05.08.2013 Aufrufe

Foresight - Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

Foresight - Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

Foresight - Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Foresight</strong><br />

Prioritätensetzung in der<br />

Forschungsfinanzierung


<strong>Stifterverband</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

<strong>Foresight</strong><br />

Prioritätensetzung in der<br />

Forschungsfinanzierung<br />

Dokumentation des Expertengesprächs am 8./9. Februar 2001 in Potsdam


Herausgeber<br />

<strong>Stifterverband</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong> e. V.<br />

Barkhovenallee 1<br />

45239 Essen<br />

Tel.: (02 01) 84 01-0<br />

Fax: (02 01) 84 01-3 01<br />

E-Mail: mail@stifterverband.de<br />

Internet: www.stifterverband.de<br />

Verantwortlich<br />

Dr. Angela Lindner<br />

Redaktion<br />

Dr. Heide Radlanski<br />

Michael Sonnabend M. A.<br />

Fotoredaktion<br />

Cornelia Herting<br />

Optische Konzeption und Layout<br />

GESTALTmanufaktur GmbH,<br />

Westenhellweg 52, 44137 Dortmund<br />

Litho und Druck<br />

Laupenmühlen Druck GmbH & Co. KG,<br />

Hüttenstraße 3-9, 44795 Bochum<br />

Fotos<br />

David Ausserhofer (S. 6/7, 17, 21, 23, 37, 47, 60, 67, 73, 83),<br />

VolkswagenStiftung (S. Titel, 18, 24, 38, 48, 62, 68, 74)<br />

Alle Rechte, auch <strong>die</strong> des Nachdrucks von Auszügen,<br />

der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.<br />

© 2002, <strong>Stifterverband</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, Essen


Inhalt<br />

Einleitung<br />

Überblick<br />

Vorträge<br />

Anhang<br />

Inhaltsverzeichnis..<br />

Arend Oetker<br />

Kartografie der <strong>Wissenschaft</strong> Seite 4<br />

Cartography of sciences Seite 5<br />

Ekkehard Winter<br />

Generalangriff auf <strong>die</strong> Zaunkönige Seite 6<br />

Time to take down the gates Seite 13<br />

Winfried Schulze<br />

Einführung Seite 19<br />

Introduction Seite 22<br />

Helmuth Trischler<br />

„<strong>Foresight</strong>“ aus der Retrospektive Seite 25<br />

Klaus-Dieter Vöhringer<br />

Von der Prospektion zur Ressourcenallokation Seite 39<br />

Wolf-Michael Catenhusen<br />

Prioritätensetzung in der Forschungsförderung Seite 49<br />

Jürgen Zöllner<br />

Hochschulförderung zwischen Strategie und Planung Seite 63<br />

Michael Steiner<br />

Programmorientierung der Helmholtz-Gemeinschaft Seite 69<br />

Hubert Markl<br />

Die Planung des Unplanbaren Seite 75<br />

Winfried Schulze<br />

Schlussfolgerungen Seite 84<br />

Conclusions Seite 87<br />

Teilnehmer Seite 90<br />

Bilder aus der Forschung Seite 92<br />

3


Arend Oetker<br />

Einleitung..<br />

Kartografie der <strong>Wissenschaft</strong><br />

Prioritätensetzung in der Forschungsfinanzierung“<br />

haben <strong>Stifterverband</strong>,<br />

Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n Industrie<br />

und <strong>Wissenschaft</strong>srat ganz nüchtern das Expertengespräch<br />

benannt, zu dem sie Politiker<br />

aus Bund und Ländern, Präsidenten der <strong>Wissenschaft</strong>sorganisationen<br />

und Forschungsvorstände<br />

deutscher Unternehmen nach Potsdam<br />

eingeladen hatten.<br />

Dabei ging es um nicht weniger als <strong>die</strong> Frage,<br />

wie strategische Weichenstellungen in den Bereichen<br />

Forschung und Technologie in Deutschland<br />

vorbereitet und vollzogen werden. Gerade<br />

in Deutschland sitzen schlechte Erfahrungen<br />

mit planwirtschaftlichen Vorgaben tief. Deshalb<br />

kann nicht oft genug betont werden, dass es sich<br />

bei den verschiedenen organisierten „<strong>Foresight</strong>“-Verfahren,<br />

<strong>die</strong> seit den 90er Jahren von<br />

den USA und Japan vor allem in Europa übernommen<br />

wurden, um einen Prozess handelt<br />

und nicht um eine Vorhersagetechnik.<br />

Dieser Prozess bewegt sich in dem Spannungsfeld<br />

von gesellschaftlicher Konsensbildung,<br />

Politikberatung und Prioritätensetzung<br />

in Politik, <strong>Wissenschaft</strong> und Wirtschaft. Der<br />

vorliegende Band dokumentiert eine Auswahl<br />

der Potsdamer Vorträge, um <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />

Sicht- und Vorgehensweisen von Politik,<br />

<strong>Wissenschaft</strong> und Wirtschaft, aber auch <strong>die</strong> Bindeglieder<br />

herauszustellen: Denn nur gemeinsam<br />

wird es gelingen, zukunftsfähige Strategien zu<br />

entwickeln. Die Einbeziehung der Wirtschaft in<br />

<strong>die</strong>sen Austausch war dem <strong>Stifterverband</strong> ein<br />

besonderes Anliegen: <strong>Wissenschaft</strong> und Wirtschaft<br />

müssen künftig verstärkt zusammenarbeiten,<br />

um international konkurrenzfähig zu<br />

bleiben.<br />

Unverändert gilt: Die Kraft der Innovation<br />

kann man nicht befehlen oder auch nur vor-<br />

4<br />

hersagen. So konzentriert man sich gerne auch<br />

auf <strong>die</strong> Rolle, <strong>die</strong> der <strong>Foresight</strong>-Prozess <strong>für</strong> eine<br />

Kartografie der <strong>Wissenschaft</strong> selbst spielt. Immer<br />

wieder wurde auf <strong>die</strong> „5 Cs“ rekurriert, <strong>die</strong><br />

der Brite Ben Martin aus den Erfahrungen in<br />

Großbritannien als „process benefits“ bezeichnet<br />

hat:<br />

• Communication<br />

• Concentration on the longer term<br />

• Co-ordination<br />

• Consensus<br />

• Commitment.<br />

Trotzdem sollten wir uns nicht mit einem Austausch<br />

über <strong>die</strong> unterschiedlichen Verfahren<br />

und strukturierten Kommunikationen innerhalb<br />

Deutschlands und in Europa zufrieden geben,<br />

nach der Devise „Der Weg ist das Ziel.“ Das Augenmerk<br />

muss vielmehr auf dem dritten C, der<br />

Koordination, liegen. Wie lassen sich nationale<br />

und europäische Prozesse in ihren Ergebnissen<br />

zusammenführen und in einer klareren Kompetenzzuweisung<br />

wenigstens teilweise umsetzen?<br />

Wie kann eine Zusammenarbeit zwischen<br />

<strong>Wissenschaft</strong> und Wirtschaft in <strong>die</strong>sem Bereich<br />

aussehen? Das sind <strong>die</strong> Fragen, denen der <strong>Stifterverband</strong><br />

in einem nächsten Schritt nachgehen<br />

möchte.<br />

Dr. Arend Oetker<br />

Präsident des <strong>Stifterverband</strong>es


Arend Oetker<br />

Arend xxx.. Oetker..<br />

Cartography of sciences<br />

Setting priorities in research funding” is the<br />

straightforward title that the <strong>Stifterverband</strong>,<br />

the Confederation of German Industry and<br />

the Science Council gave the round of talks to<br />

which they invited the responsible politicians at<br />

Land and Federal level, the presidents of the science<br />

organisations and the research boards of German<br />

companies to Potsdam<br />

Nothing less was at stake than the issue as to<br />

how strategic decisions in the fields of research and<br />

technology in Germany could be prepared and implemented.<br />

In Germany in particular, there is deeply-rooted<br />

bad experience with provisions made by<br />

planned economies. Therefore, it cannot be stressed<br />

often enough that the various types of organised<br />

foresight procedures that have been adopted by<br />

the USA and Japan and, above all, Europe since<br />

the nineties, are processes, and not methods of forecasting.<br />

A process of this kind progresses in the area of<br />

conflict involving the formulation of a consensus<br />

in society, political consultation and prioritising<br />

in politics, science and industry. This documentation<br />

presents a selection of the Potsdam lectures to<br />

illustrate the various views and approaches of politics,<br />

science and industry, but also to highlight<br />

common links, for we will only succeed in developing<br />

forward-looking and viable strategies if we<br />

really join forces. Integrating industry into this exchange<br />

of views has been a special matter of concern<br />

to the <strong>Stifterverband</strong>, for science and industry<br />

are going to have to co-operate in order to remain<br />

competitive at international level.<br />

What continues to hold is that the force of innovation<br />

will not simply turn up to order. Neither<br />

can it be predicted. This is why preference is given<br />

to focusing on the role that the foresight process<br />

plays for a cartography of science itself. Again and<br />

again, reference was made to the “5 Cs” that the<br />

5<br />

Briton Ben Martin has called “process benefits”<br />

with regard to experience made in the United Kingdom:<br />

• communication<br />

• concentration on the longer term<br />

• co-ordination<br />

• consensus<br />

• commitment.<br />

Nevertheless, we should not be satisfied with a mere<br />

exchange of views on the various methods and<br />

structured communication within Germany and<br />

Europe as if this were an end in its own right. Rather,<br />

the focus ought to be on the third C, co-ordination.<br />

How can the results of national and European<br />

processes be combined and, at least partly, be<br />

implemented on the basis of a more straightforward<br />

allocation of responsibilities? What could cooperation<br />

between science and industry look like in<br />

this area? These are the questions that the <strong>Stifterverband</strong><br />

would like to explore in a further step.<br />

Dr. Arend Oetker<br />

President of the <strong>Stifterverband</strong>


Ekkehard Winter<br />

Hermann Josef Abs, langjähriger<br />

Vorstandssprecher der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bank, hat einmal gesagt,<br />

Prognosen seien wie Straßenlaternen <strong>für</strong><br />

einen Betrunkenen. „Sie <strong>die</strong>nen nicht unbedingt<br />

der Erleuchtung, aber man kann<br />

sich an ihnen festhalten.“ Dies ist eine gute<br />

Beschreibung <strong>für</strong> <strong>die</strong> skeptische Haltung<br />

vieler Teilnehmer des Expertengesprächs<br />

„Prioritätensetzung in der Forschungsfinanzierung“,<br />

zu dem <strong>Stifterverband</strong>, <strong>Wissenschaft</strong>srat<br />

und Bundesverband der<br />

<strong>Deutsche</strong>n Industrie nach Potsdam ins<br />

Überblick..<br />

Generalangriff auf <strong>die</strong><br />

Zaunkönige<br />

6<br />

Schloss Cecilienhof eingeladen hatten. Es<br />

ging den Veranstaltern dabei weniger um<br />

eine detaillierte Methodendiskussion als<br />

um Auswirkungen von Prospektionsverfahren<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Prioritätensetzung in Politik,<br />

Wirtschaft und <strong>Wissenschaft</strong>.<br />

Winfried Schulze, Historiker aus München<br />

und bis Ende Januar 2001 Vorsitzender<br />

des <strong>Wissenschaft</strong>srats, nahm <strong>die</strong><br />

Erkenntnisse aus der Evaluation des deutschen<br />

<strong>Wissenschaft</strong>ssystems zum Anlass,<br />

um über <strong>die</strong> – im internationalen Vergleich<br />

– Zurückhaltung Deutschlands


eim Thema „<strong>Foresight</strong>“ neu nachzudenken.<br />

Die Schwankungen in der Beliebtheit<br />

von Planung und Vorausschau im deutschen<br />

<strong>Wissenschaft</strong>ssystem in den letzten<br />

200 Jahren beschrieb eindrücklich Helmuth<br />

Trischler, <strong>Wissenschaft</strong>shistoriker<br />

am <strong>Deutsche</strong>n Museum in München (Seite<br />

25 ff.). Sehr häufig hatte demnach der<br />

Wunsch nach einer stärkeren Planbarkeit<br />

von Forschung eine starke Wurzel in<br />

internationalen Projekten und im Vergleich<br />

mit der technologischen Leistungsfähigkeit<br />

des Auslands, insbesondere der<br />

USA. Auf Phasen der Planungseuphorie<br />

folgten dann wieder solche der Ernüchterung.<br />

Paul Erker, der bei der Veranstaltung<br />

<strong>die</strong> Wirtschaftsgeschichte vertrat, kam zu<br />

dem Schluss, dass aus historischer Sicht<br />

<strong>die</strong> Planbarkeit von F&E in Unternehmen<br />

nicht zu belegen ist. Die Ursprünge von<br />

Ekkehard Winter..<br />

7<br />

F&E-Planungen entstanden eher aus der<br />

Defensive heraus (Konkurrenz, neue Produkte,<br />

Zusammenbruch von Märkten);<br />

erst seit Beginn der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts<br />

lassen sich längerfristige Planungszeiträume<br />

und systematische F&E-<br />

Finanzierung nachweisen. Erker empfahl<br />

den Managern in den Firmen einen Blick<br />

in <strong>die</strong> Geschichte des eigenen Unternehmens,<br />

um Fehler nicht zu wiederholen<br />

(„looking back to look ahead!“).<br />

„Nicht planbar, aber gestaltbar“<br />

„Die Zukunft ist nicht planbar, aber gestaltbar!“<br />

Dies war <strong>die</strong> Entgegnung von<br />

Klaus-Dieter Vöhringer, im Vorstand der<br />

DaimlerChrysler AG zuständig <strong>für</strong> Forschung<br />

und Entwicklung. In seinem Vortrag<br />

(Seite 39 ff.) bezeichnete er <strong>die</strong> Antizipation<br />

von Technologiesprüngen als be-<br />

Rund 40 Fachleute aus <strong>Wissenschaft</strong>, Wirtschaft und Politik diskutierten im Potsdamer Schloss<br />

Cecilienhof über Chancen und Grenzen von Prospektion.


sonders wichtig, aber naturgemäß auch als<br />

besonders schwierig in der strategischen<br />

Vorausschau, <strong>die</strong> bei DaimlerChrysler bis<br />

zu 15 Jahre in <strong>die</strong> Zukunft gehe. Instrumente<br />

reichten von technischen Vorgaben<br />

wie niedrigem Kraftstoffverbrauch und<br />

verbesserter Fahrerassistenz bis zur Verfolgung<br />

von Megatrends wie Nachhaltige<br />

Mobilität oder Unfallfreier Verkehr. Technologisch-wissenschaftlichesBenchmarking<br />

könne zeigen, in welchen Feldern das<br />

Unternehmen konkurrenzfähig sei, wo es<br />

seine Anstrengungen erhöhen, wo es aber<br />

auch auf Grund eines unaufholbaren Forschungsrückstandes<br />

Technologielinien fallen<br />

lassen oder auf externe Kooperationspartner<br />

verlagern müsse. Vöhringer beschrieb<br />

<strong>die</strong>se Prozesse als kompliziert und<br />

bisweilen schmerzhaft. Er betonte <strong>die</strong><br />

unternehmensinterne Vorgabe, dass<br />

Schwerpunktveränderungen in F&E nicht<br />

zu Entlassungen führen dürften.<br />

Andreas Büchting, Sprecher des Vorstandes<br />

der KWS Saat AG, zeigte <strong>die</strong> globale<br />

Dimension der Planung auf dem Biotechnologiemarkt.<br />

Marktattraktivität gegen<br />

Wettbewerbsposition<br />

Offen blieb in der seien bei KWS Saat <strong>die</strong> Ach-<br />

Diskussion, was <strong>die</strong> sen im Koordinatensystem<br />

öffentlich finanzierte des „Welt-Portfolios“. Dra-<br />

<strong>Wissenschaft</strong> eigentlich matische Sprünge in immer<br />

von den langen Pla- kürzerer Folge kennzeichnungshorizonten<br />

und neten <strong>die</strong> Biotechnologie,<br />

den beeindruckenden <strong>für</strong> <strong>die</strong> enorme F&E-Mittel<br />

Strategien in der Privat- aufgewendet werden müswirtschaft<br />

lernen kann. sten, bei KWS Saat immerhin<br />

15 Prozent vom Umsatz.<br />

Als Erfolgsrezept nannte Büchting <strong>die</strong> vielfältigen<br />

Kooperationen mit Universitäten<br />

und öffentlichen Forschungseinrichtungen<br />

im In- und Ausland.<br />

Offen blieb in der Diskussion, was <strong>die</strong><br />

öffentlich finanzierte <strong>Wissenschaft</strong> eigentlich<br />

von den langen Planungshorizonten<br />

und den beeindruckenden Strategien in<br />

der Privatwirtschaft lernen kann. Vor al-<br />

Überblick..<br />

8<br />

lem <strong>die</strong> Unterschiede wurden noch einmal<br />

hervorgehoben, so z.B. <strong>die</strong> klare Gewinnorientierung<br />

von Unternehmen, <strong>die</strong> zudem<br />

nicht auf verschiedene Kräfte und<br />

Interessengruppen Rücksicht nehmen<br />

müssen. Und: „Wo bei der Max-Planck-<br />

Gesellschaft <strong>die</strong> Forschung aufhört, fängt<br />

sie bei DaimlerChrysler an!“ So beschrieb<br />

Hubert Markl, Präsident der Max-Planck-<br />

Gesellschaft, <strong>die</strong> Unterschiede zwischen<br />

den beiden Forschungsakteuren.<br />

Bildung von Netzwerken ist wichtig<br />

Wenn <strong>die</strong> Übertragbarkeit von Planungsprozessen<br />

aus der Wirtschaft womöglich<br />

gering ist, lohnt vielleicht der Blick ins<br />

Ausland, wo es weitreichende Erfahrungen<br />

mit dem Instrument „<strong>Foresight</strong>“ gibt.<br />

In Großbritannien geht das erste umfassende<br />

Technology <strong>Foresight</strong>-Programm<br />

auf das Weißbuch der Regierung vom Mai<br />

1993 zurück, das unter dem Titel „Realising<br />

our Potential“ stand. Ziel der Empfehlungen<br />

war, <strong>die</strong> Verbindung zwischen<br />

der <strong>Wissenschaft</strong>sbasis und der Mehrung<br />

des Wohlstands bzw. der Verbesserung<br />

der Lebensqualität zu stärken. Um <strong>die</strong>se<br />

Ziele erreichen zu können, wurde eine rationale<br />

Prioritätensetzung und <strong>die</strong> Bildung<br />

von Netzwerken zwischen <strong>Wissenschaft</strong><br />

und Wirtschaft <strong>für</strong> wichtig erachtet.<br />

Die Delphi-Stu<strong>die</strong>n, Szenarien und zusammenfassenden<br />

Berichte, <strong>die</strong> <strong>die</strong> fünfzehn<br />

Expertenrunden erarbeiteten, wurden<br />

weit verbreitet und erreichten über <strong>die</strong><br />

enge Verbindung zwischen dem Office for<br />

Science and Technology (OST) und den<br />

Research Councils auch <strong>die</strong> feinen Verästelungen<br />

des <strong>Wissenschaft</strong>ssystems.<br />

Hinsichtlich der konkreten Auswirkungen<br />

auf Schwerpunktsetzungen äußerte<br />

sich auf der Tagung Michael Keenan,<br />

Policy Research in Engineering Science<br />

and Technology (PREST), University of<br />

Manchester, recht skeptisch. So könne <strong>die</strong>


große Übereinstimmung zwischen den<br />

Empfehlungen aus dem <strong>Foresight</strong>-Prozess<br />

und den Programmen der Research Councils<br />

auch dadurch erklärt werden, dass es<br />

hier wie dort <strong>die</strong> gleichen oder ähnliche<br />

Personen gewesen seien, <strong>die</strong> über Schwerpunktbildungen<br />

entschieden hätten. Deshalb<br />

sei der Abschlussbericht des Parlamentary<br />

Office for Science and Technology<br />

(POST) zu dem Schluss gekommen,<br />

dass <strong>Foresight</strong> ein evolutionärer und keineswegs<br />

isolierter Prozess sei, dessen enge<br />

Verbindung mit <strong>Foresight</strong>-unabhängigen<br />

Strategieentwicklungen im <strong>Wissenschaft</strong>sbereich<br />

gesehen werden müsse. Genau aus<br />

<strong>die</strong>sem Grund sei, so Keenan, der <strong>Foresight</strong>-Prozess<br />

auch ungeheuer schwierig<br />

zu evaluieren. Dies sei im Grunde nur<br />

über einzelne Fallstu<strong>die</strong>n möglich.<br />

Keenan nannte einige Erfolgsgeschichten,<br />

<strong>die</strong> auf <strong>Foresight</strong>-Empfehlungen zurück<br />

zu führen sind. So konnte erst, nachdem<br />

<strong>die</strong> <strong>Foresight</strong>-Expertengruppe <strong>für</strong> Informationstechnologie<br />

ein Nationales<br />

Mikroelektronikinstitut (NMI) empfohlen<br />

hatte, <strong>die</strong>se an sich alte Idee verwirklicht<br />

werden. Das NMI wurde mittlerweile als<br />

Public Private Partnership zwischen neun<br />

Firmen und fünf Universitäten errichtet.<br />

Auch <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> Entwicklung<br />

der Brennstoffzelle von Wirtschaftsunternehmen<br />

nicht fallengelassen wurde, ist<br />

nach der Schilderung Keenans auf Empfehlungen<br />

von <strong>Foresight</strong> Panels zurück zu<br />

führen.<br />

Weite Kreise der Gesellschaft beteiligen<br />

Das eigentlich Überraschende – und das<br />

wurde auch durch Lennart Lübeck, Programmmanager<br />

des Schwedischen Technology<br />

<strong>Foresight</strong>, bestätigt – ist <strong>die</strong> Entwicklung<br />

des Technology <strong>Foresight</strong> von<br />

einem von Experten gesteuerten Prozess<br />

zu einer Beteiligung weiter Kreise der Gesellschaft,<br />

z. B. einem Young <strong>Foresight</strong> in<br />

Ekkehard Winter..<br />

9<br />

britischen Schulen. Es ist hier eine deutliche<br />

Konvergenz zwischen technologischer<br />

Vorausschau klassischer Prägung (Delphi-<br />

Stu<strong>die</strong>n, etc.) und dem „Public Understanding<br />

of Science“ zu bobachten. Diese<br />

Tendenz hat sich mit den vor kurzem angelaufenen<br />

zweiten Runden der <strong>Foresight</strong>-<br />

Verfahren in Großbritannien und Schweden<br />

noch verstärkt. Auch der von der<br />

Bundesregierung angestoßene<br />

FUTUR-Prozess geht in Wolf-Michael Ca-<br />

<strong>die</strong>se Richtung und macht tenhusen,Parla- sich dabei das Internet zumentarischerStaatssenutze. Auf der FUTUR-Hokretär im BMBF, bekannte<br />

mepage (www.futur.de), <strong>die</strong> sich zu <strong>die</strong>sem Instru-<br />

vom Bundesministerium <strong>für</strong> ment einer übergreifen-<br />

Bildung und Forschung den Früherkennung ge-<br />

(BMBF) betreut wird, heißt sellschaftlicherBedürf- es: „Wer morgen auf gesinisse, <strong>die</strong> über Technolochertes<br />

Wissen zurückgreigien hinausgingen. Das<br />

fen möchte, muss heute <strong>die</strong> BMBF sehe sich hier in ei-<br />

richtigen Fragen stellen, ner Moderatorenrolle<br />

Programme und Gelder zur zwischen Politik, Wissen-<br />

Verfügung stellen, um rechtschaft, Wirtschaft und<br />

zeitig <strong>die</strong> gesuchten Ant- Gesellschaft. Die durch<br />

worten parat zu haben. den FUTUR-Prozess be-<br />

Dies ist das Ziel von FU- gonnene Trendforschung<br />

TUR: Bereits heute im Dialog durch Experten und jun-<br />

<strong>die</strong> Fragen an <strong>die</strong> Wissenge Trendsetter bzw. <strong>die</strong><br />

schaft zu formulieren, deren Entwicklung von Zukunft-<br />

Antworten wir morgen brauszenarien durch Experten<br />

chen werden. Im Austausch und Bürgerforen enthebe<br />

aller Beteiligten sollen Leitvi- <strong>die</strong> Politik allerdings<br />

sionen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Forschung nicht von Prioritätenent-<br />

entstehen, als Grundlage <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Forschungspolitik der<br />

Bundesregierung.<br />

scheidungen.<br />

Auch Sie können sich am deutschen<br />

Forschungsdialog FUTUR beteiligen, als<br />

Experte in Ihrem eigenen Arbeitsbereich,<br />

sei es Wirtschaft, Kultur, Soziales, Me<strong>die</strong>n<br />

oder <strong>Wissenschaft</strong> – und als Bürger. Partizipation<br />

ist ein wichtiges Element von<br />

FUTUR: Die Zukunft ist zu wichtig, um<br />

sie allein einem kleinen Expertenkreis zu<br />

überlassen.“


Wolf-Michael Catenhusen, Parlamentarischer<br />

Staatssekretär im BMBF, bekannte<br />

sich zu <strong>die</strong>sem Instrument einer übergreifenden<br />

Früherkennung gesellschaftlicher<br />

Bedürfnisse, <strong>die</strong> über Technologien hinausgingen.<br />

Das BMBF sehe sich hier in einer<br />

Moderatorenrolle zwischen Politik,<br />

<strong>Wissenschaft</strong>, Wirtschaft und Gesellschaft.<br />

Die durch den FUTUR-Prozess begonnene<br />

Trendforschung durch Experten und junge<br />

Trendsetter bzw. <strong>die</strong> Entwicklung von Zukunftsszenarien<br />

durch Experten und Bürgerforen<br />

enthebe <strong>die</strong> Politik allerdings<br />

nicht von Prioritätenentscheidungen. Es<br />

sei vor allem <strong>die</strong> Frage, ob<br />

Gehörige Skepsis und wie man mit einem<br />

gegenüber der Pro- mehrjährigen <strong>Foresight</strong>-Prospektion<br />

als Entscheizess zu Schwerpunktsetzundungsinstrument<br />

<strong>für</strong> pogen in Form von FachprolitischePrioritätensetgrammen<br />

kommen könne.<br />

zung äußerte Jürgen Zöll- Catenhusen nannte als Beiner,<br />

Staatsminister <strong>für</strong> spiel <strong>die</strong> Festlegung von<br />

Bildung, <strong>Wissenschaft</strong> Schwerpunkten <strong>für</strong> <strong>die</strong> ge-<br />

und Weiterbildung in plante Programmsteuerung<br />

Rheinland Pfalz. So sehr der Helmholtz-Gemein-<br />

<strong>die</strong> Politik übersteigerte schaft (HGF) (Seite 49 ff.).<br />

Erwartungen an Prospek- Gehörige Skepsis gegention<br />

habe, so sehr unterüber der Prospektion als<br />

schätzten Institutionen, Entscheidungsinstrument<br />

insbesondere Hochschu- <strong>für</strong> politische Prioritätensetlen,<br />

<strong>die</strong>ses Instrument. zung äußerte Jürgen Zöllner,<br />

Staatsminister <strong>für</strong> Bildung,<br />

<strong>Wissenschaft</strong> und Weiterbildung in Rheinland<br />

Pfalz (Seite 63 ff.). So sehr <strong>die</strong> Politik<br />

übersteigerte Erwartungen an Prospektion<br />

habe, so sehr unterschätzten Institutionen,<br />

insbesondere Hochschulen, <strong>die</strong>ses Instrument.<br />

Es zwinge zur Beschäftigung mit<br />

strategischen Fragen und zu Schwerpunktsetzungen,<br />

<strong>die</strong> nur vor Ort und<br />

nicht über Politik oder Gesellschaft erfolgen<br />

könnten. Große Unterstützung fand<br />

<strong>die</strong>se Aussage bei Klaus Landfried, dem<br />

Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz,<br />

der sich von einer stärker strategischen<br />

Ausrichtung der Hochschulen einen<br />

Überblick..<br />

10<br />

„Generalangriff auf <strong>die</strong> Zaunkönige“ in<br />

den Fakultäten verspricht. Landfried<br />

nannte als Beispiele <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Entwicklung<br />

<strong>die</strong> von der <strong>Deutsche</strong>n Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG) Alle Einrichtungen<br />

geplante Förderung großer betreiben institutio-<br />

Forschungszentren und regnenspezifische Verfahren<br />

te an, zum Thema „Strategi- zur Schwerpunktbildung,<br />

eentwicklung an Hochschu- <strong>die</strong> dem jeweiligen Auflen“<br />

eine eigene Konferenz trag der Institution fol-<br />

zu veranstalten.<br />

gen. Dabei ist <strong>die</strong> Fraun-<br />

Die abschließenden Vorhofer-Gesellschaft einer<br />

träge des Vorsitzenden der starken Steuerung durch<br />

Hermann von Helmholtz-Ge- den „Markt“ ausgesetzt,<br />

meinschaft <strong>Deutsche</strong>r For- da sie nur 35 % ihrer<br />

schungszentren, vertreten Mittel als Grundfinanzie-<br />

durch Michael Steiner, den rung aus öffentlichen<br />

wissenschaftlichen Ge- Quellen erhält.<br />

schäftsführer des Hahn Meitner-Instituts<br />

Berlin, und <strong>die</strong> Präsidenten<br />

der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG), Hans-<br />

Jürgen Warnecke, der Max-Planck-Gesellschaft<br />

(MPG), Hubert Markl, und der <strong>Wissenschaft</strong>sgemeinschaft<br />

Gottfried Wilhelm<br />

Leibniz (WGL), Frank Pobell, bestätigten<br />

Zöllner’s These. Alle Einrichtungen betreiben<br />

institutionenspezifische Verfahren<br />

zur Schwerpunktbildung, <strong>die</strong> dem jeweiligen<br />

Auftrag der Institution folgen.<br />

Dabei ist <strong>die</strong> Fraunhofer-Gesellschaft einer<br />

starken Steuerung durch den „Markt“<br />

ausgesetzt, da sie nur 35 Prozent ihrer<br />

Mittel als Grundfinanzierung aus öffentlichen<br />

Quellen erhält. Nach den Ausführungen<br />

Hans-Jürgen Warneckes hat <strong>die</strong>se<br />

Steuerung dort Schwächen, wo eine längere<br />

Vorlaufforschung eine höhere<br />

Grundzuwendung erforderlich mache,<br />

vor allem in der Biotechnologie. Deshalb<br />

seien zusätzliche Instrumente strategischer<br />

Planung wie Zielvereinbarungen<br />

und Analysen der Kundenzufriedenheit<br />

eingeführt worden. Über<strong>die</strong>s könne <strong>die</strong><br />

FhG-Zentrale u.a. mit internen Programmen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Vernetzung von thematischen<br />

Verbünden sorgen.


Schwerer tut sich naturgemäß <strong>die</strong> WGL<br />

wegen der nur schwach ausgeprägten zentralen<br />

Steuerung und der Vielfalt der<br />

WGL-Institute. Entsprechend wies WGL-<br />

Präsident Pobell auf <strong>die</strong> Rolle von einzelnen<br />

Personen bei strategischen Entscheidungen<br />

hin. Was bei solchen Entscheidungen<br />

zunehmend fehle, sei das Vertrauen<br />

auf das Urteil einer angesehenen<br />

Persönlichkeit und der Mut, auf Grund<br />

<strong>die</strong>ses Urteils eine Entscheidung zu fällen.<br />

Spitzenleistungen ließen sich durch Prospektion<br />

jedenfalls nicht erzeugen.<br />

Auch MPG-Präsident Markl betonte <strong>die</strong><br />

Rolle von Persönlichkeiten. Die Max-<br />

Planck-Gesellschaft verfolge nach wie vor<br />

das Harnack-Prinzip, d.h. sie versuche<br />

stets <strong>die</strong> besten Talente zu identifizieren,<br />

ihnen große Freiheit und Mittel zu geben<br />

und – nach einem vernünftigen Zeitraum<br />

– zu prüfen, was sie geleistet haben.<br />

Markls Kernaussage: Freiheit zwingt zur<br />

Übernahme von Verantwortung <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene<br />

Planung! Er beschrieb <strong>die</strong> in hohem<br />

Maße auch von Informalität geprägten,<br />

zum Teil aber auch durch politische und<br />

bürokratische Rahmenbedingungen bedingten<br />

Verfahren zur Entscheidung über<br />

den Aufbau bzw. <strong>die</strong> Schließung von Max-<br />

Planck-Instituten (Seite 75 ff.).<br />

Prospektion ohne mehr Bürokratie?<br />

Einen besonderen Bedarf an Prospektion<br />

hat gegenwärtig <strong>die</strong> HGF, <strong>die</strong> nicht mehr<br />

institutionell gefördert, sondern über Programme<br />

gesteuert werden soll (Seite 69 ff.).<br />

Die öffentlichen Geldgeber erhoffen sich<br />

davon eine größere Flexibilität und mehr<br />

Wettbewerb zwischen den Helmholtz-<br />

Zentren und den einzelnen Arbeitsgruppen.<br />

Einer Quadratur des Kreises gleich<br />

kommt der Wunsch, <strong>die</strong>ses ehrgeizige Ziel<br />

ohne mehr bürokratischen Aufwand zu erreichen.<br />

Viele Fragen sind noch offen: Reichen<br />

<strong>die</strong> sechs bisher formulierten Pro-<br />

Ekkehard Winter..<br />

11<br />

grammbereiche aus? Wie greifen <strong>die</strong> wissenschaftsgeleitete<br />

Füllung <strong>die</strong>ses Rahmens,<br />

Prospektion und politische Vorgaben,<br />

d.h. Bottom-up- und Top-down-Prozesse<br />

ineinander? In welchem Detail soll<br />

<strong>die</strong> Steuerung erfolgen?<br />

Die Diskussion kreiste um <strong>die</strong> Frage,<br />

ob Prospektion und nachfolgende Programmsteuerung<br />

ein Weg sein könnten,<br />

<strong>die</strong> Säulen des deutschen <strong>Wissenschaft</strong>ssystems<br />

stärker miteinander<br />

zu verbinden. Diese Frage Hinsichtlich der Fra-<br />

wurde vor allem von Carge, ob es über <strong>die</strong><br />

sten Kreklau, Mitglied der Strategieentwicklung der<br />

Hauptgeschäftsführung des einzelnen Einrichtungen<br />

Bundesverbandes der Deut- hinaus eine Prospektion<br />

schen Industrie und Arend mit Folgen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Res-<br />

Oetker, dem Präsidenten des sourcenallokation geben<br />

<strong>Stifterverband</strong>es, gestellt. sollte, blieb <strong>die</strong> Diskus-<br />

Prospektion sei nicht mit sion ohne greifbares Er-<br />

Planung gleichzusetzen, so gebnis. Staatssekretär Ca-<br />

argumentierten sie gegenütenhusen stellte <strong>die</strong> Fraber<br />

den Sorgen der Präsige, ob es nicht sinnvoller<br />

denten der <strong>Wissenschaft</strong>sor- sei, bestimmte Schwerganisationen,<br />

<strong>die</strong> vor der punkte nur noch auf eu-<br />

Gefahr planwirtschaftlichen ropäischer Ebene zu för-<br />

Denkens und einer ungedern.sunden Homogenisierung<br />

mit der Stärkung des wissenschaftlichen<br />

„Mainstreams“ als unerwünschten Nebeneffekten<br />

warnten. Echte wissenschaftliche<br />

und technologische Durchbrüche ergäben<br />

sich unerwartet.<br />

Hinsichtlich der Frage, ob es über <strong>die</strong><br />

Strategieentwicklung der einzelnen Einrichtungen<br />

hinaus eine Prospektion mit<br />

Folgen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ressourcenallokation geben<br />

sollte, blieb <strong>die</strong> Diskussion ohne greifbares<br />

Ergebnis. Vollends unscharf blieb <strong>die</strong><br />

europäische Dimension der Prospektion,<br />

auf <strong>die</strong> Staatssekretär Catenhusen den<br />

Blick mit der Bemerkung lenkte, das deutsche<br />

Forschungssystem würde ohne <strong>die</strong><br />

europäischen Forschungsrahmenprogramme<br />

nicht anders aussehen als heute. Er<br />

stellte <strong>die</strong> Frage, ob es nicht sinnvoller sei,


estimmte Schwerpunkte nur noch auf<br />

europäischer Ebene zu fördern. Prioritätensetzung<br />

bekäme dann den Sinn der Arbeitsteilung,<br />

denn zurzeit würden auf nationaler<br />

und europäischer Ebene weitgehend<br />

identische Prioritäten verfolgt. <strong>Stifterverband</strong>spräsident<br />

Oetker regte daraufhin<br />

eine eigene Veranstaltung zur Behandlung<br />

<strong>die</strong>ses Themas an.<br />

Fazit: Prospektion hat in den betrachteten<br />

Ländern (Großbritannien, Schweden<br />

und auch Deutschland) einen Bedeutungswandel<br />

erlangt. Dort wird der <strong>Foresight</strong>-Prozess<br />

zunehmend als Instrument<br />

zur stärkeren Vernetzung zwischen <strong>Wissenschaft</strong>,<br />

Wirtschaft, Politik und Gesellschaft,<br />

auch und gerade im Sinne eines<br />

„Public Engagement“, verstanden: „Bringing<br />

people from different places together<br />

who wouldn’t have met otherwise.“ Die<br />

konkreten Auswirkungen<br />

Fazit: Prospektion auf <strong>die</strong> Entwicklung von<br />

hat in den betrach- neuen Technologielinien, <strong>die</strong><br />

teten Ländern (Großbri- ursprünglich handlungsleitannien,<br />

Schweden und tend gewesen war, ist quan-<br />

auch Deutschland) einen titativ schwer nachzuwei-<br />

Bedeutungswandel ersen, aber in einzelnen Falllangt.<br />

Dort wird der Forestu<strong>die</strong>n durchaus belegbar.<br />

sight-Prozess zunehmend Hinsichtlich der Entwick-<br />

als Instrument zur stärkelung von nationalen Prioren<br />

Vernetzung zwischen ritäten durch Prospektion<br />

<strong>Wissenschaft</strong>, Wirtschaft, überwiegt Skepsis. Welche<br />

Politik und Gesellschaft, Beiträge <strong>die</strong> Prospektion zur<br />

auch und gerade im Sin- Entwicklung von Fachprone<br />

eines „Public Engagegrammen, etwa <strong>für</strong> <strong>die</strong> gement“,verstanden:„Brinplante<br />

Programmsteuerung<br />

ging people from diffe- der HGF, leisten kann, ist ofrent<br />

places together who fen. Deutlich sichtbar ist<br />

wouldn’t have met other- aber eine stärkere strategiwise.“sche<br />

Orientierung innerhalb<br />

der Forschungsträger- und<br />

Forschungsförderungsorganisationen.<br />

Diesen würde das Studium der in Wirtschaftsunternehmen<br />

erprobten Verfahren<br />

allerdings nur begrenzt weiterhelfen, weil<br />

<strong>die</strong> Rahmenbedingungen zu unterschied-<br />

Überblick..<br />

12<br />

lich sind. Für F&E-intensive Firmen ist<br />

eine strategische Sicht auf <strong>die</strong> Zukunft eine<br />

Überlebensfrage. Offen bleibt zunächst<br />

auch, welchen Beitrag eine vorausschauende<br />

Prioritätensetzung zur Verbesserung<br />

der Durchlässigkeit zwischen den Säulen<br />

des deutschen Forschungssystems und bei<br />

der Gestaltung des europäischen Forschungsraums<br />

leisten könnte.<br />

Dr. Ekkehard Winter<br />

leitet den Bereich „Programm<br />

& Förderung“ im <strong>Stifterverband</strong><br />

und ist zugleich Mitglied<br />

in dessen Geschäftsleitung.


