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Mag. Josef Freyenschlag Datum der Veröffentlichung 02.05.2009<br />
Handlungskompetenz -<br />
eine didaktisch - fachdidaktische Forderung<br />
Mag. Josef Freyenschlag<br />
1 Handlungskompetenz<br />
Nach Wilsdorf (1991) kann unter Handlungskompetenz die Fähigkeit und<br />
Bereitschaft verstanden werden, in beruflichen, öffentlichen und privaten<br />
Situationen sachgerecht, reflektierend und verantwortlich zu handeln, wobei die<br />
eigenen Handlungsmöglichkeiten stets weiterentwickelt werden.<br />
Handlungskompetenz als theoretisches Konstrukt wird häufig aus den<br />
Handlungstheorien der kognitiven Psychologie abgeleitet. Von den<br />
Arbeitswissenschaftlern wird Handlungskompetenz im Rahmen von Projekten<br />
zur Humanisierung der Arbeit, als Zielvorstellung gegen bestehende partielle<br />
Arbeitsanforderungen formuliert.<br />
Durch den technischen und arbeitsorganisatorischen Wandel benötigen die im<br />
Erwerbsleben stehenden Personen auch über Intuitionen, eigene Ideen,<br />
Kreativität, Motivation und Engagement. Berufliche Handlungskompetenz hat<br />
heute im Beschäftigungssystem eine größere Bedeutung erhalten.<br />
1.1 Erwerb von Handlungskompetenz<br />
Die Handlungskompetenz ist das Potential von mehreren Kompetenzen. Durch<br />
das Verfügen der Kompetenzbereiche: Methodenkompetenz, Sozialkompetenz<br />
und Selbstkompetenz wird es möglich, Fachwissen in Handlungen umzusetzen.<br />
Diese Kompetenzen dürfen nicht isoliert gesehen werden, sondern stellen in<br />
ihrer Komplexität den ganzheitlichen Aspekt einer Persönlichkeit dar. Fachliche,<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz - 1 -
Mag. Josef Freyenschlag<br />
methodische und persönliche Kompetenz stehen in einem engen<br />
Wirkungszusammenhang und ergeben gemeinsam den Grad der<br />
Handlungskompetenz einer Persönlichkeit.<br />
Die Handlungskompetenz nach Richter (1995) entwickelt sich aus dem<br />
synergetischen Zusammenwirken von Sozial-, Selbst- und<br />
Methodenkompetenz.<br />
Individuelle Handlungskompetenz als<br />
Schnittmenge der Kompetenzbereiche:<br />
Methodenkompetenz<br />
Sozialkompetenz<br />
Quelle: Richter 1995<br />
Schlüsselqualifikationen beschreiben dabei den idealen Zustand, der<br />
vollständigen Verfügung über alle Kompetenzbereiche. Das Ziel beim Erwerb<br />
von Schlüsselqualifikationen kann nicht der vollständige Erwerb aller<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 2
Mag. Josef Freyenschlag<br />
Kompetenzbereiche sein, sondern vor allem die individuelle Erweiterung der<br />
Kompetenzen.<br />
1.2 Fachwissen und Schlüsselqualifikationen<br />
Die Schlüsselqualifikationen helfen mit Fachwissen kompetent umgehen zu<br />
können, Schlüsselqualifikationen sind selbst kein Fachwissen.<br />
Nach Richter (1995) gibt es Berufsgruppen, die verstärkt<br />
Schlüsselqualifikationen zur kompetenten Bewältigung ihres Berufsalltages<br />
brauchen, Fachwissen sind sie dennoch auch hier nicht.<br />
Zum Beispiel ein Therapeut, der eine hohe soziale Kompetenz braucht, braucht<br />
genauso ein theoretisches Wissen. Dieses theoretische Wissen ist sein<br />
Fachwissen, die soziale Kompetenz ist eine Schlüsselqualifikation. Er braucht<br />
natürlich beides um ein guter Therapeut zu sein.<br />
