Foresight - Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
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<strong>Foresight</strong><br />
Prioritätensetzung in der<br />
Forschungsfinanzierung
<strong>Stifterverband</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
<strong>Foresight</strong><br />
Prioritätensetzung in der<br />
Forschungsfinanzierung<br />
Dokumentation des Expertengesprächs am 8./9. Februar 2001 in Potsdam
Herausgeber<br />
<strong>Stifterverband</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong> e. V.<br />
Barkhovenallee 1<br />
45239 Essen<br />
Tel.: (02 01) 84 01-0<br />
Fax: (02 01) 84 01-3 01<br />
E-Mail: mail@stifterverband.de<br />
Internet: www.stifterverband.de<br />
Verantwortlich<br />
Dr. Angela Lindner<br />
Redaktion<br />
Dr. Heide Radlanski<br />
Michael Sonnabend M. A.<br />
Fotoredaktion<br />
Cornelia Herting<br />
Optische Konzeption und Layout<br />
GESTALTmanufaktur GmbH,<br />
Westenhellweg 52, 44137 Dortmund<br />
Litho und Druck<br />
Laupenmühlen Druck GmbH & Co. KG,<br />
Hüttenstraße 3-9, 44795 Bochum<br />
Fotos<br />
David Ausserhofer (S. 6/7, 17, 21, 23, 37, 47, 60, 67, 73, 83),<br />
VolkswagenStiftung (S. Titel, 18, 24, 38, 48, 62, 68, 74)<br />
Alle Rechte, auch <strong>die</strong> des Nachdrucks von Auszügen,<br />
der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.<br />
© 2002, <strong>Stifterverband</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, Essen
Inhalt<br />
Einleitung<br />
Überblick<br />
Vorträge<br />
Anhang<br />
Inhaltsverzeichnis..<br />
Arend Oetker<br />
Kartografie der <strong>Wissenschaft</strong> Seite 4<br />
Cartography of sciences Seite 5<br />
Ekkehard Winter<br />
Generalangriff auf <strong>die</strong> Zaunkönige Seite 6<br />
Time to take down the gates Seite 13<br />
Winfried Schulze<br />
Einführung Seite 19<br />
Introduction Seite 22<br />
Helmuth Trischler<br />
„<strong>Foresight</strong>“ aus der Retrospektive Seite 25<br />
Klaus-Dieter Vöhringer<br />
Von der Prospektion zur Ressourcenallokation Seite 39<br />
Wolf-Michael Catenhusen<br />
Prioritätensetzung in der Forschungsförderung Seite 49<br />
Jürgen Zöllner<br />
Hochschulförderung zwischen Strategie und Planung Seite 63<br />
Michael Steiner<br />
Programmorientierung der Helmholtz-Gemeinschaft Seite 69<br />
Hubert Markl<br />
Die Planung des Unplanbaren Seite 75<br />
Winfried Schulze<br />
Schlussfolgerungen Seite 84<br />
Conclusions Seite 87<br />
Teilnehmer Seite 90<br />
Bilder aus der Forschung Seite 92<br />
3
Arend Oetker<br />
Einleitung..<br />
Kartografie der <strong>Wissenschaft</strong><br />
Prioritätensetzung in der Forschungsfinanzierung“<br />
haben <strong>Stifterverband</strong>,<br />
Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n Industrie<br />
und <strong>Wissenschaft</strong>srat ganz nüchtern das Expertengespräch<br />
benannt, zu dem sie Politiker<br />
aus Bund und Ländern, Präsidenten der <strong>Wissenschaft</strong>sorganisationen<br />
und Forschungsvorstände<br />
deutscher Unternehmen nach Potsdam<br />
eingeladen hatten.<br />
Dabei ging es um nicht weniger als <strong>die</strong> Frage,<br />
wie strategische Weichenstellungen in den Bereichen<br />
Forschung und Technologie in Deutschland<br />
vorbereitet und vollzogen werden. Gerade<br />
in Deutschland sitzen schlechte Erfahrungen<br />
mit planwirtschaftlichen Vorgaben tief. Deshalb<br />
kann nicht oft genug betont werden, dass es sich<br />
bei den verschiedenen organisierten „<strong>Foresight</strong>“-Verfahren,<br />
<strong>die</strong> seit den 90er Jahren von<br />
den USA und Japan vor allem in Europa übernommen<br />
wurden, um einen Prozess handelt<br />
und nicht um eine Vorhersagetechnik.<br />
Dieser Prozess bewegt sich in dem Spannungsfeld<br />
von gesellschaftlicher Konsensbildung,<br />
Politikberatung und Prioritätensetzung<br />
in Politik, <strong>Wissenschaft</strong> und Wirtschaft. Der<br />
vorliegende Band dokumentiert eine Auswahl<br />
der Potsdamer Vorträge, um <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />
Sicht- und Vorgehensweisen von Politik,<br />
<strong>Wissenschaft</strong> und Wirtschaft, aber auch <strong>die</strong> Bindeglieder<br />
herauszustellen: Denn nur gemeinsam<br />
wird es gelingen, zukunftsfähige Strategien zu<br />
entwickeln. Die Einbeziehung der Wirtschaft in<br />
<strong>die</strong>sen Austausch war dem <strong>Stifterverband</strong> ein<br />
besonderes Anliegen: <strong>Wissenschaft</strong> und Wirtschaft<br />
müssen künftig verstärkt zusammenarbeiten,<br />
um international konkurrenzfähig zu<br />
bleiben.<br />
Unverändert gilt: Die Kraft der Innovation<br />
kann man nicht befehlen oder auch nur vor-<br />
4<br />
hersagen. So konzentriert man sich gerne auch<br />
auf <strong>die</strong> Rolle, <strong>die</strong> der <strong>Foresight</strong>-Prozess <strong>für</strong> eine<br />
Kartografie der <strong>Wissenschaft</strong> selbst spielt. Immer<br />
wieder wurde auf <strong>die</strong> „5 Cs“ rekurriert, <strong>die</strong><br />
der Brite Ben Martin aus den Erfahrungen in<br />
Großbritannien als „process benefits“ bezeichnet<br />
hat:<br />
• Communication<br />
• Concentration on the longer term<br />
• Co-ordination<br />
• Consensus<br />
• Commitment.<br />
Trotzdem sollten wir uns nicht mit einem Austausch<br />
über <strong>die</strong> unterschiedlichen Verfahren<br />
und strukturierten Kommunikationen innerhalb<br />
Deutschlands und in Europa zufrieden geben,<br />
nach der Devise „Der Weg ist das Ziel.“ Das Augenmerk<br />
muss vielmehr auf dem dritten C, der<br />
Koordination, liegen. Wie lassen sich nationale<br />
und europäische Prozesse in ihren Ergebnissen<br />
zusammenführen und in einer klareren Kompetenzzuweisung<br />
wenigstens teilweise umsetzen?<br />
Wie kann eine Zusammenarbeit zwischen<br />
<strong>Wissenschaft</strong> und Wirtschaft in <strong>die</strong>sem Bereich<br />
aussehen? Das sind <strong>die</strong> Fragen, denen der <strong>Stifterverband</strong><br />
in einem nächsten Schritt nachgehen<br />
möchte.<br />
Dr. Arend Oetker<br />
Präsident des <strong>Stifterverband</strong>es
Arend Oetker<br />
Arend xxx.. Oetker..<br />
Cartography of sciences<br />
Setting priorities in research funding” is the<br />
straightforward title that the <strong>Stifterverband</strong>,<br />
the Confederation of German Industry and<br />
the Science Council gave the round of talks to<br />
which they invited the responsible politicians at<br />
Land and Federal level, the presidents of the science<br />
organisations and the research boards of German<br />
companies to Potsdam<br />
Nothing less was at stake than the issue as to<br />
how strategic decisions in the fields of research and<br />
technology in Germany could be prepared and implemented.<br />
In Germany in particular, there is deeply-rooted<br />
bad experience with provisions made by<br />
planned economies. Therefore, it cannot be stressed<br />
often enough that the various types of organised<br />
foresight procedures that have been adopted by<br />
the USA and Japan and, above all, Europe since<br />
the nineties, are processes, and not methods of forecasting.<br />
A process of this kind progresses in the area of<br />
conflict involving the formulation of a consensus<br />
in society, political consultation and prioritising<br />
in politics, science and industry. This documentation<br />
presents a selection of the Potsdam lectures to<br />
illustrate the various views and approaches of politics,<br />
science and industry, but also to highlight<br />
common links, for we will only succeed in developing<br />
forward-looking and viable strategies if we<br />
really join forces. Integrating industry into this exchange<br />
of views has been a special matter of concern<br />
to the <strong>Stifterverband</strong>, for science and industry<br />
are going to have to co-operate in order to remain<br />
competitive at international level.<br />
What continues to hold is that the force of innovation<br />
will not simply turn up to order. Neither<br />
can it be predicted. This is why preference is given<br />
to focusing on the role that the foresight process<br />
plays for a cartography of science itself. Again and<br />
again, reference was made to the “5 Cs” that the<br />
5<br />
Briton Ben Martin has called “process benefits”<br />
with regard to experience made in the United Kingdom:<br />
• communication<br />
• concentration on the longer term<br />
• co-ordination<br />
• consensus<br />
• commitment.<br />
Nevertheless, we should not be satisfied with a mere<br />
exchange of views on the various methods and<br />
structured communication within Germany and<br />
Europe as if this were an end in its own right. Rather,<br />
the focus ought to be on the third C, co-ordination.<br />
How can the results of national and European<br />
processes be combined and, at least partly, be<br />
implemented on the basis of a more straightforward<br />
allocation of responsibilities? What could cooperation<br />
between science and industry look like in<br />
this area? These are the questions that the <strong>Stifterverband</strong><br />
would like to explore in a further step.<br />
Dr. Arend Oetker<br />
President of the <strong>Stifterverband</strong>
Ekkehard Winter<br />
Hermann Josef Abs, langjähriger<br />
Vorstandssprecher der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bank, hat einmal gesagt,<br />
Prognosen seien wie Straßenlaternen <strong>für</strong><br />
einen Betrunkenen. „Sie <strong>die</strong>nen nicht unbedingt<br />
der Erleuchtung, aber man kann<br />
sich an ihnen festhalten.“ Dies ist eine gute<br />
Beschreibung <strong>für</strong> <strong>die</strong> skeptische Haltung<br />
vieler Teilnehmer des Expertengesprächs<br />
„Prioritätensetzung in der Forschungsfinanzierung“,<br />
zu dem <strong>Stifterverband</strong>, <strong>Wissenschaft</strong>srat<br />
und Bundesverband der<br />
<strong>Deutsche</strong>n Industrie nach Potsdam ins<br />
Überblick..<br />
Generalangriff auf <strong>die</strong><br />
Zaunkönige<br />
6<br />
Schloss Cecilienhof eingeladen hatten. Es<br />
ging den Veranstaltern dabei weniger um<br />
eine detaillierte Methodendiskussion als<br />
um Auswirkungen von Prospektionsverfahren<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Prioritätensetzung in Politik,<br />
Wirtschaft und <strong>Wissenschaft</strong>.<br />
Winfried Schulze, Historiker aus München<br />
und bis Ende Januar 2001 Vorsitzender<br />
des <strong>Wissenschaft</strong>srats, nahm <strong>die</strong><br />
Erkenntnisse aus der Evaluation des deutschen<br />
<strong>Wissenschaft</strong>ssystems zum Anlass,<br />
um über <strong>die</strong> – im internationalen Vergleich<br />
– Zurückhaltung Deutschlands
eim Thema „<strong>Foresight</strong>“ neu nachzudenken.<br />
Die Schwankungen in der Beliebtheit<br />
von Planung und Vorausschau im deutschen<br />
<strong>Wissenschaft</strong>ssystem in den letzten<br />
200 Jahren beschrieb eindrücklich Helmuth<br />
Trischler, <strong>Wissenschaft</strong>shistoriker<br />
am <strong>Deutsche</strong>n Museum in München (Seite<br />
25 ff.). Sehr häufig hatte demnach der<br />
Wunsch nach einer stärkeren Planbarkeit<br />
von Forschung eine starke Wurzel in<br />
internationalen Projekten und im Vergleich<br />
mit der technologischen Leistungsfähigkeit<br />
des Auslands, insbesondere der<br />
USA. Auf Phasen der Planungseuphorie<br />
folgten dann wieder solche der Ernüchterung.<br />
Paul Erker, der bei der Veranstaltung<br />
<strong>die</strong> Wirtschaftsgeschichte vertrat, kam zu<br />
dem Schluss, dass aus historischer Sicht<br />
<strong>die</strong> Planbarkeit von F&E in Unternehmen<br />
nicht zu belegen ist. Die Ursprünge von<br />
Ekkehard Winter..<br />
7<br />
F&E-Planungen entstanden eher aus der<br />
Defensive heraus (Konkurrenz, neue Produkte,<br />
Zusammenbruch von Märkten);<br />
erst seit Beginn der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts<br />
lassen sich längerfristige Planungszeiträume<br />
und systematische F&E-<br />
Finanzierung nachweisen. Erker empfahl<br />
den Managern in den Firmen einen Blick<br />
in <strong>die</strong> Geschichte des eigenen Unternehmens,<br />
um Fehler nicht zu wiederholen<br />
(„looking back to look ahead!“).<br />
„Nicht planbar, aber gestaltbar“<br />
„Die Zukunft ist nicht planbar, aber gestaltbar!“<br />
Dies war <strong>die</strong> Entgegnung von<br />
Klaus-Dieter Vöhringer, im Vorstand der<br />
DaimlerChrysler AG zuständig <strong>für</strong> Forschung<br />
und Entwicklung. In seinem Vortrag<br />
(Seite 39 ff.) bezeichnete er <strong>die</strong> Antizipation<br />
von Technologiesprüngen als be-<br />
Rund 40 Fachleute aus <strong>Wissenschaft</strong>, Wirtschaft und Politik diskutierten im Potsdamer Schloss<br />
Cecilienhof über Chancen und Grenzen von Prospektion.
sonders wichtig, aber naturgemäß auch als<br />
besonders schwierig in der strategischen<br />
Vorausschau, <strong>die</strong> bei DaimlerChrysler bis<br />
zu 15 Jahre in <strong>die</strong> Zukunft gehe. Instrumente<br />
reichten von technischen Vorgaben<br />
wie niedrigem Kraftstoffverbrauch und<br />
verbesserter Fahrerassistenz bis zur Verfolgung<br />
von Megatrends wie Nachhaltige<br />
Mobilität oder Unfallfreier Verkehr. Technologisch-wissenschaftlichesBenchmarking<br />
könne zeigen, in welchen Feldern das<br />
Unternehmen konkurrenzfähig sei, wo es<br />
seine Anstrengungen erhöhen, wo es aber<br />
auch auf Grund eines unaufholbaren Forschungsrückstandes<br />
Technologielinien fallen<br />
lassen oder auf externe Kooperationspartner<br />
verlagern müsse. Vöhringer beschrieb<br />
<strong>die</strong>se Prozesse als kompliziert und<br />
bisweilen schmerzhaft. Er betonte <strong>die</strong><br />
unternehmensinterne Vorgabe, dass<br />
Schwerpunktveränderungen in F&E nicht<br />
zu Entlassungen führen dürften.<br />
Andreas Büchting, Sprecher des Vorstandes<br />
der KWS Saat AG, zeigte <strong>die</strong> globale<br />
Dimension der Planung auf dem Biotechnologiemarkt.<br />
Marktattraktivität gegen<br />
Wettbewerbsposition<br />
Offen blieb in der seien bei KWS Saat <strong>die</strong> Ach-<br />
Diskussion, was <strong>die</strong> sen im Koordinatensystem<br />
öffentlich finanzierte des „Welt-Portfolios“. Dra-<br />
<strong>Wissenschaft</strong> eigentlich matische Sprünge in immer<br />
von den langen Pla- kürzerer Folge kennzeichnungshorizonten<br />
und neten <strong>die</strong> Biotechnologie,<br />
den beeindruckenden <strong>für</strong> <strong>die</strong> enorme F&E-Mittel<br />
Strategien in der Privat- aufgewendet werden müswirtschaft<br />
lernen kann. sten, bei KWS Saat immerhin<br />
15 Prozent vom Umsatz.<br />
Als Erfolgsrezept nannte Büchting <strong>die</strong> vielfältigen<br />
Kooperationen mit Universitäten<br />
und öffentlichen Forschungseinrichtungen<br />
im In- und Ausland.<br />
Offen blieb in der Diskussion, was <strong>die</strong><br />
öffentlich finanzierte <strong>Wissenschaft</strong> eigentlich<br />
von den langen Planungshorizonten<br />
und den beeindruckenden Strategien in<br />
der Privatwirtschaft lernen kann. Vor al-<br />
Überblick..<br />
8<br />
lem <strong>die</strong> Unterschiede wurden noch einmal<br />
hervorgehoben, so z.B. <strong>die</strong> klare Gewinnorientierung<br />
von Unternehmen, <strong>die</strong> zudem<br />
nicht auf verschiedene Kräfte und<br />
Interessengruppen Rücksicht nehmen<br />
müssen. Und: „Wo bei der Max-Planck-<br />
Gesellschaft <strong>die</strong> Forschung aufhört, fängt<br />
sie bei DaimlerChrysler an!“ So beschrieb<br />
Hubert Markl, Präsident der Max-Planck-<br />
Gesellschaft, <strong>die</strong> Unterschiede zwischen<br />
den beiden Forschungsakteuren.<br />
Bildung von Netzwerken ist wichtig<br />
Wenn <strong>die</strong> Übertragbarkeit von Planungsprozessen<br />
aus der Wirtschaft womöglich<br />
gering ist, lohnt vielleicht der Blick ins<br />
Ausland, wo es weitreichende Erfahrungen<br />
mit dem Instrument „<strong>Foresight</strong>“ gibt.<br />
In Großbritannien geht das erste umfassende<br />
Technology <strong>Foresight</strong>-Programm<br />
auf das Weißbuch der Regierung vom Mai<br />
1993 zurück, das unter dem Titel „Realising<br />
our Potential“ stand. Ziel der Empfehlungen<br />
war, <strong>die</strong> Verbindung zwischen<br />
der <strong>Wissenschaft</strong>sbasis und der Mehrung<br />
des Wohlstands bzw. der Verbesserung<br />
der Lebensqualität zu stärken. Um <strong>die</strong>se<br />
Ziele erreichen zu können, wurde eine rationale<br />
Prioritätensetzung und <strong>die</strong> Bildung<br />
von Netzwerken zwischen <strong>Wissenschaft</strong><br />
und Wirtschaft <strong>für</strong> wichtig erachtet.<br />
Die Delphi-Stu<strong>die</strong>n, Szenarien und zusammenfassenden<br />
Berichte, <strong>die</strong> <strong>die</strong> fünfzehn<br />
Expertenrunden erarbeiteten, wurden<br />
weit verbreitet und erreichten über <strong>die</strong><br />
enge Verbindung zwischen dem Office for<br />
Science and Technology (OST) und den<br />
Research Councils auch <strong>die</strong> feinen Verästelungen<br />
des <strong>Wissenschaft</strong>ssystems.<br />
Hinsichtlich der konkreten Auswirkungen<br />
auf Schwerpunktsetzungen äußerte<br />
sich auf der Tagung Michael Keenan,<br />
Policy Research in Engineering Science<br />
and Technology (PREST), University of<br />
Manchester, recht skeptisch. So könne <strong>die</strong>
große Übereinstimmung zwischen den<br />
Empfehlungen aus dem <strong>Foresight</strong>-Prozess<br />
und den Programmen der Research Councils<br />
auch dadurch erklärt werden, dass es<br />
hier wie dort <strong>die</strong> gleichen oder ähnliche<br />
Personen gewesen seien, <strong>die</strong> über Schwerpunktbildungen<br />
entschieden hätten. Deshalb<br />
sei der Abschlussbericht des Parlamentary<br />
Office for Science and Technology<br />
(POST) zu dem Schluss gekommen,<br />
dass <strong>Foresight</strong> ein evolutionärer und keineswegs<br />
isolierter Prozess sei, dessen enge<br />
Verbindung mit <strong>Foresight</strong>-unabhängigen<br />
Strategieentwicklungen im <strong>Wissenschaft</strong>sbereich<br />
gesehen werden müsse. Genau aus<br />
<strong>die</strong>sem Grund sei, so Keenan, der <strong>Foresight</strong>-Prozess<br />
auch ungeheuer schwierig<br />
zu evaluieren. Dies sei im Grunde nur<br />
über einzelne Fallstu<strong>die</strong>n möglich.<br />
Keenan nannte einige Erfolgsgeschichten,<br />
<strong>die</strong> auf <strong>Foresight</strong>-Empfehlungen zurück<br />
zu führen sind. So konnte erst, nachdem<br />
<strong>die</strong> <strong>Foresight</strong>-Expertengruppe <strong>für</strong> Informationstechnologie<br />
ein Nationales<br />
Mikroelektronikinstitut (NMI) empfohlen<br />
hatte, <strong>die</strong>se an sich alte Idee verwirklicht<br />
werden. Das NMI wurde mittlerweile als<br />
Public Private Partnership zwischen neun<br />
Firmen und fünf Universitäten errichtet.<br />
Auch <strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> Entwicklung<br />
der Brennstoffzelle von Wirtschaftsunternehmen<br />
nicht fallengelassen wurde, ist<br />
nach der Schilderung Keenans auf Empfehlungen<br />
von <strong>Foresight</strong> Panels zurück zu<br />
führen.<br />
Weite Kreise der Gesellschaft beteiligen<br />
Das eigentlich Überraschende – und das<br />
wurde auch durch Lennart Lübeck, Programmmanager<br />
des Schwedischen Technology<br />
<strong>Foresight</strong>, bestätigt – ist <strong>die</strong> Entwicklung<br />
des Technology <strong>Foresight</strong> von<br />
einem von Experten gesteuerten Prozess<br />
zu einer Beteiligung weiter Kreise der Gesellschaft,<br />
z. B. einem Young <strong>Foresight</strong> in<br />
Ekkehard Winter..<br />
9<br />
britischen Schulen. Es ist hier eine deutliche<br />
Konvergenz zwischen technologischer<br />
Vorausschau klassischer Prägung (Delphi-<br />
Stu<strong>die</strong>n, etc.) und dem „Public Understanding<br />
of Science“ zu bobachten. Diese<br />
Tendenz hat sich mit den vor kurzem angelaufenen<br />
zweiten Runden der <strong>Foresight</strong>-<br />
Verfahren in Großbritannien und Schweden<br />
noch verstärkt. Auch der von der<br />
Bundesregierung angestoßene<br />
FUTUR-Prozess geht in Wolf-Michael Ca-<br />
<strong>die</strong>se Richtung und macht tenhusen,Parla- sich dabei das Internet zumentarischerStaatssenutze. Auf der FUTUR-Hokretär im BMBF, bekannte<br />
mepage (www.futur.de), <strong>die</strong> sich zu <strong>die</strong>sem Instru-<br />
vom Bundesministerium <strong>für</strong> ment einer übergreifen-<br />
Bildung und Forschung den Früherkennung ge-<br />
(BMBF) betreut wird, heißt sellschaftlicherBedürf- es: „Wer morgen auf gesinisse, <strong>die</strong> über Technolochertes<br />
Wissen zurückgreigien hinausgingen. Das<br />
fen möchte, muss heute <strong>die</strong> BMBF sehe sich hier in ei-<br />
richtigen Fragen stellen, ner Moderatorenrolle<br />
Programme und Gelder zur zwischen Politik, Wissen-<br />
Verfügung stellen, um rechtschaft, Wirtschaft und<br />
zeitig <strong>die</strong> gesuchten Ant- Gesellschaft. Die durch<br />
worten parat zu haben. den FUTUR-Prozess be-<br />
Dies ist das Ziel von FU- gonnene Trendforschung<br />
TUR: Bereits heute im Dialog durch Experten und jun-<br />
<strong>die</strong> Fragen an <strong>die</strong> Wissenge Trendsetter bzw. <strong>die</strong><br />
schaft zu formulieren, deren Entwicklung von Zukunft-<br />
Antworten wir morgen brauszenarien durch Experten<br />
chen werden. Im Austausch und Bürgerforen enthebe<br />
aller Beteiligten sollen Leitvi- <strong>die</strong> Politik allerdings<br />
sionen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Forschung nicht von Prioritätenent-<br />
entstehen, als Grundlage <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> Forschungspolitik der<br />
Bundesregierung.<br />
scheidungen.<br />
Auch Sie können sich am deutschen<br />
Forschungsdialog FUTUR beteiligen, als<br />
Experte in Ihrem eigenen Arbeitsbereich,<br />
sei es Wirtschaft, Kultur, Soziales, Me<strong>die</strong>n<br />
oder <strong>Wissenschaft</strong> – und als Bürger. Partizipation<br />
ist ein wichtiges Element von<br />
FUTUR: Die Zukunft ist zu wichtig, um<br />
sie allein einem kleinen Expertenkreis zu<br />
überlassen.“
Wolf-Michael Catenhusen, Parlamentarischer<br />
Staatssekretär im BMBF, bekannte<br />
sich zu <strong>die</strong>sem Instrument einer übergreifenden<br />
Früherkennung gesellschaftlicher<br />
Bedürfnisse, <strong>die</strong> über Technologien hinausgingen.<br />
Das BMBF sehe sich hier in einer<br />
Moderatorenrolle zwischen Politik,<br />
<strong>Wissenschaft</strong>, Wirtschaft und Gesellschaft.<br />
Die durch den FUTUR-Prozess begonnene<br />
Trendforschung durch Experten und junge<br />
Trendsetter bzw. <strong>die</strong> Entwicklung von Zukunftsszenarien<br />
durch Experten und Bürgerforen<br />
enthebe <strong>die</strong> Politik allerdings<br />
nicht von Prioritätenentscheidungen. Es<br />
sei vor allem <strong>die</strong> Frage, ob<br />
Gehörige Skepsis und wie man mit einem<br />
gegenüber der Pro- mehrjährigen <strong>Foresight</strong>-Prospektion<br />
als Entscheizess zu Schwerpunktsetzundungsinstrument<br />
<strong>für</strong> pogen in Form von FachprolitischePrioritätensetgrammen<br />
kommen könne.<br />
zung äußerte Jürgen Zöll- Catenhusen nannte als Beiner,<br />
Staatsminister <strong>für</strong> spiel <strong>die</strong> Festlegung von<br />
Bildung, <strong>Wissenschaft</strong> Schwerpunkten <strong>für</strong> <strong>die</strong> ge-<br />
und Weiterbildung in plante Programmsteuerung<br />
Rheinland Pfalz. So sehr der Helmholtz-Gemein-<br />
<strong>die</strong> Politik übersteigerte schaft (HGF) (Seite 49 ff.).<br />
Erwartungen an Prospek- Gehörige Skepsis gegention<br />
habe, so sehr unterüber der Prospektion als<br />
schätzten Institutionen, Entscheidungsinstrument<br />
insbesondere Hochschu- <strong>für</strong> politische Prioritätensetlen,<br />
<strong>die</strong>ses Instrument. zung äußerte Jürgen Zöllner,<br />
Staatsminister <strong>für</strong> Bildung,<br />
<strong>Wissenschaft</strong> und Weiterbildung in Rheinland<br />
Pfalz (Seite 63 ff.). So sehr <strong>die</strong> Politik<br />
übersteigerte Erwartungen an Prospektion<br />
habe, so sehr unterschätzten Institutionen,<br />
insbesondere Hochschulen, <strong>die</strong>ses Instrument.<br />
Es zwinge zur Beschäftigung mit<br />
strategischen Fragen und zu Schwerpunktsetzungen,<br />
<strong>die</strong> nur vor Ort und<br />
nicht über Politik oder Gesellschaft erfolgen<br />
könnten. Große Unterstützung fand<br />
<strong>die</strong>se Aussage bei Klaus Landfried, dem<br />
Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz,<br />
der sich von einer stärker strategischen<br />
Ausrichtung der Hochschulen einen<br />
Überblick..<br />
10<br />
„Generalangriff auf <strong>die</strong> Zaunkönige“ in<br />
den Fakultäten verspricht. Landfried<br />
nannte als Beispiele <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Entwicklung<br />
<strong>die</strong> von der <strong>Deutsche</strong>n Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG) Alle Einrichtungen<br />
geplante Förderung großer betreiben institutio-<br />
Forschungszentren und regnenspezifische Verfahren<br />
te an, zum Thema „Strategi- zur Schwerpunktbildung,<br />
eentwicklung an Hochschu- <strong>die</strong> dem jeweiligen Auflen“<br />
eine eigene Konferenz trag der Institution fol-<br />
zu veranstalten.<br />
gen. Dabei ist <strong>die</strong> Fraun-<br />
Die abschließenden Vorhofer-Gesellschaft einer<br />
träge des Vorsitzenden der starken Steuerung durch<br />
Hermann von Helmholtz-Ge- den „Markt“ ausgesetzt,<br />
meinschaft <strong>Deutsche</strong>r For- da sie nur 35 % ihrer<br />
schungszentren, vertreten Mittel als Grundfinanzie-<br />
durch Michael Steiner, den rung aus öffentlichen<br />
wissenschaftlichen Ge- Quellen erhält.<br />
schäftsführer des Hahn Meitner-Instituts<br />
Berlin, und <strong>die</strong> Präsidenten<br />
der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG), Hans-<br />
Jürgen Warnecke, der Max-Planck-Gesellschaft<br />
(MPG), Hubert Markl, und der <strong>Wissenschaft</strong>sgemeinschaft<br />
Gottfried Wilhelm<br />
Leibniz (WGL), Frank Pobell, bestätigten<br />
Zöllner’s These. Alle Einrichtungen betreiben<br />
institutionenspezifische Verfahren<br />
zur Schwerpunktbildung, <strong>die</strong> dem jeweiligen<br />
Auftrag der Institution folgen.<br />
Dabei ist <strong>die</strong> Fraunhofer-Gesellschaft einer<br />
starken Steuerung durch den „Markt“<br />
ausgesetzt, da sie nur 35 Prozent ihrer<br />
Mittel als Grundfinanzierung aus öffentlichen<br />
Quellen erhält. Nach den Ausführungen<br />
Hans-Jürgen Warneckes hat <strong>die</strong>se<br />
Steuerung dort Schwächen, wo eine längere<br />
Vorlaufforschung eine höhere<br />
Grundzuwendung erforderlich mache,<br />
vor allem in der Biotechnologie. Deshalb<br />
seien zusätzliche Instrumente strategischer<br />
Planung wie Zielvereinbarungen<br />
und Analysen der Kundenzufriedenheit<br />
eingeführt worden. Über<strong>die</strong>s könne <strong>die</strong><br />
FhG-Zentrale u.a. mit internen Programmen<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Vernetzung von thematischen<br />
Verbünden sorgen.