Ekkehard Winter<br />

Hermann Josef Abs, who was the<br />

German Bank’s spokesman for<br />

several years, once said that forecasts<br />

were just like street lamps to a drunkard:<br />

“They don’t necessarily enlighten you,<br />

but at least you can cling to them.” This is<br />

in fact a good description of the sceptical attitude<br />

many participants displayed at the<br />

workshop “Prioritätensetzung in der Forschungsfinanzierung”<br />

(Establishing priorities<br />

in research funding), held by the <strong>Stifterverband</strong>,<br />

the Science Council and the Confederation<br />

of German Industry at Schloss<br />

Cecilienhof in Potsdam. What the organisers<br />

had in mind was not so much a detailed debate<br />

on methods but to discuss the impact of<br />

foresight and prospecting methods on setting<br />

priorities in politics, industry and science.<br />

Winfried Schulze, a Munich historian and<br />

head of the Science Council until the end of<br />

January 2001, referred to the insights gained<br />

from the evaluation of Germany’s higher education<br />

and research system as a suitable occasion<br />

to re-assess what was a reserved attitude<br />

on the part of Germany in an international<br />

comparison when it came to the issue<br />

of foresight.<br />

Helmuth Trischler, a science historian at<br />

the <strong>Deutsche</strong>s Museum in Munich (see page<br />

25 pp.) gave a vivid account of the fluctuations<br />

planning and foresight had seen in the<br />

German science system over the past 200<br />

years. According to Trischler, the desire to<br />

boost the aspect of planning research was<br />

very frequently strongly rooted in internation-<br />

Ekkehard Winter..<br />

Time to take down<br />

the gates<br />

13<br />

al projects and in comparisons with other<br />

countries, particularly the USA. Phases of<br />

planning euphoria were then again followed<br />

by disillusionment. Paul Erker, representing<br />

economic history at the event, drew the conclusion<br />

that, from a historical angle, there<br />

was no evidence of R&D being planable in<br />

enterprises. Rather, the origins of R&D planning<br />

emerged from the defensive (competition,<br />

new products, the collapse of markets);<br />

it was not before the early twenties of the<br />

twentieth century that longer term planning<br />

horizons and systematic R&D funding could<br />

be established. Erker recommended company<br />

managers to “look back to look ahead”<br />

and study the history of their own firms in<br />

order to avoid mistakes made in the past.<br />

“Future cannot be planned but designed”<br />

Klaus-Dieter Vöhringer, a member of the<br />

DaimlerChrysler AG board who is responsible<br />

for R&D, responded by stating that “while<br />

the future cannot be planned, we are able to<br />

design it”. In his lecture (see page 39 pp.),<br />

he referred to the anticipation of technological<br />

leaps as a particularly important exercise<br />

that was, however, on account of its very<br />

nature, also particularly difficult to perform<br />

when it came to strategic foresight, which covered<br />

up to 15 years into the future at DaimlerChrysler.<br />

The instruments involved ranged<br />

from technical requirements such as low<br />

fuel consumption and improved assistance<br />

for the driver to the pursuit of megatrends


such as sustainable mobility or accident-free<br />

traffic. Technological and scientific benchmarking<br />

could show up which fields the<br />

company was competitive in, where it had to<br />

increase its efforts, and where it would have<br />

to drop technology strategies owing to its<br />

being unable to catch up with state-of-theart<br />

research or outsource activities to external<br />

co-operation partners. Vöhringer described<br />

these processes as complicated and sometimes<br />

even painful. He stressed the incompany<br />

maxim that shifts in R&D priorities<br />

should not lead to dismissals.<br />

Andreas Büchting, spokesman for the board<br />

of KWS Saat AG, demonstrated the global<br />

dimension of planning in the biotechnology<br />

market. At KWS Saat, market attractiveness<br />

and the competitive edge were the<br />

axes in the co-ordinate system of the “global<br />

portfolio”. Biotechnology was characterised<br />

by dramatic leaps at ever shorter intervals<br />

that required huge R&D investments accounting<br />

for no less than 15 percent of turnover<br />

at KWS Saat. According to Büchting,<br />

the wide range of co-operation schemes with<br />

universities and public funded research institutions<br />

at home and abroad had proven to<br />

be a recipe for success.<br />

Experience with foresight abroad<br />

In the discussion, the question remained<br />

open as to what public financed science can<br />

actually learn from the long planning horizons<br />

and the impressive strategies in private<br />

industry. Above all, the differences were<br />

once again stressed, such as the clear orientation<br />

on profits among enterprises, or their<br />

not having to take different forces or interest<br />

groups in society into consideration. And:<br />

“The point at which research stops at the<br />

Max Planck Society is where it starts at<br />

DaimlerChrysler!” This is how Hubert<br />

Markl, President of the Max Planck Society,<br />

described the differences between these two<br />

players in the research scene.<br />

Überblick..<br />

14<br />

If there really is only little scope for the<br />

transfer of planning processes from industry,<br />

it might be worthwhile having a look at how<br />

things are abroad, where considerable experience<br />

has already been gathered with the instrument<br />

of foresight. In the United Kingdom,<br />

the first comprehensive technology foresight<br />

exercise goes back to the government’s<br />

White Paper of 1993 that was titled “Realising<br />

our Potential”. The recommendations<br />

were aimed at strengthening the link between<br />

the science base and enhancing affluence and<br />

the quality of life. Setting priorities in a rational<br />

way and establishing networks between<br />

science and industry were deemed important<br />

prerequisites to attain these goals.<br />

The Delphi Stu<strong>die</strong>s, scenarios and summarised<br />

reports compiled by the fifteen panels of<br />

experts were widely distributed, and via the<br />

close links between the Office for Science and<br />

Technology (OST) and the Research Councils,<br />

they also penetrated the fine ramifications<br />

of the science system.<br />

Regarding concrete impacts on the setting<br />

of priorities, Michael Keenan, Policy Research<br />

in Engineering Science and Technology<br />

(PREST), University of Manchester,<br />

was rather sceptical at the meeting. The considerable<br />

degree of correspondence between<br />

the recommendations from the foresight exercise<br />

and the Research Council programmes<br />

could also be put down to the fact that in<br />

both instances, either the same or similar people<br />

had been making decisions on priorities.<br />

This was why the final report of the Parliamentary<br />

Office for Science and Technology<br />

(POST) had come to the conclusion that<br />

foresight was an evolutionary, and by no means<br />

an isolated, process whose close link<br />

with strategic developments occurring independently<br />

of foresight in the science sector<br />

had to be considered. According to Keenan, it<br />

was exactly for this reason that the foresight<br />

exercise was extremely difficult to evaluate.<br />

Basically, this could only be accomplished<br />

via individual case stu<strong>die</strong>s.


Keenan referred to a number of success stories<br />

going back to foresight recommendations.<br />

For example, the National Microelectronics<br />

Institute, which had actually long<br />

been debated, could only be put into practice<br />

following its recommendation by the <strong>Foresight</strong><br />

Experts Group for Information Technology.<br />

The NMI has since been established<br />

as a Public Private Partnership involving nine<br />

firms and five universities. And the fact<br />

that the development of fuel cells has not<br />

been dropped by industrial enterprises can<br />

also be traced back to recommendations made<br />

by <strong>Foresight</strong> panels, according to Keenan.<br />

What really did surprise the meeting – and<br />

this was also underscored in the presentation<br />

given by Lennart Lübeck, programme manager<br />

of Swedish Technology <strong>Foresight</strong> – is<br />

how technology foresight evolved from a process<br />

controlled by experts into an exercise involving<br />

broad sections of society, as is the case,<br />

for example, with Young <strong>Foresight</strong> at<br />

schools in the United Kingdom. Here, a clear<br />

convergence can be observed between<br />

technological foresight of the traditional type<br />

(Delphi stu<strong>die</strong>s, etc.) and Public Understanding<br />

of Science. This tendency has become<br />

even stronger since the second rounds of<br />

<strong>Foresight</strong> exercises were started in the United<br />

Kingdom and Sweden. The FUTUR process<br />

initiated by the Federal Government also<br />

pursues this course making use of the Internet.<br />

The FUTUR Homepage (www.futur.de),<br />

which is run by the Federal Ministry of Education<br />

and Research (BMBF), states: „If we<br />

are to have access to sound knowledge in the<br />

future, we must pose appropriate questions<br />

today and provide programs and funding<br />

that will allow us to find the right answers in<br />

a timely manner.<br />

This is the goal of the “FUTUR” initiative:<br />

to formulate today, through the give and<br />

take of dialogue, the questions that science<br />

needs to answer tomorrow. Through exchanges<br />

of information and experience, all participants<br />

will have the opportunity to contri-<br />

Ekkehard Winter..<br />

15<br />

bute to the formulation of overarching concepts<br />

that will form the basis for future German<br />

government research policies.<br />

As an expert in your own field – whether<br />

it be business, culture, the social or natural<br />

sciences, or media (and as an ordinary citizen)<br />

– you will also have the opportunity to<br />

participate in a dialogue on<br />

the future of German re- The FUTUR process<br />

search. Proactive participa- initiated by the Fetion<br />

is a key element of the inderal Government also<br />

itiative: for the future is too pursues this course ma-<br />

important to allow its course king use of the Internet.<br />

to be charted by a small group<br />

of experts.“ Wolf-Michael Catenhusen, Parlamentary<br />

State-Secretary at the BMBF, stressed<br />

the importance of this instrument of comprehensive<br />

early identification of societal requirements<br />

which encompassed more than<br />

technology. Here, the BMBF saw itself as<br />

playing the role of a go-between among politics,<br />

science, industry and society. Trend research<br />

which had been started with the FU-<br />

TUR exercise and was being performed by<br />

experts as well as young trend-setters and<br />

the development of future scenarios by experts<br />

as well as citizens’ forums did not, however,<br />

absolve politics from its duty to set<br />

priorities. Above all, the question was whether<br />

and how to reach the establishment of<br />

priorities in the shape of experts’ programmes<br />

via a foresight exercise taking several<br />

years. Catenhusen mentioned the example of<br />

setting priorities for the planned programmatic<br />

management of the Helmholtz-Gemeinschaft<br />

(HGF) (see page 49 pp.).<br />

Jürgen Zöllner, Minister of State for Education,<br />

Science and Further Education in<br />

Rhineland Palatinate (see page 63 pp.), voiced<br />

considerable scepticism about prospecting<br />

as a decision-making instrument in setting<br />

political priorities. While politics was<br />

holding exaggerated expectations about prospecting,<br />

institutions, and especially higher<br />

education institutions, were in fact underestimating<br />

this instrument. Prospecting forced


people to address strategic issues and priorities<br />

that could only be dealt with at local<br />

level, and not via politics or society. This<br />

statement was welcomed in particular by<br />

Klaus Landfried, President of the German<br />

Rectors Conference, who is reckoning with<br />

a more strategic orientation of higher education<br />

institutions resulting in a “gates<br />

being taken down” at department level. As<br />

an example of this development, Landfried<br />

mentioned the plans of the <strong>Deutsche</strong> Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG) to fund large<br />

research centres, and he suggested holding a<br />

special conference to discuss “Strategic developments<br />

in the university sector”.<br />

The concluding presentations of the<br />

Chairman of the Helmholtz-Gemeinschaft<br />

<strong>Deutsche</strong>r Forschungszentren (HGF), represented<br />

by Michael Steiner, Scientific Managing<br />

Director of the Berlin Hahn-Meitner<br />

Institute, and the Presidents of the Fraunhofer-Gesellschaft<br />

(FhG), Hans-Jürgen Warnecke,<br />

the Max Planck Society (MPG), Hubert<br />

Markl, and the <strong>Wissenschaft</strong>sgemeinschaft<br />

Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL),<br />

Frank Pobell, confirmed Zöllner’s proposition.<br />

All these institutions<br />

All these institutions apply institution-specific<br />

apply institution- methods to set their priorispecific<br />

methods to set ties that are tailored to the<br />

their priorities that are respective mission of the<br />

tailored to the respective institute. The Fraunhofermission<br />

of the institute. Gesellschaft is exposed to<br />

The Fraunhofer-Gesell- strong control by the<br />

schaft is exposed to “market”, since it only ob-<br />

strong control by the tains 35 percent of its fi-<br />

“market”, since it only obnances as basic funding<br />

tains 35 percent of its fi- from public sources. Acnances<br />

as basic funding cording to Hans-Jürgen<br />

from public sources. Warnecke, this control<br />

shows weaknesses where<br />

longer preparatory research activities necessitate<br />

higher basic funding, especially in biotechnology.<br />

Therefore, additional instruments<br />

of strategic planning such as agreements on<br />

targets and analyses of customer satisfaction<br />

Überblick..<br />

16<br />

had been introduced. In addition, the FhG headquarters<br />

could support networking among<br />

interrelated thematic complexes.<br />

Owing the multitude of WGL institutes,<br />

strategic planning tends to be more difficult<br />

for the WGL. Therefore, WGL President Pobell<br />

pointed to the important role of individuals<br />

in making strategic decisions. What was<br />

increasingly lacking with such decisions was<br />

trust in the judgement of an eminent personality<br />

and courage to make a decision on the<br />

basis of this judgement. At any rate, peak performance<br />

could not be created via prospecting.<br />

Identifying the best talent<br />

MPG President Markl also stressed the role<br />

of personalities. The Max Planck Society<br />

was still applying the Harnack principle, i.e.<br />

always attempting to identify the best talent,<br />

granting the respective researchers considerable<br />

freedom and support and, after a reasonable<br />

period, reviewing what they had achieved.<br />

Markl’s core statement was that freedom<br />

demanded assuming responsibility for one’s<br />

own planning. He also stressed the conditions<br />

for deciding on setting up or closing<br />

down Max Planck Institutes, which were<br />

characterised to a considerable degree by informality<br />

but partly also by methods required<br />

by political and bureaucratic framework<br />

conditions (see page 75 pp.).<br />

The HGF, which is no longer going to be<br />

financed on an institutional basis but will instead<br />

be controlled via programmes (see page<br />

69 pp.), currently has a considerable requirement<br />

for prospecting. The public bo<strong>die</strong>s<br />

funding it expect this measure to provide for<br />

more flexibility and competition among the<br />

Helmholtz Centres and the individual research<br />

units. The desire to achieve this ambitious<br />

target without a greater bureaucratic<br />

effort seems like squaring the circle. There<br />

are still many open questions. Are the six<br />

programme areas formulated so far sufficient?<br />

How do the science-guided filling of


this framework, prospecting and political requirements,<br />

i.e. bottom-up and top-down<br />

processes, interrelate? How detailed should<br />

control be?<br />

The discussion circled around the question<br />

as to whether prospecting and subsequent<br />

programme control could be a way of<br />

creating greater links between the pillars of<br />

the German research system. This question<br />

was above all asked by Carsten Kreklau,<br />

member of the Chief Management of the<br />

Confederation of German Industry, and<br />

Arend Oetker, President of the <strong>Stifterverband</strong>.<br />

Responding to concern among the presidents<br />

of the scientific organisations, who warned<br />

of the danger of a planned economy philosophy<br />

and an unhealthy homogenisation with<br />

a bolstering of the scientific mainstream as<br />

an undesirable side effect, they argued that<br />

prospecting could not be equated with planning.<br />

Genuine scientific and technological<br />

breakthroughs came unexpectedly.<br />

Regarding the question as to whether there<br />

should be prospecting beyond the strategic<br />

development of individual institutions<br />

with consequences for the allocation of resources,<br />

the discussion did not yield any concrete<br />

results. The European dimension of prospecting,<br />

which State Secretary Catenhusen<br />

drew attention to with the remark that the<br />

German research system would not look any<br />

different without the European research framework<br />

programmes than it did today, remained<br />

completely unclear. Catenhusen asked<br />

the meeting whether it would not make<br />

more sense to support certain priority areas<br />

exclusively at European level in future. Establishing<br />

priorities would then make sense<br />

in terms of a division of labour, for at the moment,<br />

the priorities set at national and European<br />

level were to a large degree identical.<br />

<strong>Stifterverband</strong> president Oetker then suggested<br />

that a separate meeting be held to discuss<br />

this topic.<br />

The overall conclusion was that foresight<br />

and prospecting had experienced a semantic<br />

Ekkehard Winter..<br />

17<br />

change in the respective countries (the United<br />

Kingdom, Sweden and also Germany). There,<br />

the foresight process is increasingly being<br />

understood as an instrument to facilitate greater<br />

networking between science, industry,<br />

politics and society, also, and in particular,<br />

in the sense of public engagement, of bringing<br />

people from different places together who wouldn’t<br />

have met otherwise. The concrete impact<br />

on the development of new technology<br />

lines, which originally guided<br />

action, is difficult to demon- The discussion cirstrate<br />

in quantitative terms cled around the<br />

but can be given clear proof of question as to whether<br />

in individual case stu<strong>die</strong>s. As prospecting and subse-<br />

regards the development of naquent programme control<br />

tional priorities via prospec- could be a way of creating<br />

ting, the predominant attitude greater links between the<br />

is that of scepticism. It re- pillars of the German remains<br />

to be seen what contrisearch system.<br />

bution prospecting can make<br />

to the development of subject programmes,<br />

for example in the case of the plans for programme<br />

control of the HGF. But a more strategic<br />

orientation within the organisations<br />

supporting and funding research is clearly visible.<br />

However, studying the methods tried<br />

out in industrial enterprises would only help<br />

them to a limited degree since the framework<br />

conditions differ too much. A strategic view<br />

of the future is vital to R&D-intensive firms.<br />

Another issue that remains open for the time<br />

being is the contribution that basing the<br />

setting of priorities on foresight can make to<br />

improving the permeability between the pillars<br />

of the German research system and to<br />

designing the European research area.<br />

Dr. Ekkehard Winter<br />

leads the section “Programme<br />

& Promotion” in the <strong>Stifterverband</strong>’s<br />

Central Administration<br />

and is at the same time<br />

member in its management.


Winfried Schulze<br />

Einführung<br />

Es ist mir eine große Freude, Sie<br />

heute im Namen aller drei Veranstalter<br />

– des <strong>Stifterverband</strong>es <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, des Bundesverbandes<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Industrie und des<br />

<strong>Wissenschaft</strong>srates – an <strong>die</strong>sem geschichtsträchtigen<br />

Ort begrüßen zu dürfen.<br />

Schon jetzt möchte ich Ihnen danken,<br />

dass Sie sich <strong>die</strong> Zeit genommen haben,<br />

mit uns über <strong>die</strong> Setzung von Prioritäten<br />

in der Forschungsfinanzierung zu diskutieren.<br />

Wann geschieht es schon einmal,<br />

dass eine derart hochkarätige Gruppe von<br />

Entscheidungsträgern des Staates, der<br />

<strong>Wissenschaft</strong>sorganisationen und der<br />

Wirtschaft frei vom Zwang zum unmittelbaren<br />

Handeln zusammentrifft, um über<br />

ein so zentrales und zugleich brisantes<br />

Problem der <strong>Wissenschaft</strong>spolitik zu reden?<br />

Ich wünsche mir, dass wir <strong>die</strong>se Gelegenheit<br />

zur Reflexion nutzen und gemeinsam<br />

lernen, unser eigenes Tun und<br />

seine Folgen besser zu verstehen, es <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Zukunft noch intelligenter auszurichten<br />

und so zum Erfolg unserer <strong>Wissenschaft</strong><br />

beizutragen.<br />

Denn <strong>die</strong> Erwartungen an <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

sind groß: sie soll uns nicht nur helfen,<br />

<strong>die</strong> Welt besser zu verstehen, sondern<br />

auch Innovationen ermöglichen, <strong>die</strong> unsere<br />

Gesellschaft und ihre Umwelt lebenswert<br />

machen, unsere Gesundheit schützen<br />

und unser wirtschaftliches Wohlergehen<br />

befördern. Ein langfristig erfolgreiches<br />

Innovationssystem, das hat eine Stu<strong>die</strong> der<br />

RAND Corporation <strong>für</strong> den Nationalen<br />

Wirtschafts- und Technologierat der USA<br />

bestätigt, kann nur Bestand haben, wenn<br />

Vorträge..<br />

19<br />

es über den Tag hinausschauendes Handeln<br />

möglich macht, das nicht an schnelle<br />

Renditeerwartungen gebunden ist und<br />

flexibel genug bleibt, um mit unerwarteten<br />

Ereignissen umgehen zu können. Dies<br />

stellt große Anforderungen an <strong>die</strong> Entscheidungsprozesse<br />

in der Forschungsfinanzierung.<br />

Von der Prospektion zur Praxis<br />

Wie Sie wissen, hat sich der <strong>Wissenschaft</strong>srat<br />

schon seit längerem mit den<br />

Möglichkeiten und Grenzen einer aktiv<br />

<strong>die</strong> Zukunft gestaltenden <strong>Wissenschaft</strong>spolitik<br />

auseinandergesetzt. Sein besonderes<br />

Augenmerk galt dabei der Frage, wie<br />

zukunftsträchtige Themen zu identifizieren<br />

seien. Seit Anfang der 90er Jahre setzte<br />

er sich da<strong>für</strong> ein, sich hier<strong>für</strong> des Verfahrens<br />

der Prospektion zu be<strong>die</strong>nen. Seine<br />

Empfehlungen hierzu, wie auch <strong>die</strong><br />

von einer gemeinsam mit den Partnern<br />

der Allianz eingesetzten Arbeitsgruppe erarbeitete<br />

Pilotstu<strong>die</strong>, stießen bei den großen<br />

<strong>Wissenschaft</strong>sorganisationen auf eine<br />

zwar freundliche, jedoch auch eine deutliche<br />

Reserviertheit spürbar machende<br />

Aufnahme. Dabei wurde meiner Einschätzung<br />

nach nicht bezweifelt, dass es in jedem<br />

Fall ein Gewinn ist, sich systematisch<br />

mit Stand und Perspektiven eines <strong>Wissenschaft</strong>sgebiets<br />

auseinander zusetzen und<br />

gemeinsam darüber nachzudenken, welche<br />

Entwicklungsrichtungen das größte<br />

Potenzial aufweisen. Die Frage, <strong>die</strong> offen<br />

schien und an der sich <strong>die</strong> Phantasien entzündeten,<br />

war vielmehr <strong>die</strong>, wie denn <strong>die</strong>


Ergebnisse der Prospektion in <strong>die</strong> Praxis<br />

umzusetzen wären. Und hier stellte sich<br />

nur allzu leicht das Schreck-<br />

Prospektion ist ein gespenst von der dirigisti-<br />

offener Prozess, der schen Planung der Wissen-<br />

sein Komplement in der schaft ein, das, so <strong>die</strong> Be-<br />

Flexibilisierung des Wis<strong>für</strong>chtungen, der grundgesenschaftssystems<br />

und setzlich verbrieften Freiheit<br />

einer Steigerung seiner der <strong>Wissenschaft</strong> ein Ende<br />

Aufnahmebereitschaft machen würde.<br />

<strong>für</strong> innovative Gedanken Ich glaube, dass <strong>die</strong>s ein<br />

findet. Der Begriff der Missverständnis ist, das sich<br />

Planung, des Abarbeitens durch genauere Lektüre der<br />

fixierter Ziele, ist ein völ- fraglichen Schriften leicht<br />

lig anderer. Seine vor- ausräumen ließe. Prospekübergehende,<br />

eher protion ist ein offener Prozess,<br />

blematische Popularität der sein Komplement in der<br />

in der <strong>Wissenschaft</strong>spoli- Flexibilisierung des Wissentik<br />

der 60er Jahre war es, schaftssystems und einer<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Entwicklung mo- Steigerung seiner Aufnahdernerer<br />

Verfahren vormebereitschaft <strong>für</strong> innovatiausschauenden<br />

Handelns ve Gedanken findet. Der Be-<br />

motiviert hat – wohl begriff der Planung, des Abarmerkt,<br />

dazu motiviert, es beitens fixierter Ziele, ist ein<br />

anders zu machen. völlig anderer. Seine vorübergehende,<br />

eher problematische<br />

Popularität in der <strong>Wissenschaft</strong>spolitik<br />

der 60er Jahre war es, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Entwicklung modernerer Verfahren<br />

vorausschauenden Handelns motiviert hat<br />

– wohl bemerkt, dazu motiviert, es anders<br />

zu machen.<br />

Dennoch scheint evident, dass an <strong>die</strong>ser<br />

Stelle noch großer Erklärungsbedarf<br />

besteht. Es bietet sich deshalb an, <strong>die</strong> Sache<br />

einmal von der anderen Seite zu sehen:<br />

d.h., sich nicht so sehr mit der Identifikation<br />

zukunftsträchtiger Themen zu<br />

befassen, auch wenn <strong>die</strong>s <strong>für</strong> <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

sicher ein spannendes Unterfangen<br />

ist, sondern damit, wie Prioritäten in<br />

einer Weise umgesetzt werden können,<br />

<strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong> tatsächlich fördert und<br />

nicht behindert.<br />

Trivialerweise bedeutet das Setzen und<br />

Umsetzen von Prioritäten in der heutigen,<br />

Vorträge..<br />

20<br />

betriebsförmig organisierten <strong>Wissenschaft</strong>,<br />

dass auf <strong>die</strong> Finanzflüsse in der Forschung<br />

Einfluss genommen werden muss. Eine<br />

solche Einflussnahme ist schon deshalb<br />

gerechtfertigt, weil <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong> nicht<br />

mit dem Verweis auf ihre Autonomie eine<br />

pauschale Zuweisung von Mitteln beanspruchen<br />

kann, über <strong>die</strong> sie nach eigenem<br />

Gutdünken verfügen dürfte, ohne darüber<br />

Rechenschaft ablegen zu müssen. Dies gilt<br />

<strong>für</strong> private Mittel genauso wie <strong>für</strong> öffentliche.<br />

Gerade Steuergelder dürfen nicht zu<br />

dem werden, was Risikokapitalgeber mit<br />

dem treffenden Ausdruck „stupid money“<br />

belegen.<br />

Nun will ich nicht unterstellen, <strong>die</strong>s<br />

wäre bisher der Fall gewesen. Natürlich<br />

setzen <strong>die</strong> einzelnen Förderorganisationen<br />

in ihrer Tätigkeit ebenso bewusst und gezielt<br />

Prioritäten wie das BMBF im Rahmen<br />

seiner Projektförderung. Nur wurde in<br />

den letzten Jahren im Zuge der Evaluationen<br />

der verschiedenen Sektoren der gemeinschaftsfinanziertenForschungsförderung<br />

mehrfach betont, dass <strong>die</strong> Transparenz<br />

der Verfahren, in denen <strong>die</strong>s geschieht,<br />

weiter verbessert<br />

und damit <strong>die</strong> Strategie, <strong>die</strong> Nur wurde in den<br />

den einzelnen Entscheidun- letzten Jahren im<br />

gen zugrunde liegt, verdeut- Zuge der Evaluationen<br />

licht und zum Bestandteil der verschiedenen Sekto-<br />

des Selbstbildes der jeweiliren der gemeinschaftsfigen<br />

Organisationen gemacht nanziertenForschungs- werden sollten. So hat, um förderung mehrfach be-<br />

nur zwei Beispiele zu nentont, dass <strong>die</strong> Transparenz<br />

nen, <strong>die</strong> Internationale Kom- der Verfahren, in denen<br />

mission zur Evaluation der <strong>die</strong>s geschieht, weiter<br />

<strong>Deutsche</strong>n Forschungsge- verbessert und damit <strong>die</strong><br />

meinschaft (DFG) und der Strategie, <strong>die</strong> den einzel-<br />

Max-Planck-Gesellschaft nen Entscheidungen zu-<br />

(MPG) der DFG nahegelegt, grunde liegt, verdeutlicht<br />

sich zu einer beweglicheren, und zum Bestandteil des<br />

strategisch handelnden Ein- Selbstbildes der jeweilirichtung<br />

der Forschungsförgen Organisationen gederung<br />

weiterzuentwickeln. macht werden sollten.<br />

Für <strong>die</strong> Helmholtz-Gemein-


schaft hat der <strong>Wissenschaft</strong>srat im Rahmen<br />

seiner Systemevaluation Vorschläge<br />

entwickelt, wie <strong>die</strong> neuen Finanzierungsverfahren<br />

mit einer tatsächlich transparenten<br />

Strategieentwicklung verbunden<br />

werden können. Andere Organisationen<br />

haben teils aus eigener Kraft, teils auf Impulse<br />

von außen hin selbst Verfahren entwickelt<br />

und schon erste Erfahrungen damit<br />

gemacht.<br />

Winfried Schulze..<br />

21<br />

Professor Dr. Winfried Schulze,<br />

Universität München, war bis<br />

Januar 2001 Vorsitzender des<br />

<strong>Wissenschaft</strong>srats in Köln.


Winfried Schulze<br />

Introduction<br />

It gives me great pleasure to welcome<br />

you at this historic place today on behalf<br />

of all three organisers, the <strong>Stifterverband</strong><br />

(the Donors’ Association for the<br />

Promotion of Sciences and Humanities), the<br />

Confederation of German Industry and the<br />

Science Council. I would already like to<br />

thank you for finding time to discuss the issue<br />

of prioritising in research funding on these<br />

two days. After all, it is not that often that<br />

such a top-class group of decision-makers in<br />

government, the science organisations and<br />

industry get together without being obliged<br />

to take immediate action in order to discuss<br />

such a central and at the same time controversial<br />

topic. I would like to see us make use<br />

of this opportunity to reflect and learn together<br />

how to gain a better understanding of<br />

our own action and its consequences, design<br />

it more intelligently for the future and thus<br />

contribute to our science being successful.<br />

Looking beyond the immediate horizon<br />

For high hopes have been placed in science.<br />

Not only is it expected to help us improve our<br />

understanding of the world, but it is also<br />

supposed to enable innovations that will make<br />

our society and its environment worth living<br />

in, protect our health and promote our<br />

economic wellbeing. Just a few days ago, a<br />

survey by the RAND Corporation for the National<br />

Economics and Technology Council of<br />

the USA confirmed that an innovation system<br />

aimed at working successfully in the<br />

long run can only be of substance if it enables<br />

action looking beyond the immediate horizon<br />

that is not tied to expectations of ra-<br />

Vorträge..<br />

22<br />

pid investment returns and stays flexible<br />

enough to cope with unexpected events. This<br />

means making considerable demands on decision-making<br />

processes in research funding.<br />

As you will be aware, the Science Council<br />

has already been exploring the possibilities<br />

and limits of a science policy that actively<br />

designs the future for some time. Here, its<br />

special focus has been on the issue of how<br />

forward-looking topics can be identified. Since<br />

the beginning of the nineties, it has been<br />

campaigning for applying the method of prospecting<br />

to this end. Its recommendations on<br />

this issue, as well as a pilot study conducted<br />

by a working group appointed jointly with<br />

the partners of the alliance, have met with a<br />

reception that, while it was friendly, also<br />

clearly showed reservations. In my opinion,<br />

there were no doubts about a systematic exploration<br />

of the status and perspectives of a<br />

field of science and a common reflection on<br />

what directions of development would yield<br />

the greatest potential being beneficial under<br />

all circumstances. Rather, the question that<br />

appeared to remain unanswered and triggered<br />

fantasies was as to how the results of prospecting<br />

could be translated into practice.<br />

And here, the nightmare of dirigiste planning<br />

in science which, it was feared, would put an<br />

end to constitutionally guaranteed academic<br />

freedom, was evoked only all too easily.<br />

I believe that this is a misunderstanding<br />

that could easily be reme<strong>die</strong>d by taking a closer<br />

look at the papers in question. Prospecting<br />

is an open process that is complemented<br />

by a greater degree of flexibility in the science<br />

system and an enhancement of its openness<br />

for innovative thinking. The concept of


planning, of step-by-step handling of predefined<br />

objectives, is an altogether different issue.<br />

Its temporary and rather problematic<br />

popularity in science policy during the sixties<br />

was what provided the inspiration to develop<br />

modern methods of for-<br />

Prospecting is an ward-looking action. But it is<br />

open process that is important to note that one<br />

complemented by a grea- was inspired to do things difter<br />

degree of flexibility in ferently.<br />

the science system and an It nevertheless appears to<br />

enhancement of its open- be evident that a lot still needs<br />

ness for innovative thin- to be explained in this context.<br />

king. The concept of plan- This is why it seems worthning,<br />

of step-by-step while to look at the issue from<br />

handling of predefined the opposite direction, i.e. not<br />

objectives, is an altoget- to deal so much with the<br />

her different issue. Its identification of forward-loo-<br />

temporary and rather proking themes, even if this is<br />

blematic popularity in certainly an exciting venture<br />

science policy during the for scientists, but to clarify<br />

sixties was what provided how priorities can be imple-<br />

the inspiration to develop mented in a way that really<br />

modern methods of for- promotes science rather than<br />

ward-looking action. But impeding it.<br />

it is important to note It almost goes without say-<br />

that one was inspired to ing that setting and imple-<br />

do things differently. menting priorities in today’s<br />

science, which is organised like<br />

a business, means that the finance flows<br />

in research have to be influenced. Such influence<br />

is justified if solely for the reason that<br />

science cannot demand block funding by referring<br />

to its autonomy and is not entitled to<br />

disposing of the funds without giving account<br />

of how they are used. This applies to private<br />

and public funding alike. Tax money in particular<br />

must not become what providers of<br />

venture capital refer to as “stupid money”.<br />

Not that I wish to suggest that this has so<br />

far been the case. Of course the individual<br />

funding organisations are just as circumspect<br />

when they set priorities as the Federal Ministry<br />

for Education and Research is when it<br />

funds projects. It is only that it has often been<br />

stressed in the course of the evaluation of the<br />

Winfried Schulze..<br />

23<br />

various sectors over the last few years that<br />

the transparency of the methods with which<br />

this is carried out needs to be further improved,<br />

which would also mean clarifying the<br />

strategy on which individual decisions were<br />

based and making it an integral element of<br />

how a respective organisation sees itself. Just<br />

to mention two examples, the international<br />

commission entrusted with evaluating the<br />

<strong>Deutsche</strong> Forschungsgemeinschaft and the<br />

Max-Planck-Society has recommended the<br />

<strong>Deutsche</strong> Forschungsgemeinschaft that it<br />

move towards becoming a more dynamic,<br />

strategically acting institution of research<br />

funding. For the Helmholtz-Association, the<br />

Science Council has conceived recommendations<br />

in the course of its system evaluation<br />

as to how the new funding methods could be<br />

combined with a truly transparent strategic<br />

development. Partly of their own accord and<br />

partly prompted from the outside, other organisations<br />

have developed methods themselves<br />

and already gathered initial experience.<br />

Prof. Dr. Winfried Schulze,<br />

University of Munich, has been<br />

chairman of the Science Council,<br />

Cologne, until January<br />

2001.


Zusammenfassung<br />

In den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg war das bundesdeutsche Innovationssystem<br />

von Kontinuitäten und Brüchen bestimmt. Einerseits<br />

wurden <strong>die</strong> Autonomie der wissenschaftlichen Selbstverwaltung<br />

und der kulturpolitische Primat der Länder<br />

wiederhergestellt; andererseits finden wir einen<br />

schleichenden Machtzuwachs des Zentralstaates vor.<br />

Die Orientierung am Modell USA seit den 60er Jahren<br />

führte auch zu einer Neubewertung der Planung von<br />

Forschung. Die wachsenden Spannungen zwischen<br />

Tradition und Innovation mündeten in <strong>die</strong> forschungspolitischen<br />

Reformen der siebziger Jahre, in<br />

denen das System öffentlich finanzierter Forschung zu<br />

einer neuen Arbeitsteilung strukturiert wurde. Die<br />

24<br />

Festschreibung des institutionellen Status Quo in der<br />

1975 zwischen Bund und Ländern geschlossenen Rahmenvereinbarung<br />

Forschungsförderung beendete <strong>die</strong><br />

Phase der Durchlässigkeit der Innovationslandschaft.<br />

Erst <strong>die</strong> umfassende Systemevaluation nach der<br />

Wiedervereinigung hat es neuerlich ermöglicht, das<br />

institutionelle Innovationssystem an den Wandel der<br />

Innovationskultur anzupassen, in dem sich eine neue<br />

Vorstellung von der Komplexität des Innovationsprozesses<br />

Bahn zu brechen begann, <strong>die</strong> das lineare Modell<br />

tendenziell obsolet werden ließ.


Helmuth Trischler<br />

Als Historiker wähnt man sich<br />

auf Veranstaltungen wie <strong>die</strong>ser<br />

in der Rolle eines Para<strong>die</strong>svogels.<br />

Man zeigt, welche bunte Vögel sich<br />

in Gottes großem Zoo tummeln, und man<br />

singt ein paar wohlklingende Töne zur allgemeinen<br />

Erbaulichkeit. Aber am Ende<br />

bleibt doch der Eindruck, dass es sich hier<br />

um eine exotische Spezies handelt, <strong>die</strong>, im<br />

Käfig gehalten, lieblich anzuschauen und<br />

anzuhören ist, aber zur Gestaltung der Lebenswelt<br />

außerhalb <strong>die</strong>ses Käfigs letztlich<br />

doch wenig beizutragen hat. Ob unser<br />

Münchner Historikerkollege in seiner<br />

Amtszeit als <strong>Wissenschaft</strong>sratsvorsitzender<br />

<strong>die</strong>sen Eindruck widerlegt hat, muss<br />

ich Ihrer Beurteilung überlassen. Ich jedenfalls<br />

werde in <strong>die</strong>sem Vortrag versu-<br />

Vorträge..<br />

<strong>Foresight</strong> aus der<br />

Retrospektive<br />

Summary<br />

<strong>Foresight</strong> in retrospect:<br />

Setting priorities in the innovation system of the<br />

German Federal Republic since the nineteen-fifties<br />

During the first two decades after the Second World<br />

War, the innovation system of the German Federal Republic<br />

was characterised both by continuities and ruptures.<br />

On the one hand, the autonomy of academic selfgovernment<br />

and the cultural policy primate of the Länder<br />

were restored, but on the other, we can detect a gradual<br />

increase in the power of central government.<br />

Orientation on the USA as a model since the sixties also<br />

resulted in a reappraisal of how research was planned.<br />

Growing tension between tradition and innova-<br />

25<br />

chen, ausgehend von der aktuellen Diskussion<br />

um eine Prospektion <strong>für</strong> <strong>die</strong> Forschung<br />

den Blick zunächst einmal zurückzurichten,<br />

um danach zu fragen, welche<br />

Muster der Setzung von Schwerpunkten<br />

in der Forschung sich im deutschen<br />

Innovationssystem erkennen und wie sich<br />

<strong>die</strong>se erklären lassen. Letztlich geht es also<br />

darum, historisch gewachsene Stärken<br />

und Schwächen der Forschungs-, Technologie-<br />

und Innovationspolitik zu analysieren.<br />

Dabei werde ich drei Leitfragen nachgehen.<br />

Erstens: Welche Modelle der<br />

Schwerpunktsetzung lassen sich retrospektivisch<br />

herausarbeiten? Inwieweit also<br />

hält <strong>die</strong> Geschichte einen Vorrat an<br />

Ideen bereit, an den intertemporal – im<br />

tion led to the research policy reforms of the seventies,<br />

in which the system of public-funded research was restructured<br />

with a new division of labour. The fixation of<br />

the institutional status quo in the framework agreement<br />

on research funding between the Federal government<br />

and the Länder in 1975 ended the phase of<br />

permeability in the innovation landscape. It was only<br />

with the comprehensive system evaluation after reunification<br />

that an adaptation of the institutional innovation<br />

system to changes in innovation culture was<br />

made possible in recent years in which a new notion of<br />

the complexity of the innovation process began to<br />

break ground, showing a tendency to render the linear<br />

model obsolete.


