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Hexe - Historicum.net

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Antje Bracker<br />

Kopfverletzung leidend, gaukelt ihm ein Fi eber- oder Drogentraum<br />

di e Begegnung mit einem längst unter der Folter verstorbenen Beichtkind<br />

vor. Diese der <strong>Hexe</strong>rei angeklagte junge Frau nimmt die Rolle des<br />

Versuchers ein, indem sie Spee Stolz auf sein dichtetisches Werk und<br />

seinen Kampf gegen die <strong>Hexe</strong>nprozesse einzugeben versucht. Als auch<br />

ihr Versuch, ihn gegen seine Kirche einzunehmen, nicht fruchtet, behauptet<br />

sie, sie habe sich tatsächlich dem Teufel ve r sc hrieb~n; damit<br />

macht sie Spees zuvor gepriesenes Lebenswerk, den Kampf für die<br />

Unschuld der verurteilten <strong>Hexe</strong>n, zunichte. Er selbst fällt dem Wahn<br />

anheim, gegen den er gekämpft hat, wähnt er sich doch mit der Frau<br />

durch die Luft zum <strong>Hexe</strong>ntanzplatz niegend. Ein kurzes Idyll , von der<br />

Autorin mit erotischen Anspielungen versehen, endet a brupt, a ls der<br />

Sterbende den Traum a ls Trug bild entlarvt. Einen Hoffnungsschimmer<br />

gibt es dadurch nicht. Der Sterbende erlebt eine Höllenvision,<br />

di e noch die H offnung a uf Erlösung nach dem Tode zunichte macht.<br />

Der ä ußere Anschein, dass der Tote seinen Ordensbrüdern »hoffnungsvoll<br />

und friedlich « zuliichelt, erscheint als purer Hohn.<br />

So makaber es klingen mag, doch di e These von der Speerezeprion<br />

als »Lernen am Modell« bewährt sich auch hi er: wie leicht mag der<br />

Leser des Jahres 1984 in Spees Ohnmacht und Scheitern gegenüber<br />

dem H exenwahn seine eigene Ohnmacht und Todesangst gegenüber<br />

der Gefa hr eines durch die "Supermächte« USA und UdSSR provozierten<br />

Atomkrieges bestärkt und wiedergefunden haben ... Und<br />

die Hoffnung auf einen Gott, der a lles wm G uten wendet, klingt<br />

selbst aus dem Munde Spees a ls hoffnungslos antiquierte Plattitüde.<br />

Das Christentum bietet für den postmodernen M enschen keine Lösung<br />

angesichrs drängender politischer Fragen.<br />

Spee als Vorbild christlichen und katholischen G laubenslebens<br />

Jugendliche zu postulieren, ist kei ne " Erfindung« Wolfgang Lohmeycrs.<br />

11 In ei<strong>net</strong> auffallend großen Zahl von Erzählungen erschei nt Spee<br />

als Berater und Begleiter von Jugend lichen auf Jer Schwelle zum Erwachsensein;<br />

der Hinrergrund ist mögli cherweise die traditionelle<br />

Verhindung von Jesuiten und Jugenderziehung. Der zauberhafteste<br />

Beleg für Spee a ls Begleiter der Adoleszenz ist gewiss »Der Aufruhr<br />

um den Junker Ernst « (1926) des jüdischen Erzählers Jakob Wassermann<br />

( J 873-1 934): Sper ö ffner behutsam einem verträumten und<br />

völlig an seine se lbst erfundenen Märchen hingegebenenjugendlichen<br />

die Augen für das Leid der Welt und ermöglicht ihm gerade so das<br />

nackte Überl eben, aber auch eine ihm angemessene Mitmenschlichkeit.<br />

Für jemanden, der - wie ich - selbst noch nicht allzu lange der<br />

Adoleszenz entwachsen ist, gibt es kein größeres Lob, das man Spee<br />

Jussprechen könnte, a ls das hier von Wassermann geschilderte Unterfangen.<br />

Ausblick<br />

Das letzte Beispiel setzt weder einen Sc hlusspunkt unter die Speerezeptio<br />

n, noch zeigt es eine Tendenz an. Die nachko nziliare Spee-Reze<br />

ptio n entdeckt ihn vielmehr (wieder) als Anwalt der Gewissensfreiheit<br />

des Ein zelnen (nicht nur) gegenüber dem kirchlichen Lehramt und<br />

a ls Beispiel für Zivilcourage; letzeres insbesondere in Jugendromanen,<br />

die sich mit den <strong>Hexe</strong>nverfolgungen beschäftigen. Spee a ls Vo rbild für<br />

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-'~ Wolfgang r o h!11e~ ' er, ~ , 9 19, Juurnalist und Mitarbeiter Alfred Dbblins bei de ssen<br />

Monatsschrifr Das go!dme Tor, schrieb eine Romanrrilogjc zum Leben Friedrich<br />

5pees (Die <strong>Hexe</strong> 1101/ Knln, 1976; Der <strong>Hexe</strong>nanuialt, 1979; Das Kötner Tribunal,<br />

1981). Im Nachworr ;w Das Kötner Tribunal begrlindet er die Intention diese r TrilogIe<br />

folgendermaßen: »)50 kunnte vielleicht auch die romanhafte Schilderung seines<br />

[== Spees I Lebens ein wenig dazu anregen, auf die von Eltern und Erziehern oft gesteUre<br />

Frage nach )Vorbild crn für die ]ugcnd( mit dem Hinweis auf Spec, dem Gegenbild<br />

eines )Helden( herkolllmlicher Art, eine überzeugende Antwo rr zu ge ben . ...<br />

Vgl. Walfgang Lohmeyer: Das Kölner Tribunal. 2. Au f!. München 1988, 5. 378.<br />

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