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24 REPORT MEDIAPLANUNG I<br />

HORIZONT10/2013 7.März2013<br />

Ernste allgemeine<br />

Verunsicherung<br />

Prognosen sind interessengesteuert und können<br />

Werbekunden in ihren Budgetentscheidungen beeinflussen,<br />

warnen Kritiker<br />

Von Roland Karle<br />

Darryl F. Zanuck tat gut daran,<br />

eine Managerkarriere einzuschlagen.<br />

Als professioneller<br />

Wahrsager jedenfalls hätte es<br />

der Chef des Filmgiganten 20th Century-<br />

Fox nicht weit gebracht. „Das Fernsehen“,<br />

kündigte er im Jahr 1946 an, „wird<br />

nach den ersten sechs Monaten am Markt<br />

scheitern.“ Die Menschen würden es<br />

schnell satt haben, „jeden Abend in eine<br />

Sperrholzkiste zu starren.“ Die Realität<br />

hat Zanuck widerlegt – und überdies gezeigt,<br />

wie überragend falsch so manche<br />

Einschätzung ausfallen kann.<br />

Im Mediafach hat sich indes das Prognostizieren<br />

von Marktentwicklungen zu<br />

einer eigenen Sportart entwickelt. Zum<br />

Jahreswechsel flattern etliche Vorhersagen<br />

ins Haus. Ihre Absender, meist Medienverbände<br />

und Agenturen, betreiben<br />

einigen Aufwand, um Zahlen für die Zukunft<br />

zu errechnen. Das Ganze funktioniert<br />

ein bisschen wie Kuchenbacken: Jeder<br />

hat sein eigenes Rezept, es kommen<br />

verschiedene Daten in die Schüssel und<br />

dann wird kräftig gerührt.<br />

Bei Jäschke Operational Media (JOM)<br />

zum Beispiel werden zurückliegende<br />

Werbemarkt- und Branchenzahlen ebenso<br />

wie Budgetplanungen von Kunden,<br />

Expertenschätzungen, Brutto-Netto-Relationen<br />

und Konjunkturvorhersagen berücksichtigt.<br />

„Auf dieser Basis erfolgt ein<br />

Modelling und die Ableitung eines entsprechenden<br />

Zielkorridors“, sagt JOM-<br />

Geschäftsführer Volker Neumann. Eher<br />

eindimensional gestrickt sind im Normalfall<br />

Umfragen, die Verbände unter ihren<br />

Mitgliedern durchführen. Was nicht<br />

bedeutet, dass sie minderwertig sind, im<br />

Gegenteil. Mediaexperte Thomas Koch<br />

zum Beispiel hält die Organisation Werbungtreibende<br />

im Markenverband<br />

(OWM) für die seriöseste Quelle. Deren<br />

jährliche OWM-Mitgliederbefragung<br />

„spiegelt wider, in welche Medien die<br />

Werbekunden selbst zu investieren gedenken“,<br />

sagt der Inhaber von TK-One in<br />

Düsseldorf.<br />

Zu den fleißigsten Prognostikern gehören<br />

Agenturen wie Zenith Optimedia<br />

und Magna Global, Teil der Interpublic-<br />

Gruppe. „Einschätzungen sind nur sinnvoll,<br />

wenn sie sich ständig an nicht vorhersehbaren<br />

Marktveränderungen neu<br />

orientieren“, sagt Andreas Rommel, Investment<br />

Director Universal McCann in<br />

Frankfurt, und weist zugleich überzogene<br />

Erwartungen zurück. „Eine Prognose ist<br />

und bleibt eine Einschätzung“, so Rommel,<br />

„und keine Statistik“. Sowohl der<br />

Magna Global Forecast als auch der Advertising<br />

Expenditure Forecasts von Zenith<br />

Optimedia lassen ihre Vorhersagen<br />

permanent anhand aktueller Daten überprüfen,<br />

sie sind international ausgerichtet<br />

und brechen ihre Prognosen auf verschiedene<br />

Länder und Regionen herunter.<br />

Manche Experten wagen sogar den<br />

Blick über mehrere Jahre voraus. Frank-<br />

Peter Lortz, Chairman Zenith<br />

Optimedia, liest aus dem hauseigenen<br />

Datenmischer ab, dass 2015 „das Zeitungsland<br />

Deutschland eine historische<br />

Wende erleben wird“. Dann nämlich werden<br />

mehr Werbeausgaben auf Online<br />

entfallen als auf Zeitungen und Magazine<br />

zusammen. Berater Koch steht solchen<br />

Prognosen generell eher skeptisch gegenüber,<br />

weil sie in der Regel interessengesteuert<br />

seien. „Die Agenturen geben<br />

kund, in welche Medien sie das Geld ihrer<br />

Kunden am liebsten investieren möchten,<br />

Medienverbände und Vermarkter nutzen<br />

sie zur Bestätigung des bisherigen Kurses“,<br />

sagt er.<br />

Im schlimmsten Fall, so Koch, verunsichern<br />

solche Vorhersagen die Werbekunden<br />

in ihren Mediaentscheidungen.<br />

„Die derzeitige Abkehr zum Beispiel von<br />

Print ist nicht allein auf die sinkende Leistung<br />

zurückzuführen, sondern auf den<br />

über Prognosen herbeigeredeten, angeblich<br />

bevorstehenden Untergang.“ Während<br />