Sinne eines Lernens aus der Geschichte –<br />

angeknüpft werden kann? Lassen sich<br />

vielleicht gar verschüttete Alternativen einer<br />

Schwerpunktbildung freilegen, <strong>die</strong> im<br />

realhistorischen Prozess nicht zum Tragen<br />

gekommen sind? Zweitens: Welche Konstellation<br />

von Zielsetzungen,<br />

Die Suche nach Mo- Motiven, Interessenlagen<br />

dellen der Schwer- und Entscheidungsfaktoren<br />

punktbildung in der Wis- haben konkrete Schwersenschaft<br />

führt den Hispunktbildungen im deuttoriker<br />

selbstredend hinschen Innovationssystem geter<br />

<strong>die</strong> 1950er Jahre zuprägt? Meine dritte Leitfrage<br />

rück. Bereits <strong>die</strong> Frühe gilt den Hemmnissen auf<br />

Neuzeit kannte Verfah- dem Weg zu einer systemaren,<br />

durch konzentrierte tisch betriebenen Prospek-<br />

wissenschaftliche Antion von Forschung und<br />

strengungenInnovatio- Technik in Deutschland.<br />

nen zu generieren. Die Suche nach Modellen<br />

der Schwerpunktbildung in<br />

der <strong>Wissenschaft</strong> führt den Historiker<br />

selbstredend hinter <strong>die</strong> 1950er Jahre zurück.<br />

Bereits <strong>die</strong> Frühe Neuzeit kannte<br />

Verfahren, durch konzentrierte wissenschaftliche<br />

Anstrengungen Innovationen<br />

zu generieren: Ich rekurriere hierbei vor<br />

allem auf <strong>die</strong> Preisausschreiben, <strong>die</strong> von<br />

den europäischen Akademien initiiert und<br />

organisiert wurden. Dieses Modell war auf<br />

<strong>die</strong> noch wenig institutionalisierte, auf<br />

dem individuellen Gelehrten in der Stu<strong>die</strong>rstube<br />

aufgebauten <strong>Wissenschaft</strong>slandschaft<br />

der Vormoderne zugeschnitten.<br />

Akute technische Probleme einer Gesellschaft,<br />

sei es <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> überseeische Expansion<br />

der europäischen Mächte so<br />

außerordentlich wichtige Entwicklung eines<br />

verlässlichen Schiffschronometers und<br />

Kompasses oder <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Maschinisierung<br />

in der Industrialisierung nicht minder<br />

wichtige Entwicklung der Dampfmaschine,<br />

<strong>die</strong>se Probleme sollten im Rückgriff<br />

auf den gesammelten wissenschaftlichen<br />

Sachverstand der Gelehrtenrepublik<br />

gelöst werden. Den Akademien kam<br />

hierbei <strong>die</strong> Aufgabe zu, <strong>die</strong> vorgeschlage-<br />

Vorträge..<br />

26<br />

nen Lösungen durch ein Peer Review Verfahren<br />

zu evaluieren, kurzum: im Grunde<br />

ein recht modern anmutendes Verfahren.<br />

Das sich in Deutschland besonders früh<br />

etablierende und ausdifferenzierte Innovationssystem<br />

beruhte im Kern auf dem<br />

Industrielabor, auf den forschungsorientierten<br />

Instituten der Universitäten und<br />

auf den Technischen Hochschulen. Im<br />

späten 19. und frühen 20. Jahrhundert,<br />

der Sattelzeit der modernen <strong>Wissenschaft</strong>spolitik,<br />

kamen eine ganze Reihe<br />

von außeruniversitären Forschungseinrichtungen<br />

hinzu, auf <strong>die</strong> der sich entfaltende<br />

Leistungs- und Interventionsstaat<br />

nun mehr und mehr angewiesen war. Neben<br />

einer Fülle von ressortbezogenen Forschungseinrichtungen<br />

sind hier vor allem<br />

<strong>die</strong> 1887 gegründete Physikalisch Technische<br />

Reichsanstalt und <strong>die</strong> 1911 gegründete<br />

Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zu nennen.<br />

Gerade an letzteren, den Kaiser-Wilhelm-Instituten,<br />

ließe sich zeigen, wie sehr<br />

<strong>die</strong> Konzentration wissenschaftlicher<br />

Ressourcen auf als zukunftsträchtig identifizierte<br />

Forschungsfelder das Handeln<br />

der Akteure in Staat, <strong>Wissenschaft</strong> und<br />

Wirtschaft bestimmte. Ob Elektrochemie<br />

oder Kohleforschung, stets war es <strong>die</strong><br />

Hoffnung, sich durch konzentrierte wissenschaftliche<br />

Anstrengungen komparative<br />

Vorteile im sich am Vorabend des Ersten<br />

Weltkrieges intensivierenden wirtschaftlichen<br />

und politischen Wettbewerb<br />

der Großmächte zu verschaffen. Wir sprechen<br />

daher von einer im internationalen<br />

Vergleich auffälligen Durchstaatlichung<br />

des deutschen Innovationssystems, <strong>die</strong><br />

sich durch das gesamte 20. Jahrhundert<br />

hindurchzieht.<br />

Erster Weltkrieg <strong>die</strong>nte als Katalysator<br />

Als Katalysator <strong>für</strong> eine ganze Reihe hier<br />

interessierender Vorgänge wirkte der Erste<br />

Weltkrieg. Er setzte einen bis in <strong>die</strong>


Gegenwart andauernden Prozess in Gang,<br />

der durch <strong>die</strong> wachsende gegenseitige<br />

Durchdringung von Staat, Wirtschaft und<br />

<strong>Wissenschaft</strong> gekennzeichnet ist. In <strong>die</strong>ser<br />

fundamentalen Krise nationaler Sicherheit<br />

lernten <strong>die</strong> kriegführenden Staaten, <strong>Wissenschaft</strong><br />

und Technik als existenziell<br />

wichtige Ressource zu begreifen. Um <strong>die</strong>se<br />

Ressource möglichst effizient zu nutzen,<br />

wurden neue Muster der Verknüpfung<br />

und Kooperation der beteiligten Teilsysteme<br />

geschaffen, <strong>die</strong> sich in ihrem Kern als<br />

erstaunlich stabil erwiesen. Hier wurzelt<br />

jene eng verschraubte Triple Helix von<br />

<strong>Wissenschaft</strong>, Staat und Wirtschaft, <strong>die</strong> <strong>für</strong><br />

moderne Gesellschaften so charakteristisch<br />

geworden ist.<br />

Autarkiepolitisch orientierte Forschung<br />

Der Erste Weltkrieg bewirkte zudem in<br />

Deutschland eine Weichenstellung, <strong>die</strong><br />

darauf abzielte, unter hohem Einsatz von<br />

Forschung und Technik eine vom Ausland<br />

unabhängige, autarke und damit potenziell<br />

wiederum kriegsfähige Wirtschaft zu<br />

realisieren. Unter staatlicher Förderung<br />

entstand ein ganzes System von Forschungseinrichtungen<br />

aus Industrielaboratorien,<br />

Hochschulen und außeruniversitären<br />

Instituten, in das <strong>die</strong> Großindustrie<br />

auf allen Stufen der Wissensproduktion<br />

eng eingebunden war. So führten alle<br />

industrienahen, anwendungsorientierten<br />

Kaiser-Wilhelm-Institute, <strong>die</strong> im Krieg<br />

und in der Weimarer Zeit gegründet wurden,<br />

offenkundig autarkiepolitisch ausgerichtete<br />

Forschungen durch, <strong>die</strong> im Grunde<br />

einen nächsten Krieg unter Abschnürung<br />

Deutschlands vom freien Weltmarkt<br />

antizipierten.<br />

Nicht von ungefähr entwickelte sich<br />

Deutschland in der Zwischenkriegszeit zu<br />

einer im internationalen Vergleich einzigartig<br />

verwissenschaftlichten Gesellschaft.<br />

Um 1930 wurden in Deutschland bereits<br />

Helmuth Trischler..<br />

27<br />

rund ein Prozent des Bruttosozialprodukts<br />

<strong>für</strong> Forschung und Entwicklung aufgewandt,<br />

ein Wert, den das auf vielen Gebieten<br />

als Weltmarktführer geltende Großbritannien<br />

mit etwa 0,4 Prozent des BSP bei<br />

weitem nicht erreichte. Diese außerordentlich<br />

hohen deutschen Ausgaben <strong>für</strong> eine<br />

autarkiepolitisch orientierte Forschung und<br />

Entwicklung führten das Land in eine gefährliche<br />

Pfadabhängigkeit, <strong>die</strong> Ulrich<br />

Wengenroth treffend als Käfighaltung des<br />

deutschen Innovationssystems bezeichnet<br />

hat. Diesem Prozess zur Abschnürung des<br />

Innovationsverhaltens vom Weltmarkt leisteten<br />

<strong>die</strong> Autarkiepolitik des Nationalsozialismus<br />

und <strong>die</strong> rüstungsorientierte Forschung<br />

des Dritten Reiches weiteren Vorschub.<br />

Letztlich gelang es Deutschland erst<br />

in den sechziger und siebziger Jahren, <strong>die</strong>sen<br />

Pfad wieder zu verlassen.<br />

Wir wissen heute dank einer intensiv<br />

betriebenen Forschung zur <strong>Wissenschaft</strong>sund<br />

Technikentwicklung im<br />

Dritten Reich, dass das Bild Nicht von ungefähr<br />

einer <strong>Wissenschaft</strong>lerge- entwickelte sich<br />

meinde, <strong>die</strong> vom Regime <strong>für</strong> Deutschland in der<br />

dessen expansionistische Zwischenkriegszeit zu ei-<br />

und verbrecherische Ziele in ner im internationalen<br />

Dienst genommen wurde, Vergleich einzigartig ver-<br />

schief hängt. Vielfach war es wissenschaftlichtenGe- nicht nur eine Selbstmobilisellschaft. Um 1930 wursierung<br />

der <strong>Wissenschaft</strong>ler den in Deutschland be-<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Ziele des Regimes, reits rund ein Prozent des<br />

sondern auch eine geschick- Bruttosozialprodukts <strong>für</strong><br />

te Nutzung der Bereitschaft Forschung und Entwick-<br />

der politischen Machthaber, lung aufgewandt, ein<br />

<strong>für</strong> vermeintlich kriegsrele- Wert, den das auf vielen<br />

vante Forschung erhebliche Gebieten als Weltmarkt-<br />

Mittel bereitzustellen, <strong>die</strong> führer geltende Großbri-<br />

den Aufbau neuer Fortannien mit etwa 0,4 Proschungseinrichtungenerzent<br />

des BSP bei weitem<br />

möglichte.<br />

Dessen ungeachtet leiste-<br />

nicht erreichte.<br />

te der Nationalsozialismus einem Prozess<br />

Vorschub, der im internationalen Vergleich<br />

ein signifikantes Charakteristikum


des deutschen Innovationssystems bildet:<br />

<strong>die</strong> institutionelle Ausdifferenzierung der<br />

Forschungslandschaft. Überspitzt formuliert<br />

kann man sagen, dass in<br />

Überspitzt formu- Deutschland <strong>für</strong> jeden Forliert<br />

kann man saschungsschwerpunkt, der als<br />

gen, dass in Deutschland solcher identifiziert und als<br />

<strong>für</strong> jeden Forschungs- zukunftsträchtig angesehen<br />

schwerpunkt, der als sol- wird, eine neue Forschungscher<br />

identifiziert und als einrichtung gegründet wird,<br />

zukunftsträchtig angese- während andere Systeme<br />

hen wird, eine neue For- eher dazu neigen, neue<br />

schungseinrichtungge- Schwerpunkte in bereits begründet<br />

wird, während stehenden Einrichtungen zu<br />

andere Systeme eher da- verankern.<br />

zu neigen, neue Schwer- Nicht wenige der in den<br />

punkte in bereits beste- späten 30er und frühen 40er<br />

henden Einrichtungen zu Jahren neugegründeten For-<br />

verankern. schungsinstitute wurden in<br />

<strong>die</strong> Bundesrepublik überführt,<br />

viele zunächst in erheblich verkleinerter<br />

Form, häufig aber als Kern eines raschen<br />

Wachstums. Soweit es <strong>die</strong> Forschung<br />

außerhalb der Wirtschaft betrifft,<br />

<strong>die</strong> uns hier interessiert, beruhte <strong>die</strong>ses<br />

Wachstum weitestgehend auf der Selbststeuerung<br />

der Scientific Community. Von<br />

einer konzertierten Aktion unter Beteiligung<br />

von Akteuren aus <strong>Wissenschaft</strong>,<br />

Wirtschaft und Staat kann in der Bundesrepublik<br />

lange Zeit keine Rede sein. Im<br />

Gegenteil: Die <strong>Wissenschaft</strong> zog aus dem<br />

Nationalsozialismus <strong>die</strong> Lehre, dass eine<br />

Beteiligung des Staates an forschungsbezogenen<br />

Entscheidungsprozessen so weit wie<br />

möglich zu vermeiden sei.<br />

Als wirksamste Barriere gegen eine erneute<br />

In<strong>die</strong>nstnahme der <strong>Wissenschaft</strong><br />

galt <strong>die</strong> umfassende Wiederherstellung der<br />

Autonomie der <strong>Wissenschaft</strong> und <strong>die</strong><br />

Rückverlagerung kultur- und wissenschaftspolitischer<br />

Zuständigkeit in <strong>die</strong><br />

Kompetenz der Länder. Jegliche Planung<br />

von <strong>Wissenschaft</strong>, <strong>die</strong> nicht ausschließlich<br />

von der <strong>Wissenschaft</strong> selbst betrieben<br />

wurde, galt bis weit in <strong>die</strong> 60er Jahre hin-<br />

Vorträge..<br />

28<br />

ein als perhorreszierter Rückfall in <strong>die</strong> totalitäre<br />

Vergangenheit.<br />

Sofern im planungsfeindlichen Klima<br />

der Nachkriegsjahre Prospektion im Sinne<br />

einer gezielten Setzung forschungspolitischer<br />

Schwerpunkte betrieben wurde,<br />

wuchs sie aus der <strong>Wissenschaft</strong> selbst heraus.<br />

Eine aktive, den Staat einbindende<br />

Schwerpunktsetzung, wie sie in Nordrhein-Westfalen<br />

in den 50er und 60er Jahren<br />

der ehemalige Nachrichtentechniker<br />

Leo Brandt und <strong>die</strong> von ihm geleitete Arbeitsgemeinschaft<br />

<strong>für</strong> Forschung betrieb,<br />

ist hier <strong>die</strong> Ausnahme, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Regel bestätigt.<br />

Nicht von ungefähr galten Brandts<br />

vielfältige Initiativen zur Bildung neuer<br />

Forschungsschwerpunkte in den etablierten<br />

Kreisen der Politik und <strong>Wissenschaft</strong><br />

als „Brandtstiftungen“, und es kostete den<br />

bisweilen geradezu verzweifelnden Ministerpräsidenten<br />

Franz Meyers alle erdenkliche<br />

Mühe, seinen betont antibürokratisch<br />

agierenden Staatssekretär einzubremsen.<br />

Kernenergie als Einfallstor des Bundes<br />

Eine <strong>die</strong>ser Brandtstiftungen war <strong>die</strong><br />

Kernforschungsanlage Jülich, <strong>die</strong> das<br />

Land NRW finanziell bald hoffnungslos<br />

überforderte und den Bund veranlasste,<br />

nolens volens den Löwenanteil der Finanzierung<br />

von Jülich zu übernehmen.<br />

Ohnehin wurde <strong>die</strong> Kernenergie zum Einfallstor<br />

des Bundes in <strong>die</strong> Kulturautonomie<br />

der Länder – das erste Bundesministerium<br />

mit forschungspolitischem Zuschnitt<br />

hieß nicht von ungefähr Bundesministerium<br />

<strong>für</strong> Atomfragen – und auch<br />

zu einem neuen Modell der Organisation<br />

und Finanzierung von Forschung. In rascher<br />

Folge entstanden Mitte der 50er<br />

Jahre, nachdem <strong>die</strong> alliierten Forschungsverbote<br />

durch <strong>die</strong> Pariser Verträge endgültig<br />

gefallen waren, eine ganze Handvoll<br />

von Reaktorstationen. Diese in der


deutschen Innovationsgeschichte einzigartige<br />

Bündelung wissenschaftlicher Aktivitäten<br />

auf eine Technologie wurde von<br />

der politischen Vision getragen, durch <strong>die</strong><br />

Erschließung der als unerschöpflich angesehenen<br />

Kernkräfte der rohstoffarmen,<br />

unter Kohlenot leidenden Bundesrepublik<br />

den Weg in eine buchstäblich „strahlende“<br />

Zukunft zu eröffnen. In institutioneller<br />

Hinsicht wurde <strong>die</strong> vom Staat getragene<br />

Großforschung zum innovationspolitischen<br />

Hoffnungsträger der Nachkriegsjahrzehnte.<br />

In der <strong>Wissenschaft</strong>ssoziologie und<br />

<strong>Wissenschaft</strong>sgeschichte gilt <strong>die</strong> Großforschung<br />

als derjenige Forschungstypus, der<br />

genau im Mittelpunkt eines von Staat,<br />

Wirtschaft und <strong>Wissenschaft</strong> gebildeten<br />

Dreiecks verortet ist. Tatsächlich aber war<br />

in der Atomforschung <strong>die</strong> Wirtschaft lange<br />

Zeit außen vor. Die Industrie war ein<br />

Reluctant Partner, der unter massivem<br />

staatlichem Druck zum Jagen getragen<br />

werden musste. Die bun-<br />

Die bundesdeutdesdeutsche Kernenergie<br />

sche Kernenergie wurde demzufolge von<br />

wurde von einem Science einem Science Push be-<br />

Push bestimmt, der an stimmt, der an den Kräf-<br />

den Kräften des Marktes ten des Marktes vorbei<br />

vorbei auf eine eigen- auf eine eigenständige<br />

ständige nationale Ent- nationale Entwicklungswicklungslinie<br />

abzielte. linie abzielte. Hier zeigt<br />

Hier zeigt sich noch ein- sich noch einmal jener<br />

mal jener historische In- historische Innovationsnovationspfad,<br />

der unter pfad, der unter erhebli-<br />

erheblichem Aufwand an chem Aufwand an For-<br />

Forschung und Entwickschung und Entwicklung<br />

lung eng definierte natio- eng definierte nationalnalwirtschaftliche<br />

Ziele wirtschaftliche Ziele ver-<br />

verfolgte. folgte.<br />

In den späten 60er<br />

und frühen 70er Jahren verdichtete sich<br />

der Wandel des deutschen Innovationssystems<br />

in historisch einzigartiger Weise.<br />

Im folgenden werde ich in fünf Punkten<br />

argumentieren, dass sich in <strong>die</strong>sem knap-<br />

Helmuth Trischler..<br />

29<br />

pen Jahrzehnt <strong>die</strong> Mechanismen der<br />

Schwerpunktsetzung und mit ihnen <strong>die</strong><br />

institutionellen und kulturellen Voraussetzungen<br />

<strong>für</strong> eine Forschungsprospektion<br />

ganz entscheidend änderten.<br />

Erstens stiegen <strong>die</strong> Aufwendungen <strong>für</strong><br />

Forschung und Entwicklung<br />

rapide an, und <strong>die</strong>s gilt Der Wachstums-<br />

sowohl <strong>für</strong> den Staat als schub der späten<br />

auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wirtschaft. 60er Jahre verdankt sich<br />

Cum grano salis lässt sich vor allem der Wahrneh-<br />

sagen, dass Staat und Wirtmung einer technologischaft<br />

in den „langen siebzischen Lücke der Länder<br />

ger Jahren“ zu <strong>die</strong>sem Westeuropas zu den USA.<br />

Wachstum gleich viel beisteuerten.<br />

In den 80er Jahren wurde das<br />

Input-Wachstum dann verstärkt von der<br />

Wirtschaft getragen.<br />

Der Wachstumsschub der späten 60er<br />

Jahre verdankt sich vor allem der Wahrnehmung<br />

einer technologischen Lücke<br />

der Länder Westeuropas zu den USA. Im<br />

Anschluss an das Internationale Statistische<br />

Jahr legte <strong>die</strong> Organisation <strong>für</strong> wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(OECD) 1964 erstmals Statistiken<br />

vor, <strong>die</strong> einen systematischen Vergleich<br />

zwischen den Ausgaben der führenden<br />

Industriestaaten <strong>für</strong> Forschung<br />

und Entwicklung ermöglichten. Die<br />

OECD-Daten zeigten, dass <strong>die</strong> FuE-Ausgaben<br />

der USA <strong>für</strong> das Erhebungsjahr<br />

1962 rund fünfzehnmal höher waren als<br />

<strong>die</strong>jenigen der westeuropäischen Staaten.<br />

Ein direkter Zusammenhang zwischen der<br />

Höhe der FuE-Aufwendungen und der<br />

internationalen Führungsposition der US-<br />

Wirtschaft schien evident. Heute wissen<br />

wir, dass <strong>die</strong> technologische Lücke auf einer<br />

Überbewertung des amerikanischen<br />

Vorsprungs in einigen wenigen Hochtechnologiebereichen<br />

wie Flugzeugbau, Raumfahrt<br />

und Mikroelektronik beruhte. In den<br />

Nachkriegsjahrzehnten hatte sich das Produktivitätsgefälle<br />

zwischen den USA und<br />

Westeuropa gar verringert. Als <strong>die</strong> tech-


nologische Lücke entdeckt wurde, befand<br />

sie sich also in einer Phase des Schrumpfens.<br />

Die Wahrnehmung der Zeitgenossen<br />

war jedoch eine andere. Sie richtete sich<br />

auf das vergleichsweise niedrige Niveau<br />

der staatlichen Forschungsförderung. Vor<br />

dem Hintergrund der Rezession Mitte der<br />

sechziger Jahre, <strong>die</strong> gerade in der Bundesrepublik<br />

<strong>die</strong> Wirtschaft nach einer langen<br />

Phase außerordentlich hoher Wachstumsraten<br />

völlig unvorbereitet traf, wurde allenthalben<br />

<strong>die</strong> Forderung nach einer aktiven,<br />

jenseits der föderalen Kulturhoheit<br />

vor allem vom Bund getragenen Forschungs-<br />

und Technologiepolitik des Staates<br />

laut.<br />

Transatlantischer Diskurs<br />

Die Debatte um <strong>die</strong> technologische Lücke<br />

zu den USA verweist zweitens auf einen<br />

transatlantischen Diskurs um wissenschaftsorganisationelles<br />

Lernen, der sich<br />

wie ein roter Faden durch das 20. Jahrhundert<br />

zieht. Wie sehr gerade Deutschland<br />

und <strong>die</strong> USA in der institutionellen<br />

Ausgestaltung ihrer Innovationssysteme<br />

und in der forschungspolitischen Schwerpunktsetzung<br />

aufeinander bezogen waren,<br />

ließe sich an Dutzenden von Beispielen<br />

aufzeigen. Während bis weit in <strong>die</strong> erste<br />

Hälfte des 20. Jahrhundert hinein <strong>die</strong> USA<br />

von Deutschland lernten, kehrte sich in<br />

der zweiten Jahrhunderthälfte das Verhältnis<br />

um. Ob Großforschung oder Vertragsforschung,<br />

ob Kernforschung oder<br />

Mikroelektronik, stets <strong>die</strong>nten <strong>die</strong> USA als<br />

Vorbild – oder auch Vexierbild –, und <strong>die</strong><br />

jeweilige Ausgestaltung der Schwerpunktsetzung<br />

ist ohne den direkten Rekurs<br />

auf <strong>die</strong> USA nicht zu verstehen.<br />

Drittens: Re-Regionalisierung der Forschungspolitik.<br />

Paradoxerweise war es der<br />

spätere Bundesforschungsminister Volker<br />

Hauff, der Mitte der 70er Jahre <strong>die</strong> Länder<br />

als Motoren des technologischen und wirt-<br />

Vorträge..<br />

30<br />

schaftlichen Strukturwandels wiederentdeckte.<br />

Sein gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler<br />

Fritz W. Scharpf entwickeltes<br />

Konzept der Forschungspolitik als<br />

Strukturpolitik forderte den gezielten Einsatz<br />

neuer Förderinstrumente<br />

zur Ansiedlung von forInnovationsfördeschungs- und technologierung gilt seither als<br />

intensiven Industrien. Die politische Wunderwaffe<br />

volkswirtschaftliche Theorie im regionalen und loka-<br />

zog nach und entwickelte len Konkurrenz um<br />

das Konzept einer Innova- Standortvorteile und <strong>die</strong><br />

tionsorientiertenRegional- gezielte Herausbildung<br />

politik, das <strong>die</strong> Regionen als und Förderung von High-<br />

Lokomotiven zur Überwin- Tech-Regionen.<br />

dung der Wachstumsschwächen<br />

der bundesdeutschen Wirtschaft lokalisierte.<br />

In <strong>die</strong>ser Phase schossen <strong>die</strong><br />

Hoffnungen, mit wissenschafts- und technologiepolitischenSteuerungsmaßnahmen<br />

dem wirtschaftlichen Strukturwandel<br />

nachhaltige Impulse geben zu können,<br />

ins Kraut. Allenthalben wurden regionale<br />

Förderprogramme aufgelegt sowie Gründerzentren,<br />

Technologieparks, Technologietransfereinrichtungen<br />

und Innovationsberatungsstellen<br />

aus dem Boden gestampft.<br />

Innovationsförderung gilt seither<br />

als politische Wunderwaffe in der regionalen<br />

und lokalen Konkurrenz um Standortvorteile<br />

und <strong>die</strong> gezielte Herausbildung<br />

und Förderung von High-Tech-Regionen.<br />

Neubewertung der Forschungsplanung<br />

Viertens: Die Orientierung am Modell<br />

USA zeigt sich auch an einer Neubewertung<br />

der Planung von Forschung. Die von<br />

jenseits des Atlantiks heranrollende Planungswelle<br />

überrollte schließlich auch <strong>die</strong><br />

bundesdeutsche <strong>Wissenschaft</strong>, und sie<br />

spülte jene kritischen Stimmen weg, <strong>die</strong><br />

in der Planung ein mit der Freiheit der<br />

<strong>Wissenschaft</strong> unvereinbares Übel sahen.<br />

Die Planungseuphorie jener Phase zeigt<br />

sich in dem Willen der Bundesregierung,


strategische Forschungsfelder zu identifizieren<br />

und gezielt zu fördern. Die vom<br />

Bundesforschungsministerium aufgelegten<br />

Fachprogramme <strong>für</strong> Datenverarbeitung<br />

(1967), Meeresforschung (1968) und<br />

Neue Technologien (1968) waren das Ergebnis<br />

einer gezielten Suche nach neuen<br />

Wegen, <strong>die</strong> vieldiskutierte technologische<br />

Lücke zu den USA zu schließen und mit<br />

massiver staatlicher Unterstützung Innovationen<br />

zu generieren, <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zukunft<br />

von Wirtschaft und Gesellschaft von<br />

zentraler Bedeutung sein würden.<br />

Optimismus wich der Enttäuschung<br />

Der technokratische Optimismus, mit forschungspolitischen<br />

Programmen <strong>die</strong> vermeintlich<br />

innovationsschwache bundesdeutsche<br />

Wirtschaft gleichsam über Nacht<br />

in eine strahlende Zukunft führen zu können,<br />

ebbte jedoch spätestens nach der ersten<br />

Ölpreiskrise 1973 ab und wich einer<br />

forschungspolitischen Generallinie, <strong>die</strong> ihre<br />

Aufgabe eher in der globalen Steuerung<br />

der Rahmenbedingungen des Innovationssystems<br />

sah als in gezielten Eingriffen in<br />

<strong>die</strong>ses System. In <strong>die</strong>ser Phase schwang das<br />

Pendel wieder zurück und <strong>die</strong> Enttäuschung<br />

über <strong>die</strong> ausgebliebenen Erfolge<br />

staatlicher Forschungsplanung engte den<br />

Handlungsspielraum <strong>für</strong> eine Prospektion<br />

der Forschung einerseits neuerlich ein; andererseits<br />

befreite sich letztere vor überzogenen<br />

Erwartungen in eine staatlich gelenkte<br />

Planbarkeit von <strong>Wissenschaft</strong>.<br />

Schließlich hatten sich fünftens als Folge<br />

jener Planungseuphorie <strong>die</strong> wissenschaftlichen<br />

Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Forschungsprospektion<br />

erheblich verbessert.<br />

Struktur und Organisation des<br />

Forschungssystems<br />

In den siebziger Jahren fand das System<br />

öffentlich finanzierter Forschung in einem<br />

Akt nachholender Rationalisierung kon-<br />

Helmuth Trischler..<br />

31<br />

tingenter Entwicklungen zu einer neuen<br />

Arbeitsteilung. Die historische Auffächerung<br />

des Spektrums von Typen institutionalisierter<br />

<strong>Wissenschaft</strong> schlug sich in<br />

neugebildeten Säulen staatlicher Forschung<br />

nieder, denen <strong>die</strong> nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg entstandenen Aufgabenfelder<br />

der Großforschung (Arbeitsgemeinschaft<br />

der Großforschungseinrichtungen<br />

[AiF]) und der Vertragsforschung (Fraunhofer-Gesellschaft<br />

[FhG]) zugewiesen<br />

wurden. Als Auffangbecken<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> sonstigen Einrich- In <strong>die</strong>ser Phase des<br />

tungen, denen man „gepolitisch-gesellsamtstaatliche Bedeutung“ schaftlichen Umbruchs<br />

zumaß, wurde <strong>die</strong> „Blaue war das Fenster des insti-<br />

Liste“ geschaffen. Im Gegentutionellen Wandels weit<br />

zug wurden <strong>die</strong> traditiona- geöffnet und <strong>die</strong> DurchlenSelbstverwaltungsorgalässigkeit<br />

zwischen den<br />

nisationen (also DFG und Teilsystemen bemerkens-<br />

MPG) von ihnen „wesenswert hoch. Max-Planckfremden“<br />

Aufgaben entlas- Institute, wie das Gartet.<br />

Die MPG wurde auf <strong>die</strong> chinger Institut <strong>für</strong> Plas-<br />

Grundlagenforschung redumaphysik (IPP), konnten<br />

ziert und <strong>die</strong> DFG auf <strong>die</strong> zu Großforschungsein-<br />

Förderung der Hochschulrichtungen werden oder<br />

forschung festgelegt.<br />

auch, wie das Würzburger<br />

In <strong>die</strong>ser Phase des poli- Institut <strong>für</strong> Silicatfortisch-gesellschaftlichenUmschung<br />

(ISC), zu Fraunhobruchs<br />

war das Fenster des fer-Instituten mutieren.<br />

institutionellen Wandels<br />

weit geöffnet und <strong>die</strong> Durchlässigkeit zwischen<br />

den Teilsystemen bemerkenswert<br />

hoch. Max-Planck-Institute, wie das Garchinger<br />

Institut <strong>für</strong> Plasmaphysik (IPP),<br />

konnten zu Großforschungseinrichtungen<br />

werden oder auch, wie das Würzburger<br />

Institut <strong>für</strong> Silicatforschung (ISC), zu<br />

Fraunhofer-Instituten mutieren. Der FhG<br />

wiederum wurde als gesamtstaatliche Säule<br />

<strong>für</strong> angewandte Forschung bzw. Vertragsforschung<br />

ein neues Aufgabenfeld zugewiesen.<br />

Im Zuge <strong>die</strong>ser Redefinition ihrer<br />

Position im bundesdeutschen Innovationssystem<br />

gründete sie nicht nur neue<br />

Forschungseinrichtungen, sondern über-


nahm auch eine Reihe von Instituten anderer<br />

Träger und gab ihrerseits Institute<br />

und Arbeitsgruppen an andere Forschungseinrichtungen<br />

ab. Die Festschreibung<br />

des institutionellen Status Quo in<br />

der 1975 zwischen dem Bund und den<br />

Ländern geschlossenen Rahmenvereinbarung<br />

Forschungsförderung beendete <strong>die</strong><br />

Phase der Durchlässigkeit der Innovationslandschaft.<br />

Erst <strong>die</strong> umfassende Systemevaluation<br />

nach der Wiedervereinigung<br />

hat es ermöglicht, das institutionelle<br />

Innovationssystem an den Wandel der<br />

Innovationskultur anzupassen. Was heute<br />

als Sensation gilt, <strong>die</strong> Umwandlung der<br />

Großforschungseinrichtung GMD zu einer<br />

Einrichtung der FhG, war in den siebziger<br />

Jahren – überspitzt formuliert – an<br />

der forschungspolitischen Tagesordnung.<br />

Die Beispiele der Fraunhofer-Gesellschaft<br />

und der Großforschungseinrichtungen<br />

zeigen erstens, in welch hohem<br />

Maß amerikanische Konzepte der Innovationsgenese<br />

als Vorbilder <strong>für</strong> <strong>die</strong> Reorganisation<br />

und Ausdifferenzierung des<br />

bundesdeutschen Systems <strong>die</strong>nten. Die<br />

amerikanischen Modelle der Big Science<br />

und der marktorientierten Contract Research<br />

konnten jedoch nicht einfach übernommen<br />

werden. Sie mussten vielmehr an<br />

<strong>die</strong> historisch gewachsene Innovationskultur<br />

angepasst werden. Zweitens zeigen<br />

Großforschung und Vertragsforschung,<br />

dass trotz langer Debatten über <strong>die</strong> Sinnhaftigkeit<br />

der Übernahme amerikanischer<br />

Forschungskonzepte erst <strong>die</strong> siebziger Jahre<br />

das Fenster des Wandels weit genug öffneten,<br />

um <strong>die</strong>sen in der Bundesrepublik<br />

zum Durchbruch zu verhelfen.<br />

Innovationspolitik im föderalen<br />

System<br />

In den ersten beiden Jahrzehnten nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg war das bundesdeutsche<br />

Innovationssystem von Kontinuitäten<br />

und Brüchen bestimmt. Einer-<br />

Vorträge..<br />

32<br />

seits wurde <strong>die</strong> Autonomie der wissenschaftlichen<br />

Selbstverwaltung und der<br />

kulturpolitische Primat der Länder<br />

wiederhergestellt; andererseits finden wir<br />

einen schleichenden Machtzuwachs des<br />

Zentralstaates vor. Die wachsenden Spannungen<br />

zwischen Tradition<br />

und Innovation mündeten in Mit der formalen<br />

<strong>die</strong> forschungspolitischen Absicherung der<br />

Reformen der langen siebzi- zentralstaatlichen Einger<br />

Jahre. Mit der formalen flussnahme in Artikel 91a<br />

Absicherung der zentralstaat- und 91b des Grundgesetlichen<br />

Einflussnahme in Arzes (1969) und dem Austikel<br />

91a und 91b des Grundtarieren der Machtvergesetzes<br />

(1969) und dem hältnisse zwischen Bund<br />

Austarieren der Machtver- und Ländern durch <strong>die</strong><br />

hältnisse zwischen Bund und Rahmenvereinbarung<br />

Ländern durch <strong>die</strong> Rahmen- Forschungsförderung<br />

vereinbarungForschungsför- (1975) fand der konfliktderung<br />

(1975) fand der konträchtige Prozess einer<br />

fliktträchtige Prozess einer Neugewichtung des<br />

Neugewichtung des staat- staatlichen Einflusses auf<br />

lichen Einflusses auf das In- das Innovationssystem<br />

novationssystem einen vor- einen vorläufigen Abläufigen<br />

Abschluss. Die Rahschluss.menvereinbarung war der<br />

spektakulärste Erfolg jener politischen Innovation,<br />

<strong>die</strong> als Kooperativer Föderalismus<br />

auf <strong>die</strong> Überwindung von Reformblockaden<br />

abzielt, welche im komplexen politischen<br />

Ordnungssystem der Bundesrepublik<br />

strukturell angelegt sind.<br />

Die Rahmenvereinbarung trennt <strong>die</strong><br />

Föderalismusdebatte der langen siebziger<br />

Jahre wie eine Wasserscheide in eine erste,<br />

vom Bund dominierte Hälfte und eine<br />

zweite, <strong>die</strong> sich mit dem Begriff Re-Regionalisierung<br />

fassen lässt. Im Streben nach<br />

einer gezielten, vom Zentralstaat gesteuerten<br />

Innovationsförderung hatte der<br />

Bund – wie erwähnt – <strong>die</strong> Großforschungseinrichtungen<br />

und auch <strong>die</strong> FhG zu seiner<br />

politischen Hausmacht ausgebaut. Die<br />

überlegene Finanzkraft des Bundes zwang<br />

<strong>die</strong> Länder in <strong>die</strong> Defensive, und setzte sie<br />

unter zunehmenden Legitimationsdruck.


Manchen von uns mögen Parallelen zur<br />

aktuellen <strong>Foresight</strong>-Diskussion in der <strong>Wissenschaft</strong><br />

ins Auge stechen.<br />

Ausdifferenzierung des Instrumentariums<br />

der Innovationsförderung<br />

Kennzeichnend <strong>für</strong> <strong>die</strong> siebziger Jahre ist<br />

das Übergewicht der direkten Maßnahmen<br />

in der Forschungsförderung. In Anlehnung<br />

an keynesianische Konzepte antizyklischer<br />

Finanzpolitik sollte <strong>die</strong> direkte<br />

Förderung technologischer Innovationen<br />

<strong>die</strong> krisengeschüttelte Wirtschaft aus der<br />

Rezession herausführen. Als bevorzugtes<br />

Instrument <strong>die</strong>nten Fachprogramme <strong>für</strong><br />

einzelne Technologiefelder, <strong>die</strong> ab 1967 in<br />

rascher Folge aufgelegt wurden. Den Auftakt<br />

machte das Programm zur Förderung<br />

der Datenverarbeitung. Es sollte <strong>die</strong><br />

bundesdeutsche Computerindustrie in <strong>die</strong><br />

Lage versetzen, <strong>die</strong> technologische Lücke<br />

zum Weltmarktführer, dem amerikanischen<br />

Unternehmen IBM, zu schließen und<br />

kam denn auch vor allem Siemens zugute.<br />

In der zweiten Hälfte der 70er Jahre<br />

wandte sich das Interesse mehr dem Sektor<br />

der kleinen und mittleren Unternehmen<br />

zu. In der politischen Diskussion der<br />

europäischen Öffentlichkeit erhielten <strong>die</strong><br />

Economies of Scale ein negatives Vorzeichen.<br />

Small is beautiful lautete der Buchtitel<br />

des Wachstumskritikers Ernst Friedrich<br />

Schumacher, das 1973 im englischen<br />

Original veröffentlicht wurde und im Kontext<br />

der ersten Ölpreiskrise als Chance erschien,<br />

im Vertrauen auf <strong>die</strong> Flexibilität<br />

kleiner Einheiten der kräftig ins Schlingern<br />

geratenen Wirtschaft neue Impulse<br />

zu verleihen.<br />

Als Erhebungen ergaben, dass drei Viertel<br />

der FuE-Mittel des Bundes <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Wirtschaft an nur gerade 15 Großunternehmen<br />

und 93 Prozent an nur 50 Empfänger<br />

gegangen waren, war eine nachhaltige<br />

Kurskorrektur angesagt. In seiner Regierungserklärung<br />

kündigte Helmut<br />

Helmuth Trischler..<br />

33<br />

Schmidt 1976 dann ein „Forschungs- und<br />

technologiepolitisches Gesamtkonzept der<br />

Bundesregierung <strong>für</strong> kleine und mittlere<br />

Unternehmungen“ an, das 1978 in ein Gesamtprogramm<br />

<strong>für</strong> den industriellen<br />

Mittelstand mündete. Mehr als je zuvor<br />

steuerte der Staat den Innovationsprozess<br />

über den Hebel der Finanz- und Steuergesetzgebung.<br />

Politisch innovativ war auch<br />

<strong>die</strong> Wagnisfinanzierungsgesellschaft, <strong>die</strong><br />

1975 auf Anregung der Bundesregierung<br />

als gemeinsame Aktion von Unternehmen<br />

der Kreditwirtschaft gegründet wurde.<br />

Am Ende der siebziger Jahre hatte sich<br />

der Katalog der Maßnahmen zur Förderung<br />

des Innovationsprozesses erheblich<br />

ausgeweitet. Je nach Sichtweise mochte<br />

man <strong>die</strong>se Expansion des Instrumentariums<br />

staatlicher Forschungsund<br />

Technologiepolitik als In der zweiten Hälf-<br />

wild wucherndes Dickicht te der 70er Jahre<br />

ansehen, in dem sich nur wandte sich das Interesse<br />

noch ausgesprochene Ex- mehr dem Sektor der<br />

perten zurechtfinden konn- kleinen und mittleren<br />

ten, oder als wirkungsvolle Unternehmen zu. In der<br />

Verstärkung des Innova- politischen Diskussion<br />

tionsnetzes. Eingewoben in der europäischen Öffent-<br />

<strong>die</strong>ses Netzwerk waren als lichkeit erhielten <strong>die</strong> Eco-<br />

Knotenpunkte oder Verbinnomies of Scale ein negadungssträngeEinrichtuntives<br />

Vorzeichen.<br />

gen, <strong>die</strong> den Transfer von<br />

Forschungsergebnissen in marktfähige<br />

Produkte gewährleisten und beschleunigen<br />

sollten. Wie wirksam – oder besser<br />

wenig wirksam – <strong>die</strong>se Mediatoren des Innovationsprozesses<br />

waren, mag dahingestellt<br />

bleiben. Von Interesse ist hier vielmehr,<br />

dass sich in dem Modell des Transfers<br />

eine neue Vorstellung von der Komplexität<br />

des Innovationsprozesses Bahn zu<br />

brechen begann, <strong>die</strong> das lineare Modell<br />

tendenziell obsolet werden ließ.<br />

Innovationsdiskurse<br />

Die siebziger Jahre prägt ein Tableau von<br />

Debatten, <strong>die</strong> um <strong>die</strong> Begriffe Technologie


und Innovation kreisten. Man braucht<br />

kein Verfechter des Linguistic Turn zu<br />

sein, um an <strong>die</strong> gesellschaftliche Wirkungsmacht<br />

von öffentlich geführten Diskursen<br />

zu glauben. Dass das Reden über<br />

Technik, das Reden über Innovationen,<br />

Wirklichkeiten schaffen und bestimmen<br />

kann, hat unser Blick auf den Begriff des<br />

Technologietransfers bereits deutlich gezeigt.<br />

Welches sind nun <strong>die</strong> Leitbegriffe der<br />

siebziger Jahre? Auffällig ist zunächst <strong>die</strong><br />

Renaissance des Schumpeterschen Innovationsbegriffes<br />

selbst, der als Schlüsselfaktor<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> technologische Modernisierung<br />

der Wirtschaft zu neuen Ehren kam.<br />

Weitere diskursbestimmende Stichworte<br />

sind bereits gefallen: Die semantischen<br />

Konstruktionen der technologischen Lücke<br />

und der amerikanischen Herausforderung<br />

verliehen nicht nur dem säkularen<br />

Amerika-Diskurs neue Impulse. Sie signalisieren<br />

auch eine wachsende Sensibilisierung<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Bedeutung der Bündelung der<br />

Kräfte auf europäischer Ebene, um der<br />

drohenden amerikanischen Dominanz auf<br />

den Weltmärken entgegenwirken zu können.<br />

Zwar hatten sich bereits in den 50er<br />

Jahren auf dem Gebiet der Hochenergiephysik<br />

(CERN) und der<br />

Zwar hatten sich Kernenergie (EURATOM)<br />

bereits in den 50er europäische Forschungs-<br />

Jahren auf dem Gebiet kooperationenherausgebil- der Hochenergiephysik det, aber erst in den siebzi-<br />

(CERN) und der Kernenerger Jahren ero<strong>die</strong>rten <strong>die</strong> nagie<br />

(EURATOM) europäitionalen Innovationssysteme<br />

scheForschungskoopera- auf breiterer Front.<br />

tionen herausgebildet, Ab Mitte der 60er Jahre<br />

aber erst in den siebziger wuchs stattdessen <strong>die</strong> Euro-<br />

Jahren ero<strong>die</strong>rten <strong>die</strong> päische Gemeinschaft in <strong>die</strong><br />

nationalen Innovations- Rolle eines wichtigen Aksysteme<br />

auf breiterer teurs im Innovationsgesche-<br />

Front. hen hinein. Gleichwohl ist<br />

kritisch zu bilanzieren:<br />

Während <strong>die</strong> Industrie- und Kapitalmärkte<br />

in wachsendem Tempo globalisierten<br />

Vorträge..<br />

34<br />

und immer mehr Großunternehmen ihre<br />

Forschungs- und Entwicklungskapazitäten<br />

ins Ausland, vor allem in <strong>die</strong> USA, verlagerten,<br />

stagnierten <strong>die</strong> Bemühungen um<br />

eine aktive Innovationsförderung als konzertierte<br />

Aktion Europas. Der Durchbruch<br />

des Europas der Forscher<br />

fällt in <strong>die</strong> 80er Jahre. Die Der Durchbruch des<br />

späten 70er Jahre lassen Europas der For-<br />

sich am ehesten als „Inkuscher fällt in <strong>die</strong> 80er Jahbationsphase“<br />

beschreiben, re. Die späten 70er Jahre<br />

in der <strong>die</strong> alte Welt Europas lassen sich am ehesten<br />

einen Lernprozess durch- als „Inkubationsphase“<br />

lief.<br />

beschreiben, in der <strong>die</strong><br />

Die Doppelkrise der alte Welt Europas einen<br />

amerikanischen Herausfor- Lernprozess durchlief.<br />

derung und der wirtschaftlichen<br />

Rezession löste nicht nur im planungsverliebten<br />

Frankreich, sondern nun<br />

auch in Deutschland einen Planungsschub<br />

aus. Mitte der 60er Jahre rollte der<br />

Begriff der Planung wie eine Welle von<br />

jenseits des Atlantiks heran, schwappte<br />

über das bundesdeutsche Innovationssystem<br />

hinweg und dominierte <strong>die</strong> Debatte<br />

um <strong>die</strong> Aufgaben staatlicher Akteure.<br />

War Planung in der Adenauer-Ära vor<br />

dem Hintergrund der kollektiven Erfahrungen<br />

im Nationalsozialismus und der<br />

Negativfolie der DDR-Planwirtschaft<br />

noch ein Tabuthema, so entwickelte es<br />

sich nun zu einem Leitbild, das Politik<br />

und Wirtschaft ebenso durchdrang wie<br />

<strong>Wissenschaft</strong> und Technik. Planung wurde<br />

zum säkularisierten Heilsbringer, der<br />

<strong>die</strong> wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />

Krise zu überwinden versprach. Dem<br />

Glauben an <strong>die</strong> Planbarkeit von Forschung,<br />

Technologie und Innovation, ja<br />

an <strong>die</strong> Verwissenschaftlichung von Innovationspolitik<br />

selbst verdankt sich zum<br />

Teil auch der seinerzeitige Aufschwung<br />

der <strong>Wissenschaft</strong>s- und Technikgeschichte.<br />

Insofern reflektiert sich in <strong>die</strong>sem Diskurs<br />

auch ein Stück eigener Disziplinenentwicklung.