Für eine konkrete Betrachtungsweise der Schlüsselqualifikationen erscheint es<br />
sinnvoll, dass eine Betrachtung herausgelöst aus dem Fachwissen durchgeführt<br />
wird. Eine exakte Trennung von Fachwissen und Schlüsselqualifikationen ist<br />
nicht immer möglich, ermöglicht aber, Schlüsselqualifikationen in einem<br />
übergreifenden Verständnis zu betrachten.<br />
Nach Richter (1995) umfassen Schlüsselqualifikationen drei<br />
Kompetenzbereiche:<br />
Methodenkompetenz<br />
Sozialkompetenz<br />
Selbstkompetenz<br />
Wichtig erscheinen dabei zwei Dinge:<br />
• Schlüsselqualifikationen umfassen das gesamte Spektrum an nicht<br />
fachlichen, also fachübergreifenden Qualifikationen.<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 3
Mag. Josef Freyenschlag<br />
• Schlüsselqualifikationen drücken eine Kompetenz aus, die Fähigkeit, situativ<br />
angemessen, in sich einstimmig, kompetent zu handeln.<br />
Bei anderen Autoren, die sich mit dem Spektrum der Schlüsselqualifikationen<br />
auseinandersetzen, beinhalten die Schlüsselqualifikationen die Fach-,<br />
Methoden- und Sozialkompetenzen. Bei diesen Ausführungen findet man dann<br />
unter der Sozialkompetenz die Fähigkeiten wie Selbstvertrauen und<br />
Selbstbewusstsein, die ja nach Richter jeweils eine eigene Kompetenz bilden.<br />
1.3 Methodenkompetenz<br />
Damit man mit der erworbenen Fachkompetenz umgehen kann, ist<br />
Methodenkompetenz notwendig.<br />
Brommer (1993) versteht unter Methodenkompetenz eine strategisch geplante<br />
und zielgerichtete Umsetzung des vorhandenen Fachwissens bei anstehenden<br />
Problemen im beruflichen Alltag.<br />
Methodenkompetenz hält Methoden bereit, mit deren Hilfe Probleme<br />
• analytisch gelöst werden können (eine systematische Annäherung an die<br />
Problemstellung),<br />
• strukturiert gelöst werden können (eine Klassifizierung von Informationen<br />
zur Problemlösung),<br />
• kreativ gelöst werden können,<br />
• kritisch gelöst werden können (das Bestehende in Frage gestellt werden<br />
kann, um dadurch zu innovativen Problemlösungen zu kommen),<br />
• kontexturell (Richter 1995) gelöst werden können, Zusammenhänge und<br />
Interdependenzen erkannt, aufgezeigt und in der Problemlösung<br />
berücksichtigt werden können,<br />
• in Abwägung von Chancen und Risiken bei der Aufgabenstellung<br />
dezisionistisch gelöst werden können.<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 4
Mag. Josef Freyenschlag<br />
Nach Brommer (1993) ist somit die Methodenkompetenz die wichtigste auch in<br />
der betrieblichen Weiterbildung zu fördernde Kompetenz, da sie das<br />
unmittelbare Umsetzen des Fachwissens ermöglicht.<br />
Bestandteile der Methodenkompetenz nach Lenzen (1998):<br />
• Planungskompetenz<br />
• Eingrenzen von Problemen<br />
• Klare Ziele, benennen von Teilen einer Aufgabe<br />
• Analysieren des Istzustandes des Systems und der Fehlerquellen<br />
• Abschätzen der Realisierbarkeit von erkennbaren Lösungen<br />
• Fähigkeit, einen Plan bei Notwendigkeit flexibel zu verändern<br />
• Kreativität und Eigeninitiative<br />
• Findung von Alternativen und deren Bewertung nach Richtlinien<br />
• Entwicklung von Strategien zur Lösung<br />
• Entwicklung von Strategien zur Fehlersuche<br />
• Improvisationsfähigkeit<br />
• Selbständiges Erschließen von Informationen<br />
