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HORIZONT 10/2013 7. März 2013 23<br />

REPORT<br />

www.horizont.net/report<br />

MEDIAPLANUNG I<br />

FOTO: XTRAVAGANT - FOTOLIA<br />

Keine Atempause<br />

ZUM THEMA<br />

Mit Bedacht<br />

Kann Print den Schwund seiner Marktanteile<br />

stoppen? Sechs von acht Mediaplanern<br />

waren bei dieser von HORIZONT<br />

zum Jahresbeginn 2013 gestellten Frage<br />

einer Meinung: Nein. Einer gab immerhin<br />

zu Protokoll, Print sei nicht gleich<br />

Print. Und ein weiterer brachte die Formulierung<br />

„Imageverlust durch Gattungsschelte“<br />

ins Spiel. Das Bedauern<br />

dieses Einzelnen über eine hoffähig gewordene<br />

Gattungsschelte und die rigorose<br />

Ablehnung der anderen verdeutlicht:<br />

Nur wenige Mediaexperten sind sich ihrer<br />

großen Verantwortung bewusst. Was<br />

sie als Trend vorhersagen, hat Einfluss. Zu<br />

welchem Kanal sie Werbungtreibenden<br />

raten, hat Einfluss. Welche Daten sie sammeln<br />

und in welcher Form sie sie verwerten,<br />

hat Einfluss. Wer solche Macht<br />

hat, sollte umsichtig und differenziert<br />

agieren – im Sinne aller Gattungen.<br />

Von Jürgen Scharrer<br />

Deutschlands Mediaagenturen<br />

liefern sich einen Wettlauf im<br />

Internet – und der wird vor allem<br />

über technische Innovationen wie<br />

RTB und Targeting entschieden.<br />

Wie technisch wird das<br />

deutsche Mediageschäft?<br />

Sehr technisch – und das<br />

muss kein Nachteil sein.<br />

Worüber in den nächsten Monaten vor<br />

allem diskutiert werden dürfte, ist Big<br />

Data, Real Time Bidding und Real Time<br />

Advertising – wobei alle drei Bereiche<br />

eng miteinander zusammenhängen.<br />

Es mag zunächst nach einer akademische<br />

Diskussion klingen, tatsächlich aber<br />

ist der Gegensatz zwischen Real Time<br />

Bidding (RTB) und Real Time Advertising<br />

(RTA) einer, der in die Tiefen des<br />

Mediageschäfts reicht. Bei RTB steht das<br />

Versteigern von Werbeinventar auf speziellen<br />

Onlineplattformen im Zentrum.<br />

Das Prinzip ist denkbar einfach: Die Vermarkter<br />

stellen ihre Werbeplätze in das<br />

System ein, die Mediaagenturen kaufen<br />

das, was sie gerade brauchen. Und zwar<br />

in der Regel auf eigenes Risiko und eigene<br />

Rechnung. Der Vorteil von RTB für<br />

Werbekunden besteht darin, in der Regel<br />

in den Genuss günstiger Preise zu kommen.<br />

Die Agenturen mögen RTB, weil<br />

die Spannen in dem Geschäft, wenn man<br />

es richtig macht, enorm sind.<br />

Bei RTA dagegen stehen die Vermarkter<br />

im Zentrum. Bisher waren die Medien<br />

gezwungen, ihr Restplatzinventar<br />

zu Billigkonditionen zu verscherbeln.<br />

Überspitzt formuliert könnte man sagen,<br />

dass RTA die Vermarkter in den<br />

Stand setzt, endlich ein leistungsstarkes<br />

Yield Management aufzusetzen. Worum<br />

es geht, ist, das eigene Werbeinventar<br />

exakter als bisher zu systematisieren und<br />

zu etikettieren. Im Idealfall wird dieses<br />

Inventar dann auch nicht verauktioniert,<br />

sondern der Preis wie im klassischen<br />

Mediageschäft bilateral ausgehandelt.<br />

Wirklich stark können RTB und RTA<br />

nur werden, wenn die Targetingsysteme<br />

in ihrer Leistungsfähigkeit deutlich zulegen.<br />

Die Trefferquote solcher Systeme<br />

zählt nach wie vor zu den großen Geheimnissen<br />

in der Branche. Valide Leistungsnachweise<br />

sind öffentlich kaum<br />

zugänglich, im Grunde ist man nach wie<br />

vor auf Hörensagen angewiesen. Für ein<br />

klares Bild sorgt das nicht, da weder offizielle<br />

und inoffizielle Aussagen in Einklag<br />

miteinander stehen noch sich die<br />

Einschätzungen von Marketingleitern<br />

und Agenturmanagern decken. Immerhin:<br />

An den Techniken wird gearbeitet,<br />

es geht voran.<br />

All diese Entwicklungen sind im<br />

Grunde positiv zu bewerten – wäre da<br />

nicht die eine Schattenseite, die bei vielen<br />

für Unbehagen sorgt. Die Befürchtung<br />

ist, dass sich die Mediaplaner zu<br />

sehr auf das technisch Machbare konzentrieren<br />

und das Gefühl dafür verlieren,<br />

was marketingstrategisch sinnvoll<br />

ist. Zwar gibt es mittlerweile eine Reihe<br />

von Studien zur Brandingwirkung von<br />

Onlinekampagnen. Ein wirkliches Verständnis<br />

dafür, dass Werbung im Internet<br />

fundamental anders funktioniert als<br />

Anzeigen in Print oder Werbevideos im<br />

linearen Fernsehen, ist jedoch nur in Ansätzen<br />

vorhanden. Auf ihren Websites<br />

versuchen praktisch alle Agenturen, mit<br />

dem gleichen Argument zu punkten: ihrer<br />

Beratungskompetenz. Und darunter<br />

ist eben mehr zu verstehen als das Beherrschen<br />

von technologischen Infrastrukturen<br />

und die Optimierung von<br />

Einkaufskonditionen.<br />

Vielleicht hat das Unbehagen mit der<br />

Arbeit der Mediaagenturen, das bisweilen<br />

zu spüren ist, auch damit zu tun, dass<br />

sie einem wie Getriebene erscheinen.<br />

Die Gefahr, dass Google alles überrollt,<br />

ist mit Händen zu greifen, gleichzeitig<br />

werden die Agenturchefs ständig daran<br />

gemessen, was sie im Neugeschäft auf die<br />

Beine stellen. Aktuell ist es an der Pitchfront<br />

relativ ruhig – aber das wird sich<br />

bald wieder ändern. Es dürfte schon mal<br />

mehr Spaß gemacht haben, Chef einer<br />

Network-Mediaagentur zu sein.<br />

INHALT<br />

Bettina Sonnenschein<br />

Ressort Specials<br />

Prognosen: Der Blick in die Zukunft kann<br />

die Marktentwicklung beeinflussen. 24<br />

Interview: Audit-Experte Joachim Lenz<br />

über Trends im Mediabusiness. 26<br />

Vermarktung: Regionale Zeitungsverlage<br />

profitieren vom Auftreten als Agentur. 28<br />

Magazincheck: Medienexperten bewerten<br />

junge Zeitschriftentitel. 30<br />

Bewegtbild: Einheitliche Währung für TV<br />

und Online bleibt Wunschtraum. 32<br />

Webradio: Reichweitenkonvention scheitert<br />

an uneinigen Vermarktern. 34<br />

Social Media: Das Netzwerk Facebook will<br />

sein Werbegeschäft ankurbeln. 36<br />

Anzeige


24 REPORT MEDIAPLANUNG I<br />

HORIZONT10/2013 7.März2013<br />

Ernste allgemeine<br />

Verunsicherung<br />

Prognosen sind interessengesteuert und können<br />

Werbekunden in ihren Budgetentscheidungen beeinflussen,<br />

warnen Kritiker<br />

Von Roland Karle<br />

Darryl F. Zanuck tat gut daran,<br />

eine Managerkarriere einzuschlagen.<br />

Als professioneller<br />

Wahrsager jedenfalls hätte es<br />

der Chef des Filmgiganten 20th Century-<br />

Fox nicht weit gebracht. „Das Fernsehen“,<br />

kündigte er im Jahr 1946 an, „wird<br />

nach den ersten sechs Monaten am Markt<br />

scheitern.“ Die Menschen würden es<br />

schnell satt haben, „jeden Abend in eine<br />

Sperrholzkiste zu starren.“ Die Realität<br />

hat Zanuck widerlegt – und überdies gezeigt,<br />

wie überragend falsch so manche<br />

Einschätzung ausfallen kann.<br />

Im Mediafach hat sich indes das Prognostizieren<br />

von Marktentwicklungen zu<br />

einer eigenen Sportart entwickelt. Zum<br />

Jahreswechsel flattern etliche Vorhersagen<br />

ins Haus. Ihre Absender, meist Medienverbände<br />

und Agenturen, betreiben<br />

einigen Aufwand, um Zahlen für die Zukunft<br />

zu errechnen. Das Ganze funktioniert<br />

ein bisschen wie Kuchenbacken: Jeder<br />

hat sein eigenes Rezept, es kommen<br />

verschiedene Daten in die Schüssel und<br />

dann wird kräftig gerührt.<br />

Bei Jäschke Operational Media (JOM)<br />

zum Beispiel werden zurückliegende<br />

Werbemarkt- und Branchenzahlen ebenso<br />

wie Budgetplanungen von Kunden,<br />

Expertenschätzungen, Brutto-Netto-Relationen<br />

und Konjunkturvorhersagen berücksichtigt.<br />

„Auf dieser Basis erfolgt ein<br />

Modelling und die Ableitung eines entsprechenden<br />

Zielkorridors“, sagt JOM-<br />

Geschäftsführer Volker Neumann. Eher<br />

eindimensional gestrickt sind im Normalfall<br />

Umfragen, die Verbände unter ihren<br />

Mitgliedern durchführen. Was nicht<br />

bedeutet, dass sie minderwertig sind, im<br />

Gegenteil. Mediaexperte Thomas Koch<br />

zum Beispiel hält die Organisation Werbungtreibende<br />

im Markenverband<br />

(OWM) für die seriöseste Quelle. Deren<br />

jährliche OWM-Mitgliederbefragung<br />

„spiegelt wider, in welche Medien die<br />

Werbekunden selbst zu investieren gedenken“,<br />

sagt der Inhaber von TK-One in<br />

Düsseldorf.<br />

Zu den fleißigsten Prognostikern gehören<br />

Agenturen wie Zenith Optimedia<br />

und Magna Global, Teil der Interpublic-<br />

Gruppe. „Einschätzungen sind nur sinnvoll,<br />

wenn sie sich ständig an nicht vorhersehbaren<br />

Marktveränderungen neu<br />

orientieren“, sagt Andreas Rommel, Investment<br />

Director Universal McCann in<br />

Frankfurt, und weist zugleich überzogene<br />

Erwartungen zurück. „Eine Prognose ist<br />

und bleibt eine Einschätzung“, so Rommel,<br />

„und keine Statistik“. Sowohl der<br />

Magna Global Forecast als auch der Advertising<br />

Expenditure Forecasts von Zenith<br />

Optimedia lassen ihre Vorhersagen<br />

permanent anhand aktueller Daten überprüfen,<br />

sie sind international ausgerichtet<br />

und brechen ihre Prognosen auf verschiedene<br />

Länder und Regionen herunter.<br />

Manche Experten wagen sogar den<br />

Blick über mehrere Jahre voraus. Frank-<br />

Peter Lortz, Chairman Zenith<br />

Optimedia, liest aus dem hauseigenen<br />

Datenmischer ab, dass 2015 „das Zeitungsland<br />

Deutschland eine historische<br />

Wende erleben wird“. Dann nämlich werden<br />

mehr Werbeausgaben auf Online<br />

entfallen als auf Zeitungen und Magazine<br />

zusammen. Berater Koch steht solchen<br />

Prognosen generell eher skeptisch gegenüber,<br />

weil sie in der Regel interessengesteuert<br />

seien. „Die Agenturen geben<br />

kund, in welche Medien sie das Geld ihrer<br />

Kunden am liebsten investieren möchten,<br />

Medienverbände und Vermarkter nutzen<br />

sie zur Bestätigung des bisherigen Kurses“,<br />

sagt er.<br />

Im schlimmsten Fall, so Koch, verunsichern<br />

solche Vorhersagen die Werbekunden<br />

in ihren Mediaentscheidungen.<br />

„Die derzeitige Abkehr zum Beispiel von<br />

Print ist nicht allein auf die sinkende Leistung<br />

zurückzuführen, sondern auf den<br />

über Prognosen herbeigeredeten, angeblich<br />

bevorstehenden Untergang.“ Während<br />

JOM-Geschäftsführer Neumann<br />

„einen tatsächlichen Einfluss eher weniger“<br />

erkennen mag, teilt York von Heimburg<br />

in der Tendenz<br />

Kochs Auffassung. Bei<br />

der Selektion der Kommunikationskanäle<br />

seien<br />

solche Prognosen<br />

durchaus Trendverstärker<br />

hin zu einer bestimmten Mediengattung,<br />

meint der Vorstand von IDG<br />

Communications Media in München.<br />

„Deshalb haben die Herausgeber solcher<br />

Prognosen auch eine erhebliche Verantwortung.“<br />

Je spezieller ein Markt oder eine Branche<br />

tickt, desto weniger verlässlich sind<br />

für sie die gängigen Vorhersagen der Werbemarktdaten.<br />

Von Heimburg hat die Erfahrung<br />

gemacht, dass „sie die Werbeaufwendungen<br />

der Informationstechnologie-Branche<br />

kaum vorhersagen können.<br />

Für uns sind die Prognosen deshalb lediglich<br />

Trendindikatoren“, sagt von Heimburg.<br />

In IT-nahen Feldern gelten Marktforschungsinstitute<br />

wie Forrester Research,<br />

Gartner Group und IDC als Maß<br />

aller Dinge, sie setzen die Standards.<br />

Aber auch die Marktanalysten in<br />

Agenturen und Verbänden mühen sich<br />

um möglichst treffgenaue Ansagen. „Die<br />

Erfahrung zeigt, dass wir kontinuierlich<br />

besser werden“, sagt UM-Director Rommel<br />

mit Blick auf den Magna Global<br />

Forecast. 2011 zum Beispiel habe die Differenz<br />

zwischen prognostiziertem und<br />

tatsächlichem Wachstum nur 0,7 Prozentpunkte<br />

betragen. „Das ist in Zeiten<br />

sich ständig wandelnder Märkte ein sehr<br />

gutes Ergebnis, das auch unsere Kunden<br />

schätzen“, so Rommel.<br />

Ein umfassender Untersuchungsansatz,<br />

der gesamtwirtschaftliche Kennzahlen<br />

berücksichtigt und verschiedene Relationen<br />

herstellt, ist nicht zu unterschätzen.<br />

Beispiel: In welchem Verhältnis stehen<br />

die Werbeinvestitionen zum Bruttoinlandsprodukt?<br />

„Daraus lässt sich zuverlässig<br />

feststellen“, sagt Agenturchef Lortz,<br />

„in welchen Märkten oder Branchen es<br />

zur Blasenbildung kommt, so wie das<br />

während der New Economy oder vor der<br />

Asienkrise der Fall war.“<br />

FOTO: MILKOVASA / FOTOLIA<br />

Im Fokus: Prognosen<br />

Die digitalen Werbeerlöse haben in den vergangenen Jahren<br />

kräftig zugelegt. Und wer hat’s schon vorher gewusst? Der<br />

Online-Vermarkterkreis (OVK) im Bundesverband Digitale Wirtschaft,<br />

der regelmäßig Prognosen stellt. Dabei fließen mehrere<br />

Parameter ein: Nielsen-Daten, eigene Expertise, Unternehmensentwicklung<br />

der OVK-Mitglieder, die Stimmung im Markt, Gespräche<br />

mit Kunden. „In den Jahren 2008, 2009 und 2012 lagen<br />

wir mit unserer Prognose sehr nah am realen Ergebnis“, sagt<br />

OVK-Vorsitzender Paul Mudter. Nur 2010 war die tatsächliche<br />

Entwicklung deutlich besser als die Vorhersage, 2011war aus<br />

methodischen Gründen kein Vergleich möglich. Die Prognose<br />

beruhe unter anderem auf dem Buchungsverhalten der Kunden<br />

sowie Gesprächen mit Agenturen und Werbungtreibenden.<br />

„Damit ist es eigentlich die Prognose, die von Mediaentscheidungen<br />

und -planungen beeinflusst ist“, sagt Mudter. ROL<br />

Blick in die Zukunft<br />

Vorhersage von Mediatrends<br />

Wachstum in Prozent 2012 2013<br />

JOM: Werbemarkt<br />

Magna Global: Werbemarkt<br />

Zenithmedia: Werbemarkt**<br />

BDZV: Anzeigenumsatz Zeitungen –3,5<br />

VDZ: Branchenumsatz Zeitschriften<br />

steigende Werbeetats in Prozent 2012 2013<br />

OWM<br />

ZAW<br />

* jeweils im Vergleich zum Vorjahr; ** Westeuropa<br />

Quelle: Agenturen, Verbände HORIZONT 10/2013<br />

1,0<br />

1,5<br />

1,4<br />

2,3<br />

–1,5<br />

30<br />

28<br />

0,2<br />

0,0<br />

0,8<br />

14<br />

31<br />

Positiv überrascht<br />

OVK Report: Prognosen zur Entwicklung der Onlinewerbeausgaben<br />

30<br />

26<br />

28<br />

10<br />

Jahresanfang<br />

35<br />

zur Jahresmitte<br />

tatsächliches Ergebnis<br />

23<br />

22<br />

10<br />

13<br />

13<br />

20 20<br />

18*<br />

Angaben in Prozent<br />

14 15<br />

12 11<br />

2008 2009 2010 2011 2012 2013<br />

* methodischer Bruch, kein Vergleich zwischen Prognose und Realität möglich<br />