Fazit<br />

Die bundesdeutsche Innovationskultur<br />

umfasst ein weit größeres Spektrum an<br />

Feldern als <strong>die</strong> hier erwähnten. Denkt<br />

man sich den Innovationsprozess als eine<br />

offene Kette, fände sich an deren einem<br />

Ende das Glied der Bildung von Humankapital<br />

in den Hochschulen als personelles<br />

Fundament des Innovationssystems. Aufbauend<br />

auf der Wahrnehmung einer Bildungskatastrophe,<br />

<strong>die</strong> einmal mehr vor<br />

dem Hintergrund einer Unterlegenheit<br />

gegenüber den USA Platz griff, wurde <strong>die</strong><br />

erste Hälfte der langen siebziger Jahre zu<br />

einer in der deutschen Geschichte beispiellosen<br />

Phase der Expansion der Hochschulen<br />

und Studentenzahlen. Mit dem<br />

Wachstum zum Massenbetrieb differenzierten<br />

sich <strong>die</strong> Funktionen der Universitäten<br />

weiter aus. Wie sehr <strong>die</strong> Hochschule<br />

in <strong>die</strong>ser Zeit zu einem hochgradig<br />

funktionalisierten Unternehmen wurde,<br />

zeigt sich unter anderem in der beabsichtigten<br />

Stärkung ihrer Regionalbezüge.<br />

Nicht nur <strong>die</strong> außeruniversitären Forschungseinrichtungen,<br />

auch <strong>die</strong> Universitäten<br />

wuchsen im Verlauf der späten<br />

70er Jahre in <strong>die</strong> Rolle von Triebfedern des<br />

regionalen Strukturwandels hinein. Auch<br />

<strong>die</strong> Hochschulentwicklung liefert Belege<br />

<strong>für</strong> unsere Generalthese, <strong>die</strong> langen siebziger<br />

Jahre als Scharnierphase des beschleunigten<br />

Wandels zu interpretieren.<br />

Käfighaltung des Innovationssystems<br />

Schließlich wäre zu fragen, ob sich nicht<br />

der Gesamtcharakter der Gesellschaft dramatisch<br />

veränderte: Als der amerikanische<br />

Soziologie Daniel Bell 1973 <strong>die</strong> Entstehung<br />

der postindustriellen Gesellschaft<br />

prophezeite, <strong>die</strong> anstelle von Waren vor<br />

allem Dienstleistungen produzieren und<br />

sich zu einer Informations- oder Wissensgesellschaft<br />

entwickeln würde, charakterisierte<br />

er damit zugleich auch <strong>die</strong><br />

Helmuth Trischler..<br />

35<br />

spezifische Dynamik der bundesdeutschen<br />

Gesellschaft in den siebziger Jahren,<br />

<strong>die</strong> sie zu einer Schwellenphase auf<br />

dem Weg zu einer neuen Epoche werden<br />

ließ. Auch in <strong>die</strong>ser Hinsicht antwortete<br />

<strong>die</strong> Bundesrepublik auf <strong>die</strong> USA, <strong>die</strong> den<br />

Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft<br />

längst<br />

vollzogen hatten, ja <strong>die</strong> Aufbauend auf der<br />

trotz ihrer hohen Welt- Wahrnehmung eimarktanteile<br />

in der Güterner Bildungskatastrophe,<br />

produktion nie eine Indust- <strong>die</strong> einmal mehr vor dem<br />

riegesellschaft gewesen wa- Hintergrund einer Unterren.<br />

In <strong>die</strong>ser Phase verließ legenheit gegenüber den<br />

Deutschland den histori- USA Platz griff, wurde <strong>die</strong><br />

schen Pfad der Fixierung erste Hälfte der siebziger<br />

auf Produktion und Autar- Jahre zu einer in der<br />

kie, auf den es sich späte- deutschen Geschichte<br />

stens im Ersten Weltkrieg beispielloser Phase der<br />

begeben hatte. Ulrich Wen- Expansion der Hochschugenroth<br />

hat <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Pfadlen und Studentenzahlen.<br />

abhängigkeit den schönen Mit dem Wachstum zum<br />

Begriff von der Käfighaltung Massenbetrieb differen-<br />

des deutschen Innovationszierten sich <strong>die</strong> Funktiosystems<br />

gewählt. In den nen der Universitäten<br />

siebziger Jahren nun verließ weiter aus.<br />

das System den selbstgewählten<br />

Käfig und passte sich dem amerikanischen<br />

Muster einer verstärkt auf <strong>die</strong><br />

Faktoren Wissen und Dienstleistungen<br />

setzenden Wachstumsgesellschaft an.<br />

Zweifelsohne lassen sich gegen <strong>die</strong> hier<br />

entwickelte Konstruktion der langen siebziger<br />

Jahre als einer besonders dynamischen,<br />

im Tempo und Richtung weitgehend<br />

homogenen Periode bundesdeutscher<br />

Entwicklung (von Forschung und<br />

Technik) gewichtige Einwände vorbringen.<br />

Besonders gravierend ist der Umstand,<br />

dass <strong>die</strong>se Phase mit guten Gründen<br />

in zwei Teile gegliedert werden könnte.<br />

Die Schnittlinie würde <strong>die</strong> erste Ölpreiskrise<br />

1973 bilden, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Akteure<br />

des Innovationssystem in vielerlei Hinsicht<br />

zutiefst verunsicherte, zum Überdenken<br />

ihrer Positionen zwang sowie


36<br />

Vorträge..<br />

1962<br />

1963<br />

1964<br />

1965<br />

1966<br />

1967<br />

1968<br />

1969<br />

1970<br />

1971<br />

1972<br />

1973<br />

1974<br />

1975<br />

1976<br />

1977<br />

1978<br />

1979<br />

1980<br />

1981<br />

1982<br />

1983<br />

1984<br />

1985<br />

1986<br />

1987<br />

1988<br />

1989<br />

1990<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

2.278<br />

2.627<br />

3.192<br />

3.746<br />

4.220<br />

4.796<br />

4.960<br />

5.674<br />

6.900<br />

8.700<br />

9.600<br />

10.350<br />

11.350<br />

12.035<br />

12.300<br />

12.600<br />

13.770<br />

15.109<br />

16.026<br />

17.566<br />

18.734<br />

18.531<br />

18.260<br />

20.707<br />

21.103<br />

21.737<br />

22.054<br />

23.205<br />

24.897<br />

29.192<br />

30.019<br />

30.011<br />

30.070<br />

30.928<br />

31.509<br />

30.680<br />

30.955<br />

2,1<br />

2,2<br />

2,5<br />

2,7<br />

2,9<br />

3,1<br />

3,1<br />

3,2<br />

3,5<br />

3,9<br />

3,8<br />

3,7<br />

3,6<br />

3,4<br />

3,3<br />

3,2<br />

3,2<br />

3,2<br />

3,1<br />

3,2<br />

3,3<br />

3,2<br />

3,3<br />

3,4<br />

3,4<br />

3,3<br />

3,3<br />

3,3<br />

3,2<br />

3,2<br />

2,8<br />

2,7<br />

2,6<br />

2,6<br />

2,6<br />

2,6<br />

2,6<br />

2.150<br />

2.670<br />

3.279<br />

4.060<br />

4.500<br />

4.807<br />

5.454<br />

6.399<br />

7.610<br />

8.735<br />

9.180<br />

9.624<br />

10.340<br />

11.792<br />

12.600<br />

14.109<br />

16.870<br />

18.663<br />

19.895<br />

21.816<br />

23.385<br />

25.447<br />

27.020<br />

31.089<br />

33.613<br />

36.831<br />

38.740<br />

41.197<br />

43.187<br />

46.949<br />

48.049<br />

48.323<br />

48.130<br />

49.542<br />

50.166<br />

53.108<br />

56.401<br />

62<br />

83<br />

89<br />

94<br />

100<br />

107<br />

106<br />

147<br />

190<br />

315<br />

270<br />

266<br />

280<br />

310<br />

320<br />

320<br />

330<br />

92<br />

120<br />

153<br />

163<br />

168<br />

153<br />

133<br />

193<br />

238<br />

282<br />

325<br />

355<br />

382<br />

283<br />

239<br />

254<br />

203<br />

246<br />

276<br />

280<br />

4.490<br />

5.380<br />

6.560<br />

7.900<br />

8.820<br />

9.710<br />

10.520<br />

12.200<br />

14.700<br />

17.750<br />

19.050<br />

20.240<br />

21.970<br />

24.137<br />

25.220<br />

27.029<br />

30.970<br />

33.864<br />

36.041<br />

39.535<br />

42.312<br />

44.146<br />

46.453<br />

51.929<br />

54.909<br />

58.806<br />

61.076<br />

64.727<br />

68.439<br />

76.523<br />

78.351<br />

78.573<br />

78.454<br />

80.673<br />

81.821<br />

84.064<br />

87.636<br />

1,3<br />

1,4<br />

1,6<br />

1,7<br />

1,8<br />

2,0<br />

2,0<br />

2,0<br />

2,2<br />

2,4<br />

2,3<br />

2,2<br />

2,2<br />

2,3<br />

2,2<br />

2,3<br />

2,4<br />

2,4<br />

2,4<br />

2,6<br />

2,7<br />

2,6<br />

2,6<br />

2,8<br />

2,8<br />

2,9<br />

2,9<br />

2,9<br />

2,8<br />

2,6<br />

2,5<br />

2,4<br />

2,3<br />

2,3<br />

2,3<br />

2,3<br />

2,4<br />

F&E-Ausgaben der Bundesrepublik Deutschland<br />

Gesamt<br />

Sonstige<br />

In % des<br />

Haushalts<br />

Mio. DM Mio. DM Mio. DM In % des<br />

BSP<br />

Mio. DM<br />

Wirtschaft<br />

Staat (Bund und Länder)<br />

Jahr<br />

Erstellt nach BMBF (Hrsg.): Bundesbericht Forschung 2000, S. 455


neue Konstellationen und Rahmenbedingungen<br />

des innovationspo-<br />

Die langen siebziger litischen Handelns schuf.<br />

Jahre waren eben Doch überrascht, wie wenig<br />

auch <strong>die</strong> Phase, in der <strong>die</strong> der Schock rasant steigen-<br />

Krise als Strukturkonder Energiekosten letztlich<br />

stante menschlicher Ent- <strong>die</strong> eingeschlagenen Innowicklung<br />

in <strong>die</strong> bundesvationspfade zu verändern<br />

deutsche Gesellschaft zu- vermochte. Die langen siebrückkehrte<br />

und nach der ziger Jahre waren eben auch<br />

gegenläufigen Erfahrung <strong>die</strong> Phase, in der <strong>die</strong> Krise<br />

des Wirtschaftswunders als Strukturkonstante<br />

neuerlich im kollektiven menschlicher Entwicklung<br />

Gedächtnis verankert in <strong>die</strong> bundesdeutsche Ge-<br />

wurde. sellschaft zurückkehrte und<br />

nach der gegenläufigen Erfahrung<br />

des Wirtschaftswunders neuerlich<br />

im kollektiven Gedächtnis verankert<br />

wurde.<br />

Helmuth Trischler..<br />

37<br />

Prof. Dr. Helmuth Trischler,<br />

Forschungsdirektor des<br />

<strong>Deutsche</strong>n Museums in<br />

München.


Zusammenfassung<br />

Bei DaimlerChrysler belief sich das F&E-Budget im<br />

Jahr 2000 auf 7,6 Milliarden €, also eine F&E-Quote<br />

von ungefähr 4,7 bis 4,8 Prozent auf den Umsatz von<br />

162 Milliarden € bezogen.<br />

Die Konzerntechnologiestrategie umreißt einen Zeitraum<br />

von fünf bis zehn, auch bis fünfzehn Jahren; <strong>die</strong><br />

Technologiestrategie der Geschäftsfelder von drei bis<br />

sieben, maximal zehn Jahren. Die <strong>für</strong> <strong>die</strong> Planung maßgeblichen<br />

Einflussfaktoren („Driving Forces“) sind <strong>die</strong><br />

gesellschaftliche Entwicklung, Stand der Gesetzgebung,<br />

Kunden und Wettbewerb.<br />

38<br />

Unter Betrachtung der Megatrends „nachhaltige Mobilität“<br />

(Null-Emission, Null-Verbrauch),„unfallfreier Verkehr“,„Miniaturisierung“<br />

und „vernetzte Welt“ werden<br />

<strong>die</strong>jenigen Technologiefelder bestimmt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> daraus<br />

abgeleiteten Visionen verwirklichen können. Den sieben<br />

Kerntechnologien bei DaimlerChrysler wird als Resultat<br />

eines komplexen Prozesses ein bestimmtes Forschungsbudget<br />

zugeordnet. Schwerpunktverschiebungen<br />

in einem Bereich sind bis zu maximal plus/minus<br />

zehn Prozent pro Jahr möglich.


Summary<br />

Klaus-Dieter Vöhringer<br />

Zuerst möchte ich einige Zahlen nennen,<br />

insbesondere zu den F&E-<br />

Aufwendungen bei DaimlerChrysler,<br />

möchte dann den Prozess darstellen,<br />

wie wir von der Prospektion zur Ressourcenallokation<br />

kommen, und Ihnen abschließend<br />

noch einige Merkmale der Qualitätssicherung<br />

im Forschungsbereich präsentieren,<br />

so wie wir sie bei DaimlerChrysler<br />

leben.<br />

Nachdem wir am Dienstag, dem 6. Februar<br />

2001, in der Vorstandssitzung in<br />

New York den Umsatz <strong>für</strong> das Jahr 2000<br />

festgestellt haben, kann ich <strong>die</strong> Angaben<br />

präzisieren. Aus den genannten 150 Milliarden<br />

€ im Jahre 2000 sind 162 Milliarden<br />

€ geworden. Darin enthalten sind jedoch<br />

noch <strong>die</strong> Luft- und Raumfahrtaktivitäten<br />

der DASA, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Einbringung in<br />

<strong>die</strong> EADS 2001 nicht mehr konsoli<strong>die</strong>rt<br />

werden.<br />

From prospecting to resource allocation<br />

The DaimlerChrysler R&D budget amounted to 7.6 billion<br />

€ in 2000, which represents an R&D share of around<br />

4.7 to 4.8 percent of the turnover of 162 billion €.<br />

The company’s technology strategy comprises a period<br />

from five to ten or even fifteen years; the technology<br />

strategy of the business areas covers three to seven or<br />

at most ten years. The crucial driving forces in planning<br />

are developments in society, the state of legislation,<br />

clients and competition.<br />

Vorträge..<br />

Von der Prospektion zur<br />

Ressourcenallokation<br />

39<br />

In der Verteilung über <strong>die</strong> Geschäftsfelder<br />

sehen Sie den Fokus des Unternehmens:<br />

Drei Fahrzeuggeschäftsfelder – Mercedes-<br />

Benz Pkw, <strong>die</strong> Chryslergruppe und <strong>die</strong><br />

Nutzfahrzeugdivision.<br />

Das F&E-Budget (Abb. 2/Seite 40) im<br />

Jahr 2000 belief sich auf 7,6 Milliarden €,<br />

auf den Umsatz von 162 Milliarden € bezogen<br />

erreichen wir eine F&E-Quote von<br />

ungefähr 4,7 bis 4,8 Prozent. Die F&E-<br />

Quote bei Chrysler lag dabei unter 3 Prozent,<br />

bei Mercedes Benz Pkw liegt sie etwas<br />

über 5Prozent, und in der Luft- und Raumfahrt<br />

liegt sie deutlich über 10 Prozent. Innerhalb<br />

der Autofirmen können wir sagen,<br />

dass eine Quote von vielleicht 2,5 bis gut<br />

5 Prozent <strong>die</strong> Bandbreite darstellt.<br />

Wir haben bei DaimlerChrysler ein Finanzierungsmodell,<br />

was sich ungefähr aufteilt<br />

in 50 Prozent direkte Geschäftsbereichsbeauftragung<br />

und 50 Prozent lang-<br />

Taking into account the megatrends of sustainable mobility<br />

(zero emission, zero consumption), accident-free<br />

traffic, miniaturisation and global networks, those fields<br />

of technology are determined that can implement the<br />

visions deduced from these issues. A certain research<br />

budget is allocated to the seven core technologies at<br />

DaimlerChrysler as the result of a complex process. Shifts<br />

in priorities in a given field may amount to a maximum<br />

of plus/minus ten percent a year.


Abbildung 1: Umsatz DaimlerChrysler Konzern 1999<br />

fristiger Vorlauf, finanziert durch Konzernmittel.<br />

Geschäftsbereichsbeauftragung<br />

heißt, dass der Geschäftsbereich in Abstimmung<br />

mit dem Forschungsbereich<br />

Aufgaben definiert und da<strong>für</strong> bezahlt. Mit<br />

der Beauftragung ist <strong>die</strong> Mittelzuweisung<br />

verbunden und das Forschungsziel fest definiert.<br />

Über <strong>die</strong> andere Hälfte der Mittel<br />

beschließt der Vorstand einmal jährlich.<br />

Abbildung 3 (Seite 41) zeigt <strong>die</strong> zwei<br />

Kerngeschäftsprozesse. Das eine ist der<br />

Wertschöpfungsprozess, das andere ist der<br />

personelle Ressourcenprozess.<br />

Ich gehe heute nur auf<br />

den Wertschöpfungsprozess<br />

ein, obwohl der personelle<br />

Ressourcenprozess<br />

<strong>die</strong> Basis des ganzen Geschehens<br />

ist. Wenn es uns<br />

also gelingt, <strong>die</strong> richtigen<br />

Mitarbeiter <strong>für</strong> uns zu gewinnen,<br />

sie richtig weiterzuentwickeln<br />

und uns von<br />

ihnen auch wieder nach einer<br />

bestimmten Verweilzeit<br />

zu trennen, dann sind wir in<br />

<strong>die</strong>sem personellen Ressourcenprozess<br />

erfolgreich,<br />

und dann schaffen wir <strong>die</strong><br />

Vorträge..<br />

40<br />

Basis da<strong>für</strong>, dass der Wertschöpfungsprozess<br />

optimal<br />

verläuft.<br />

Der Wertschöpfungsprozess<br />

enthält vier Prozess-<br />

Schritte: Technologie-Strategie,<br />

Innovationsplanung,<br />

Projektarbeit, Ergebnistransfer.<br />

Ich möchte mich<br />

im Folgenden auf <strong>die</strong> Basis,<br />

<strong>die</strong> Technologiestrategie,<br />

konzentrieren, <strong>die</strong> sich aus<br />

der Prospektion ergibt. Darauf<br />

aufbauend möchte ich<br />

dann <strong>die</strong> Innovationsplanung<br />

der einzelnen Produktbereiche<br />

und auch der<br />

Forschung selbst beleuchten. Diese beiden<br />

Prozess-Schritte münden in <strong>die</strong> Projektarbeit<br />

und den Ergebnistransfer der Forschungsergebnisse<br />

in den Entwicklungsprozess<br />

ein.<br />

Das „Drei-Vektoren-Modell“ (Abb.4/<br />

Seite 42) erläutert <strong>die</strong> Philosophie des Ressorts.<br />

Wir arbeiten in mehreren „Dimensionen“,<br />

und <strong>die</strong> sind in <strong>die</strong>sen drei „Vektoren“<br />

dargestellt. Der eine Vektor ist unser<br />

Kundenvektor. Er zielt auf unsere internen<br />

Kunden, <strong>die</strong> Geschäftsbereiche des Unternehmens.<br />

Die zweite Dimension ist un-<br />

Abbildung 2: F&E-Budget 1999: 7.575 Mio.€


ser Kompetenzvektor, unsere Laboratorien.<br />

Wir haben insgesamt achtzehn, <strong>die</strong><br />

meisten davon befinden sich in Deutschland.<br />

Aber <strong>die</strong> DaimlerChrysler-Forschung<br />

hat auch Standbeine in Palo Alto, in Portland,<br />

in Shanghai und in Bangalore. Diese<br />

achtzehn Laboratorien bilden <strong>die</strong> „Competence<br />

Center“ der Forschung. Der dritte<br />

Vektor ist unsere Arbeitsorganisation,<br />

<strong>die</strong> Projektorganisation. Jede Forschungsarbeit<br />

wird in einem definierten Projektplan<br />

bearbeitet.<br />

An einem Flussbild (Abb. 5/Seite 42)<br />

möchte ich erläutern, wie der Prozess abläuft,<br />

in dem wir letztlich zu dem kommen,<br />

was wir als „Kerntechnologie“ bezeichnen.<br />

Ausgangspunkt<br />

sind <strong>die</strong> maßgeblichen<br />

Einflussfaktoren („Driving<br />

Forces“), <strong>die</strong> unsere Tätigkeit<br />

nachhaltig bestimmen.<br />

Das ist zum einen <strong>die</strong> gesellschaftlicheEntwicklung.<br />

Unsere Berliner Arbeitsgruppe,<br />

eine interdisziplinärzusammengesetzte<br />

Arbeitsgruppe unter Leitung<br />

von Professor Minx,<br />

befasst sich mit der langfristigen<br />

gesellschaftlichen<br />

Entwicklung in einem Zeitraum von zehn<br />

bis zwanzig, wenn möglich sogar bis zu<br />

25 Jahren. Da geht es etwa um solche Fragen:<br />

Wie entwickelt sich <strong>die</strong> Mobilität, wie<br />

das Mobilitätsbedürfnis der Gesellschaft?<br />

Aber es geht auch um alle anderen Fragen<br />

der gesellschaftlichen Entwicklung.<br />

Von besonderer Wichtigkeit ist <strong>für</strong> uns<br />

natürlich <strong>die</strong> Rolle des Gesetzgebers. In <strong>die</strong>ser<br />

Frage ist DaimlerChrysler auch am Ort<br />

des Geschehens. Wir unterhalten Arbeitsgruppen<br />

in Berlin, in Brüssel, in Washington,<br />

also an den Orten des gesetzgeberischen<br />

Handelns. Sie antizipieren, was auf<br />

der gesetzgeberischen Seite mit besonderer<br />

Bedeutung <strong>für</strong> uns eintreten könnte.<br />

Klaus-Dieter xxx.. Vöhringer..<br />

41<br />

Die Kunden bieten ebenfalls eine Möglichkeit,<br />

Zukunft zu reflektieren. Das ist<br />

allerdings nur eingeschränkt möglich: Die<br />

Kunden kennen häufig nur das, was ist,<br />

und nicht das, was sein wird. Eine weitere<br />

Quelle ist der Wettbewerb. Ein ständiger<br />

Monitoring-Prozess findet statt, um vorauszuschauen,<br />

wo sich der Wettbewerb<br />

hinbewegt.<br />

Wenn wir den „Technology Push“ betrachten,<br />

müssen wir unterscheiden zwischen<br />

den „Enabling Technologies“, das<br />

sind <strong>die</strong> Technologien, <strong>die</strong> heute wettbewerbsentscheidend<br />

sind <strong>für</strong> <strong>die</strong> Produkte,<br />

<strong>die</strong> wir am Markt anbieten, und den „Disruptive<br />

Technologies“, <strong>die</strong> bisherige Tech-<br />

Abbildung 3: Kerngeschäftsprozesse<br />

nologien radikal ablösen. Sie sind gerade<br />

<strong>für</strong> uns in der Forschung von überragender<br />

Bedeutung. Es ist wichtig vorauszusehen<br />

und daran mitzuarbeiten, was <strong>die</strong><br />

Technologien von morgen sind. Wenn wir<br />

solche, <strong>für</strong> unser Geschäft entscheidende<br />

„Disruptive Technologies“ übersehen oder<br />

einzuführen versäumen würden, dann<br />

würden wir in einen Wettbewerbsnachteil<br />

geraten, den wir unter Umständen nicht<br />

oder erst nach langer Zeit und auch nur<br />

mit sehr hohem Aufwand wieder ausgleichen<br />

könnten. Und genau da liegt <strong>die</strong> Verantwortung<br />

der Forschung: „Disruptive<br />

Technologies“ wirklich vorauszusehen,<br />

aufzunehmen und mitzugestalten.


Abbildung 4: Geschäftsmodell des Ressorts FT<br />

Für uns maßgeblich sind vier Megatrends:<br />

Der eine ist <strong>die</strong> nachhaltige Mobilität,<br />

<strong>die</strong> eng mit der gesellschaftlichen<br />

und der gesetzgeberischen Entwicklung<br />

zusammenhängt. Nachhaltige Mobilität<br />

heißt: Wir wollen solche Voraussetzungen<br />

schaffen, <strong>die</strong> zu Ressourcenschonung,<br />

Emissionsreduzierung und Verbrauchsreduzierung<br />

führen, damit das auch in den<br />

nächsten Jahrzehnten anhaltende Mobilitätsbedürfnis<br />

befriedigt werden kann. Wir<br />

wollen, dass es nicht zu Restriktionen<br />

kommt, <strong>die</strong> dazu führen würden, dass das<br />

Verkehrsaufkommen reduziert<br />

werden müsste, was<br />

auf unser unmittelbares<br />

Geschäft äußerst nachteilige<br />

Auswirkungen hätte.<br />

Unfallfreier Verkehr ist ein<br />

weiterer Megatrend. DaimlerChrysler<br />

hat hier traditionell<br />

eine Vorreiterrolle<br />

inne, <strong>die</strong> beispielsweise<br />

dazu geführt hat, <strong>die</strong> Zahl<br />

der Opfer des Straßenverkehrs<br />

deutlich zu reduzieren.<br />

Wir hatten in der alten<br />

Bundesrepublik einmal<br />

fast 20.000 Verkehrs-<br />

Vorträge..<br />

42<br />

tote zu beklagen, in ganz Deutschland im<br />

letzten Jahr nur noch 7.700. Das ist eine<br />

wirklich erfreuliche Reduzierung. Auf der<br />

anderen Seite sind es immer noch 7.700<br />

zu viel. Deswegen ist „unfallfreies Fahren“<br />

eine große Aufgabe und Vision <strong>für</strong><br />

uns, und wir fühlen uns ihr sehr verpflichtet.<br />

Unfallfrei ist sicherlich eine Vision,<br />

aber es ist wie mit dem Null-Fehler-<br />

Ziel: Das Ziel muss maximal definiert<br />

sein, um möglichst viel zu erreichen.<br />

Wenn wir auch „nur“ <strong>die</strong> Unfallfolgen reduzieren<br />

könnten, wären wir auch schon<br />

erfolgreich.<br />

Unter Miniaturisierung, dem dritten<br />

Megatrend, ist alles zu verstehen, was Beschleunigung,<br />

größeres Speichervolumen<br />

oder höhere Rechnergeschwindigkeit<br />

heißt, alles was Mikrosystem- oder Nanotechnik<br />

bedeutet. Es ist der Aspekt des<br />

technologischen Fortschritts, der immer<br />

mehr Funktionalität auf immer kleineren<br />

Raum bei immer kleinerem Gewicht<br />

unterbringt. Und als vierter Trend schließlich<br />

<strong>die</strong> „vernetzte Welt“. In einer Zeit, in<br />

der jeder zu jeder Zeit an jedem Ort jede<br />

Information verfügbar haben muss, heißt<br />

das <strong>für</strong> uns in der mobilen Welt, dass wir<br />

auch <strong>die</strong>sem Anspruch genügen müssen.<br />

Wir müssen unsere Fahrzeuge und <strong>die</strong><br />

Abbildung 5: Technologiestrategie


Verkehrsteilnehmer voll einbinden in <strong>die</strong>se<br />

Informationswelt. Dazu werden unsere<br />

Fahrzeuge als fahrende Sensoren in einem<br />

Informationsnetz unterwegs sein, <strong>die</strong> alle<br />

Informationen sammeln, auswerten, verdichten<br />

und weitergeben, um damit eine<br />

aktuelle Zustandsberichterstattung zu erzeugen<br />

über Wetterlage,<br />

über Verkehrssituationen,<br />

über unfallgefährdete Stellen.<br />

Das Ganze muss sich in<br />

Produkten niederschlagen,<br />

und in der Grafik (Abb.5/<br />

Seite 42) sind Erfolgsfaktoren<br />

da<strong>für</strong> aufgelistet. Diese<br />

technisch bedingten Erfolgsfaktoren<br />

werden über<br />

<strong>die</strong> spätere Position im<br />

Wettbewerb bestimmen,<br />

auch über den Markterfolg.<br />

Für <strong>die</strong> Forschung heißt<br />

das nun, <strong>die</strong>jenigen maßgeblichenTechnologiefelder<br />

zu bestimmen, auf denen wir arbeiten<br />

müssen, damit wir <strong>die</strong>se Erfolgsfaktoren<br />

bestmöglich unterstützen und unsere aus<br />

den Megatrends abgeleiteten Visionen<br />

wahr werden lassen können. Daimler-<br />

Chrysler konzentriert sich auf sieben<br />

Kerntechnologien, <strong>die</strong> es wert wären, im<br />

Einzelnen beschrieben zu werden. Es sind<br />

<strong>die</strong> <strong>für</strong> unsere Forschung maßgeblichen,<br />

wobei klar ist: Wir können uns in einer<br />

Industrieforschung nicht der ganzen Breite<br />

aller Technologien widmen, sondern<br />

wir müssen eine gewisse Auswahl treffen.<br />

Jede <strong>die</strong>ser Kerntechnologien wird im Sinne<br />

der Ressourcenallokation ein bestimmtes<br />

Forschungsbudget zugeordnet. Diese<br />

Zuordnung ist Resultat eines anspruchsvollen<br />

Prozesses, der einmal jährlich auf<br />

Leitungsebene abläuft. Wir erörtern intensiv<br />

<strong>die</strong> Frage, ob wir <strong>für</strong> jedes Technologiefeld<br />

mehr oder weniger Geld zur Verfügung<br />

stellen. Die Frage stellt sich nicht<br />

Klaus-Dieter Vöhringer..<br />

43<br />

nur absolut, sondern auch relativ. Wenn<br />

wir erkennen, dass gewisse Erfolgsfaktoren<br />

ein höheres Gewicht bekommen, dann<br />

müssen wir dem auch durch eine adäquate<br />

Dotierung der Kerntechnologiefelder<br />

entsprechen. Und das ist insofern ein<br />

spannender Prozess, weil dahinter Kapa-<br />

Abbildung 6: Entscheidungsfindungsprozess<br />

zitäten stehen, insbesondere personelle<br />

Kapazitäten in den Laboratorien, <strong>die</strong> bezahlt<br />

und sinnvoll beschäftigt sein müssen.<br />

Wie finden wir unsere Forschungsprojekte?<br />

Das ist ein Prozess (Abb.6/Seite 43),<br />

der auf der einen Seite durch <strong>die</strong> Technologiestrategien<br />

der Geschäftsfelder („Business<br />

Units“) gespeist wird, und auf der<br />

anderen Seite durch eine aus dem Vorstandsressort<br />

Forschung und Technologie<br />

heraus definierte Konzerntechnologiestrategie<br />

beeinflusst wird. Die Geschäftsfelder<br />

ihrerseits formulieren und adjustieren<br />

ihre eigenen Geschäfts- und Technologiestrategien.<br />

Einmal im Jahr befasst sich der Vorstand<br />

intensiv mit jedem Geschäftsfeld<br />

und dessen Strategie. Dabei kommt aus<br />

der Forschung eine übergeordnete Sicht,<br />

eine längerfristige Technologiesicht dazu.<br />

Aus <strong>die</strong>sem Prozess werden anschließend


Abbildung 7: Von Visionen zu Technologien<br />

<strong>die</strong> Forschungsziele abgeleitet. Um <strong>die</strong><br />

Sichtweise anhand eines Zeitstrahls zu<br />

verdeutlichen: Die Technologiestrategie<br />

der Geschäftsfelder befasst sich mit einem<br />

Zeitraum, der drei bis sieben, maximal<br />

zehn Jahre vorausschaut. Die Konzerntechnologiestrategie<br />

umreißt einen Zeitraum<br />

von fünf bis zehn, auch bis fünfzehn<br />

Jahren. Aus den definierten Forschungszielen,<br />

<strong>die</strong> wir auch zweimal im Jahr den<br />

Leitern und maßgeblichen Mitarbeitern aller<br />

Forschungslaboratorien vorstellen, leiten<br />

sich <strong>die</strong> Forschungsprojektvorschläge<br />

ab. In einer Art „Trichterprozess“, reduzieren<br />

wir <strong>die</strong> anfangs mit 150 Prozent des<br />

zur Verfügung stehenden Geldes unterbreitetenProjektvorschläge<br />

auf das notwendige<br />

Maß. Das erfolgt in einer<br />

zweitägigen Klausur innerhalb<br />

der Forschung, in der<br />

<strong>die</strong> Vorschläge priorisiert<br />

werden. Schließlich kommen<br />

wir zu einer Liste von<br />

Neuprojekten, <strong>die</strong> zu<br />

100 Prozent den zur Disposition<br />

stehenden Mitteln<br />

entspricht. Mit der Entscheidung<br />

über <strong>die</strong> Priori-<br />

Vorträge..<br />

44<br />

sierungsliste beginnt <strong>die</strong><br />

Arbeit an den Projekten,<br />

<strong>die</strong> auch zu einer neuen<br />

Schwerpunktverteilung der<br />

Kerntechnologiefelder untereinander<br />

führen können.<br />

So sind Verkehrstechnik<br />

und Telematik beispielsweise<br />

wachsende Felder,<br />

<strong>die</strong> sicherlich in Zukunft<br />

noch mehr Geld auf sich<br />

ziehen werden. Angesichts<br />

solcher Überlegungen diskutieren<br />

wir darüber, ob<br />

Felder höher oder geringer<br />

dotiert werden, also<br />

Schwerpunktverschiebungen<br />

durchgeführt werden sollten. Das ist eine<br />

ernste Frage: In welchem Rahmen<br />

kann man solche Schwerpunktverschiebungen<br />

über Geld von einem Jahr auf das<br />

nächste Jahr durchführen? Meine Antwort<br />

darauf lautet: Man kann Schwerpunktverschiebungen<br />

in einem Bereich bis zu<br />

10 Prozent vornehmen. Also man kann einen<br />

Topf, der <strong>für</strong> ein Feld vorgesehen ist,<br />

um 10 Prozent aufstocken oder um 10 Prozent<br />

reduzieren. Man muss dann allerdings<br />

– und das sehe ich als sehr wichtig<br />

an – in <strong>die</strong>sen drei Vektoren noch einmal<br />

prüfen, ob das Ganze auch umsetzbar ist.<br />

Wenn wir ein Kerntechnologiefeld deutlich<br />

höher dotieren, andere da<strong>für</strong> weniger,<br />

Abbildung 8: Qualitätsmanagement in der Forschung


und dann feststellen müssen, dass wir <strong>die</strong>se<br />

Umschichtung personell beispielsweise<br />

durch Fluktuation, Umwidmung oder<br />

Kompetenzverschiebung nicht umsetzen<br />

können, dann korrigieren wir unseren Plan<br />

noch einmal. Denn wir werden keine Mittelveränderungen<br />

durchführen, <strong>die</strong> zu Entlassungen<br />

führen. Das verbietet sich aus<br />

unserem Unternehmensverständnis<br />

heraus. Aber<br />

selbst unter <strong>die</strong>ser harten<br />

Bedingung haben wir von<br />

Jahr zu Jahr erhebliche<br />

Veränderungen der Mittelallokation<br />

durchführen<br />

können. Man ist überrascht,<br />

dass man doch Veränderungen<br />

im Umfang<br />

von fünf und in manchen<br />

Fällen 10 Prozent durchführen<br />

kann, ohne dass sie<br />

zu nicht beherrschbaren<br />

personellen Konsequenzen<br />

führen.<br />

Letztlich stehen hinter<br />

allen Forschungsprojekten<br />

Visionen, <strong>die</strong> wir formuliert haben<br />

(Abb.7/Seite 44). Unfallfreier Verkehr,<br />

Null-Emission oder Null-Verbrauch sind<br />

solche Ziel-Visionen.<br />

Immer maximale Ziele definieren, so ist<br />

unsere Vorgehensweise. Diese werden<br />

dann ausformuliert und durch entsprechende<br />

Systeme, <strong>die</strong> das bewerkstelligen,<br />

ausgeformt. Wir in der Forschung erarbeiten<br />

dazu <strong>die</strong> erforderlichen Technologien.<br />

Als Beispiel <strong>für</strong> Null-Emissions-Systeme<br />

kann <strong>die</strong> Brennstoffzelle <strong>die</strong>nen. Sie<br />

ist zu einem maßgeblichen Thema in unserem<br />

Hause geworden. Ihr Funktionsprinzip<br />

ist bereits 150 Jahre alt. Ende der<br />

80er Jahre, nachdem wir viel Geld in Batterien,<br />

in Gasantriebe und auch in Wasserstoffverbrennungsmotoren<br />

gesteckt hatten<br />

und dennoch erkennen mussten, dass<br />

<strong>die</strong>se Technologien nicht zum Ziel führen,<br />

Klaus-Dieter Vöhringer..<br />

45<br />

haben wir <strong>die</strong> Anwendbarkeit der Brennstoffzelle<br />

<strong>für</strong> mobile Antriebe untersucht.<br />

Im Ergebnis haben wir beschlossen: Da<br />

gehen wir nach vorne, das machen wir!<br />

Dahinter steht <strong>die</strong> Vision, einen emissionsfreien<br />

Antrieb zu haben. Die Brennstoffzelle<br />

ist auch ein Beispiel da<strong>für</strong>, dass<br />

durchaus zwanzigjährige Forschungs-<br />

Abbildung 9:Technologie-Audit<br />

arbeit erforderlich ist, um einer solchen<br />

Technologie zum Durchbruch zu verhelfen.<br />

Ganz kurz nun abschließend: Wie<br />

kann man Qualitätssicherung betreiben.<br />

(Abb. 8/Seite 44)?<br />

In der Stufe der Technologiestrategie<br />

machen wir das durch ein Technologie-<br />

Audit (Abb. 9/Seite 45). Zwei Felder –<br />

nicht unbedingt komplette Kerntechnologiefelder<br />

– nehmen wir uns jedes Jahr vor<br />

und auditieren sie, indem wir fünf <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

aus der ganzen Welt sowie <strong>die</strong><br />

fünf wichtigsten Kunden aus dem Konzern<br />

einladen.<br />

Wir versuchen, und haben Erfolg damit,<br />

<strong>die</strong> anerkanntermaßen bedeutendsten<br />

<strong>Wissenschaft</strong>ler auf dem jeweiligen Feld<br />

<strong>für</strong> uns zu gewinnen, wo sie in einem<br />

zweitägigen Kolloquium unsere Arbeit in


Abbildung 10: Project Reviews<br />

den ausgewählten Feldern bewerten und<br />

beurteilen. Später erhalten wir von <strong>die</strong>sen<br />

<strong>Wissenschaft</strong>lern einen Bewertungsbericht.<br />

Und wenn das Resultat lautet, dass wir<br />

im weltweiten Maßstab nicht in der vorderen<br />

Linie marschieren, dann haben wir<br />

nur zwei Möglichkeiten: Entweder ertüchtigen<br />

wir uns, oder wir sollten dann<br />

mit <strong>die</strong>ser Aktivität aufhören. So haben<br />

wir vor wenigen Jahren mit der Hochtemperatursupraleitung<br />

aufgehört, nachdem<br />

das entsprechende Audit festgestellt hatte,<br />

dass wir einen nicht einholbaren Rückstand<br />

zu anderen hatten. Wenn also solche<br />

Dinge festgestellt werden,<br />

müssen Konsequenzen<br />

ergriffen werden. In<br />

der Regel gelingt es uns,<br />

dass wir uns ertüchtigen,<br />

<strong>die</strong> Lücke schließen können.<br />

Das Audit ist ein ganz<br />

hervorragendes Instrument,<br />

weil es eine erhebliche Spiegelbildwirkung<br />

hat und alles<br />

sehr transparent macht.<br />

Weitere Elemente des<br />

Qualitätsmanagements in<br />

der DaimlerChrysler-Forschung<br />

sind Projektarbeit<br />

Vorträge..<br />

Abbildung 11: Zukunft ist...<br />

46<br />

und Ergebnistransfer (Abb.<br />

8/Seite 44).<br />

So haben wir alle Projekte<br />

anhand ihrer Wichtigkeit<br />

und ihres Projektvolumens<br />

kategorisiert. Die „A-<br />

Projekte“ sind <strong>die</strong> wichtigsten<br />

Projekte. Sie werden<br />

ein- bis zweimal pro Jahr<br />

durch das Top-Management<br />

in sogenannte „Projekt Reviews“<br />

evaluiert. Dazu werden<br />

jeweils bestimmte Aspekte<br />

bewertet (Abb.<br />

10/Seite 46).<br />

Zum Schluss möchte ich das nicht<br />

konterkarieren, was ich bisher gesagt habe:<br />

Die Prozesse bei DaimlerChrysler haben<br />

sich – so hoffe ich – sehr systematisch<br />

angehört. Demnach ist <strong>die</strong> Welt in<br />

Ordnung und vorhersehbar. Aber wirklich<br />

vorhersehbar ist sie sicherlich nicht.<br />

Aber vielleicht ist sie ein wenig gestaltbar.<br />

Die Abbildung (Abb.11/Seite 46) zeigt<br />

eine Kugel am Dünenhang. Noch ist unklar,<br />

welchen Weg sie nach unten nehmen<br />

wird. Vielleicht können wir doch,<br />

jeder im Rahmen seiner Verantwortung,<br />

jeder im Rahmen seines Zukunftsberei-


ches, ein wenig modellierend einwirken<br />

auf <strong>die</strong> Zukunft. Wir jedenfalls versuchen<br />

das. Wir haben es vielleicht als Industrieforschung<br />

ein bisschen einfacher, weil<br />

unsere Ziele klarer definiert sind.<br />

Und um dem Ganzen vielleicht noch<br />

einen krönenden Abschluss zu verleihen:<br />

Der Nestor der deutschen Wirtschaft,<br />

Hermann Josef Abs, hat einmal gesagt:<br />

„Prognosen sind Straßenlaternen <strong>für</strong> Betrunkene.<br />

Sie <strong>die</strong>nen nicht unbedingt der<br />

Erleuchtung. Aber man kann sich an ihnen<br />

festhalten.“<br />

Klaus-Dieter Vöhringer..<br />

47<br />

Prof. Klaus-Dieter Vöhringer<br />

ist Mitglied des Vorstands der<br />

DaimlerChrysler AG in<br />

Stuttgart.


Zusammenfassung<br />

Die Bundesregierung ist mit den Zielen angetreten, <strong>die</strong><br />

Rahmenbedingungen <strong>für</strong> Innovationen entscheidend<br />

zu verbessern, <strong>die</strong> Investitionen in Bildung und Forschung<br />

deutlich zu erhöhen und eine moderne Forschungspolitik<br />

zu betreiben.<br />

Dabei muss sich <strong>die</strong> Leitung des Bundesministeriums<br />

<strong>für</strong> Bildung und Forschung permanent <strong>die</strong> Frage nach<br />

der strategischen Verwendung seiner Mittel stellen.<br />

Das BMBF ist dabei, moderne Formen von Forschungsprospektion<br />

und Entwicklung von Verfahren<br />

zu implementieren. Diese Prozesse laufen in enger Abstimmung<br />

mit der <strong>Wissenschaft</strong> und von Anfang an<br />

mit der Wirtschaft. Das neue Instrumentarium wird<br />

durch den FUTUR-Prozess ergänzt. FUTUR geht von<br />

gesellschaftlichen Bedürfnissen, Änderungen, Veränderungen,<br />

Entwicklung aus und soll <strong>die</strong>se mit Technologien<br />

und technologischen Entwicklungsfaden verknüpfen,<br />

<strong>die</strong> zur Lösung gesellschaftlicher Fragestel-<br />

48<br />

lungen beitragen können. FUTUR soll das BMBF bei der<br />

Identifikation zukünftiger Forschungsthemen unterstützen<br />

und Entscheidungshilfen bei der strategischen<br />

Ausrichtung bereitstellen. Eine Priorisierung lässt sich<br />

jedoch letztendlich nicht ohne politische Entscheidung<br />

und Schwerpunktsetzung, manchmal auch Wertorientierung<br />

von Politik, vornehmen.<br />

Es ist das Ziel, zu strategischen Visionen in der Forschungspolitik<br />

kommen, <strong>die</strong> quer zu den klassischen<br />

Förderprofilen und Förderstrukturen liegen.Weil prioritäre<br />

Entscheidungen auf den zum Teil nicht perfekt<br />

gehobenen Schatz der institutionellen Förderung des<br />

Bundes ausstrahlen, und weil in der institutionellen<br />

Förderung in erheblichem Ausmaß Ressourcen gebunden<br />

werden, muss <strong>die</strong> Frage der Priorisierung auch<br />

zu einem gemeinsamen Thema der Projektförderung<br />

und der institutionellen Förderung werden.


