wirklich - Verband Geschlossene Fonds
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Energie<br />
„Nachhaltigkeit<br />
ist kostspielig“<br />
Lateinamerika befindet sich im Aufwind. Bremsen kann die aufstrebenden<br />
Wirtschaftsnationen eigentlich nur eins: ihr Hunger nach Energie.<br />
Ein Gespräch mit dem chilenischen Botschafter Jorge Eduardo O'Ryan Schütz<br />
über ein Land unter Strom<br />
Wir Deutschen halten uns ja für Vorreiter<br />
in Sachen Umweltschutz. Wie würden<br />
Sie die Einstellung der chile nischen Be -<br />
völkerung zu diesem Thema beschreiben?<br />
In Chile steigt das Umweltbewusstsein<br />
stetig, auf Regierungsebene, bei den Unter -<br />
nehmen und in der Bevölkerung. Wir sind<br />
weit davon entfernt, die gleiche Posi tion<br />
einnehmen zu können wie Deutschland,<br />
aber wir befinden uns auf dem richtigen<br />
Weg. Es ist schön zu sehen, wie beispiels -<br />
weise am Wochenende die Recycling con -<br />
tainer in den Straßen genutzt werden. Inzwischen<br />
gibt es Recyclingunternehmen,<br />
die Elektroschrott wiederverwerten und<br />
recycelte Komponenten u. a. nach Deutsch -<br />
land verkaufen.<br />
Wie unterscheidet sich Chile in dieser<br />
Hinsicht vom Rest Lateinamerikas?<br />
Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind<br />
kostspielig. Nachvollziehbarerweise ha -<br />
ben in Lateinamerika andere Herausforde<br />
rungen Priorität: der Kampf gegen<br />
Armut etwa, bessere Bildung und Gesund -<br />
heitsversorgung, Vollendung des Wieder -<br />
aufbaus nach dem letzten Erdbeben 2010<br />
u. a. Trotzdem sind wir in Chile diesbe -<br />
züglich etwas weiter. Es gibt ein Umwelt-<br />
Wir<br />
wollen<br />
den Anteil<br />
der<br />
Erneuerbaren<br />
an der<br />
Grundlast<br />
erhöhen<br />
ministerium, das in den Bereichen Bio -<br />
vielfalt, Luftreinheit, Abfall wirt schaft und<br />
Recycling arbeitet. Außer dem kümmern<br />
wir uns darum, das Umwelt bewusstsein<br />
der Menschen zu stärken.<br />
Ein wichtiges Thema in Deutschland ist<br />
die Energiewende. Wie wichtig ist diese<br />
Frage in Chile?<br />
Keine Frage: Chile benötigt mehr Energie.<br />
Wachstumsprognosen sprechen davon,<br />
dass bis zum Jahr 2020 8.000 Megawatt<br />
zusätzliche Kapazität entstehen müssen,<br />
um die wachsende Nachfrage befriedigen<br />
zu können. Die Energiestrategie ENE<br />
unserer Regierung trägt diesem Umstand<br />
Rechnung: Saubere, sichere und bezahlbare<br />
Energie ist die Voraussetzung für die<br />
weitere Entwicklung des Landes. Dabei<br />
sind die Preise für Elektrizität bei uns<br />
mit die höchsten in ganz Lateinamerika.<br />
Sie liegen über dem Durchschnitt der<br />
anderen OECD-Länder. Welche Energie<br />
wollen wir? Sie soll sauber und erneuerbar<br />
sein und in ausreichender Menge<br />
zur Verfügung stehen – Wasserkraft beispielsweise.<br />
Wir wollen den Anteil der<br />
erneuerbaren Energien an der Grundlast<br />
stetig erhöhen.<br />
Ihr Land ist gesegnet mit Sonneneinstrah<br />
lung, langen Küstenlinien, die<br />
man für Gezeitenkraftwerke nutzen<br />
könnte, sowie Bodenwärme für Geothermie.<br />
Wie sollen diese Energieformen<br />
erschlossen werden?<br />
Es gibt vielfältige Pläne zur Förderung<br />
der erneuerbaren Energien. Beispielsweise<br />
führt das chilenische Energieministerium<br />
zusammen mit der Gesellschaft für<br />
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein<br />
gemeinsames Projekt zur Messung der<br />
Sonneneinstrahlung im Norden Chiles<br />
durch. Auf diese Weise erhalten wir eine<br />
solide Datengrundlage für konkrete Projekte.<br />
Hinsichtlich der Nutzung von Geothermie<br />
unternehmen wir Anstrengungen,<br />
die Konzessionsvergabe durch den<br />
Staat zu beleben. Mit Erfolg: Viele Unternehmen<br />
haben mit Studien und technischen<br />
Entwürfen begonnen. Für die<br />