Quelle: Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) HORIZONT 10/2013


26 REPORT MEDIAPLANUNG I<br />

HORIZONT10/2013 7.März2013<br />

Von Elke Jacob<br />

Er ist Pionier der deutschen Auditszene<br />

und gehörte anfänglich einer<br />

seltenen Spezies im Mediageschäft<br />

an. Doch im Januar ist Joachim<br />

Lenz’ Unternehmen FLE in Ebiquity<br />

aufgegangen. Nach mehr als 30 Jahren im<br />

Mediazirkus mahnt Lenz im Abschiedsinterview<br />

die Branche, zu einem partnerschaftlichen<br />

Dialog zurückzukehren.<br />

Nach 20 Jahren ist Lenz Media Audit<br />

Geschichte. Haben Sie Ihr Lebenswerk<br />

mit gutem Gewissen verkauft?<br />

Mit sehr gutem Gewissen, denn für unsere<br />

großen Kunden, die wir zum Teil weltweit<br />

betreuen, war dieser Schritt absolut richtig.<br />

Im Markt raunt es bis heute, dass Gut<br />

mit Böse ins Bett gegangen ist.<br />

Und? Bin ich der Gute?<br />

FLE und insbesondere Ihre Person wurden<br />

im Markt immer als fair beschrieben.<br />

Selbst die Mediaagenturbosse hielten<br />

große Stücke auf Sie.<br />

Schön, aber jetzt im Ernst. FLE und Ebiquity<br />

sind sicher zwei komplementäre<br />

Angebote und bei Ebiquity fließen weniger<br />

strategische Elemente in das Auditing<br />

ein als bei uns. Doch alle Shareholder von<br />

FLE wollten die Firma in eine gute Zukunft<br />

führen, denn als kleiner Anbieter<br />

kann man sich zwar in seiner Nische einrichten,<br />

bleibt aber relativ kapitalschwach.<br />

Gemeinsam mit Ebiquity ändert<br />

sich das. Zudem ergänzen sich die<br />

Bürostandorte im Interesse eines global<br />

tragfähigen Angebots sehr gut.<br />

Im Gegensatz zu FLE gilt Ebiquity aber<br />

als der Konditionentreiber, der angeblich<br />

nur die Benchmarks im Blick hat.<br />

Es ist immer leicht, die Auditoren dafür<br />

verantwortlich zu machen. Das wird Ebiquity<br />

in dieser apodiktischen Form nicht<br />

gerecht. Rabatte sind eine Sache und die<br />

müssen in Ordnung sein, aber sie nutzen<br />

überhaupt nichts, wenn die Markenziele<br />

nicht verfolgt und erreicht werden. Daher<br />

haben wir immer darauf geachtet, wie der<br />

von Kunden und Agenturen verabschiedete<br />

Mediaplan implementiert wurde und was<br />

dabei rauskam. Wir wollen keine Pitches<br />

forcieren, sondern die Zusammenarbeit<br />

zwischen Kunde und Agentur verbessern,<br />

sofern die Leistung der Agentur gut ist.<br />

Im Laufe der vergangenen 30 Jahre wurde<br />

das Procurement in allen Unternehmen<br />

immer mächtiger. Media wurde zu<br />

einem Rohstoff degradiert und das hat<br />

das Klima sehr viel rauer gemacht. Ich<br />

frage mich schon seit langem, wann die<br />

Preisschraube endlich festsitzen wird<br />

und wann sich die Marktpartner wieder<br />

vernünftig an einen Tisch setzen werden.<br />

Nach wie vor werden aber viele Pitches<br />

nach der Höhe der Einkaufsrabatte<br />

entschieden. Ist bei den Konditionen<br />

noch immer so viel zu holen?<br />

Der Einkauf ist doch nur ein Vehikel, worüber<br />

sich Menschen mittels einer Zahl<br />

profilieren können. Dabei ist doch eines<br />

klar: Die größten Gewinne werden immer<br />

über die Strategie und nicht über den<br />

Einkauf erzielt.<br />

Haben Sie den Eindruck, dass diese Botschaft<br />

schon bei allen Werbungtreibenden<br />

angekommen ist?<br />

Ganz und gar nicht. Der wachsende Einfluss<br />

des Einkaufs verlegt den Fokus auf<br />

Einkaufsvorteile zulasten der Strategie.<br />

Zudem ist das Media-Know-how auf<br />

Kundenseite nicht mit den gewachsenen<br />

Anforderungen durch die Medien- und<br />

Datenflut gestiegen. Das schwächt die<br />

strategische Seite von Media weiter.<br />

Als Konsequenz des Kostendrucks soll<br />

die Beratungsqualität der Agenturen<br />

sinken. Teilen Sie diese Beobachtung?<br />

Das stimmt, wobei die Beratungsteams<br />

nicht unbedingt kleiner werden, sondern<br />

billiger, weil Jüngere die Jobs der erfahrenen<br />

Planer übernehmen. Der Profitdruck<br />

ist in den Agenturen extrem hoch und die<br />

Margen ebenso. Die Kennziffern müssen<br />

erfüllt werden und das hat dazu geführt,<br />

dass die Beratungsqualität im täglichen<br />

Geschäft stark nachlässt.<br />

Welchen Anteil haben die Kunden daran?<br />

Sie können nicht erwarten, dass durch immer<br />

mehr Einsparungen und immer höhere<br />

Profite qualitative Verbesserungen bei<br />

den Agenturen erreicht werden.<br />

Gibt es eine Lösung für dieses Dilemma?<br />

Momentan sehe ich da keine Lösung. In<br />

regelmäßigen Abständen kommt ja die<br />

Trennung des Einkaufs von der Beratung<br />

aufs Tapet. Das könnte eine Möglichkeit<br />

der Verbesserung sein. Für die Kunden<br />

wird das aber teurer, weil sie dann mehr<br />

für die Beratung und Planung bezahlen<br />

müssen. Wenn jedoch die Bereitschaft<br />

fehlt, für gute Arbeit gutes Geld zu bezahlen,<br />

dann bekommt man eben keine gute<br />

Leistung.<br />

Womit machen die Agenturen denn<br />

mehr Geld: mit der Beratung und Planung<br />

oder mit dem Einkauf?<br />

Mit dem Einkauf, denn hier haben die<br />

Agenturen zwei verschiedene Income-<br />

Quellen.<br />

Sie meinen die Kunden und die Medien?<br />

Richtig. Meiner Ansicht nach sind die<br />

Kunden allerdings in einer schlechteren<br />

Position, weil sie den Agenturen viel weniger<br />

bezahlen als die Medien. Anders<br />

kann ich mir die hohen Gewinnmargen<br />

der Agenturen nicht erklären.<br />

Sie sollen bei 40 bis 50 Prozent liegen.<br />

Sind die Margen der Mediaagenturen<br />

tatsächlich so hoch?<br />

Diese Zahlen kann ich nicht bestätigen,<br />

aber 30 Prozent dürften eine nicht zu gewagte<br />

Schätzung sein.<br />

„Media wurde<br />

zu einem Rohstoff<br />

degradiert“<br />

Finden Sie solch hohe Agenturgewinne<br />

ebenso verwerflich wie die Kunden?<br />

Über den Prozentsatz der Agenturgewinne<br />

kann man streiten. Im Vergleich mit<br />

der Industrie ist die Größenordnung<br />

schon recht hoch, aber auch große produzierende<br />

Konzerne kommen auf eine<br />

Rendite von 12 Prozent und mehr. Ich<br />

sehe daher nicht, dass für einen Dienstleister,<br />

der eine ganz andere Kostenstruktur<br />

hat, eine höhere Gewinnmarge per se<br />

verwerflich ist.<br />

Aus Kundensicht resultiert das Gros dieser<br />

Gewinne aus Volumenrabatten im<br />

Einkauf. Deshalb gehörten diese aber<br />

den Kunden und nicht den Agenturen.<br />

Wie beurteilen Sie das?<br />

Nach wie vor herrscht Angebot und<br />

Nachfrage. Doch seit dem Moment, als<br />

sich die Mediaagenturen als eine offensichtlich<br />

lukrativere eigenständige Wirtschaftsstufe<br />

definiert haben, wurde das<br />

Verhältnis zwischen Kunden und Agenturen<br />

gestört. Das zu heilen, bedeutet<br />

nicht, den einen oder anderen Gewinnprozentpunkt<br />

aufzugeben. Gewinn ist<br />

schließlich das, was ein Geschäft treibt<br />

und verbessert. Doch seit dem Moment,<br />

als die Agenturen ihren Dienstleistungsgedanken<br />

aufgeben haben, steht man gegeneinander.<br />

Seitdem muss der Kunde<br />

mehr für die Beratungsleistung kämpfen,<br />

die früher das selbstverständliche Herz in<br />

der Beziehung zur Agentur war.<br />

Für Herzattacken bei den Kunden hat<br />

auch das Tradinggeschäft der Agenturen<br />

gesorgt, die damit eine weitere Erlösquelle<br />

aufgetan haben.<br />

Der Audit-Pionier<br />

Als Joachim Lenz 1992 seine Hamburger Firma<br />

Lenz Media Audit gründete, gehörte er zunächst<br />

einer seltenen Spezies an. Doch der heute 61-<br />

jährige Mediakontrolleur konnte schnell Kunden<br />

wie Volkswagen von seinem Angebot überzeugen,<br />

das zusehends internationaler werden musste.<br />

Daher schloss sich Lenz 2002 mit zwei britischen<br />

Auditoren zusammen und es entstand die gemeinsame<br />

Company Fairbrother, Lenz, Eley (FLE). Für<br />

eine globale Expansion fehlte allerdings das Kapital,<br />

so dass sich die FLE-Inhaber Anfang 2012<br />

dazu entschlossen, ihre Firma an Ebiquity zu<br />

verkaufen. Seit diesem Jahr ist FLE Teil von Ebiquity<br />

und wurde als eigenständige Marke aufgegeben.<br />

Ist Ihnen das mit der Harmonie in den<br />

zwei Jahrzehnten denn immer gelungen?<br />

Nein, bei weitem nicht immer. Manchmal<br />

waren die Zerwürfnisse so groß, dass nur<br />

noch ein Pitch half. Doch als ich 1992 im<br />

Auditing angefangen habe, gab es diese<br />

Diskussion um Freispots und Agenturrabatte<br />

noch gar nicht.<br />

Unseres Wissens gab es damals schon<br />

Kickbacks von den Medien an die Mediaagenturen<br />

und das nicht zu knapp.<br />

Ich weiß seit Mitte der 1990er Jahre von<br />

Kickbacks, die es aber nur für sehr wenige<br />

Agenturen gab. Das war ein überschaubarer<br />

Kreis, der sich dadurch enorme Wettbewerbsvorteile<br />

verschafft hat.<br />

Können Sie Namen nennen oder haben<br />

Sie lebenslange Schweigepflicht?<br />

Ich weiß es nicht, aber im Zweifel entscheide<br />

ich mich fürs Schweigen.<br />

Wussten die Kunden von den Kickbacks?<br />

Nur die Kunden wussten damals Bescheid,<br />

die davon profitiert haben.<br />

Und die fanden das in Ordnung?<br />

Gegenfrage: Welcher Kaufmann verzichtet<br />

auf durch konsequente Verhandlungen erzielte<br />

Vorteile? Das ist nicht unmoralisch.<br />

Heute sind Kickbacks salonfähig – aber<br />

weiter in der Kritik. Wie ist das Klima<br />

zwischen Kunde und Agentur?<br />

Joachim Lenz: Der Gründer<br />

von Lenz Media Audit,<br />

über die Entwicklung der<br />

Auditszene und positive<br />

sowie negative Trends im<br />

Mediabusiness<br />

FOTO: FAIRBROTHER, LENZ, ELEY<br />

Was spricht gegen eine Resteverwertung?<br />

Wenn eine Agentur bereit ist, auf eigenes<br />

Risiko Geld für diese verderbliche Ware<br />

zu bezahlen, dann soll sie das machen.<br />

Ein Kunde kann doch sehen und überprüfen,<br />

ob sich das für ihn lohnt oder<br />

nicht. Die einzige Ausnahme ist<br />

der Online-Bereich, denn da wissen die<br />

Kunden bei diesem ganzen Tradingzeug<br />

überhaupt nicht mehr, auf welcher<br />

Internetseite ihre Banner stehen werden.<br />

Hinsichtlich der Compliance-Regeln ist<br />

das nicht ungefährlich für die Werbekunden.<br />

Inwiefern kann das gefährlich werden?<br />

Rotationen über ein Set von Sites können<br />

nicht wirklich kontrolliert werden.<br />

Was raten Sie für das Dreieck aus Kunden,<br />

Medien und Agenturen, das so sehr<br />

unter Spannung steht?<br />

Ich fürchte, in nächster Zeit wird sich das<br />

nicht ändern. Das Mediageschäft ist drauf<br />

und dran, sein partnerschaftliches Verhältnis<br />

zu verlieren. Aber auch ein gutwilliger<br />

Mediaentscheider in einem Unternehmen<br />

hat keine, aber auch gar keine<br />

Chance, eine nennenswert höhere Vergütung<br />

für die Agentur durchzusetzen.<br />

Also bleibt der Ton wohl rau und kann<br />

sich nur dann ändern, wenn die Beteiligten<br />

diesen Druck nicht mehr aushalten<br />

und wieder beginnen, miteinander zu<br />

reden.


