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Günter Dengel<br />
Mec hthild ist neben dem »Hohen li ed« von der Minnedichrung beeinflusst,<br />
die sie von ihrer höfischen Herkunfr her kennt. Die Minne<br />
drückt sic h aus im Liebespreis und im Liebesleid, in der Liebesklage.<br />
Der Bräutigam entzieht sich, es herrschen Verlassenheit lind Entfremdung.<br />
Aber Gon zieht auch die Seele wieder an sich.. .<br />
Auch Spee kennt die hö fi sc he Welt vom Burgleben In Katserswerth<br />
mit ihren Festen und ihrem Gla nz; seine Braut im GTB tauscht Sie em<br />
gegen die vie l großartigere himmlische Welt. Das Brautschafrsverhältnis<br />
ist in Spees Liebesklage von Petrarca beeinflusst; diese wird aber<br />
sc hli eßlich übetwunden in der Begegnung mit Christus auf dem Leidensweg.<br />
Die Lie bessehnslIcht der Sponsa drückt sich a us in der »begierlic<br />
hen Liebe« der Hoffnung. Besonders d ie Sponsa-l.ieder sprechen<br />
sie allS. Auch hier ist die Braut immer wieder auf der Suche<br />
nach dem Bräutigam. Beide Autoren übernehmen " Iso die Formen<br />
der Liebeslyrik ihrer Zeit und übertragen sie auf die Gonesminne.<br />
Das Brautschaftsverhältnis gipfelt bei Mechthild von Magdeburg<br />
und Ftiedrich Spee in der Brautmystik, in der unio 111ystica. Bevor es<br />
zur Vollendung kommen kann, muss die Spoosa sich von der weltlichen<br />
Anhänglichkeit lösen und sich ganz auf den Bräutigam einlassen.<br />
,. Erst wenn det himmlische Bräutigam ganz bereit ist und wenn<br />
die Seele sich ganz a n den Bräutiga m a usliefert, die Liebespfeile hinund<br />
hergehen, wenn 3 1 Pfeile seufzend abgeschossen sind " , wenn die<br />
Seele »zu Tode verwundet« ist »vom Pfeil deiner feurigen Liebe«'",<br />
steht der unio 111ystica nichts mehr im Wege.<br />
5. Mystik und Zeitkritik<br />
Bei Mechthild von Magdeburg und Friedrich Spee gehören Mystik<br />
und gesellschaftliches Engagement zusammen. So wie bei. Spee Im<br />
11. Teil des GTB (» Von der H offnung«) die Gespons se IDe Liebe zum<br />
göttlichen Bräurigam ausdrückt, wendet sich die »geistliche Tochter«<br />
(»die Seei«, »mein Kind ,,) im IJI. Teil (Gottes- und NächstenlIebe) den<br />
Nöten der Zeit zu. Nicht nur in der CC, wo Spee ausdrücklich und<br />
"GTB IJ 12 - FLVII27.<br />
" GTB 1112.<br />
" FL 1l25, S. 11 I.<br />
102<br />
Güldenes Tugend-Buch lind Fließendes Licht der Gottheit<br />
ausschließlich gegen die Hexenprozesse kämpft, a uch im GTB" greift<br />
er das Thema der Folter bei den Hexenprozessen auf. Er beschreibt<br />
Jas Elend 111 den Krankenhällsern, cr schildert die missli che Lage der<br />
Witwen und WaISen und ma nch ,lOdere Not un d fragt die »geistliche<br />
Tochter «, ob sie bereit sei zu helten. Die sehnsuchtsvolle Liebe zu<br />
Gott, die bräutliche Liebe zu C hristus darf die Liebe ZII den Nächsten<br />
JlIch~ vernachlässigen. Gewiss soll die Seele sich von der ungeord<strong>net</strong>en<br />
Abhanglgkelt der Welt lösen, '0 auf die »vppigkeit vnd schönheit der<br />
Creaturen"," um der höheren Schönheit des himmlischen Bräutigams<br />
Willen verZichten, aber sie soll nicht alls der Welt flüchten, sondern die<br />
Welt zum Besseren verändern.<br />
Auch im Fließenden Licht der M echthild von M agdeburg stehen<br />
neben den VIelen Texten, 10 denen das Brau tschaftsverhältnis der Seele<br />
zum gottlichen Bräutigam in der Sprache der religiösen Minne zum<br />
Ausdruck kommt, solche, i" denen M echthild betroffen ist von den<br />
Problemen der Zeit. Als Begine, die sich der Armuts bewegung der Zeit<br />
anschIreßt und em geIStliches Leben in der Welr, nicht im a bgeschl ossenen<br />
Kloster fuhren will, wendet sie sich in persönlicher Armut den<br />
Armen zu. Sie leidet Unter den offenkundigen Mä ngeln der reichen<br />
Ku·che. Sie kann zwar auch begeistert die Kirche in großarrigen Bildern<br />
preisen, l2 aber mehr noch bedrücken sie deren Missstände:<br />
"Uber zwei Dinge kann ich nie genug klagen: erstens, daß Gottes so<br />
wcmg gedacht wird in der Welt; zweitens, daß Menschen geistl ic hen<br />
Srandes so unvollkommen sind«. )3 - »lch habe drei Kinder, die ich in<br />
einem außerst beklagenswerten Zustand se he." Es si nd dies die Seelen<br />
der Verdammten in der Hölle, die Seelen im Fegefeuer un d schließlich<br />
",he unvollkommenen Menschen geistli chen Standes«." Besonders<br />
Vertreter der hohen Geistlichkeit sind ihr ein Ärgernis. Sie sind »Böcke«,<br />
»weil ihr Fleisch Vor Unkeuschheit s rinkt ( ;~ . _ ),0 weh, Krone<br />
~ (;TB 1II u.<br />
" C;TB 11 12.<br />
lJ GTB n1l, S. 202.<br />
" F1. IV 3, S. 241.<br />
33 F1.1V 16, S. 273.<br />
I I FL V 8, S. 337.<br />
" FL VI 3, S. 437.<br />
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