Summary<br />

Wolf-Michael Catenhusen<br />

Die Bundesregierung ist mit den<br />

Zielen angetreten, <strong>die</strong> Rahmenbedingungen<br />

<strong>für</strong> Innovationen<br />

entscheidend zu verbessern, <strong>die</strong> Investitionen<br />

in Bildung und Forschung deutlich<br />

zu erhöhen und eine moderne Forschungspolitik<br />

zu betreiben. Bei der Realisierung<br />

<strong>die</strong>ser Ziele sind wir ein gutes<br />

Stück vorangekommen. Ich will hier nur<br />

zwei Aspekte nennen: Wir können – trotz<br />

eines strengen Haushaltskonsoli<strong>die</strong>rungskurses<br />

– einen außergewöhnlichen Mittelaufwuchs<br />

<strong>für</strong> den Etat des BMBF verbuchen.<br />

Dabei haben wir gezielt <strong>die</strong> Projekt-<br />

Setting priorities in research funding<br />

The Federal Government has taken up the issues of making<br />

crucial improvements to the framework conditions<br />

for innovation, substantially raising investment in education<br />

and research and conducting a modern research<br />

policy. In this context, the executives of the Federal Ministry<br />

for Education and Research (BMBF) have to assess<br />

the strategic use of their funds on an ongoing basis.<br />

The BMBF is in the process of implementing modern<br />

forms of research prospecting and the development of<br />

methods. All this is being carried out in close co-ordination<br />

with higher education and research and, right from<br />

the start, with industry. The new instruments are supplemented<br />

by the FUTUR process. FUTUR sets out from<br />

the needs of society, changes, alterations and developments<br />

and is aimed at linking these aspects up with<br />

technologies and central themes in the development of<br />

Vorträge..<br />

Prioritätensetzung in der<br />

Forschungsförderung<br />

49<br />

förderung des BMBF auf inzwischen fast<br />

4,6 Mrd.DM gesteigert, um Flexibilität,<br />

Wettbewerb und damit auch Qualität in<br />

der Forschungsförderung zu erhöhen.<br />

Dabei muss sich <strong>die</strong> Leitung des BMBF<br />

permanent <strong>die</strong> Frage nach der strategischen<br />

Verwendung <strong>die</strong>ser Mittel stellen.<br />

Und wir müssen in der Lage sein, gegenüber<br />

dem Parlament und der Öffentlichkeit,<br />

den Steuerzahlern, folgende Fragen beantworten<br />

können:<br />

• Setzen wir auf <strong>die</strong> richtigen, zukunftsorientierten<br />

Themen und Forschungsschwerpunkte?<br />

technologies that are thought to be able to contribute<br />

to solutions in society. FUTUR has been designed to assist<br />

the BMBF in identifying tomorrow’s research topics and<br />

to provide aids to decision-making in strategic considerations.<br />

Ultimately, however, prioritising is not possible<br />

without political decisions and setting of priorities, and,<br />

sometimes, an orientation of politics on values.<br />

The goal is to attain strategic visions in research policy<br />

that cut across traditional funding profiles and funding<br />

structures. Since priority decisions have an impact on a<br />

treasure of institutional funding by the Federal government<br />

that has not been dug up to the utmost perfection,<br />

and since resources are tied to a considerable degree<br />

in institutional funding, the issue of prioritising also<br />

has to become a common theme of project funding<br />

and institutional funding.


• Haben wir wichtige Themen übersehen<br />

und gefährden somit <strong>die</strong> Innovationskraft<br />

Deutschland im internationalen<br />

Wettbewerb?<br />

• Trägt unsere Forschungsförderung zur<br />

Problemlösung in unserer Gesellschaft<br />

und auf <strong>die</strong>sem Globus bei?<br />

• Welche strategischen Prozesse haben<br />

wir, um begründbar zu notwendigen<br />

Prioritätensetzungen zu kommen?<br />

• Sind unsere Prozesse nach außen verständlich<br />

und vermittelbar?<br />

Prioritätensetzung in der Forschungsförderung<br />

ist damit ein Thema, mit dem sich<br />

das BMBF gerade jetzt, nachdem <strong>die</strong> neue<br />

Leitung des Hauses gut zwei Jahre arbeitet,<br />

intensiver beschäftigt. Wenn es bei Entscheidungen<br />

um den Dreierschritt: Bedarfsprognose,<br />

Steuerung resp. Umsteuerung<br />

und entsprechende Flexibilität geht,<br />

könnte man natürlich sagen: Die Politiker<br />

haben immer das Problem, dass sie <strong>die</strong><br />

unterschiedlichen Zielgrup-<br />

Die Frage des Bepen zu befriedigen haben.<br />

darfs an For- Und es gibt eine forschungsschungspolitik<br />

im weitepolitische Zielgruppe im enren<br />

Sinne ist natürlich etgeren Sinne, das sind <strong>die</strong>jewas<br />

komplizierter, auch nigen, <strong>die</strong> Bedarf an For-<br />

weil sich <strong>die</strong> politische schungsergebnissen haben,<br />

Kultur im Bereich der For- das sind <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong><br />

schungspolitik etwas auch in der <strong>Wissenschaft</strong> an<br />

unterscheidet und unter- der Erschließung von Zuscheiden<br />

muss von der kunftsfeldern <strong>für</strong> Innovatio-<br />

allgemeinen politischen nen als <strong>Wissenschaft</strong>ler ar-<br />

Kultur, was Bedarfe anbeiten wollen und <strong>die</strong> Changeht.<br />

Was <strong>die</strong> Frage der ce haben, auch sehr schnell<br />

Flexibilität angeht, geht an den spannenden Fragen<br />

es darum, reagible Steue- zu arbeiten, <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zurungsstrukturen<br />

zu orgakunftsentwicklung wichtig<br />

nisieren, flexibel auf Be- sind.<br />

darfe zu reagieren und Die Frage des Bedarfs an<br />

dabei <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong> in Forschungspolitik im weite-<br />

ihrer Eigendynamik ernst ren Sinne ist natürlich etwas<br />

zu nehmen. komplizierter, auch weil<br />

sich <strong>die</strong> politische Kultur im<br />

Vorträge..<br />

50<br />

Bereich der Forschungspolitik etwas<br />

unterscheidet und unterscheiden muss<br />

von der allgemeinen politischen Kultur,<br />

was Bedarfe angeht. Was <strong>die</strong> Frage der Flexibilität<br />

angeht, geht es darum, reagible<br />

Steuerungsstrukturen zu organisieren, flexibel<br />

auf Bedarfe zu reagieren und dabei<br />

<strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong> in ihrer Eigendynamik<br />

ernst zu nehmen. Sie wissen, manchmal<br />

wird der Politik auch zuviel Flexibilität<br />

vorgeworfen. Das heißt, neben der Flexibilität<br />

ist auch <strong>die</strong> Frage der strategischen<br />

Orientierung eine Frage, <strong>die</strong> sich in der<br />

Forschungspolitik noch wichtiger stellt als<br />

in anderen Politikfeldern.<br />

Verzahnung von Forschung und Praxis<br />

Winfried Schulze hat in seinem bemerkenswerten<br />

Vortrag „Was sollen wir erforschen?“<br />

auf der Münchener Jahrestagung<br />

2000 der Helmholtz-Gemeinschaft noch<br />

einmal darauf hingewiesen, dass sich <strong>die</strong><br />

<strong>Wissenschaft</strong> grundlegend verändert, dass<br />

sie immer stärker von technischen und<br />

wirtschaftlichen Problemen vorangetrieben<br />

wird, und sie sich eben nicht mehr so<br />

stark wie früher von theoretischen Fragen<br />

ableitet, über <strong>die</strong> sich Disziplinen definieren.<br />

Er spricht dann davon, dass <strong>die</strong>se<br />

strategische Ausrichtung von Forschung<br />

es mit sich bringt, dass verstärkte Anstrengungen<br />

unternommen werden müssen,<br />

<strong>die</strong> Verzahnung von Forschung und<br />

gesellschaftlicher Praxis zu fördern, eingedenk<br />

der Fehlleistungen linearer Planungsmodelle.<br />

Dies bildet in der Tat den<br />

Hintergrund der erneuten intensiven Diskussion<br />

über <strong>die</strong> Frage der Prospektion,<br />

der Setzung von Prioritäten sowie der veränderten<br />

Verfahren und Entscheidungsabläufen<br />

da<strong>für</strong>. Eine Diskussion, <strong>die</strong> wir<br />

auch in der Forschungspolitik stärker führen<br />

müssen.<br />

Politik hat auch eigene Vorstellungen<br />

über <strong>die</strong> gesellschaftliche Zukunft und <strong>die</strong>


Verzahnung von Forschung und gesellschaftlichen<br />

Bedarfsfeldern, und natürlich<br />

hat sich das BMBF nach der<br />

Politik hat auch ei- Übernahme der Aufgabe<br />

gene Vorstellungen durch Frau Bulmahn, Herrn<br />

über <strong>die</strong> gesellschaftliche Thomas und mich, – zu-<br />

Zukunft und <strong>die</strong> Verzahnächst in einem ersten<br />

nung von Forschung und Schritt daran gemacht, <strong>die</strong><br />

gesellschaftlichen Be- aus unserer Sicht überfällidarfsfeldern.gen<br />

Anpassungen der Prioritäten<br />

im Bereich der Forschungs-<br />

und Technologiepolitik an gesellschaftliche<br />

Bedarfsfelder vorzunehmen.<br />

Wir haben uns dabei – das ist auch in der<br />

Regierungserklärung des Bundeskanzlers<br />

nachzulesen gewesen – von drei programmatischen<br />

Schwerpunkten leiten lassen:<br />

• Forschung <strong>für</strong> den Menschen,<br />

• Forschung <strong>für</strong> ein nachhaltiges weltweites<br />

Wachstum und<br />

• Forschung mit dem Ziel Innovationen<br />

<strong>für</strong> Arbeitsplätze.<br />

Die Bandbreite der unter <strong>die</strong>ser Schwerpunkte<br />

subsummierten Forschung reicht<br />

von der Genom- und Gesundheitsforschung<br />

über Forschungen zu Bauen und<br />

Wohnen, künftige nachhaltige Verkehrsund<br />

industrielle wie landwirtschaftliche<br />

Produktionssysteme bis hin zu sozioökonomischen<br />

und wissenschaftsethischen<br />

Fragestellungen ebenso <strong>die</strong> Stärkung der<br />

IT-Forschung zur Gestaltung der Wissensgesellschaft.<br />

Diese programmatisch<br />

neuen Akzente haben wir – ohne einen<br />

großen strategischen Vorlauf – aufgrund<br />

politischer Entscheidungen und auch<br />

langjähriger forschungspolitischer Debatten<br />

gesetzt.<br />

Wir sind jetzt – nach <strong>die</strong>ser ersten Phase<br />

politisch vorgegebener und gesteuerter<br />

neuer Akzente in den Programmschwerpunkten<br />

des BMBF – in einer Phase, wo<br />

wir dazu übergehen wollen und müssen,<br />

zur Implementation moderner Formen<br />

Wolf-Michael xxx.. Catenhusen..<br />

51<br />

von Forschungsprospektion und Entwicklung<br />

von Verfahren zu kommen, <strong>die</strong><br />

auf mittelfristiger Vorschau gegründeten<br />

Entscheidungen über Forschungsschwerpunkte,<br />

Forschungsförderschwerpunkte<br />

und damit letztlich auch über Ressourcenallokationen<br />

ermöglichen.<br />

Hierzu will ich mich in drei Punkten<br />

äußern:<br />

• Erstens in einem kurzen, auch persönlichen<br />

Blick auf <strong>Foresight</strong>-Versuche und<br />

Ansätze, u.a. über Delphi,<br />

• zweitens zur Früherkennung und Erschließung<br />

prioritärer Felder in der<br />

Fachprogrammarbeit des BMBF,<br />

• drittens zu FUTUR, einem Projekt, das<br />

seit anderthalb Jahren im Internet steht,<br />

<strong>für</strong> das aber das BMBF erst jetzt <strong>die</strong> notwendigen<br />

Voraussetzungen da<strong>für</strong> geschaffen<br />

hat, dass daraus ein transparenter,<br />

offener Entscheidungsprozess<br />

über neue Schwerpunkte der künftigen<br />

Förderpolitik unseres Hauses entstehen<br />

kann.<br />

<strong>Foresight</strong>-Ansätze<br />

Sie wissen, dass Anfang der 90er Jahre mit<br />

dem ersten deutschen Delphi-Report<br />

(1992/93), mit der Stu<strong>die</strong> „Technologien<br />

<strong>für</strong> das 21. Jahrhundert“(1991/93) und mit<br />

anschließenden Mini-Delphi (1994/95)<br />

und dem Bildungs-Delphi Versuche gemacht<br />

worden sind, sich in den internationalen<br />

Trend zur Etablierung neuer Verfahren<br />

zur Generierung zukünftiger technologischer<br />

Entwicklungen und darauf<br />

aufbauend zukünftige Entwicklungen notwendiger<br />

Handlungsfelder <strong>für</strong> Forschungs-<br />

und Entwicklungspolitik einzuklinken.<br />

Man kann sicherlich aus der<br />

Rücksicht sagen, dass das ein ehrgeiziges<br />

Unternehmen war, das dazu geführt hat,<br />

dass <strong>die</strong> Politik sich vor allem der Stu<strong>die</strong><br />

„Technologie <strong>für</strong> das 21. Jahrhundert“ angelegten<br />

Möglichkeiten zur Überprüfung


und Neujustierung der Prioritäten der<br />

deutschen Technologieförderung angesichts<br />

mittelfristiger Technologie, Trends,<br />

Trendbeobachtungen, Trendeinschätzungen<br />

gekommen ist. Das damalige BMFT<br />

hat jedoch <strong>die</strong>se Chancen nicht genutzt,<br />

obwohl beispielsweise <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong> „Technologie<br />

<strong>für</strong> das 21. Jahrhundert“ nicht nur<br />

eine Prognose enthielt, sondern auch<br />

Empfehlungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Aufnahme solcher<br />

Trendeinschätzungen in bestimmte Verfahren<br />

und Entscheidungen über prioritäre<br />

und innovative neue Förderschwerpunkte.<br />

Erste Anläufe verliefen im Sande<br />

Die zweite Delphi-Untersuchung schloss<br />

sich 1996 - 1998 an. In <strong>die</strong>sen Prozess flossen<br />

über 2.000 Expertenmeinungen zu<br />

1.070 Einzelthesen sein. Das zeigt <strong>die</strong> Problematik<br />

von Delphi: Ein Vergleich oder<br />

gar eine Prioritätensetzung zwischen <strong>die</strong>ser<br />

Vielzahl von Themen, <strong>die</strong> sich hinter<br />

den Thesen verbergen, war nicht möglich.<br />

Die Stu<strong>die</strong> wurde viel beachtet, floss aber<br />

kaum in <strong>die</strong> strategischen Entscheidungen<br />

des BMBF ein. Eine programmübergreifende<br />

Diskussion hat Delphi im BMBF<br />

nicht ausgelöst. Diese ersten Anläufe zum<br />

Einklinken Deutschlands in <strong>die</strong> Entwicklung<br />

von Verfahren, <strong>die</strong> wir heute unter<br />

Technology-<strong>Foresight</strong> verstehen, sind eigentlich<br />

im Sande verlaufen.<br />

Gleichwohl haben in den letzten Jahren<br />

<strong>die</strong> Anstrengungen, systematisch in<br />

<strong>die</strong> mittel- bis langfristige Zukunft (5-30<br />

Jahre) von <strong>Wissenschaft</strong>, Technologie,<br />

Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft zu<br />

schauen, um generische Technologien und<br />

<strong>die</strong> Felder der strategischen Forschung zu<br />

identifizieren, weltweit deutlich zugenommen.<br />

Allein in Europa gibt es zurzeit<br />

in mehr als einem Dutzend Staaten <strong>Foresight</strong>-Prozesse,<br />

insbesondere in allen größeren<br />

Staaten der Europäischen Union.<br />

Vorträge..<br />

52<br />

Auch <strong>die</strong> Europäische Kommission unternimmt<br />

Anstrengungen, <strong>Foresight</strong>-Verfahren<br />

zu entwickeln, um <strong>die</strong> Vorschläge <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> thematische Ausrichtung der Rahmenprogramme<br />

auf eine neue Basis zu<br />

stellen. In welchem Maße <strong>die</strong>se Schwerpunkte<br />

und der vorgesehene instrumentelle<br />

Paradigmenwechsel Akzeptanz finden,<br />

wird <strong>die</strong> anstehende Diskussion zum<br />

6. Rahmenprogramm zeigen.<br />

Japan ist <strong>für</strong> seine regelmäßigen Delphi-Berichte<br />

bekannt. Die UNIDO (Organisation<br />

der UNO <strong>für</strong> wirtschaftliche Entwicklung)<br />

hat regionale <strong>Foresight</strong>-Initiativen<br />

ins Leben gerufen, z.B. <strong>für</strong> Mittelund<br />

Südamerika – jüngst auch <strong>die</strong> mittelund<br />

osteuropäischen Länder, an der sich<br />

praktisch alle Länder der Region beteiligen.<br />

Die USA führen in dem „Millenium<br />

Project“ eine weltumspannende Diskussion<br />

um künftige Prioritäten.<br />

Als eine in Europa führende Forschungsnation<br />

dürfen wir den Anschluss<br />

an <strong>die</strong>se internationale Entwicklung nicht<br />

verlieren, auch im Hinblick auf <strong>die</strong> <strong>Foresight</strong>-Methodiken.<br />

Was können wir aus<br />

den bisherigen internationaler Erfahrungen<br />

anderer lernen?<br />

1.Zukunft ist nicht vorhersehbar wie das<br />

Wetter durch den Wetterbericht. Das<br />

„Forecasting“, mit dem man in den<br />

USA seit Ende der 50er Jahre startete,<br />

hat sich spätestens mit der unvorhergesehenen<br />

Ölkrise als<br />

nicht machbar erwiesen. Das „Forecasting“,<br />

<strong>Foresight</strong> sollte stattdes- mit dem man in den<br />

sen alternative Szenarien USA seit Ende der 50er<br />

der Zukunft heraus- Jahre startete, hat sich<br />

arbeiten. Wir sollten da- spätestens mit der unvorbei<br />

einerseits fragen: hergesehenen Ölkrise als<br />

„Welche Zukunft wünschen<br />

wir uns?“ (norma-<br />

nicht machbar erwiesen.<br />

tive Szenarien) und andererseits fragen:<br />

„Wie wird sich unsere Zukunft wahrscheinlich<br />

unter der Wirkung neuer


Technologien entwickeln?“ (explorative<br />

Szenarien). Wenn wir alternative<br />

Wege in <strong>die</strong> Zukunft ausge-<br />

Wenn wir alternaarbeitet haben, können wir<br />

tive Wege in <strong>die</strong> Zu- uns am besten auf <strong>die</strong> Zukunft<br />

ausgearbeitet hakunft vorbereiten.<br />

ben, können wir uns am 2.Die verschiedenen Länder<br />

besten auf <strong>die</strong> Zukunft setzen in ihren <strong>Foresight</strong>vorbereiten.<br />

Prozessen verschiedene Me-<br />

Die verschiedenen Länder thoden ein. In Japan und Ös-<br />

setzen in ihren <strong>Foresight</strong>- terreich werden Delphi-Be-<br />

Prozessen verschiedene fragungen von Experten<br />

Methoden ein.<br />

durchgeführt. Im United<br />

Kingdom (UK), in Frankreich,<br />

in den Niederlanden, in Schweden<br />

oder in vielen anderen Ländern hat<br />

man Expertenpanels zu bestimmten<br />

Themenkreisen eingerichtet. In Dänemark<br />

versucht man über Konsensuskonferenzen<br />

breitere Kreise der Bevölkerung<br />

einzubeziehen. In Neuseeland<br />

möchte man neue Themen aus einem<br />

Internetdiskurs gewinnen. Es gibt<br />

also nicht „<strong>die</strong>“ Methode. Wir müssen<br />

unseren nationalen Weg vor dem Hintergrund<br />

unserer Strukturen entwickeln.<br />

3. Die Erfahrungen z.B. in Schweden oder<br />

in UK zeigen, dass <strong>Foresight</strong>-Prozesse<br />

auch einen Wert als Kommunikationsprozesse<br />

haben. <strong>Foresight</strong>-Prozesse bringen<br />

<strong>die</strong> Akteure des Innovationsgeschehens<br />

aus verschiedenen Anwendungsfeldern<br />

zusammen (Vernetzung).<br />

Sie haben zudem eine Wirkung in der<br />

Öffentlichkeit und führen damit zur<br />

Transparenz der Entscheidungsfindung<br />

in der Forschungspolitik. Gleichzeitig<br />

zeigt <strong>die</strong>se Erkenntnis <strong>die</strong> Gefahren<br />

von <strong>Foresight</strong>-Prozessen: In manchen<br />

<strong>Foresight</strong>-Prozessen sind <strong>die</strong> Ergebnisse<br />

schwer quantitativ zu fassen. Mit<br />

einem Ergebnis wie „FUTUR als Prozess<br />

hat seinen Wert an sich“ wollen<br />

wir uns nicht zufrieden geben. Wir<br />

wollen <strong>die</strong> Ergebnisse an konkreten<br />

Projekten festmachen. Dass <strong>Foresight</strong><br />

Wolf-Michael Catenhusen..<br />

53<br />

in <strong>die</strong>ser Hinsicht auch erfolgreich sein<br />

kann, zeigt sich zum Beispiel in UK.<br />

Dort wurden beispielsweise 1996/97<br />

ca. 54 Prozent des Forschungsbudgets<br />

des Research Council in Übereinstimmung<br />

mit den im <strong>Foresight</strong>-Prozess gesetzten<br />

Prioritäten vergeben.<br />

4.<strong>Foresight</strong>-Prozesse, bei denen neben<br />

Experten breitere Kreise der Bevölkerung<br />

eingebunden wurden, sind weltweit<br />

selten. Dort, wo beispielsweise<br />

Internet-Diskurse zur Zukunftsvorausschau<br />

gestartet wurden (Neuseeland),<br />

hat man wenig Resonanz in der Bevölkerung<br />

gefunden. Ich halte es aber im<br />

Rahmen eines modernen Politikverständnisses<br />

<strong>für</strong> erforderlich, neben Experten<br />

auch interessierte Bürger in einen<br />

Dialog mit einzubeziehen.<br />

Früherkennung über Fachprogramme<br />

BMFT und BMBF – das gilt bis heute – setzen<br />

auf <strong>die</strong> Optimierung von Früherkennungsmethoden<br />

in den Fachprogrammen,<br />

wobei Sie natürlich wissen müssen, dass<br />

ein Ministerium, was in einer großen Breite<br />

– man kann sagen, fast flächendeckend<br />

– versucht, Förderpolitik über Fachprogramme,<br />

über Ausschreibungen und ähnliche<br />

Instrumente zu generieren, nicht in<br />

der Situation ist, dass etwa mittelfristig jeweils<br />

<strong>die</strong> Prioritäten insgesamt auf den<br />

Prüfstand gestellt werden, sondern dass<br />

wir ständig auf Grund der Ungleichzeitigkeit<br />

der Laufzeiten bestimmter Programme<br />

und Förderschwerpunkte dabei sind,<br />

Förderschwerpunkte zu modernisieren,<br />

neue Förderschwerpunkte zu generieren.<br />

Ein kontinuierlicher Prozess mit all den<br />

Vorteilen, wie sie Flexibilität aufweist, mit<br />

all den Einschränkungen, <strong>die</strong> man in der<br />

Frage strategischer Priorisierung von Forschungsförderung<br />

nehmen kann.<br />

Dass wir z.B. nach 1998 zu einer strategischen<br />

Priorisierung der Genomforschung<br />

kommen konnten, lag ja vor allem


daran, dass wir durch ein starkes Wachstum<br />

an Fördermitteln und durch eine gezielte<br />

strategische Priorisierung des Zuwachses<br />

an Ressourcen in der Lage waren,<br />

hier ein neues Förderfeld zu generieren.<br />

In den 90er Jahren ist Deutschland fast<br />

zu spät gekommen. 1995 hat der Bund mit<br />

28 Mio.DM Förderung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Genomforschung<br />

begonnen. Heute sind es rd.<br />

100 Mio. Dazu kommen in den Jahren<br />

2001 bis 2003 noch mal 350 Mio.DM aus<br />

der Versteigerung der UMTS-Frequenzen.<br />

Im Vergleich zu den USA ist das immer<br />

noch bescheiden, aber ich glaube, wir<br />

können damit unseren angestammten<br />

Platz hinter den USA zurückerobern. Dabei<br />

ging es nicht nur um zusätzliche<br />

Mittel, wir haben das mit strukturellen Innovationen<br />

verbunden. Im Rahmen der<br />

neuen Genomforschungsinitiative wird es<br />

künftig einen Kernbereich von fünf Forschungszentren<br />

geben. Diese Institute bieten<br />

<strong>die</strong> Basistechnologien an und sollen in<br />

einem Netzwerk eng mit der klinischen<br />

Forschung verbunden werden. Ich finde<br />

gut, dass wir das gemacht<br />

In den 90er Jahren haben, aber in der Methode<br />

ist Deutschland fast der Generierung sind es ei-<br />

zu spät gekommen. 1995 gentlich Umstände, <strong>die</strong> mit<br />

hat der Bund mit dem, was eigentlich Kontext<br />

28 Mio. DM Förderung <strong>für</strong> <strong>die</strong>ser Tagung ist, nur an-<br />

<strong>die</strong> Genomforschung besatzweise etwas zu tun hagonnen.<br />

Heute sind es rd. ben, obwohl das Ergebnis<br />

100 Mio. Dazu kommen sich sehen lassen kann.<br />

in den Jahren 2001 bis In den Fachprogrammen<br />

2003 noch mal des BMBF wird stetig nach<br />

350 Mio. DM aus der Ver- neuen, zukunftsorientierten<br />

steigerung der UMTS-Fre- Themen gesucht. Die Fachquenzen.programme<br />

des BMBF haben<br />

sich in den letzten Jahren<br />

immer mehr zu dynamischen, „lernenden“<br />

Programmen entwickelt, um u.a.<br />

schneller auf immer kürzer werdende Innovationszyklen<br />

reagieren zu können. Am<br />

Beispiel der Nanotechnologie lässt sich<br />

zeigen, wie das BMBF hier vorgeht. Nano-<br />

Vorträge..<br />

54<br />

technologie gilt als Schlüsseltechnologie.<br />

Neue Themen – wie <strong>die</strong> Nanotechnologie<br />

– entwickeln sich in einem evolutionären<br />

Prozess, den man in drei Phasen<br />

unterteilen kann:<br />

• <strong>die</strong> Identifikationsphase<br />

• <strong>die</strong> Bewertungsphase (Pilotphase)<br />

• <strong>die</strong> Phase der Implementierung in das<br />

Portfolio des BMBF: Neue Förderschwerpunkte<br />

und -programme.<br />

Identifikationsphase<br />

Die erste, ständig aktive Phase ist ein breit<br />

angelegtes „Screening“, das das BMBF im<br />

Rahmen von verschiedenen Fachprogrammen<br />

betreibt. Neue, auch technologieorientierte<br />

Themen werden durch Expertengespräche,<br />

Konferenzbesuche,<br />

Patentanalysen und Beobachtung internationaler<br />

Aktivitäten identifiziert. So war<br />

seit Ende der 80er Jahre zu erkennen, dass<br />

man einzelne Atome und Moleküle nicht<br />

nur abbilden, sondern auch gezielt manipulieren<br />

kann. Die Konstruktion mit einzelnen<br />

oder wenigen Atomen und Molekülen<br />

war prinzipiell möglich geworden.<br />

Erste Ideen nahmen Form an, wie man<br />

<strong>die</strong>se neuen Möglichkeiten technisch nutzen<br />

kann. Die Sciencefiction-Visionen von<br />

Erik Drexler von Nano-U-Booten in der<br />

Blutbahn oder Nanomaschinen, <strong>die</strong> Abfälle<br />

bis auf atomare Ebene zerlegen und<br />

wiederverwerten, wurden zwar sogar von<br />

Teilen der Öffentlichkeit wahrgenommen,<br />

riefen aber bei Fachleuten Kopfschütteln<br />

hervor. Die Identifikation der Nanotechnologie<br />

lag auf der Hand, aber es musste<br />

eine Abgrenzung des Gebietes mit seriös<br />

erreichbaren Anwendungsmöglichkeiten<br />

gefunden werden.<br />

In verschiedenen Workshops der Experten<br />

einigten wir uns darauf, unter Nanotechnologie<br />

„<strong>die</strong> Herstellung, Analyse<br />

und Anwendung von Systemen zu verstehen<br />

mit kritischen Strukturen unter


100 nm, bei denen gleichzeitig durch <strong>die</strong><br />

Kleinheit qualitativ neue Phänomene auftreten<br />

und nutzbar sind“.<br />

In verschiedenen Damit hatten wir unser Pro-<br />

Workshops der Exspektionsgebiet abgesteckt.<br />

perten einigten wir uns<br />

darauf, unter Nanotech- Bewertungsphase (Pilotnologie<br />

„<strong>die</strong> Herstellung, phase)<br />

Analyse und Anwendung Die identifizierten Themen<br />

von Systemen zu verste- werden nun bewertet, oft in<br />

hen mit kritischen Form einer Technologie-<br />

Strukturen unter 100 nm, stu<strong>die</strong>. In der Technologies-<br />

bei denen gleichzeitig tu<strong>die</strong> sind folgende Fragen<br />

durch <strong>die</strong> Kleinheit quali- zu beantworten:<br />

tativ neue Phänomene<br />

auftreten und nutzbar • Wie hoch ist der wissen-<br />

sind“. Damit hatten wir schaftliche Neuheitsgrad<br />

unser Prospektionsgebiet zu bewerten? Mit der Na-<br />

abgesteckt.<br />

notechnologie betreten wir<br />

auf vielen Gebieten, wie z.B.<br />

der Nanobiotechnologie oder neuen<br />

Bauelementen der Nanoelektronik, wissenschaftliches<br />

Neuland. Nanotechnologie<br />

ist interdisziplinär zwischen<br />

Biowissenschaften, Physik, Chemie und<br />

Ingenieurwissenschaften angesiedelt. In<br />

der Nanotechnologie wird man z.B. mit<br />

Biomolekülen technische Strukturen<br />

aufbauen. Die Interdisziplinarität stellt<br />

uns vor Herausforderungen, nicht zuletzt<br />

auch in der Ausbildung.<br />

• Welches wirtschaftliche Potenzial<br />

lässt sich quantifizieren und welche<br />

konkreten Produkte und Einsatzgebiete<br />

der Technologie sind möglich?<br />

Am Beispiel der Nanotechnologie konnten<br />

wir einen Weltmarkt in 2001 von<br />

insgesamt 55 Mrd.€ prognostizieren.<br />

Wirtschaftliche Anwendungen sind also<br />

heute bereits schon im beträchtlichen<br />

Umfang realisiert. Dazu zählt insbesondere<br />

<strong>die</strong> Ultrapräzisionsbearbeitung, <strong>die</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Hochpräzisionsoptiken in der<br />

Halbleiterindustrie unerlässlich ist.<br />

• Welche möglichen Einflüsse auf <strong>die</strong><br />

Gesellschaft, z.B. Beitrag zur Nach-<br />

Wolf-Michael Catenhusen..<br />

55<br />

haltigkeit, ethische Fragen gibt es? Im<br />

Hinblick auf <strong>die</strong> Ziele unserer Forschungspolitik,<br />

<strong>die</strong> nachhaltiges Wirtschaften<br />

und Gesundheit <strong>für</strong> <strong>die</strong> Menschen<br />

ganz hoch ansetzen, wurde <strong>die</strong><br />

Nanotechnologie <strong>für</strong> uns besonders<br />

interessant: Sie wird zur Ressourcenschonung<br />

beitragen, verspricht neue<br />

Drug-Delivery-Systeme oder Behandlungsmethoden<br />

in der Medizin, z.B. <strong>die</strong><br />

Hyperthermie unter Nutzung von magnetischen<br />

Nanopartikeln gegen Tumore.<br />

Andererseits müssen wir kritische<br />

Fragen an <strong>die</strong> Nanotechnologie, wie sie<br />

z.B. Bill Joy aufgeworfen hat, berücksichtigen<br />

und – wenn <strong>die</strong>s das Ergebnis<br />

der Diskussion sein sollte – in ethische<br />

Richtlinien <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erforschung und Nutzung<br />

der Nanotechnologie umsetzen.<br />

• Wie ist der Stand von <strong>Wissenschaft</strong><br />

und Anwendung im internationalen<br />

Vergleich zu bewerten und welche<br />

Förderaktivitäten gibt es im Ausland?<br />

Der Nanotechnologie wird weltweit große<br />

Aufmerksamkeit gewidmet. So hat<br />

vor einem Jahr <strong>die</strong> Clinton-Administration<br />

ein mit 500 Mio.$ jährlich dotiertes<br />

Programm zur Förderung der Nanotechnologie<br />

beschlossen.<br />

• Welche Forschungskapazitäten sind<br />

zur Bearbeitung des Themas in<br />

Deutschland vorhanden? Aus den<br />

Ergebnissen der Technologiestu<strong>die</strong> leiten<br />

sich Handlungsempfehlungen <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Förderung und <strong>die</strong> Förderpolitik ab.<br />

Die Handlungsempfehlungen führen im<br />

Fall der Nanotechnologie bereits aus der<br />

Prospektionsphase heraus. Wir haben<br />

eine Initiative zur Förderung der Nanotechnologie<br />

ins Leben gerufen. Der programmübergreifende<br />

Schwerpunkt ist<br />

zurzeit mit 41 Mio.€ Fördersumme<br />

jährlich ausgestattet.<br />

Die Erstellung einer solchen Stu<strong>die</strong> nimmt<br />

typischerweise Monate bis zu einem Jahr


in Anspruch. Diese Zeit möchten wir nicht<br />

verlieren, so dass bei erfolgversprechenden<br />

Themen mit dem Start von Pilotvorhaben<br />

begonnen wird. Ziel der Pilotvorhaben<br />

ist es, bereits frühzeitig das Anwendungspotenzial<br />

einer Technologie auszuloten,<br />

der jeweiligen Fachszene <strong>die</strong> Chance<br />

zu geben, sich zu formieren und <strong>die</strong><br />

Fragen genau zu definieren, <strong>die</strong> anschließende<br />

Forschungsprojekte beantworten<br />

sollten. Im Falle der Nanotechnologie starteten<br />

wir mit Pilotvorhaben in den erfolgversprechendsten<br />

Gebieten (Nanoanalytik,<br />

Nanopartikel, Nanoelektronik und laterale<br />

Strukturierung, ultradünne Schichten<br />

und Ultrapräzisionsbearbeitung).<br />

Phase der Implementierung in das<br />

Portfolio des BMBF: Neue Förderschwerpunkte<br />

und -programme<br />

Pilotförderung wird oft auch als „Frühbeetforschung“<br />

bezeichnet. Wir züchten<br />

neue Pflänzchen an, wissen aber, dass wir<br />

nach der Pilotphase von ein bis zwei Jahren<br />

<strong>die</strong> Pflänzchen pikieren müssen: Nicht<br />

alle Ansätze haben einen erfolgreichen<br />

Verlauf wie z.B. <strong>die</strong> Nanotechnologie. Die<br />

Technologiefrüherkennung<br />

Die Technologie- widmet sich auch vielen Pifrüherkennungwidlotvorhaben,<br />

<strong>die</strong> vielverspremet<br />

sich auch vielen Pichend starten, deren Bedeulotvorhaben,<br />

<strong>die</strong> vielvertung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anwendung<br />

sprechend starten, deren sich dann aber nicht verifi-<br />

Bedeutung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anzieren lässt. Das Risiko,<br />

wendung sich dann aber nicht immer Erfolg zu ha-<br />

nicht verifizieren lässt. ben, gehört zur Forschung<br />

Das Risiko, nicht immer dazu. Viele Themen werden<br />

Erfolg zu haben, gehört nach der Pilotphase einge-<br />

zur Forschung dazu. Viele stellt. Erfolgreiche Pilotpro-<br />

Themen werden nach der jekte werden ausgeweitet<br />

Pilotphase eingestellt. Er- und ggf. als neue Förderfolgreiche<br />

Pilotprojekte schwerpunkte etabliert.<br />

werden ausgeweitet und Die oben beschriebenen<br />

ggf. als neue Förder- Prozesse laufen in enger Abschwerpunkte<br />

etabliert.<br />

stimmung mit der <strong>Wissenschaft</strong><br />

und von Anfang an<br />

Vorträge..<br />

56<br />

mit der Wirtschaft, wobei wir erwarten,<br />

dass <strong>die</strong> finanzielle Beteiligung von Unternehmen<br />

spätestens in <strong>die</strong>ser Phase einsetzt.<br />

Denn wir wollen letztlich zu Innovationen<br />

kommen, und <strong>die</strong>ses Ziel können<br />

wir nur mit der Wirtschaft erreichen.<br />

Die finanzielle Beteiligung der Unternehmen<br />

ist ein zusätzlicher Test <strong>für</strong> <strong>die</strong> wirtschaftliche<br />

Bedeutung der Thematik. An<br />

der Vorbereitung von Förderschwerpunkten<br />

sind jeweils alle betroffenen, gesellschaftlichen<br />

Kräfte beteiligt, insbesondere<br />

sind das Gewerkschaften, Umweltverbände,<br />

Wirtschaft und <strong>Wissenschaft</strong>.<br />

Die Nanotechnologie wurde inzwischen<br />

als strategische, programmübergreifende<br />

Initiative des BMBF etabliert. Neben Verbundforschungsprojekten<br />

unterstützen wir<br />

sechs Kompetenzzentren als Infrastrukturmaßnahmen.<br />

Ziel ist es, Deutschland<br />

zu einem hervorragenden Standort <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Nanotechnologie zu machen und den<br />

Menschen <strong>die</strong> Vorteile <strong>die</strong>ser Zukunftstechnologie<br />

zukommen zu lassen. Die<br />

Kompetenzzentren sollen dabei zu Keimzellen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> wirtschaftliche Umsetzung<br />

der Nanotechnologie werden. Obwohl wir<br />

es mit einer noch sehr jungen Technologie<br />

zu tun haben und obwohl <strong>die</strong> Kompetenzzentren<br />

erst vor zwei Jahren eingerichtet<br />

wurden, können wir mit mehr als<br />

einem Dutzend neu ausgegründeten<br />

Unternehmen zeigen, dass <strong>die</strong> Nanotechnologie<br />

erfolgversprechend startet.<br />

Nach unserer Einschätzung ist das Gebiet<br />

der Nanotechnologie soweit vorangeschritten,<br />

dass das BMBF jetzt an eine erneute<br />

Zusammenfassung aller Aktivitäten<br />

in der Nanoforschung geht und prüft, einen<br />

weiteren Schritt zu machen, um uns<br />

auch hier angesichts der internationalen<br />

Entwicklung neu zu positionieren. Wir<br />

stehen damit in einem Revolving Process,<br />

in dem entschieden werden muss, was wir<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> sehr komplexe Struktur von Nanoforschung<br />

erkennbar machen wollen,


denn: im Haushalt des BMBF sehen Sie<br />

den Begriff „Nanotechnologie“ bis heute<br />

nicht. Die Frage stellt sich, ob es jetzt ein<br />

so eigenständiger Bereich geworden ist,<br />

dass wir ihn auch als eigenen Technologie-<br />

und Förderbereich generieren müssen<br />

und damit einen nächsten Schritt in der<br />

strategischen Aufwertung <strong>die</strong>ses Feldes<br />

gehen.<br />

FUTUR<br />

Wir haben uns dazu entschieden, unserer<br />

Politikgestaltung mit einem neu ausgerichteten<br />

FUTUR-Prozess<br />

FUTUR geht von ge- ein innovatives Instrument<br />

sellschaftlichenBe- hinzuzufügen. FUTUR soll<br />

dürfnissen, Änderungen, uns bei der Identifizierung<br />

Veränderungen, Entwick- neuer Themenschwerpunklungen<br />

aus und soll <strong>die</strong>se te und ggf. auch neuer Prio-<br />

mit Technologien und ritäten unterstützen. FUtechnologischenEntwick-<br />

TUR soll aber auch <strong>die</strong> seit<br />

lungsfäden verknüpfen, einiger Zeit einsetzende<br />

<strong>die</strong> zur Lösung gesell- programmübergreifende inschaftlicherFragestellunhaltliche<br />

Diskussion im<br />

gen beitragen können. BMBF, bei den Projektträgern<br />

und zwischen <strong>die</strong>sen<br />

Partnern unterstützen und damit auch eine<br />

neue Kommunikationskultur in unseren<br />

Organisationen befördern. Die Früherkennung<br />

geht von den oft technologiefixierten<br />

Fachprogrammen aus – das ist<br />

unsere bisherige Situation. Das reicht natürlich<br />

mit Blick auf <strong>die</strong> notwendige breite<br />

Komplexität und <strong>für</strong> viele Fragen, <strong>die</strong><br />

sich aus der Grundlagenforschung heraus<br />

entwickeln, oft nicht aus.<br />

Wir ergänzen deshalb <strong>die</strong>ses Instrumentarium<br />

durch FUTUR. FUTUR geht<br />

von gesellschaftlichen Bedürfnissen, Änderungen,<br />

Veränderungen, Entwicklungen<br />

aus und soll <strong>die</strong>se mit Technologien und<br />

technologischen Entwicklungsfäden verknüpfen,<br />

<strong>die</strong> zur Lösung gesellschaftlicher<br />

Fragestellungen beitragen können. Genau<br />

wie <strong>die</strong> Technologiefrüherkennung soll<br />

FUTUR das BMBF bei der Identifikation<br />

Wolf-Michael Catenhusen..<br />

57<br />

zukünftiger Forschungsthemen unterstützen<br />

und Entscheidungshilfen bei der<br />

strategischen Ausrichtung bereitstellen.<br />

Das BMBF versteht sich dabei als Moderator<br />

zwischen <strong>Wissenschaft</strong>, Gesellschaft<br />

und Wirtschaft. Um <strong>die</strong>ser Moderatorenrolle<br />

gerecht zu werden, muss das BMBF<br />

als Expertensystem gemeinsam mit der<br />

<strong>Wissenschaft</strong> und der Industrie tragfähige<br />

Zukunftsbilder entwickeln und zur Diskussion<br />

stellen.<br />

Im Einzelnen verfolgt FUTUR folgende<br />

Ziele:<br />

Ziel eins: Mit Futur möchten wir Zukunftsszenarien<br />

generieren und zur Diskussion<br />

stellen. Welche Zukunft wünschen<br />

wir uns? Welche Zukunft wird sich<br />

wahrscheinlich aus den heutigen absehbaren<br />

technologischen Entwicklungen ergeben?<br />

Wir wollen <strong>die</strong>s natürlich nicht als<br />

das ganze Leben, <strong>die</strong> ganze Wirklichkeit<br />

umfassenden Prozess anlegen, sondern in<br />

sektoralen Schwerpunkten. Ergebnisse sollen<br />

mögliche, wahrscheinliche oder auch<br />

zukunftswünschbare Zukunftsbilder sein,<br />

<strong>die</strong> der Öffentlichkeit gegenüber <strong>die</strong> strategische<br />