JOM-Geschäftsführer Neumann<br />

„einen tatsächlichen Einfluss eher weniger“<br />

erkennen mag, teilt York von Heimburg<br />

in der Tendenz<br />

Kochs Auffassung. Bei<br />

der Selektion der Kommunikationskanäle<br />

seien<br />

solche Prognosen<br />

durchaus Trendverstärker<br />

hin zu einer bestimmten Mediengattung,<br />

meint der Vorstand von IDG<br />

Communications Media in München.<br />

„Deshalb haben die Herausgeber solcher<br />

Prognosen auch eine erhebliche Verantwortung.“<br />

Je spezieller ein Markt oder eine Branche<br />

tickt, desto weniger verlässlich sind<br />

für sie die gängigen Vorhersagen der Werbemarktdaten.<br />

Von Heimburg hat die Erfahrung<br />

gemacht, dass „sie die Werbeaufwendungen<br />

der Informationstechnologie-Branche<br />

kaum vorhersagen können.<br />

Für uns sind die Prognosen deshalb lediglich<br />

Trendindikatoren“, sagt von Heimburg.<br />

In IT-nahen Feldern gelten Marktforschungsinstitute<br />

wie Forrester Research,<br />

Gartner Group und IDC als Maß<br />

aller Dinge, sie setzen die Standards.<br />

Aber auch die Marktanalysten in<br />

Agenturen und Verbänden mühen sich<br />

um möglichst treffgenaue Ansagen. „Die<br />

Erfahrung zeigt, dass wir kontinuierlich<br />

besser werden“, sagt UM-Director Rommel<br />

mit Blick auf den Magna Global<br />

Forecast. 2011 zum Beispiel habe die Differenz<br />

zwischen prognostiziertem und<br />

tatsächlichem Wachstum nur 0,7 Prozentpunkte<br />

betragen. „Das ist in Zeiten<br />

sich ständig wandelnder Märkte ein sehr<br />

gutes Ergebnis, das auch unsere Kunden<br />

schätzen“, so Rommel.<br />

Ein umfassender Untersuchungsansatz,<br />

der gesamtwirtschaftliche Kennzahlen<br />

berücksichtigt und verschiedene Relationen<br />

herstellt, ist nicht zu unterschätzen.<br />

Beispiel: In welchem Verhältnis stehen<br />

die Werbeinvestitionen zum Bruttoinlandsprodukt?<br />

„Daraus lässt sich zuverlässig<br />

feststellen“, sagt Agenturchef Lortz,<br />

„in welchen Märkten oder Branchen es<br />

zur Blasenbildung kommt, so wie das<br />

während der New Economy oder vor der<br />

Asienkrise der Fall war.“<br />

FOTO: MILKOVASA / FOTOLIA<br />

Im Fokus: Prognosen<br />

Die digitalen Werbeerlöse haben in den vergangenen Jahren<br />

kräftig zugelegt. Und wer hat’s schon vorher gewusst? Der<br />

Online-Vermarkterkreis (OVK) im Bundesverband Digitale Wirtschaft,<br />

der regelmäßig Prognosen stellt. Dabei fließen mehrere<br />

Parameter ein: Nielsen-Daten, eigene Expertise, Unternehmensentwicklung<br />

der OVK-Mitglieder, die Stimmung im Markt, Gespräche<br />

mit Kunden. „In den Jahren 2008, 2009 und 2012 lagen<br />

wir mit unserer Prognose sehr nah am realen Ergebnis“, sagt<br />

OVK-Vorsitzender Paul Mudter. Nur 2010 war die tatsächliche<br />

Entwicklung deutlich besser als die Vorhersage, 2011war aus<br />

methodischen Gründen kein Vergleich möglich. Die Prognose<br />

beruhe unter anderem auf dem Buchungsverhalten der Kunden<br />

sowie Gesprächen mit Agenturen und Werbungtreibenden.<br />

„Damit ist es eigentlich die Prognose, die von Mediaentscheidungen<br />

und -planungen beeinflusst ist“, sagt Mudter. ROL<br />

Blick in die Zukunft<br />

Vorhersage von Mediatrends<br />

Wachstum in Prozent 2012 2013<br />

JOM: Werbemarkt<br />

Magna Global: Werbemarkt<br />

Zenithmedia: Werbemarkt**<br />

BDZV: Anzeigenumsatz Zeitungen –3,5<br />

VDZ: Branchenumsatz Zeitschriften<br />

steigende Werbeetats in Prozent 2012 2013<br />

OWM<br />

ZAW<br />

* jeweils im Vergleich zum Vorjahr; ** Westeuropa<br />

Quelle: Agenturen, Verbände HORIZONT 10/2013<br />

1,0<br />

1,5<br />

1,4<br />

2,3<br />

–1,5<br />

30<br />

28<br />

0,2<br />

0,0<br />

0,8<br />

14<br />

31<br />

Positiv überrascht<br />

OVK Report: Prognosen zur Entwicklung der Onlinewerbeausgaben<br />

30<br />

26<br />

28<br />

10<br />

Jahresanfang<br />

35<br />

zur Jahresmitte<br />

tatsächliches Ergebnis<br />

23<br />

22<br />

10<br />

13<br />

13<br />

20 20<br />

18*<br />

Angaben in Prozent<br />

14 15<br />

12 11<br />

2008 2009 2010 2011 2012 2013<br />

* methodischer Bruch, kein Vergleich zwischen Prognose und Realität möglich<br />

Quelle: Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) HORIZONT 10/2013

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