Schwerer tut sich naturgemäß <strong>die</strong> WGL<br />
wegen der nur schwach ausgeprägten zentralen<br />
Steuerung und der Vielfalt der<br />
WGL-Institute. Entsprechend wies WGL-<br />
Präsident Pobell auf <strong>die</strong> Rolle von einzelnen<br />
Personen bei strategischen Entscheidungen<br />
hin. Was bei solchen Entscheidungen<br />
zunehmend fehle, sei das Vertrauen<br />
auf das Urteil einer angesehenen<br />
Persönlichkeit und der Mut, auf Grund<br />
<strong>die</strong>ses Urteils eine Entscheidung zu fällen.<br />
Spitzenleistungen ließen sich durch Prospektion<br />
jedenfalls nicht erzeugen.<br />
Auch MPG-Präsident Markl betonte <strong>die</strong><br />
Rolle von Persönlichkeiten. Die Max-<br />
Planck-Gesellschaft verfolge nach wie vor<br />
das Harnack-Prinzip, d.h. sie versuche<br />
stets <strong>die</strong> besten Talente zu identifizieren,<br />
ihnen große Freiheit und Mittel zu geben<br />
und – nach einem vernünftigen Zeitraum<br />
– zu prüfen, was sie geleistet haben.<br />
Markls Kernaussage: Freiheit zwingt zur<br />
Übernahme von Verantwortung <strong>für</strong> <strong>die</strong> eigene<br />
Planung! Er beschrieb <strong>die</strong> in hohem<br />
Maße auch von Informalität geprägten,<br />
zum Teil aber auch durch politische und<br />
bürokratische Rahmenbedingungen bedingten<br />
Verfahren zur Entscheidung über<br />
den Aufbau bzw. <strong>die</strong> Schließung von Max-<br />
Planck-Instituten (Seite 75 ff.).<br />
Prospektion ohne mehr Bürokratie?<br />
Einen besonderen Bedarf an Prospektion<br />
hat gegenwärtig <strong>die</strong> HGF, <strong>die</strong> nicht mehr<br />
institutionell gefördert, sondern über Programme<br />
gesteuert werden soll (Seite 69 ff.).<br />
Die öffentlichen Geldgeber erhoffen sich<br />
davon eine größere Flexibilität und mehr<br />
Wettbewerb zwischen den Helmholtz-<br />
Zentren und den einzelnen Arbeitsgruppen.<br />
Einer Quadratur des Kreises gleich<br />
kommt der Wunsch, <strong>die</strong>ses ehrgeizige Ziel<br />
ohne mehr bürokratischen Aufwand zu erreichen.<br />
Viele Fragen sind noch offen: Reichen<br />
<strong>die</strong> sechs bisher formulierten Pro-<br />
Ekkehard Winter..<br />
11<br />
grammbereiche aus? Wie greifen <strong>die</strong> wissenschaftsgeleitete<br />
Füllung <strong>die</strong>ses Rahmens,<br />
Prospektion und politische Vorgaben,<br />
d.h. Bottom-up- und Top-down-Prozesse<br />
ineinander? In welchem Detail soll<br />
<strong>die</strong> Steuerung erfolgen?<br />
Die Diskussion kreiste um <strong>die</strong> Frage,<br />
ob Prospektion und nachfolgende Programmsteuerung<br />
ein Weg sein könnten,<br />
<strong>die</strong> Säulen des deutschen <strong>Wissenschaft</strong>ssystems<br />
stärker miteinander<br />
zu verbinden. Diese Frage Hinsichtlich der Fra-<br />
wurde vor allem von Carge, ob es über <strong>die</strong><br />
sten Kreklau, Mitglied der Strategieentwicklung der<br />
Hauptgeschäftsführung des einzelnen Einrichtungen<br />
Bundesverbandes der Deut- hinaus eine Prospektion<br />
schen Industrie und Arend mit Folgen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Res-<br />
Oetker, dem Präsidenten des sourcenallokation geben<br />
<strong>Stifterverband</strong>es, gestellt. sollte, blieb <strong>die</strong> Diskus-<br />
Prospektion sei nicht mit sion ohne greifbares Er-<br />
Planung gleichzusetzen, so gebnis. Staatssekretär Ca-<br />
argumentierten sie gegenütenhusen stellte <strong>die</strong> Fraber<br />
den Sorgen der Präsige, ob es nicht sinnvoller<br />
denten der <strong>Wissenschaft</strong>sor- sei, bestimmte Schwerganisationen,<br />
<strong>die</strong> vor der punkte nur noch auf eu-<br />
Gefahr planwirtschaftlichen ropäischer Ebene zu för-<br />
Denkens und einer ungedern.sunden Homogenisierung<br />
mit der Stärkung des wissenschaftlichen<br />
„Mainstreams“ als unerwünschten Nebeneffekten<br />
warnten. Echte wissenschaftliche<br />
und technologische Durchbrüche ergäben<br />
sich unerwartet.<br />
Hinsichtlich der Frage, ob es über <strong>die</strong><br />
Strategieentwicklung der einzelnen Einrichtungen<br />
hinaus eine Prospektion mit<br />
Folgen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ressourcenallokation geben<br />
sollte, blieb <strong>die</strong> Diskussion ohne greifbares<br />
Ergebnis. Vollends unscharf blieb <strong>die</strong><br />
europäische Dimension der Prospektion,<br />
auf <strong>die</strong> Staatssekretär Catenhusen den<br />
Blick mit der Bemerkung lenkte, das deutsche<br />
Forschungssystem würde ohne <strong>die</strong><br />
europäischen Forschungsrahmenprogramme<br />
nicht anders aussehen als heute. Er<br />
stellte <strong>die</strong> Frage, ob es nicht sinnvoller sei,
estimmte Schwerpunkte nur noch auf<br />
europäischer Ebene zu fördern. Prioritätensetzung<br />
bekäme dann den Sinn der Arbeitsteilung,<br />
denn zurzeit würden auf nationaler<br />
und europäischer Ebene weitgehend<br />
identische Prioritäten verfolgt. <strong>Stifterverband</strong>spräsident<br />
Oetker regte daraufhin<br />
eine eigene Veranstaltung zur Behandlung<br />
<strong>die</strong>ses Themas an.<br />
Fazit: Prospektion hat in den betrachteten<br />
Ländern (Großbritannien, Schweden<br />
und auch Deutschland) einen Bedeutungswandel<br />
erlangt. Dort wird der <strong>Foresight</strong>-Prozess<br />
zunehmend als Instrument<br />
zur stärkeren Vernetzung zwischen <strong>Wissenschaft</strong>,<br />
Wirtschaft, Politik und Gesellschaft,<br />
auch und gerade im Sinne eines<br />
„Public Engagement“, verstanden: „Bringing<br />
people from different places together<br />
who wouldn’t have met otherwise.“ Die<br />
konkreten Auswirkungen<br />
Fazit: Prospektion auf <strong>die</strong> Entwicklung von<br />
hat in den betrach- neuen Technologielinien, <strong>die</strong><br />
teten Ländern (Großbri- ursprünglich handlungsleitannien,<br />
Schweden und tend gewesen war, ist quan-<br />
auch Deutschland) einen titativ schwer nachzuwei-<br />
Bedeutungswandel ersen, aber in einzelnen Falllangt.<br />
Dort wird der Forestu<strong>die</strong>n durchaus belegbar.<br />
sight-Prozess zunehmend Hinsichtlich der Entwick-<br />
als Instrument zur stärkelung von nationalen Prioren<br />
Vernetzung zwischen ritäten durch Prospektion<br />
<strong>Wissenschaft</strong>, Wirtschaft, überwiegt Skepsis. Welche<br />
Politik und Gesellschaft, Beiträge <strong>die</strong> Prospektion zur<br />
auch und gerade im Sin- Entwicklung von Fachprone<br />
eines „Public Engagegrammen, etwa <strong>für</strong> <strong>die</strong> gement“,verstanden:„Brinplante<br />
Programmsteuerung<br />
ging people from diffe- der HGF, leisten kann, ist ofrent<br />
places together who fen. Deutlich sichtbar ist<br />
wouldn’t have met other- aber eine stärkere strategiwise.“sche<br />
Orientierung innerhalb<br />
der Forschungsträger- und<br />
Forschungsförderungsorganisationen.<br />
Diesen würde das Studium der in Wirtschaftsunternehmen<br />
erprobten Verfahren<br />
allerdings nur begrenzt weiterhelfen, weil<br />
<strong>die</strong> Rahmenbedingungen zu unterschied-<br />
Überblick..<br />
12<br />
lich sind. Für F&E-intensive Firmen ist<br />
eine strategische Sicht auf <strong>die</strong> Zukunft eine<br />
Überlebensfrage. Offen bleibt zunächst<br />
auch, welchen Beitrag eine vorausschauende<br />
Prioritätensetzung zur Verbesserung<br />
der Durchlässigkeit zwischen den Säulen<br />
des deutschen Forschungssystems und bei<br />
der Gestaltung des europäischen Forschungsraums<br />
leisten könnte.<br />
Dr. Ekkehard Winter<br />
leitet den Bereich „Programm<br />
& Förderung“ im <strong>Stifterverband</strong><br />
und ist zugleich Mitglied<br />
in dessen Geschäftsleitung.
Ekkehard Winter<br />
Hermann Josef Abs, who was the<br />
German Bank’s spokesman for<br />
several years, once said that forecasts<br />
were just like street lamps to a drunkard:<br />
“They don’t necessarily enlighten you,<br />
but at least you can cling to them.” This is<br />
in fact a good description of the sceptical attitude<br />
many participants displayed at the<br />
workshop “Prioritätensetzung in der Forschungsfinanzierung”<br />
(Establishing priorities<br />
in research funding), held by the <strong>Stifterverband</strong>,<br />
the Science Council and the Confederation<br />
of German Industry at Schloss<br />
Cecilienhof in Potsdam. What the organisers<br />
had in mind was not so much a detailed debate<br />
on methods but to discuss the impact of<br />
foresight and prospecting methods on setting<br />
priorities in politics, industry and science.<br />
Winfried Schulze, a Munich historian and<br />
head of the Science Council until the end of<br />
January 2001, referred to the insights gained<br />
from the evaluation of Germany’s higher education<br />
and research system as a suitable occasion<br />
to re-assess what was a reserved attitude<br />
on the part of Germany in an international<br />
comparison when it came to the issue<br />
of foresight.<br />
Helmuth Trischler, a science historian at<br />
the <strong>Deutsche</strong>s Museum in Munich (see page<br />
25 pp.) gave a vivid account of the fluctuations<br />
planning and foresight had seen in the<br />
German science system over the past 200<br />
years. According to Trischler, the desire to<br />
boost the aspect of planning research was<br />
very frequently strongly rooted in internation-<br />
Ekkehard Winter..<br />
Time to take down<br />
the gates<br />
13<br />
al projects and in comparisons with other<br />
countries, particularly the USA. Phases of<br />
planning euphoria were then again followed<br />
by disillusionment. Paul Erker, representing<br />
economic history at the event, drew the conclusion<br />
that, from a historical angle, there<br />
was no evidence of R&D being planable in<br />
enterprises. Rather, the origins of R&D planning<br />
emerged from the defensive (competition,<br />
new products, the collapse of markets);<br />
it was not before the early twenties of the<br />
twentieth century that longer term planning<br />
horizons and systematic R&D funding could<br />
be established. Erker recommended company<br />
managers to “look back to look ahead”<br />
and study the history of their own firms in<br />
order to avoid mistakes made in the past.<br />
“Future cannot be planned but designed”<br />
Klaus-Dieter Vöhringer, a member of the<br />
DaimlerChrysler AG board who is responsible<br />
for R&D, responded by stating that “while<br />
the future cannot be planned, we are able to<br />
design it”. In his lecture (see page 39 pp.),<br />
he referred to the anticipation of technological<br />
leaps as a particularly important exercise<br />
that was, however, on account of its very<br />
nature, also particularly difficult to perform<br />
when it came to strategic foresight, which covered<br />
up to 15 years into the future at DaimlerChrysler.<br />
The instruments involved ranged<br />
from technical requirements such as low<br />
fuel consumption and improved assistance<br />
for the driver to the pursuit of megatrends
such as sustainable mobility or accident-free<br />
traffic. Technological and scientific benchmarking<br />
could show up which fields the<br />
company was competitive in, where it had to<br />
increase its efforts, and where it would have<br />
to drop technology strategies owing to its<br />
being unable to catch up with state-of-theart<br />
research or outsource activities to external<br />
co-operation partners. Vöhringer described<br />
these processes as complicated and sometimes<br />
even painful. He stressed the incompany<br />
maxim that shifts in R&D priorities<br />
should not lead to dismissals.<br />
Andreas Büchting, spokesman for the board<br />
of KWS Saat AG, demonstrated the global<br />
dimension of planning in the biotechnology<br />
market. At KWS Saat, market attractiveness<br />
and the competitive edge were the<br />
axes in the co-ordinate system of the “global<br />
portfolio”. Biotechnology was characterised<br />
by dramatic leaps at ever shorter intervals<br />
that required huge R&D investments accounting<br />
for no less than 15 percent of turnover<br />
at KWS Saat. According to Büchting,<br />
the wide range of co-operation schemes with<br />
universities and public funded research institutions<br />
at home and abroad had proven to<br />
be a recipe for success.<br />
Experience with foresight abroad<br />
In the discussion, the question remained<br />
open as to what public financed science can<br />
actually learn from the long planning horizons<br />
and the impressive strategies in private<br />
industry. Above all, the differences were<br />
once again stressed, such as the clear orientation<br />
on profits among enterprises, or their<br />
not having to take different forces or interest<br />
groups in society into consideration. And:<br />
“The point at which research stops at the<br />
Max Planck Society is where it starts at<br />
DaimlerChrysler!” This is how Hubert<br />
Markl, President of the Max Planck Society,<br />
described the differences between these two<br />
players in the research scene.<br />
Überblick..<br />
14<br />
If there really is only little scope for the<br />
transfer of planning processes from industry,<br />
it might be worthwhile having a look at how<br />
things are abroad, where considerable experience<br />
has already been gathered with the instrument<br />
of foresight. In the United Kingdom,<br />
the first comprehensive technology foresight<br />
exercise goes back to the government’s<br />
White Paper of 1993 that was titled “Realising<br />
our Potential”. The recommendations<br />
were aimed at strengthening the link between<br />
the science base and enhancing affluence and<br />
the quality of life. Setting priorities in a rational<br />
way and establishing networks between<br />
science and industry were deemed important<br />
prerequisites to attain these goals.<br />
The Delphi Stu<strong>die</strong>s, scenarios and summarised<br />
reports compiled by the fifteen panels of<br />
experts were widely distributed, and via the<br />
close links between the Office for Science and<br />
Technology (OST) and the Research Councils,<br />
they also penetrated the fine ramifications<br />
of the science system.<br />
Regarding concrete impacts on the setting<br />
of priorities, Michael Keenan, Policy Research<br />
in Engineering Science and Technology<br />
(PREST), University of Manchester,<br />
was rather sceptical at the meeting. The considerable<br />
degree of correspondence between<br />
the recommendations from the foresight exercise<br />
and the Research Council programmes<br />
could also be put down to the fact that in<br />
both instances, either the same or similar people<br />
had been making decisions on priorities.<br />
This was why the final report of the Parliamentary<br />
Office for Science and Technology<br />
(POST) had come to the conclusion that<br />
foresight was an evolutionary, and by no means<br />
an isolated, process whose close link<br />
with strategic developments occurring independently<br />
of foresight in the science sector<br />
had to be considered. According to Keenan, it<br />
was exactly for this reason that the foresight<br />
exercise was extremely difficult to evaluate.<br />
Basically, this could only be accomplished<br />
via individual case stu<strong>die</strong>s.