28 REPORT MEDIAPLANUNG I<br />

HORIZONT10/2013 7.März2013<br />

FOTO: SVORT / FOTOLIA<br />

Auf den Kopf gestellt<br />

Regionale Zeitungsverlage, die ihre Vermarktung gleich einer Agentur ausrichten,<br />

berichten von guten Erfahrungen und Geschäften<br />

Portal mit Pantoffeln<br />

3600 registrierte Nutzer<br />

liefern eine Fülle an User<br />

Generated Content für Griassdi.de,<br />

inzwischen gibt es auch<br />

die gedruckte Verwandte:<br />

2010 startete das „Griaß<br />

di“-Magazin in Füssen, dieses<br />

Jahr folgte eine Ausgabe für<br />

Marktoberdorf. Damit nicht<br />

genug: Das „Griaß di“-Logo<br />

ziert eine ganze Palette von<br />

Merchandisingprodukten.<br />

Neben Aufklebern, Tattoos<br />

und Pins sind unter anderem<br />

Bodys für Babys, Regenschirme,<br />

Pantoffeln und seit<br />

wenigen Monaten sogar<br />

naturtrübes Kellerbier im<br />

Sechserpack zu 6,99 Euro<br />

käuflich zu erwerben.<br />

Wenig überraschend gibt es<br />

nun auch „Griaß di“-Partys<br />

wie „Alprausch“ oder<br />

„Oktoberfest“.<br />

Von Roland Karle<br />

Für alle, die nicht aus dem Allgäu<br />

stammen, zunächst einmal eine<br />

Übersetzungshilfe: „Griaß di“<br />

heißt im Duden-Deutsch „Grüße<br />

dich“. Die regionale Variante des Willkommensgrußes<br />

hat der Allgäuer Zeitungsverlag<br />

zu einer Medienmarke entwickelt.<br />

Dreh- und Angelpunkt ist die<br />

2009 gestartete Website Griassdi.de – die<br />

zum Mitmach-Portal gewordene Idee, eine<br />

Plattform für lokale Inhalte und Diskussionen<br />

zu schaffen.<br />

Der Allgäuer Zeitungsverlag (AZV) in<br />

Kempten verspricht sich dadurch nicht<br />

nur publizistische Aufmerksamkeit und<br />

mehr Lesernähe, sondern auch Impulse<br />

für die sublokale Vermarktung. „Wir wollen<br />

dadurch auch Werbekunden mit kleinem<br />

Budget erreichen, die aufgrund der<br />

sehr spitzen Zielgruppe eher online als in<br />

der Tageszeitung werben“, sagt AZV-Geschäftsführer<br />

Markus Brehm.<br />

Das Beispiel „Griaß di“ illustriert, welche<br />

Möglichkeiten in regionalen Zeitungen<br />

stecken – wenn ihre Macher erfinderisch<br />

genug sind und nicht verzweifelt an<br />

Papier und klassischer Anzeige<br />

kleben. Der Begriff „hyperlokal“<br />

hat in diesem Zusammenhang<br />

eine erstaunliche Karriere<br />

gemacht. Wobei er eigentlich<br />

eine Selbstverständlichkeit<br />

meint, nämlich dass sich regionale<br />

und lokale Zeitungen vornehmlich<br />

um das Geschehen<br />

am Ort kümmern. Dazu gehört<br />

für Journalisten unter anderem,<br />

Gespräche mit Lesern<br />

zu führen, statt sich in Redaktionsstuben<br />

zu verschanzen.<br />

Und für Vermarkter, dass sie<br />

nicht nur mit dem gewohnten<br />

Ein Hoch im Norden<br />

Reichweitengewinner unter den Abo-Tageszeitungen<br />

MA-Reichweite 2012 in Mio.<br />

* MA-Reichweite 2011 = Index 100; ohne Kaufzeitungen; Gesamtbevölkerung 70,16 Mio.<br />

Standardwerbeformat wedeln, sondern<br />

mit Kunden besprechen, worin deren<br />

Kommunikationsziel besteht.<br />

Ehrgeizige Angreifer im Netz machen<br />

Druck. „Prenzlauerberg Nachrichten“,<br />

„Tegernseer Stimme“ und „Meine Südstadt“<br />

sind drei Beispiele von vielen Portalen,<br />

die lokalen Internetjournalismus<br />

auf ansehnlichem Niveau betreiben und<br />

von stetig steigenden Nutzerzahlen berichten.<br />

Das Problem: Die verlagsunabhängigen<br />

Lokalportale sind auf Werbeerlöse<br />

angewiesen, doch die reichen für den<br />

dauerhaft professionellen Betrieb meist<br />

nicht aus. Publizistisch erwächst den Zeitungen<br />

durch die Onliner aus der Nachbarschaft<br />

dennoch Konkurrenz.<br />

AZV-Manager Brehm hat davor keine<br />

Angst, weil er sein Medienhaus sublokal<br />

ausgerichtet sieht. „In den vergangenen<br />

Jahren wurde eine vertikale Erweiterung<br />

des Kerngeschäfts vernachlässigt, zum<br />

Teil auch wegen fehlender technischer<br />

Optionen.“ Das ändert sich: Beispielsweise<br />

kann der Verlag durch die Inbetriebnahme<br />

einer modernen Druckmaschine<br />

künftig flexibler mit sublokalen Wechselseiten<br />

in einzelnen Ausgaben arbeiten.<br />

Erwünschter Nebeneffekt: Das Werbegeschäft<br />

soll belebt werden.<br />

Verlagschef Brehm weiß, dass<br />

„heute kreative Ideen und<br />

Konzepte notwendig sind,<br />

um den regionalen und lokalen<br />

Markt zu bearbeiten“.<br />

Was nicht zwangsläufig bedeutet,<br />

dass Print an Bedeutung<br />

verliert. Im Gegenteil:<br />

Beim Allgäuer Zeitungsverlag<br />

hat sich zum Beispiel die<br />

Zahl der kollektiv bearbeiteten<br />

Themen in einer Lokalausgabe<br />

von 90 im Jahr 2003<br />

auf heute 160 nahezu verdoppelt.<br />

Index*<br />

Schleswig-Holsteinische Zeitung (sh:z) 0,55<br />

115<br />

Lausitzer Rundschau<br />

Nordkurier<br />

Eßlinger Zeitung<br />

Leipziger Volkszeitung<br />

Morgenpost für Sachsen<br />

Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung<br />

Süddeutsche Zeitung<br />

Märkische Allgemeine<br />

Main-Echo<br />

RheinMainMedia Gesamt<br />

Der neue Tag<br />

Schweriner Volkszeitung<br />

„Wir müssen<br />

unseren Kunden<br />

unterschiedliche<br />

Kanäle bieten“<br />

Sebastian Kmoch,<br />

MSO Medien-Service<br />

0,12<br />

0,22<br />

0,30<br />

0,28<br />

0,24<br />

0,25<br />

0,25<br />

0,32<br />

0,44<br />

0,49<br />

0,55<br />

1,48<br />

111<br />

110<br />

109<br />

108<br />

108<br />

107<br />

105<br />

105<br />

104<br />

104<br />

104<br />

104<br />

Auch der Verlag der „Neuen<br />

Osnabrücker Zeitung“<br />

reagiert umtriebig auf den<br />

strukturellen Wandel, der die<br />

Zeitungen auf Vertriebs- und<br />

Vermarktungsseite erfasst<br />

hat. „Wir müssen unsere Organisation<br />

entsprechend ausrichten“,<br />

sagt Sebastian<br />

Kmoch. Er ist Geschäftsführer<br />

des MSO Medien-Service,<br />

der vor sechs Jahren aus der<br />

Anzeigenabteilung hervorgegangenen<br />

Vermarktungsgesellschaft<br />

der „Neue Osnabrücker<br />

Zeitung“ (Neue OZ).<br />

MSO Medien-Service kümmert sich vor<br />

allem ums Printgeschäft, während die<br />

Geschwister MSO Digital als Fullservice-<br />

Digitalagentur mit SEM-Schwerpunkt<br />

und Basecom als IT- und Programmierspezialist<br />

agieren.<br />

„Wir verstehen es als unsere Aufgabe,<br />

im Sinne des Kunden dafür zu sorgen,<br />

dass er auf unterschiedlichen Kanälen<br />

zielorientiert kommunizieren kann“, erklärt<br />

Kmoch. Anders gesagt: Der Kunde<br />

wünscht, der Verlag liefert. „Wenn ein<br />

Autohändler aus der Region seine Marke<br />

pflegen will, kann er bei unserem lokalen<br />

Fernsehsender einen Werbespot schalten.<br />

Geht es um Kontaktgenerierung, haben<br />

wir diverse Möglichkeiten auf unseren digitalen<br />

Plattformen und für den konkreten<br />

Abverkauf funktioniert meist Printwerbung<br />

am besten“, so Kmoch.<br />

In Osnabrück, in Kempten und anderswo<br />

hat ein Umdenken stattgefunden.<br />

Verlage tun das, was Rainer H. Wagner,<br />

Gründer der Unternehmensberatung Sipa<br />

in Saarbrücken, „eigentlich trivial“<br />

findet: „Alle Überlegungen zur Zukunft<br />

des Werbemarkts von Tageszeitungen<br />

müssen vom Nutzen für den Kunden ausgehen“,<br />

betont er.<br />

Fest verwurzelt bei Ü60<br />

Reichweitenentwicklung bei regionalen Abonnementzeitungen<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