• Informationsbereitschaft<br />
• Umgang mit Fachbüchern und Fachliteratur<br />
• Fähigkeit zur Verwendung von Datenbanken und Computersystemen<br />
• Fähigkeit zum Auswerten von Statistiken und Tabellen<br />
• Fähigkeit zur Benutzung von Medien<br />
Einige Elemente der Methodenkompetenz, wie jene die der Fertigkeiten und<br />
Fähigkeiten im Bereich der Planungskompetenz und die der Fähigkeit zu<br />
Kreativität und Eigeninitiative haben über einen längeren Zeitraum beim<br />
jeweiligen Ausgebildeten ihren Bestand.<br />
Lenzen sagt weiter, dass jedoch die Fähigkeit zum selbständigen Erschließen<br />
von Informationen aufgrund des schnellen Fortschreitens der technischen<br />
Entwicklungen laufend dem aktuellen Stand angepasst werden muss. Genügte<br />
noch vor einigen Jahren die Kenntnis der Nutzung von Computerdatenbanken<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 5
Mag. Josef Freyenschlag<br />
auf CD-ROM oder die Anwendung von BTX-Systemen zur umfassenden<br />
Informationssuche, so ist heute das Wissen über die Nutzung von<br />
Internetsystem und Intranetsystemen Grundvoraussetzung für eine<br />
vollständige, umfassende Informationssuche.<br />
Wenn Lenzen sagt, dass jedoch die Fähigkeit zum selbständigen Erschließen<br />
von Informationen aufgrund des schnellen Fortschreitens der technischen<br />
Entwicklungen laufend dem aktuellen Stand angepasst werden muss, möchte<br />
ich dieser Aussage widersprechen. Denn es müssen die Informationen über die<br />
neuesten technischen Entwicklungen angepasst werden und nicht die<br />
Fähigkeiten. Die Fähigkeit bereit zu sein, sich zu informieren muss in der<br />
schulischen Ausbildung erworben bzw. gefördert werden, ja ich möchte sogar<br />
sagen, dass das einzelne Individuum diese Fähigkeit in die Wiege gelegt<br />
bekommen haben sollte.<br />
1.4 Sozialkompetenz<br />
Die Zeit des Einzelkämpfers scheint nach Kirchmair (1996) endgültig zu Ende<br />
gegangen zu sein, an seine Stelle tritt die Kooperation im Team. Das setzt<br />
voraus, dass das Kommunizieren mit anderen, das Zusammenarbeiten mit<br />
Mitarbeitern und die Bereitschaft zum Weiterlernen ebenso vorhanden sein<br />
muss, wie die Fähigkeit zur selbständigen Wissensaneignung. Diese Faktoren<br />
bezeichnet man als extrafunktionale Qualifikationen.<br />
Die Sozialkompetenz ist eine Kompetenz, die immer mehr in den Mittelpunkt<br />
rückt und zunehmend an Bedeutung gewinnt.<br />
Dieses Bewusstsein nach Richter (1995) wird immer größer und die Bedeutung<br />
sozialer Kompetenzen wird immer höher eingeschätzt.<br />
Durch die zunehmende Vernetzung von Abteilungen und durch die<br />
Zusammenarbeit verschiedener Unternehmen (zum Beispiel im Hochbau:<br />
Kooperation mit den ausführenden Firmen) bei der Ausführung eines Auftrages<br />
und den gleichzeitigen Veränderungen in der Arbeitsorganisation, von der<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 6
Mag. Josef Freyenschlag<br />
Arbeitsteilung zur Teamarbeit, wird die Fähigkeit, kompetent mit anderen<br />
Menschen umgehen zu können immer wichtiger. Es muss ja kompetent<br />
angewendetes Fachwissen anderen vermittelt und sogar gemeinsam weiterentwickelt<br />
werden. Dazu ist Sozialkompetenz notwendig. Die Einzelkämpfer, die<br />
durch das traditionelle Bildungswesen ausgebildet werden, sind für den<br />