Keenan referred to a number of success stories<br />
going back to foresight recommendations.<br />
For example, the National Microelectronics<br />
Institute, which had actually long<br />
been debated, could only be put into practice<br />
following its recommendation by the <strong>Foresight</strong><br />
Experts Group for Information Technology.<br />
The NMI has since been established<br />
as a Public Private Partnership involving nine<br />
firms and five universities. And the fact<br />
that the development of fuel cells has not<br />
been dropped by industrial enterprises can<br />
also be traced back to recommendations made<br />
by <strong>Foresight</strong> panels, according to Keenan.<br />
What really did surprise the meeting – and<br />
this was also underscored in the presentation<br />
given by Lennart Lübeck, programme manager<br />
of Swedish Technology <strong>Foresight</strong> – is<br />
how technology foresight evolved from a process<br />
controlled by experts into an exercise involving<br />
broad sections of society, as is the case,<br />
for example, with Young <strong>Foresight</strong> at<br />
schools in the United Kingdom. Here, a clear<br />
convergence can be observed between<br />
technological foresight of the traditional type<br />
(Delphi stu<strong>die</strong>s, etc.) and Public Understanding<br />
of Science. This tendency has become<br />
even stronger since the second rounds of<br />
<strong>Foresight</strong> exercises were started in the United<br />
Kingdom and Sweden. The FUTUR process<br />
initiated by the Federal Government also<br />
pursues this course making use of the Internet.<br />
The FUTUR Homepage (www.futur.de),<br />
which is run by the Federal Ministry of Education<br />
and Research (BMBF), states: „If we<br />
are to have access to sound knowledge in the<br />
future, we must pose appropriate questions<br />
today and provide programs and funding<br />
that will allow us to find the right answers in<br />
a timely manner.<br />
This is the goal of the “FUTUR” initiative:<br />
to formulate today, through the give and<br />
take of dialogue, the questions that science<br />
needs to answer tomorrow. Through exchanges<br />
of information and experience, all participants<br />
will have the opportunity to contri-<br />
Ekkehard Winter..<br />
15<br />
bute to the formulation of overarching concepts<br />
that will form the basis for future German<br />
government research policies.<br />
As an expert in your own field – whether<br />
it be business, culture, the social or natural<br />
sciences, or media (and as an ordinary citizen)<br />
– you will also have the opportunity to<br />
participate in a dialogue on<br />
the future of German re- The FUTUR process<br />
search. Proactive participa- initiated by the Fetion<br />
is a key element of the inderal Government also<br />
itiative: for the future is too pursues this course ma-<br />
important to allow its course king use of the Internet.<br />
to be charted by a small group<br />
of experts.“ Wolf-Michael Catenhusen, Parlamentary<br />
State-Secretary at the BMBF, stressed<br />
the importance of this instrument of comprehensive<br />
early identification of societal requirements<br />
which encompassed more than<br />
technology. Here, the BMBF saw itself as<br />
playing the role of a go-between among politics,<br />
science, industry and society. Trend research<br />
which had been started with the FU-<br />
TUR exercise and was being performed by<br />
experts as well as young trend-setters and<br />
the development of future scenarios by experts<br />
as well as citizens’ forums did not, however,<br />
absolve politics from its duty to set<br />
priorities. Above all, the question was whether<br />
and how to reach the establishment of<br />
priorities in the shape of experts’ programmes<br />
via a foresight exercise taking several<br />
years. Catenhusen mentioned the example of<br />
setting priorities for the planned programmatic<br />
management of the Helmholtz-Gemeinschaft<br />
(HGF) (see page 49 pp.).<br />
Jürgen Zöllner, Minister of State for Education,<br />
Science and Further Education in<br />
Rhineland Palatinate (see page 63 pp.), voiced<br />
considerable scepticism about prospecting<br />
as a decision-making instrument in setting<br />
political priorities. While politics was<br />
holding exaggerated expectations about prospecting,<br />
institutions, and especially higher<br />
education institutions, were in fact underestimating<br />
this instrument. Prospecting forced
people to address strategic issues and priorities<br />
that could only be dealt with at local<br />
level, and not via politics or society. This<br />
statement was welcomed in particular by<br />
Klaus Landfried, President of the German<br />
Rectors Conference, who is reckoning with<br />
a more strategic orientation of higher education<br />
institutions resulting in a “gates<br />
being taken down” at department level. As<br />
an example of this development, Landfried<br />
mentioned the plans of the <strong>Deutsche</strong> Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG) to fund large<br />
research centres, and he suggested holding a<br />
special conference to discuss “Strategic developments<br />
in the university sector”.<br />
The concluding presentations of the<br />
Chairman of the Helmholtz-Gemeinschaft<br />
<strong>Deutsche</strong>r Forschungszentren (HGF), represented<br />
by Michael Steiner, Scientific Managing<br />
Director of the Berlin Hahn-Meitner<br />
Institute, and the Presidents of the Fraunhofer-Gesellschaft<br />
(FhG), Hans-Jürgen Warnecke,<br />
the Max Planck Society (MPG), Hubert<br />
Markl, and the <strong>Wissenschaft</strong>sgemeinschaft<br />
Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL),<br />
Frank Pobell, confirmed Zöllner’s proposition.<br />
All these institutions<br />
All these institutions apply institution-specific<br />
apply institution- methods to set their priorispecific<br />
methods to set ties that are tailored to the<br />
their priorities that are respective mission of the<br />
tailored to the respective institute. The Fraunhofermission<br />
of the institute. Gesellschaft is exposed to<br />
The Fraunhofer-Gesell- strong control by the<br />
schaft is exposed to “market”, since it only ob-<br />
strong control by the tains 35 percent of its fi-<br />
“market”, since it only obnances as basic funding<br />
tains 35 percent of its fi- from public sources. Acnances<br />
as basic funding cording to Hans-Jürgen<br />
from public sources. Warnecke, this control<br />
shows weaknesses where<br />
longer preparatory research activities necessitate<br />
higher basic funding, especially in biotechnology.<br />
Therefore, additional instruments<br />
of strategic planning such as agreements on<br />
targets and analyses of customer satisfaction<br />
Überblick..<br />
16<br />
had been introduced. In addition, the FhG headquarters<br />
could support networking among<br />
interrelated thematic complexes.<br />
Owing the multitude of WGL institutes,<br />
strategic planning tends to be more difficult<br />
for the WGL. Therefore, WGL President Pobell<br />
pointed to the important role of individuals<br />
in making strategic decisions. What was<br />
increasingly lacking with such decisions was<br />
trust in the judgement of an eminent personality<br />
and courage to make a decision on the<br />
basis of this judgement. At any rate, peak performance<br />
could not be created via prospecting.<br />
Identifying the best talent<br />
MPG President Markl also stressed the role<br />
of personalities. The Max Planck Society<br />
was still applying the Harnack principle, i.e.<br />
always attempting to identify the best talent,<br />
granting the respective researchers considerable<br />
freedom and support and, after a reasonable<br />
period, reviewing what they had achieved.<br />
Markl’s core statement was that freedom<br />
demanded assuming responsibility for one’s<br />
own planning. He also stressed the conditions<br />
for deciding on setting up or closing<br />
down Max Planck Institutes, which were<br />
characterised to a considerable degree by informality<br />
but partly also by methods required<br />
by political and bureaucratic framework<br />
conditions (see page 75 pp.).<br />
The HGF, which is no longer going to be<br />
financed on an institutional basis but will instead<br />
be controlled via programmes (see page<br />
69 pp.), currently has a considerable requirement<br />
for prospecting. The public bo<strong>die</strong>s<br />
funding it expect this measure to provide for<br />
more flexibility and competition among the<br />
Helmholtz Centres and the individual research<br />
units. The desire to achieve this ambitious<br />
target without a greater bureaucratic<br />
effort seems like squaring the circle. There<br />
are still many open questions. Are the six<br />
programme areas formulated so far sufficient?<br />
How do the science-guided filling of
this framework, prospecting and political requirements,<br />
i.e. bottom-up and top-down<br />
processes, interrelate? How detailed should<br />
control be?<br />
The discussion circled around the question<br />
as to whether prospecting and subsequent<br />
programme control could be a way of<br />
creating greater links between the pillars of<br />
the German research system. This question<br />
was above all asked by Carsten Kreklau,<br />
member of the Chief Management of the<br />
Confederation of German Industry, and<br />
Arend Oetker, President of the <strong>Stifterverband</strong>.<br />
Responding to concern among the presidents<br />
of the scientific organisations, who warned<br />
of the danger of a planned economy philosophy<br />
and an unhealthy homogenisation with<br />
a bolstering of the scientific mainstream as<br />
an undesirable side effect, they argued that<br />
prospecting could not be equated with planning.<br />
Genuine scientific and technological<br />
breakthroughs came unexpectedly.<br />
Regarding the question as to whether there<br />
should be prospecting beyond the strategic<br />
development of individual institutions<br />
with consequences for the allocation of resources,<br />
the discussion did not yield any concrete<br />
results. The European dimension of prospecting,<br />
which State Secretary Catenhusen<br />
drew attention to with the remark that the<br />
German research system would not look any<br />
different without the European research framework<br />
programmes than it did today, remained<br />
completely unclear. Catenhusen asked<br />
the meeting whether it would not make<br />
more sense to support certain priority areas<br />
exclusively at European level in future. Establishing<br />
priorities would then make sense<br />
in terms of a division of labour, for at the moment,<br />
the priorities set at national and European<br />
level were to a large degree identical.<br />
<strong>Stifterverband</strong> president Oetker then suggested<br />
that a separate meeting be held to discuss<br />
this topic.<br />
The overall conclusion was that foresight<br />
and prospecting had experienced a semantic<br />
Ekkehard Winter..<br />
17<br />
change in the respective countries (the United<br />
Kingdom, Sweden and also Germany). There,<br />
the foresight process is increasingly being<br />
understood as an instrument to facilitate greater<br />
networking between science, industry,<br />
politics and society, also, and in particular,<br />
in the sense of public engagement, of bringing<br />
people from different places together who wouldn’t<br />
have met otherwise. The concrete impact<br />
on the development of new technology<br />
lines, which originally guided<br />
action, is difficult to demon- The discussion cirstrate<br />
in quantitative terms cled around the<br />
but can be given clear proof of question as to whether<br />
in individual case stu<strong>die</strong>s. As prospecting and subse-<br />
regards the development of naquent programme control<br />
tional priorities via prospec- could be a way of creating<br />
ting, the predominant attitude greater links between the<br />
is that of scepticism. It re- pillars of the German remains<br />
to be seen what contrisearch system.<br />
bution prospecting can make<br />
to the development of subject programmes,<br />
for example in the case of the plans for programme<br />
control of the HGF. But a more strategic<br />
orientation within the organisations<br />
supporting and funding research is clearly visible.<br />
However, studying the methods tried<br />
out in industrial enterprises would only help<br />
them to a limited degree since the framework<br />
conditions differ too much. A strategic view<br />
of the future is vital to R&D-intensive firms.<br />
Another issue that remains open for the time<br />
being is the contribution that basing the<br />
setting of priorities on foresight can make to<br />
improving the permeability between the pillars<br />
of the German research system and to<br />
designing the European research area.<br />
Dr. Ekkehard Winter<br />
leads the section “Programme<br />
& Promotion” in the <strong>Stifterverband</strong>’s<br />
Central Administration<br />
and is at the same time<br />
member in its management.
Winfried Schulze<br />
Einführung<br />
Es ist mir eine große Freude, Sie<br />
heute im Namen aller drei Veranstalter<br />
– des <strong>Stifterverband</strong>es <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, des Bundesverbandes<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Industrie und des<br />
<strong>Wissenschaft</strong>srates – an <strong>die</strong>sem geschichtsträchtigen<br />
Ort begrüßen zu dürfen.<br />
Schon jetzt möchte ich Ihnen danken,<br />
dass Sie sich <strong>die</strong> Zeit genommen haben,<br />
mit uns über <strong>die</strong> Setzung von Prioritäten<br />
in der Forschungsfinanzierung zu diskutieren.<br />
Wann geschieht es schon einmal,<br />
dass eine derart hochkarätige Gruppe von<br />
Entscheidungsträgern des Staates, der<br />
<strong>Wissenschaft</strong>sorganisationen und der<br />
Wirtschaft frei vom Zwang zum unmittelbaren<br />
Handeln zusammentrifft, um über<br />
ein so zentrales und zugleich brisantes<br />
Problem der <strong>Wissenschaft</strong>spolitik zu reden?<br />
Ich wünsche mir, dass wir <strong>die</strong>se Gelegenheit<br />
zur Reflexion nutzen und gemeinsam<br />
lernen, unser eigenes Tun und<br />
seine Folgen besser zu verstehen, es <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> Zukunft noch intelligenter auszurichten<br />
und so zum Erfolg unserer <strong>Wissenschaft</strong><br />
beizutragen.<br />
Denn <strong>die</strong> Erwartungen an <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
sind groß: sie soll uns nicht nur helfen,<br />
<strong>die</strong> Welt besser zu verstehen, sondern<br />
auch Innovationen ermöglichen, <strong>die</strong> unsere<br />
Gesellschaft und ihre Umwelt lebenswert<br />
machen, unsere Gesundheit schützen<br />
und unser wirtschaftliches Wohlergehen<br />
befördern. Ein langfristig erfolgreiches<br />
Innovationssystem, das hat eine Stu<strong>die</strong> der<br />
RAND Corporation <strong>für</strong> den Nationalen<br />
Wirtschafts- und Technologierat der USA<br />
bestätigt, kann nur Bestand haben, wenn<br />
Vorträge..<br />
19<br />
es über den Tag hinausschauendes Handeln<br />
möglich macht, das nicht an schnelle<br />
Renditeerwartungen gebunden ist und<br />
flexibel genug bleibt, um mit unerwarteten<br />
Ereignissen umgehen zu können. Dies<br />
stellt große Anforderungen an <strong>die</strong> Entscheidungsprozesse<br />
in der Forschungsfinanzierung.<br />
Von der Prospektion zur Praxis<br />
Wie Sie wissen, hat sich der <strong>Wissenschaft</strong>srat<br />
schon seit längerem mit den<br />
Möglichkeiten und Grenzen einer aktiv<br />
<strong>die</strong> Zukunft gestaltenden <strong>Wissenschaft</strong>spolitik<br />
auseinandergesetzt. Sein besonderes<br />
Augenmerk galt dabei der Frage, wie<br />
zukunftsträchtige Themen zu identifizieren<br />
seien. Seit Anfang der 90er Jahre setzte<br />
er sich da<strong>für</strong> ein, sich hier<strong>für</strong> des Verfahrens<br />
der Prospektion zu be<strong>die</strong>nen. Seine<br />
Empfehlungen hierzu, wie auch <strong>die</strong><br />
von einer gemeinsam mit den Partnern<br />
der Allianz eingesetzten Arbeitsgruppe erarbeitete<br />
Pilotstu<strong>die</strong>, stießen bei den großen<br />
<strong>Wissenschaft</strong>sorganisationen auf eine<br />
zwar freundliche, jedoch auch eine deutliche<br />
Reserviertheit spürbar machende<br />
Aufnahme. Dabei wurde meiner Einschätzung<br />
nach nicht bezweifelt, dass es in jedem<br />
Fall ein Gewinn ist, sich systematisch<br />
mit Stand und Perspektiven eines <strong>Wissenschaft</strong>sgebiets<br />
auseinander zusetzen und<br />
gemeinsam darüber nachzudenken, welche<br />
Entwicklungsrichtungen das größte<br />
Potenzial aufweisen. Die Frage, <strong>die</strong> offen<br />
schien und an der sich <strong>die</strong> Phantasien entzündeten,<br />
war vielmehr <strong>die</strong>, wie denn <strong>die</strong>
Ergebnisse der Prospektion in <strong>die</strong> Praxis<br />
umzusetzen wären. Und hier stellte sich<br />
nur allzu leicht das Schreck-<br />
Prospektion ist ein gespenst von der dirigisti-<br />
offener Prozess, der schen Planung der Wissen-<br />
sein Komplement in der schaft ein, das, so <strong>die</strong> Be-<br />
Flexibilisierung des Wis<strong>für</strong>chtungen, der grundgesenschaftssystems<br />
und setzlich verbrieften Freiheit<br />
einer Steigerung seiner der <strong>Wissenschaft</strong> ein Ende<br />
Aufnahmebereitschaft machen würde.<br />
<strong>für</strong> innovative Gedanken Ich glaube, dass <strong>die</strong>s ein<br />
findet. Der Begriff der Missverständnis ist, das sich<br />
Planung, des Abarbeitens durch genauere Lektüre der<br />
fixierter Ziele, ist ein völ- fraglichen Schriften leicht<br />
lig anderer. Seine vor- ausräumen ließe. Prospekübergehende,<br />
eher protion ist ein offener Prozess,<br />
blematische Popularität der sein Komplement in der<br />
in der <strong>Wissenschaft</strong>spoli- Flexibilisierung des Wissentik<br />
der 60er Jahre war es, schaftssystems und einer<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Entwicklung mo- Steigerung seiner Aufnahdernerer<br />
Verfahren vormebereitschaft <strong>für</strong> innovatiausschauenden<br />
Handelns ve Gedanken findet. Der Be-<br />
motiviert hat – wohl begriff der Planung, des Abarmerkt,<br />
dazu motiviert, es beitens fixierter Ziele, ist ein<br />
anders zu machen. völlig anderer. Seine vorübergehende,<br />
eher problematische<br />
Popularität in der <strong>Wissenschaft</strong>spolitik<br />
der 60er Jahre war es, <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong> Entwicklung modernerer Verfahren<br />
vorausschauenden Handelns motiviert hat<br />
– wohl bemerkt, dazu motiviert, es anders<br />
zu machen.<br />
Dennoch scheint evident, dass an <strong>die</strong>ser<br />
Stelle noch großer Erklärungsbedarf<br />
besteht. Es bietet sich deshalb an, <strong>die</strong> Sache<br />
einmal von der anderen Seite zu sehen:<br />
d.h., sich nicht so sehr mit der Identifikation<br />
zukunftsträchtiger Themen zu<br />
befassen, auch wenn <strong>die</strong>s <strong>für</strong> <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
sicher ein spannendes Unterfangen<br />
ist, sondern damit, wie Prioritäten in<br />
einer Weise umgesetzt werden können,<br />
<strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong> tatsächlich fördert und<br />
nicht behindert.<br />
Trivialerweise bedeutet das Setzen und<br />
Umsetzen von Prioritäten in der heutigen,<br />
Vorträge..<br />
20<br />
betriebsförmig organisierten <strong>Wissenschaft</strong>,<br />
dass auf <strong>die</strong> Finanzflüsse in der Forschung<br />
Einfluss genommen werden muss. Eine<br />
solche Einflussnahme ist schon deshalb<br />
gerechtfertigt, weil <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong> nicht<br />
mit dem Verweis auf ihre Autonomie eine<br />
pauschale Zuweisung von Mitteln beanspruchen<br />
kann, über <strong>die</strong> sie nach eigenem<br />
Gutdünken verfügen dürfte, ohne darüber<br />
Rechenschaft ablegen zu müssen. Dies gilt<br />
<strong>für</strong> private Mittel genauso wie <strong>für</strong> öffentliche.<br />
Gerade Steuergelder dürfen nicht zu<br />
dem werden, was Risikokapitalgeber mit<br />
dem treffenden Ausdruck „stupid money“<br />
belegen.<br />
Nun will ich nicht unterstellen, <strong>die</strong>s<br />
wäre bisher der Fall gewesen. Natürlich<br />
setzen <strong>die</strong> einzelnen Förderorganisationen<br />
in ihrer Tätigkeit ebenso bewusst und gezielt<br />
Prioritäten wie das BMBF im Rahmen<br />
seiner Projektförderung. Nur wurde in<br />
den letzten Jahren im Zuge der Evaluationen<br />
der verschiedenen Sektoren der gemeinschaftsfinanziertenForschungsförderung<br />
mehrfach betont, dass <strong>die</strong> Transparenz<br />
der Verfahren, in denen <strong>die</strong>s geschieht,<br />
weiter verbessert<br />
und damit <strong>die</strong> Strategie, <strong>die</strong> Nur wurde in den<br />
den einzelnen Entscheidun- letzten Jahren im<br />
gen zugrunde liegt, verdeut- Zuge der Evaluationen<br />
licht und zum Bestandteil der verschiedenen Sekto-<br />
des Selbstbildes der jeweiliren der gemeinschaftsfigen<br />
Organisationen gemacht nanziertenForschungs- werden sollten. So hat, um förderung mehrfach be-<br />
nur zwei Beispiele zu nentont, dass <strong>die</strong> Transparenz<br />
nen, <strong>die</strong> Internationale Kom- der Verfahren, in denen<br />
mission zur Evaluation der <strong>die</strong>s geschieht, weiter<br />
<strong>Deutsche</strong>n Forschungsge- verbessert und damit <strong>die</strong><br />
meinschaft (DFG) und der Strategie, <strong>die</strong> den einzel-<br />
Max-Planck-Gesellschaft nen Entscheidungen zu-<br />
(MPG) der DFG nahegelegt, grunde liegt, verdeutlicht<br />
sich zu einer beweglicheren, und zum Bestandteil des<br />
strategisch handelnden Ein- Selbstbildes der jeweilirichtung<br />
der Forschungsförgen Organisationen gederung<br />
weiterzuentwickeln. macht werden sollten.<br />
Für <strong>die</strong> Helmholtz-Gemein-
schaft hat der <strong>Wissenschaft</strong>srat im Rahmen<br />
seiner Systemevaluation Vorschläge<br />
entwickelt, wie <strong>die</strong> neuen Finanzierungsverfahren<br />
mit einer tatsächlich transparenten<br />
Strategieentwicklung verbunden<br />
werden können. Andere Organisationen<br />
haben teils aus eigener Kraft, teils auf Impulse<br />
von außen hin selbst Verfahren entwickelt<br />
und schon erste Erfahrungen damit<br />
gemacht.<br />
Winfried Schulze..<br />
21<br />
Professor Dr. Winfried Schulze,<br />
Universität München, war bis<br />
Januar 2001 Vorsitzender des<br />
<strong>Wissenschaft</strong>srats in Köln.
Winfried Schulze<br />
Introduction<br />
It gives me great pleasure to welcome<br />
you at this historic place today on behalf<br />
of all three organisers, the <strong>Stifterverband</strong><br />
(the Donors’ Association for the<br />
Promotion of Sciences and Humanities), the<br />
Confederation of German Industry and the<br />
Science Council. I would already like to<br />
thank you for finding time to discuss the issue<br />
of prioritising in research funding on these<br />
two days. After all, it is not that often that<br />
such a top-class group of decision-makers in<br />
government, the science organisations and<br />
industry get together without being obliged<br />
to take immediate action in order to discuss<br />
such a central and at the same time controversial<br />
topic. I would like to see us make use<br />
of this opportunity to reflect and learn together<br />
how to gain a better understanding of<br />
our own action and its consequences, design<br />
it more intelligently for the future and thus<br />
contribute to our science being successful.<br />
Looking beyond the immediate horizon<br />
For high hopes have been placed in science.<br />
Not only is it expected to help us improve our<br />
understanding of the world, but it is also<br />
supposed to enable innovations that will make<br />
our society and its environment worth living<br />
in, protect our health and promote our<br />
economic wellbeing. Just a few days ago, a<br />
survey by the RAND Corporation for the National<br />
Economics and Technology Council of<br />
the USA confirmed that an innovation system<br />
aimed at working successfully in the<br />
long run can only be of substance if it enables<br />
action looking beyond the immediate horizon<br />
that is not tied to expectations of ra-<br />
Vorträge..<br />
22<br />
pid investment returns and stays flexible<br />
enough to cope with unexpected events. This<br />
means making considerable demands on decision-making<br />
processes in research funding.<br />
As you will be aware, the Science Council<br />
has already been exploring the possibilities<br />
and limits of a science policy that actively<br />
designs the future for some time. Here, its<br />
special focus has been on the issue of how<br />
forward-looking topics can be identified. Since<br />
the beginning of the nineties, it has been<br />
campaigning for applying the method of prospecting<br />
to this end. Its recommendations on<br />
this issue, as well as a pilot study conducted<br />
by a working group appointed jointly with<br />
the partners of the alliance, have met with a<br />
reception that, while it was friendly, also<br />
clearly showed reservations. In my opinion,<br />
there were no doubts about a systematic exploration<br />
of the status and perspectives of a<br />
field of science and a common reflection on<br />
what directions of development would yield<br />
the greatest potential being beneficial under<br />
all circumstances. Rather, the question that<br />
appeared to remain unanswered and triggered<br />
fantasies was as to how the results of prospecting<br />
could be translated into practice.<br />
And here, the nightmare of dirigiste planning<br />
in science which, it was feared, would put an<br />
end to constitutionally guaranteed academic<br />
freedom, was evoked only all too easily.<br />
I believe that this is a misunderstanding<br />
that could easily be reme<strong>die</strong>d by taking a closer<br />
look at the papers in question. Prospecting<br />
is an open process that is complemented<br />
by a greater degree of flexibility in the science<br />
system and an enhancement of its openness<br />
for innovative thinking. The concept of
planning, of step-by-step handling of predefined<br />
objectives, is an altogether different issue.<br />
Its temporary and rather problematic<br />
popularity in science policy during the sixties<br />
was what provided the inspiration to develop<br />
modern methods of for-<br />
Prospecting is an ward-looking action. But it is<br />
open process that is important to note that one<br />
complemented by a grea- was inspired to do things difter<br />
degree of flexibility in ferently.<br />
the science system and an It nevertheless appears to<br />
enhancement of its open- be evident that a lot still needs<br />
ness for innovative thin- to be explained in this context.<br />
king. The concept of plan- This is why it seems worthning,<br />
of step-by-step while to look at the issue from<br />
handling of predefined the opposite direction, i.e. not<br />
objectives, is an altoget- to deal so much with the<br />
her different issue. Its identification of forward-loo-<br />
temporary and rather proking themes, even if this is<br />
blematic popularity in certainly an exciting venture<br />
science policy during the for scientists, but to clarify<br />
sixties was what provided how priorities can be imple-<br />
the inspiration to develop mented in a way that really<br />
modern methods of for- promotes science rather than<br />
ward-looking action. But impeding it.<br />
it is important to note It almost goes without say-<br />
that one was inspired to ing that setting and imple-<br />
do things differently. menting priorities in today’s<br />
science, which is organised like<br />
a business, means that the finance flows<br />
in research have to be influenced. Such influence<br />
is justified if solely for the reason that<br />
science cannot demand block funding by referring<br />
to its autonomy and is not entitled to<br />
disposing of the funds without giving account<br />
of how they are used. This applies to private<br />
and public funding alike. Tax money in particular<br />
must not become what providers of<br />
venture capital refer to as “stupid money”.<br />
Not that I wish to suggest that this has so<br />
far been the case. Of course the individual<br />
funding organisations are just as circumspect<br />
when they set priorities as the Federal Ministry<br />
for Education and Research is when it<br />
funds projects. It is only that it has often been<br />
stressed in the course of the evaluation of the<br />
Winfried Schulze..<br />
23<br />
various sectors over the last few years that<br />
the transparency of the methods with which<br />
this is carried out needs to be further improved,<br />
which would also mean clarifying the<br />
strategy on which individual decisions were<br />
based and making it an integral element of<br />
how a respective organisation sees itself. Just<br />
to mention two examples, the international<br />
commission entrusted with evaluating the<br />
<strong>Deutsche</strong> Forschungsgemeinschaft and the<br />
Max-Planck-Society has recommended the<br />
<strong>Deutsche</strong> Forschungsgemeinschaft that it<br />
move towards becoming a more dynamic,<br />
strategically acting institution of research<br />
funding. For the Helmholtz-Association, the<br />
Science Council has conceived recommendations<br />
in the course of its system evaluation<br />
as to how the new funding methods could be<br />
combined with a truly transparent strategic<br />
development. Partly of their own accord and<br />
partly prompted from the outside, other organisations<br />
have developed methods themselves<br />
and already gathered initial experience.<br />
Prof. Dr. Winfried Schulze,<br />
University of Munich, has been<br />
chairman of the Science Council,<br />
Cologne, until January<br />
2001.