„Die vertikale<br />

Erweiterung des<br />

Kerngeschäfts<br />

wurde vernachlässigt“<br />

Markus Brehm,<br />

Allgäuer Zeitungsverlag<br />

Im Medienhaus Neue OZ<br />

funktioniert das schon recht<br />

gut. Allein dass das Digitalgeschäft<br />

bereits nach kurzer Zeit<br />

mehr als 10 Prozent zum Gesamtumsatz<br />

beiträgt, war vor<br />

wenigen Jahren noch schwer<br />

vorstellbar. Zugleich entwickelt<br />

der Verlag frische Ideen in<br />

Print – und setzt sie um. Dabei<br />

geht selten darum, noch nie<br />

Dagewesenes zu erfinden, sondern<br />

Trends aufzunehmen und<br />

Ansätze konsequent weiterzuverfolgen.<br />

Zum Beispiel: regionale<br />

Themenmagazine.<br />

Mit dem Fahrradmagazin „Rad &<br />

Tour“ (Copypreis 8,90 Euro) für das Osnabrücker<br />

Land und das Emsland sowie<br />

den Koch- und Backmagazinen „Unsere<br />

Lieblingsrezepte“ (4,95 Euro) hat der Verlag<br />

erfolgreich Paid Content auf Papier<br />

produziert. „Wir sehen einen Bedarf an<br />

regionalen Nischen- und Special-Interest-Angeboten“,<br />

betont Verlagsmanager<br />

Kmoch. „Auf diese Weise stellen wir unser<br />

Geschäftsmodell auf mehrere Füße<br />

und bieten unseren Werbekunden zusätzliche<br />

Kommunikationskanäle.“<br />

Zur Riege der jungen Printtitel, die<br />

dem Verlag bei einem Deckungsbeitrag<br />

von bis zu 50 Prozent auch ökonomisch<br />

Freude machen, zählt ferner „Die Wirtschaft“.<br />

Im Dezember 2011gestartet, wird<br />

die konsequent lokal gehaltene Wirtschaftszeitung<br />

in einer Auflage von 17000<br />

Exemplaren verbreitet. „Überregionale<br />

Wirtschaftsinformationen sind im Internet<br />

leicht verfügbar, aber im Lokalen gibt<br />

es einen Mangel“, sagt Kmoch. 10000<br />

Hefte landen über einen personalisierten<br />

Verteiler direkt beim Business-Publikum.<br />

Eine begehrte Zielgruppe – und noch ein<br />

Grund, mit Premium-Werbekunden ins<br />

Gespräch zu kommen.<br />

Altersgruppen<br />

(in Prozent)<br />

über 70 Jahre<br />

60 bis 69 Jahre<br />

Gesamtbevölkerung<br />

30 bis 39 Jahre<br />

20 bis 29 Jahre<br />

30<br />

2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012<br />

Quelle: MA Tageszeitungen 2012 HORIZONT 10/2013<br />

Quelle: AG.MA HORIZONT 10/2013


30 REPORT MEDIAPLANUNG I<br />

HORIZONT10/2013 7.März2013<br />

Print auf dem Prüfstand<br />

Zeitschriften-<br />

Check: Acht<br />

Medienexperten<br />

bewerten junge<br />

Titel nach ihrer<br />

Innovationskraft<br />

und Erfolgschancen.<br />

Bestnoten erhält<br />

ein Philosophie-<br />

Magazin.<br />

1 Hohe Luft<br />

Verlag: Inspiring Network/Emotion<br />

Verlag<br />

Start: 17. November 2011<br />

Frequenz: zweimonatlich (seit 2013)<br />

Verkaufte Auflage: 19000<br />

Copypreis: 8 Euro<br />

Chefredaktion: Thomas Vašek<br />

Profil: Philosophie-Magazin<br />

Noten: 1,7 (Innovation)<br />

2,5 (Erfolgschancen)<br />

Kommentare: Mutiges Projekt, klasse<br />

Optik, hochwertige redaktionelle Qualität.<br />

Wird aber sicherlich kein Auflagenkiller<br />

(Hinzmann). Ambitioniert.Wunderbar,<br />

dass es noch solche Bemühungen<br />

gibt, mit Qualität zu obsiegen (Neuber).<br />

Kleiner Markt, very Special Interest,<br />

optisch interessant gelöst (Müsse). Eine<br />

Menge mittelachsiger Grundtext, der<br />

auch noch kursiv ist, macht das Lesen<br />

nicht leicht (Küpper). Sehr spitze Zielgruppe,<br />

aber tolles Konzept. Unterhaltsamer<br />

Tiefgang für Hobbyphilosophen<br />

und Intellektuelle (Schliep). Greift das<br />

wachsende Bedürfnis nach philosophischer<br />

Reflexion und Orientierung auf<br />

(Hofsäss).<br />

2 Couch<br />

Verlag: Gruner + Jahr<br />

Start: Januar 2012<br />

Frequenz: monatlich<br />

Verkaufte Auflage: 150000<br />

Copypreis: 2 Euro<br />

Chefredaktion: Stephan Schäfer<br />

Profil: Wohn&Fashion-Magazin<br />

(Pocketformat)<br />

Noten: 2,3 (Innovation)<br />

2,7 (Erfolgschancen)<br />

Kommentare: Passende Antwort auf das<br />

Print-Phänomen „Lean back“ (Koch).<br />

Sehr werblich, aber dennoch kompakt<br />

und inhaltsreich (Neuber). Junge Kombination<br />

von Wohnen & Style, hat bisher<br />

im Markt gefehlt (Schliep). Erfrischend<br />

im Reigen der etablierten Wohnzeitschriften.<br />

Prima gemacht! (te Poel)<br />

Gleicht einem Katalog, geht somit einher<br />

mit Titeln wie „Season“ und „Hot“ (Hofsäss).<br />

Originelles, modernes Konzept,<br />

niedriger Preis, chancenreich (Müsse).<br />

Pocket-Format mit einer Fülle an Bildern<br />

zu Mode, Lifestyle und Kochen. Der<br />

längste Text, 17 Zeilen, scheint das Editorial<br />

zu sein. Der Name wirkt so gemütlich,<br />

das Heft so hektisch (Küpper).<br />

3 Flair<br />

Verlag: Klambt<br />

Start: 15. August 2012<br />

Frequenz: monatlich<br />

Verkaufte Auflage: 102000 (Erstausgabe)<br />

Copypreis: 3,50 Euro<br />

Chefredaktion: Klaus Dahm<br />

Profil: Fashion-Home-Magazin<br />

Noten: 2,9 (Innovation)<br />

2,8 (Erfolgschancen)<br />

Kommentare: Sehr uniques, elegantes<br />

Magazin, interessante Themenmischung,<br />

gute Optik (Müsse). Zielrichtung, Struktur,<br />

Botschaft für mich nicht erkennbar<br />

(te Poel). Günstiger Copypreis, aber<br />

opulent aufgemacht. Unterscheidet sich<br />

trotz stärkerem Fashion- und Wohnen-<br />

Faktor redaktionell nicht wirklich von<br />

beispielsweise einer „Maxi“, das Konzept<br />

an sich ist aber charmant (Schliep). Kein<br />

wirklich neues Zeitschriftenkonzept.<br />

Fraglich, ob es langfristig tragfähig ist<br />

(Hinzmann). Die Stunde der Bewährung<br />

kommt bei der Preisanhebung von 2 auf<br />

3,50 Euro (Neuber). Im Modeteil scheinen<br />

mir die Models sehr jung und sehr<br />

hungrig. Die sind total untergewichtig.<br />

Das sollte man nicht zulassen (Küpper).<br />

4 Deli<br />

Verlag: Gruner + Jahr<br />

Start: 8. Oktober 2012<br />

Frequenz: offen<br />

Verkaufte Auflage:<br />

60000 (Erstausgabe)<br />

Copypreis: 2,50 Euro<br />

Chefredaktion: Stephan Schäfer<br />

Profil: Food-Lifestyle-Zeitschrift<br />

Noten: 3,0 (Innovation)<br />

2,8 (Erfolgschancen)<br />

Kommentare: Schön gemachter Food-<br />

Titel mit Lifestyle-Elementen für die<br />

etwas jüngere Frau – aber ob das dauerhaft<br />

von Erfolg gekrönt ist? Eher ein<br />

Nischentitel mit unter 100000 Auflage<br />

(te Poel). G+J könnte ähnlich wie mit<br />

„Beef“ eine weitere Lücke zwischen klassischer<br />

Food-Zeitschrift und jungem<br />

Lifestyle-Magazin gefunden haben (Hofsäss).<br />

Hübsch, aber nicht zwingend<br />

(Koch). Gruners Antwort auf Bauers<br />

„Lecker“ hat lange auf sich warten lassen<br />

(Schliep). Frische Bildsprache und ein<br />

erfreulicher großer Rezeptanteil. Die<br />

junge Zielgruppe hat längst ihre eigene<br />

Kochzeitschrift verdient (Hinzmann).<br />

Weitere Plätze<br />

Außer den acht abgebildeten<br />

wurden vier weitere Zeitschriften-Neulinge<br />

bewertet.<br />

Dabei landete das wöchentliche<br />

Wissenschaftsmagazin<br />

„New Scientist“ aus dem<br />

Spiegel-Verlag auf Rang 9<br />

(Innovationskraft: Note 3,8,<br />

Erfolgschancen: 3,5). Es<br />

folgen: 10. „Himmelblau“,<br />

Reisemagazin aus dem<br />

Landwirtschaftsverlag (Noten:<br />

3,8/3,6). 11. „Pardon“, Satirezeitschrift<br />

aus der Weimer<br />

Media Group (jeweils 4,0).<br />

12. „Servus in Stadt & Land“<br />

(Bayern) aus dem Red Bulletin<br />

Verlag (4,6/4,4).<br />

Die Experten-Jury<br />

Matthias Hinzmann, Media<br />

Director Optimedia Düsseldorf<br />

Michael Hofsäss, Research<br />

Partner, Universal McCann,<br />

Frankfurt<br />

Thomas Koch, Inhaber und<br />

Geschäftsführer TK-One,<br />

Düsseldorf<br />

Norbert Küpper, Inhaber<br />

Büro für Zeitungsdesign,<br />

Meerbusch<br />

Harald Müsse, Inhaber und<br />

Geschäftsführer Müsse<br />

Media-Consulting, Düsseldorf<br />

Christian Neuber, Aufsichtsratsvorsitzender<br />

Blue Ocean<br />

Entertainment, Stuttgart<br />

Ina-Christin Schliep,<br />

Leiterin Beratung Media Pilot<br />

Hamburg;<br />

Susanne te Poel, Unit<br />

Direktorin und Mitglied der<br />

Geschäftsleitung Crossmedia,<br />

Düsseldorf<br />

5 Stern Viva<br />

Verlag: Gruner + Jahr<br />

Start: 26. April 2012<br />

Frequenz: offen<br />

Verkaufte Auflage: 100000 (Erstausgabe)<br />

Copypreis: 3,90 Euro<br />

Chefredaktion: Thomas Osterkorn<br />

Profil: Magazin für Fortgeschrittene<br />

(50plus)<br />

Noten: 3,0 (Innovation)<br />

2,8 (Erfolgschancen)<br />

Kommentare: Stern in Würde gealtert<br />

(Hinzmann). Innovatives Konzept,<br />

journalistisch anspruchsvoll umgesetzt,<br />

wachsender Markt (Müsse). Sehr relevanter<br />

Titel für die wachsende Zielgruppe<br />

der „Best-Ager Lohas“, in gewohnter<br />

G+J- Qualität aufgemacht<br />

(Schliep). Als „Stern“-Ableger das richtige<br />

Signal? Na gut (Koch). Der Titel ist<br />

leider noch zu breit, um genug Trennschärfe<br />

gegen bereits bestehende Titel zu<br />

liefern (te Poel).<br />

6 Grip<br />

Verlag: Hubert Burda Media<br />

Start: November 2012<br />

Frequenz: zweimonatlich<br />

Verkaufte Auflage: 60000 (Erstausgabe)<br />

Copypreis: 3,50 Euro<br />

Chefredaktion: Florian Boitin<br />

Profil: Magazin für Fortgeschrittene<br />

(50plus)<br />

Noten: 3,3 (Innovation)<br />

3,0 (Erfolgschancen)<br />

Kommentare: „Grip“ ist als TV-Magazin<br />

eine starke Marke, darin liegt auch das<br />

Erfolgspotenzial für die Printversion<br />

(Schliep). Hochwertig daherkommender<br />

Printableger des gleichnamigen TV-<br />

Formats. Fraglich, ob der Zielgruppentransfer<br />

gelingt (Hinzmann). Für Freunde<br />

abgefahrener Autos. Playboy-Anzeigen<br />

passen ins Gesamtbild, im hinteren<br />

Teil des Heftes sind dann auch<br />

Damen auf Motorhauben zu sehen. Es<br />

gibt kein vergleichbares Automagazin<br />

(Küpper). Burda hat Auto-Kompetenz?<br />

(Koch). Pilot war relativ erfolgreich, von<br />

daher zweimonatliche Erscheinungsweise.<br />

Könnte erfolgreich sein für eine<br />

kleine, aber feine Zielgruppe (te Poel).<br />

7 Meins<br />

Verlag: Bauer Media Group<br />

Start: 8. August 2012<br />

Frequenz: monatlich<br />

Verkaufte Auflage: 100000 (Erstausgabe)<br />

Copypreis: 2,50 Euro<br />

Chefredaktion: Claudia Hagge<br />

Profil: Frauenzeitschrift 50plus<br />

Noten: 3,5 (Innovation)<br />

3,0 (Erfolgschancen)<br />

Kommentare: Wie innovativ kann eine<br />

Frauenzeitschrift für die Frau 50plus<br />

sein? Alles schon mal da gewesen (Hinzmann).<br />

Die Bauers kennen ihre Zielgruppen<br />

(Neuber). Breites Konzept,<br />

wachsende Zielgruppe (Müsse). Einer<br />

der Großverlage muss ja mal den Anfang<br />

machen (Koch). Differenziert sich erfolgreich<br />

von den Bauer-Yellows, hohes<br />

Erfolgspotenzial aufgrund der breiten<br />

Zielgruppe (Schliep). Konzept könnte<br />

passen, erste Werte gehen in die richtige<br />

Richtung. Profilschärfung eventuell noch<br />

notwendig (te Poel).<br />

8 Yps<br />

Verlag: Egmont Ehapa Verlag<br />

Start: 11. Oktober 2012<br />

Frequenz: vierteljährlich<br />

Verkaufte Auflage: 120000 (Erstausgabe)<br />

Copypreis: 5,90 Euro<br />

Chefredaktion: Christian Kallenberg<br />

Profil: Männer-Lifestyle-Magazin<br />

Noten: 3,7 (Innovation)<br />

3,1(Erfolgschancen)<br />

Kommentare: Die erste Auflage war am<br />

Bahnhofskiosk nach 25 Minuten ausverkauft.<br />

Dann gibt es wohl einen Markt für<br />

dieses Heft (Küpper). Bringt den 30- bis<br />

45-jährigen Jungs die Kindheit zurück –<br />

der Erfolg liegt in der Nostalgie, weniger<br />

im Konzept (Schliep). „Yps“ ist wieder<br />

da, hurra! Für alle, die mit „Yps“ aufgewachsen<br />

sind und sich immer noch<br />

diebisch über Furzkissen und Urzeitkrebse<br />

freuen (Hinzmann). Remake,<br />

nicht mehr zeitgemäß (Müsse). Eher<br />

Gimmick für jung gebliebene Mittvierziger,<br />

von daher Erscheinungsweise<br />

auch nur vierteljährlich. Langfristiger,<br />

stabiler Erfolg auf solidem Niveau scheint<br />

mir unwahrscheinlich, für Mediaplanung<br />

kaum handhabbar (te Poel).


32 REPORT MEDIAPLANUNG I<br />

HORIZONT10/2013 7.März2013<br />

Von Guido Schneider<br />

Sekündlich taucht im Internet eine<br />

Flut neuer Videos auf und macht<br />

damit dem guten alten Fernsehen<br />

mächtig Konkurrenz. Die großen<br />

TV-Sendergruppen haben sich zwar<br />

längst darauf eingestellt. Sie bieten Mediatheken<br />

und verbreiten einen Teil ihres<br />

Programmangebots sogar live im Internet,<br />

um dem wachsenden Druck von Bewegtbildplattformen<br />

und Onlinevideos<br />

etwas entgegenzusetzen. Dennoch wird<br />

die Konkurrenz zwischen TV und Online<br />

immer härter: Seit es Smartphones und<br />

Tablets gibt, wächst die Zahl derer, die<br />

parallel zum Fernsehkonsum auch online<br />

sind.<br />

All das erklärt, weshalb es TV-Sender<br />

und Onliner bislang nicht geschafft haben,<br />

sich auf einen gemeinsamen Standard<br />

zur Messung von Online-Bewegtbild<br />

zu einigen. Dabei wäre eine Konvention,<br />

die die lineare und nicht lineare<br />

Nutzung von Bewegtbild erfasst, dringend<br />

notwendig. Werbekunden und<br />

Agenturen schalten immer mehr Werbung<br />

in Onlinevideos und fordern seit<br />

Jahren eine Leistungsmessung, die vergleichbare<br />

Ergebnisse zum linearen TV<br />

liefert. „Wir erwarten, dass der Markt sich<br />

endlich im Sinne aller Beteiligten auf einen<br />

einheitlichen Standard einigt“,<br />

mahnt Lothar Prison, Chief Digital Officer<br />

bei Vivaki, zur Eile.<br />

Die im Markt kursierenden Einzellösungen<br />

hält er für kontraproduktiv, denn<br />

Kunden und Agenturen setzen Bewegtbild<br />

längst ergänzend zu TV ein und wollen<br />

beide Ausspielwege direkt miteinander<br />

vergleichen können. „Durch Onlinevideos<br />

ist erstmals eine emotionale Ansprache<br />

von Konsumenten im Web möglich“, sagt<br />

Prison. „Diesen Mechanismus haben unsere<br />

Werbekunden längst aus dem TV gelernt.“<br />

Interessant ist Online-Bewegtbild<br />

auch aus einem anderen Grund: Oftmals<br />

schauen es Menschen, die sich vom linearen<br />

TV verabschiedet haben. Prison: „Das<br />

macht Instream-Werbung für unsere<br />

Kunden hoch attraktiv.“<br />

D<br />

ie Diskussion um eine Bewegtbildwährung<br />

fing eigentlich verheißungsvoll<br />

an. Im Jahr 2008<br />

taten sich die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung<br />

(AGF) und die Arbeitsgemeinschaft<br />

Onlineforschung (Agof) zusammen,<br />

um eben jene Konvention zu<br />

entwickeln, die die Nachfrager wünsch(t)<br />

en. Schon im März 2009 trennten sich die<br />

Wege von AGF und Agof aber wieder, weil<br />

sie nicht auf einen gemeinsamen Nenner<br />

kamen. Kein Wunder: Da es für Onliner<br />

und TV-Sender in der Bilderschlacht um<br />

viel Werbegeld geht, will jeder den Standard<br />

definieren, der für ihn am besten ist.<br />

Für die Fernsehleute steht in erster Linie<br />

im Fokus, die Nutzung ihrer Inhalte über<br />

alle Ausspielwege zu messen. Das ist dem<br />

Online-Lager zu wenig. „TV-Inhalte über<br />

digitale Kanäle sind nur ein Teil dessen,<br />

was an Bewegtbildformaten im Netz existiert<br />

und möglich ist“, hebt Björn Kaspring,<br />

stellvertretender Vorstandsvorsitzender<br />

der Agof, hervor. Das Spektrum<br />

sei im Netz viel breiter, weshalb es sich<br />

nicht auf die verlängerte TV-Ausspielung<br />

reduzieren darf, so Kaspring.<br />

Und so müssen die Nachfrager zusehen,<br />

wie die Bewegtbildkontrahenten in<br />

verschiedene Richtungen marschieren.<br />

Die Agof arbeitet zurzeit an der Maßeinheit<br />

Zeit pro Page Impression und hat<br />

nach den Worten von Kaspring verschiedene<br />

Tests mit Mess- und Erfassungsmethoden<br />

von Bewegtbild-Formaten durchgeführt.<br />

Wie die konkret aussehen werden,<br />

verrät er nicht.<br />

Zuerst will sich die Agof mit ihren<br />

Marktpartnern einigen. Die Konkurrenz<br />

von der AGF hat ihr Messmodell im ver-<br />

TV und Online in<br />

parallelen Welten<br />

Seit Jahren arbeiten AGF und Agof getrennt an einer Konvention für Bewegtbild,<br />

