten mit gravierenden und langdauernden behandlungsbedürftigen somatischen<br />

Erkrankungen, die von psychischen Störungen und Erkrankungen begleitet sind, werden<br />

durch Haus- und Fachärzte eher an ärztliche Psychotherapeuten überwiesen, da dort i.d.R.<br />

mehr Erfahrung mit den somatischen Erkrankungen und quasi auch eine „gemeinsame<br />

Sprache“ vorausgesetzt werden.<br />

- Patienten, die von Hausärzten vorbehandelt sind und längerfristig aufgrund von<br />

psychischen Erkrankungen arbeitsunfähig bleiben, werden bevorzugt an ärztliche<br />

Psychotherapeuten überwiesen, damit dort aus fachärztlicher Sicht - unter Einbeziehung<br />

körperlicher Erkrankungsaspekte - die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit fortgeführt<br />

werden kann.<br />

- Dasselbe gilt <strong>für</strong> Patienten, die von Hausärzten vorbehandelt sind und aufgrund der<br />

Schwere ihrer psychosomatischen und psychischen Erkrankungen einer stationären Reha-<br />

Maßnahme bedürfen bzw. ein Rentenverfahren eingeleitet haben.<br />

In diesen Konstellationen können den Patienten Parallelbehandlungen und dem<br />

Gesundheitssystem unnötige Kosten erspart werden.<br />

2. Die unterschiedlichen Aus- und Weiterbildungen:<br />

Durch die Kompetenzen im Bereich körperlicher Erkrankungen werden im ambulanten<br />

Bereich auch Patienten erreicht, die von sich aus keine Psychotherapie suchen würden. Gerade<br />

die Patienten, die aus verschiedenen Gründen auf ihre somatischen Symptome fixiert sind,<br />

können mitunter eine psychische Betrachtung leichter von einem Arzt akzeptieren.<br />

3. Die Wahlmöglichkeit <strong>für</strong> die Patienten:<br />

Für Patienten mit medikamentöser Behandlung ist die somatische und psychotherapeutische<br />

Behandlung „aus einer Hand“ ein Argument <strong>für</strong> die Suche nach einem ärztlichen<br />

Psychotherapeuten.<br />

4. Die Bedeutung <strong>für</strong> das Gesundheitssystem:<br />

Niedergelassene ärztliche Psychotherapeuten verfügen nicht selten über<br />

Weiterbildungsbefugnisse im Rahmen ihres Fachgebietes. Sie spielen bei Fortbildungs- und<br />

Weiterbildungsbausteinen von Haus- und Fachärzten eine wichtige Rolle. Die <strong>für</strong> die<br />

psychosomatische Grundversorgung und <strong>für</strong> fast alle Facharztweiterbildungen verbindliche<br />

Balint-Gruppe hat dabei eine wichtige Funktion als Bindeglied zwischen fachlicher<br />

(somatischer) Supervision und persönlicher Selbsterfahrungsgruppe. Psychotherapeuten<br />

lenken in diesen Kursen die Aufmerksamkeit bisher somatisch ausgerichteter <strong>Ärzte</strong> auf die<br />

Arzt-Patient-Beziehung sowie auf die psychosozialen und psychosomatischen Hintergründe<br />

der Patienten.


Seite 3<br />

5. Die Bedeutung <strong>für</strong> die Weiterentwicklung der Medizin:<br />

Die Psychotherapie ist in der und aus der Medizin entstanden. Die künftige Verankerung in<br />

der Medizin entscheidet darüber, ob das psychosomatische Verständnis in der ärztlichen<br />

Ausbildung und Versorgung hinreichend qualitativ und quantitativ repräsentiert bleibt und ob<br />

ein psychotherapeutisch- psychosomatisches Krankheitsverständnis und ergänzendes<br />

methodisches Behandlungswissen integriert und somit im gesamten ärztlichen Bereich<br />

weitergegeben, weiterentwickelt und gefördert werden kann.<br />

Die psychotherapeutischen Erfahrungen und Kenntnisse der ärztlichen Psychotherapeuten sind<br />

als wesentliche Grundhaltung eine Erweiterung der einseitig somatischen und<br />

apparateorientierten Medizin und schaffen den Boden <strong>für</strong> eine ganzheitlichere Sicht im Sinne<br />

der Patienten. Den ärztlichen Psychotherapeuten kommt damit sowohl auf der Ebene der<br />

Versorgungsstrukturen und Kooperationen, als auch auf der Ebene der inhaltlichen<br />

Verschränkung psychischer und somatischer Aspekte menschlichen Leidens eine wichtige<br />

Scharnier-Funktion zu. Da Psychotherapie ganz wesentlich im ambulanten Bereich kultiviert,<br />

tradiert und weiterentwickelt wird, ist die Repräsentanz von <strong>Ärzte</strong>n in den ambulanten<br />

Versorgungsstrukturen nach Meinung des <strong>bvvp</strong> unverzichtbar.<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass allein durch statistische Daten zu Diagnosen, Verfahren und<br />

Abrechnungsziffern, das in der Realität sehr differenzierte Versorgungsangebot nicht abgebildet wird.<br />

Eine Ausdünnung des ärztlich-psychotherapeutischen Versorgungssegmentes würde den<br />

Integrationsgedanken untergraben, die somatisch-technische Orientierung in der Medizin verstärken,<br />

die Gesundheitsausgaben durch Fehl- und Doppelbehandlungen erhöhen, die Versorgung spezieller<br />

Patientengruppen verschlechtern und die „sprechende Medizin“ weiter schwächen.<br />

Freiburg, den 08.06.13

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