Zusammenfassung<br />
In den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg war das bundesdeutsche Innovationssystem<br />
von Kontinuitäten und Brüchen bestimmt. Einerseits<br />
wurden <strong>die</strong> Autonomie der wissenschaftlichen Selbstverwaltung<br />
und der kulturpolitische Primat der Länder<br />
wiederhergestellt; andererseits finden wir einen<br />
schleichenden Machtzuwachs des Zentralstaates vor.<br />
Die Orientierung am Modell USA seit den 60er Jahren<br />
führte auch zu einer Neubewertung der Planung von<br />
Forschung. Die wachsenden Spannungen zwischen<br />
Tradition und Innovation mündeten in <strong>die</strong> forschungspolitischen<br />
Reformen der siebziger Jahre, in<br />
denen das System öffentlich finanzierter Forschung zu<br />
einer neuen Arbeitsteilung strukturiert wurde. Die<br />
24<br />
Festschreibung des institutionellen Status Quo in der<br />
1975 zwischen Bund und Ländern geschlossenen Rahmenvereinbarung<br />
Forschungsförderung beendete <strong>die</strong><br />
Phase der Durchlässigkeit der Innovationslandschaft.<br />
Erst <strong>die</strong> umfassende Systemevaluation nach der<br />
Wiedervereinigung hat es neuerlich ermöglicht, das<br />
institutionelle Innovationssystem an den Wandel der<br />
Innovationskultur anzupassen, in dem sich eine neue<br />
Vorstellung von der Komplexität des Innovationsprozesses<br />
Bahn zu brechen begann, <strong>die</strong> das lineare Modell<br />
tendenziell obsolet werden ließ.
Helmuth Trischler<br />
Als Historiker wähnt man sich<br />
auf Veranstaltungen wie <strong>die</strong>ser<br />
in der Rolle eines Para<strong>die</strong>svogels.<br />
Man zeigt, welche bunte Vögel sich<br />
in Gottes großem Zoo tummeln, und man<br />
singt ein paar wohlklingende Töne zur allgemeinen<br />
Erbaulichkeit. Aber am Ende<br />
bleibt doch der Eindruck, dass es sich hier<br />
um eine exotische Spezies handelt, <strong>die</strong>, im<br />
Käfig gehalten, lieblich anzuschauen und<br />
anzuhören ist, aber zur Gestaltung der Lebenswelt<br />
außerhalb <strong>die</strong>ses Käfigs letztlich<br />
doch wenig beizutragen hat. Ob unser<br />
Münchner Historikerkollege in seiner<br />
Amtszeit als <strong>Wissenschaft</strong>sratsvorsitzender<br />
<strong>die</strong>sen Eindruck widerlegt hat, muss<br />
ich Ihrer Beurteilung überlassen. Ich jedenfalls<br />
werde in <strong>die</strong>sem Vortrag versu-<br />
Vorträge..<br />
<strong>Foresight</strong> aus der<br />
Retrospektive<br />
Summary<br />
<strong>Foresight</strong> in retrospect:<br />
Setting priorities in the innovation system of the<br />
German Federal Republic since the nineteen-fifties<br />
During the first two decades after the Second World<br />
War, the innovation system of the German Federal Republic<br />
was characterised both by continuities and ruptures.<br />
On the one hand, the autonomy of academic selfgovernment<br />
and the cultural policy primate of the Länder<br />
were restored, but on the other, we can detect a gradual<br />
increase in the power of central government.<br />
Orientation on the USA as a model since the sixties also<br />
resulted in a reappraisal of how research was planned.<br />
Growing tension between tradition and innova-<br />
25<br />
chen, ausgehend von der aktuellen Diskussion<br />
um eine Prospektion <strong>für</strong> <strong>die</strong> Forschung<br />
den Blick zunächst einmal zurückzurichten,<br />
um danach zu fragen, welche<br />
Muster der Setzung von Schwerpunkten<br />
in der Forschung sich im deutschen<br />
Innovationssystem erkennen und wie sich<br />
<strong>die</strong>se erklären lassen. Letztlich geht es also<br />
darum, historisch gewachsene Stärken<br />
und Schwächen der Forschungs-, Technologie-<br />
und Innovationspolitik zu analysieren.<br />
Dabei werde ich drei Leitfragen nachgehen.<br />
Erstens: Welche Modelle der<br />
Schwerpunktsetzung lassen sich retrospektivisch<br />
herausarbeiten? Inwieweit also<br />
hält <strong>die</strong> Geschichte einen Vorrat an<br />
Ideen bereit, an den intertemporal – im<br />
tion led to the research policy reforms of the seventies,<br />
in which the system of public-funded research was restructured<br />
with a new division of labour. The fixation of<br />
the institutional status quo in the framework agreement<br />
on research funding between the Federal government<br />
and the Länder in 1975 ended the phase of<br />
permeability in the innovation landscape. It was only<br />
with the comprehensive system evaluation after reunification<br />
that an adaptation of the institutional innovation<br />
system to changes in innovation culture was<br />
made possible in recent years in which a new notion of<br />
the complexity of the innovation process began to<br />
break ground, showing a tendency to render the linear<br />
model obsolete.
Sinne eines Lernens aus der Geschichte –<br />
angeknüpft werden kann? Lassen sich<br />
vielleicht gar verschüttete Alternativen einer<br />
Schwerpunktbildung freilegen, <strong>die</strong> im<br />
realhistorischen Prozess nicht zum Tragen<br />
gekommen sind? Zweitens: Welche Konstellation<br />
von Zielsetzungen,<br />
Die Suche nach Mo- Motiven, Interessenlagen<br />
dellen der Schwer- und Entscheidungsfaktoren<br />
punktbildung in der Wis- haben konkrete Schwersenschaft<br />
führt den Hispunktbildungen im deuttoriker<br />
selbstredend hinschen Innovationssystem geter<br />
<strong>die</strong> 1950er Jahre zuprägt? Meine dritte Leitfrage<br />
rück. Bereits <strong>die</strong> Frühe gilt den Hemmnissen auf<br />
Neuzeit kannte Verfah- dem Weg zu einer systemaren,<br />
durch konzentrierte tisch betriebenen Prospek-<br />
wissenschaftliche Antion von Forschung und<br />
strengungenInnovatio- Technik in Deutschland.<br />
nen zu generieren. Die Suche nach Modellen<br />
der Schwerpunktbildung in<br />
der <strong>Wissenschaft</strong> führt den Historiker<br />
selbstredend hinter <strong>die</strong> 1950er Jahre zurück.<br />
Bereits <strong>die</strong> Frühe Neuzeit kannte<br />
Verfahren, durch konzentrierte wissenschaftliche<br />
Anstrengungen Innovationen<br />
zu generieren: Ich rekurriere hierbei vor<br />
allem auf <strong>die</strong> Preisausschreiben, <strong>die</strong> von<br />
den europäischen Akademien initiiert und<br />
organisiert wurden. Dieses Modell war auf<br />
<strong>die</strong> noch wenig institutionalisierte, auf<br />
dem individuellen Gelehrten in der Stu<strong>die</strong>rstube<br />
aufgebauten <strong>Wissenschaft</strong>slandschaft<br />
der Vormoderne zugeschnitten.<br />
Akute technische Probleme einer Gesellschaft,<br />
sei es <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> überseeische Expansion<br />
der europäischen Mächte so<br />
außerordentlich wichtige Entwicklung eines<br />
verlässlichen Schiffschronometers und<br />
Kompasses oder <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Maschinisierung<br />
in der Industrialisierung nicht minder<br />
wichtige Entwicklung der Dampfmaschine,<br />
<strong>die</strong>se Probleme sollten im Rückgriff<br />
auf den gesammelten wissenschaftlichen<br />
Sachverstand der Gelehrtenrepublik<br />
gelöst werden. Den Akademien kam<br />
hierbei <strong>die</strong> Aufgabe zu, <strong>die</strong> vorgeschlage-<br />
Vorträge..<br />
26<br />
nen Lösungen durch ein Peer Review Verfahren<br />
zu evaluieren, kurzum: im Grunde<br />
ein recht modern anmutendes Verfahren.<br />
Das sich in Deutschland besonders früh<br />
etablierende und ausdifferenzierte Innovationssystem<br />
beruhte im Kern auf dem<br />
Industrielabor, auf den forschungsorientierten<br />
Instituten der Universitäten und<br />
auf den Technischen Hochschulen. Im<br />
späten 19. und frühen 20. Jahrhundert,<br />
der Sattelzeit der modernen <strong>Wissenschaft</strong>spolitik,<br />
kamen eine ganze Reihe<br />
von außeruniversitären Forschungseinrichtungen<br />
hinzu, auf <strong>die</strong> der sich entfaltende<br />
Leistungs- und Interventionsstaat<br />
nun mehr und mehr angewiesen war. Neben<br />
einer Fülle von ressortbezogenen Forschungseinrichtungen<br />
sind hier vor allem<br />
<strong>die</strong> 1887 gegründete Physikalisch Technische<br />
Reichsanstalt und <strong>die</strong> 1911 gegründete<br />
Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zu nennen.<br />
Gerade an letzteren, den Kaiser-Wilhelm-Instituten,<br />
ließe sich zeigen, wie sehr<br />
<strong>die</strong> Konzentration wissenschaftlicher<br />
Ressourcen auf als zukunftsträchtig identifizierte<br />
Forschungsfelder das Handeln<br />
der Akteure in Staat, <strong>Wissenschaft</strong> und<br />
Wirtschaft bestimmte. Ob Elektrochemie<br />
oder Kohleforschung, stets war es <strong>die</strong><br />
Hoffnung, sich durch konzentrierte wissenschaftliche<br />
Anstrengungen komparative<br />
Vorteile im sich am Vorabend des Ersten<br />
Weltkrieges intensivierenden wirtschaftlichen<br />
und politischen Wettbewerb<br />
der Großmächte zu verschaffen. Wir sprechen<br />
daher von einer im internationalen<br />
Vergleich auffälligen Durchstaatlichung<br />
des deutschen Innovationssystems, <strong>die</strong><br />
sich durch das gesamte 20. Jahrhundert<br />
hindurchzieht.<br />
Erster Weltkrieg <strong>die</strong>nte als Katalysator<br />
Als Katalysator <strong>für</strong> eine ganze Reihe hier<br />
interessierender Vorgänge wirkte der Erste<br />
Weltkrieg. Er setzte einen bis in <strong>die</strong>
Gegenwart andauernden Prozess in Gang,<br />
der durch <strong>die</strong> wachsende gegenseitige<br />
Durchdringung von Staat, Wirtschaft und<br />
<strong>Wissenschaft</strong> gekennzeichnet ist. In <strong>die</strong>ser<br />
fundamentalen Krise nationaler Sicherheit<br />
lernten <strong>die</strong> kriegführenden Staaten, <strong>Wissenschaft</strong><br />
und Technik als existenziell<br />
wichtige Ressource zu begreifen. Um <strong>die</strong>se<br />
Ressource möglichst effizient zu nutzen,<br />
wurden neue Muster der Verknüpfung<br />
und Kooperation der beteiligten Teilsysteme<br />
geschaffen, <strong>die</strong> sich in ihrem Kern als<br />
erstaunlich stabil erwiesen. Hier wurzelt<br />
jene eng verschraubte Triple Helix von<br />
<strong>Wissenschaft</strong>, Staat und Wirtschaft, <strong>die</strong> <strong>für</strong><br />
moderne Gesellschaften so charakteristisch<br />
geworden ist.<br />
Autarkiepolitisch orientierte Forschung<br />
Der Erste Weltkrieg bewirkte zudem in<br />
Deutschland eine Weichenstellung, <strong>die</strong><br />
darauf abzielte, unter hohem Einsatz von<br />
Forschung und Technik eine vom Ausland<br />
unabhängige, autarke und damit potenziell<br />
wiederum kriegsfähige Wirtschaft zu<br />
realisieren. Unter staatlicher Förderung<br />
entstand ein ganzes System von Forschungseinrichtungen<br />
aus Industrielaboratorien,<br />
Hochschulen und außeruniversitären<br />
Instituten, in das <strong>die</strong> Großindustrie<br />
auf allen Stufen der Wissensproduktion<br />
eng eingebunden war. So führten alle<br />
industrienahen, anwendungsorientierten<br />
Kaiser-Wilhelm-Institute, <strong>die</strong> im Krieg<br />
und in der Weimarer Zeit gegründet wurden,<br />
offenkundig autarkiepolitisch ausgerichtete<br />
Forschungen durch, <strong>die</strong> im Grunde<br />
einen nächsten Krieg unter Abschnürung<br />
Deutschlands vom freien Weltmarkt<br />
antizipierten.<br />
Nicht von ungefähr entwickelte sich<br />
Deutschland in der Zwischenkriegszeit zu<br />
einer im internationalen Vergleich einzigartig<br />
verwissenschaftlichten Gesellschaft.<br />
Um 1930 wurden in Deutschland bereits<br />
Helmuth Trischler..<br />
27<br />
rund ein Prozent des Bruttosozialprodukts<br />
<strong>für</strong> Forschung und Entwicklung aufgewandt,<br />
ein Wert, den das auf vielen Gebieten<br />
als Weltmarktführer geltende Großbritannien<br />
mit etwa 0,4 Prozent des BSP bei<br />
weitem nicht erreichte. Diese außerordentlich<br />
hohen deutschen Ausgaben <strong>für</strong> eine<br />
autarkiepolitisch orientierte Forschung und<br />
Entwicklung führten das Land in eine gefährliche<br />
Pfadabhängigkeit, <strong>die</strong> Ulrich<br />
Wengenroth treffend als Käfighaltung des<br />
deutschen Innovationssystems bezeichnet<br />
hat. Diesem Prozess zur Abschnürung des<br />
Innovationsverhaltens vom Weltmarkt leisteten<br />
<strong>die</strong> Autarkiepolitik des Nationalsozialismus<br />
und <strong>die</strong> rüstungsorientierte Forschung<br />
des Dritten Reiches weiteren Vorschub.<br />
Letztlich gelang es Deutschland erst<br />
in den sechziger und siebziger Jahren, <strong>die</strong>sen<br />
Pfad wieder zu verlassen.<br />
Wir wissen heute dank einer intensiv<br />
betriebenen Forschung zur <strong>Wissenschaft</strong>sund<br />
Technikentwicklung im<br />
Dritten Reich, dass das Bild Nicht von ungefähr<br />
einer <strong>Wissenschaft</strong>lerge- entwickelte sich<br />
meinde, <strong>die</strong> vom Regime <strong>für</strong> Deutschland in der<br />
dessen expansionistische Zwischenkriegszeit zu ei-<br />
und verbrecherische Ziele in ner im internationalen<br />
Dienst genommen wurde, Vergleich einzigartig ver-<br />
schief hängt. Vielfach war es wissenschaftlichtenGe- nicht nur eine Selbstmobilisellschaft. Um 1930 wursierung<br />
der <strong>Wissenschaft</strong>ler den in Deutschland be-<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Ziele des Regimes, reits rund ein Prozent des<br />
sondern auch eine geschick- Bruttosozialprodukts <strong>für</strong><br />
te Nutzung der Bereitschaft Forschung und Entwick-<br />
der politischen Machthaber, lung aufgewandt, ein<br />
<strong>für</strong> vermeintlich kriegsrele- Wert, den das auf vielen<br />
vante Forschung erhebliche Gebieten als Weltmarkt-<br />
Mittel bereitzustellen, <strong>die</strong> führer geltende Großbri-<br />
den Aufbau neuer Fortannien mit etwa 0,4 Proschungseinrichtungenerzent<br />
des BSP bei weitem<br />
möglichte.<br />
Dessen ungeachtet leiste-<br />
nicht erreichte.<br />
te der Nationalsozialismus einem Prozess<br />
Vorschub, der im internationalen Vergleich<br />
ein signifikantes Charakteristikum
des deutschen Innovationssystems bildet:<br />
<strong>die</strong> institutionelle Ausdifferenzierung der<br />
Forschungslandschaft. Überspitzt formuliert<br />
kann man sagen, dass in<br />
Überspitzt formu- Deutschland <strong>für</strong> jeden Forliert<br />
kann man saschungsschwerpunkt, der als<br />
gen, dass in Deutschland solcher identifiziert und als<br />
<strong>für</strong> jeden Forschungs- zukunftsträchtig angesehen<br />
schwerpunkt, der als sol- wird, eine neue Forschungscher<br />
identifiziert und als einrichtung gegründet wird,<br />
zukunftsträchtig angese- während andere Systeme<br />
hen wird, eine neue For- eher dazu neigen, neue<br />
schungseinrichtungge- Schwerpunkte in bereits begründet<br />
wird, während stehenden Einrichtungen zu<br />
andere Systeme eher da- verankern.<br />
zu neigen, neue Schwer- Nicht wenige der in den<br />
punkte in bereits beste- späten 30er und frühen 40er<br />
henden Einrichtungen zu Jahren neugegründeten For-<br />
verankern. schungsinstitute wurden in<br />
<strong>die</strong> Bundesrepublik überführt,<br />
viele zunächst in erheblich verkleinerter<br />
Form, häufig aber als Kern eines raschen<br />
Wachstums. Soweit es <strong>die</strong> Forschung<br />
außerhalb der Wirtschaft betrifft,<br />
<strong>die</strong> uns hier interessiert, beruhte <strong>die</strong>ses<br />
Wachstum weitestgehend auf der Selbststeuerung<br />
der Scientific Community. Von<br />
einer konzertierten Aktion unter Beteiligung<br />
von Akteuren aus <strong>Wissenschaft</strong>,<br />
Wirtschaft und Staat kann in der Bundesrepublik<br />
lange Zeit keine Rede sein. Im<br />
Gegenteil: Die <strong>Wissenschaft</strong> zog aus dem<br />
Nationalsozialismus <strong>die</strong> Lehre, dass eine<br />
Beteiligung des Staates an forschungsbezogenen<br />
Entscheidungsprozessen so weit wie<br />
möglich zu vermeiden sei.<br />
Als wirksamste Barriere gegen eine erneute<br />
In<strong>die</strong>nstnahme der <strong>Wissenschaft</strong><br />
galt <strong>die</strong> umfassende Wiederherstellung der<br />
Autonomie der <strong>Wissenschaft</strong> und <strong>die</strong><br />
Rückverlagerung kultur- und wissenschaftspolitischer<br />
Zuständigkeit in <strong>die</strong><br />
Kompetenz der Länder. Jegliche Planung<br />
von <strong>Wissenschaft</strong>, <strong>die</strong> nicht ausschließlich<br />
von der <strong>Wissenschaft</strong> selbst betrieben<br />
wurde, galt bis weit in <strong>die</strong> 60er Jahre hin-<br />
Vorträge..<br />
28<br />
ein als perhorreszierter Rückfall in <strong>die</strong> totalitäre<br />
Vergangenheit.<br />
Sofern im planungsfeindlichen Klima<br />
der Nachkriegsjahre Prospektion im Sinne<br />
einer gezielten Setzung forschungspolitischer<br />
Schwerpunkte betrieben wurde,<br />
wuchs sie aus der <strong>Wissenschaft</strong> selbst heraus.<br />
Eine aktive, den Staat einbindende<br />
Schwerpunktsetzung, wie sie in Nordrhein-Westfalen<br />
in den 50er und 60er Jahren<br />
der ehemalige Nachrichtentechniker<br />
Leo Brandt und <strong>die</strong> von ihm geleitete Arbeitsgemeinschaft<br />
<strong>für</strong> Forschung betrieb,<br />
ist hier <strong>die</strong> Ausnahme, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Regel bestätigt.<br />
Nicht von ungefähr galten Brandts<br />
vielfältige Initiativen zur Bildung neuer<br />
Forschungsschwerpunkte in den etablierten<br />
Kreisen der Politik und <strong>Wissenschaft</strong><br />
als „Brandtstiftungen“, und es kostete den<br />
bisweilen geradezu verzweifelnden Ministerpräsidenten<br />
Franz Meyers alle erdenkliche<br />
Mühe, seinen betont antibürokratisch<br />
agierenden Staatssekretär einzubremsen.<br />
Kernenergie als Einfallstor des Bundes<br />
Eine <strong>die</strong>ser Brandtstiftungen war <strong>die</strong><br />
Kernforschungsanlage Jülich, <strong>die</strong> das<br />
Land NRW finanziell bald hoffnungslos<br />
überforderte und den Bund veranlasste,<br />
nolens volens den Löwenanteil der Finanzierung<br />
von Jülich zu übernehmen.<br />
Ohnehin wurde <strong>die</strong> Kernenergie zum Einfallstor<br />
des Bundes in <strong>die</strong> Kulturautonomie<br />
der Länder – das erste Bundesministerium<br />
mit forschungspolitischem Zuschnitt<br />
hieß nicht von ungefähr Bundesministerium<br />