doch Kunden und Agenturen drängen auf einen einheitlichen Standard<br />

gangenen Herbst vorgestellt. Es besteht<br />

aus einer Panel-Erhebung bei mindestens<br />

20000 berichtenden Personen. Ihnen<br />

wird ein Software-Meter im PC installiert,<br />

über das sich Daten zur Demographie,<br />

Nettoreichweite und Nutzungsdauer<br />

der Teilnehmer gewinnen lassen. Bewegtbildanbieter,<br />

die an diesem Verfahren<br />

teilnehmen wollen, müssen einen<br />

Mess-Code in ihren Mediaplayer einbauen.<br />

Demnächst wird die AGF mit der<br />

Messung von gestreamten TV-Inhalten<br />

auf PCs und Notebooks beginnen. „Im<br />

Lauf des Jahres werden erste Ergebnisse<br />

veröffentlicht, 2014 werden sie mit den<br />

gewohnten AGF-Daten fusionierbar<br />

sein“, kündigt AGF-Vorstand Martin<br />

Krapf an. Im kommenden Jahr sollen<br />

dann auch die Streams von Tablets,<br />

Smartphones und Smart-TVs berücksichtigt<br />

werden, sodass sich schließlich<br />

Gesamtnettoreichweiten und Nutzungsüberschneidungen<br />

für lineares und nicht<br />

lineares Fernsehen beziffern lassen.<br />

Wie die AGF betont, soll es sich bei<br />

ihrem Währungsansatz nicht um ein Modell<br />

handeln, dass auf TV zentriert ist.<br />

„Wir können und wollen künftig auch auf<br />

Verlagsseite Bewegtbildinhalte messen,<br />

genauso wie für jegliche anderen Anbieter<br />

von Bewegtbild-Content“, hebt Krapf<br />

hervor. „Absender und Ausspielweg sollen<br />

künftig keine Rolle für den Forschungsauftrag<br />

spielen, sondern nur der<br />

Bewegtbildinhalt.“<br />

Was wie die Lösung aller Probleme<br />

klingt, ist eher das Gegenteil. Indirekt<br />

räumt Krapf ein, dass die Ansätze von<br />

AGF und Agof nicht zusammenpassen.<br />

„Beide haben unterschiedliche Messgegenstände,<br />

es gibt keine Überschneidungen.<br />

Jeder muss seine Angebote über alle<br />

Plattformen messbar machen, und das ist<br />

überschneidungsfrei möglich.“ Kunden<br />

und Agenturen könnten also für ein und<br />

dasselbe Angebot zu unterschiedlichen<br />

Ergebnissen kommen – je nachdem, ob<br />

sie dem AGF- oder Agof-Ansatz folgen.<br />

A<br />

GF und Agof tauschen sich zwar<br />

darüber aus, wie die Arbeiten an<br />

der jeweiligen Bewegtbildmessung<br />

vorangehen. Und Agof-Vize Kaspering<br />

betont auch, dass die Onlineforscher<br />

einen gemeinsamen Marktstandard anstreben<br />

und eine Zusammenarbeit mit<br />

der AGF für empfehlenswert und notwendig<br />

halten.<br />

Im Grunde aber verharren beide Organisationen<br />

in ihrer Parallelwelt, was<br />

keinen von ihnen stärker macht. Das zeigt<br />

sich auch daran, dass es weder AGF noch<br />

Agof geschafft haben, globale Mitspieler<br />

wie Yahoo oder Googles Videoplattform<br />

Youtube in die Diskussion um eine nationale<br />

Konvergenzwährung einzubeziehen.<br />

Was durchaus wichtig wäre, weil sich<br />

auf deren Plattformen immer mehr Videonutzer<br />

tummeln. AGF-Vorstand<br />

Krapf zweifelt jedoch, ob die US-Giganten<br />

mitmachen wollen und fordert:<br />

„Währung sollte für alle gelten.“<br />

Doch der Internetkonzern Google<br />

kann sich angesichts der verfahrenen Lage<br />

elegant aus der Affäre ziehen: „Im Augenblick<br />

ist für uns nicht zu erkennen,<br />

dass irgendeine der Parteien an einer echten<br />

Bewegtbild-Konvention arbeitet“,<br />

kritisiert Google-Sprecher Klaas Flechsig.<br />

„Die Initiative der Fernsehsender beispielsweise<br />

wird aufgrund der gewählten<br />

Methode nur einen Teil der Bewegtbildinhalte<br />

und -werbung erfassen.“ Stattdessen<br />

bläst Flechsig zur Gegenoffensive:<br />

„Wir arbeiten bereits seit Jahren mit der<br />

GfK bei ihrem Media Efficiency Panel zusammen.<br />

Die Fernsehsender sind herzlich<br />

eingeladen, sich daran zu beteiligen.“<br />

Auch Google lebt also in seiner eigenen<br />

Welt, die nach eigenen Regeln funktioniert.<br />

So hat Youtube vor einiger Zeit<br />

das sogenannte True-View-Prinzip eingeführt:<br />

Nutzer können Pre-Roll-Werbung<br />

in Filmchen wegklicken, wenn sie ihnen<br />

nicht gefällt. Die Kunden zahlen nur für<br />

die tatsächlich aufgerufene Werbung, die<br />

Youtube in Form des Active GRP abrechnet.<br />

„True View bedeutet nicht weniger<br />

als die Revolution des Targeting, da Werbungtreibende<br />

damit ausschließlich die<br />

Nutzer ansprechen können, die auch<br />

wirklich Interesse am Werbevideo haben“,<br />

glaubt Flechsig. Das Prinzip soll<br />

Onlinewerbung effizienter und besser<br />

messbar machen, sagt er.<br />

T<br />

atsächlich aber wird die Suche<br />

nach einer Konvergenzwährung<br />

dadurch nur komplizierter. Geht<br />

es nach Vivaki-Manager Prison, dann<br />

muss diese neben der plattformübergreifenden<br />

Bewegtbilderfassung auch Informationen<br />

aus Targeting und Cookies einbeziehen.<br />

Doch genau daran hapert es.<br />

„Die neuen Generationen der TV-Geräte<br />

bieten zwar die Möglichkeit, Cookies zu<br />

setzen und mit der zunehmenden Verbreitung<br />

von Smart-TV hätte man bald<br />

auch genügend Reichweite, um entsprechende<br />

Planungen durchzuführen.“<br />

Trotzdem wäre damit wohl noch keine<br />

Aussteuerung von Bewegtbildinhalten<br />

über verschiedene Geräte hinweg möglich,<br />

glaubt Prison. Der Agenturmanager<br />

träumt vom sogenannten digitalen Fingeraufdruck.<br />

Soll heißen: Jeder Nutzer ist<br />

mit seinen Merkmalen für die Bewegtbildwerbung<br />

künftig identifizierbar und<br />

bekommt seinen individuellen Werbeblock<br />

zu sehen, der sich je nach Empfangsgerät<br />

sogar unterscheiden kann. Angenehmer<br />

Nebeneffekt: Das klassische<br />

Fernsehen könnte damit vollständig in<br />

den medienübergreifenden Kaufentscheidungsprozess<br />

von Marken integriert<br />

werden. Fernseh- und Onlineforscher<br />

dürften Prisons Wunschvorstellungen einiges<br />

Kopfzerbrechen bereiten. Wenn sie<br />

sie in die Tat umsetzen wollen, vergehen<br />

wohl noch ein paar Jahre, ehe die Bewegtbildkonvention<br />

Wirklichkeit wird.


HORIZONT10/2013 7.März2013 REPORT MEDIAPLANUNG I33<br />

Von Nicole Pakalski<br />

Die richtige<br />

Sprache sprechen<br />

Junge Migranten sind<br />

marken-bewusst / Über<br />

türkischsprachige Medien<br />

wird die Zielgruppe<br />

aber nur bedingt erreicht<br />

FOTO: GEZZEG / FOTOLIA<br />

Die E-Plus-Tochter Ay Yildiz wirbt<br />

crossmedial in deutsch- und<br />

türkischsprachigen Medien<br />

genen Leib erleben müssen. Zum 1. März<br />

hat die türkische Zeitung ihre Zentralredaktion<br />

für Deutschland in Frankfurt<br />

aufgelöst. Seit ihrer Gründung vor einem<br />

Jahrzehnt ist die Auflage von 35000<br />

Exemplaren auf weniger als 3500 gesunken.<br />

Ein Schicksal, das „Hürriyet“ mit<br />

den meisten türkischsprachigen Printprodukten<br />

hierzulande teilt. Der Grund:<br />

Türkischstämmige Jugendliche interessieren<br />

sich mehr für Deutschland als für<br />

das Heimatland ihrer Eltern oder Großeltern.<br />

Zudem fehlen ausreichende türkische<br />

Sprachkenntnisse.<br />

Warum ist es überhaupt so wichtig,<br />

die Zielgruppe direkt über die Mediaplanung<br />

anzusteuern? „Hat eine Ethno-Zielgruppe<br />

eine besonders starke Affinität<br />

zu bestimmten Produktkategorien,<br />

bringt der Aufwand für eine spezielle<br />

Kampagne in entsprechenden<br />

Medien einen positiven Return on Investment.<br />

Wie es E-Plus im Telefonmarkt<br />

mit einer eigenen Marke Ay Yildiz<br />

erfolgreich vorgeführt hat“, so Müller. Ay<br />

Yildiz setzt auf Kampagnen in deutschund<br />

türkischsprachigen Medien, aber<br />

auch stark auf Internetplattformen wie<br />

Youtube und Facebook.<br />

Müller zufolge sollten Unternehmen<br />

anstreben, im Ethno-Segment im Vergleich<br />

zum Hauptmarkt überproportional<br />

zu wachsen. „Was kostet ein Prozent<br />

Wachstum im Hauptmarkt und was<br />

kostet dieses Prozent, wenn ich es über<br />

ein Wachstum von 15 Prozent im Ethnomarkt<br />

erreiche?“, fragt er und<br />

fügt hinzu: „Das Wachstum im<br />

Ethnomarkt zu erreichen ist leich-<br />

Jeder fünfte Einwohner in Deutschland<br />

hat einen Migrationshintergrund.<br />

Eine große Zielgruppe mit<br />

hohem Markenbewusstsein: Laut einer<br />

von Mediaplus in Auftrag gegebenen<br />

Studie halten Konsumenten mit Migrationshintergrund<br />

Markenartikel für qualitativ<br />

hochwertiger und achten beim Einkaufen<br />

mehr auf die Marke als auf den<br />

Preis. Besonders junge türkischstämmige<br />

Konsumenten stehen im Fokus der Werbungtreibenden.<br />

„Die Kaufkraft der Türkeistämmigen<br />

in Deutschland beträgt circa<br />

16 Milliarden Euro, was in etwa der<br />

Kaufkraft des Saarlandes entspricht“, sagt<br />

Kirstin Heckelmann, Account Director<br />

bei Starcom Germany.<br />

Da liegt nahe, die Zielgruppe zunächst<br />

über türkischsprachige Publikationen<br />

anzusprechen. „Inzwischen gibt es für die<br />

deutsch-türkische Community alle Basismedien:<br />

TV, Print, Radio und Internet.<br />

Auch Below-the-Line wird für Ethnokampagnen<br />

genutzt“, sagt Steffen Müller,<br />

Ethnomarketing-Experte und Geschäftsführer<br />

von Rockland Radio. Müller war<br />

bis 2009 Geschäftsführer der Radioholding<br />

Moira Rundfunk, zu der auch Radyo<br />

Metropol FM als erster türkischsprachiger<br />

Sender in Deutschland gehört.<br />

Doch: Nur 17 Prozent der Migranten<br />

nutzen laut der Studie überwiegend Medien<br />

in der Sprache ihres Heimatlandes,<br />

68 Prozent konsumieren hauptsächlich<br />

deutsche Medien. „Das Leitmedium der<br />

Migranten und der Deutschen mit Migrationshintergrund<br />

in Deutschland ist<br />

TV, unabhängig vom Alter. Hierbei neigen<br />

Jüngere, die in Deutschland geboren<br />

sind, eher dazu, ausschließlich deutsche<br />

Medien zu nutzen“, ergänzt Heckelmann.<br />

Ein Problem, das auch die Macher der<br />

Europa-Ausgabe der „Hürriyet“ am eiter<br />

möglich, da hier noch kaum Wettbewerber<br />

aktiv sind und die Kommunikation<br />

in der Regel preisgünstig ist.“<br />

Eine Möglichkeit, junge Migranten zu<br />

erreichen, könnte Müller zufolge Geotargeting<br />

sein: „In bestimmten Regionen<br />

oder Stadtteilen erreicht der Bevölkerungsanteil<br />

der Ethnozielgruppe oftmals<br />

einen Anteil, der um ein Vielfaches höher<br />

liegt als der theoretische bundesweite<br />

Prozentanteil.“ Die lokal ausgesteuerte<br />

Ansprache über deutsch-türkische Radiosender,<br />

türkische TV-Sender oder Internetplattformen<br />

hält der Experte für<br />

sinnvoll. Auch Plakat habe ähnlich wie<br />

Radio wegen seiner lokalen Aussteuerbarkeit<br />

Vorteile.<br />

Im TV sei es wichtig, sich der unterschiedlichen<br />

Funktionen, die deutsche<br />

und fremdsprachige Medien bei Migranten<br />

erfüllen, bewusst zu sein, ergänzt Heckelmann:<br />

„Deutsches TV wird in erster<br />

Linie als Informationsmedium genutzt,<br />

als sachlich und vertrauenswürdig empfunden.<br />

Dagegen ist türkischsprachiges<br />

TV eher Unterhaltungsmedium und Lieferant<br />

von Informationen aus dem Herkunftsland.“<br />

Je nach Produkt und seiner<br />

Positionierung sollten diese unterschiedlichen<br />

Funktionen bei der Medienauswahl<br />

unbedingt berücksichtigt werden.<br />

Online werden deutsche Internetseiten<br />

sowie zweisprachige Portale von Migranten<br />

stärker als rein türkische Angebote<br />

genutzt, weiß Heckelmann. Werbungtreibende,<br />

deren Fokus auf Konsumenten<br />

mit Migrationshintergrund liegt, sollten<br />

daher ihre Präsenz auf deutschsprachigen<br />

Internetseiten ausrichten, die Werbemittel<br />

aber genau auf die kulturelle Zielgruppe<br />

ausrichten. „Gerade bei Botschaften,<br />

die einzelne Nationalitäten gezielt ansprechen,<br />

könnten beispielsweise individuelle<br />

Motive geschaltet und über ein<br />

Targeting zielgruppengenau ausgesteuert<br />

werden.“<br />

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34 REPORT MEDIAPLANUNG I<br />

HORIZONT10/2013 7.März2013<br />

In der<br />

Warteschleife<br />

Die Entwicklung der Webradio-Konvention kommt kaum voran /<br />

Vermarkter Audimark hat eine eigene Reichweitenstudie entwickelt<br />

Rivalen<br />

Matthias Mroczkowski (Foto)<br />

will mit seinem Webradiovermarkter<br />

Audiomark an die<br />

Werbeetats des Hörfunks und<br />

hat seine Tausend-Kontakt-<br />

Preise (TKP) dem klassischen<br />

Radio angepasst. RMS-Chef<br />

Florian Ruckert hat sich<br />

dagegen zum Ziel gesetzt,<br />

Webradio wie Internet zu<br />

vermarkten. Er geht mit<br />

deutlich höheren TKPs in den<br />

Markt und will Geld aus dem<br />

Onlinewerbemarkt ziehen. Der<br />

Zwist der beiden Vermarkter<br />

belastet die Verhandlungen<br />

um eine Konvergenzwährung<br />

für Webradio.<br />

Von Guido Schneider<br />

Radionutzung im Internet stagniert<br />

Abruf von Audiodateien im Internet 2008 bis 2012<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

2008 2009 2010 2011 2012<br />

Basis: bis 2009 deutsche Onlinenutzer ab 14 Jahren, ab 2010 deutschsprachige Onlinenutzer ab 14 Jahren<br />

Der Markt der Webradios gilt<br />

als zersplittert. Die BLM-Studie<br />

Webradiomonitor zählt<br />

2012 deutschlandweit mehr<br />

als 3000 Angebote, davon annähernd<br />

2500 ausschließlich im Netz, hinzu kommen<br />

fast 400 UKW-Radios, die ihre<br />

Hauptprogramme parallel auch im Internet<br />

verbreiten, sowie rund 150 Spezialsender,<br />

die den Markennamen eines<br />

UKW-Senders tragen. Trotzdem ist Webradio<br />

noch kein echtes Massenmedium,<br />

denn gerade mal 3,8 Millionen Menschen<br />

ab zehn Jahren hören es täglich.<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass viele<br />

