23.01.2014 Aufrufe

Laudatio von Gerrit Walther, Historische Kommission bei der ...

Laudatio von Gerrit Walther, Historische Kommission bei der ...

Laudatio von Gerrit Walther, Historische Kommission bei der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

9<br />

Deshalb ist alles in dieser vormo<strong>der</strong>nen Welt politisch. Überall lauert<br />

Bedeutung. Alles, je<strong>der</strong> Moment, jede Bewegung, je<strong>der</strong> Schritt, kann<br />

zum Präzedenzfall werden, zum Präjudiz auf die Zukunft. Überall kann<br />

und muss etwas durchgesetzt, frem<strong>der</strong> Anspruch abgewiesen werden.<br />

Entsprechend nervös wirken die frühneuzeitlichen Akteure. Keineswegs<br />

traditionshörige Bewohner <strong>der</strong> Ständepyramide, sind sie <strong>von</strong> mo<strong>der</strong>ner<br />

Verunsicherung erfasst. Sie können sich auf nichts verlassen, müssen<br />

ständig hellwach sein, um jeden Moment zum Vorteil ihrer Seite gestalten<br />

zu können. Nicht einmal <strong>der</strong> Kaiser darf sorglos in eine Stadt einziehen,<br />

weil er, so weiß er, seine Macht nur dann besitzt, wenn er sie überzeugend<br />

verkörpert. In einem geradezu Burckhardt’schen Sinne werden<br />

Barbara Stollberg-Rilingers Akteure zu leidend-unfreiwilligen Gestaltern<br />

ihrer Welt. Das ist ein wichtiger, charakteristischer Zug in „Des Kaisers<br />

alte Klei<strong>der</strong>“ wie überhaupt in ihrer Geschichtsschreibung: we<strong>der</strong> Modelle<br />

noch Theorien sehen wir agieren, we<strong>der</strong> Verfassungszustände noch<br />

Rechtsverhältnisse. In den Kämpfen <strong>der</strong> Zeichen, die sie so subtil beschreibt<br />

und analysiert, handeln konkrete, lebendige Menschen. Barbara<br />

Stollberg-Rilinger ist eine vorzügliche Historikerin, weil sie Menschen<br />

ernst nimmt.<br />

Am Beispiel dieser konkreten Akteure erweist sie frühneuzeitliche Politik<br />

als ein System <strong>von</strong> Ritualen, <strong>bei</strong> denen es auf Geistesgegenwart,<br />

Phantasie und Kühnheit ankommt, die eigenen Ansprüche und Rechte in<br />

je<strong>der</strong> Situation überzeugend zu aktualisieren. Das mag nicht nur für die<br />

Frühe Neuzeit gelten – ebenso wenig wie jene an<strong>der</strong>e Beobachtung: dass<br />

diese Strategien <strong>der</strong> Legitimation immer auch dazu führen, dass diese<br />

Legitimation, indem sie sich expliziert, in eine unberechenbare Eigenbewegung<br />

gerät.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!