Islamistische und jihadistische Akteure in den Partnerländern ... - GIZ
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Die libanesiche Hizbullah<br />
Die libanesiche Hizbullah<br />
1. H<strong>in</strong>tergründe<br />
Gesellschaftspolitischer Kontext<br />
Die große religiöse Heterogenität der libanesischen<br />
Gesellschaft mit fast 20 Religionsgeme<strong>in</strong>schaften<br />
charakterisiert auch ihren politischen Entscheidungsprozess.<br />
Repräsentation <strong>und</strong> Machtbeteiligung<br />
wur<strong>den</strong> durch <strong>den</strong> Nationalen Pakt von 1943 geregelt,<br />
welcher e<strong>in</strong>en politischen Konfessionalismus<br />
festschrieb: Der Staatspräsi<strong>den</strong>t muss e<strong>in</strong> maronitischer<br />
Christ se<strong>in</strong> 1 , der Premierm<strong>in</strong>ister e<strong>in</strong> Sunnit<br />
<strong>und</strong> der Parlamentspräsi<strong>den</strong>t e<strong>in</strong> Schiit. Zusätzlich<br />
kennzeichnet e<strong>in</strong> sozialer Konfessionalismus <strong>den</strong> Libanon:<br />
Jede Religionsgeme<strong>in</strong>schaft verfügt über e<strong>in</strong>e<br />
eigene Gerichtsbarkeit im Personenstandsrecht, ist<br />
über Quotenregelungen <strong>in</strong> der öffentlichen Verwaltung<br />
vertreten, <strong>und</strong> wählt ihre eigenen Abgeordneten<br />
<strong>in</strong>s Parlament. 2<br />
ges 1975 bis 1990) erspart <strong>und</strong> das Parlament wird<br />
<strong>in</strong> relativ freien Wahlen gewählt (FH 2012). Aber die<br />
demographische Realität wird durch das Proporzsystem<br />
nicht mehr abgebildet, so dass eher die Religionsgeme<strong>in</strong>schaften,<br />
weniger die Bürger repräsentiert<br />
wer<strong>den</strong>. Die tief verwurzelten konfessionellen I<strong>den</strong>titäten<br />
verursachen zudem, dass die politische <strong>und</strong><br />
gesellschaftliche Arbeit der Geme<strong>in</strong>schaften ihrer<br />
Macht- <strong>und</strong> Privilegiensicherung dient.<br />
Nach dem Mord an Premierm<strong>in</strong>ister Rafiq al-Hariri<br />
2005 entstan<strong>den</strong> zwei sehr bunte Hauptallianzen:<br />
E<strong>in</strong>erseits die pro-syrische „Bewegung des 8. März“,<br />
bestehend aus Hizbullah, Freie Patriotische Bewegung<br />
Michel Aouns (christlich) <strong>und</strong> weitere islamistische,<br />
christliche <strong>und</strong> l<strong>in</strong>ke Kräfte. Andererseits die<br />
anti-syrische „Bewegung des 14. März“, die vorrangig<br />
aus dem Hariri-Clan sowie Parteien <strong>und</strong> politischen<br />
Persönlichkeiten christlicher, drusischer <strong>und</strong><br />
Internetpräsenz der Hizbullah<br />
Formal hat das politische System e<strong>in</strong>en konkordanzdemokratischen<br />
Charakter. Gewaltsame<br />
Machtwechsel blieben <strong>den</strong> Libanesen<br />
(mit der großen Ausnahme des Bürgerkrie-<br />
vorrangig sunnitischer Bewegungen besteht.<br />
Innerhalb dieser Allianzen kommt es zu stetig<br />
wechseln<strong>den</strong> <strong>in</strong>formellen Absprachen. Der<br />
politische Konfessionalismus ist zudem der<br />
Hauptgr<strong>und</strong> für die Verteilungsungerechtigkeit,<br />
<strong>den</strong>n das Proporzsystem entspricht längst nicht<br />
mehr der demographischen Realität. Insbesondere<br />
Schiiten (ca. 40% Bevölkerungsanteil) s<strong>in</strong>d heute<br />
stark unterrepräsentiert. Zwar wurde im Vertrag von<br />
Ta`if (1990) die Macht der Christen erheblich e<strong>in</strong>gegrenzt,<br />
<strong>den</strong>noch haben die Maroniten zentrale Äm-<br />
74<br />
1<br />
Damals stellten die Maroniten e<strong>in</strong>en Bevölkerungsanteil von über 50 Prozent.<br />
2<br />
Zudem darf jede Religionsgeme<strong>in</strong>schaft e<strong>in</strong> eigenes Bildungs- <strong>und</strong> soziales Dienstleistungssystem verwalten, was das Zugehörigkeitsgefühl zur eigenen<br />
Konfession <strong>in</strong>tergenerationell weitergibt <strong>und</strong> so die Fragmentierung der Gesellschaft dauerhaft zementiert, weshalb oft von libanesischen Gesellschaften<br />
gesprochen wird (Ros<strong>in</strong>y 2011, 2-3; Nassif-Debs 2008, 6).