Webradios bis heute nicht nachweisen<br />

können, wen sie eigentlich in welcher<br />

Zahl erreichen. Webradio- und UKW-<br />

Radioanbieter konnten sich bislang nicht<br />

auf einen Standard zur Reichweitenermittlung<br />

einigen. „Die Diskussion um eine<br />

Währung befindet sich in einer Endlosschleife“,<br />

kritisiert Jörg Brandt, Head<br />

of Radio bei der Agentur Omnicom Media<br />

Group (OMG): „Wir benötigen dringend<br />

eine Konvention, damit wir das Medium<br />

nachweisbar empfehlen können.“<br />

Doch die im Herbst 2011 initiierte<br />

Taskforce IP Audio kommt nur langsam<br />

voran. Die Runde wurde von der AG Radio<br />

innerhalb der Arbeitsgemeinschaft<br />

Media-Analyse (AG.MA) ins Leben gerufen;<br />

in ihr berät das Radiolager zusammen<br />

mit dem Bundesverband Digitale Wirtschaft<br />

(BVDW) und einzelnen Webradioanbietern<br />

über die Ausgestaltung einer<br />

Konvention für Onlineradio. Inzwischen<br />

hat die AG.MA bei der Arbeitsgemeinschaft<br />

Onlineforschung einen Test in Auftrag<br />

gegeben. Das Ziel: sich auf einen Standard<br />

zur Logfile-Auswertung zu einigen.<br />

Das dürfte alsbald gelingen, deutet<br />

AG.MA-Radiovorstand Dieter K. Müller<br />

an: „Im nächsten Jahr könnte die Agma<br />

dann erstmals Nutzerzahlen von Webradio<br />

auf einer gemeinsamen Logfile-Basis<br />

vorlegen. Diese werden allerdings nicht direkt<br />

mit der Radio-MA vergleichbar sein.“<br />

D<br />

enn dazu müsste geklärt werden,<br />

wie eine Webradio-Konvention<br />

konkret ausgestaltet sein soll. Eine<br />

Grundsatzentscheidung scheint bereits<br />

gefallen zu sein: „In der Taskforce IP Audio<br />

besteht Konsens, dass wir keine neue<br />

Währung, sondern eine spezifische Erhebungsmethodik<br />

für Webradio benötigen,<br />

um die Angebote mit dem UKW-Radio<br />

vergleichbar zu machen“, sagt Matthias<br />

Mroczkowski, Geschäftsführer des Düsseldorfer<br />

Vermarkters Audimark.<br />

Dabei genügt es nicht, nur Streams<br />

auszuwerten, benötigt werden personalisierbare<br />

Daten. „Ich kann mir vorstellen,<br />

dass die telefonisch erhobene Radio-MA<br />

die Grundlage für die Personalisierung<br />

der über Server gewonnenen Webradio-<br />

(zumindest gelegentlich, in Prozent)<br />

Radioprogramme<br />

live im Internet<br />

Musikdateien<br />

andere<br />

Audiodateien<br />

Audios von<br />

Radiosendungen<br />

zeitversetzt<br />

Audiopodcasts<br />

Quelle: ARD/ZDF Onlinestudien 2008-2012, Media Perspektiven HORIZONT 10/2013<br />

Daten liefert“, regt Florian Ruckert, Geschäftsführer<br />

von Radio Marketing Service<br />

(RMS) an. „Durch Fusion in die MA<br />

Radio hätte man dann auch die Konvergenzwährung<br />

Audio, die eine einheitliche<br />

Planung von UKW- und Webradio ermöglichen<br />

würde.“<br />

aut Ruckert treibt RMS die Entwicklung<br />

einer Konvention aktiv voran.<br />

L<br />

Doch im Vermarktungsalltag tut sich das<br />

Unternehmen schwer: „Wir halten nichts<br />

davon, Webradio wie UKW-Radio anzubieten,<br />

denn bei Webradio ist der USP ein<br />

anderer“, sagt Ruckert. Also verkauft<br />

RMS das Online-Audio-Angebot nach<br />

Internet-Kriterien. Was scheinbar naheliegt,<br />

denn der Radiovermarkter will an<br />

die Online-Etats. Also darf Webradio<br />

nicht sein UKW-Kerngeschäft kannibalisieren.<br />

Und so rechnet RMS beim Webradio-Kunden<br />

ausgelieferte Kontakte ab,<br />

bietet Targeting und Frequency Capping.<br />

Für die Kunden geht das allerdings ins<br />

Geld: RMS nimmt zweistellige Brutto-<br />

Tausend-Kontakt-Preise (TKP), wie sie<br />

für Bannerwerbung üblich sind.<br />

Agenturexperte Brandt ist das Hin<br />

und Her zwischen Radio und Online zuviel:<br />

„Ich verstehe nicht, weshalb RMS das<br />

Webradio-Angebot einerseits als Radio<br />

einstuft, es dann aber wie Online vermarkten<br />

will und TKPs aufruft, die weit<br />

über dem klassischen Radio liegen.“<br />

Brandt kritisiert auch, dass RMS das eigene<br />

Online-Audio-Angebot als qualitativ<br />

hochwertig einstuft, dies aber nicht<br />

mit Zahlen belegen kann.<br />

Mroczkowski hält die Positionierung<br />

von RMS ebenfalls für unglücklich:<br />

„Wenn der TKP eines 30-Sekünders in<br />

der RMS Super Kombi unter 3 Euro liegt,<br />

kann man nicht das Zehnfache für den<br />

gleichen Spot im Webradio verlangen.“<br />

Audimark hat seine TKPs hingegen dem<br />

klassischen Radio angenähert. In seiner<br />

Top-Kombi kosten tausend Kontakte in<br />

Zoff um Spotlängen<br />

Florian Ruckert war wenige Monate<br />

Chef des Hörfunkvermarkters<br />

Radio Marketing Service (RMS),<br />

als er im September 2011 eröffnete,<br />

dass RMS ab 2012 einen Spotlän-<br />

Vor mehr als einem Jahr hat RMS disproportionale Preise eingeführt /<br />

genbonus einführen wird. Das disproportionale<br />

Preismodell hat der vormalige<br />

Die Kritik am neuen Tarifsystem reißt nicht ab<br />

Manager von IP Deutschland aus dem<br />

TV-Markt entlehnt: Kürzere Spots wurden<br />

in Relation zu längeren teurer. Damit<br />

will Ruckert die Kundenzu einem anderen<br />

Buchungsverhalten motivieren.<br />

Der Erfolg lässt auf sich warten: 2012<br />

sind die Spots bei RMS nicht länger, sondern<br />

kürzer geworden. Lag der Mittelwert<br />

2011 bei 21,7 Sekunden, so betrug er<br />

2012 lediglich 21,5 Sekunden. RMS hat es<br />

zwar geschafft, mehr Spots mit Längen<br />

zwischen 31 und 60 Sekunden zu vermarkten.<br />

Doch nach wie vor sind annähernd<br />

80 Prozent des gesamten Spotaufkommens<br />

kürzer als 30 Sekunden.<br />

Für Thorsten Storck, Managing Director<br />

von Zenith München, steht daher<br />

fest, dass das Modell in erster Linie ein<br />

Instrument zur versteckten Preiserhöhung<br />

ist: „Die Länge von Radiospots<br />

Von Guido Schneider<br />

muss sich danach richten, wie viel Zeit die<br />

Kreation für eine Werbebotschaft<br />

braucht. Meist sind dabei Längen von 20<br />

Sekunden oder kürzer das Mittel der<br />

Wahl.“ Aber die sind nun teurer. RMS-<br />

Chef Ruckert spürt angeblich dennoch<br />

Kein Trend zu längeren Spots<br />

Entwicklung der Radiospotlängen 2011/2012<br />

Durchschn. Spotlänge in Sek.<br />

2012 2011<br />

Veränd.<br />

in<br />

Prozent<br />

keine ablehnende Haltung: „Schon nach<br />

kürzester Zeit waren unsere disproportionalen<br />

Preise kein Thema mehr im<br />

Markt.“ Das habe auch an den moderaten<br />

Aufschlägen gelegen. Wenn Kunden und<br />

Agenturen keine längeren Spots schalten,<br />

0-7<br />

Sek.<br />

2012<br />

Veränd. zu<br />

2011 in<br />

Prozent<br />

8-15<br />

Sek.<br />

2012<br />

Veränd. zu<br />

2011<br />

in Prozent<br />

ist das für ihn ein Beleg dafür, dass die<br />

Werbewirkung bei ihnen hinter anderen<br />

Kriterien zurücksteht. Spots werden kürzer,<br />

weil der Einkauf auf einen niedrigeren<br />

Cost per Gross Rating Point (GRP)<br />

drängt, glaubt Ruckert: „Wenn das für<br />

Quelle: Nielsen, eigene Berechnungen HORIZONT 10/2013<br />

16-29<br />

Sek.<br />

2012<br />

Veränd. zu<br />

2011<br />

in Prozent<br />

30<br />

Sek.<br />

2012<br />

Veränd. zu<br />

2011<br />

in Prozent<br />

31-45<br />

Sek.<br />

2012<br />

Veränd. zu<br />

2011<br />

in Prozent<br />

Radio gesamt 21,29 21,38 –0,4 217,3 4,9 812,9 10,4 1791,6 1,1 371,9 3,5 307,4 22,9 59,2 –15,9<br />

RMS 21,46 21,65 –0,9 128,9 8,9 471,4 15,8 1005,8 3,5 207,5 6,2 200,3 26,1 37,5 –11,1<br />

AS&S Radio 20,83 20,79 0,2 87,0 –0,7 335,1 3,7 768,5 –1,9 158,9 0,8 103,0 18,1 15,8 –33,1<br />

45-60<br />

Sek.<br />

2012<br />

Veränd. zu<br />

2011<br />

in Prozent<br />

der Zielgruppe 14plus 3,45 Euro und sind<br />

damit nicht viel teurer als in der RMS<br />

Super Kombi. Und weil Audimark nicht<br />

ewig auf eine Konvergenzwährung warten<br />

will, bietet es seinen Kunden mit dem<br />

Webradiotest eine eigene Studie für sein<br />

Portfolio, die es gemeinsam mit TNS Infratest<br />

entwickelt hat. Die Studie wertet<br />

technisch gemessene Streams aus und<br />

führt sie mit Befragungsdaten aus einem<br />

Online-Panel mit 3000 Webradiohörern<br />

und einer repräsentativen Telefonbefragung<br />

von 3500 Personen zusammen.<br />

R<br />

uckert lehnt den Webradiotest ab:<br />

„Er entspricht nicht dem AG.MA-<br />

Standard und wird eine Währung nicht<br />

ersetzen können.“ Audimark fordert er<br />

auf, sich an einer gemeinsamen Währung<br />

zu beteiligen und nicht länger eine „forscherische<br />

Extrawurst zu braten“. Doch<br />

Mroczkowski liegt der Schulterschluss<br />

mit dem Markt am Herzen: „Wir wollen<br />

möglichst schnell einen Konsens mit<br />

Kunden und Agenturen erzielen.“ Der<br />

Audimark-Chef braucht die Werbeerlöse<br />

aus der Audiovermarktung dringender<br />

als die große RMS und hat es eilig in<br />

Sachen Währung. Er kann sich sogar vorstellen,<br />

sein Reichweitenmodell in die<br />

AG.MA einzubringen, um die Sache zu<br />

beschleunigen: „Ich frage mich aber, ob<br />

RMS und AS&S es übernehmen wollen.“<br />

OMG-Manager Brandt lobt Audimarks<br />

Bemühungen um Leistungsnachweise:<br />

„Der Webradiotest ist zwar nicht<br />

der Weisheit letzter Schluss, methodisch<br />

ist er aber in Ordnung und hilft uns.“<br />

Dem Mediaexperten gefällt auch die Orientierung<br />

der TKPs an denen von UKW:<br />

„Viele Kunden sind nicht bereit, einen<br />

höheren TKP als im klassischen Radio zu<br />

akzeptieren. Der Ansatz von Audimark,<br />

sich auf Basis von TKPs des UKW-Radios<br />

zu vermarkten, ist daher verständlich.“<br />

Interessant: Seit März sind die Audimark-Angebote<br />

mit Preisinfos in der Planungssoftware<br />

Radio Xpert enthalten<br />

und können mit den UKW-Tarifen verglichen<br />

werden. RMS stellt dort keine Tarifdaten<br />

für seine Online-Audio-Angebote<br />

ein. Auch auf der Homepage finden sie<br />

sich derzeit nicht, was sich aber bald ändern<br />

soll, beteuert Ruckert. Nach seinen<br />

Worten hat RMS 2012 einen hoch siebenstelligen<br />

Betrag mit Online-Audio erzielt,<br />

der Nettoumsatz dürfte angesichts der<br />

TKP-Problematik weit darunter liegen.<br />

Konkurrent Audimark spricht für 2012<br />

von einem Nettoumsatz im einstelligen<br />

Millionenbereich und konnte die Gewinnziele<br />

angeblich übertreffen. Stimmt<br />

dies, wäre es beachtlich für ein Unternehmen,<br />

das die großen Radiovermarkter<br />

partout nicht ernst nehmen wollen.<br />

Kunden und Agenturen die einzige Zielgröße<br />

ist, dann besteht für sie ein Anreiz,<br />

das Werbemittel immer weiter zu verkürzen.<br />

Dem wollten wir etwas entgegensetzen.“<br />

Außerdem ist er überzeugt, dass<br />

längere Spots besser wirken als kurze.<br />

Jörg Brandt, Head of Radio bei Omnicom<br />

Media Group, widerspricht: „Längere<br />

Spots wirken nicht per se besser. Wichtiger<br />

ist, ob ein Spot am Point of Sale die<br />

gewünschte Wirkung erzielt.“ Kritik<br />

kommt auch vom RMS-Rivalen AS&S<br />

Radio: „Die Kreation eines Spots hat wesentlich<br />

stärkeren Einfluss auf die Werbewirkung<br />

als die Spotlänge“, sagt Geschäftsführer<br />

Oliver Adrian. „Ein gut gemachter<br />

Spot wirkt auch, wenn er kurz ist<br />

– und umgekehrt.“ AS&S Radio will das<br />

Modell nicht nachahmen: „Wir sehen<br />

keinen Vorteil darin, den Marktpartnern<br />

ein Preismodell aufzuzwingen, das sich<br />

nicht sinnvoll mit wichtigen Kommunikationszielen<br />

in Einklang bringen lässt.“<br />

Auch aus dem Agenturlager bläst Gegenwind.<br />

Zenith-Manager Storck wirft<br />

RMS vor, die Funktion von Radio im Gattungsmix<br />

zu missachten: „Es wird überwiegend<br />

als taktisches Medium genutzt.<br />

Wer ‚20 Prozent auf alles‘ kommunizieren<br />

will, braucht keine 30 Sekunden.“


HORIZONT10/2013 7.März2013 REPORT MEDIAPLANUNG I35<br />

Bestens sortiert<br />

und aufgeräumt<br />

Mit einem neuen Tool bietet MSW Mediaplanern ein<br />

zusätzliches Feature für das Datenmanagement<br />

Von Elke Jacob<br />

Die gute alte Tarifkiste birgt den<br />

größten Schatz vieler Mediaplaner.<br />

Prall gefüllt mit Informationen<br />

der Verlage über<br />

Anzeigenpreise, Ansprechpartner und<br />

Sonderpublikationen verlangt sie vor allem<br />

eines: gut gepflegt zu werden. Doch In der Tarifkiste sollen alle Daten immer auf dem neuesten Stand sein<br />

bei 18000 Printtiteln mit 30000 unterschiedlichen<br />

Belegungseinheiten ist das Kunden sein, in der alle Titel enthalten<br />

leichter gesagt als getan. Die meisten sind, die auf dem Mediaplan dieses Werbungtreibenden<br />

stehen. Oder es sind Kis-<br />

Agenturen haben zwar ihre eigenen Programme<br />

entwickelt, um der Datenflut ten, die für ein spezielles Branchensegment<br />

angelegt werden. Die reinen Media-<br />

Herr zu werden. Ein einheitliches Standardprogramm<br />

für das Kommunikationsmanagement<br />

zwischen Agenturen se oder Erscheinungstermine, können die<br />

daten, wie zum Beispiel die Anzeigenprei-<br />

und Verlagen gab es bislang aber nicht. Planer mit den Kontaktdaten ihrer Ansprechpartner<br />

bei den Medienvermark-<br />

Diese kommunikative Lücke war Jens<br />

Below seit langem ein Dorn im Auge. tern versehen. Auch können sie die Datensammlung<br />

mit Kollegen teilen und ab<br />

Über ein Jahr hat der Projektleiter von<br />

Mediaservice Wasmuth (MSW) in Hamburg<br />

mit den Programmierern nun an sein, eine komplette Tarifkiste im Internet<br />

Ende März wird es laut Below möglich<br />

einem Tool getüftelt, das sie schließen an den Kunden oder Externe zu verschicken.<br />