<strong>für</strong> Atomfragen – und auch<br />
zu einem neuen Modell der Organisation<br />
und Finanzierung von Forschung. In rascher<br />
Folge entstanden Mitte der 50er<br />
Jahre, nachdem <strong>die</strong> alliierten Forschungsverbote<br />
durch <strong>die</strong> Pariser Verträge endgültig<br />
gefallen waren, eine ganze Handvoll<br />
von Reaktorstationen. Diese in der
deutschen Innovationsgeschichte einzigartige<br />
Bündelung wissenschaftlicher Aktivitäten<br />
auf eine Technologie wurde von<br />
der politischen Vision getragen, durch <strong>die</strong><br />
Erschließung der als unerschöpflich angesehenen<br />
Kernkräfte der rohstoffarmen,<br />
unter Kohlenot leidenden Bundesrepublik<br />
den Weg in eine buchstäblich „strahlende“<br />
Zukunft zu eröffnen. In institutioneller<br />
Hinsicht wurde <strong>die</strong> vom Staat getragene<br />
Großforschung zum innovationspolitischen<br />
Hoffnungsträger der Nachkriegsjahrzehnte.<br />
In der <strong>Wissenschaft</strong>ssoziologie und<br />
<strong>Wissenschaft</strong>sgeschichte gilt <strong>die</strong> Großforschung<br />
als derjenige Forschungstypus, der<br />
genau im Mittelpunkt eines von Staat,<br />
Wirtschaft und <strong>Wissenschaft</strong> gebildeten<br />
Dreiecks verortet ist. Tatsächlich aber war<br />
in der Atomforschung <strong>die</strong> Wirtschaft lange<br />
Zeit außen vor. Die Industrie war ein<br />
Reluctant Partner, der unter massivem<br />
staatlichem Druck zum Jagen getragen<br />
werden musste. Die bun-<br />
Die bundesdeutdesdeutsche Kernenergie<br />
sche Kernenergie wurde demzufolge von<br />
wurde von einem Science einem Science Push be-<br />
Push bestimmt, der an stimmt, der an den Kräf-<br />
den Kräften des Marktes ten des Marktes vorbei<br />
vorbei auf eine eigen- auf eine eigenständige<br />
ständige nationale Ent- nationale Entwicklungswicklungslinie<br />
abzielte. linie abzielte. Hier zeigt<br />
Hier zeigt sich noch ein- sich noch einmal jener<br />
mal jener historische In- historische Innovationsnovationspfad,<br />
der unter pfad, der unter erhebli-<br />
erheblichem Aufwand an chem Aufwand an For-<br />
Forschung und Entwickschung und Entwicklung<br />
lung eng definierte natio- eng definierte nationalnalwirtschaftliche<br />
Ziele wirtschaftliche Ziele ver-<br />
verfolgte. folgte.<br />
In den späten 60er<br />
und frühen 70er Jahren verdichtete sich<br />
der Wandel des deutschen Innovationssystems<br />
in historisch einzigartiger Weise.<br />
Im folgenden werde ich in fünf Punkten<br />
argumentieren, dass sich in <strong>die</strong>sem knap-<br />
Helmuth Trischler..<br />
29<br />
pen Jahrzehnt <strong>die</strong> Mechanismen der<br />
Schwerpunktsetzung und mit ihnen <strong>die</strong><br />
institutionellen und kulturellen Voraussetzungen<br />
<strong>für</strong> eine Forschungsprospektion<br />
ganz entscheidend änderten.<br />
Erstens stiegen <strong>die</strong> Aufwendungen <strong>für</strong><br />
Forschung und Entwicklung<br />
rapide an, und <strong>die</strong>s gilt Der Wachstums-<br />
sowohl <strong>für</strong> den Staat als schub der späten<br />
auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wirtschaft. 60er Jahre verdankt sich<br />
Cum grano salis lässt sich vor allem der Wahrneh-<br />
sagen, dass Staat und Wirtmung einer technologischaft<br />
in den „langen siebzischen Lücke der Länder<br />
ger Jahren“ zu <strong>die</strong>sem Westeuropas zu den USA.<br />
Wachstum gleich viel beisteuerten.<br />
In den 80er Jahren wurde das<br />
Input-Wachstum dann verstärkt von der<br />
Wirtschaft getragen.<br />
Der Wachstumsschub der späten 60er<br />
Jahre verdankt sich vor allem der Wahrnehmung<br />
einer technologischen Lücke<br />
der Länder Westeuropas zu den USA. Im<br />
Anschluss an das Internationale Statistische<br />
Jahr legte <strong>die</strong> Organisation <strong>für</strong> wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(OECD) 1964 erstmals Statistiken<br />
vor, <strong>die</strong> einen systematischen Vergleich<br />
zwischen den Ausgaben der führenden<br />
Industriestaaten <strong>für</strong> Forschung<br />
und Entwicklung ermöglichten. Die<br />
OECD-Daten zeigten, dass <strong>die</strong> FuE-Ausgaben<br />
der USA <strong>für</strong> das Erhebungsjahr<br />
1962 rund fünfzehnmal höher waren als<br />
<strong>die</strong>jenigen der westeuropäischen Staaten.<br />
Ein direkter Zusammenhang zwischen der<br />
Höhe der FuE-Aufwendungen und der<br />
internationalen Führungsposition der US-<br />
Wirtschaft schien evident. Heute wissen<br />
wir, dass <strong>die</strong> technologische Lücke auf einer<br />
Überbewertung des amerikanischen<br />
Vorsprungs in einigen wenigen Hochtechnologiebereichen<br />
wie Flugzeugbau, Raumfahrt<br />
und Mikroelektronik beruhte. In den<br />
Nachkriegsjahrzehnten hatte sich das Produktivitätsgefälle<br />
zwischen den USA und<br />
Westeuropa gar verringert. Als <strong>die</strong> tech-
nologische Lücke entdeckt wurde, befand<br />
sie sich also in einer Phase des Schrumpfens.<br />
Die Wahrnehmung der Zeitgenossen<br />
war jedoch eine andere. Sie richtete sich<br />
auf das vergleichsweise niedrige Niveau<br />
der staatlichen Forschungsförderung. Vor<br />
dem Hintergrund der Rezession Mitte der<br />
sechziger Jahre, <strong>die</strong> gerade in der Bundesrepublik<br />
<strong>die</strong> Wirtschaft nach einer langen<br />
Phase außerordentlich hoher Wachstumsraten<br />
völlig unvorbereitet traf, wurde allenthalben<br />
<strong>die</strong> Forderung nach einer aktiven,<br />
jenseits der föderalen Kulturhoheit<br />
vor allem vom Bund getragenen Forschungs-<br />
und Technologiepolitik des Staates<br />
laut.<br />
Transatlantischer Diskurs<br />
Die Debatte um <strong>die</strong> technologische Lücke<br />
zu den USA verweist zweitens auf einen<br />
transatlantischen Diskurs um wissenschaftsorganisationelles<br />
Lernen, der sich<br />
wie ein roter Faden durch das 20. Jahrhundert<br />
zieht. Wie sehr gerade Deutschland<br />
und <strong>die</strong> USA in der institutionellen<br />
Ausgestaltung ihrer Innovationssysteme<br />
und in der forschungspolitischen Schwerpunktsetzung<br />
aufeinander bezogen waren,<br />
ließe sich an Dutzenden von Beispielen<br />
aufzeigen. Während bis weit in <strong>die</strong> erste<br />
Hälfte des 20. Jahrhundert hinein <strong>die</strong> USA<br />
von Deutschland lernten, kehrte sich in<br />
der zweiten Jahrhunderthälfte das Verhältnis<br />
um. Ob Großforschung oder Vertragsforschung,<br />
ob Kernforschung oder<br />
Mikroelektronik, stets <strong>die</strong>nten <strong>die</strong> USA als<br />
Vorbild – oder auch Vexierbild –, und <strong>die</strong><br />
jeweilige Ausgestaltung der Schwerpunktsetzung<br />
ist ohne den direkten Rekurs<br />
auf <strong>die</strong> USA nicht zu verstehen.<br />
Drittens: Re-Regionalisierung der Forschungspolitik.<br />
Paradoxerweise war es der<br />
spätere Bundesforschungsminister Volker<br />
Hauff, der Mitte der 70er Jahre <strong>die</strong> Länder<br />
als Motoren des technologischen und wirt-<br />
Vorträge..<br />
30<br />
schaftlichen Strukturwandels wiederentdeckte.<br />
Sein gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler<br />
Fritz W. Scharpf entwickeltes<br />
Konzept der Forschungspolitik als<br />
Strukturpolitik forderte den gezielten Einsatz<br />
neuer Förderinstrumente<br />
zur Ansiedlung von forInnovationsfördeschungs- und technologierung gilt seither als<br />
intensiven Industrien. Die politische Wunderwaffe<br />
volkswirtschaftliche Theorie im regionalen und loka-<br />
zog nach und entwickelte len Konkurrenz um<br />
das Konzept einer Innova- Standortvorteile und <strong>die</strong><br />
tionsorientiertenRegional- gezielte Herausbildung<br />
politik, das <strong>die</strong> Regionen als und Förderung von High-<br />
Lokomotiven zur Überwin- Tech-Regionen.<br />
dung der Wachstumsschwächen<br />
der bundesdeutschen Wirtschaft lokalisierte.<br />
In <strong>die</strong>ser Phase schossen <strong>die</strong><br />
Hoffnungen, mit wissenschafts- und technologiepolitischenSteuerungsmaßnahmen<br />
dem wirtschaftlichen Strukturwandel<br />
nachhaltige Impulse geben zu können,<br />
ins Kraut. Allenthalben wurden regionale<br />
Förderprogramme aufgelegt sowie Gründerzentren,<br />
Technologieparks, Technologietransfereinrichtungen<br />
und Innovationsberatungsstellen<br />
aus dem Boden gestampft.<br />
Innovationsförderung gilt seither<br />
als politische Wunderwaffe in der regionalen<br />
und lokalen Konkurrenz um Standortvorteile<br />
und <strong>die</strong> gezielte Herausbildung<br />
und Förderung von High-Tech-Regionen.<br />
Neubewertung der Forschungsplanung<br />
Viertens: Die Orientierung am Modell<br />
USA zeigt sich auch an einer Neubewertung<br />
der Planung von Forschung. Die von<br />
jenseits des Atlantiks heranrollende Planungswelle<br />
überrollte schließlich auch <strong>die</strong><br />
bundesdeutsche <strong>Wissenschaft</strong>, und sie<br />
spülte jene kritischen Stimmen weg, <strong>die</strong><br />
in der Planung ein mit der Freiheit der<br />
<strong>Wissenschaft</strong> unvereinbares Übel sahen.<br />
Die Planungseuphorie jener Phase zeigt<br />
sich in dem Willen der Bundesregierung,
strategische Forschungsfelder zu identifizieren<br />
und gezielt zu fördern. Die vom<br />
Bundesforschungsministerium aufgelegten<br />
Fachprogramme <strong>für</strong> Datenverarbeitung<br />
(1967), Meeresforschung (1968) und<br />
Neue Technologien (1968) waren das Ergebnis<br />
einer gezielten Suche nach neuen<br />
Wegen, <strong>die</strong> vieldiskutierte technologische<br />
Lücke zu den USA zu schließen und mit<br />
massiver staatlicher Unterstützung Innovationen<br />
zu generieren, <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zukunft<br />
von Wirtschaft und Gesellschaft von<br />
zentraler Bedeutung sein würden.<br />
Optimismus wich der Enttäuschung<br />
Der technokratische Optimismus, mit forschungspolitischen<br />
Programmen <strong>die</strong> vermeintlich<br />
innovationsschwache bundesdeutsche<br />
Wirtschaft gleichsam über Nacht<br />
in eine strahlende Zukunft führen zu können,<br />
ebbte jedoch spätestens nach der ersten<br />
Ölpreiskrise 1973 ab und wich einer<br />
forschungspolitischen Generallinie, <strong>die</strong> ihre<br />
Aufgabe eher in der globalen Steuerung<br />
der Rahmenbedingungen des Innovationssystems<br />
sah als in gezielten Eingriffen in<br />
<strong>die</strong>ses System. In <strong>die</strong>ser Phase schwang das<br />
Pendel wieder zurück und <strong>die</strong> Enttäuschung<br />
über <strong>die</strong> ausgebliebenen Erfolge<br />
staatlicher Forschungsplanung engte den<br />
Handlungsspielraum <strong>für</strong> eine Prospektion<br />
der Forschung einerseits neuerlich ein; andererseits<br />
befreite sich letztere vor überzogenen<br />
Erwartungen in eine staatlich gelenkte<br />
Planbarkeit von <strong>Wissenschaft</strong>.<br />
Schließlich hatten sich fünftens als Folge<br />
jener Planungseuphorie <strong>die</strong> wissenschaftlichen<br />
Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Forschungsprospektion<br />
erheblich verbessert.<br />
Struktur und Organisation des<br />
Forschungssystems<br />
In den siebziger Jahren fand das System<br />
öffentlich finanzierter Forschung in einem<br />
Akt nachholender Rationalisierung kon-<br />
Helmuth Trischler..<br />
31<br />
tingenter Entwicklungen zu einer neuen<br />
Arbeitsteilung. Die historische Auffächerung<br />
des Spektrums von Typen institutionalisierter<br />
<strong>Wissenschaft</strong> schlug sich in<br />
neugebildeten Säulen staatlicher Forschung<br />
nieder, denen <strong>die</strong> nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg entstandenen Aufgabenfelder<br />
der Großforschung (Arbeitsgemeinschaft<br />
der Großforschungseinrichtungen<br />
[AiF]) und der Vertragsforschung (Fraunhofer-Gesellschaft<br />
[FhG]) zugewiesen<br />
wurden. Als Auffangbecken<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> sonstigen Einrich- In <strong>die</strong>ser Phase des<br />
tungen, denen man „gepolitisch-gesellsamtstaatliche Bedeutung“ schaftlichen Umbruchs<br />
zumaß, wurde <strong>die</strong> „Blaue war das Fenster des insti-<br />
Liste“ geschaffen. Im Gegentutionellen Wandels weit<br />
zug wurden <strong>die</strong> traditiona- geöffnet und <strong>die</strong> DurchlenSelbstverwaltungsorgalässigkeit<br />
zwischen den<br />
nisationen (also DFG und Teilsystemen bemerkens-<br />
MPG) von ihnen „wesenswert hoch. Max-Planckfremden“<br />
Aufgaben entlas- Institute, wie das Gartet.<br />
Die MPG wurde auf <strong>die</strong> chinger Institut <strong>für</strong> Plas-<br />
Grundlagenforschung redumaphysik (IPP), konnten<br />
ziert und <strong>die</strong> DFG auf <strong>die</strong> zu Großforschungsein-<br />
Förderung der Hochschulrichtungen werden oder<br />
forschung festgelegt.<br />
auch, wie das Würzburger<br />
In <strong>die</strong>ser Phase des poli- Institut <strong>für</strong> Silicatfortisch-gesellschaftlichenUmschung<br />
(ISC), zu Fraunhobruchs<br />
war das Fenster des fer-Instituten mutieren.<br />
institutionellen Wandels<br />
weit geöffnet und <strong>die</strong> Durchlässigkeit zwischen<br />
den Teilsystemen bemerkenswert<br />
hoch. Max-Planck-Institute, wie das Garchinger<br />
Institut <strong>für</strong> Plasmaphysik (IPP),<br />
konnten zu Großforschungseinrichtungen<br />
werden oder auch, wie das Würzburger<br />
Institut <strong>für</strong> Silicatforschung (ISC), zu<br />
Fraunhofer-Instituten mutieren. Der FhG<br />
wiederum wurde als gesamtstaatliche Säule<br />
<strong>für</strong> angewandte Forschung bzw. Vertragsforschung<br />
ein neues Aufgabenfeld zugewiesen.<br />
Im Zuge <strong>die</strong>ser Redefinition ihrer<br />
Position im bundesdeutschen Innovationssystem<br />
gründete sie nicht nur neue<br />
Forschungseinrichtungen, sondern über-
nahm auch eine Reihe von Instituten anderer<br />
Träger und gab ihrerseits Institute<br />
und Arbeitsgruppen an andere Forschungseinrichtungen<br />
ab. Die Festschreibung<br />
des institutionellen Status Quo in<br />
der 1975 zwischen dem Bund und den<br />
Ländern geschlossenen Rahmenvereinbarung<br />
Forschungsförderung beendete <strong>die</strong><br />
Phase der Durchlässigkeit der Innovationslandschaft.<br />
Erst <strong>die</strong> umfassende Systemevaluation<br />
nach der Wiedervereinigung<br />
hat es ermöglicht, das institutionelle<br />
Innovationssystem an den Wandel der<br />
Innovationskultur anzupassen. Was heute<br />
als Sensation gilt, <strong>die</strong> Umwandlung der<br />
Großforschungseinrichtung GMD zu einer<br />
Einrichtung der FhG, war in den siebziger<br />
Jahren – überspitzt formuliert – an<br />
der forschungspolitischen Tagesordnung.<br />
Die Beispiele der Fraunhofer-Gesellschaft<br />
und der Großforschungseinrichtungen<br />
zeigen erstens, in welch hohem<br />
Maß amerikanische Konzepte der Innovationsgenese<br />
als Vorbilder <strong>für</strong> <strong>die</strong> Reorganisation<br />
und Ausdifferenzierung des<br />
bundesdeutschen Systems <strong>die</strong>nten. Die<br />
amerikanischen Modelle der Big Science<br />
und der marktorientierten Contract Research<br />
konnten jedoch nicht einfach übernommen<br />
werden. Sie mussten vielmehr an<br />
<strong>die</strong> historisch gewachsene Innovationskultur<br />
angepasst werden. Zweitens zeigen<br />
Großforschung und Vertragsforschung,<br />
dass trotz langer Debatten über <strong>die</strong> Sinnhaftigkeit<br />
der Übernahme amerikanischer<br />
Forschungskonzepte erst <strong>die</strong> siebziger Jahre<br />
das Fenster des Wandels weit genug öffneten,<br />
um <strong>die</strong>sen in der Bundesrepublik<br />
zum Durchbruch zu verhelfen.<br />
Innovationspolitik im föderalen<br />
System<br />
In den ersten beiden Jahrzehnten nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg war das bundesdeutsche<br />
Innovationssystem von Kontinuitäten<br />
und Brüchen bestimmt. Einer-<br />
Vorträge..<br />
32<br />
seits wurde <strong>die</strong> Autonomie der wissenschaftlichen<br />
Selbstverwaltung und der<br />
kulturpolitische Primat der Länder<br />
wiederhergestellt; andererseits finden wir<br />
einen schleichenden Machtzuwachs des<br />
Zentralstaates vor. Die wachsenden Spannungen<br />
zwischen Tradition<br />
und Innovation mündeten in Mit der formalen<br />
<strong>die</strong> forschungspolitischen Absicherung der<br />
Reformen der langen siebzi- zentralstaatlichen Einger<br />
Jahre. Mit der formalen flussnahme in Artikel 91a<br />
Absicherung der zentralstaat- und 91b des Grundgesetlichen<br />
Einflussnahme in Arzes (1969) und dem Austikel<br />
91a und 91b des Grundtarieren der Machtvergesetzes<br />
(1969) und dem hältnisse zwischen Bund<br />
Austarieren der Machtver- und Ländern durch <strong>die</strong><br />
hältnisse zwischen Bund und Rahmenvereinbarung<br />
Ländern durch <strong>die</strong> Rahmen- Forschungsförderung<br />
vereinbarungForschungsför- (1975) fand der konfliktderung<br />
(1975) fand der konträchtige Prozess einer<br />
fliktträchtige Prozess einer Neugewichtung des<br />
Neugewichtung des staat- staatlichen Einflusses auf<br />
lichen Einflusses auf das In- das Innovationssystem<br />
novationssystem einen vor- einen vorläufigen Abläufigen<br />
Abschluss. Die Rahschluss.menvereinbarung war der<br />
spektakulärste Erfolg jener politischen Innovation,<br />
<strong>die</strong> als Kooperativer Föderalismus<br />
auf <strong>die</strong> Überwindung von Reformblockaden<br />
abzielt, welche im komplexen politischen<br />
Ordnungssystem der Bundesrepublik<br />
strukturell angelegt sind.<br />
Die Rahmenvereinbarung trennt <strong>die</strong><br />
Föderalismusdebatte der langen siebziger<br />
Jahre wie eine Wasserscheide in eine erste,<br />
vom Bund dominierte Hälfte und eine<br />
zweite, <strong>die</strong> sich mit dem Begriff Re-Regionalisierung<br />
fassen lässt. Im Streben nach<br />
einer gezielten, vom Zentralstaat gesteuerten<br />
Innovationsförderung hatte der<br />
Bund – wie erwähnt – <strong>die</strong> Großforschungseinrichtungen<br />
und auch <strong>die</strong> FhG zu seiner<br />
politischen Hausmacht ausgebaut. Die<br />
überlegene Finanzkraft des Bundes zwang<br />
<strong>die</strong> Länder in <strong>die</strong> Defensive, und setzte sie<br />
unter zunehmenden Legitimationsdruck.