Berufsalltag schlecht gerüstet.<br />
Nach Brommer (1993) ist soziale Kompetenz die Fähigkeit eines Individuums<br />
zum konstruktiven Umgang mit anderen. Darunter versteht man das situationsund<br />
personenbezogene Denken und Handeln sowie die Gedanken, Gefühle<br />
und Einstellungen einer Person in der Kommunikation.<br />
Zur Sozialkompetenz zählen zum Beispiel folgende Fähigkeiten:<br />
• Teamfähigkeit<br />
• Konfliktfähigkeit<br />
• Kommunikationsfähigkeit<br />
• Kooperationsfähigkeit<br />
1.4.1 Teamfähigkeit - Konfliktfähigkeit<br />
Bei der Teilkompetenz Teamfähigkeit innerhalb der Sozialkompetenz handelt es<br />
sich nicht um eine einzelne Fähigkeit, sondern um ein Bündel von<br />
Verhaltensweisen. Diese Verhaltensweisen können nicht generell bestimmt<br />
werden, da Teamfähigkeit erst in einer sozialen Beziehung sichtbar wird.<br />
Soziale Beziehungen können zum einen vielschichtig sein und zum anderen<br />
von jedem Individuum unterschiedlich wahrgenommen sowie interpretiert<br />
werden. Es stellt sich oft die Frage, wie Teamfähigkeit und<br />
Kooperationsfähigkeit inhaltlich und auch in der Vermittlung dieser<br />
Schlüsselqualifikationen voneinander abzugrenzen sind.<br />
Lenzen (1998) findet eine theoretisch fundierte Konkretisierung des Begriffs<br />
Teamfähigkeit bei Bürger. Inhalt seiner Ausführungen ist es, das Trainingsziel<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 7
Mag. Josef Freyenschlag<br />
“Teamfähigkeit“ sozialwissenschaftlich so zu konkretisieren, dass letztlich<br />
Handlungsweisen für Interaktionspartner entstehen, deren Einhaltung in der<br />
Gruppe zum Gruppenerfolg und zur Gruppenzufriedenheit führen. So grenzt<br />
Bürger nach Lenzens Ausführungen zunächst Teamfähigkeit von anderen<br />
Schlüsselqualifikationen ab. Hiernach stellt soziale Kompetenz einen<br />
umfassenden Begriff dar, während Begriffe wie Kooperations-, Gruppen-,<br />
Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit Teilaspekte des Begriffs<br />
Teamfähigkeit bezeichnen. Auf diese Weise kommt Bürger zur folgenden<br />
Aussage: Teamfähigkeit ist ein komplexes Fertigkeitengefüge, das aus einer<br />
Vielzahl von aufeinander bezogenen Teilfertigkeiten besteht, wie Fertigkeiten<br />
des Konfliktregelns, Diskutierens und Kritisierens.<br />
Teilfertigkeiten der Schlüsselqualifikation “ Teamfähigkeit“:<br />
Zusammenarbeits-<br />
fähigkeit<br />
Diskussionsfähigkeit<br />
Konflikt- und<br />
Kritikfähigkeit<br />
Quelle: Lenzen, 1998<br />
Anstelle des Begriffes der Teamfähigkeit könnte der Begriff<br />
Zusammenarbeitsfähigkeit benutzt werden. Eine Arbeit in Gruppen ist ohne<br />
Austausch der unterschiedlichen Meinungen nicht denkbar. Um einen<br />
Wettbewerbsvorteil verbuchen zu können, muss sich eine Organisation, sei es<br />
die Schule oder ein Unternehmen, ständig weiterentwickeln, dazu ist ein<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 8
Mag. Josef Freyenschlag<br />
Meinungsaustausch für die Findung neuer Ideen notwendig. Teamfähigkeit<br />
gewinnt daher im heutigen Beschäftigungssystem immer mehr an Bedeutung.<br />
Lenzen (1998) gibt jedoch zu bedenken, dass bei der Vermittlung Grenzen<br />
gesetzt sind. Realistisch betrachtet sind Menschen in unserer heutigen<br />
vorherrschenden Leistungsgesellschaft nicht zum Teamspieler, sondern zum<br />