Entwicklung der Solartechnologie CSP<br />
wurde eine Ausschreibung durchgeführt,<br />
die die Errichtung eines Kraftwerkes in<br />
der Größenordnung von zehn Megawatt<br />
finanziert. Mittels Wärmespeicherung<br />
kann das Kraftwerk auch zu Zeiten arbeiten,<br />
in denen es keine direkte Sonneneinstrahlung<br />
gibt.<br />
Derzeit gibt es eine Einspeisungspflicht<br />
von fünf Prozent für Stromversorger.<br />
Sind weitere Förderungsmaßnahmen<br />
geplant?<br />
Eines der größten Hemmnisse für die Entwicklung<br />
erneuerbarer Energien in Chile<br />
ist der Zugang zu einer Finanzierung<br />
über die Banken. Daher werden Instrumente<br />
entwickelt, die die finan ziellen<br />
Risiken solcher Projekte mindern – bei -<br />
spielsweise ein Instrument zur Übernahme<br />
von Mehrkosten, die beim Bau<br />
entstehen können, oder die Vergabe<br />
Zur Person<br />
Jorge Eduardo O'Ryan Schütz hat Rechtswissenschaften<br />
studiert. Nach einer Tätigkeit<br />
als Anwalt trat er in den Auswärtigen<br />
Dienst ein und arbeitete an der Botschaft<br />
in Bonn. Nach einer Tätigkeit als Rechtsberater<br />
des Sonderbotschafters James<br />
Holger Blair in Moskau wechselte er in die<br />
Privatwirtschaft. Im März 2010 wurde er<br />
zum Botschafter in Deutschland berufen.<br />
„weicher Kredite“ über internationale<br />
Finanzierung.<br />
Zudem geht es darum, die Entscheidungsfindung<br />
für Projekte zu beschleunigen.<br />
Mit Unterstützung der KfW<br />
haben wir eine Ausschreibung zur Unterstützung<br />
von Initiativen in der Phase<br />
vor der Investition durchgeführt, um die<br />
Entscheidung für eine Investition zu erleichtern.<br />
44 Initiativen haben ihre Projekte<br />
eingereicht, in der Mehrzahl Windparks.<br />
Nun stehen wir bereits kurz vor<br />
der Vergabe.<br />
Ferner wird an einer georeferenzierten<br />
Plattform natürlicher Ressourcen gearbeitet.<br />
Investoren können sich damit<br />
über alle Potenziale natürlicher Ressourcen<br />
informieren. Für Wind und Solar<br />
gibt es ein solches System bereits, Plattformen<br />
für Meeresenergie, Kleinstwasser -<br />
kraftwerke und Biomasse folgen.<br />
Laut der GIZ könnte ganz Südamerika<br />
mit einem Solarkraftwerk im Norden<br />
Chiles versorgt werden. In einem Bericht<br />
des Global Energy Network Institute<br />
heißt es sogar, Chile hätte das Potenzial,<br />
zu einem weltweiten Vorzeigeland für<br />
erneuerbare Energien zu werden. Könnte<br />
der Energietransport nicht sogar zu<br />
einem weiteren Industriezweig werden?<br />
Die Erfahrungen, die Chile im Bereich<br />
internationaler Energieintegration hat,<br />
sind begrenzt. Die Gründe dafür sind<br />
zahlreich, eine fehlgeschlagene Integration<br />
der Gasversorgung mit Argentinien<br />
war nicht gerade ermutigend. Doch mittelbis<br />
langfristig trägt eine regionale Integra -<br />
tion der Elektrizität nicht nur zu einer<br />
höheren Versorgungssicherheit bei, sondern<br />
senkt auch die Preise. Weitere As -<br />
pekte sind die bessere Nutzung der Infra -<br />
struktur und geringere Emissionen von<br />
Schadstoffen und Treibhausgasen.<br />
Wichtig für Investoren sind verlässliche<br />
Rahmenbedingungen. Wie steht es<br />
damit in Chile?<br />
Der rechtliche Rahmen in diesem Sektor<br />
soll im Rahmen eines Aktionsplans über -<br />
prüft werden. Es geht darum, den Zugang<br />
neuer Akteure zum System zu fördern.<br />
Zudem ist es wichtig, die Vergabe von Aus -<br />
schreibungen zu erleichtern. Das Ziel<br />
ist ein wettbewerbsfähigerer und effizienterer<br />
Energiemarkt mit Tarifen, die<br />
auch dem Endverbraucher die Wahl zwischen<br />
Alternativen ermöglichen. Auch<br />
wollen wir mit Einspeisetarifen Anreize<br />
für den Endverbraucher schaffen, selbst<br />
Energie zu erzeugen.<br />
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