Manchen von uns mögen Parallelen zur<br />
aktuellen <strong>Foresight</strong>-Diskussion in der <strong>Wissenschaft</strong><br />
ins Auge stechen.<br />
Ausdifferenzierung des Instrumentariums<br />
der Innovationsförderung<br />
Kennzeichnend <strong>für</strong> <strong>die</strong> siebziger Jahre ist<br />
das Übergewicht der direkten Maßnahmen<br />
in der Forschungsförderung. In Anlehnung<br />
an keynesianische Konzepte antizyklischer<br />
Finanzpolitik sollte <strong>die</strong> direkte<br />
Förderung technologischer Innovationen<br />
<strong>die</strong> krisengeschüttelte Wirtschaft aus der<br />
Rezession herausführen. Als bevorzugtes<br />
Instrument <strong>die</strong>nten Fachprogramme <strong>für</strong><br />
einzelne Technologiefelder, <strong>die</strong> ab 1967 in<br />
rascher Folge aufgelegt wurden. Den Auftakt<br />
machte das Programm zur Förderung<br />
der Datenverarbeitung. Es sollte <strong>die</strong><br />
bundesdeutsche Computerindustrie in <strong>die</strong><br />
Lage versetzen, <strong>die</strong> technologische Lücke<br />
zum Weltmarktführer, dem amerikanischen<br />
Unternehmen IBM, zu schließen und<br />
kam denn auch vor allem Siemens zugute.<br />
In der zweiten Hälfte der 70er Jahre<br />
wandte sich das Interesse mehr dem Sektor<br />
der kleinen und mittleren Unternehmen<br />
zu. In der politischen Diskussion der<br />
europäischen Öffentlichkeit erhielten <strong>die</strong><br />
Economies of Scale ein negatives Vorzeichen.<br />
Small is beautiful lautete der Buchtitel<br />
des Wachstumskritikers Ernst Friedrich<br />
Schumacher, das 1973 im englischen<br />
Original veröffentlicht wurde und im Kontext<br />
der ersten Ölpreiskrise als Chance erschien,<br />
im Vertrauen auf <strong>die</strong> Flexibilität<br />
kleiner Einheiten der kräftig ins Schlingern<br />
geratenen Wirtschaft neue Impulse<br />
zu verleihen.<br />
Als Erhebungen ergaben, dass drei Viertel<br />
der FuE-Mittel des Bundes <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
Wirtschaft an nur gerade 15 Großunternehmen<br />
und 93 Prozent an nur 50 Empfänger<br />
gegangen waren, war eine nachhaltige<br />
Kurskorrektur angesagt. In seiner Regierungserklärung<br />
kündigte Helmut<br />
Helmuth Trischler..<br />
33<br />
Schmidt 1976 dann ein „Forschungs- und<br />
technologiepolitisches Gesamtkonzept der<br />
Bundesregierung <strong>für</strong> kleine und mittlere<br />
Unternehmungen“ an, das 1978 in ein Gesamtprogramm<br />
<strong>für</strong> den industriellen<br />
Mittelstand mündete. Mehr als je zuvor<br />
steuerte der Staat den Innovationsprozess<br />
über den Hebel der Finanz- und Steuergesetzgebung.<br />
Politisch innovativ war auch<br />
<strong>die</strong> Wagnisfinanzierungsgesellschaft, <strong>die</strong><br />
1975 auf Anregung der Bundesregierung<br />
als gemeinsame Aktion von Unternehmen<br />
der Kreditwirtschaft gegründet wurde.<br />
Am Ende der siebziger Jahre hatte sich<br />
der Katalog der Maßnahmen zur Förderung<br />
des Innovationsprozesses erheblich<br />
ausgeweitet. Je nach Sichtweise mochte<br />
man <strong>die</strong>se Expansion des Instrumentariums<br />
staatlicher Forschungsund<br />
Technologiepolitik als In der zweiten Hälf-<br />
wild wucherndes Dickicht te der 70er Jahre<br />
ansehen, in dem sich nur wandte sich das Interesse<br />
noch ausgesprochene Ex- mehr dem Sektor der<br />
perten zurechtfinden konn- kleinen und mittleren<br />
ten, oder als wirkungsvolle Unternehmen zu. In der<br />
Verstärkung des Innova- politischen Diskussion<br />
tionsnetzes. Eingewoben in der europäischen Öffent-<br />
<strong>die</strong>ses Netzwerk waren als lichkeit erhielten <strong>die</strong> Eco-<br />
Knotenpunkte oder Verbinnomies of Scale ein negadungssträngeEinrichtuntives<br />
Vorzeichen.<br />
gen, <strong>die</strong> den Transfer von<br />
Forschungsergebnissen in marktfähige<br />
Produkte gewährleisten und beschleunigen<br />
sollten. Wie wirksam – oder besser<br />
wenig wirksam – <strong>die</strong>se Mediatoren des Innovationsprozesses<br />
waren, mag dahingestellt<br />
bleiben. Von Interesse ist hier vielmehr,<br />
dass sich in dem Modell des Transfers<br />
eine neue Vorstellung von der Komplexität<br />
des Innovationsprozesses Bahn zu<br />
brechen begann, <strong>die</strong> das lineare Modell<br />
tendenziell obsolet werden ließ.<br />
Innovationsdiskurse<br />
Die siebziger Jahre prägt ein Tableau von<br />
Debatten, <strong>die</strong> um <strong>die</strong> Begriffe Technologie
und Innovation kreisten. Man braucht<br />
kein Verfechter des Linguistic Turn zu<br />
sein, um an <strong>die</strong> gesellschaftliche Wirkungsmacht<br />
von öffentlich geführten Diskursen<br />
zu glauben. Dass das Reden über<br />
Technik, das Reden über Innovationen,<br />
Wirklichkeiten schaffen und bestimmen<br />
kann, hat unser Blick auf den Begriff des<br />
Technologietransfers bereits deutlich gezeigt.<br />
Welches sind nun <strong>die</strong> Leitbegriffe der<br />
siebziger Jahre? Auffällig ist zunächst <strong>die</strong><br />
Renaissance des Schumpeterschen Innovationsbegriffes<br />
selbst, der als Schlüsselfaktor<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> technologische Modernisierung<br />
der Wirtschaft zu neuen Ehren kam.<br />
Weitere diskursbestimmende Stichworte<br />
sind bereits gefallen: Die semantischen<br />
Konstruktionen der technologischen Lücke<br />
und der amerikanischen Herausforderung<br />
verliehen nicht nur dem säkularen<br />
Amerika-Diskurs neue Impulse. Sie signalisieren<br />
auch eine wachsende Sensibilisierung<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Bedeutung der Bündelung der<br />
Kräfte auf europäischer Ebene, um der<br />
drohenden amerikanischen Dominanz auf<br />
den Weltmärken entgegenwirken zu können.<br />
Zwar hatten sich bereits in den 50er<br />
Jahren auf dem Gebiet der Hochenergiephysik<br />
(CERN) und der<br />
Zwar hatten sich Kernenergie (EURATOM)<br />
bereits in den 50er europäische Forschungs-<br />
Jahren auf dem Gebiet kooperationenherausgebil- der Hochenergiephysik det, aber erst in den siebzi-<br />
(CERN) und der Kernenerger Jahren ero<strong>die</strong>rten <strong>die</strong> nagie<br />
(EURATOM) europäitionalen Innovationssysteme<br />
scheForschungskoopera- auf breiterer Front.<br />
tionen herausgebildet, Ab Mitte der 60er Jahre<br />
aber erst in den siebziger wuchs stattdessen <strong>die</strong> Euro-<br />
Jahren ero<strong>die</strong>rten <strong>die</strong> päische Gemeinschaft in <strong>die</strong><br />
nationalen Innovations- Rolle eines wichtigen Aksysteme<br />
auf breiterer teurs im Innovationsgesche-<br />
Front. hen hinein. Gleichwohl ist<br />
kritisch zu bilanzieren:<br />
Während <strong>die</strong> Industrie- und Kapitalmärkte<br />
in wachsendem Tempo globalisierten<br />
Vorträge..<br />
34<br />
und immer mehr Großunternehmen ihre<br />
Forschungs- und Entwicklungskapazitäten<br />
ins Ausland, vor allem in <strong>die</strong> USA, verlagerten,<br />
stagnierten <strong>die</strong> Bemühungen um<br />
eine aktive Innovationsförderung als konzertierte<br />
Aktion Europas. Der Durchbruch<br />
des Europas der Forscher<br />
fällt in <strong>die</strong> 80er Jahre. Die Der Durchbruch des<br />
späten 70er Jahre lassen Europas der For-<br />
sich am ehesten als „Inkuscher fällt in <strong>die</strong> 80er Jahbationsphase“<br />
beschreiben, re. Die späten 70er Jahre<br />
in der <strong>die</strong> alte Welt Europas lassen sich am ehesten<br />
einen Lernprozess durch- als „Inkubationsphase“<br />
lief.<br />
beschreiben, in der <strong>die</strong><br />
Die Doppelkrise der alte Welt Europas einen<br />
amerikanischen Herausfor- Lernprozess durchlief.<br />
derung und der wirtschaftlichen<br />
Rezession löste nicht nur im planungsverliebten<br />
Frankreich, sondern nun<br />
auch in Deutschland einen Planungsschub<br />
aus. Mitte der 60er Jahre rollte der<br />
Begriff der Planung wie eine Welle von<br />
jenseits des Atlantiks heran, schwappte<br />
über das bundesdeutsche Innovationssystem<br />
hinweg und dominierte <strong>die</strong> Debatte<br />
um <strong>die</strong> Aufgaben staatlicher Akteure.<br />
War Planung in der Adenauer-Ära vor<br />
dem Hintergrund der kollektiven Erfahrungen<br />
im Nationalsozialismus und der<br />
Negativfolie der DDR-Planwirtschaft<br />
noch ein Tabuthema, so entwickelte es<br />
sich nun zu einem Leitbild, das Politik<br />
und Wirtschaft ebenso durchdrang wie<br />
<strong>Wissenschaft</strong> und Technik. Planung wurde<br />
zum säkularisierten Heilsbringer, der<br />
<strong>die</strong> wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />
Krise zu überwinden versprach. Dem<br />
Glauben an <strong>die</strong> Planbarkeit von Forschung,<br />
Technologie und Innovation, ja<br />
an <strong>die</strong> Verwissenschaftlichung von Innovationspolitik<br />
selbst verdankt sich zum<br />
Teil auch der seinerzeitige Aufschwung<br />
der <strong>Wissenschaft</strong>s- und Technikgeschichte.<br />
Insofern reflektiert sich in <strong>die</strong>sem Diskurs<br />
auch ein Stück eigener Disziplinenentwicklung.
Fazit<br />
Die bundesdeutsche Innovationskultur<br />
umfasst ein weit größeres Spektrum an<br />
Feldern als <strong>die</strong> hier erwähnten. Denkt<br />
man sich den Innovationsprozess als eine<br />
offene Kette, fände sich an deren einem<br />
Ende das Glied der Bildung von Humankapital<br />
in den Hochschulen als personelles<br />
Fundament des Innovationssystems. Aufbauend<br />
auf der Wahrnehmung einer Bildungskatastrophe,<br />
<strong>die</strong> einmal mehr vor<br />
dem Hintergrund einer Unterlegenheit<br />
gegenüber den USA Platz griff, wurde <strong>die</strong><br />
erste Hälfte der langen siebziger Jahre zu<br />
einer in der deutschen Geschichte beispiellosen<br />
Phase der Expansion der Hochschulen<br />
und Studentenzahlen. Mit dem<br />
Wachstum zum Massenbetrieb differenzierten<br />
sich <strong>die</strong> Funktionen der Universitäten<br />
weiter aus. Wie sehr <strong>die</strong> Hochschule<br />
in <strong>die</strong>ser Zeit zu einem hochgradig<br />
funktionalisierten Unternehmen wurde,<br />
zeigt sich unter anderem in der beabsichtigten<br />
Stärkung ihrer Regionalbezüge.<br />
Nicht nur <strong>die</strong> außeruniversitären Forschungseinrichtungen,<br />
auch <strong>die</strong> Universitäten<br />
wuchsen im Verlauf der späten<br />
70er Jahre in <strong>die</strong> Rolle von Triebfedern des<br />
regionalen Strukturwandels hinein. Auch<br />
<strong>die</strong> Hochschulentwicklung liefert Belege<br />
<strong>für</strong> unsere Generalthese, <strong>die</strong> langen siebziger<br />
Jahre als Scharnierphase des beschleunigten<br />
Wandels zu interpretieren.<br />
Käfighaltung des Innovationssystems<br />
Schließlich wäre zu fragen, ob sich nicht<br />
der Gesamtcharakter der Gesellschaft dramatisch<br />
veränderte: Als der amerikanische<br />
Soziologie Daniel Bell 1973 <strong>die</strong> Entstehung<br />
der postindustriellen Gesellschaft<br />
prophezeite, <strong>die</strong> anstelle von Waren vor<br />
allem Dienstleistungen produzieren und<br />
sich zu einer Informations- oder Wissensgesellschaft<br />
entwickeln würde, charakterisierte<br />
er damit zugleich auch <strong>die</strong><br />
Helmuth Trischler..<br />
35<br />
spezifische Dynamik der bundesdeutschen<br />
Gesellschaft in den siebziger Jahren,<br />
<strong>die</strong> sie zu einer Schwellenphase auf<br />
dem Weg zu einer neuen Epoche werden<br />
ließ. Auch in <strong>die</strong>ser Hinsicht antwortete<br />
<strong>die</strong> Bundesrepublik auf <strong>die</strong> USA, <strong>die</strong> den<br />
Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft<br />
längst<br />
vollzogen hatten, ja <strong>die</strong> Aufbauend auf der<br />
trotz ihrer hohen Welt- Wahrnehmung eimarktanteile<br />
in der Güterner Bildungskatastrophe,<br />
produktion nie eine Indust- <strong>die</strong> einmal mehr vor dem<br />
riegesellschaft gewesen wa- Hintergrund einer Unterren.<br />
In <strong>die</strong>ser Phase verließ legenheit gegenüber den<br />
Deutschland den histori- USA Platz griff, wurde <strong>die</strong><br />
schen Pfad der Fixierung erste Hälfte der siebziger<br />
auf Produktion und Autar- Jahre zu einer in der<br />
kie, auf den es sich späte- deutschen Geschichte<br />
stens im Ersten Weltkrieg beispielloser Phase der<br />
begeben hatte. Ulrich Wen- Expansion der Hochschugenroth<br />
hat <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Pfadlen und Studentenzahlen.<br />
abhängigkeit den schönen Mit dem Wachstum zum<br />
Begriff von der Käfighaltung Massenbetrieb differen-<br />
des deutschen Innovationszierten sich <strong>die</strong> Funktiosystems<br />
gewählt. In den nen der Universitäten<br />
siebziger Jahren nun verließ weiter aus.<br />
das System den selbstgewählten<br />
Käfig und passte sich dem amerikanischen<br />
Muster einer verstärkt auf <strong>die</strong><br />
Faktoren Wissen und Dienstleistungen<br />
setzenden Wachstumsgesellschaft an.<br />
Zweifelsohne lassen sich gegen <strong>die</strong> hier<br />
entwickelte Konstruktion der langen siebziger<br />
Jahre als einer besonders dynamischen,<br />
im Tempo und Richtung weitgehend<br />
homogenen Periode bundesdeutscher<br />
Entwicklung (von Forschung und<br />
Technik) gewichtige Einwände vorbringen.<br />
Besonders gravierend ist der Umstand,<br />
dass <strong>die</strong>se Phase mit guten Gründen<br />
in zwei Teile gegliedert werden könnte.<br />
Die Schnittlinie würde <strong>die</strong> erste Ölpreiskrise<br />
1973 bilden, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Akteure<br />
des Innovationssystem in vielerlei Hinsicht<br />
zutiefst verunsicherte, zum Überdenken<br />
ihrer Positionen zwang sowie
36<br />
Vorträge..<br />
1962<br />
1963<br />
1964<br />
1965<br />
1966<br />
1967<br />
1968<br />
1969<br />
1970<br />
1971<br />
1972<br />
1973<br />
1974<br />
1975<br />
1976<br />
1977<br />
1978<br />
1979<br />
1980<br />
1981<br />
1982<br />
1983<br />
1984<br />
1985<br />
1986<br />
1987<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
2.278<br />
2.627<br />
3.192<br />
3.746<br />
4.220<br />
4.796<br />
4.960<br />
5.674<br />
6.900<br />
8.700<br />
9.600<br />
10.350<br />
11.350<br />
12.035<br />
12.300<br />
12.600<br />
13.770<br />
15.109<br />
16.026<br />
17.566<br />
18.734<br />
18.531<br />
18.260<br />
20.707<br />
21.103<br />
21.737<br />
22.054<br />
23.205<br />
24.897<br />
29.192<br />
30.019<br />
30.011<br />
30.070<br />
30.928<br />
31.509<br />
30.680<br />
30.955<br />
2,1<br />
2,2<br />
2,5<br />
2,7<br />
2,9<br />
3,1<br />
3,1<br />
3,2<br />
3,5<br />
3,9<br />
3,8<br />
3,7<br />
3,6<br />
3,4<br />
3,3<br />
3,2<br />
3,2<br />
3,2<br />
3,1<br />
3,2<br />
3,3<br />
3,2<br />
3,3<br />
3,4<br />
3,4<br />
3,3<br />
3,3<br />
3,3<br />
3,2<br />
3,2<br />
2,8<br />
2,7<br />
2,6<br />
2,6<br />
2,6<br />
2,6<br />
2,6<br />
2.150<br />
2.670<br />
3.279<br />
4.060<br />
4.500<br />
4.807<br />
5.454<br />
6.399<br />
7.610<br />
8.735<br />
9.180<br />
9.624<br />
10.340<br />
11.792<br />
12.600<br />
14.109<br />
16.870<br />
18.663<br />
19.895<br />
21.816<br />
23.385<br />
25.447<br />
27.020<br />
31.089<br />
33.613<br />
36.831<br />
38.740<br />
41.197<br />
43.187<br />
46.949<br />
48.049<br />
48.323<br />
48.130<br />
49.542<br />
50.166<br />
53.108<br />
56.401<br />
62<br />
83<br />
89<br />
94<br />
100<br />
107<br />
106<br />
147<br />
190<br />
315<br />
270<br />
266<br />
280<br />
310<br />
320<br />
320<br />
330<br />
92<br />
120<br />
153<br />
163<br />
168<br />
153<br />
133<br />
193<br />
238<br />
282<br />
325<br />
355<br />
382<br />
283<br />
239<br />
254<br />
203<br />
246<br />
276<br />
280<br />
4.490<br />
5.380<br />
6.560<br />
7.900<br />
8.820<br />
9.710<br />
10.520<br />
12.200<br />
14.700<br />
17.750<br />
19.050<br />
20.240<br />
21.970<br />
24.137<br />
25.220<br />
27.029<br />
30.970<br />
33.864<br />
36.041<br />
39.535<br />
42.312<br />
44.146<br />
46.453<br />
51.929<br />
54.909<br />
58.806<br />
61.076<br />
64.727<br />
68.439<br />
76.523<br />
78.351<br />
78.573<br />
78.454<br />
80.673<br />
81.821<br />
84.064<br />
87.636<br />
1,3<br />
1,4<br />
1,6<br />
1,7<br />
1,8<br />
2,0<br />
2,0<br />
2,0<br />
2,2<br />
2,4<br />
2,3<br />
2,2<br />
2,2<br />
2,3<br />
2,2<br />
2,3<br />
2,4<br />
2,4<br />
2,4<br />
2,6<br />
2,7<br />
2,6<br />
2,6<br />
2,8<br />
2,8<br />
2,9<br />
2,9<br />
2,9<br />
2,8<br />
2,6<br />
2,5<br />
2,4<br />
2,3<br />
2,3<br />
2,3<br />
2,3<br />
2,4<br />
F&E-Ausgaben der Bundesrepublik Deutschland<br />
Gesamt<br />
Sonstige<br />
In % des<br />
Haushalts<br />
Mio. DM Mio. DM Mio. DM In % des<br />
BSP<br />
Mio. DM<br />
Wirtschaft<br />
Staat (Bund und Länder)<br />
Jahr<br />
Erstellt nach BMBF (Hrsg.): Bundesbericht Forschung 2000, S. 455
neue Konstellationen und Rahmenbedingungen<br />
des innovationspo-<br />
Die langen siebziger litischen Handelns schuf.<br />
Jahre waren eben Doch überrascht, wie wenig<br />
auch <strong>die</strong> Phase, in der <strong>die</strong> der Schock rasant steigen-<br />
Krise als Strukturkonder Energiekosten letztlich<br />
stante menschlicher Ent- <strong>die</strong> eingeschlagenen Innowicklung<br />
in <strong>die</strong> bundesvationspfade zu verändern<br />
deutsche Gesellschaft zu- vermochte. Die langen siebrückkehrte<br />
und nach der ziger Jahre waren eben auch<br />
gegenläufigen Erfahrung <strong>die</strong> Phase, in der <strong>die</strong> Krise<br />
des Wirtschaftswunders als Strukturkonstante<br />
neuerlich im kollektiven menschlicher Entwicklung<br />
Gedächtnis verankert in <strong>die</strong> bundesdeutsche Ge-<br />
wurde. sellschaft zurückkehrte und<br />
nach der gegenläufigen Erfahrung<br />
des Wirtschaftswunders neuerlich<br />
im kollektiven Gedächtnis verankert<br />
wurde.<br />
Helmuth Trischler..<br />
37<br />
Prof. Dr. Helmuth Trischler,<br />
Forschungsdirektor des<br />
<strong>Deutsche</strong>n Museums in<br />
München.
Zusammenfassung<br />
Bei DaimlerChrysler belief sich das F&E-Budget im<br />
Jahr 2000 auf 7,6 Milliarden €, also eine F&E-Quote<br />
von ungefähr 4,7 bis 4,8 Prozent auf den Umsatz von<br />
162 Milliarden € bezogen.<br />
Die Konzerntechnologiestrategie umreißt einen Zeitraum<br />
von fünf bis zehn, auch bis fünfzehn Jahren; <strong>die</strong><br />
Technologiestrategie der Geschäftsfelder von drei bis<br />
sieben, maximal zehn Jahren. Die <strong>für</strong> <strong>die</strong> Planung maßgeblichen<br />
Einflussfaktoren („Driving Forces“) sind <strong>die</strong><br />
gesellschaftliche Entwicklung, Stand der Gesetzgebung,<br />
Kunden und Wettbewerb.<br />
38<br />
Unter Betrachtung der Megatrends „nachhaltige Mobilität“<br />
(Null-Emission, Null-Verbrauch),„unfallfreier Verkehr“,„Miniaturisierung“<br />
und „vernetzte Welt“ werden<br />
<strong>die</strong>jenigen Technologiefelder bestimmt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> daraus<br />
abgeleiteten Visionen verwirklichen können. Den sieben<br />
Kerntechnologien bei DaimlerChrysler wird als Resultat<br />
eines komplexen Prozesses ein bestimmtes Forschungsbudget<br />
zugeordnet. Schwerpunktverschiebungen<br />
in einem Bereich sind bis zu maximal plus/minus<br />
zehn Prozent pro Jahr möglich.
Summary<br />
Klaus-Dieter Vöhringer<br />
Zuerst möchte ich einige Zahlen nennen,<br />
insbesondere zu den F&E-<br />
Aufwendungen bei DaimlerChrysler,<br />
möchte dann den Prozess darstellen,<br />
wie wir von der Prospektion zur Ressourcenallokation<br />
kommen, und Ihnen abschließend<br />
noch einige Merkmale der Qualitätssicherung<br />
im Forschungsbereich präsentieren,<br />
so wie wir sie bei DaimlerChrysler<br />
leben.<br />
Nachdem wir am Dienstag, dem 6. Februar<br />
2001, in der Vorstandssitzung in<br />
New York den Umsatz <strong>für</strong> das Jahr 2000<br />
festgestellt haben, kann ich <strong>die</strong> Angaben<br />
präzisieren. Aus den genannten 150 Milliarden<br />
€ im Jahre 2000 sind 162 Milliarden<br />
€ geworden. Darin enthalten sind jedoch<br />
noch <strong>die</strong> Luft- und Raumfahrtaktivitäten<br />
der DASA, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Einbringung in<br />
<strong>die</strong> EADS 2001 nicht mehr konsoli<strong>die</strong>rt<br />
werden.<br />
From prospecting to resource allocation<br />
The DaimlerChrysler R&D budget amounted to 7.6 billion<br />
€ in 2000, which represents an R&D share of around<br />
4.7 to 4.8 percent of the turnover of 162 billion €.<br />
The company’s technology strategy comprises a period<br />
from five to ten or even fifteen years; the technology<br />
strategy of the business areas covers three to seven or<br />
at most ten years. The crucial driving forces in planning<br />
are developments in society, the state of legislation,<br />
clients and competition.<br />
Vorträge..<br />
Von der Prospektion zur<br />
Ressourcenallokation<br />
39<br />
In der Verteilung über <strong>die</strong> Geschäftsfelder<br />
sehen Sie den Fokus des Unternehmens:<br />
Drei Fahrzeuggeschäftsfelder – Mercedes-<br />
Benz Pkw, <strong>die</strong> Chryslergruppe und <strong>die</strong><br />
Nutzfahrzeugdivision.<br />
Das F&E-Budget (Abb. 2/Seite 40) im<br />
Jahr 2000 belief sich auf 7,6 Milliarden €,<br />
auf den Umsatz von 162 Milliarden € bezogen<br />
erreichen wir eine F&E-Quote von<br />
ungefähr 4,7 bis 4,8 Prozent. Die F&E-<br />
Quote bei Chrysler lag dabei unter 3 Prozent,<br />
bei Mercedes Benz Pkw liegt sie etwas<br />
über 5Prozent, und in der Luft- und Raumfahrt<br />
liegt sie deutlich über 10 Prozent. Innerhalb<br />
der Autofirmen können wir sagen,<br />
dass eine Quote von vielleicht 2,5 bis gut<br />
5 Prozent <strong>die</strong> Bandbreite darstellt.<br />
Wir haben bei DaimlerChrysler ein Finanzierungsmodell,<br />
was sich ungefähr aufteilt<br />
in 50 Prozent direkte Geschäftsbereichsbeauftragung<br />
und 50 Prozent lang-<br />
Taking into account the megatrends of sustainable mobility<br />
(zero emission, zero consumption), accident-free<br />
traffic, miniaturisation and global networks, those fields<br />
of technology are determined that can implement the<br />
visions deduced from these issues. A certain research<br />
budget is allocated to the seven core technologies at<br />
DaimlerChrysler as the result of a complex process. Shifts<br />
in priorities in a given field may amount to a maximum<br />
of plus/minus ten percent a year.