Einzelkämpfer erzogen worden. Steigende Arbeitslosenzahlen verstärken das<br />
Konkurrenzdenken. Weiters können auch tendenziell kooperativ veranlagte<br />
Menschen zu konkurrenzorientiertem Verhalten veranlasst werden, wenn<br />
erwartet werden kann, dass ihre Kooperationsbereitschaft durch<br />
Wettbewerbsverhalten ausgebeutet wird.<br />
1.4.2 Kommunikationsfähigkeit<br />
„...Die Kommunikationsfähigkeit- und Kooperationsfähigkeit sind die am<br />
häufigsten geforderten Fähigkeiten von Schlüsselqualifikationen auf dem<br />
Stellenmarkt“ (Belz/Siegrist, 1997, IV.Teil, S. 28).<br />
Unter Kommunikationsfähigkeit versteht man die Bereitschaft und das<br />
Vermögen des Einzelnen bewußt und selbstkongruent zu kommunizieren.<br />
Dabei teilt sich der Einzelne dem Gegenüber klar und deutlich mit, hört bewußt<br />
zu, unterscheidet Wesentliches vom Unwesentlichen, geht auf die Bedürfnisse<br />
anderer ein und achtet auf nonverbale Signale (Belz/Siegrist, 1997, IV.Teil, S.<br />
28).<br />
Personen können innerhalb einer Gruppe, sei es am Arbeitsplatz oder auch im<br />
Freundes- und Familienkreis, nur dann kooperativ und teamorieniert<br />
zusammenarbeiten, wenn sie bereit und fähig sind zu kommunizieren.<br />
Im Zeitalter zunehmender Computerisierung bedürfen für Lenzen (1998)<br />
kommunikative Fähigkeiten und die Befähigung zu ihrer situationsgerechten<br />
Ausgestaltung besondere Aufmerksamkeit, denn für ihn besteht die Gefahr,<br />
dass durch die Einbeziehung von Computertechnologie in die Lebensumwelt<br />
der Menschen die kommunikativen Beziehungen unter ihnen verkümmern.<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 9
Mag. Josef Freyenschlag<br />
Die Fähigkeit zur Kommunikation ist für das alltägliche Privatleben bzw.<br />
Berufsleben von besonderer Bedeutung, da alle Vermittlungsprozesse über die<br />
Kommunikation erfolgen. Kommunikation vermittelt im menschlichen<br />
Zusammenleben kognitive und soziale Vorgänge. Wenn ich mit meinen<br />
Studienkollegen telefoniere, dann ist diese Kommunikation wohl auch<br />
Selbstzweck und signalisiert ein menschliches Bedürfnis: den Wunsch nach<br />
befriedigenden zwischenmenschlichen Beziehungen.<br />
Für Lenzen (1998) haben die meisten Menschen in ihrem Leben niemals<br />
gelernt, richtig mit anderen umzugehen, ihre Meinungen und Ansichten<br />
darzulegen, also richtig zu kommunizieren. Obwohl sie von ihrer Bereitschaft<br />
und ihren Fähigkeiten her gute Voraussetzungen mitbringen, gelingt es vielen<br />
von ihnen nicht, konstruktiv und einvernehmlich mit anderen Personen<br />
zusammenzuarbeiten oder die Freizeit zu verbringen. So zeigen viele<br />
Mitmenschen, gleich welchen Alters, welcher sozialer Herkunft oder<br />
Berufsgruppe beim Zusammentreffen mit anderen schnell dominante und<br />
aggressive Verhaltensweisen. Sie begeistern sich nur an sich selbst und<br />
akzeptieren nur die von ihnen geäußerte Meinung.<br />
Andere wiederum verstummen sofort, wenn sie sich jemanden gegenüber<br />
äußern sollen, diese werden unsicher und sind verschüchtert. In einer<br />
Gruppensituation verstecken sie sich hinter anderen Gruppenmitgliedern und so<br />
entgehen ihnen Chancen der eigenen Lebensbereicherung und der<br />
Arbeitsbereicherung.<br />