In dieses Paket kann dann zusätz-<br />

soll. Es heißt schlicht „MSW Tarifkiste“<br />

und ist ein zusätzliches Feature, das an die lich der gültige Mediaplan, eine Präsentation<br />

oder die Monatsauswertung gepackt<br />

Datenbank Planbasix von MSW andockt.<br />

Laut Bredow haben alle Top-20-Mediaagenturen<br />

eine Lizenz für Planbasix, Mediaplanern heiß geliebte Excel-Pro-<br />

werden. Last but not least kommt das von<br />

weil sie die Aktualisierung der Mediadaten<br />

für Print, Hörfunk, Online, Mobile zufolge können sämtliche Angaben, die<br />

gramm nicht zu kurz. Belows Angaben<br />

und Apps selbst nicht mehr bewältigen. in der Tarifkiste hinterlegt sind, als Excel-<br />

Das erledigen stattdessen 35 Mitarbeiter Datei exportiert werden.<br />

von MSW, die diese Daten täglich erfassen<br />

und nachts als Updates an die Agenturen<br />

senden. „Wir liefern sozusagen das Programms aber ist, dass sämtliche<br />

ine der wichtigsten Funktionen des<br />

Blut für die Planungsprogramme der Mediaagenturen“,<br />

sagt Below.<br />

E Daten in der Tarifkiste wie bei<br />

Seit Februar ist nun das Zusatzfeature<br />

Tarifkiste auf dem Markt. Im Wesentlichen<br />

können Planer damit ihre eigenen<br />

virtuellen Tarifkisten anlegen. Das kann<br />

die separate Schachtel für einen einzelnen<br />

Mediaservice MSW<br />

Seit mehr als 20 Jahren<br />

entwickelt das Hamburger<br />

Unternehmen Softwarelösungen<br />

für den Werbe- und<br />

Mediamarkt. Mit Planbasix<br />

liefert MSW tagesaktuelle<br />

Media- und Tarifdaten. Darauf<br />

setzt das neue Zusatzfeature<br />

MSW Tarifkiste auf, womit die<br />

Planer in den Agenturen ihre<br />

Unterlagen organisieren<br />

können. Für Abonnenten der<br />

MSW-Mediadaten kostet die<br />

Lizenz pro Arbeitsplatz und<br />

Monat 49 Euro. Für Neukunden<br />

beträgt der Lizenzpreis<br />

79 Euro pro Monat und<br />

Arbeitsplatz. Die Tarifkiste<br />

beinhaltet die Mediadaten<br />

von 18000 deutschsprachigen<br />

Printtiteln und soll bis Ende<br />

März auf Online, Mobile und<br />

Apps erweitert werden.<br />

Planbasix permanent im Hintergrund<br />

aktualisiert werden. Sobald sich bei einem<br />

Titel etwas ändert, weil zum Beispiel<br />

demnächst ein Sonderheft produziert<br />

wird, macht ein roter Punkt auf dem Icon<br />

der entsprechenden Tarifkiste den Planer<br />

auf die Veränderung aufmerksam. „Vieles<br />

davon kriegen die Planer sonst gar<br />

nicht mit“, betont Below.<br />

Seinen Angaben zufolge ist das Feedback<br />

aus den Agenturen sehr gut. Vor<br />

allem, dass sie selbst entscheiden können,<br />

ob sie sich die Informationen anschauen<br />

wollen oder nicht, wenn der rote Punkt<br />

aufpoppt, gefällt den Anwendern.<br />

Schließlich will MSW auf keinen Fall ein<br />

weiterer Spam-Lieferant werden.<br />

„Die neue Benutzeroberfläche kann<br />

sich sehen lassen“, sagt denn auch Thomas<br />

Petermichl. Er ist Mediaberater bei<br />

der Agentur Pilot Hamburg, die MSW<br />

neben weiteren Agenturen am Entwicklungsprozess<br />

beteiligt hat. Das beste<br />

Funktion des Programms ist für ihn tatsächlich<br />

die Benachrichtigung via rotem<br />

Punkt, wenn für seine ausgewählten Mediadaten<br />

Aktualisierungen vorliegen.<br />

„Das erspart eine Menge Recherchezeit“,<br />

stellt Petermichl fest. Mehr Lorbeeren hat<br />

der Pilot-Berater nicht zu verteilen, denn<br />

„man kann nicht sagen, dass wir auf dieses<br />

Programm gewartet haben“. Schließlich<br />

verwende die Pilot-Gruppe bereits<br />

andere Softwaresysteme, um die wichtigsten<br />

Informationen über die Mediadaten<br />

abrufen und weiterverarbeiten zu<br />

können. Das Aktualisierungs-Feature sei<br />

zwar sehr praktisch, „aber eben auch<br />

nicht essenziell genug, um Investitionen<br />

in eine teure Lizenz zu rechtfertigen“.<br />

Es geht also um den Preis: für Bestandskunden<br />

liegt er bei 49 Euro pro<br />

Arbeitsplatz und Monat. Neukunden<br />

müssen 79 Euro im Monat je Arbeitsplatz<br />

berappen. Der Preis reduziert sich zwar<br />

nach der Anzahl der Lizenzen, die eine<br />

Mediaagentur erwirbt, aber bei 50 bis 60<br />

Planern in einer großen Agentur kommt<br />

eine stattliche Summe zusammen.<br />

Mit diesen zusätzlichen Kosten hadert<br />

auch Norbert Andermann, Geschäftsführer<br />

von GFMO OMD. „Das Produkt als<br />

solches stellen wir nicht in Zweifel, denn<br />

das ist gut, aber die Kosten stehen nicht<br />

im Verhältnis zu den Vorteilen, die es<br />

bringt“, sagt der Geschäftsführer der<br />

Hamburger Omnicom-Tochter. Bei<br />

GFMO OMD habe man daher definitiv<br />

entschieden, keine Lizenz zu erwerben.<br />

Auf den MSW-Manager Below wartet<br />

also noch ein hartes Stück Überzeugungsarbeit.<br />

Dennoch ist er zuversichtlich,<br />

dass er das neue Feature an alle Lizenznehmer<br />

von Planbasix verkaufen<br />

wird. Unterschrieben habe allerdings<br />

noch keiner, aber die Gespräche seien im<br />

vollen Gange.<br />

Ein Goodie hat Below schon im Angebot:<br />

Wer bis Ende März eine Lizenz für<br />

die Tarifkiste erwirbt, kann kostenlos die<br />

Programmerweiterung für Online, Mobile<br />

und Apps nutzen, die ab April verfügbar<br />

sein soll. Als nächste Gattung wird<br />

sich Below dann den Radiobereich vorknöpfen,<br />

sodass die Tarifkiste alle Mediengattungen<br />

wie Planbasix abdeckt.<br />

D<br />

iese Zusatzfunktionen sind allerdings<br />

ein Kinderspiel im Vergleich<br />

zu dem Verlagskanal, den<br />

MSW als Gegenstück zur Tarifkiste entwickeln<br />

will. Damit sollen die Anzeigenabteilungen<br />

der Verlage ihre eigenen Mediadaten<br />

verwalten und das relevante Titel-Set<br />

für den Werbekunden eines Planers<br />

in der Mediaagentur mit Zusatzinformationen<br />

anreichern. Wenn also der<br />

Themenplan eines Titels aktualisiert<br />

wird, verschickt die Anzeigenabteilung<br />

des Verlags ihre Kiste an alle Planer, die<br />

diesen Titel in ihrer Box haben. „Das ist<br />

für beide Seiten ein Mehrwert, der viel<br />

Spam vermeidet“, erklärt Below. Wenn es<br />

nach ihm geht, wird daraus sogar ein direkter<br />

Kommunikationskanal, über den<br />

auf dem schnellsten Weg ein Preisangebot<br />

eingeholt werden kann. Die kommenden<br />

Wochen werden zeigen, ob Mediaagenturen<br />

und Verlage dafür tatsächlich ein<br />

MSW-Tool brauchen oder doch lieber<br />

kurz anrufen.<br />

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36 REPORT MEDIAPLANUNG I<br />

HORIZONT10/2013 7.März2013<br />

Netzwerk mit<br />

Nachholbedarf<br />

Facebook kurbelt sein Werbegeschäft an. Mediaexperten sehen<br />

attraktive Möglichkeiten, aber auch noch viele Baustellen.<br />

Von Klaus Janke<br />

Zehn Monate nach dem verpatzten<br />

Börsengang hat sich am<br />

Grundproblem von Facebook<br />

nicht viel geändert: Das Netzwerk<br />

muss sein Werbegeschäft noch stärker<br />

ankurbeln. Die ersten Resultate der<br />

Anstrengungen zeigen sich immerhin: Im<br />

4. Quartal 2012 lagen die Werbeumsätze<br />

gegenüber dem Vorjahresquartal um 41<br />

Prozent im Plus und betrugen 1,33 Milliarden<br />

US-Dollar. Hinzu kommen 256<br />

Millionen US-Dollar auf Bezahlvorgänge<br />

und sonstige Services. Zahlen für den<br />

deutschen Markt veröffentlicht Facebook<br />

nicht. Allgemein gilt die Faustregel: 10<br />

Prozent des Gesamtumsatzes entfallen<br />

auf Deutschland.<br />

Hierzulande befindet sich das soziale<br />

Netzwerk in einer sehr wichtigen Phase:<br />

„Viele Werbungtreibende prüfen zurzeit,<br />

ob sie Facebook als Regelmedium in den<br />

Mediaplan aufnehmen“, beobachtet<br />

Passgenau und kalkulierbar: die neuen Facebook-Angebote<br />

● Facebook Exchange (FBX): Im September<br />

2012 eingeführt, ermöglicht die neue Plattform,<br />

Anzeigen auf Facebook im Rahmen von Real Time<br />

Bidding zu kaufen. FBX erlaubt es erstmals, per<br />

Targeting Informationen über das Surfverhalten<br />

von Nutzern außerhalb von Facebook mit Daten<br />

aus dem Netzwerk zu verbinden. Werbekunden<br />

können ihre Daten mit denen von Facebook verknüpfen,<br />

um beispielsweise Besucher ihrer Website<br />

später auf Facebook wieder zu kontaktieren.<br />

Integrierbar ist dabei ein sogenanntes Ad Choices<br />

Icon, das den Nutzer informiert, warum er die<br />

Werbung sieht, und wie ein Opt-out wählbar ist.<br />

Von Klaus Janke<br />

● Custom Audiences: Das auch im vergangenen<br />

September gestartete Angebot macht ebenfalls<br />

ein „Wiedersehen“ mit Nutzern möglich. Über<br />

Custom Audiences kann zum Beispiel ein Schuhgeschäft<br />

Facebook-Nutzer kontaktieren, die dort<br />

bereits Schuhe gekauft haben. Dies läuft über die<br />

verschlüsselte E-Mail-Adresse des Kunden, die das<br />

Geschäft an Facebook übermittelt. Über diese Information<br />

kann der Nutzer speziell an ihn gerichtete<br />

Anzeigen zugespielt bekommen.<br />

● Conversion Tracking: Um Konversionsraten<br />

von Kampagnen auf Facebook zu ermitteln, können<br />

Werbungtreibende seit November 2012 das<br />

Tool Conversion Tracking nutzen. Das System ermöglicht<br />

eine ROI-Messung, indem es anonymisiert<br />

anzeigt, wann ausgewählte Nutzeraktionen<br />

auf externen Websites (zum Beispiel Käufe oder<br />

Registrierungen) stattfinden, nachdem der betreffende<br />

Nutzer mit einer bestimmten Werbung auf<br />

Facebook in Berührung gekommen ist. Die Werbekunden<br />

können über ein optimiertes Cost-per-<br />

Thousand-Bidding (CPM) Anzeigen für Nutzer<br />

schalten, die am wahrscheinlichsten mit ihrer<br />

Website interagieren werden. Das Verfahren ist<br />

laut Facebook auf die einzelnen Aktionen kalkuliert<br />

preisgünstiger als Cost-per-Click-Bidding.<br />

Für den Content-Targeting-Test richtete Axel Springer die Website „Deutschland Jetzt“ ein<br />