Ausrichtung der Forschungspolitik<br />

transparent und verständlich machen.<br />

Aus den Zukunftsszenarien – das ist unser<br />

zweites Ziel – wollen wir Leitvisionen<br />

generieren, <strong>die</strong> den jeweiligen Bedarf an<br />

Forschung und Entwicklung aufzeigen<br />

und sich zu konkreten Projekten umsetzen<br />

lassen. FUTUR wird damit ein dauernder<br />

Prozess zur Identifikation von Leitvision.<br />

Der Eine oder Andere wird fragen,<br />

was ist eigentlich der Unterschied zu Leitprojekten?<br />

Möglicherweise der Versuch,<br />

durch Leitvisionen den Zeithorizont von<br />

zehn Jahren plus zu berücksichtigen.<br />

Die Öffentlichkeit soll teilhaben<br />

Drittes Ziel: Die Öffentlichkeit soll an <strong>die</strong>sem<br />

Prozess der strategischen Ausrichtung


teilhaben. Wir wollen <strong>die</strong>s also mit Elementen<br />

von Partizipation verbinden. Da<br />

wir den Menschen in den Mittelpunkt unserer<br />

Forschungspolitik stellen, müssen<br />

wir auch Menschen, <strong>die</strong> von Auswirkungen<br />

neuer Technologien be-<br />

Mit entworfenen troffen sind, von vornherein<br />

Zukunftsszenarios in den Prozess der Themen-<br />

können wir dann sicherfindung einbeziehen. Die<br />

lich auch durch Zukunfts- Vergangenheit hat gezeigt,<br />

werkstätten,Konsensus- dass es der falsche Ansatz<br />

konferenzen, Bürgerforen ist, neue Technologien zu<br />

und Ähnliches einen entwickeln und erst dann<br />

Rückkopplungseffekt or- das fertige Produkt der Öfganisieren.fentlichkeit<br />

zu präsentieren<br />

oder gar als staatsfinanziertes<br />

Projektergebnis der Wirtschaft auszuhändigen.<br />

Sie wissen, dass das auch nicht<br />

so einfach ist, ohne sich über <strong>die</strong> Betroffenen<br />

Gedanken zu machen. Ziel ist es, <strong>die</strong><br />

Entscheidung der Forschungspolitik damit<br />

auch transparenter zu machen und <strong>die</strong><br />

Zukunftsaufgeschlossenheit unserer Gesellschaft<br />

zu verstärken.<br />

Viertes Ziel: FUTUR soll im BMBF eine<br />

systematische, programmübergreifende,<br />

damit auch fachübergreifende inhaltliche<br />

Diskussion ermöglichen. FUTUR instrumentalisiert<br />

damit <strong>die</strong> notwendige<br />

Interdisziplinarität. Das bürokratische Argument:<br />

„Passt nicht in ein bestimmtes<br />

Fachprogramm!“, darf es dann bei uns<br />

auch nicht mehr geben. Obwohl wir in<br />

der Vergangenheit schon flexibler waren<br />

als andere Forschungsorganisationen. Im<br />

FUTUR-Prozess werden wir in verschiedenen<br />

Phasen vorgehen. In der Phase der<br />

Identifikation werden wir auf internes und<br />

externes Expertenwissen zurückgreifen.<br />

Identifizierte Themen werden wir sodann<br />

in der Phase der Trendreflexion in einer<br />

breiteren Diskussion strukturieren und<br />

weiter ausarbeiten, und in <strong>die</strong>ser Phase<br />

werden wir neben etablierten Experten<br />

auch junge Trendsetter, darunter verstehen<br />

wir zum Beispiel Nachwuchswissen-<br />

Vorträge..<br />

58<br />

schaftler, junge Unternehmer, möglicherweise<br />

auch Schülerinnen und Schüler, <strong>die</strong><br />

im Bereich „Jugend forscht“ besonders<br />

aufgefallen sind, ein beziehen.<br />

Wir brauchen in <strong>die</strong>sem Prozess <strong>die</strong><br />

Erwartung und Blickfelder verschiedener<br />

Generationen und nicht nur das „gesicherte<br />

Wissen“. Mit entworfenen Zukunftsszenarios<br />

können wir dann sicherlich<br />

auch durch Zukunftswerkstätten,<br />

Konsensuskonferenzen, Bürgerforen und<br />

Ähnliches einen Rückkopplungseffekt organisieren.<br />

Wir wollen uns also nicht nur<br />

auf Expertenkreise zu bestimmten Themen<br />

stützen und dann aus <strong>die</strong>sen Diskussionen<br />

Ergebnisse sichern und aus<br />

solchen Zukunftsszenarien Leitvisionen<br />

formulieren. Die Entscheidung, welche<br />

Leitvisionen Priorität erhalten, kann aber<br />

nur auf einer übergeordneten Ebene getroffen<br />

werden. Eine Priorisierung lässt<br />

sich letztendlich nicht ohne politische<br />

Entscheidung und Schwerpunktsetzung,<br />

manchmal auch Wertorientierung von<br />

Politik, vornehmen, wobei sich in <strong>die</strong>sem<br />

Prozess auch andere Akteure, wie <strong>die</strong><br />

<strong>Wissenschaft</strong> und <strong>die</strong> Wirtschaft mit eigenen<br />

Erwartungen und Priorisierungen<br />

einbringen müssen und können. Zurzeit<br />

sind wir dabei, Partner zu identifizieren,<br />

<strong>die</strong> das BMBF konzeptionell und organisatorisch<br />

im FUTUR-Prozess unterstützen<br />

können.<br />

Neues Instrument Leitvisionen<br />

Ich will noch Einiges zum Begriff der Leitvision<br />

sagen. Leitvisionen sind ein neues<br />

Instrument unserer Forschungspolitik, das<br />

den Ansatz der Leitprojekte konsequent<br />

weiterentwickelt. Leitvisionen haben also<br />

folgende Ziele:<br />

• Bindung von Aktivitäten in strategisch<br />

ausgelegten Forschungsinitiativen,<br />

• Vernetzung von technologieorientier-


ten und problemorientierten Fragestellungen,<br />

• Definition einer auf nachhaltiges Wirtschaften<br />

orientierten Forschungspolitik,<br />

• Aufgreifen von gesellschaftlichen Problemen<br />

• Nachvollziehbarkeit der Fördermaßnahmen<br />

in einer breiten Öffentlichkeit.<br />

• Innovations- und Marktorientierung in<br />

der Forschung.<br />

Das BMBF hat, ohne dass wir öffentlich<br />

groß darüber geredet haben, einen internen<br />

Vorlauf organisiert. Das heißt, wir haben<br />

jetzt ohne den Rückkopplungsprozess<br />

nach Außen, gestützt auf <strong>die</strong> vorhandene<br />

Expertise und auf das Expertensystem<br />

BMBF einen internen Vorlauf organisiert<br />

um zu erkunden, wie fruchtbar der Prozess<br />

ist, d.h. wir haben erste Leitvisionen<br />

in unserem Hause identifiziert. Ich will einige<br />

Beispiele nennen: Das intelligente<br />

Haus wird dem Einen oder Anderen bekannt<br />

vorkommen, denn das ist in Japan<br />

schon Mitte der 90er Jahre diskutiert worden.<br />

Also es ist verworfen worden. Wie gesagt,<br />

das ist nicht neu, das ist nicht innovativ,<br />

das kennen wir eigentlich schon.<br />

Außerdem ist das auch eine Aufgabe der<br />

Industrie, sich Gedanken zu machen, wieviel<br />

Elektronik man in ein Haus hineinpackt.<br />

Dabei kann man eher auf eine<br />

nachfrageorientierte Entwicklung und Dynamik<br />

setzen.<br />

Beim „Sanften Operieren“ sehen wir ein<br />

immer stärkeres Implementieren unterschiedlichster<br />

Technologien. Es ist wahrscheinlich<br />

auf Grund der Komplexität und<br />

der Interdisziplinärität von Forschung<br />

und Technologien her ein spannendes<br />

Feld, bei dem wir es durch ein gezieltes<br />

Zusammenspannen von <strong>Wissenschaft</strong> und<br />

Industrie mit einer über <strong>die</strong> normalen<br />

Produktzyklen weit hinaus gehenden Vision<br />

zu tun haben. Das ist ein Feld, das<br />

wir sozusagen eher unter den Begriff einer<br />

Wolf-Michael Catenhusen..<br />

59<br />

Leitvision fassen können. „Sanftes Operieren“<br />

wird vielleicht auch von Marktsteuerungskräften<br />

zunächst nicht im<br />

Selbstlauf in dem Tempo zu erreichen<br />

sein, wie wir es angesichts der sich vielfältig<br />

abzeichnenden Technologien, <strong>die</strong><br />

wir verknüpfen könnten, vielleicht erhoffen.<br />

Außerdem kann es hier einen besonderen<br />

Grund geben, eine solche Leitvision<br />

dann auch politisch zu bewerten und zu<br />

entscheiden und zu sagen, damit fangen<br />

wir an.<br />

Letzte Bemerkung im Sinne eines Ausblicks:<br />

Ich bin fest überzeugt davon, dass<br />

<strong>die</strong> Etablierung von FUTUR mehrere Jahre<br />

braucht, bis wir einen solchen Prozess<br />

einmal durchlaufen haben und eine Mehrzahl<br />

solcher Visionen generiert wurden<br />

und damit dann zur Frage<br />

einer Priorisierung von For- Ich bin fest überschungspolitik<br />

kommen. zeugt davon, dass<br />

Denn wenn Sie an den <strong>die</strong> Etablierung von<br />

BMBF-Etat von 15 Milliar- FUTUR mehrere Jahre<br />

den DM denken, dann wis- braucht.<br />

sen Sie – <strong>die</strong>se Leitvisionen<br />

bewegen zurzeit nur marginal Prioritätenentscheidungen,<br />

und Sie werden auch erst<br />

dann spannend, wenn das, was wir unter<br />

Leitvision verstehen, auch Ausstrahlung<br />

hat auf <strong>die</strong> Fachprogramme, etwa <strong>die</strong><br />

Fachprogramme, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Technologieentwicklung<br />

voranbringen, <strong>die</strong> Leitvisionen<br />

zu bestimmten Anwendungsperspektiven<br />

verkoppeln können. Dann werden wir natürlich<br />

auch auf <strong>die</strong> spannende Frage<br />

kommen, wie <strong>die</strong> Verknüpfung von projektbezogener<br />

Förderung mit der Frage<br />

der institutionellen Förderung zu gestalten<br />

sein wird.<br />

Ich will deshalb mit einen aktuellen<br />

Satz enden: Unter anderem ist <strong>die</strong> Frage<br />

der programmorientierten Förderung der<br />

HGF-Zentren auch vor dem Hintergrund<br />

zu sehen, dass wir zur strategischen<br />

Überlegung in der Forschungspolitik<br />

kommen müssen, <strong>die</strong> es uns erlaubt, stra-


Unter anderem ist tegische Visionen zu eta-<br />

<strong>die</strong> Frage der problieren, <strong>die</strong> quer zu den<br />

grammorientiertenFör- klassischen Förderprofilen<br />

derung der HGF-Zentren und Förderstrukturen lie-<br />

auch vor dem Hintergen.grund zu sehen, dass wir Weil wir wissen, dass<br />

zur strategischen Überle- prioritäre Entscheidungen<br />

gung in der Forschungs- auf den zum Teil nicht perpolitik<br />

kommen müssen, fekt gehobenen Schatz der<br />

<strong>die</strong> es uns erlaubt, strate- institutionellen Förderung<br />

gische Visionen zu eta- des Bundes ausstrahlen,<br />

blieren, <strong>die</strong> quer zu den und weil wir in der institu-<br />

klassischen Förderprofitionellen Förderung in erlen<br />

und Förderstrukturen heblichem Ausmaß Res-<br />

liegen. sourcen binden, müssen<br />

wir <strong>die</strong> Frage der Priorisierung<br />

auch zu einem gemeinsamen Thema<br />

der Projektförderung und der institutionellen<br />

Förderung machen.<br />

Vorträge..<br />

60<br />

Wolf-Michael Catenhusen<br />

ist Parlamentarischer Staatssekretär<br />

bei der Bundesministerin<br />

<strong>für</strong> Bildung und<br />

Forschung in Berlin.


Zusammenfassung<br />

Die Rolle des Staates in der Hochschulförderung ist<br />

nicht vorrangig ein Vorgeben von Schwerpunkten, sondern<br />

eher ein Reagieren auf Konzepte der Hochschulen.<br />

Dies schließt nicht aus, dass der Staat zielgerichtet vorgeht<br />

und wissenschaftliche Kooperationen über Grenzen<br />

von Arbeitsgruppen und Fachdisziplinen hinweg<br />

oder zukunftsträchtige Technologiebereiche durch zusätzliche<br />

Anreize fördert.Durch strategische wissenschaftliche<br />

Beratung können Forschungskonzepte optimiert<br />

oder untereinander stärker vernetzt , dadurch<br />

der Einsatz von Mitteln effizienter gestaltet werden,<br />

ohne das kreative Forschungspotenzial zu schwächen.<br />

Die Hochschule muss sich in <strong>die</strong>sem Prozess zu profil-<br />

62<br />

bildenden Prioritätensetzungen in der Forschung bekennen<br />

und <strong>die</strong>se auch institutionell verantworten.<br />

Die Zuteilung der Mittel des Landes an <strong>die</strong> Hochschulen<br />

muss leistungsfördernd, qualitätsorientiert und<br />

nicht zuletzt transparent gestaltet werden.<br />

Wie gut <strong>die</strong>ses strategische Wechselspiel zwischen Politik<br />

und <strong>Wissenschaft</strong> gelingt, wird entscheidenden<br />

Einfluss darauf haben, welche Position Deutschland<br />

im globalen Wettbewerb einnehmen wird.


Summary<br />

E. Jürgen Zöllner<br />

Forschungsfinanzierung <strong>für</strong> Hochschulen<br />

durch das jeweilige Landesministerium<br />

geht von einer breiten<br />

Basisförderung aus, an der <strong>die</strong> einzelnen<br />

Forschungsgebiete je nach ihrer fachlichen<br />

Notwendigkeit partizipieren. Diese<br />

Basisförderung stellt den Grundsockel, mit<br />

dem <strong>die</strong> Hochschulen in <strong>die</strong> Lage versetzt<br />

werden, Grundlagenforschung auf breiter<br />

Front zu betreiben und kreative Ideen ihrer<br />

<strong>Wissenschaft</strong>lerinnen und <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

aufzugreifen. Hinzu kommt eine Schwerpunktförderung<br />

derjenigen Forschungsgebiete,<br />

von deren Weiterentwicklung sich<br />

<strong>die</strong> jeweilige Hochschule besonderen Erfolg<br />

verspricht. Die Rolle des Staates ist dabei<br />

nicht vorrangig ein Vorgeben von<br />

Schwerpunkten, sondern eher ein Reagieren<br />

auf Konzepte der aktiven Wissen-<br />

Higher education funding – strategy and planning<br />

In higher education funding, the role of the government<br />

is not primarily that of stipulating priorities but rather<br />

a responding to concepts presented by the higher education<br />

institutions themselves. This does not rule out<br />

the government from acting according to its own objectives<br />

and providing additional incentives to promote<br />

scientific co-operation beyond the boundaries of working<br />

groups and individual disciplines or encourage forward-looking<br />

areas of technology. Strategic scientific<br />

advice can help optimise research concepts or increase<br />

networking among them, making the use of funds<br />

Vorträge..<br />

Hochschulförderung –<br />

Strategie und Planung<br />

63<br />

schaftsgemeinde einer Hochschule. Dies<br />

schließt nicht aus, dass der Staat dabei<br />

zielgerichtet vorgeht und beispielsweise<br />

wissenschaftliche Kooperationen über<br />

Grenzen von Arbeitsgruppen und Fachdisziplinen<br />

hinweg oder besonders zukunftsträchtige<br />

Technologiebereiche durch<br />

Anreize bei der Förderung besonders belohnt.<br />

Ausschlaggebend kann auch sein,<br />

dass durch <strong>die</strong> Bündelung bereits vorhandener<br />

Kompetenzen wichtige neue Forschungsziele<br />

besonders ökonomisch erreicht<br />

werden können.<br />

Die Schwerpunktförderung auf der<br />

Grundlage einer breiten Basisförderung ist<br />

auch entscheidend <strong>für</strong> <strong>die</strong> Profilbildung<br />

der jeweiligen Hochschule im Forschungsbereich.<br />

Das Forschungsprofil<br />

wiederum steuert in hohem Maße <strong>die</strong><br />

more efficient, without weakening creative research potentials.<br />

In this process, higher education has to opt for priorities<br />

in research that will enhance the profiles of institutions,<br />

and the institutions must assume responsibility. Allocation<br />

of funds to the higher education institutions has<br />

to be geared to promoting performance, oriented on<br />

quality and, last but not least, made transparent. The<br />

level of success that this interaction between politics<br />

and science attains is going to have a crucial influence<br />

on the position that Germany can attain in global competition.


Wahrnehmung und das Außenbild einer<br />

Hochschule im Netzwerk von Konkurrenz<br />

und Kooperation zwischen den Hochschulen<br />

und im Verhältnis zu anderen<br />

Forschungseinrichtungen. Die Summe<br />

<strong>die</strong>ser Forschungsprofile ergibt das Profil<br />

der deutschen Forschung im internationalen<br />

Kontext.<br />

Drittmittel sind ein wichtiger Indikator<br />

Drittmittel spielen bei der Schwerpunktförderung<br />

eine besondere Rolle, bilden jedoch<br />

keinesfalls einen Ersatz <strong>für</strong> stabile<br />

Grundfinanzierung. Bei den öffentlichen<br />

Drittmitteln geht eine intensive und sehr<br />

kritische Begutachtung voraus; private<br />

Drittmittel fließen an <strong>die</strong> Stellen, an denen<br />

eine wirtschaftliche Verwertung Erfolg<br />

versprechend scheint. Im Ergebnis ist<br />

damit <strong>die</strong> Einwerbung von Drittmitteln ein<br />

wichtiger Indikator <strong>für</strong> wissenschaftliche<br />

bzw. wirtschaftliche Relevanz und Qualität.<br />

Zurecht stellt Drittmitteleinwerbung daher<br />

innerhalb der Hochschulen eines der Kriterien<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Identikation<br />

Die wachsende Fi- von Forschungsschwerpunknanzautonomie<br />

der ten dar.<br />

Hochschulen und ihre Die wachsende Finanz-<br />

Verantwortung <strong>für</strong> <strong>die</strong> autonomie der Hochschulen<br />

Profilbildung bedingt, und ihre Verantwortung <strong>für</strong><br />

dass sich <strong>die</strong> Hochschulen <strong>die</strong> Profilbildung bedingt,<br />

stärker als bisher auch als dass sich <strong>die</strong> Hochschulen<br />

Forschungsförderorgani- stärker als bisher auch als<br />

sationen verstehen müsForschungsförderorganisasen. Um <strong>die</strong> begrenzten tionen verstehen müssen.<br />

Ressourcen sinnvoll nut- Um <strong>die</strong> begrenzten<br />

zen zu können, müssen Ressourcen sinnvoll nutzen<br />

Aufwand und Ertrag zu können, müssen Auf-<br />

ständig überprüft werwand und Ertrag ständig<br />

den.<br />

überprüft werden. In der<br />

Forschung macht <strong>die</strong>s innerhalb<br />

der Hochschule Entwicklungspläne<br />

notwendig, in denen von der <strong>Wissenschaft</strong><br />

selbst definierte Prioritäten und Posterioritäten<br />

definiert werden.<br />

Vorträge..<br />

64<br />

Die Definition der Forschungsziele kann<br />

in einer strategisch operierenden Hochschule<br />

auch wissenschaftsintern nicht der<br />

Entscheidung Einzelner oder alleine dem<br />

Entscheidungsgefüge universitärer Gremien<br />

überlassen bleiben.<br />

Zielfindung setzt in gewis- Die Ziele einer forsen<br />

Maßen auch <strong>die</strong> in der schungsbezogenen<br />

<strong>Wissenschaft</strong> immer noch Prospektion bestehen<br />

umstrittene „Prospektion keinesfalls in einer Steue-<br />

der Forschung“ voraus. rung des Forschungssys-<br />

Der <strong>Wissenschaft</strong>srat hat tems oder gar in einer<br />

in seinen „Empfehlungen zu breit angelegten For-<br />

einer Prospektion <strong>für</strong> <strong>die</strong> schungsplanung.<br />

Forschung“ <strong>die</strong>sen Fachbegriff<br />

folgendermaßen umschrieben: „Prospektion<br />

künftiger wissenschaftlicher Entwicklungen<br />

ist der Versuch, neue Forschungsaufgaben<br />

und Forschungsfelder<br />

zu identifizieren, deren Bearbeitung dazu<br />

beitragen soll, wissenschaftliche Erkenntnisse<br />

in sich herausbildenden oder bisher<br />

vernachlässigten zukunftsträchtigen Gebieten<br />

zu gewinnen“. Die Ziele einer forschungsbezogenen<br />

Prospektion bestehen<br />

keinesfalls in einer Steuerung des Forschungssystems<br />

oder gar in einer breit angelegten<br />

Forschungsplanung. Im Mittelpunkt<br />

steht vielmehr ein Diskurs über<br />

Entwicklungsperspektiven in Forschung<br />

und Technologie und in der Identifizierung<br />

wissenschaftlicher Potenziale, <strong>die</strong> besonderer<br />

Förderung bedürfen.<br />

Methoden, nach denen unabhängige<br />

<strong>Wissenschaft</strong>lerinnen und <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

aus Hochschulen, außeruniversitären<br />

Forschungseinrichtungen und <strong>für</strong> den<br />

technologischen Bereich auch aus der Industrie<br />

zukunftsträchtige Forschungsgebiete<br />

detektieren, sind bislang noch nicht<br />

in ausreichendem Maße entwickelt. Klarer<br />

lässt sich dagegen <strong>die</strong> einzuschlagende<br />

Richtung definieren. Strategische Forschungsförderung<br />

sollte sich grundsätzlich<br />

auf Zielgebiete richten, <strong>die</strong> wissenschaftlich<br />

besonders viel versprechend


sind. Dies kann zum Beispiel bedeuten,<br />

dass <strong>die</strong> Forschungsgebiete methodisch<br />

besonders innovativ sind, oder Probleme<br />

auf neuartige Weise angegangen werden.<br />

Dies kann auf der anderen Seite bedeuten,<br />

dass Erkenntnisfortschritte nicht auf das<br />

einzelne Fach begrenzt bleiben, oder <strong>die</strong><br />

Verzahnung von Theorie und praktischer<br />

Umsetzung in besonderer Weise fördern.<br />

Wenn in der Forschungsentwicklung<br />

Prospektion in Zukunft eine größere Rolle<br />

spielen soll, wird es auch notwendig sein,<br />

empirische Verfahren der <strong>Wissenschaft</strong>sforschung<br />

zu stärken. Zugleich müssen<br />

auch Erfahrungen gesammelt werden, wie<br />

Output-Kriterien stärker zur Steuerung<br />

von Entscheidungen herangezogen werden<br />

können. Dagegen ist es noch weit gehend<br />

unbestimmt, in welcher Weise förderpolitische<br />

und damit auch finanzielle Konsequenzen<br />

aus prospektiven Analysen und<br />

Stu<strong>die</strong>n gezogen werden sollen.<br />

<strong>Wissenschaft</strong>ler kontra Politiker<br />

Die unterschiedliche Klarheit über Wege<br />

und Zielrichtungen der Prospektion zwischen<br />

<strong>Wissenschaft</strong> und Politik beeinflusst<br />

auch <strong>die</strong> Akzeptanz der Prospektion bei<br />

<strong>Wissenschaft</strong>lern und Politikern. <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

bevorzugen <strong>die</strong> „freie“ Erzeugung<br />

neuen Wissens gegenüber dem eventuell<br />

beschränkten, aber zielgerichteten<br />

Wissen von Prospektionsgremien, auch<br />

wenn <strong>die</strong>se wissenschaftsgeleitet organisiert<br />

sind. Die Politik dagegen steht einer<br />

Langfristorientierung von Forschungsförderung<br />

sehr viel aufgeschlossener gegenüber.<br />

Dies liegt vor allem daran, dass <strong>die</strong><br />

Politik vom deutschen <strong>Wissenschaft</strong>ssystem,<br />

das zu den führenden in der Welt gehört,<br />

einen größeren Beitrag zur Lösung<br />

von Problemen in Wirtschaft, Gesellschaft<br />

und Politik erwartet.<br />

Es ist klar, dass Kreativität in der Forschung<br />

sich nicht durch erhöhte Mittel-<br />

E. Jürgen Zöllner..<br />

65<br />

zuwendung beeinflussen lässt, wohl aber<br />

ihre Entfaltungsmöglichkeiten sich dadurch<br />

verstärken lassen. Auf jeden Fall<br />

können durch strategische wissenschaftliche<br />

Beratung Forschungskonzepte optimiert<br />

oder untereinander stärker vernetzt<br />

werden. Nicht zuletzt könnte durch langfristige<br />

und abgestimmte Forschungskonzeption<br />

der Einsatz von Mitteln effizienter<br />

gestaltet werden, ohne das kreative<br />

Forschungspotenzial zu schwächen.<br />

Dieses durch das Schlagwort Qualitätsmanagement<br />

gekennzeichnete Verfahren<br />

muss <strong>für</strong> <strong>die</strong> einzelnen Forschungsgebiete<br />

verstärkt eingesetzt werden und in noch<br />

höherem Maße in den Hochschulen und<br />

Forschungseinrichtungen. Die Schaffung<br />

von mehr Freiräumen und mehr Eigenverantwortung<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Hochschulen<br />

und Forschungsein- Die Schaffung von<br />

richtungen bei gleichzeitig mehr Freiräumen<br />

verstärktem Wettbewerb er- und mehr Eigenverantfordert<br />

ein konsequentes wortung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Hoch-<br />

Qualitätsmanagement auf alschulen und Forschungslen<br />

Ebenen der Hochschulen einrichtungen bei gleich-<br />

und insbesondere bei der zeitig verstärktem Wett-<br />

Steuerung von Forschungsbewerb erfordert ein konschwerpunkten.<br />

Dabei kann sequentesQualitätsma- niemand besser als <strong>die</strong> Wisnagement auf allen Ebesenschaftlerinnen<br />

und Wisnen der Hochschulen und<br />

senschaftler der Hochschu- insbesondere bei der<br />

len beurteilen, welche Pro- Steuerung von Forjekte<br />

und welche handelnschungsschwerpunkten.den Personen besondere<br />

Förderung ver<strong>die</strong>nen.<br />

Will <strong>die</strong> Hochschule in <strong>die</strong>sem Prozess<br />

wettbewerbsfähig bleiben, setzt <strong>die</strong>s ein<br />

strukturiertes, organisiertes und koordiniertes<br />

Vorgehen voraus und eine Kontrolle<br />

darüber, ob <strong>die</strong> gesteckten Ziele erreicht<br />

wurden und wie gut sie erreicht<br />

wurden. Um Ergebnisse dazu zu erhalten,<br />

hat sich eine Kombination von interner<br />

und externer Evaluation eingespielt. Die<br />

interne Evaluation in den Einrichtungen<br />

selbst <strong>die</strong>nt dazu, mittels Strukturkonzep-


ten, Zielvorgaben und Mittelverteilungen<br />

ein Raster vorzugeben, das nach einer vorher<br />

definierten Zeit überprüft wird. Entschieden<br />

wird dann, ob <strong>die</strong> Ziele erreicht<br />

wurden und ob <strong>die</strong> festgelegten Kriterien<br />

und Rahmenbedingungen den Prozess in<br />

der richtigen Weise gestalteten. Die externe<br />

Evaluation hilft bei der Einordnung der<br />

erreichten Ergebnisse der Forschung in<br />

ein internationales und nationales Umfeld<br />

und ergänzt <strong>die</strong> eigenen Überlegungen<br />

durch übergeordnete Gesichtspunkte.<br />

Die Hochschule muss sich dabei zu<br />

profilbildenden Prioritätensetzungen in<br />

der Forschung bekennen und <strong>die</strong>se auch<br />

institutionell verantworten. Diese Verantwortung<br />

beinhaltet fast alle Aspekte des<br />

Hochschulmanagements, vom Zuschnitt<br />

der Fachbereiche über <strong>die</strong> Gründung und<br />

Auflösung von Forschungsschwerpunkten<br />

über <strong>die</strong> Neuausschreibung von Professuren<br />

bis zur strategischen Zuteilung<br />

von Mitteln und Personal.<br />

Den Hochschulen kann eine solche<br />

langfristige Steuerung nur gelingen, wenn<br />

auch <strong>die</strong> Ressourcenverteilung des jeweiligen<br />

Landes entsprechendes Management<br />

unterstützt. Die Zuteilung der Mittel des<br />

Landes an <strong>die</strong> Hochschu-<br />

Die Hochschule len muss daher leistungs-<br />

muss sich dabei zu fördernd,qualitätsorien- profilbildenden Prioritätiert und nicht zuletzt<br />

tensetzungen in der For- transparent gestaltet werschung<br />

bekennen und den. Nur so erhalten <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong>se auch institutionell Hochschule stabile Rah-<br />

verantworten. menbedingungen, <strong>die</strong> ihnen<br />

auf der einen Seite<br />

Planungssicherheit geben und auf der anderen<br />

Seite Leistung und Qualität belohnen.<br />

Als Beispiel verweise ich – verständlicherweise<br />

– auf <strong>die</strong> Ressourcenverteilungsmodelle<br />

von Rheinland-Pfalz, das als<br />

erstes Bundesland seit 1994 schrittweise<br />

ein Mittel- und Personalbemessungsmodell<br />

sowie in Kürze ein Flächenmanage-<br />

Vorträge..<br />

66<br />

ment eingeführt hat. Die Verteilungskonzepte<br />

gehen von einem fachlich notwendigen<br />

Grundbedarf sowie an einem an<br />

Leistung und Qualität orientierten Zusatzbedarf<br />

aus. Hinzu kommt ein Innovationsanteil,<br />

mit dem <strong>die</strong> Hochschulen<br />

neue Konzepte in Lehre und Forschung<br />

testen und einführen können. Die Koppelung<br />

der staatlichen Zuweisung von<br />

Ressourcen an Leistungskriterien und <strong>die</strong><br />

Vergabe der Mittel im Wettbewerb unter<br />

den rheinland-pfälzischen Hochschulen<br />

schafft Anreize <strong>für</strong> <strong>die</strong> Hochschulen, <strong>die</strong><br />

Methoden ihres Qualitätsmanagements<br />

kontinuierlich zu verbessern. Vor allen<br />

Dingen <strong>die</strong> Rückkoppelung zwischen strategischen<br />

Förderentscheidungen und den<br />

damit erzielten Erfolgen bzw. Misserfolgen<br />

wird über <strong>die</strong> Güte des eigenen Steuerungssystems<br />

mit entscheiden. Der Reiz<br />

des Systems wird dadurch erhöht, dass <strong>die</strong><br />

verfassungsmäßig garantierte inhaltliche<br />

Autonomie der Hochschulen durch eine<br />

Handlungs- und Finanzautonomie ergänzt<br />

wird.<br />

Kreative Unruhe in den Hochschulen<br />

Wichtig in Rheinland-Pfalz war mir dabei,<br />

<strong>die</strong> leistungs- und belastungsorientierte<br />

Ressourcenzuweisung mit den<br />

Hochschulen gemeinsam zu diskutieren.<br />

Die in <strong>die</strong>sem Diskussionsprozess entstandenen<br />

Modelle wurden von den<br />

Hochschulleitungen mitgetragen, auch<br />

wenn <strong>die</strong> Umsetzung im Detail noch erhebliche,<br />

auch kreative Unruhe in den<br />

Hochschulen ausgelöst hat. Die dabei<br />

kontinuierlich entstehenden Erfahrungen<br />

sollen zur Weiterentwicklung des Systems<br />

genutzt werden. Im Forschungsbereich<br />

werden gezielte Förderstrategien im<br />

Mittelpunkt stehen und sich hierbei Methoden<br />

zur Prioritätenfindung und zur<br />

Evaluation auch hochschulintern weiter<br />

entwickeln müssen.


Auch in anderen Ländern der Bundesrepublik<br />

Deutschland sind ähnliche Modelle<br />

oder Überlegungen im Gange. Wie gut<br />

<strong>die</strong>ses strategische Wechselspiel zwischen<br />

Politik und <strong>Wissenschaft</strong> gelingt, wird<br />

entscheidenden Einfluss<br />

Je mehr Deutsch- darauf haben, welche Posiland<br />

sich zu einer tion <strong>die</strong> Bundesrepublik<br />

Wissensgesellschaft um- Deutschland im globalen<br />

gestaltet, umso mehr Wettbewerb einnehmen<br />

muss auch mit gesell- wird. Im Hintergrund steht<br />

schaftlichen Forderungen dabei folgender Kontext: Je<br />

an <strong>die</strong> Ausgestaltung des mehr Deutschland sich zu<br />

Wissens gerechnet wer- einer Wissensgesellschaft<br />

den. umgestaltet, umso mehr<br />

muss auch mit gesellschaftlichen<br />

Forderungen an <strong>die</strong> Ausgestaltung<br />

des Wissens gerechnet werden.<br />

E. Jürgen Zöllner..<br />

67<br />

Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner<br />

ist Staatsminister <strong>für</strong> Bildung,<br />

<strong>Wissenschaft</strong> und Weiterbildung<br />

in Rheinland-Pfalz.


Zusammenfassung<br />

In den 16 Forschungsinstituten der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

<strong>Deutsche</strong>r Forschungszentren werden zurzeit<br />

sechs Forschungsbereiche bearbeitet: Verkehrsund<br />

Weltraumforschung, Energieforschung, Erd- und<br />

Umweltforschung, Gesundheitsforschung, <strong>die</strong> Erforschung<br />

der Struktur der Materie und Schlüsseltechnologien.Durch<br />

<strong>die</strong> jetzt eingeführte programmorientierte<br />

Förderung der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

soll mehr Wettbewerb in das System einfließen.<br />

Die HGF verspricht sich davon folgende Vorteile <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Wissenschaft</strong>ler: mehr Finanzausstattung <strong>für</strong> gute<br />

Gruppen, stärkere Mitgestaltung der Zentrumsstrategie<br />

durch <strong>die</strong> einzelnen <strong>Wissenschaft</strong>ler, bessere<br />

Informationen und Kontakte zu anderen Zentren<br />

68<br />

durch quasi „institutionalisierte“ Zusammenarbeit.Für<br />

<strong>die</strong> einzelnen Zentren erwartet <strong>die</strong> HGF <strong>die</strong> Überjährigkeit<br />

der Mittel und <strong>die</strong> Aufhebung der starren Stellenpläne.<br />

Auf der obersten Linie, den Forschungsbereichen ist<br />

<strong>die</strong> Politik – mit Unterstützung von Beratergremien –<br />

gefordert, Ziele und Strategien zu formulieren.Danach<br />

müssen <strong>die</strong>se Forschungsbereiche in einem Begutachtungs-Prozess<br />

mit Programmen von wissenschaftlicher<br />

Seite gefüllt werden.Es gilt, <strong>die</strong> gesamte Struktur<br />

der Helmholtz-Gemeinschaft <strong>die</strong>sen neuen Verfahren<br />

anzupassen.


Summary<br />

Michael Steiner<br />

In der Helmholtz-Gemeinschaft <strong>Deutsche</strong>r<br />

Forschungszentren sind 16 Forschungsinstitutezusammengeschlossen,<br />

<strong>die</strong> – über <strong>die</strong> Bundesrepublik<br />

Deutschland verteilt – sehr unterschiedliche<br />

Themen und Aufgaben haben. Einige<br />

Zentren sind mit ihrer Forschung relativ<br />

nahe an der Anwendung, andere, wie<br />

zum Beispiel DESY, sind Institutionen der<br />

reinen Grundlagenforschung.<br />

Die Forschungszentren der Helmholtz-<br />

Gemeinschaft (<strong>die</strong> ersten wurden ab 1958<br />

zumeist als Landesinstitute zu ganz bestimmten<br />

Zwecken gegründet) sind aus<br />

den Großforschungszentren der Bundesrepublik<br />

Deutschland hervorgegangen. Ab<br />

1970 haben sie sich in der Arbeitsgemeinschaft<br />

der Großforschungszentren (AGF)<br />

Some structural thoughts on the programme orientation<br />

of the Hermann von Helmholtz Association of<br />

German Research Centres<br />

Six research fields are currently being dealt with at the<br />

16 research institutes of the Hermann von Helmholtz<br />

Association of German Research Centres: transport and<br />

space research, energy research, earth and environmental<br />

research, health research, research into the structure<br />

of matter and cutting-edge technologies. Programmeoriented<br />

funding of the Helmholtz Association, which<br />

is now implemented, is to introduce more competition<br />

into the system.<br />

The HGF is reckoning with the following benefits from<br />

Vorträge..<br />

Programmorientierung der<br />

Helmholtz-Gemeinschaft<br />

69<br />

weiter entwickelt, und es hat sich – bei einigen<br />

Zentren unter Veränderung der Aufgabenstellung<br />

– erste Zusammenarbeit etabliert.<br />

1995 wurde <strong>die</strong> AGF in <strong>die</strong> Hermann<br />

von Helmholtz-Gemeinschaft <strong>Deutsche</strong>r<br />

Forschungszentren (HGF)<br />

umgewandelt. Zurzeit werden in<br />

der HGF sechs Forschungsbereiche<br />

bearbeitet: dazu<br />

gehören Verkehrs- und<br />

Weltraumforschung,<br />

Energieforschung,<br />

Erd- und Umweltforschung,Gesundheitsforschung,<br />

<strong>die</strong> Erforschung<br />

der Struktur<br />

der Materie und<br />

this new approach for its scientists:<br />

more funding for good groups, a greater say for individual<br />

scientists in designing the strategy for the centres,<br />

and better information and contact with other centres<br />

on the basis of quasi “institutionalised” co-operation.<br />

Regarding the individual centres, the HGF expects funds<br />

to be allocated over a period of several years if required<br />

as well as a suspension of rigid staffing schedules.<br />

At the highest levels, the research areas, politics, supported<br />

by advisory bo<strong>die</strong>s, is called upon to formulate<br />

goals and strategies. Subsequently, these research<br />

areas have to be filled with programmes by scientists in<br />

a review process. The aim is to adapt the entire structure<br />

of the Helmholtz Association to these new procedures.


Schlüsseltechnologien. Zukünftig will <strong>die</strong><br />

HGF ihre Programme auf <strong>die</strong>se Gebiete<br />

noch stärker fokussieren.<br />

Die Mission der HGF ist <strong>die</strong> Verfolgung<br />

langfristiger Forschungsziele des Staates,<br />

d.h. <strong>die</strong> mittel- und langfristige Vorsorgeforschung,<br />

und <strong>die</strong> Verpflichtung gegenüber<br />

dem Gemeinwesen und der Gesellschaft.<br />

Zu den Grundaufgaben der Helmholtz-Gemeinschaft<br />

gehört, so wurde es<br />

auch vom <strong>Wissenschaft</strong>srat bestätigt, <strong>die</strong><br />

Entwicklung, der Bau und Betrieb von<br />

Großgeräten <strong>für</strong> <strong>die</strong> wissenschaftliche Infrastruktur.<br />

Es handelt sich hier um Großgeräte,<br />

<strong>die</strong> an einer Universität nicht zu<br />

betreiben sind und <strong>die</strong> insbesondere allen<br />

<strong>Wissenschaft</strong>lern, teilweise sogar der<br />

internationalen Gemeinschaft, zur Nutzung<br />

offen stehen sollen. Weitere wesentliche<br />

Aufgaben sind <strong>die</strong> Durchführung<br />

von Langfristprogrammen von nationaler<br />

und internationaler Bedeutung, <strong>die</strong> Bearbeitung<br />

komplexer wissenschaftlicher und<br />

technischer Fragestellungen, <strong>die</strong> Entwicklung<br />

von Hochtechnologie mit langen<br />

Vorlaufzeiten, <strong>die</strong> Dienstleistungen als<br />

Projektträger und Politikberater, sowie <strong>die</strong><br />

Fortbildung und Qualifizierung der <strong>Wissenschaft</strong>ler.<br />

Abbildung 1: Geplante Struktur der Helmholtz-<br />

Gemeinschaft e.V.<br />

Vorträge..<br />

70<br />

Die Entwicklung der Großforschungszentren<br />

zu einer Helmholtz-Gemeinschaft hat<br />

zu deutlichen Veränderungen im Selbstverständnis<br />

der Institute geführt. Die Institute,<br />

früher stark innenzentriert<br />

und selbstbestimmt Zu den Grundauf-<br />

was ihre Themen betraf, hagaben der Helmben<br />

in den letzten fünf bis holtz-Gemeinschaftge- sieben Jahren in viel stärkehört, so wurde es auch<br />

rem Maße deutliche Ab- vom <strong>Wissenschaft</strong>srat besprachen<br />

in den Programstätigt, <strong>die</strong> Entwicklung,<br />

men getroffen. So wurden der Bau und Betrieb von<br />

beispielsweise mit dem For- Großgeräten <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

schungsVerbundSonnen- wissenschaftliche Infraenergie<br />

(FVS) und dem klistruktur.nisch-biomedizinischen Forschungs-Verbund Möglichkeiten geschaffen,<br />

<strong>die</strong> Aktivitäten auf dem Gebiet<br />

der erneuerbaren Energie bzw. der interdisziplinären<br />

Gesundheitsforschung in der<br />

Helmholtz-Gemeinschaft und anderer<br />

außeruniversitärer Institutionen zu bündeln,<br />

um so eine Absprache der Programme<br />

sowie eine Koordination der beteiligten<br />

Zentren zu organisieren und umzusetzen.<br />

Seit längerem wird nun über eine<br />

weitergehendere Programmorientierung<br />

der Helmholtz-Gemeinschaft diskutiert<br />

und mit dem zuständigen überwiegenden<br />

Zuwendungsgeber, der Bundesrepublik<br />

Deutschland vertreten durch das BMBF,<br />

verhandelt. Einig ist man sich im Prinzip<br />

darüber und <strong>die</strong>s schließt <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

ein, dass durch <strong>die</strong> neuen Strukturen<br />

und <strong>die</strong> programmorientierte Förderung<br />

mehr Wettbewerb in das System<br />

einfließen soll.<br />

Was wird nun unter einer programmorientierten<br />

Förderung verstanden? Die<br />

entscheidende Änderung ist der Wandel<br />

von einer institutionellen Förderung zu<br />

einer Förderung, <strong>die</strong> sich an Programmen,<br />

d.h. an Inhalten orientiert. Im Mittelpunkt<br />

der Förderung werden damit <strong>die</strong> wissenschaftlichen<br />

Fragen stehen.