Diese Personen sind unfähig, sich selbst und ihre eigenen Überzeugungen<br />
einzubringen. Oft wären es vielleicht gerade diese Gedanken und Anregungen,<br />
die zur Lösung eines Problems beitragen könnten.<br />
Die beiden hier beschriebenen Grundtypen von Personen verfügen über<br />
mangelnde Kommunikationsfähigkeit, obwohl sie in ihrer Erscheinung und<br />
Wirkungsweise völlig unterschiedlich sind.<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 10
Mag. Josef Freyenschlag<br />
1.4.2.1 Voraussetzung für eine Verbesserung des eigenen<br />
Kommunikationsverhaltens<br />
Brommer (1993) legt Voraussetzungen fest, die eine Verbesserung des<br />
eigenen Kommunikationsverhaltens ermöglichen sollen:<br />
• Überprüfung und Hinterfragung des eigenen Kommunikationsverhalten auf<br />
der kognitiven Ebene<br />
• Die Bereitschaft, anhand eines fundierten Wissens über das menschliche<br />
Verhalten, die eigene zwischenmenschliche Kommunikation laufend zu<br />
verbessern<br />
• Erkenntnis darüber, dass das persönliche Kommunikationsverhalten<br />
verbesserungsbedürftig ist<br />
• Rückschläge im eigenen Kommunikationsverhalten als Herausforderung<br />
anzusehen<br />
1.4.3 Kooperationsfähigkeit<br />
Kooperationsfähigkeit meint die Bereitschaft und das Vermögen des Einzelnen<br />
sich an Gruppenarbeitsprozessen aktiv und selbstverantwortlich zu beteiligen.<br />
Der Einzelne gibt dabei sein eigenes Wissen weiter und geht auf die anderen<br />
ein. Er respektiert ihre Vorstellungen und Meinungen, hält vereinbarte<br />
Spielregeln ein, ohne dabei das gemeinsame Ziel aus den Augen zu verlieren<br />
(Belz/Siegrist, 1997).<br />
Vor dem Hintergrund zunehmender Rationalisierung durch Technologisierung,<br />
sowie eines auf Konkurrenzdenken und Konkurrenzhandeln aufgebautes<br />
Gesellschaftssystem, sind Eigenschaften wie Rücksichtslosigkeit und Egoismus<br />
oft die vorherrschenden Tugenden.<br />
Kooperation innerhalb eines Unternehmens bedeutet, der Konkurrenz<br />
überlegen zu sein und damit ist Kooperationsfähigkeit grundsätzlich<br />
erstrebenswert.<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 11
Mag. Josef Freyenschlag<br />
Trotz der unbestrittenen Vorzüge wird häufig übersehen, dass eine dauerhafte<br />
Kooperation sehr schwierig ist, weil dabei individuell unterschiedlich<br />
ausgeprägte Bedürfnisse, wie beispielsweise die des Wettstreits unterdrückt<br />
werden müssen (Lenzen, 1998).<br />
1.5 Selbstkompetenz<br />
Der Umgang mit dem Fachwissen, der Umgang mit der Umwelt und der<br />
Umgang mit sich selbst, tragen zur Persönlichkeitsentwicklung eines<br />
Menschen bei.<br />
Selbstkompetenz nach Richter (1995) ist der kompetente Umgang mit sich<br />
selbst.<br />
Dies bedeutet:<br />
• die Fähigkeit zum Selbstmanagement<br />
• kompetenter Umgang mit Selbst-Wert<br />
• eine reflexive Auseinandersetzung mit sich selbst<br />
• die Entwicklung eines individuellen Wertehorizontes und Menschenbildes<br />
• die Fähigkeit, zu beurteilen und die Fähigkeit, sich selbst<br />
weiterzuentwickeln.<br />
Für Lloyd & Sam (1993) ist es eine interessante Tatsache, dass es jenen<br />
Menschen am leichtesten fällt, anderen zu vertrauen, die ein hohes Maß an<br />
Selbstwertgefühl besitzen. Wenn eine Person sich seiner eigenen Fähigkeiten<br />
voll bewusst ist, so hat diese auch weniger Angst, anderen zu vertrauen. Wenn<br />