Abbildung 1: Umsatz DaimlerChrysler Konzern 1999<br />
fristiger Vorlauf, finanziert durch Konzernmittel.<br />
Geschäftsbereichsbeauftragung<br />
heißt, dass der Geschäftsbereich in Abstimmung<br />
mit dem Forschungsbereich<br />
Aufgaben definiert und da<strong>für</strong> bezahlt. Mit<br />
der Beauftragung ist <strong>die</strong> Mittelzuweisung<br />
verbunden und das Forschungsziel fest definiert.<br />
Über <strong>die</strong> andere Hälfte der Mittel<br />
beschließt der Vorstand einmal jährlich.<br />
Abbildung 3 (Seite 41) zeigt <strong>die</strong> zwei<br />
Kerngeschäftsprozesse. Das eine ist der<br />
Wertschöpfungsprozess, das andere ist der<br />
personelle Ressourcenprozess.<br />
Ich gehe heute nur auf<br />
den Wertschöpfungsprozess<br />
ein, obwohl der personelle<br />
Ressourcenprozess<br />
<strong>die</strong> Basis des ganzen Geschehens<br />
ist. Wenn es uns<br />
also gelingt, <strong>die</strong> richtigen<br />
Mitarbeiter <strong>für</strong> uns zu gewinnen,<br />
sie richtig weiterzuentwickeln<br />
und uns von<br />
ihnen auch wieder nach einer<br />
bestimmten Verweilzeit<br />
zu trennen, dann sind wir in<br />
<strong>die</strong>sem personellen Ressourcenprozess<br />
erfolgreich,<br />
und dann schaffen wir <strong>die</strong><br />
Vorträge..<br />
40<br />
Basis da<strong>für</strong>, dass der Wertschöpfungsprozess<br />
optimal<br />
verläuft.<br />
Der Wertschöpfungsprozess<br />
enthält vier Prozess-<br />
Schritte: Technologie-Strategie,<br />
Innovationsplanung,<br />
Projektarbeit, Ergebnistransfer.<br />
Ich möchte mich<br />
im Folgenden auf <strong>die</strong> Basis,<br />
<strong>die</strong> Technologiestrategie,<br />
konzentrieren, <strong>die</strong> sich aus<br />
der Prospektion ergibt. Darauf<br />
aufbauend möchte ich<br />
dann <strong>die</strong> Innovationsplanung<br />
der einzelnen Produktbereiche<br />
und auch der<br />
Forschung selbst beleuchten. Diese beiden<br />
Prozess-Schritte münden in <strong>die</strong> Projektarbeit<br />
und den Ergebnistransfer der Forschungsergebnisse<br />
in den Entwicklungsprozess<br />
ein.<br />
Das „Drei-Vektoren-Modell“ (Abb.4/<br />
Seite 42) erläutert <strong>die</strong> Philosophie des Ressorts.<br />
Wir arbeiten in mehreren „Dimensionen“,<br />
und <strong>die</strong> sind in <strong>die</strong>sen drei „Vektoren“<br />
dargestellt. Der eine Vektor ist unser<br />
Kundenvektor. Er zielt auf unsere internen<br />
Kunden, <strong>die</strong> Geschäftsbereiche des Unternehmens.<br />
Die zweite Dimension ist un-<br />
Abbildung 2: F&E-Budget 1999: 7.575 Mio.€
ser Kompetenzvektor, unsere Laboratorien.<br />
Wir haben insgesamt achtzehn, <strong>die</strong><br />
meisten davon befinden sich in Deutschland.<br />
Aber <strong>die</strong> DaimlerChrysler-Forschung<br />
hat auch Standbeine in Palo Alto, in Portland,<br />
in Shanghai und in Bangalore. Diese<br />
achtzehn Laboratorien bilden <strong>die</strong> „Competence<br />
Center“ der Forschung. Der dritte<br />
Vektor ist unsere Arbeitsorganisation,<br />
<strong>die</strong> Projektorganisation. Jede Forschungsarbeit<br />
wird in einem definierten Projektplan<br />
bearbeitet.<br />
An einem Flussbild (Abb. 5/Seite 42)<br />
möchte ich erläutern, wie der Prozess abläuft,<br />
in dem wir letztlich zu dem kommen,<br />
was wir als „Kerntechnologie“ bezeichnen.<br />
Ausgangspunkt<br />
sind <strong>die</strong> maßgeblichen<br />
Einflussfaktoren („Driving<br />
Forces“), <strong>die</strong> unsere Tätigkeit<br />
nachhaltig bestimmen.<br />
Das ist zum einen <strong>die</strong> gesellschaftlicheEntwicklung.<br />
Unsere Berliner Arbeitsgruppe,<br />
eine interdisziplinärzusammengesetzte<br />
Arbeitsgruppe unter Leitung<br />
von Professor Minx,<br />
befasst sich mit der langfristigen<br />
gesellschaftlichen<br />
Entwicklung in einem Zeitraum von zehn<br />
bis zwanzig, wenn möglich sogar bis zu<br />
25 Jahren. Da geht es etwa um solche Fragen:<br />
Wie entwickelt sich <strong>die</strong> Mobilität, wie<br />
das Mobilitätsbedürfnis der Gesellschaft?<br />
Aber es geht auch um alle anderen Fragen<br />
der gesellschaftlichen Entwicklung.<br />
Von besonderer Wichtigkeit ist <strong>für</strong> uns<br />
natürlich <strong>die</strong> Rolle des Gesetzgebers. In <strong>die</strong>ser<br />
Frage ist DaimlerChrysler auch am Ort<br />
des Geschehens. Wir unterhalten Arbeitsgruppen<br />
in Berlin, in Brüssel, in Washington,<br />
also an den Orten des gesetzgeberischen<br />
Handelns. Sie antizipieren, was auf<br />
der gesetzgeberischen Seite mit besonderer<br />
Bedeutung <strong>für</strong> uns eintreten könnte.<br />
Klaus-Dieter xxx.. Vöhringer..<br />
41<br />
Die Kunden bieten ebenfalls eine Möglichkeit,<br />
Zukunft zu reflektieren. Das ist<br />
allerdings nur eingeschränkt möglich: Die<br />
Kunden kennen häufig nur das, was ist,<br />
und nicht das, was sein wird. Eine weitere<br />
Quelle ist der Wettbewerb. Ein ständiger<br />
Monitoring-Prozess findet statt, um vorauszuschauen,<br />
wo sich der Wettbewerb<br />
hinbewegt.<br />
Wenn wir den „Technology Push“ betrachten,<br />
müssen wir unterscheiden zwischen<br />
den „Enabling Technologies“, das<br />
sind <strong>die</strong> Technologien, <strong>die</strong> heute wettbewerbsentscheidend<br />
sind <strong>für</strong> <strong>die</strong> Produkte,<br />
<strong>die</strong> wir am Markt anbieten, und den „Disruptive<br />
Technologies“, <strong>die</strong> bisherige Tech-<br />
Abbildung 3: Kerngeschäftsprozesse<br />
nologien radikal ablösen. Sie sind gerade<br />
<strong>für</strong> uns in der Forschung von überragender<br />
Bedeutung. Es ist wichtig vorauszusehen<br />
und daran mitzuarbeiten, was <strong>die</strong><br />
Technologien von morgen sind. Wenn wir<br />
solche, <strong>für</strong> unser Geschäft entscheidende<br />
„Disruptive Technologies“ übersehen oder<br />
einzuführen versäumen würden, dann<br />
würden wir in einen Wettbewerbsnachteil<br />
geraten, den wir unter Umständen nicht<br />
oder erst nach langer Zeit und auch nur<br />
mit sehr hohem Aufwand wieder ausgleichen<br />
könnten. Und genau da liegt <strong>die</strong> Verantwortung<br />
der Forschung: „Disruptive<br />
Technologies“ wirklich vorauszusehen,<br />
aufzunehmen und mitzugestalten.
Abbildung 4: Geschäftsmodell des Ressorts FT<br />
Für uns maßgeblich sind vier Megatrends:<br />
Der eine ist <strong>die</strong> nachhaltige Mobilität,<br />
<strong>die</strong> eng mit der gesellschaftlichen<br />
und der gesetzgeberischen Entwicklung<br />
zusammenhängt. Nachhaltige Mobilität<br />
heißt: Wir wollen solche Voraussetzungen<br />
schaffen, <strong>die</strong> zu Ressourcenschonung,<br />
Emissionsreduzierung und Verbrauchsreduzierung<br />
führen, damit das auch in den<br />
nächsten Jahrzehnten anhaltende Mobilitätsbedürfnis<br />
befriedigt werden kann. Wir<br />
wollen, dass es nicht zu Restriktionen<br />
kommt, <strong>die</strong> dazu führen würden, dass das<br />
Verkehrsaufkommen reduziert<br />
werden müsste, was<br />
auf unser unmittelbares<br />
Geschäft äußerst nachteilige<br />
Auswirkungen hätte.<br />
Unfallfreier Verkehr ist ein<br />
weiterer Megatrend. DaimlerChrysler<br />
hat hier traditionell<br />
eine Vorreiterrolle<br />
inne, <strong>die</strong> beispielsweise<br />
dazu geführt hat, <strong>die</strong> Zahl<br />
der Opfer des Straßenverkehrs<br />
deutlich zu reduzieren.<br />
Wir hatten in der alten<br />
Bundesrepublik einmal<br />
fast 20.000 Verkehrs-<br />
Vorträge..<br />
42<br />
tote zu beklagen, in ganz Deutschland im<br />
letzten Jahr nur noch 7.700. Das ist eine<br />
wirklich erfreuliche Reduzierung. Auf der<br />
anderen Seite sind es immer noch 7.700<br />
zu viel. Deswegen ist „unfallfreies Fahren“<br />
eine große Aufgabe und Vision <strong>für</strong><br />
uns, und wir fühlen uns ihr sehr verpflichtet.<br />
Unfallfrei ist sicherlich eine Vision,<br />
aber es ist wie mit dem Null-Fehler-<br />
Ziel: Das Ziel muss maximal definiert<br />
sein, um möglichst viel zu erreichen.<br />
Wenn wir auch „nur“ <strong>die</strong> Unfallfolgen reduzieren<br />
könnten, wären wir auch schon<br />
erfolgreich.<br />
Unter Miniaturisierung, dem dritten<br />
Megatrend, ist alles zu verstehen, was Beschleunigung,<br />
größeres Speichervolumen<br />
oder höhere Rechnergeschwindigkeit<br />
heißt, alles was Mikrosystem- oder Nanotechnik<br />
bedeutet. Es ist der Aspekt des<br />
technologischen Fortschritts, der immer<br />
mehr Funktionalität auf immer kleineren<br />
Raum bei immer kleinerem Gewicht<br />
unterbringt. Und als vierter Trend schließlich<br />
<strong>die</strong> „vernetzte Welt“. In einer Zeit, in<br />
der jeder zu jeder Zeit an jedem Ort jede<br />
Information verfügbar haben muss, heißt<br />
das <strong>für</strong> uns in der mobilen Welt, dass wir<br />
auch <strong>die</strong>sem Anspruch genügen müssen.<br />
Wir müssen unsere Fahrzeuge und <strong>die</strong><br />
Abbildung 5: Technologiestrategie
Verkehrsteilnehmer voll einbinden in <strong>die</strong>se<br />
Informationswelt. Dazu werden unsere<br />
Fahrzeuge als fahrende Sensoren in einem<br />
Informationsnetz unterwegs sein, <strong>die</strong> alle<br />
Informationen sammeln, auswerten, verdichten<br />
und weitergeben, um damit eine<br />
aktuelle Zustandsberichterstattung zu erzeugen<br />
über Wetterlage,<br />
über Verkehrssituationen,<br />
über unfallgefährdete Stellen.<br />
Das Ganze muss sich in<br />
Produkten niederschlagen,<br />
und in der Grafik (Abb.5/<br />
Seite 42) sind Erfolgsfaktoren<br />
da<strong>für</strong> aufgelistet. Diese<br />
technisch bedingten Erfolgsfaktoren<br />
werden über<br />
<strong>die</strong> spätere Position im<br />
Wettbewerb bestimmen,<br />
auch über den Markterfolg.<br />
Für <strong>die</strong> Forschung heißt<br />
das nun, <strong>die</strong>jenigen maßgeblichenTechnologiefelder<br />
zu bestimmen, auf denen wir arbeiten<br />
müssen, damit wir <strong>die</strong>se Erfolgsfaktoren<br />
bestmöglich unterstützen und unsere aus<br />
den Megatrends abgeleiteten Visionen<br />
wahr werden lassen können. Daimler-<br />
Chrysler konzentriert sich auf sieben<br />
Kerntechnologien, <strong>die</strong> es wert wären, im<br />
Einzelnen beschrieben zu werden. Es sind<br />
<strong>die</strong> <strong>für</strong> unsere Forschung maßgeblichen,<br />
wobei klar ist: Wir können uns in einer<br />
Industrieforschung nicht der ganzen Breite<br />
aller Technologien widmen, sondern<br />
wir müssen eine gewisse Auswahl treffen.<br />
Jede <strong>die</strong>ser Kerntechnologien wird im Sinne<br />
der Ressourcenallokation ein bestimmtes<br />
Forschungsbudget zugeordnet. Diese<br />
Zuordnung ist Resultat eines anspruchsvollen<br />
Prozesses, der einmal jährlich auf<br />
Leitungsebene abläuft. Wir erörtern intensiv<br />
<strong>die</strong> Frage, ob wir <strong>für</strong> jedes Technologiefeld<br />
mehr oder weniger Geld zur Verfügung<br />
stellen. Die Frage stellt sich nicht<br />
Klaus-Dieter Vöhringer..<br />
43<br />
nur absolut, sondern auch relativ. Wenn<br />
wir erkennen, dass gewisse Erfolgsfaktoren<br />
ein höheres Gewicht bekommen, dann<br />
müssen wir dem auch durch eine adäquate<br />
Dotierung der Kerntechnologiefelder<br />
entsprechen. Und das ist insofern ein<br />
spannender Prozess, weil dahinter Kapa-<br />
Abbildung 6: Entscheidungsfindungsprozess<br />
zitäten stehen, insbesondere personelle<br />
Kapazitäten in den Laboratorien, <strong>die</strong> bezahlt<br />
und sinnvoll beschäftigt sein müssen.<br />
Wie finden wir unsere Forschungsprojekte?<br />
Das ist ein Prozess (Abb.6/Seite 43),<br />
der auf der einen Seite durch <strong>die</strong> Technologiestrategien<br />
der Geschäftsfelder („Business<br />
Units“) gespeist wird, und auf der<br />
anderen Seite durch eine aus dem Vorstandsressort<br />
Forschung und Technologie<br />
heraus definierte Konzerntechnologiestrategie<br />
beeinflusst wird. Die Geschäftsfelder<br />
ihrerseits formulieren und adjustieren<br />
ihre eigenen Geschäfts- und Technologiestrategien.<br />
Einmal im Jahr befasst sich der Vorstand<br />
intensiv mit jedem Geschäftsfeld<br />
und dessen Strategie. Dabei kommt aus<br />
der Forschung eine übergeordnete Sicht,<br />
eine längerfristige Technologiesicht dazu.<br />
Aus <strong>die</strong>sem Prozess werden anschließend
Abbildung 7: Von Visionen zu Technologien<br />
<strong>die</strong> Forschungsziele abgeleitet. Um <strong>die</strong><br />
Sichtweise anhand eines Zeitstrahls zu<br />
verdeutlichen: Die Technologiestrategie<br />
der Geschäftsfelder befasst sich mit einem<br />
Zeitraum, der drei bis sieben, maximal<br />
zehn Jahre vorausschaut. Die Konzerntechnologiestrategie<br />
umreißt einen Zeitraum<br />
von fünf bis zehn, auch bis fünfzehn<br />
Jahren. Aus den definierten Forschungszielen,<br />
<strong>die</strong> wir auch zweimal im Jahr den<br />
Leitern und maßgeblichen Mitarbeitern aller<br />
Forschungslaboratorien vorstellen, leiten<br />
sich <strong>die</strong> Forschungsprojektvorschläge<br />
ab. In einer Art „Trichterprozess“, reduzieren<br />
wir <strong>die</strong> anfangs mit 150 Prozent des<br />
zur Verfügung stehenden Geldes unterbreitetenProjektvorschläge<br />
auf das notwendige<br />
Maß. Das erfolgt in einer<br />
zweitägigen Klausur innerhalb<br />
der Forschung, in der<br />
<strong>die</strong> Vorschläge priorisiert<br />
werden. Schließlich kommen<br />
wir zu einer Liste von<br />
Neuprojekten, <strong>die</strong> zu<br />
100 Prozent den zur Disposition<br />
stehenden Mitteln<br />
entspricht. Mit der Entscheidung<br />
über <strong>die</strong> Priori-<br />
Vorträge..<br />
44<br />
sierungsliste beginnt <strong>die</strong><br />
Arbeit an den Projekten,<br />
<strong>die</strong> auch zu einer neuen<br />
Schwerpunktverteilung der<br />
Kerntechnologiefelder untereinander<br />
führen können.<br />
So sind Verkehrstechnik<br />
und Telematik beispielsweise<br />
wachsende Felder,<br />
<strong>die</strong> sicherlich in Zukunft<br />
noch mehr Geld auf sich<br />
ziehen werden. Angesichts<br />
solcher Überlegungen diskutieren<br />
wir darüber, ob<br />
Felder höher oder geringer<br />
dotiert werden, also<br />
Schwerpunktverschiebungen<br />
durchgeführt werden sollten. Das ist eine<br />
ernste Frage: In welchem Rahmen<br />
kann man solche Schwerpunktverschiebungen<br />
über Geld von einem Jahr auf das<br />
nächste Jahr durchführen? Meine Antwort<br />
darauf lautet: Man kann Schwerpunktverschiebungen<br />
in einem Bereich bis zu<br />
10 Prozent vornehmen. Also man kann einen<br />
Topf, der <strong>für</strong> ein Feld vorgesehen ist,<br />
um 10 Prozent aufstocken oder um 10 Prozent<br />
reduzieren. Man muss dann allerdings<br />
– und das sehe ich als sehr wichtig<br />
an – in <strong>die</strong>sen drei Vektoren noch einmal<br />
prüfen, ob das Ganze auch umsetzbar ist.<br />
Wenn wir ein Kerntechnologiefeld deutlich<br />
höher dotieren, andere da<strong>für</strong> weniger,<br />
Abbildung 8: Qualitätsmanagement in der Forschung
und dann feststellen müssen, dass wir <strong>die</strong>se<br />
Umschichtung personell beispielsweise<br />
durch Fluktuation, Umwidmung oder<br />
Kompetenzverschiebung nicht umsetzen<br />
können, dann korrigieren wir unseren Plan<br />
noch einmal. Denn wir werden keine Mittelveränderungen<br />
durchführen, <strong>die</strong> zu Entlassungen<br />
führen. Das verbietet sich aus<br />
unserem Unternehmensverständnis<br />
heraus. Aber<br />
selbst unter <strong>die</strong>ser harten<br />
Bedingung haben wir von<br />
Jahr zu Jahr erhebliche<br />
Veränderungen der Mittelallokation<br />
durchführen<br />
können. Man ist überrascht,<br />
dass man doch Veränderungen<br />
im Umfang<br />
von fünf und in manchen<br />
Fällen 10 Prozent durchführen<br />
kann, ohne dass sie<br />
zu nicht beherrschbaren<br />
personellen Konsequenzen<br />
führen.<br />
Letztlich stehen hinter<br />
allen Forschungsprojekten<br />
Visionen, <strong>die</strong> wir formuliert haben<br />
(Abb.7/Seite 44). Unfallfreier Verkehr,<br />
Null-Emission oder Null-Verbrauch sind<br />
solche Ziel-Visionen.<br />
Immer maximale Ziele definieren, so ist<br />
unsere Vorgehensweise. Diese werden<br />
dann ausformuliert und durch entsprechende<br />
Systeme, <strong>die</strong> das bewerkstelligen,<br />
ausgeformt. Wir in der Forschung erarbeiten<br />
dazu <strong>die</strong> erforderlichen Technologien.<br />
Als Beispiel <strong>für</strong> Null-Emissions-Systeme<br />
kann <strong>die</strong> Brennstoffzelle <strong>die</strong>nen. Sie<br />
ist zu einem maßgeblichen Thema in unserem<br />
Hause geworden. Ihr Funktionsprinzip<br />
ist bereits 150 Jahre alt. Ende der<br />
80er Jahre, nachdem wir viel Geld in Batterien,<br />
in Gasantriebe und auch in Wasserstoffverbrennungsmotoren<br />
gesteckt hatten<br />
und dennoch erkennen mussten, dass<br />
<strong>die</strong>se Technologien nicht zum Ziel führen,<br />
Klaus-Dieter Vöhringer..<br />
45<br />
haben wir <strong>die</strong> Anwendbarkeit der Brennstoffzelle<br />
<strong>für</strong> mobile Antriebe untersucht.<br />
Im Ergebnis haben wir beschlossen: Da<br />
gehen wir nach vorne, das machen wir!<br />
Dahinter steht <strong>die</strong> Vision, einen emissionsfreien<br />
Antrieb zu haben. Die Brennstoffzelle<br />
ist auch ein Beispiel da<strong>für</strong>, dass<br />
durchaus zwanzigjährige Forschungs-<br />
Abbildung 9:Technologie-Audit<br />
arbeit erforderlich ist, um einer solchen<br />
Technologie zum Durchbruch zu verhelfen.<br />
Ganz kurz nun abschließend: Wie<br />
kann man Qualitätssicherung betreiben.<br />
(Abb. 8/Seite 44)?<br />
In der Stufe der Technologiestrategie<br />
machen wir das durch ein Technologie-<br />
Audit (Abb. 9/Seite 45). Zwei Felder –<br />
nicht unbedingt komplette Kerntechnologiefelder<br />
– nehmen wir uns jedes Jahr vor<br />
und auditieren sie, indem wir fünf <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
aus der ganzen Welt sowie <strong>die</strong><br />
fünf wichtigsten Kunden aus dem Konzern<br />
einladen.<br />
Wir versuchen, und haben Erfolg damit,<br />
<strong>die</strong> anerkanntermaßen bedeutendsten<br />
<strong>Wissenschaft</strong>ler auf dem jeweiligen Feld<br />
<strong>für</strong> uns zu gewinnen, wo sie in einem<br />
zweitägigen Kolloquium unsere Arbeit in
Abbildung 10: Project Reviews<br />
den ausgewählten Feldern bewerten und<br />
beurteilen. Später erhalten wir von <strong>die</strong>sen<br />
<strong>Wissenschaft</strong>lern einen Bewertungsbericht.<br />
Und wenn das Resultat lautet, dass wir<br />
im weltweiten Maßstab nicht in der vorderen<br />
Linie marschieren, dann haben wir<br />
nur zwei Möglichkeiten: Entweder ertüchtigen<br />
wir uns, oder wir sollten dann<br />
mit <strong>die</strong>ser Aktivität aufhören. So haben<br />
wir vor wenigen Jahren mit der Hochtemperatursupraleitung<br />
aufgehört, nachdem<br />
das entsprechende Audit festgestellt hatte,<br />
dass wir einen nicht einholbaren Rückstand<br />
zu anderen hatten. Wenn also solche<br />
Dinge festgestellt werden,<br />
müssen Konsequenzen<br />
ergriffen werden. In<br />
der Regel gelingt es uns,<br />
dass wir uns ertüchtigen,<br />
<strong>die</strong> Lücke schließen können.<br />
Das Audit ist ein ganz<br />
hervorragendes Instrument,<br />
weil es eine erhebliche Spiegelbildwirkung<br />
hat und alles<br />
sehr transparent macht.<br />
Weitere Elemente des<br />
Qualitätsmanagements in<br />
der DaimlerChrysler-Forschung<br />
sind Projektarbeit<br />
Vorträge..<br />
Abbildung 11: Zukunft ist...<br />
46<br />
und Ergebnistransfer (Abb.<br />
8/Seite 44).<br />
So haben wir alle Projekte<br />
anhand ihrer Wichtigkeit<br />
und ihres Projektvolumens<br />
kategorisiert. Die „A-<br />
Projekte“ sind <strong>die</strong> wichtigsten<br />
Projekte. Sie werden<br />
ein- bis zweimal pro Jahr<br />
durch das Top-Management<br />
in sogenannte „Projekt Reviews“<br />
evaluiert. Dazu werden<br />
jeweils bestimmte Aspekte<br />
bewertet (Abb.<br />
10/Seite 46).<br />
Zum Schluss möchte ich das nicht<br />
konterkarieren, was ich bisher gesagt habe:<br />
Die Prozesse bei DaimlerChrysler haben<br />
sich – so hoffe ich – sehr systematisch<br />
angehört. Demnach ist <strong>die</strong> Welt in<br />
Ordnung und vorhersehbar. Aber wirklich<br />
vorhersehbar ist sie sicherlich nicht.<br />
Aber vielleicht ist sie ein wenig gestaltbar.<br />
Die Abbildung (Abb.11/Seite 46) zeigt<br />
eine Kugel am Dünenhang. Noch ist unklar,<br />
welchen Weg sie nach unten nehmen<br />
wird. Vielleicht können wir doch,<br />
jeder im Rahmen seiner Verantwortung,<br />
jeder im Rahmen seines Zukunftsberei-
ches, ein wenig modellierend einwirken<br />
auf <strong>die</strong> Zukunft. Wir jedenfalls versuchen<br />
das. Wir haben es vielleicht als Industrieforschung<br />
ein bisschen einfacher, weil<br />
unsere Ziele klarer definiert sind.<br />
Und um dem Ganzen vielleicht noch<br />
einen krönenden Abschluss zu verleihen:<br />
Der Nestor der deutschen Wirtschaft,<br />
Hermann Josef Abs, hat einmal gesagt:<br />
„Prognosen sind Straßenlaternen <strong>für</strong> Betrunkene.<br />
Sie <strong>die</strong>nen nicht unbedingt der<br />
Erleuchtung. Aber man kann sich an ihnen<br />
festhalten.“<br />
Klaus-Dieter Vöhringer..<br />
47<br />
Prof. Klaus-Dieter Vöhringer<br />
ist Mitglied des Vorstands der<br />
DaimlerChrysler AG in<br />
Stuttgart.