Die HGF sieht in der programmorientierten<br />

Förderung durchaus Vorteile <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong>ler: mehr Finanzausstattung<br />

<strong>für</strong> gute Gruppen, stärkere Mitgestaltung<br />

der Zentrumsstrategie durch <strong>die</strong><br />

einzelnen <strong>Wissenschaft</strong>ler, bessere Informationen<br />

und Kontakte zu anderen Zentren<br />

durch quasi „institutionalisierte“ Zusammenarbeit.<br />

In ähnlicher Weise erwartet<br />

<strong>die</strong> HGF auch Vorteile in der programmorientierten<br />

Förderung <strong>für</strong> <strong>die</strong> einzelnen<br />

Zentren, so beispielsweise mehr Geld <strong>für</strong><br />

gute Zentren, und als entscheidende<br />

Punkte, <strong>die</strong> Überjährigkeit der Mittel und<br />

<strong>die</strong> Aufhebung der starren Stellenpläne.<br />

Die Zentrenleitungen verbinden mit der<br />

programmorientierten Förderung weiterhin<br />

<strong>die</strong> Hoffnung, leichter auf neue Fragestellungen<br />

eingehen und größere Aktionsmöglichkeiten<br />

zu haben, um z.B. mit<br />

international konkurrenzfähigen Berufungsangeboten<br />

neue Kolleginnen und<br />

Kollegen gewinnen zu können.<br />

Es stellt sich nun <strong>die</strong> Frage, wie <strong>die</strong><br />

Strukturen innerhalb der HGF definiert<br />

werden müssen, damit ein so komplexes<br />

Verfahren wie <strong>die</strong> programmorientierte<br />

Förderung in <strong>die</strong> Realität umgesetzt werden<br />

kann, ohne dass durch Bürokratien erhebliche<br />

Reibungsverluste entstehen. Werden<br />

<strong>die</strong> Forschungsbereiche in einem bottom-up<br />

oder in einem top-down Prozess<br />

definiert?<br />

Programme von unten<br />

Die oberste Linie, <strong>die</strong> Forschungsbereiche,<br />

stellen eine Ebene dar, bei der <strong>die</strong> Politik<br />

– mit Unterstützung von Beratergremien<br />

– entscheidend gefordert ist, Ziele und<br />

Strategien zu formulieren. Nachdem beschlossen<br />

worden ist, welche Forschungsbereiche<br />

<strong>die</strong> Helmholtz-Gemeinschaft bearbeiten<br />

soll, müssen in einem nächsten<br />

Schritt <strong>die</strong>se Forschungsbereiche mit<br />

Programmen von unten, d.h. von der<br />

Michael Steiner..<br />

71<br />

<strong>Wissenschaft</strong>sseite aus, nach wissenschaftsadäquaten<br />

Verfahren mit Inhalten<br />

gefüllt werden.<br />

Zwei Randbedingungen sind dabei zu<br />

beachten: Das jährliche Fördervolumen<br />

der Helmholtz-Gemeinschaft liegt in der<br />

Größenordnung von 4 Milliarden DM und<br />

wissenschaftliche Programme werden<br />

nicht jährlich genehmigt, sondern mittelund<br />

langfristig gefördert. Bei der programmorientierten<br />

Förderung wird an<br />

Zeiträume von drei bis fünf Jahren gedacht.<br />

Die unterschiedlichen Aufgaben der<br />

Forschungsbereiche können auch verschiedene<br />

Förderzeiträume bedingen. Dies<br />

bedeutet <strong>für</strong> den einzelnen Forschungsbereich,<br />

dass <strong>für</strong> einen Zeitraum von 5<br />

Jahren über ein Summe von ca. 3 Milliarden<br />

DM entschieden werden wird. Es besteht<br />

wohl Konsens, dass eine Begutachtung<br />

in <strong>die</strong>sem Umfang nicht auf der Ebene<br />

von Projekten durchführbar ist, sondern<br />

nur auf strategischer Ebene erfolgen<br />

kann.<br />

Abbildung 2: Geplante Struktur der<br />

Helmholtz-Gemeinschaft e.V.<br />

Es wird eine Kombination aus top-down<br />

und bottom-up in dem Sinne angestrebt,<br />

dass der Senat als Leitungsgremium der<br />

Helmholtz-Gemeinschaft mit dem Präsidenten<br />

und <strong>die</strong> Zuwendungsgeber <strong>die</strong> for-


schungspolitischen Vorgaben formulieren,<br />

d.h. Festlegung der Themen und finanziellen<br />

Ausstattung der einzelnen Forschungsbereiche<br />

durch politische Entscheidung.<br />

Im Anschluss daran müssen<br />

<strong>die</strong> Institutionen gemeinsam <strong>die</strong> Programme<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Forschungsbereiche entwickeln<br />

(Strategie und Inhalt). Die <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

der einzelnen Zentren werden<br />

<strong>die</strong>se Programme über ein Begutachtungsverfahren<br />

mit wissenschaftlichen Inhalten<br />

füllen. An einem Programm werden<br />

mehrere Zentren mit jeweils zentrenspezifischen<br />

Programmanteilen beteiligt<br />

sein, was einen nicht unerheblichen Koordinationsbedarf<br />

erfordern wird.<br />

Kriterien der Begutachtung definieren<br />

Wie in der <strong>Wissenschaft</strong> üblich, werden<br />

<strong>die</strong> vorgeschlagenen, über fünf Jahre laufenden<br />

und mit erheblichen Finanzvolumen<br />

ausgestatteten Programme durch<br />

Gutachterkommissionen, eingesetzt durch<br />

den Senat, auf <strong>die</strong>ser sehr hoch aggregierten<br />

Ebene begutachtet werden. Kriterien<br />

und Verfahren <strong>die</strong>ser Begutachtung müssen<br />

noch definiert werden. Diese<br />

Gutachterkommissionen werden dann<br />

Förderempfehlungen aus-<br />

Bisher führte das sprechen. Der Präsident<br />

einzelne HGF-Insti- muss dann aus <strong>die</strong>sen Förtut<br />

jedes Jahr Haushaltsderempfehlungen einen zuverhandlungen<br />

mit den sammenfassenden Vorschlag<br />

Zuwendungsgebern <strong>für</strong> <strong>die</strong> Förderung an den Se-<br />

(Bund und Land) durch, nat erarbeiten, der noch<br />

und der Haushalt wurde Freiräume <strong>für</strong> neue Themen<br />

festgelegt. In dem neuen und damit zukünftige er-<br />

Verfahren wird eine besfolgreiche Programme lässt.<br />

sere Organisation und Im weiteren Verfahrens-<br />

Förderung der wissenschritt wird der Senat (<strong>die</strong><br />

schaftlichen Tätigkeit an- Zuwendungsgeber sind dort<br />

gestrebt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Wissen- vertreten) einen Beschluss<br />

schaftler viel stärker be- zum angemessenen Umfang<br />

teiligt.<br />

der Förderung der Programme<br />

fassen, d.h. eine Emp-<br />

Vorträge..<br />

72<br />

fehlung an <strong>die</strong> Zuwendungsgeber aussprechen,<br />

basierend auf den Empfehlungen<br />

der Gutachter. Dieses Verfahren ist<br />

transparent, und <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

in den Institu- Die Realität wird<br />

tionen werden von Anfang zeigen, ob und wie<br />

an so eingebunden, dass sie <strong>die</strong>se komplexe Struktur<br />

sich mit den Programmen tatsächlich funktioniert.<br />

identifizieren können. Es Weder innerhalb der HGF<br />

stellt außerdem sicher, dass noch beim Ministerium<br />

<strong>die</strong> Forscher, wenn <strong>die</strong> Pro- existieren Erfahrungsgramme<br />

genehmigt sind, in werte <strong>für</strong> <strong>die</strong>ses neue<br />

eigener wissenschaftlicher Verfahren.<br />

Verantwortung das Programm<br />

bzw. <strong>die</strong> Programmanteile bearbeiten<br />

können. Aus <strong>die</strong>ser Eigenverantwortung<br />

erwächst sicher eine große Motivation<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,<br />

ein solches komplexes Verfahren<br />

zu unterstützen und mitzutragen. Bisher<br />

führte das einzelne HGF-Institut jedes<br />

Jahr Haushaltsverhandlungen mit den Zuwendungsgebern<br />

(Bund und Land) durch,<br />

und der Haushalt wurde festgelegt. In dem<br />

neuen Verfahren wird eine bessere Organisation<br />

und Förderung der wissenschaftlichen<br />

Tätigkeit angestrebt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

viel stärker beteiligt. Der formale<br />

letzte Schritt und Abschluss des gesamten<br />

Verfahrens wird durch den Ausschuss<br />

der Zuwendungsgeber erfolgen: <strong>die</strong><br />

Genehmigung der Programme mit der<br />

Festsetzung der Mittelzuweisung.<br />

Es ist offensichtlich, dass <strong>die</strong> gesamte<br />

Struktur der Helmholtz-Gemeinschaft <strong>die</strong>sem<br />

Verfahren angepasst werden muss.<br />

Dieses vornehmlich juristische Problem<br />

wird zu lösen sein. Das Ziel, der wissenschaftliche<br />

Fortschritt und <strong>die</strong> wissenschaftliche<br />

Leistungsfähigkeit und Exzellenz<br />

der Institute, darf dabei nie aus den<br />

Augen verloren werden. Die Realität wird<br />

zeigen, ob und wie <strong>die</strong>se komplexe Struktur<br />

tatsächlich funktioniert. Weder innerhalb<br />

der HGF noch beim Ministerium<br />

existieren Erfahrungswerte <strong>für</strong> <strong>die</strong>ses neue


Verfahren. Anzustreben ist eine enge vertrauensvolle<br />

Zusammenarbeit aller Beteiligter<br />

mit dem Blickwinkel, <strong>die</strong> Kompetenz<br />

und <strong>die</strong> Fähigkeit der <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

in der HGF optimal zu nutzen, damit sie<br />

der Aufgabe, <strong>die</strong> der Staat bzw. <strong>die</strong> Gesellschaft<br />

ihnen gibt, gerecht werden können.<br />

Michael Steiner..<br />

73<br />

Prof. Dr. Michael Steiner<br />

ist wissenschaftlicher<br />

Geschäftsführer am Hahn-<br />

Meitner-Institut in Berlin.


Zusammenfassung<br />

Angesichts der grundlegenden Kulturleistung der<br />

Grundlagenforschung erscheint vor aller Betonung der<br />

Nützlichkeit und Notwendigkeit nur eine Art der Prioritätensetzung<br />

in der Forschungsfinanzierung möglich:<br />

Bevorzugte Unterstützung der besten Forscher<br />

mit den erkenntnisförderlichsten Ideen gleich auf welchem<br />

Wissensgebiet, unter Gewährung größtmöglicher<br />

Freiheit, das Neue zu suchen und zu verwirklichen,<br />

mit kritischer post hoc-Kontrolle dessen, was<br />

ihnen dabei gelungen ist, in vernünftigen Abständen.<br />

Die führenden <strong>Wissenschaft</strong>ler der MPG sind ständig<br />

aufgerufen,Wachstumszonen neuer Forschung zu erkennen<br />

und weltweit zu beobachten, welche Forscherpersönlichkeiten<br />

den Fortschritt besonders erfolgreich<br />

voranzutreiben versprechen.<br />

Da <strong>die</strong> bei der Max-Planck-Gesellschaft(MPG) lang-<br />

74<br />

fristig gesicherte Freiheits- und Ressourcengewährung<br />

an ausgewählte Spitzenwissenschaftler bei allen Chancen<br />

<strong>für</strong> innovative Forschung auch erhebliche Risiken<br />

birgt und entsprechende Risikobegrenzungsmechanismen<br />

erfordert, hat <strong>die</strong> MPG ein Kontrollsystem in<br />

der Form externer Fachbeiräte etabliert und kontinuierlich<br />

leistungsbezogen fortentwickelt.<br />

In dem Wettbewerb zwischen den innovativ führenden<br />

Nationen und Nationenverbünden sind heute wie<br />

künftig <strong>die</strong> knappste Ressource <strong>für</strong> wissenschaftliche<br />

Innovation <strong>die</strong> besten Talente mit den originellsten<br />

und produktivsten Gehirnen.Daher rührt auch der Begriff<br />

des brain-gain, der Kopfjagd.


Hubert Markl<br />

Wer – wie <strong>die</strong> Organisatoren<br />

<strong>die</strong>ses Expertengesprächs –<br />

Prioritäten in der Forschungsfinanzierung<br />

setzen möchte, muss<br />

erstens begründen, warum Forschung<br />

überhaupt aus privaten wie öffentlichen<br />

Mitteln gefördert werden muss, und warum<br />

es zweitens überhaupt dabei der Prioritätensetzung<br />

bedarf. Die Antworten auf<br />

beide Fragen mögen uns zwar selbstverständlich<br />

vorkommen, sie sind dennoch<br />

keineswegs trivial.<br />

Um beim zweiten Punkt zu beginnen:<br />

Wer mit minimalen Mittelbedarf, sozusagen<br />

aus eigenen Kräften, forscht, kann seine<br />

Prioritäten in einer freien Gesellschaft<br />

Vorträge..<br />

Die Planung des<br />

Unplanbaren<br />

Summary<br />

Planning what cannot be planned<br />

In view of the fundamental cultural achievements of<br />

basic research, ahead of any stressing of usefulness and<br />

needs, there seems to be only one possible way to set<br />

priorities in research funding. Preference has to be given<br />

in funding to the best researchers, to those researchers<br />

whose ideas will make a maximum contribution to<br />

insights irrespective of the fields they are working in.<br />

They must be ensured an optimum of freedom to seek<br />

what is new and implement it. Critical post-hoc control<br />

of what they have achieved in doing so ought to occur<br />

at reasonable intervals.<br />

The leading scientists of the Max Planck Society are constantly<br />

called upon to recognise growth zones of new<br />

research and monitor world-wide which research per-<br />

75<br />

selber setzen und braucht <strong>die</strong>s auch vor<br />

niemandem zu begründen. Das mag heute<br />

etwas altmodisch klingen, aber darin<br />

steckt nicht nur <strong>die</strong> Weisheit, dass Bescheidenheit<br />

oft der sicherste Garant von<br />

Freiheit ist – was bekanntlich <strong>die</strong> Kyniker,<br />

allen voran der Tonnen-Ideologe Diogenes<br />

von Sinope, schon lange vor uns wussten.<br />

Wir sollten auch nicht vergessen, dass<br />

in den vergangenen Jahrhunderten wichtige<br />

Grundlagen unseres wissenschaftlichen<br />

Weltbildes von Frauen und Männern<br />

erforscht wurden, <strong>die</strong> <strong>die</strong>s aus eigenen<br />

Mitteln und freien Stücken und niemandem<br />

zu Diensten taten. Selbst heute<br />

hören wir immer wieder von bedeutenden<br />

sonalities promise to make a particularly successful contribution<br />

to scientific advancement.<br />

The MPG’s ensuring of freedom and resources on a longterm<br />

basis for selected scientists who have displayed excellence<br />

also requires appropriate risk-limiting mechanisms<br />

in spite of the opportunities it provides for innovative<br />

research.The MPG has therefore established a system<br />

of control in the shape of external expert advisory<br />

councillors, and has continued to develop it in terms of<br />

its efficiency.<br />

Today and in the future, the scarcest resource for scientific<br />

innovation in competition with the leading nations<br />

and associations of nations in terms of innovation is the<br />

best talent with the most original and productive brains.<br />

This is also where the term brain-gain, or headhunting,<br />

really comes from.


Erkenntnissen und Entdeckungen von<br />

Menschen, <strong>die</strong> da<strong>für</strong> weder Förderanträge<br />

geschrieben, Gutachter<br />

Heute brauchen beeindruckt, Mitarbeiter an-<br />

Forscher im Norgeworben oder Vortragsreimalfall<br />

Mittel – und zwar sen unternommen haben:<br />

reichlich davon – um ihre Sie haben einfach geforscht<br />

Forschungsziele zu ver- und entdeckt und mitgeteilt,<br />

wirklichen, sie müssen was ihnen erforschens-, ent-<br />

mit dem Geld Zweiter deckens- und mitteilenswert<br />

und Dritter arbeiten. erschien. Je älter ich werde,<br />

umso mehr Sympathie und<br />

Achtung habe ich <strong>für</strong> solche Menschen!<br />

Aber selbstverständlich wissen wir, dass<br />

<strong>die</strong>s Idylle oder Vergangenheit oder beides<br />

zugleich ist. Heute brauchen Forscher im<br />

Normalfall Mittel – und zwar reichlich davon<br />

–, um ihre Forschungsziele zu verwirklichen,<br />

mit anderen Worten, sie müssen<br />

mit dem Geld Zweiter und Dritter arbeiten,<br />

der Steuerzahler, von denen sie <strong>die</strong><br />

sogenannten öffentlichen Mittel bekommen<br />

(als seien es nicht höchst private Einkommen,<br />

<strong>die</strong> dem Steuerzahler da<strong>für</strong> von<br />

der öffentlichen Hand abgeknöpft werden!),<br />

oder privater Wirtschaftsunternehmen<br />

oder Stiftungen, <strong>die</strong> Forschung fördern<br />

wollen. Da es das Grundgesetz aller<br />

Ökonomie ist, dass solche Mittel immer<br />

knapper als <strong>die</strong> nach ihnen begehrenden<br />

Bedürfnisse sind, bedarf es somit diskriminierender<br />

Allokationsentscheidungen,<br />

mit anderen Worten der Prioritäten- und<br />

damit unvermeidlich verbunden der Posterioritätensetzung:<br />

Je knapper <strong>die</strong> Mittel<br />

umso schärfer <strong>die</strong>se Auswahl, wenn nicht<br />

– etwa durch Gleichverteilung – alle Forschung<br />

gleich unzureichend gefördert<br />

werden soll.<br />

Und deshalb entgehen wir auch der ersten<br />

Frage nicht, warum Forschung privat<br />

oder öffentlich gefördert werden soll,<br />

denn aus der Antwort auf <strong>die</strong>se Frage<br />

müssen <strong>die</strong> Maßstäbe <strong>für</strong> <strong>die</strong> Prioritätensetzung<br />

folgen. (Der dritten Frage: Wieviel<br />

Förderung? will ich mich am Ende<br />

Vorträge..<br />

76<br />

kurz zuwenden). Auf <strong>die</strong> Frage, warum<br />

wir Forschung fördern, kenne ich eigentlich<br />

nur Antworten von zweierlei Art, <strong>die</strong><br />

sich sehr kurz so zusammenfassen lassen:<br />

Weil das, was sie hervorbringt, nämlich<br />

Erkenntnis, schön und/oder nützlich ist<br />

(oder jedenfalls sein kann). Was übrigens,<br />

da es des Menschen Natur ist, sowohl<br />

nach Schönem als auch nach Nützlichem<br />

zu verlangen, zur Folge hat, dass Forschung<br />

zugleich notwendig, genauer lebensnotwendig<br />

<strong>für</strong> Menschen ist, da unsere<br />

Spezies nicht nur wissensfähig, sondern<br />

auch von Wissen abhängig ist, um<br />

überleben zu können. Und Wissen kommt<br />

eben einmal nur durch angeborene Befähigung<br />

(evolutionsgenetisches Wissen),<br />

durch Belehrung (sogenanntes traditionell-bewährtes,<br />

also „altes Wissen“), eigene<br />

Erfahrung (mehr oder weniger zufällig<br />

und nicht immer zuverlässig erworbene<br />

Kenntnisse) oder durch systematisch und<br />

methodisch geleitete wissenschaftliche<br />

Forschung zustande, <strong>die</strong> uns zu kritisch<br />

geprüftem, „neuem Wissen“ verhilft, aus<br />

dem, wenn es sich in der Praxis anwenden<br />

lässt, auch ökonomisch nutzbare Innovationen<br />

hervorgehen können.<br />

Wunsch nach Erkenntnis ist Selbstzweck<br />

Schön und nützlich: Ich möchte gerade in<br />

unserem Themenzusammenhang beides<br />

gleichrangig betonen. Schön, weil <strong>die</strong> zuverlässige<br />

Erkenntnis der Wirklichkeit,<br />

vulgo „Wahrheit“ genannt, (soweit sie uns<br />

zugänglich ist), den meisten Menschen ein<br />

tiefes Bedürfnis ist, dessen Erfüllung sie<br />

genauso befriedigt, wie Religion, Kunst,<br />

Musik, Literatur als Ausdruck gemeinsam<br />

menschlicher Lebenserfahrung. Deshalb<br />

ist es richtig, darauf zu beharren, dass der<br />

Wunsch nach Erkenntnis <strong>für</strong> den Menschen<br />

Selbstzweck ist, Ausdruck des<br />

Kerns seiner Menschlichkeit und dass <strong>die</strong><br />

meisten Menschen daher bereit sind, so


wie <strong>für</strong> andere Bestandteile ihrer Lebenskultur<br />

auch da<strong>für</strong> <strong>die</strong> Mittel aufzubringen,<br />

dass einige von ihnen, <strong>die</strong> das besonders<br />

gut können und dazu <strong>die</strong> Neigung besitzen,<br />

sich ganz der Erforschung der Wahrheit<br />

und somit dem Erwerb von Wissen<br />

widmen können, so wie sie andere <strong>für</strong><br />

Werke der Musik oder Kunst unterstützen.<br />

Mir liegt sehr daran, <strong>die</strong>se grundlegende<br />

Kulturleistung wissenschaftlicher<br />

Forschung, <strong>die</strong> deshalb auch zu Recht<br />

Grundlagenforschung ge-<br />

Eigentlich erscheint nannt wird, vor aller Beto-<br />

nur eine Art der nung der Nützlichkeit und<br />

Prioritätensetzung in der Notwendigkeit von For-<br />

Forschungsfinanzierung schung hervorzuheben, weil<br />

möglich: Bevorzugte sich dort, wo es in solchem<br />

Unterstützung der be- Sinne um Erkenntnis um ihsten<br />

Forscher mit den errer selbst Willen geht, eikenntnisförderlichstengentlich<br />

nur eine Art der<br />

Ideen – wie immer man Prioritätensetzung in der<br />

sie erkennen mag – Forschungsfinanzierung<br />

gleich auf welchem Wis- möglich erscheint: Bevorsensgebiet,<br />

unter Gewähzugte Unterstützung der berung<br />

größtmöglicher sten Forscher mit den er-<br />

Freiheit, das Neue zu sukenntnisförderlichstenchen und zu verwirk- Ideen – wie immer man sie<br />

lichen, mit kritischer post erkennen mag – gleich auf<br />

hoc-Kontrolle dessen, welchem Wissensgebiet, un-<br />

was ihnen dabei gelunter Gewährung größtmöggen<br />

ist, in vernünftigen licher Freiheit, das Neue zu<br />

Abständen. suchen und zu verwirklichen,<br />

mit kritischer post<br />

hoc-Kontrolle dessen, was ihnen dabei gelungen<br />

ist, in vernünftigen Abständen. Da<br />

alle wahre <strong>Wissenschaft</strong> Erkenntnis nicht<br />

nur <strong>für</strong> den Forscher selbst, sondern <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> gesamte daran anteilnehmende Menschengemeinschaft<br />

suchen muss, ein sozialer<br />

Kommunikationsprozess also, horizontal<br />

in einer gegebenen Forschergeneration<br />

und vertikal zwischen aufeinanderfolgenden<br />

Generationen, ist es völlig angemessen,<br />

<strong>die</strong> Leistungsfähigkeit solchen<br />

Forschens und solcher Forscher post festum<br />

vor allem an zwei Kriterien zu mes-<br />

Hubert Markl..<br />

77<br />

sen: Am Ertrag an qualifizierten wissenschaftlichen<br />

Veröffentlichungen, vorzugsweise<br />

gemessen an deren Wirkung auf das<br />

Denken und Forschen anderer <strong>Wissenschaft</strong>ler,<br />

und am Ertrag an forschungsqualifiziertem<br />

– durch Forschung und <strong>für</strong><br />

Forschung qualifiziertem! – Nachwuchs,<br />

den ein <strong>Wissenschaft</strong>ler herangebildet hat.<br />

Förderung reiner Erkenntnissuche<br />

Diese Art der Forschungsförderung als<br />

Förderung reiner Erkenntnissuche – von<br />

Astrophysik und Kosmogonie bis zu Molekulargenetik,<br />

Ökologie, Materialforschung,<br />

Mathematik, Rechtsgeschichte<br />

oder Kunstwissenschaft – ist das wahre<br />

Hauptaufgabengebiet universitärer und<br />

außeruniversitärer Grundlagenforschung,<br />

wobei sich <strong>die</strong> Letztere von der Ersteren<br />

eigentlich nur durch unterschiedliche Gewichtung<br />

des Anteils an Lehre und Forschung<br />

unterscheidet, also keineswegs<br />

nach Qualität oder Wert der jeweiligen Arbeit!<br />

Die Verfahren, nach denen zum Beispiel<br />

<strong>die</strong> Max-Planck-Gesellschaft dabei<br />

<strong>die</strong> Prioritätsentscheidungen ihrer Forschungsmittelzuteilung<br />

setzt, lassen sich<br />

nach der vorangehend dargestellten Zielvorgabe<br />

solchen Forschens relativ einfach<br />

beschreiben, obwohl <strong>die</strong> Prozesse im Einzelnen<br />

verwickelt, hochgradig interaktiv<br />

und keineswegs immer völlig willkürfrei,<br />

rational und transparent darstellbar sind.<br />

Die führenden <strong>Wissenschaft</strong>ler der<br />

MPG und ihrer Gremien sind ständig aufgerufen<br />

in zweierlei Hinsicht neue Gelegenheiten<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Förderung als innovativ<br />

erkannter Forschungsgebiete zu erkunden:<br />

Indem sie im Bereich ihrer eigenen<br />

Expertise – unterstützt durch Anregung<br />

und Rat von Seiten außenstehender <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

oder anderer Interessenten an<br />

der Forschung – jene Wachstumszonen<br />

neuer Forschung zu erkennen suchen,<br />

von denen nach ihrer Meinung in der Zu-


kunft erhebliche und besonders bedeutsame<br />

Erkenntnisfortschritte zu erwarten<br />

sind, wobei allerdings <strong>die</strong> Ungewissheit<br />

des Urteils mit der Entfernung vom sicheren<br />

Wissenskanon wächst; und indem sie<br />

ständig weltweit beobachten, welche Forscherpersönlichkeiten<br />

solchen Fortschritt<br />

besonders erfolgreich voranzutreiben versprechen<br />

und zugleich zu ermitteln suchen,<br />

ob <strong>die</strong>se <strong>für</strong> eine Arbeit im Stil der<br />

institutsorganisierten außeruniversitären<br />

Max-Planck-Forschung gewinnbar erscheinen.<br />

So geht das jedenfalls im Idealfall<br />

vonstatten.<br />

Gezielte Aktivierungsverfahren<br />

Natürlich genügt es in der Regel nicht,<br />

<strong>die</strong>se Prozesse einfach sich selbst zu überlassen:<br />

Es bedarf gezielter Aktivierungsverfahren,<br />

z. B. durch <strong>die</strong> ausdrückliche<br />

Beauftragung von Suchkommissionen, zumeist<br />

im Zusammenhang mit durch bevorstehende<br />

Pensionierung von Direktoren<br />

freiwerdenden Ressourcen, oder – wie<br />

im Zuge des Neuaufbaus von fast 20 Max-<br />

Planck-Instituten in der ehemaligen DDR<br />

geschehen – durch Inaussichtstellung der<br />

Möglichkeit von Neugründung von Instituten.<br />

Neues Geld, das man selbst sowieso<br />

nicht bekommen kann, beflügelt den Einfallsreichtum!<br />

Selbstverständlich spielen<br />

sich in <strong>die</strong>sen Zusammenhängen auch in<br />

der Max-Planck-Gesellschaft offene oder<br />

verborgene, zumeist vordergründig rein<br />

wissenschaftlich begründete, aber zugleich<br />

auch nicht unerheblich von persönlichen<br />

und disziplinären Interessen geprägte Auseinandersetzungen<br />

um Macht, Einfluss<br />

und Ansehen ab: Gibt es eine direkte fachliche<br />

Nachfolge eines ausscheidenden Direktors?<br />

Wie kann ein Institut seine Forschungs-<br />

und Ressourceninteressen dabei<br />

am besten durchsetzen? Soll tatsächlich<br />

ein Institut <strong>für</strong> ein ganz neues Arbeitsfeld,<br />

vielleicht sogar einer anderen Sektion um-<br />

Vorträge..<br />

78<br />

gewidmet werden, oder soll es da<strong>für</strong> sogar<br />

eine Neugründung geben? Welche Entwicklungen<br />

erlaubt das universitäre und<br />

sonstige Umfeld? Zugleich spielen – zumeist<br />

eher von der Leitungsebene der<br />

MPG zu vertreten – ganz unwissenschaftliche,<br />

aber mitunter doch ziemlich entscheidungsrelevante<br />

wissenschaftsexterne<br />

Argumente eine Rolle: solche der Ressourcenverteilung<br />

zwischen und manchmal<br />

sogar innerhalb von Bundesländern;<br />

solche des notwendigen Investitionsaufwandes<br />

<strong>für</strong> ein bestimmtes Vorhaben; solche<br />

vernünftiger Aufteilung knapper<br />

Mittel über verschiedene Forschungsbereiche<br />

(denn zweifellos könnte allein <strong>die</strong><br />

astronomische Forschung den gesamten<br />

verfügbaren Etat verbrauchen, oder <strong>die</strong><br />

Genomforschung etc.); auch solche internationaler<br />

Interessen und Langfristverpflichtungen.<br />

Solche Diskussionen verlaufen teils satzungsgemäß<br />

wohlgeordnet unter Beobachtung<br />

der Zuständigkeiten der verschiedenen<br />

Organe der Gesellschaft, teils<br />

aber auch informell in zahllosen<br />

Begegnungen und Ge- Neues Geld, das<br />

sprächen, bis sie am Ende in man selbst sowieso<br />

mehr oder weniger endgül- nicht bekommen kann,<br />

tig kristallisierter Form – z. beflügelt den Einfalls-<br />

B. im Senatsausschuss <strong>für</strong> reichtum!Selbstver- Forschungsplanung – abständlich spielen sich in<br />

schließend beraten werden <strong>die</strong>sen Zusammenhän-<br />

und damit zur Freigabe oder gen auch in der Max-<br />

Versagung konkreter Beru- Planck-Gesellschaft offefungsverfahren<br />

führen, über ne oder verborgene, zu-<br />

deren Ergebnis dann der Semeist vordergründig rein<br />

nat entscheidet. Je nach dem wissenschaftlich begrün-<br />

glücklichen Gelingen einer dete, aber zugleich auch<br />

Berufung werden dann ent- nicht unerheblich von<br />

weder, so wie lange vorbe- persönlichen und disziplidacht,<br />

<strong>für</strong> ein oder zwei nären Interessen gepräg-<br />

oder mehr Jahrzehnte binte Auseinandersetzungen<br />

dende, erhebliche Investi- um Macht, Einfluss und<br />

tionsentscheidungengetrof- Ansehen ab.<br />

fen, <strong>die</strong> der MPG ermög-


lichen, auf <strong>die</strong>sen Forschungsgebieten<br />

maßstabsetzende Forschung zu betreiben.<br />

Oder, im Falle des Scheiterns von Berufungen,<br />

kommt es erneut zu fortgeführten,<br />

klärenden Suchprozessen, mitunter<br />

auch zum Abbruch vorher so verlockend<br />

erscheinender Pläne.<br />

Lieber Verzicht als Mittelmaß<br />

Der Begriff des „Harnack-Prinzips“, der<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong>se prospektierende Vorgehensweise<br />

gerne gebraucht wird, ist weit weniger traditionsverhaftet,<br />

als er <strong>für</strong> manche Ohren<br />

klingen mag. Er betont nur in recht prägnanter<br />

Weise, dass es in der Grundlagenforschung<br />

ohne außergewöhnlich leistungsfähige<br />

und ideenreiche Forscherinnen<br />

und Forscher keine Aussicht auf herausragend-innovative<br />

Erfolge gibt, und<br />

dass man daher – insbesondere bei Forschungsgroßinvestitionen<br />

in über Jahrzehnte<br />

kumuliert neunstelliger Höhe –<br />

eher auf <strong>die</strong> Etablierung oder Fortführung<br />

eines Forschungsgebietes oder eines Institutes<br />

verzichten muss, als es unter<br />

mittelmäßiger Leitung zu betreiben. Da in<br />

der Max-Planck-Gesellschaft bestimmungsgemäß<br />

vor allem dort und schwerpunktmäßig<br />

in Forschung investiert werden<br />

soll, wo <strong>die</strong> Möglichkeiten von Universitäten<br />

erheblich überschritten werden,<br />

ergibt sich von selbst, dass bei ihr – aber<br />

ganz ähnlich bei anderen außeruniversitär<br />

forschungsschwerpunktsetzenden Organisationen<br />

– das elitär personenbezogene<br />

„Harnack-Prinzip“ eine größere Rolle<br />

spielen muss, als bei vielen universitären<br />

Berufungen, <strong>die</strong> vor allem auch der Sicherstellung<br />

des Lehrangebotes <strong>die</strong>nen<br />

müssen. Dennoch gilt auch dort, was <strong>die</strong><br />

Abhängigkeit der Forschungserfolge von<br />

der Exzellenz der Forscherinnen und Forscher<br />

angeht mutatis mutandis das Gleiche.<br />

Forscher lassen sich nicht auftürmen:<br />

auch noch so reichlich kumuliertes<br />

Hubert Markl..<br />

79<br />

Mittelmaß leistet dennoch nur Durchschnittliches.<br />

Dass soviel langfristig gesicherte Freiheits-<br />

und Ressourcengewährung an ausgewählte<br />

Spitzenwissenschaftler bei allen<br />

Chancen <strong>für</strong> innovative Forschung<br />

allerdings auch er- Dennoch gilt auch<br />

hebliche Risiken mit sich <strong>für</strong> Universitäten,<br />

bringt und dementsprechen- was <strong>die</strong> Abhängigkeit der<br />

deRisikobegrenzungsme- Forschungserfolge von<br />

chanismen erfordert, kann der Exzellenz der Forsche-<br />

freilich auch nicht überserinnen und Forscher anhen<br />

werden.<br />

geht mutatis mutandis<br />

Das beginnt schon bei das Gleiche. Forscher las-<br />

der Kopfjagd – heute gerne sen sich nicht auftürmen:<br />

als brain-gain verdeutscht, auch noch so reichlich ku-<br />

also bei der Findung berumuliertes Mittelmaß leisfungswürdiger<br />

Frauen und tet dennoch nur Durch-<br />

Männer. Wenn sie, noch allschnittliches.zu jung und unbewährt, zu<br />

schönsten Hoffnungen Anlass geben und<br />

zu sonst nichts, dann kann <strong>die</strong> Berufung<br />

auf Lebenszeit bei einer Fehlentscheidung<br />

sehr lange sehr teuer kommen. Die Alternative<br />

vorläufiger Berufungen – z.B. auf<br />

eine befristete Gruppenleitung – erlaubt<br />

andererseits mitunter nicht nur unzureichende<br />

Entfaltung des Forschungspotenzials,<br />

man drängt <strong>die</strong> Forscher geradezu,<br />

sich alsbald nach grünerer, sicherer Weide<br />

umzusehen. Beruft man andererseits<br />

den zweifelsfrei <strong>für</strong> erbrachte Leistungen<br />

hochrenommierten Forscher, so kommt er<br />

nicht nur, – wenn er überhaupt zu gewinnen<br />

ist –, maßlos teuer zu stehen, es<br />

könnte auch sein, dass hinter dem leuchtenden<br />

Gipfel der Abstieg zum besonnten<br />

Forschungsaltersruhesitz folgt. Also folgt<br />

daraus ganz selbstverständlich <strong>die</strong> Suche<br />

nach der via media, aber wenn es um Ausnahmetalente<br />

geht, ist <strong>die</strong>se selten kommissionssicher<br />

ausgeschildert. Dennoch:<br />

Annähernd 90 Jahre Kaiser-Wilhelm- und<br />

Max-Planck-Gesellschaft haben doch am<br />

Exempel belehrt, dass das stark talentbezogene<br />

Personenprinzip der Prioritäten-


setzung weit überwiegend – nach üblichen<br />

Maßen der Forschungsleistung – recht erfolgreich<br />

war. Als Leitprinzip einer darauf<br />

spezialisierten Forschungsorganisation, <strong>die</strong><br />

nur knapp 5 Prozent der öffentlichen Forschungsinvestitionen<br />

(also etwa 2 Prozent<br />

des gesamten deutschen F&E-Budgets) beansprucht,<br />

dürfte es jedoch neben dem<br />

Wirken von Universitäten, programmorientierten<br />

Forschungszentren diverser<br />

Größe, staatlichen Forschungsanstalten etc.<br />

einen sehr sinnvollen Platz in der Förderung<br />

erkenntnisoffener Spitzenforschung<br />

und damit auch in der Prioritätensetzung<br />

in der Forschungsfinanzierung ausfüllen.<br />

Freilich wäre es nicht richtig und auch<br />

politisch nicht vertretbar, wenn nach solchem<br />

Harnack-Prinzip Forschungserbhöfe<br />

nach Gutsherrenart ent-<br />

Zur gewährten grostünden. Zur gewährten großen<br />

Freiheit der ßen Freiheit der Selbstbe-<br />

Selbstbestimmung von stimmung von Forschungs-<br />

Forschungszielen und zur zielen und zur langfristig<br />

langfristig garantierten garantierten finanziellen<br />

finanziellen Förderung Förderung ohne den Zwang<br />

ohne den Zwang ständi- ständiger Projekt- und<br />

ger Projekt- und Drittmit- Drittmitteljagd, also zum<br />

teljagd, also zum Licht ei- Licht einer in der Tat beneiner<br />

in der Tat beneidensdenswerten Privilegierung,<br />

werten Privilegierung, gehört unabänderlich der<br />

gehört unabänderlich der Schatten regelmäßiger<br />

Schatten regelmäßiger scharfer Leistungsüberprü-<br />

scharfer Leistungsüberfung durch unabhängige<br />

prüfung durch unabhän- Fachleute und <strong>die</strong> konsegige<br />

Fachleute und <strong>die</strong> quent eingesetzte Möglich-<br />

konsequent eingesetzte keit des Entzuges gewährter<br />

Möglichkeit des Entzuges Ressourcen bei als unzurei-<br />

gewährter Ressourcen chend bewerteten For-<br />

bei als unzureichend beschungsergebnissen. Die<br />

wertetenForschungser- Max-Planck-Gesellschaft hat<br />

gebnissen. ein solches Kontrollsystem<br />

in der Form externer Fachbeiräte<br />

seit langem etabliert und in den<br />

vergangenen Jahren kontinuierlich leistungsbezogen<br />

fortentwickelt. Die Knappheit<br />

der verfügbaren Zeit verbietet hier ei-<br />

Vorträge..<br />

80<br />

ne ausführliche Darstellung. Als Resümee<br />

mag genügen: das System arbeitet zwar<br />

noch lange nicht perfekt, aber es arbeitet<br />

nach meiner ziemlich langen Erfahrung in<br />

der Forschungsevaluation qualitätsbewusster<br />

als fast alles, was ich dazu bisher<br />

andernorts kennengelernt habe – Ausnahmen<br />

bestätigen freilich <strong>die</strong> Regel.<br />

Dickenwachstum statt Kolonisation<br />

Ich will auch ein drittes, schweres Risiko<br />

der personenzentrierten Allokation von<br />

Ressourcen nach dem Harnack-Prinzip<br />

nicht übergehen. Es ist das klassische Problem<br />

des „Marktversagens“ durch unzureichende<br />

Information, vor allem durch<br />

fachlich beschränkt überfokussierte Suchprozesse<br />

nach Forschungsgebieten und<br />

Talenten. Ich musste <strong>die</strong>s einmal mehr im<br />

Zusammenhang mit der umfassend angelegten<br />

Perspektivplanung der MPG – Max<br />

Planck 2000 + – enttäuscht zur Kenntnis<br />

nehmen: <strong>die</strong> Suchprozesse nach neuen<br />

Früchten vom Baum der Erkenntnis werden<br />

eben immer am leichtesten nahe am<br />

eigenen Baumstamm fündig! So wachsen<br />

Forschungsgebiete durch selbstbestätigendes<br />

sekundäres Dickenwachstum allemal<br />

leichter als durch kühne Kolonisation<br />

noch unerschlossener Territorien. Zwar<br />

können sich <strong>die</strong> Vorschläge der Vertiefung<br />

und Erweiterung des eigenen Wissensbergwerks<br />

allemal sehen lassen, an Qualitätsbewusstsein<br />

mangelt es dabei nicht,<br />

aber <strong>die</strong> Entdeckungsfreude an dem, was<br />

man selbst nicht schon näher im Auge<br />

hatte, nimmt mit zunehmender Entfernung<br />

vom eigenen Gebiet doch recht<br />

rasch ab – wiederum: Ausnahmen bestätigen<br />

<strong>die</strong> Regel. Verbunden mit selbstbewusster<br />

Beratungsresistenz gegenüber<br />

dem eigenen Gebiet fachfernen Experten<br />

macht <strong>die</strong>s einer solch ehrwürdigen Organisation<br />

den Aufbruch zu neuen Ufern<br />

nicht immer leicht. Allerdings haben <strong>die</strong>


vielen Institutsgründungen in den neuen<br />

Ländern gezeigt, dass außergewöhnliche<br />

Umstände auch außergewöhnliche Kräfte<br />

freisetzen. Hier entstand viel Gutes und<br />

Neues!<br />

Um <strong>die</strong>sen Prozess auch zu normaleren<br />

Zeiten in Gang zu halten, hält <strong>die</strong> MPG<br />

allerdings seit langem und neuerdings vermehrt<br />

eine ganze Reihe stimulierender<br />

Maßnahmen bereit, von befristeten Nachwuchs-,<br />

Forschungs- oder Projektgruppen,<br />

aus denen bei Bewährung neue Institute<br />

erwachsen können, bis zu institutsübergreifenden<br />

Forschungsinitiativen,<br />

Partnerprojekten mit Universitätsgruppen,<br />

International Max Planck Research<br />

Schools usw. Auch <strong>die</strong>s kann hier nur angedeutet<br />

werden.<br />

Soweit gut und schön – aber auch nützlich?<br />

Kann <strong>die</strong> Max-Planck-Gesellschaft<br />

mit <strong>die</strong>sen Methoden talentzentrierter<br />

Forschungspriortiätensetzung denn auch<br />

garantieren, dass all <strong>die</strong> schönen Erkenntnisse,<br />

<strong>die</strong> dabei gewonnen werden, auch<br />

nützliche Erkenntnisse sind, aus denen im<br />

globalen ökonomischen Wettlauf durch<br />

beschleunigte Innovation gesteigerter Gewinn<br />

<strong>für</strong> alle Beteiligten entspringt? Darauf<br />

gibt es verschiedene Antworten.<br />

Patente als reiner Windfall-Profit?<br />

Eine wäre zum Beispiel, dass <strong>die</strong>s gar nicht<br />

das primäre Ziel Max-Planck-gemäßer<br />

Grundlagenforschung sei, weshalb alle<br />

praktisch nutzbaren Entdeckungen, Patente,<br />

Lizenzen, Startup-Firmengründungen<br />

etc. reiner Windfall-Profit sind, positive<br />

externe Effekte, <strong>die</strong> wir, unabsichtlich<br />

gewonnen, einfach dankbar zur Kenntnis<br />

nehmen sollten. Ganz falsch ist das sicher<br />

nicht. Freilich ließe sich an anderen Beispielen<br />

zeigen, dass bei aller Grundlagenhaftigkeit<br />

der Erkenntnissuche auch viele<br />

Chemiker, Physiker, Materialforscher, Molekulargenetiker<br />

usw. der Max-Planck-Ge-<br />

Hubert Markl..<br />

81<br />

sellschaft stets ein waches Auge auf Verwertungsmöglichkeiten<br />

halten, von Garching<br />

Innovation immer hilfreich begleitet,<br />

so dass <strong>die</strong> erkenntnisgeleitete, aber<br />

anwendungsoffene Forschung der MPG<br />

tatsächlich ständig auch praktisch ertragreiche<br />

Früchte bringt. Auch <strong>die</strong>s ließe sich<br />

durchaus mit wachsenden<br />

Zahlen beweisen. Man könn- Um <strong>die</strong>sen Prozess<br />

te auch darauf verweisen, auch zu normaleren<br />

dass sich Max-Planck-For- Zeiten in Gang zu halten,<br />

scher in der Akquisition von hält <strong>die</strong> MPG allerdings<br />

Forschungsaufträgen aus der seit langem und neuer-<br />

Wirtschaft absichtsvoll und dings vermehrt eine gan-<br />

absprachegemäß zurückhalze Reihe stimulierender<br />

ten, damit <strong>die</strong>ser Acker dann Maßnahmen bereit, von<br />

umso erfolgreicher durch <strong>die</strong> befristeten Nachwuchs-,<br />

Fraunhofer-Institute bestellt Forschungs- oder Projekt-<br />

werden kann – auch da<strong>für</strong> gruppen, aus denen bei<br />

gäbe es überzeugende Bei- Bewährung neue Instituspiele.te<br />

erwachsen können, bis<br />

Mir greifen jedoch alle zu institutsübergreifen-<br />

<strong>die</strong>se Antworten auf <strong>die</strong> FradenForschungsinitiatige der Nützlichkeit als Entven, Partnerprojekten mit<br />

scheidungskriterium <strong>für</strong> For- Universitätsgruppen,<br />

schungsprioritäten schon International Max Planck<br />

vom Ansatz her zu kurz,<br />

weil sie nämlich zu rechfer-<br />

Research Schools usw.<br />

tigen scheinen, was meines Erachtens der<br />

Rechtfertigung gar nicht bedarf. Der<br />

Grund da<strong>für</strong> liegt in einer fundamentalen<br />

Wechselbeziehung zwischen dem wissenschaftlich<br />

Schönen und dem wissenschaftlich<br />

Nützlichen: Die Brücke zwischen<br />

beiden Welten bildet nämlich <strong>die</strong><br />

Wahrheit oder wenigstens Wahrheitsnähe<br />

oder, noch weniger hochgestochen gesagt,<br />

<strong>die</strong> Zuverlässigkeit kritisch geprüften wissenschaftlichen<br />

Wissens, <strong>die</strong> zugleich dessen<br />

befriedigende Schönheit ausmacht.<br />

Schön und gut werden sozusagen bei wissenschaftlicher<br />

Erkenntnis deckungsgleich,<br />

fast möchte man von der Kalokagathia<br />

wirklicher <strong>Wissenschaft</strong> sprechen<br />

(was <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anwendung in der Praxis freilich<br />

keineswegs genauso gelten muss).