Maßgeschneidert<br />

Targeting bleibt ein Top-Thema,<br />

umstritten ist jedoch, ob der<br />

Funke vom Werbe- in den Content-Bereich<br />

überspringen wird:<br />

Kann man mit Content Targeting mehr Klicks einsammeln?<br />

Ist es sinnvoll, auch Website-Inhalte auf<br />

Basis von Nutzerdaten zu personalisieren?<br />

Sehr aktiv sind bereits E-Commerce-<br />

Die Publisher sind interessiert, aber auch skeptisch.<br />

Anbieter, die den Besuchern maßgeschneiderte<br />

Seiten präsentieren. Laut<br />

dem Berliner Targeting-Dienstleister<br />

Nugg.ad besteht auch im redaktionellen<br />

Bereich wachsendes Interesse: „Wir sprechen<br />

mit zahlreichen großen Medienhäusern<br />

über die Möglichkeiten, die Content<br />

Targeting bietet“, erklärt Christoph Klemann,<br />

Director Content Solutions bei<br />

Nugg.ad. „Letztlich ist es eine Win-win-<br />

Strategie: Die Publisher erhöhen Klickzahlen<br />

und Verweildauer, die Nutzer bekommen<br />

ein relevanteres Angebot.“<br />

Bei der Umsetzung raten die Dienstleister,<br />

zwei Faktoren zu berücksichtigen:<br />

„Content Targeting sollte für den Nutzer<br />

immer auch als solches erkennbar sein“,<br />

sagt Klemann. „Eine Opt-out-Möglichkeit<br />

ist unverzichtbar.“ Zudem sollte man<br />

nicht gleich die gesamte Website personalisieren,<br />

sondern mit ein bis zwei Elementen<br />

beginnen, und das zunächst nach einfachen<br />

Kriterien: „So kann man etwa Beiträge<br />

sehr einfach nach dem Geschlecht<br />

des Website-Besuchers aussteuern“, erklärt<br />

Alexander Siebert, Geschäftsführer<br />

des Berliner Dienstleisters Retresco.<br />

Trotz der Vorteile, die Content Targeting<br />

verspricht, zögern die deutschen<br />

Publisher. Der technische Aufwand ist<br />

hoch. Die Kosten müssen über nachweislich<br />

höhere Klickzahlen und damit mehr<br />

Werbeumsatz wieder hereinkommen.<br />

„Für viele Agenturen<br />

gehört Social<br />

Advertising nicht zur<br />

Kernkompetenz“<br />

F. Scott Woods, Facebook Deutschland<br />

Christian Bachem, Partner der Berliner<br />

Strategieberatung Companion. Und das<br />

Urteil fällt nicht immer positiv aus: „Social<br />

Media ist wichtig“, konstatierte etwa<br />

kürzlich Moritz Roth, Marketingchef von<br />

Microsoft Deutschland, „aber nicht als<br />

Werbekanal.“ (HORIZONT1-2/2013)<br />

Um die Skeptiker vom Gegenteil zu<br />

überzeugen, zieht Facebook alle Register.<br />

Im vergangenen Herbst wurden die neuen<br />

Targeting-Angebote Facebook Exchange<br />

und Custom Audiences eingeführt<br />

(siehe Kasten), die in Deutschland<br />

zurzeit von den ersten Kunden getestet<br />

werden. Zudem schafft der Konzern immer<br />

neue Cases heran, um die notorisch<br />

bezweifelte Abverkaufswirkung von<br />

Facebook zu belegen – etwa in Kooperation<br />

mit Nestlé (HORIZONT 50/2012).<br />

Ein großer Hemmschuh ist nach wie<br />

vor die Komplexität: Werbung auf Facebook<br />

ist eine Wissenschaft sui generis.<br />

„Man braucht in einer Mediaagentur<br />

Spezialisten, die sich nur darauf konzentrieren“,<br />

glaubt Chris Kohn, Director Digital<br />

Business Development bei der Mediaagentur<br />

Zenith Optimedia. Aber, so<br />

Kohn: „Das lohnt sich durchaus.“<br />

Schließlich bietet Facebook mittlerweile<br />

ein weltweites Netzwerk mit mehr als einer<br />

Milliarde Nutzern, in Deutschland<br />

sind es rund 25 Millionen.<br />

Neben der kostenlosen Einrichtung<br />

von Fan-Pages stehen den Werbungtreibenden<br />

zahlreiche Paid-Werbeformen<br />

zur Verfügung. Die wichtigsten sind klassische<br />

Bannerwerbung sowie Sponsored<br />

Stories, also „Likes“ und Kommentare<br />

von Nutzern, die deren Freunden gezeigt<br />

werden. „Die Sponsored Stories stellen<br />

die attraktivste Werbeform dar“, so<br />

Kohn. „Die klassischen Banner funktionieren<br />

nicht so gut.“<br />

Abgerechnet wird je nach Format<br />

nach TKP oder Cost-per-Click. Mit dem<br />

rasanten Wachstum des Netzwerks sind<br />

die Preise zuletzt deutlich gestiegen, Kohn<br />

hält die CPC-Preise dennoch für attraktiv.<br />

Etwas skeptischer ist Andreas Bersch,<br />

Geschäftsführer der Berliner Werbeagentur<br />

Brandpunkt: „Man kann nicht sagen,<br />

dass Facebook teuer ist, aber man muss<br />

bei der Mediaplanung schon sehr genau<br />

arbeiten.“ Bei Kampagnen, die Brandpunkt<br />

betreut, liegt der CPC-Preis in der<br />

Regel unter einem Euro. Für besonders<br />

interessante Zielgruppen werden aber im<br />

Markt auch über 2 Euro gezahlt. Bersch<br />

empfiehlt, „in erster Linie Werbung für<br />

Facebook-Fanseiten oder Apps zu schalten.<br />

So rechtfertigt sich der relativ hohe<br />

Preis, da man dann ja ausschließlich eingeloggte<br />

Facebook-User erreicht, was für<br />

dieses Kommunikationsziel optimal ist.“<br />

Auf Facebook aktiv zu sein, heißt vor<br />

allem, sich immer wieder auf neue Rahmenbedingungen<br />

einzustellen. So gilt seit<br />

Januar 2013 eine neue Regel, nach der<br />

Fotos in Sponsored Stories im Newsfeed –<br />

ein besonders gefragtes Format – nur<br />

noch zu einem Fünftel aus Text bestehen<br />

dürfen. „Die neue 20-Prozent-Regel<br />

zwingt uns zurzeit zu einigen Umstellungen“,<br />

so Kohn. „Facebook will offenbar<br />

dafür sorgen, dass die Werbung attraktiver<br />

und emotionaler wirkt.“<br />

Das Wissen über disese Einzelheiten<br />

ist noch keineswegs selbstverständlich:<br />

„Für viele klassische Agenturen (Media<br />

und Werbung) gehört Social Advertising<br />

nicht zur Kernkompetenz“, sagt F. Scott<br />

Woods, der das deutsche Facebook-Büro<br />

in Hamburg leitet. „Und viele Agenturen<br />

haben noch kein Geschäftsmodell gefunden,<br />

wie sie ihre Leistungen auf Facebook<br />

für ihre Kunden abrechnen.“<br />

Das Netzwerk muss sich vorwerfen<br />

lassen, seine Kunden in der Vergangenheit<br />

zu wenig unterstützt zu haben, aber<br />

das hat sich geändert: „Der Service, den<br />

Facebook Agenturen und Werbungtreibenden<br />

bietet, ist deutlich besser geworden“,<br />

sagt Bersch.<br />

Dennoch bleiben viele Herausforderungen:<br />

„Vor allem erhalten Werbungtreibende<br />

nach wie vor zu wenig Transparenz<br />

über Wert und Wirkung ihrer<br />

Werbung bei Facebook“, sagt Bachem.<br />

Strategisch sei Facebook Exchange zwar<br />

genau der richtige Schritt für das Unternehmen,<br />

die Euphorie im deutschen<br />

Markt sei aber unter anderem deshalb begrenzt,<br />

„weil es Vorbehalte gegen die Datenschutzpraxis<br />

bei Facebook gibt“.<br />

Für Facebook wird jedoch entscheidend<br />

sein, ob das Geschäft mit der mobilenWerbung<br />

funktioniert. Immer mehr<br />

Nutzer wählen sich mittlerweile über das<br />

Smartphone ein. Weltweit lag die Zahl<br />

der täglichen mobilen Facebook-User im<br />

Dezember 2012 erstmals höher als die der<br />

stationären. Um hier attraktiv zu werben,<br />

können bildschirmfüllende Sponsored<br />

Stories im Newsfeed geschaltet werden –<br />

ein Schritt in die richtige Richtung.<br />

„Facebook will, dass<br />

die Werbung<br />

attraktiver und<br />

emotionaler wirkt“<br />

Chris Kohn, Zenith Optimedia<br />

Zudem erfahren Online-Angebote, die<br />

sich der Nutzer individuell zusammenstellen<br />

kann, bislang nur geringen Zuspruch<br />

– offenbar wünschen Nutzer nicht<br />

zwangsläufig Personalisierung.<br />

Dennoch haben die Website-Betreiber<br />

das Thema im Blick: „Sofern diese Möglichkeit<br />

von unseren Nutzern als relevanter<br />

Mehrwert betrachtet wird, ist Content<br />

Targeting sicher eine Option“, erklärt etwa<br />

Thomas Rebbe, Redaktionsleiter von<br />

Web.de und GMX. Man teste die Möglichkeiten<br />

regelmäßig.<br />

Interessiert ist auch Axel Springer. Mit<br />

Unterstützung von Nugg.ad unternahm<br />

der Verlag 2011 einen Test, bei dem über<br />

Suchmaschinen-Keywords generierter<br />

Traffic auf die eigens dazu erstellte Nachrichten-Site<br />

„Deutschland Jetzt“ geleitet<br />

wurde. Gemessen wurde, wie hoch Klickzahlen<br />

bei neutraler und bei personalisierter<br />

Aussteuerung des Contents lagen.<br />

Die Ergebnisse haben bei Axel Springer<br />

nicht für Begeisterung gesorgt. Nun hat<br />

der Verlag ein zweites Projekt gestartet<br />

und prüft, inwiefern sich Content Targeting<br />

auf einem bestehenden, hauseigenen<br />

Channel positiv auf Klickraten auswirkt.


38 REPORT MEDIAPLANUNG I<br />

HORIZONT10/2013 7.März2013<br />

Online<br />

wirft das<br />

Werbenetz<br />

Das Internet drängt immer<br />

stärker in den Mediamix. Im<br />

vergangenen Jahr nahmen die<br />

Bruttowerbeinvestitionen im<br />

Onlinebereich die Hürde der<br />

6 Milliarden Euro. 2012 war das<br />

Stück Online am Bruttowerbekuchen<br />

damit um 2,2 Prozentpunkte<br />

größer als im Vorjahr.<br />

Außerdem werden einer Prognose<br />

des Online-Vermarkterkreises<br />

(OVK) zufolge die<br />

Werbespendings im Internet am<br />

Ende des Jahres 2013 die Marke<br />

von 7 Milliarden Euro knacken.<br />

Das entspricht einem Wachstum<br />

von rund 25 Prozent seit<br />

2011 – ein nachhaltiger Beleg<br />

dafür, dass das Internet als<br />

Werbeträger stetig an Bedeutung<br />

gewinnt.<br />

Werbeplattform Smartphone<br />

Besitzer von Smartphones und Co sind fast ständig online. Einer Befragung<br />

des unabhängigen Werbenetzwerks InMobi zufolge liegt die Nutzungsdauer<br />

des mobilen Internets mit täglich 107 Minuten inzwischen vor der des Fernsehens<br />

(85 Minuten). Erklären lassen sich diese Zahlen mit Parallelnutzung,<br />

aber auch damit: 60 Prozent der Befragten surfen auf dem Weg zur Arbeit<br />

im Netz, 43 Prozent nutzen das Smartphone als Shopping-Ratgeber während<br />

des Einkaufens. Auch vor der Familie macht das mobile Internet nicht<br />

halt: Fast die Hälfte der Befragten sind online, während sie Zeit mit der<br />

Familie verbringen. Mit der steigenden Bedeutung von Smartphones in<br />

allen Lebenslagen steigt auch die Akzeptanz von mobiler Werbung: Laut<br />

InMobi wird Werbung auf dem Smartphone bereits von 59 Prozent der<br />

Befragten so akzeptiert wie TV- oder Onlinewerbung.<br />

Werbung auf dem Handy kommt an<br />

Werbewirkung von mobilen Anwendungen<br />

„Die Werbung auf meinem<br />

mobilen Endgerät hat mir<br />

etwas Neues gezeigt.“<br />

„Mir wurden über mobile<br />

Werbung bessere<br />

Optionen geboten.“<br />

„Mobile Werbung hat<br />

meinen Einkauf direkt vor Ort im<br />

Laden beeinflusst.“<br />

Basis: über 15 000 Mobile User aus weltweit 14 Märkten<br />

Quelle: InMobi HORIZONT 10/2013<br />

Deutschland hinkt bei New Media hinterher<br />

Prognose: Penetration von New-Media-Technologien im Vergleich<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

12,3<br />

Smartphones<br />

Tablets<br />

IPTV<br />

23,0<br />

Neue Technologien auf Erfolgskurs<br />

22<br />

5,5<br />

2,9 2,6 3,5<br />

45<br />

Angaben in Prozent<br />

Smartphones, Tablets und IPTV – die großen Renner der New-Media-Technologien<br />

sind weiter auf dem Vormarsch. Laut Zenith Optimedia wird sich<br />

die Verbreitung der Smartphones in der deutschen Bevölkerung bis 2015<br />

verdoppeln: von aktuell 36 auf 72 Prozent. IPTV legt laut Prognose um 36<br />

Prozent zu, Tablets sogar um 177. Norwegen ist aktuell Anführer in Sachen<br />

höchste Durchdringung von neuen Technologien, gefolgt von Frankreich<br />

und den Niederlanden. Deutschland liegt trotz hoher Smartphone-Verbreitung<br />

auf Platz 15 von 19.<br />

Positive Prognosen für die Onlinewerbung<br />

Der Werbemarkt im Internet wächst und gedeiht: Laut Zenith Optimedia<br />

wird bis 2015 ein weiteres Wachstum von 37 Prozent verbucht. Suchmaschinen-Marketing<br />

ist dabei nach wie vor top. Auch in Zukunft wird der Löwenanteil<br />

der Online-Spendings mit 77 Prozent auf Google, MSN, Yahoo<br />

und Co entfallen. Mobile Werbung wird laut Prognose die größten Sprünge<br />

machen: Zenith Optimedia erwartet eine Steigerung von 448 Prozent.<br />

35,5<br />

32,0<br />

4,7<br />

6,6<br />

3,4 4,2<br />

67<br />

75<br />

Lieblingsformat: Wallpaper<br />

Top-10-Werbeformate nach Bruttowerbeinvestitionen für 2012 (in Mio. Euro)*<br />

Wallpaper<br />

Medium Rectangle<br />

Skyscraper<br />

Ad Bundle<br />

Banner<br />

Pre-Roll<br />

Super Banner<br />

Microsite<br />

Rectangle<br />

In-Text<br />

* Angaben für den deutschen Markt<br />

67,7<br />

96,4<br />

129,3<br />

120,2<br />

189,3<br />

189,3<br />

183,6<br />

180,7<br />

174,9<br />

374,3<br />

Quelle: Nielsen (Datenstand Januar 2013), BVDW HORIZONT 10/2013<br />

Große Sprünge auf der Datenautobahn<br />

Angaben in Prozent<br />

global* Deutschland global Deutschland global Deutschland global Deutschland global Deutschland<br />

2011 2012 2013 2014 2015<br />

* umfasst die laut Zenith Optimedia 19 größten Märkte hinsichtlich der Penetration von New-Media-Technologien<br />

46,6<br />

7,2 7,5<br />

Quelle: Zenith Optimedia „New-Media Forecasts“ HORIZONT 10/2013<br />

18<br />

Variantenreich im World Wide Web<br />

Wer im Internet werben möchte, steht vor der Qual der Wahl: Medium<br />

Rectangle, Skyscraper und Ad Bundle sind nur drei der vielen Möglichkeiten,<br />

über die Website-Betreiber ihre Nutzer erreichen können. Laut<br />

Nielsen sind die Vorlieben der Onlinewerber aber klar verteilt: Das Wallpaper<br />

bildet aktuell mit Werbeinvestitionen von 374,3 Millionen Euro die<br />

einsame Spitze der Liste der Top-10-Werbeformate im Internet.<br />

40,5<br />

4,2 4,7<br />

56.5<br />

10,0<br />

8,2<br />

48,0<br />

4,9 5,3<br />

Die Entwicklung des Bruttowerbemarkts zeigt einen deutlichen Trend:<br />

Den Erhebungen des Online-Vermarkterkreises (OVK) zufolge konnte<br />

das Internet 2012 seine Position als zweitstärkstes Medium im Mediamix<br />

weiter ausbauen. Aktuell hat es einen Anteil von 21,8 Prozent am Bruttowerbekuchen.<br />

Damit reduziert sich der Abstand zum Top-Werbemedium<br />

TV von 18,4 auf 16,4 Prozentpunkte. Die Ergebnisse belegen einen Strukturwechsel<br />

im Mediamix, der sich bereits im Jahresverlauf abgezeichnet<br />

hat. Besonders Dienstleister und Autohersteller investierten 2012 in Online<br />

und trieben so die Gesamtentwicklung in die Höhe.<br />

71,7<br />

13,0<br />

9,0<br />

55,0<br />

5,6 5,8<br />

FOTO: SERGEY NIVENS, FOTOLIA<br />

HORIZONTREPORT<br />

ist ein Sonderteil von HORIZONT,<br />

Zeitung für Marketing, Werbung und Medien<br />

Chefredaktion: Volker Schütz (V.i.S.d.P.),<br />

Anja Sturm (stv.), Jürgen Scharrer<br />

Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer<br />

Telefon: 069/7595-2695<br />

E-Mail: zimmer@horizont.net<br />

Redaktion: Bettina Sonnenschein,<br />

Annika Zimmermann<br />

Suchmaschinen halten den Vorsprung<br />

Entwicklung der Online-Werbespendings in Deutschland (in Mio. Euro)<br />

2076<br />

990<br />

374<br />

36<br />

2323<br />

1108<br />

419<br />

61<br />

2580<br />

1230<br />

465<br />

118<br />

2861<br />

1364<br />

2011 2012 2013 2014 2015<br />

Quelle: Zenith Optimedia „New Media Forecasts“ HORIZONT 10/2013<br />

515<br />

206<br />

3027<br />

Suchmaschinen<br />

Display<br />

Affiliate<br />

Mobile<br />

1484<br />

562<br />

273<br />

Dienstleister und Autos fahren im Netz voraus<br />

Werbeinvestitionen in der klassischen Online-Werbung nach Wirtschaftsbereichen 2012<br />

Mio. Euro<br />

Online-Anteil in Prozent am Mediamix<br />

Dienstleistungen<br />

Kraftfahrzeug-Markt<br />

Handel und Versand<br />

320,7<br />

311,5<br />

299,6<br />

15,7<br />

13,3<br />

10,7<br />

Finanzen<br />

Telekommunikation<br />

Medien<br />

Körperpflege<br />

Touristik und Gastronomie<br />

239,7<br />

204,0<br />

173,9<br />

148,0<br />

134,8<br />

18,3<br />

17,2<br />

3,9<br />

7,6<br />

13,4<br />

Ernährung<br />

95,4<br />

4,9<br />

Sonstige Werbung<br />

507,9 39,3<br />

Basis: Top-10-Wirtschaftsbereiche, Angaben für den deutschen Markt<br />

Quelle: Nielsen (Datenstand Januar 2013), BVDW HORIZONT 10/2013

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