eine Person ein hohes Selbstwertgefühl hat, so ist die Wahrscheinlichkeit groß,<br />
dass sie ihre Gefühle oder Probleme anderen anvertraut. Andererseits wird sich<br />
eine Person, deren Selbstwertgefühl angeknackst ist, stets Gedanken darüber<br />
machen, wie die Mitmenschen über sie denken könnten, und deshalb wird eine<br />
solche Person ihre Probleme und Gefühle lieber für sich behalten.<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 12
Mag. Josef Freyenschlag<br />
Somit fällt es eigendynamischen sowie innerlich starken Persönlichkeiten<br />
leichter, anderen zu vertrauen, da ihre Selbstachtung und ihr Selbstvertrauen<br />
nicht auf die Zustimmung anderer angewiesen ist.<br />
Für Lloyd & Sam (1993) ist eine dynamische Persönlichkeit ein Mensch, der<br />
eine hohe Selbstachtung hat.<br />
Meiner Meinung ist es sehr unwahrscheinlich, dass jemand ohne den nötigen<br />
Respekt vor sich selbst und ohne ein größeres Maß an Selbstvertrauen als eine<br />
eigendynamische und innerlich starke Persönlichkeit angesehen wird.<br />
Wer Selbstkompetenz besitzt, hat einen sogenannten weiteren Blickwinkel und<br />
ist somit weitsichtiger. Er braucht keine Angst haben, wenn er die<br />
vorherrschenden Strukturen aufbricht und sich dadurch auf Neuland befindet.<br />
Nach Richter (1995) können festgefahrene, verkrustete Strukturen nur durch<br />
Persönlichkeiten aufgebrochen werden, die sich selbst einschätzen können und<br />
in der Lage sind, neue Visionen zu entwickeln. Nur so ist eine<br />
Weiterentwicklung im gesellschaftlichen Kontext, wie auch im individuellen<br />
möglich.<br />
Schüler sollen auf ein kompetentes und selbständiges Handeln in zukünftigen<br />
beruflichen, gesellschaftlichen-politischen und privaten Handlungssituationen<br />
vorbereitet werden, und dieses Handeln muss in der Schule durch<br />
verschiedene Unterrichtsmethoden geübt werden. Eine Schule die<br />
Selbständigkeit fördern will, muss den Schülern möglichst oft Lernsituationen<br />
anbieten, die entsprechende Handlungs-, Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume<br />
eröffnen.<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 13
Mag. Josef Freyenschlag<br />
Literatur<br />
Belz, H.; Siegrist, M. (1997). Kursbuch Schlüsselqualifikationen: ein<br />
Trainingsprogramm. Freiburg im Breisgau: Lambertus.<br />
Bommer, U. (1993). Schlüsselqualifikationen. Stuttgart: Dt. Sparkassen-Verlag.<br />
Kirchmair, G. (1996). Telearbeit Realität und Zukunft. Telearbeit und Schlüsselqualifikationen<br />
in der postmodernen Wissensgesellschaft.<br />
Wien: Österreichischer Gewerkschaftsbund.<br />
Lenzen, A. (1998).<br />
Erfolgsfaktor Schlüsselqualifikationen - Mitarbeiter optimal<br />
fördern. Heidelberg: Sauer.<br />
Llod; Sam, R. (1993). Selbstgesteuerte Persönlichkeitsentwicklung:<br />
Selbsteinschätzung, Erwartungshaltungen und Lösungen,<br />
verbesserte Führungsfähigkeiten. Wien: Ueberreuter.<br />
Meyer, H. (1987).<br />
Unterrichtsmethoden II. Frankfurt am Main: Cornelsen.<br />
Richter, C. (1995).<br />
Schlüsselqualifikationen. Alling: Sandmann.<br />
Wilsdorf, D. (1991). Schlüsselqualifikationen: die Entwicklung selbständigen<br />
Lernens und Handelns in der industriellen gewerblichen<br />
Berufsausbildung. München: Lexika.<br />
Fachdidaktik-Handlungskompetenz 14