Denn was freie Erkenntnissuche als richtig<br />

erkennt an der Wirklichkeit, in der wir leben,<br />

ist allein deshalb auch – zumindest<br />

potenziell und tendenziell – anwendbar,<br />

freilich zu Nutzen wie zu Schaden, weil<br />

nur zuverlässiges Wissen zur Nutzung<br />

taugt. Und deshalb ist Grundlagenforschung,<br />

<strong>die</strong> der Suche nach zuverlässiger<br />

Erkenntnis <strong>die</strong>nt, immer zugleich schön<br />

und potenziell nützlich und deshalb auch<br />

<strong>für</strong> uns Menschen lebensnotwendig. Wer<br />

sich daher wissenschaftlich begründetes<br />

Wissen nicht zueigen machen will, stirbt<br />

nicht nur blöde, er könnte auch gerade<br />

deshalb umso schneller und elender sterben,<br />

weil er sich <strong>für</strong> ein Menschenleben<br />

als zu blöde erweist. Natürlich lässt sich<br />

so mancher solcher bornierten Geister<br />

gleichsam sozialschmarotzerisch von denen<br />

mit durchbringen, <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> Mühe<br />

machen, wissenschaftlich begründetes<br />

Wissen zu lernen, zu erforschen und nutzbar<br />

zu machen. Aber der Bandwurm bedeutet<br />

keine Widerlegung der Überlegenheit<br />

seines Wirtes, sondern deren Bestätigung.<br />

Wieviel Forschung brauchen wir?<br />

Wenn daher Forschung – sei es nach reinen<br />

Erkenntnis-, oder sei es nach Nützlichkeitskriterien<br />

priorisiert – so unentbehrlich<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> modernen, globalen, wissenschaftlich-technisch<br />

entwickelten Gesellschaftsformen<br />

des Menschen ist, wieviel<br />

davon brauchen wir? Ist mehr Forschung,<br />

sind mehr Mittel <strong>für</strong> Forschung<br />

automatisch auch besser <strong>für</strong> Kulturniveau<br />

und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit<br />

einer Gesellschaft?<br />

Wo – abgesehen von der Sottise, dass<br />

der Forschungsaufwand einer Gesellschaft<br />

sicher größer als 0 Prozent und kleiner als<br />

100 Prozent ihres Bruttoleistungsprodukts<br />

sein muss – wo sollte der Prioritätszeiger<br />

der Forschungsfinanzierung einer leis-<br />

Vorträge..<br />

82<br />

tungsfähig innovativen und dennoch zugleich<br />

nachhaltig bestandsfähigen Gesellschaft<br />

liegen? Ich kenne keine zwingende<br />

ab initio-Begründung eines solchen Prozentsatzes,<br />

deshalb kann<br />

wohl nur empirisch geleite- Das Forschungssyste<br />

Annäherung helfen. tem muss immer<br />

Eine sehr wirksame Be- versuchen, mit guten<br />

grenzung kommt sicher Gründen, mit besseren<br />

vom Widerstand konkurrie- Gründen, mehr zu verlanrender<br />

Prioritätsinteressen – gen als das, worüber es<br />

vom Sozialsystem, vom Ge- derzeit verfügt, wobei<br />

sundheitssystem, vom Ver- freilich Verlangen und Erteidigungsaufwand,<br />

von langen selten deckungs-<br />

Agrar- und Verkehrssubvengleich sein können.<br />

tionen oder -investitionen<br />

usw. Das heißt nichts anderes, als dass sich<br />

in einer freien, pluralen, demokratisch<br />

verfassten Gesellschaft das Forschungssystem<br />

nur so viele Ressourcen sichern<br />

wird, wie es sie gegen widerstreitende,<br />

starke Gegeninteressen mit überzeugenden<br />

Gründen im täglichen politischen<br />

Meinungsstreit, der überwiegend in den<br />

Me<strong>die</strong>n ausgetragen wird, durchzusetzen<br />

vermag. Deshalb muss das Forschungssystem<br />

immer versuchen, mit guten Gründen,<br />

mit besseren Gründen, mehr zu verlangen<br />

als das, worüber es derzeit verfügt,<br />

wobei freilich Verlangen und Erlangen selten<br />

deckungsgleich sein können.<br />

Ein zweites Argument ist dabei nicht<br />

weniger entscheidend: Der Reichtum oder<br />

<strong>die</strong> Knappheit verfügbarer Forschungstalente.<br />

Man könnte es auf <strong>die</strong> einfache Formel<br />

bringen: solange in einer Gesellschaft<br />

talentierte, motivierte und qualifizierte<br />

<strong>Wissenschaft</strong>lerinnen und <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

ungenutzt bleiben – sei es durch unzureichende<br />

Ausbildung, versagte Förderung<br />

oder, am schlimmsten, Arbeitslosigkeit –<br />

solange ist deren Forschungssystem unterfinanziert.<br />

Noch einfacher und plakativer:<br />

solange <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> Forschungsgemeinschaft<br />

auch hervorragend beurteilte Anträge,<br />

z.B. auf Sonderforschungsbereiche,


aus Geldmangel ablehnen muss, oder solange<br />

<strong>die</strong> Max-Planck-Gesellschaft ihr Potenzial<br />

<strong>für</strong> hervorragende Forschung auf<br />

Grund eines zu engen Budgets nicht voll<br />

ausschöpfen kann, solange besteht aller<br />

Grund <strong>für</strong> mehr Forschungsausgaben und<br />

gegebenenfalls da<strong>für</strong> weniger Erhaltungssubventionen<br />

oder Sozialleistungen <strong>für</strong><br />

nicht wirklich Bedürftige zu kämpfen.<br />

Denn unsere wissenschaftlich-technischen<br />

Talente heute voll zu nutzen sichert auch<br />

<strong>die</strong> Sozialleistungsfähigkeit unserer Gesellschaft<br />

von morgen.<br />

Da<strong>für</strong> spricht vor allem auch ein dritter<br />

Grund, der uns als weiterer Maßstab zur<br />

empirischen Abschätzung angemessenen<br />

Aufwands <strong>für</strong> Forschung und Entwicklung<br />

<strong>die</strong>nen muss. Es ist wie beim Wettlauf:<br />

„watch your closest competitors“,<br />

heute auf Neudeutsch auch Benchmarking<br />

genannt. Wenn Deutschland in <strong>Wissenschaft</strong>,<br />

Forschung und Innovation<br />

auch künftig in der 1. Liga spielen will,<br />

und zwar ganz oben, nicht etwa abstiegsbedroht<br />

am Ende, dann muss es im Wettbewerb<br />

auch mit dem Aufwand an notwendigen<br />

Ressourcen mit-<br />

Wenn Deutschland halten, konkreter gesagt,<br />

in <strong>Wissenschaft</strong>, dann darf der Anteil <strong>für</strong><br />

Forschung und Innova- F&E am Bruttoinlandsprotion<br />

auch künftig in der 1. dukt nicht unter 2,5 Prozent<br />

Liga spielen will, und verharren, dann müssen wir<br />

zwar ganz oben, nicht et- rasch aufschließen zu dewa<br />

abstiegsbedroht am nen, <strong>die</strong> 3 oder sogar mehr<br />

Ende, dann muss es im Prozent des Volkseinkom-<br />

Wettbewerb auch mit mens <strong>für</strong> <strong>die</strong> Sicherung ih-<br />

dem Aufwand an notrer Zukunft aufwenden<br />

wendigen Ressourcen (und natürlich genauso <strong>für</strong><br />

mithalten <strong>die</strong> Bildungsausgaben, <strong>die</strong><br />

notwendig sind, um das<br />

Humankapital <strong>für</strong> den erfolgreichen Einsatz<br />

<strong>die</strong>ses Mittelaufwandes verfügbar zu<br />

haben!). Dies ist auch kein utopisches<br />

oder maßloses Ziel – eben mal so viel wie<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>für</strong> Reisen ins Ausland ausgeben!<br />

Hubert Markl..<br />

83<br />

Fragt man sich aber noch einmal, warum<br />

denn <strong>die</strong>ser Wettbewerb zwischen den innovativ<br />

führenden Nationen und Nationenverbünden<br />

vor allem stattfindet, so<br />

sind wir ganz schnell wieder bei der heute<br />

wie künftig knappsten Ressource <strong>für</strong><br />

wissenschaftliche Innovation: den besten<br />

Talenten mit den orginellsten und produktivsten<br />

Gehirnen: daher reden wir ja<br />

auch von brain-gain, von Kopfjagd. Und<br />

deshalb – und damit schließt sich der<br />

Kreis, ist das Verfahren der Max-Planck-<br />

Gesellschaft, das auf Prioritätensetzung in<br />

der Forschungsfinanzierung vor allem auf<br />

<strong>die</strong> besten Köpfe setzt und <strong>die</strong>se sich dann<br />

so gut ausgestattet und frei wie möglich<br />

in ihrer Forschung entfalten lässt, zwar etwas<br />

altväterlich nach Harnack benannt,<br />

aber heute genauso aktuell wie vor 100<br />

Jahren. Es sieht also wieder einmal fast danach<br />

aus, als ob <strong>die</strong> Einsichten großer<br />

Theologen niemals veralten.<br />

Prof. Dr. Hubert Markl<br />

ist Präsident der Max-Planck-<br />

Gesellschaft zur Förderung<br />

der <strong>Wissenschaft</strong>en e.V.in<br />

München.


Winfried Schulze<br />

Abschließend sollten wir uns<br />

noch einmal darüber Gedanken<br />

machen, warum wir das<br />

Forschungssystem unseres Landes eigentlich<br />

kritisch unter <strong>die</strong> Lupe nehmen. Wir<br />

tun das nicht, um es schlecht zu machen,<br />

sondern wir tun es nach dem alten Prinzip<br />

der römischen Kirche: ecclesia est semper<br />

reformanda, nichts ist so gut, dass es<br />

nicht noch verbessert werden könnte. Ich<br />

habe <strong>die</strong> Erfahrung gemacht, dass wir in<br />

<strong>die</strong>sem Punkt durchaus von der Industrie<br />

lernen können, <strong>die</strong> ständige Audit-Verfahren<br />

in ihre Arbeit integriert hat. Das<br />

scheint mir ein wesentlicher Fortschritt zu<br />

sein.<br />

Ich möchte noch etwas zu den Gründen<br />

sagen, warum wir über Prospektion<br />

nachdenken. Die Gründe reichen vom<br />

Problem der richtigen Allokation der<br />

Mittel – und das gilt <strong>für</strong> Steuergelder ebenso<br />

wie <strong>für</strong> <strong>die</strong> von Unternehmenseignern<br />

und Shareholdern – bis hin zu dem neuen<br />

Status oder, wie manche sagen, dem neuen<br />

Modus der <strong>Wissenschaft</strong>, in dem der<br />

alte Gegensatz von Grundlagenforschung<br />

und angewandter Forschung aufgehoben<br />

ist. Die gesteigerten Erwartungen an <strong>die</strong><br />

<strong>Wissenschaft</strong> implizieren nicht nur eine<br />

Rechenschaftspflicht, der mit vermehrten<br />

Evaluationen nachzukommen ist, sondern<br />

mehr als bisher auch <strong>die</strong> Verpflichtung,<br />

vorausschauend zu handeln. Die Planungseuphorie<br />

gehört der Vergangenheit<br />

an, aber das entbindet uns nicht von der<br />

Verantwortung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Folgen unserer Entscheidungen.<br />

Wir sind gut beraten, alles<br />

zu tun, um sie möglichst rational vorzubereiten.<br />

Schlussfolgerungen..<br />

Schlussfolgerungen<br />

84<br />

Wichtig war <strong>für</strong> <strong>die</strong> Tagung ein gewisser<br />

Paradigmenwechsel in der Verwendung<br />

der Begriffe. Wir haben erstens gesprochen<br />

von „<strong>Foresight</strong>“-Unternehmungen, <strong>die</strong><br />

sich jetzt – gerade im Rückgriff auf das<br />

englische und das schwedische Beispiel<br />

kann ich das sagen – gleichsam als gesellschaftliche<br />

Kommunikationsprozesse erwiesen<br />

haben. Dies war, so glaube ich, insgesamt<br />

ein neuer Eindruck, der sich noch<br />

verstärkt, wenn man auf <strong>die</strong> europäischen<br />

Bemühungen hinweist. Es gibt ja neben<br />

dem „FUTUR“-Projekt der deutschen<br />

Bundesregierung ein „Futures“-Projekt<br />

der Europäischen Union, wo im Grunde<br />

genommen ähnliche Überlegungen entwickelt<br />

werden. Ausgangspunkt war auch<br />

hier, wie im schwedischen Beispiel, <strong>die</strong><br />

Frage, welche wissenschaftlich-technischen<br />

Entwicklungen in den nächsten<br />

zehn, fünfzehn Jahren besonders weitreichende<br />

gesellschaftliche Folgen haben<br />

werden. Darum noch einmal: Der Blick<br />

nach Europa ist notwendig.<br />

Zweitens gibt es den Begriff der Prospektion,<br />

den ich lieber verwende, weil er<br />

eine Orientierung an vorhandenen Lagerstätten<br />

impliziert und damit jeden Verdacht<br />

von Forschungsplanung<br />

auch begrifflich von Es gibt neben dem<br />

sich weist. Das ist eine wich- „FUTUR“-Projekt<br />

tige Perspektive, <strong>die</strong> auch der deutschen Bundesre-<br />

<strong>die</strong> Empfehlungen des Wisgierung ein „FUTURES“senschaftsrats<br />

zu <strong>die</strong>sen Projekt der Europäischen<br />

Dingen immer begleitet hat. Union, wo im Grunde ge-<br />

Drittens schließlich der nommen ähnliche Über-<br />

Begriff der Prioritätensetlegungen entwickelt werzung,<br />

der <strong>für</strong> mich unverden.zichtbar ist, weil wir uns un-


ter den obwaltenden finanziellen Zwängen<br />

gut überlegen müssen, in welchen Bereichen<br />

wir unser Geld ein-<br />

Ein wichtiges Thesetzen. Schließlich müssen<br />

ma, das immer wie- wir mit unseren Entscheider<br />

berührt wurde, war dungen irgendwann vor<br />

<strong>die</strong> zunehmend engere dem bestehen, was ich ein-<br />

Koppelung zwischen Wismal einen wissenschaftsenschaft,<br />

Wirtschaft, Polichen Rechnungshof nenlitik<br />

und dem gesellnen möchte. Keine Prioritäschaftlichen<br />

Umfeld. ten zu setzen und so Spitzenleistungen<br />

in allen Bereichen<br />

gleichmäßig zu verhindern, wäre <strong>die</strong><br />

schlechteste aller denkbaren Alternativen.<br />

Das sollten wir immer im Kopf behalten.<br />

Wichtig ist bei <strong>die</strong>sen Überlegungen ein<br />

differenzierter Zugriff; <strong>die</strong> Vorgänge in<br />

Deutschland, in Frankreich und in England<br />

müssen anders gewertet werden als<br />

<strong>die</strong> in den nachholenden Ländern Europas.<br />

Ich habe das gestern schon einmal betont<br />

und kann das hier ganz kurz halten.<br />

Ich weise auf <strong>die</strong> europäische Perspektive<br />

hin, <strong>die</strong> uns meines Erachtens auferlegt,<br />

dass wir unsere Bemühungen künftig<br />

noch deutlicher als bisher bewusst in Europa<br />

verorten müssen. Wir sehen ja durchaus,<br />

dass in einzelnen Bereichen <strong>die</strong> gemeinsame<br />

europäische Ressourcenbündelung<br />

schon Erfolg gehabt hat. Der Bereich<br />

der Luftfahrtindustrie in unserem Land ist<br />

ein gutes Beispiel da<strong>für</strong>, dort sind <strong>die</strong> Dinge<br />

schon so gelaufen, wie wir es uns in anderen<br />

Bereichen noch vorstellen können.<br />

Insofern müssen wir uns auf <strong>die</strong>ses neue<br />

System vorbereiten.<br />

Ein wichtiges Thema, das immer wieder<br />

berührt wurde, war <strong>die</strong> zunehmend<br />

engere Koppelung zwischen <strong>Wissenschaft</strong>,<br />

Wirtschaft, Politik und dem gesellschaftlichen<br />

Umfeld. <strong>Foresight</strong>- oder Prospektionsverfahren<br />

können dazu beitragen,<br />

den Informationsfluss über <strong>die</strong> Grenzen<br />

<strong>die</strong>ser Systeme hinweg transparenter und<br />

effizienter zu machen. Im Bereich der<br />

Wirtschaft scheint mir wichtig zu sein,<br />

Winfried Schulze..<br />

85<br />

dass <strong>die</strong> Kooperationsformen von <strong>Wissenschaft</strong><br />

und Wirtschaft neu definiert<br />

werden müssen. Wir verfügen noch nicht<br />

über angemessene und hinreichend überzeugende<br />

Verfahren der Repräsentation<br />

wirtschaftlicher Bedürfnisse im gesamten<br />

Forschungsprozess. Das scheint mir ein<br />

entscheidender Punkt zu sein, der einmal<br />

genauer diskutiert werden müsste. Aufgrund<br />

der globalen Konkurrenz ist <strong>die</strong>s<br />

ein Thema, an dem man überhaupt nicht<br />

vorbeikommt.<br />

Die Politik hat unübersehbaren Bedarf<br />

an Beratung. Nicht nur Bedarf an einer Beratung,<br />

<strong>die</strong> gewissermaßen technische<br />

Feinheiten klärt, sondern vor allen Dingen<br />

an Beratung, <strong>die</strong> sie bei der Themengenerierung<br />

unterstützt. Wir sollten nicht<br />

erwarten, dass uns Ministerien – und seien<br />

sie noch so gut besetzt – <strong>die</strong>se Aufgabe abnehmen<br />

können. Wir müssen ein Verfahren<br />

finden, in dem Themen aus der <strong>Wissenschaft</strong><br />

in <strong>die</strong> politische Entscheidungsebene<br />

einfließen. Ein dicht gewobenes<br />

Netz zwischen <strong>Wissenschaft</strong> und Politik<br />

hilft auch, <strong>die</strong> Akzeptanz politischer Entscheidungen<br />

in der <strong>Wissenschaft</strong> zu erhöhen<br />

und beugt unnötigen Frontstellungen<br />

vor.<br />

Akzeptanz in der Gesellschaft<br />

Schließlich <strong>die</strong> Gesellschaft: Als <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />

kämpfen wir um Akzeptanz, insofern<br />

glaube ich ist <strong>die</strong> Diskussion, <strong>die</strong><br />

wir in <strong>die</strong>sem neuen Rahmen führen – also<br />

<strong>Foresight</strong> im oben definierten Sinn –<br />

ganz wichtig, weil wir auf <strong>die</strong>se Art erreichen<br />

können, dass <strong>die</strong> Gesellschaft einerseits<br />

besser versteht, was <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

unternimmt, andererseits mehr Vertrauen<br />

darein gewinnt, dass <strong>Wissenschaft</strong>ler offen<br />

sind da<strong>für</strong>, über gesellschaftlich wichtige<br />

Probleme nachzudenken und ihre<br />

Kompetenz zu ihrer Lösung einzusetzen.<br />

So wird <strong>die</strong> Gesellschaft auch eher bereit


sein, das notwendige Geld <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

zur Verfügung zu stellen. Eine<br />

Konsequenz daraus ist: Wir müssen da<strong>für</strong><br />

sorgen, dass es eine hinrei-<br />

Deutschland muss chend komplexe, aber trans-<br />

auf <strong>die</strong>ser Ebene parente Debatte über Prio-<br />

handlungsfähig werden, ritäten der Forschung gibt.<br />

muss sich an der Diskus- Wir können das auf eine<br />

sion über künftige For- Weise tun, wie es Winfried<br />

schungsrichtungenbetei- Benz vorgeschlagen hat, unligen<br />

und seine eigenen ter Leitung einer Kommis-<br />

Kompetenzen einbringen. sion im Sinne der Empfehlungen<br />

des <strong>Wissenschaft</strong>srats<br />

zu einer Prospektion <strong>für</strong> <strong>die</strong> Forschung.<br />

Wir müssen <strong>die</strong>se Debatte aber<br />

mit sehr sorgfältigen Querschnittsanalysen<br />

dessen, was bei uns schon längst gemacht<br />

wird, unterfüttern. Wir müssen<br />

wissen, wo sind <strong>die</strong> Stärken und wo sind<br />

<strong>die</strong> Schwächen, und das kann nur so gehen,<br />

wie wir es im <strong>Wissenschaft</strong>srat bereits<br />

mit der Materialforschung oder mit<br />

der Energieforschung gemacht haben, wo<br />

ja meines Erachtens doch sehr verlässliche<br />

Informationen über den Stand der<br />

Dinge herausgekommen sind.<br />

Noch einmal: Die europäische Blickrichtung<br />

muss einbezogen werden. Ich gehe<br />

davon aus, dass der europäische Forschungsraum<br />

vorausschauende Schwerpunktsetzungen<br />

in dem eben genannten<br />

Sinne notwendig macht. Deutschland<br />

muss auf <strong>die</strong>ser Ebene handlungsfähig<br />

werden, muss sich an der Diskussion über<br />

künftige Forschungsrichtungen beteiligen<br />

und seine eigenen Kompetenzen einbringen,<br />

selbst wenn <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong> im Moment<br />

mehr dazu neigt, das Geld überwiegend<br />

„zu Hause“ abzuholen. Ich glaube,<br />

wir müssen auf <strong>die</strong>se Dinge reagieren, andere<br />

tun das sehr viel besser, und wir wären<br />

gut beraten, wenn wir uns strategisch<br />

darauf einstellen würden.<br />

Eine letzte Bemerkung: Ich würde keinen<br />

Gegensatz konstruieren zwischen der<br />

Rolle von bedeutenden Persönlichkeiten<br />

Schlussfolgerungen..<br />

86<br />

im Prozess der wissenschaftlich fun<strong>die</strong>rten<br />

Prioritätensetzung, ob sie nun Althoff,<br />

Schmidt-Ott, Leo Brand oder Maier-Leibnitz<br />

heißen, und den geregelten Strukturen<br />

der Forschungspolitik. Wir müssen<br />

jedoch <strong>für</strong> Verfahren sorgen, <strong>die</strong> sicherstellen,<br />

dass <strong>die</strong> Dinge auch dann im richtigen<br />

Rhythmus weitergehen, wenn große<br />

Persönlichkeiten fehlen, selbst unter den<br />

Bedingungen der modernen, interessengesteuerten<br />

Entscheidungsverfahren, wie<br />

sie im europäischen Bereich eine zunehmende<br />

Rolle spielen. Das heißt, wir sollten<br />

nicht das akzeptierte System der Peer Review<br />

als Steuerungselement der Forschung<br />

gegen <strong>die</strong> großen Persönlichkeiten<br />

ausspielen, auch wenn das Peer Review<br />

Verfahren mit Schwächen behaftet<br />

ist. Dies wäre eine gefährliche Alternative.<br />

Professor Dr. Winfried Schulze,<br />

Universität München, war bis<br />

Januar 2001 Vorsitzender des<br />

<strong>Wissenschaft</strong>srats in Köln.


Winfried Schulze<br />

Conclusions<br />

What do we intend to achieve<br />

with a critical review of our<br />

country’s research system? The<br />

exercise is not aimed at denigrating the system.<br />

Rather, we are performing it according<br />

to the old principle of the Roman Church: ecclesia<br />

est semper reformanda – nothing is so<br />

good that it cannot be further improved. In<br />

my experience, we can still learn a lot from<br />

industry in this respect. Industry has integrated<br />

auditing procedures on a continuous<br />

into its activities, which I believe represents<br />

a significant step forward.<br />

The reasons for our reflections range from<br />

the problem of allocating funds properly –<br />

and this applies both to tax money and to the<br />

funds provided by company owners and shareholders<br />

– to the new status or, as some would<br />

have it, the new mode of science, in<br />

which the old distinction between basic and<br />

applied research has been overcome. Not only<br />

do increased expectations regarding science<br />

imply accountability, but, to a greater degree<br />

than hitherto, they also demand that activities<br />

take the future into account. Even<br />

though planning euphoria is a thing of the<br />

past, this does not relieve us of the responsibility<br />

for the consequences of the decisions<br />

we take. We are well advised to do everything<br />

to ensure that they are prepared with<br />

an optimum of rationality.<br />

Paradigm shift concerning the terms used<br />

What was important for the meeting was a<br />

certain paradigm shift concerning the terms<br />

used. First, we spoke of foresight ventures<br />

that have proved to be communication processes,<br />

a characteristic that can be claimed<br />

Winfried Schulze..<br />

87<br />

in particular with a view to the English and<br />

the Swedish examples. All in all, this was a<br />

new impression that is further strengthened<br />

once European efforts are referred to. In addition<br />

to the German Federal Government’s<br />

“FUTUR” Project, there is a “Futures” project<br />

of the European Union in which similar<br />

considerations have been developed. Just like<br />

in the Swedish example, the question here<br />

was what scientific/technological developments<br />

are going to have particularly<br />

far-reaching societal Not establishing any<br />

consequences over the next priorities and thus<br />

ten to fifteen years. Once preventing peak perfor-<br />

again, the need for keeping mance in all areas simul-<br />

Europe in mind needs to be taneously would be the<br />

stressed.<br />

worst of any conceivable<br />

Second, there is the term of alternatives.<br />

prospecting, which I prefer to<br />

use because it implies an orientation on existing<br />

deposits, thereby ruling out any suspicion<br />

of research planning from a conceptual<br />

angle. This is an important perspective that<br />

has also always accompanied the recommendations<br />

of the Science Council concerning<br />

these issues.<br />

Third, there is the term of establishing<br />

priorities, which I regard as indispensable<br />

since we have to carefully consider in which<br />

areas we intend to invest our money, given<br />

the current financial constraints. Finally, at<br />

some point, we will have to answer for our<br />

decisions at what I would like to call a scientific<br />

audit office. Not establishing any priorities<br />

and thus preventing peak performance<br />

in all areas simultaneously would be the<br />

worst of any conceivable alternatives. This<br />

is something we must always be aware of.<br />

What is important in these considerations is


a differentiated approach. Developments in<br />

Germany, France and the United Kingdom<br />

have to be assessed differently<br />

Developments in from those in the countries<br />

Germany, France catching up in Europe.<br />

and the United Kingdom The European perspective<br />

have to be assessed diffe- requires that we focus our efrently<br />

from those in the forts even more consciously<br />

countries catching up in on Europe. It is certainly ap-<br />

Europe. parent that joint European<br />

concentration of resources has<br />

been successful. One good example of this in<br />

our own country is the area of airline industry.<br />

So we have to prepare ourselves for this<br />

new system.<br />

The increasingly close links between<br />

science, industry, politics and the societal environment<br />

were an important topic in our<br />

discussion. <strong>Foresight</strong> or prospecting methods<br />

can contribute to making the flow of information<br />

beyond the boundaries of these systems<br />

more transparent and efficient. In the<br />

field of industry, I think it is important that<br />

the forms of co-operation between science<br />

and industry be redefined. As yet, we do not<br />

have at our disposal appropriate and sufficiently<br />

convincing methods of representing<br />

economic requirements throughout the entire<br />

research process. This ought to be more intensively<br />

discussed at some stage. With a<br />

view to global competition, it is a topic that<br />

one can by no means afford to ignore.<br />

A network between science and politics<br />

Politics has an immense demand for advisory<br />

activities. And this demand is not merely<br />

restricted to consultation on technical details<br />

but above all encompasses consultation supporting<br />

politics in generating topics. We<br />

should not expect ministries to relieve us of<br />

this burden, no matter how well staffed they<br />

may be. We must find a method that will<br />

enable topics from science to flow into the level<br />

of political decision-making. A tightly<br />

woven network between science and politics<br />

Conclusions..<br />

88<br />

will also help achieve a greater acceptance<br />

of political decisions on the part of science<br />

and prevent unnecessary confrontations.<br />

And finally, there is society. As scientists,<br />

we are struggling for acceptance. So our discussion<br />

– foresight in the sense defined above<br />

– is of considerable importance since this<br />

is a way to achieve a better understanding<br />

in society of what science is actually doing<br />

and, on the other hand, to ensure that society<br />

will gain more trust in scientists being<br />

open to reflect on important societal problems<br />

and willing to provide their expertise<br />

to solve them. Thus society will also be more<br />

willing to make the necessary funds available<br />

to science.<br />

One of the consequences this implies is<br />

that we have to see to it that a sufficiently<br />

complex but nevertheless transparent debate<br />

on research priorities is maintained. We can<br />

run such a debate under the<br />

leadership of a commission in One of the conse-<br />

the sense of the recommendaquences this implies<br />

tions issued by the Science is that we have to see to it<br />

Council on prospecting in re- that a sufficiently comsearch.<br />

However, we must plex but nevertheless<br />

back up this debate with very transparent debate on re-<br />

thorough cross-section analysearch priorities is mainses<br />

of what has long been in tained.<br />

progress in Germany already.<br />

We have to know where our weaknesses and<br />

strengths are. And this can only be achieved<br />

in the way that it already has been in materials<br />

science or energy research, where highly<br />

reliable information on the status quo has<br />

been obtained.<br />

Once again, I would like to stress that the<br />

European perspective needs to be included.<br />

In my opinion, the European research region<br />

necessitates a forward-looking establishment<br />

of priorities in the above-mentioned sense.<br />

Germany has to become capable of acting at<br />

this level and has to participate in the debate<br />

on future research fields and provide its<br />

own expertise, even if scientists currently have<br />

the tendency to fetch most of their money


“at home”. We have to respond to these<br />

things. Others are much better at accomplishing<br />

this, and we would be well advised to<br />

strategically adjust ourselves to this aspect.<br />

A dangerous alternative<br />

I believe it is unwise to confront the roles of<br />

important personalities such as Althoff,<br />

Schmidt-Ott, Leo Brand or Maier-Leibnitz<br />

in the process of the scientifically based establishment<br />

of priorities with controlled<br />

structures in research policy. However, we<br />

have to see to it that procedures are in place<br />

which ensure that things will also carry on in<br />

the right rhythm in the absence of eminent<br />

personalities, even under the conditions of<br />

the modern, interest-guided decision-making<br />

procedures that are playing an increasingly<br />

important role in the European region. We<br />

should not pit the well-accepted system of<br />

peer review as an instrument of control in research<br />

against the eminent personalities, regardless<br />

of the weaknesses the peer review<br />

procedure may have. This would be a dangerous<br />

alternative.<br />

Winfried Schulze..<br />

89<br />

Prof. Dr. Winfried Schulze,<br />

University of Munich, has been<br />

chairman of the Science Council,<br />

Cologne, until January 2001.


Teilnehmer<br />

Aufderheide, Dr. Enno<br />

<strong>Wissenschaft</strong>srat Köln<br />

Benz, Dr. jur. Winfried<br />

Generalsekretär<br />

<strong>Wissenschaft</strong>srat Köln<br />

Büchting, Dr. Andreas J.<br />

Sprecher des Vorstands<br />

KWS Saat AG Einbeck<br />

Catenhusen,Wolf-Michael<br />

Parlamentarischer Staatssekretär<br />

bei der Bundesministerin<br />

<strong>für</strong> Bildung und Forschung, Berlin<br />

Dietz, Dr. Volkmar<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und<br />

Forschung, Berlin<br />

Einhäupl, Professor Dr. Karl Max<br />

Vorsitzender des <strong>Wissenschaft</strong>srates<br />

Humboldt-Universität zu Berlin<br />

Erker, Dr. Paul<br />

Ludwig-Maximilians-Universität,<br />

München<br />

Henkel, Dr. Robert<br />

Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Industrie e.V., Berlin<br />

Höfer, Dr. Heinrich<br />

Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Industrie e.V., Berlin<br />

Imbusch, Dr. Alexander<br />

Leiter der Hauptabteilung Forschung und<br />

Kommunikation Fraunhofer-Gesellschaft<br />

zur Förderung der angewandten Forschung<br />

e.V., München<br />

Anhang..<br />

90<br />

Keenan, Dr. Michael<br />

PREST, University of Manchester,<br />

Manchester<br />

Kirchhoff, Jochen<br />

<strong>Deutsche</strong>s Museum München<br />

Kreklau, Dr. Carsten<br />

Mitglied der Hauptgeschäftsführung<br />

Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Industrie e.V., Berlin<br />

Landfried, Professor Dr. Klaus<br />

Präsident der Hochschulrektorenkonferenz,<br />

Bonn<br />

Lange, Dr. Rainer<br />

<strong>Wissenschaft</strong>srat, Köln<br />

Löser, Dr. Dr. Reinhard<br />

Senior Manager Research Policy<br />

DaimlerChrysler AG, Stuttgart<br />

Lübeck, Dr. Lennart<br />

Kungl. Ingenjörsvetenskapsakademien<br />

(IVA), Stockholm<br />

Markl, Professor Dr. Hubert<br />

Präsident der Max-Planck-Gesellschaft zur<br />

Förderung der <strong>Wissenschaft</strong>en e.V.,<br />

München<br />

Mielenhausen, Professor Dr. Erhard<br />

Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz,<br />

Präsident Fachhochschule<br />

Osnabrück<br />

Oetker, Dr. Arend<br />

Präsident des<br />

<strong>Stifterverband</strong>es<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, Essen


Ostrop, Dominique<br />

<strong>Stifterverband</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, Essen<br />

Pobell, Professor Dr. Frank<br />

Präsident der<br />

<strong>Wissenschaft</strong>sgemeinschaft<br />

Gottfried Wilhelm Leibniz e.V., Bonn<br />

Quirin, Dr. Michael<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung<br />

und Forschung, Bonn<br />

Radlanski, Dr. Heide<br />

Programm-Managerin des <strong>Stifterverband</strong>es<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, Essen<br />

Rohe, Dr. Wolfgang<br />

<strong>Deutsche</strong> Forschungsgemeinschaft, Bonn<br />

Schipanski, Professor Dr. Dagmar<br />

Ministerin <strong>für</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, Forschung<br />

und Kunst Thüringen, Erfurt<br />

Schneider, Dr. Jörg<br />

Geschäftsführer der <strong>Wissenschaft</strong>sgemeinschaft<br />

Gottfried Wilhelm Leibniz e.V.,<br />

Bonn<br />

Schneider, Gabriele<br />

Dipl.-Übersetzerin, Simultan-Dolmetscherin<br />

<strong>für</strong> Herrn Keenan<br />

Schulze, Professor Dr. Winfried<br />

Universität München<br />

Steiner, Professor Dr. Michael<br />

<strong>Wissenschaft</strong>licher Geschäftsführer<br />

Hahn-Meitner-Institut, Berlin<br />

Anhang..<br />

91<br />

Strittmatter, Dr. Günther<br />

KWS Saat AG, Einbeck<br />

Trischler, Professor Dr. Helmuth<br />

Forschungsinstitut des <strong>Deutsche</strong>n<br />

Museums, München<br />

Uhlhorn, Dr. Christian D.<br />

Ministerialdirigent des Bundesministeriums<br />

<strong>für</strong> Bildung<br />

und Forschung, Berlin<br />

Vöhringer, Professor Klaus-Dieter<br />

Mitglied des Vorstands der<br />

DaimlerChrysler AG, Stuttgart<br />

Warnecke, Professor Dr. Hans-Jürgen<br />

Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft<br />

zur Förderung der angewandten<br />

Forschung e.V., München<br />

Winter, Dr. Ekkehard<br />

Mitglied der Geschäftsleitung<br />

<strong>Stifterverband</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, Essen<br />

Zöllner, Professor Dr. Jürgen<br />

Staatsminister <strong>für</strong> Bildung,<br />

<strong>Wissenschaft</strong> und Weiterbildung<br />

Rheinland-Pfalz, Mainz


Anhang..<br />

Bilder aus der Forschung<br />

Wir danken der VolkswagenStiftung <strong>für</strong> <strong>die</strong> freundliche Unterstützung bei<br />

der Bebilderung. Die Abbildungen am Beginn der Vorträge stammen aus<br />

dem Band „Ansichten •Einsichten •Modelle“, den <strong>die</strong> VolkswagenStiftung im<br />

Jahre 1998 herausgegeben hat.<br />

Spektrogramm eines Laserstrahlschweißprozesses Titelbild<br />

(Prof.Dr.-Ing.M.Geiger, Lehrstuhl <strong>für</strong> Fertigungstechnologie,<br />

Universität Erlangen-Nürnberg)<br />

Musterbildung bei Oxidation Seite 18<br />

(Prof.Dr.G.Ertl, Dr.S.Nettesheim, PD Dr.H.H.Rotermund,<br />

Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin)<br />

Tiefer Blick ins Universum Seite 24<br />

(Aufnahme: K.Jäger; Universitäts-Sternwarte Göttingen)<br />

Gleitverhalten und Aggregation von Myxobakterien Seite 38<br />

(Dr.A.Stevens, Institut <strong>für</strong> Angewandte Mathematik,<br />

Universität Heidelberg)<br />

Chemische Spiralwelle Seite 48<br />

(Prof.Dr.S.Müller, Abt.Biophysik, Institut <strong>für</strong> Experimentelle Physik,<br />

Universität Magdeburg; Dr.T.Plesser, Abt.Biomathematik, Max-Planck-<br />

Institut <strong>für</strong> molekulare Physiologie, Dortmund; Prof.Dr.M.Orban, Institut<br />

<strong>für</strong> Anorganische und Analytische Chemie, Universität Budapest)<br />

Nichtlineare Dynamik komplexer Systeme Seite 62<br />

(PD Dr.M.Markus, Max-Planck-Institut <strong>für</strong> molekulare Physiologie,<br />

Dortmund und Prof.Dr.B.Hess, Max-Planck-Institut <strong>für</strong> medizinische<br />

Forschung, Heidelberg)<br />

Symbiose von Bakterien und Leguminosen Seite 68<br />

(Aufnahme: B.Boesten; Prof.Dr.U.Priefer, Institut <strong>für</strong> Botanik, Ökologie<br />

des Bodens, RWTH Aachen)<br />

Ortung neuronaler Aktivität Seite 74<br />

(Prof.Dr.T.Elbert, Dr.O.Steinsträter, C.Robert, M.A.,<br />

PD Dr.B.Lütkenhöner, Dr.C.Wienbruch; Fachgruppe Psychologie,<br />

Universität Konstanz)<br />

92

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!