Zusammenfassung<br />
Die Bundesregierung ist mit den Zielen angetreten, <strong>die</strong><br />
Rahmenbedingungen <strong>für</strong> Innovationen entscheidend<br />
zu verbessern, <strong>die</strong> Investitionen in Bildung und Forschung<br />
deutlich zu erhöhen und eine moderne Forschungspolitik<br />
zu betreiben.<br />
Dabei muss sich <strong>die</strong> Leitung des Bundesministeriums<br />
<strong>für</strong> Bildung und Forschung permanent <strong>die</strong> Frage nach<br />
der strategischen Verwendung seiner Mittel stellen.<br />
Das BMBF ist dabei, moderne Formen von Forschungsprospektion<br />
und Entwicklung von Verfahren<br />
zu implementieren. Diese Prozesse laufen in enger Abstimmung<br />
mit der <strong>Wissenschaft</strong> und von Anfang an<br />
mit der Wirtschaft. Das neue Instrumentarium wird<br />
durch den FUTUR-Prozess ergänzt. FUTUR geht von<br />
gesellschaftlichen Bedürfnissen, Änderungen, Veränderungen,<br />
Entwicklung aus und soll <strong>die</strong>se mit Technologien<br />
und technologischen Entwicklungsfaden verknüpfen,<br />
<strong>die</strong> zur Lösung gesellschaftlicher Fragestel-<br />
48<br />
lungen beitragen können. FUTUR soll das BMBF bei der<br />
Identifikation zukünftiger Forschungsthemen unterstützen<br />
und Entscheidungshilfen bei der strategischen<br />
Ausrichtung bereitstellen. Eine Priorisierung lässt sich<br />
jedoch letztendlich nicht ohne politische Entscheidung<br />
und Schwerpunktsetzung, manchmal auch Wertorientierung<br />
von Politik, vornehmen.<br />
Es ist das Ziel, zu strategischen Visionen in der Forschungspolitik<br />
kommen, <strong>die</strong> quer zu den klassischen<br />
Förderprofilen und Förderstrukturen liegen.Weil prioritäre<br />
Entscheidungen auf den zum Teil nicht perfekt<br />
gehobenen Schatz der institutionellen Förderung des<br />
Bundes ausstrahlen, und weil in der institutionellen<br />
Förderung in erheblichem Ausmaß Ressourcen gebunden<br />
werden, muss <strong>die</strong> Frage der Priorisierung auch<br />
zu einem gemeinsamen Thema der Projektförderung<br />
und der institutionellen Förderung werden.
Summary<br />
Wolf-Michael Catenhusen<br />
Die Bundesregierung ist mit den<br />
Zielen angetreten, <strong>die</strong> Rahmenbedingungen<br />
<strong>für</strong> Innovationen<br />
entscheidend zu verbessern, <strong>die</strong> Investitionen<br />
in Bildung und Forschung deutlich<br />
zu erhöhen und eine moderne Forschungspolitik<br />
zu betreiben. Bei der Realisierung<br />
<strong>die</strong>ser Ziele sind wir ein gutes<br />
Stück vorangekommen. Ich will hier nur<br />
zwei Aspekte nennen: Wir können – trotz<br />
eines strengen Haushaltskonsoli<strong>die</strong>rungskurses<br />
– einen außergewöhnlichen Mittelaufwuchs<br />
<strong>für</strong> den Etat des BMBF verbuchen.<br />
Dabei haben wir gezielt <strong>die</strong> Projekt-<br />
Setting priorities in research funding<br />
The Federal Government has taken up the issues of making<br />
crucial improvements to the framework conditions<br />
for innovation, substantially raising investment in education<br />
and research and conducting a modern research<br />
policy. In this context, the executives of the Federal Ministry<br />
for Education and Research (BMBF) have to assess<br />
the strategic use of their funds on an ongoing basis.<br />
The BMBF is in the process of implementing modern<br />
forms of research prospecting and the development of<br />
methods. All this is being carried out in close co-ordination<br />
with higher education and research and, right from<br />
the start, with industry. The new instruments are supplemented<br />
by the FUTUR process. FUTUR sets out from<br />
the needs of society, changes, alterations and developments<br />
and is aimed at linking these aspects up with<br />
technologies and central themes in the development of<br />
Vorträge..<br />
Prioritätensetzung in der<br />
Forschungsförderung<br />
49<br />
förderung des BMBF auf inzwischen fast<br />
4,6 Mrd.DM gesteigert, um Flexibilität,<br />
Wettbewerb und damit auch Qualität in<br />
der Forschungsförderung zu erhöhen.<br />
Dabei muss sich <strong>die</strong> Leitung des BMBF<br />
permanent <strong>die</strong> Frage nach der strategischen<br />
Verwendung <strong>die</strong>ser Mittel stellen.<br />
Und wir müssen in der Lage sein, gegenüber<br />
dem Parlament und der Öffentlichkeit,<br />
den Steuerzahlern, folgende Fragen beantworten<br />
können:<br />
• Setzen wir auf <strong>die</strong> richtigen, zukunftsorientierten<br />
Themen und Forschungsschwerpunkte?<br />
technologies that are thought to be able to contribute<br />
to solutions in society. FUTUR has been designed to assist<br />
the BMBF in identifying tomorrow’s research topics and<br />
to provide aids to decision-making in strategic considerations.<br />
Ultimately, however, prioritising is not possible<br />
without political decisions and setting of priorities, and,<br />
sometimes, an orientation of politics on values.<br />
The goal is to attain strategic visions in research policy<br />
that cut across traditional funding profiles and funding<br />
structures. Since priority decisions have an impact on a<br />
treasure of institutional funding by the Federal government<br />
that has not been dug up to the utmost perfection,<br />
and since resources are tied to a considerable degree<br />
in institutional funding, the issue of prioritising also<br />
has to become a common theme of project funding<br />
and institutional funding.
• Haben wir wichtige Themen übersehen<br />
und gefährden somit <strong>die</strong> Innovationskraft<br />
Deutschland im internationalen<br />
Wettbewerb?<br />
• Trägt unsere Forschungsförderung zur<br />
Problemlösung in unserer Gesellschaft<br />
und auf <strong>die</strong>sem Globus bei?<br />
• Welche strategischen Prozesse haben<br />
wir, um begründbar zu notwendigen<br />
Prioritätensetzungen zu kommen?<br />
• Sind unsere Prozesse nach außen verständlich<br />
und vermittelbar?<br />
Prioritätensetzung in der Forschungsförderung<br />
ist damit ein Thema, mit dem sich<br />
das BMBF gerade jetzt, nachdem <strong>die</strong> neue<br />
Leitung des Hauses gut zwei Jahre arbeitet,<br />
intensiver beschäftigt. Wenn es bei Entscheidungen<br />
um den Dreierschritt: Bedarfsprognose,<br />
Steuerung resp. Umsteuerung<br />
und entsprechende Flexibilität geht,<br />
könnte man natürlich sagen: Die Politiker<br />
haben immer das Problem, dass sie <strong>die</strong><br />
unterschiedlichen Zielgrup-<br />
Die Frage des Bepen zu befriedigen haben.<br />
darfs an For- Und es gibt eine forschungsschungspolitik<br />
im weitepolitische Zielgruppe im enren<br />
Sinne ist natürlich etgeren Sinne, das sind <strong>die</strong>jewas<br />
komplizierter, auch nigen, <strong>die</strong> Bedarf an For-<br />
weil sich <strong>die</strong> politische schungsergebnissen haben,<br />
Kultur im Bereich der For- das sind <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong><br />
schungspolitik etwas auch in der <strong>Wissenschaft</strong> an<br />
unterscheidet und unter- der Erschließung von Zuscheiden<br />
muss von der kunftsfeldern <strong>für</strong> Innovatio-<br />
allgemeinen politischen nen als <strong>Wissenschaft</strong>ler ar-<br />
Kultur, was Bedarfe anbeiten wollen und <strong>die</strong> Changeht.<br />
Was <strong>die</strong> Frage der ce haben, auch sehr schnell<br />
Flexibilität angeht, geht an den spannenden Fragen<br />
es darum, reagible Steue- zu arbeiten, <strong>die</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zurungsstrukturen<br />
zu orgakunftsentwicklung wichtig<br />
nisieren, flexibel auf Be- sind.<br />
darfe zu reagieren und Die Frage des Bedarfs an<br />
dabei <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong> in Forschungspolitik im weite-<br />
ihrer Eigendynamik ernst ren Sinne ist natürlich etwas<br />
zu nehmen. komplizierter, auch weil<br />
sich <strong>die</strong> politische Kultur im<br />
Vorträge..<br />
50<br />
Bereich der Forschungspolitik etwas<br />
unterscheidet und unterscheiden muss<br />
von der allgemeinen politischen Kultur,<br />
was Bedarfe angeht. Was <strong>die</strong> Frage der Flexibilität<br />
angeht, geht es darum, reagible<br />
Steuerungsstrukturen zu organisieren, flexibel<br />
auf Bedarfe zu reagieren und dabei<br />
<strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong> in ihrer Eigendynamik<br />
ernst zu nehmen. Sie wissen, manchmal<br />
wird der Politik auch zuviel Flexibilität<br />
vorgeworfen. Das heißt, neben der Flexibilität<br />
ist auch <strong>die</strong> Frage der strategischen<br />
Orientierung eine Frage, <strong>die</strong> sich in der<br />
Forschungspolitik noch wichtiger stellt als<br />
in anderen Politikfeldern.<br />
Verzahnung von Forschung und Praxis<br />
Winfried Schulze hat in seinem bemerkenswerten<br />
Vortrag „Was sollen wir erforschen?“<br />
auf der Münchener Jahrestagung<br />
2000 der Helmholtz-Gemeinschaft noch<br />
einmal darauf hingewiesen, dass sich <strong>die</strong><br />
<strong>Wissenschaft</strong> grundlegend verändert, dass<br />
sie immer stärker von technischen und<br />
wirtschaftlichen Problemen vorangetrieben<br />
wird, und sie sich eben nicht mehr so<br />
stark wie früher von theoretischen Fragen<br />
ableitet, über <strong>die</strong> sich Disziplinen definieren.<br />
Er spricht dann davon, dass <strong>die</strong>se<br />
strategische Ausrichtung von Forschung<br />
es mit sich bringt, dass verstärkte Anstrengungen<br />
unternommen werden müssen,<br />
<strong>die</strong> Verzahnung von Forschung und<br />
gesellschaftlicher Praxis zu fördern, eingedenk<br />
der Fehlleistungen linearer Planungsmodelle.<br />
Dies bildet in der Tat den<br />
Hintergrund der erneuten intensiven Diskussion<br />
über <strong>die</strong> Frage der Prospektion,<br />
der Setzung von Prioritäten sowie der veränderten<br />
Verfahren und Entscheidungsabläufen<br />
da<strong>für</strong>. Eine Diskussion, <strong>die</strong> wir<br />
auch in der Forschungspolitik stärker führen<br />
müssen.<br />
Politik hat auch eigene Vorstellungen<br />
über <strong>die</strong> gesellschaftliche Zukunft und <strong>die</strong>
Verzahnung von Forschung und gesellschaftlichen<br />
Bedarfsfeldern, und natürlich<br />
hat sich das BMBF nach der<br />
Politik hat auch ei- Übernahme der Aufgabe<br />
gene Vorstellungen durch Frau Bulmahn, Herrn<br />
über <strong>die</strong> gesellschaftliche Thomas und mich, – zu-<br />
Zukunft und <strong>die</strong> Verzahnächst in einem ersten<br />
nung von Forschung und Schritt daran gemacht, <strong>die</strong><br />
gesellschaftlichen Be- aus unserer Sicht überfällidarfsfeldern.gen<br />
Anpassungen der Prioritäten<br />
im Bereich der Forschungs-<br />
und Technologiepolitik an gesellschaftliche<br />
Bedarfsfelder vorzunehmen.<br />
Wir haben uns dabei – das ist auch in der<br />
Regierungserklärung des Bundeskanzlers<br />
nachzulesen gewesen – von drei programmatischen<br />
Schwerpunkten leiten lassen:<br />
• Forschung <strong>für</strong> den Menschen,<br />
• Forschung <strong>für</strong> ein nachhaltiges weltweites<br />
Wachstum und<br />
• Forschung mit dem Ziel Innovationen<br />
<strong>für</strong> Arbeitsplätze.<br />
Die Bandbreite der unter <strong>die</strong>ser Schwerpunkte<br />
subsummierten Forschung reicht<br />
von der Genom- und Gesundheitsforschung<br />
über Forschungen zu Bauen und<br />
Wohnen, künftige nachhaltige Verkehrsund<br />
industrielle wie landwirtschaftliche<br />
Produktionssysteme bis hin zu sozioökonomischen<br />
und wissenschaftsethischen<br />
Fragestellungen ebenso <strong>die</strong> Stärkung der<br />
IT-Forschung zur Gestaltung der Wissensgesellschaft.<br />
Diese programmatisch<br />
neuen Akzente haben wir – ohne einen<br />
großen strategischen Vorlauf – aufgrund<br />
politischer Entscheidungen und auch<br />
langjähriger forschungspolitischer Debatten<br />
gesetzt.<br />
Wir sind jetzt – nach <strong>die</strong>ser ersten Phase<br />
politisch vorgegebener und gesteuerter<br />
neuer Akzente in den Programmschwerpunkten<br />
des BMBF – in einer Phase, wo<br />
wir dazu übergehen wollen und müssen,<br />
zur Implementation moderner Formen<br />
Wolf-Michael xxx.. Catenhusen..<br />
51<br />
von Forschungsprospektion und Entwicklung<br />
von Verfahren zu kommen, <strong>die</strong><br />
auf mittelfristiger Vorschau gegründeten<br />
Entscheidungen über Forschungsschwerpunkte,<br />
Forschungsförderschwerpunkte<br />
und damit letztlich auch über Ressourcenallokationen<br />
ermöglichen.<br />
Hierzu will ich mich in drei Punkten<br />
äußern:<br />
• Erstens in einem kurzen, auch persönlichen<br />
Blick auf <strong>Foresight</strong>-Versuche und<br />
Ansätze, u.a. über Delphi,<br />
• zweitens zur Früherkennung und Erschließung<br />
prioritärer Felder in der<br />
Fachprogrammarbeit des BMBF,<br />
• drittens zu FUTUR, einem Projekt, das<br />
seit anderthalb Jahren im Internet steht,<br />
<strong>für</strong> das aber das BMBF erst jetzt <strong>die</strong> notwendigen<br />
Voraussetzungen da<strong>für</strong> geschaffen<br />
hat, dass daraus ein transparenter,<br />
offener Entscheidungsprozess<br />
über neue Schwerpunkte der künftigen<br />
Förderpolitik unseres Hauses entstehen<br />
kann.<br />
<strong>Foresight</strong>-Ansätze<br />
Sie wissen, dass Anfang der 90er Jahre mit<br />
dem ersten deutschen Delphi-Report<br />
(1992/93), mit der Stu<strong>die</strong> „Technologien<br />
<strong>für</strong> das 21. Jahrhundert“(1991/93) und mit<br />
anschließenden Mini-Delphi (1994/95)<br />
und dem Bildungs-Delphi Versuche gemacht<br />
worden sind, sich in den internationalen<br />
Trend zur Etablierung neuer Verfahren<br />
zur Generierung zukünftiger technologischer<br />
Entwicklungen und darauf<br />
aufbauend zukünftige Entwicklungen notwendiger<br />
Handlungsfelder <strong>für</strong> Forschungs-<br />
und Entwicklungspolitik einzuklinken.<br />
Man kann sicherlich aus der<br />
Rücksicht sagen, dass das ein ehrgeiziges<br />
Unternehmen war, das dazu geführt hat,<br />
dass <strong>die</strong> Politik sich vor allem der Stu<strong>die</strong><br />
„Technologie <strong>für</strong> das 21. Jahrhundert“ angelegten<br />
Möglichkeiten zur Überprüfung
und Neujustierung der Prioritäten der<br />
deutschen Technologieförderung angesichts<br />
mittelfristiger Technologie, Trends,<br />
Trendbeobachtungen, Trendeinschätzungen<br />
gekommen ist. Das damalige BMFT<br />
hat jedoch <strong>die</strong>se Chancen nicht genutzt,<br />
obwohl beispielsweise <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong> „Technologie<br />
<strong>für</strong> das 21. Jahrhundert“ nicht nur<br />
eine Prognose enthielt, sondern auch<br />
Empfehlungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Aufnahme solcher<br />
Trendeinschätzungen in bestimmte Verfahren<br />
und Entscheidungen über prioritäre<br />
und innovative neue Förderschwerpunkte.<br />
Erste Anläufe verliefen im Sande<br />
Die zweite Delphi-Untersuchung schloss<br />
sich 1996 - 1998 an. In <strong>die</strong>sen Prozess flossen<br />
über 2.000 Expertenmeinungen zu<br />
1.070 Einzelthesen sein. Das zeigt <strong>die</strong> Problematik<br />
von Delphi: Ein Vergleich oder<br />
gar eine Prioritätensetzung zwischen <strong>die</strong>ser<br />
Vielzahl von Themen, <strong>die</strong> sich hinter<br />
den Thesen verbergen, war nicht möglich.<br />
Die Stu<strong>die</strong> wurde viel beachtet, floss aber<br />
kaum in <strong>die</strong> strategischen Entscheidungen<br />
des BMBF ein. Eine programmübergreifende<br />
Diskussion hat Delphi im BMBF<br />
nicht ausgelöst. Diese ersten Anläufe zum<br />
Einklinken Deutschlands in <strong>die</strong> Entwicklung<br />
von Verfahren, <strong>die</strong> wir heute unter<br />
Technology-<strong>Foresight</strong> verstehen, sind eigentlich<br />
im Sande verlaufen.<br />
Gleichwohl haben in den letzten Jahren<br />
<strong>die</strong> Anstrengungen, systematisch in<br />
<strong>die</strong> mittel- bis langfristige Zukunft (5-30<br />
Jahre) von <strong>Wissenschaft</strong>, Technologie,<br />
Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft zu<br />
schauen, um generische Technologien und<br />
<strong>die</strong> Felder der strategischen Forschung zu<br />
identifizieren, weltweit deutlich zugenommen.<br />
Allein in Europa gibt es zurzeit<br />
in mehr als einem Dutzend Staaten <strong>Foresight</strong>-Prozesse,<br />
insbesondere in allen größeren<br />
Staaten der Europäischen Union.<br />
Vorträge..<br />
52<br />
Auch <strong>die</strong> Europäische Kommission unternimmt<br />
Anstrengungen, <strong>Foresight</strong>-Verfahren<br />
zu entwickeln, um <strong>die</strong> Vorschläge <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> thematische Ausrichtung der Rahmenprogramme<br />
auf eine neue Basis zu<br />
stellen. In welchem Maße <strong>die</strong>se Schwerpunkte<br />
und der vorgesehene instrumentelle<br />
Paradigmenwechsel Akzeptanz finden,<br />
wird <strong>die</strong> anstehende Diskussion zum<br />
6. Rahmenprogramm zeigen.<br />
Japan ist <strong>für</strong> seine regelmäßigen Delphi-Berichte<br />
bekannt. Die UNIDO (Organisation<br />
der UNO <strong>für</strong> wirtschaftliche Entwicklung)<br />
hat regionale <strong>Foresight</strong>-Initiativen<br />
ins Leben gerufen, z.B. <strong>für</strong> Mittelund<br />
Südamerika – jüngst auch <strong>die</strong> mittelund<br />
osteuropäischen Länder, an der sich<br />
praktisch alle Länder der Region beteiligen.<br />
Die USA führen in dem „Millenium<br />
Project“ eine weltumspannende Diskussion<br />
um künftige Prioritäten.<br />
Als eine in Europa führende Forschungsnation<br />
dürfen wir den Anschluss<br />
an <strong>die</strong>se internationale Entwicklung nicht<br />
verlieren, auch im Hinblick auf <strong>die</strong> <strong>Foresight</strong>-Methodiken.<br />
Was können wir aus<br />
den bisherigen internationaler Erfahrungen<br />
anderer lernen?<br />
1.Zukunft ist nicht vorhersehbar wie das<br />
Wetter durch den Wetterbericht. Das<br />
„Forecasting“, mit dem man in den<br />
USA seit Ende der 50er Jahre startete,<br />
hat sich spätestens mit der unvorhergesehenen<br />
Ölkrise als<br />
nicht machbar erwiesen. Das „Forecasting“,<br />
<strong>Foresight</strong> sollte stattdes- mit dem man in den<br />
sen alternative Szenarien USA seit Ende der 50er<br />
der Zukunft heraus- Jahre startete, hat sich<br />
arbeiten. Wir sollten da- spätestens mit der unvorbei<br />
einerseits fragen: hergesehenen Ölkrise als<br />
„Welche Zukunft wünschen<br />
wir uns?“ (norma-<br />
nicht machbar erwiesen.<br />
tive Szenarien) und andererseits fragen:<br />
„Wie wird sich unsere Zukunft wahrscheinlich<br />
unter der Wirkung neuer
Technologien entwickeln?“ (explorative<br />
Szenarien). Wenn wir alternative<br />
Wege in <strong>die</strong> Zukunft ausge-<br />
Wenn wir alternaarbeitet haben, können wir<br />
tive Wege in <strong>die</strong> Zu- uns am besten auf <strong>die</strong> Zukunft<br />
ausgearbeitet hakunft vorbereiten.<br />
ben, können wir uns am 2.Die verschiedenen Länder<br />
besten auf <strong>die</strong> Zukunft setzen in ihren <strong>Foresight</strong>vorbereiten.<br />
Prozessen verschiedene Me-<br />
Die verschiedenen Länder thoden ein. In Japan und Ös-<br />
setzen in ihren <strong>Foresight</strong>- terreich werden Delphi-Be-<br />
Prozessen verschiedene fragungen von Experten<br />
Methoden ein.<br />
durchgeführt. Im United<br />
Kingdom (UK), in Frankreich,<br />
in den Niederlanden, in Schweden<br />
oder in vielen anderen Ländern hat<br />
man Expertenpanels zu bestimmten<br />
Themenkreisen eingerichtet. In Dänemark<br />
versucht man über Konsensuskonferenzen<br />
breitere Kreise der Bevölkerung<br />
einzubeziehen. In Neuseeland<br />
möchte man neue Themen aus einem<br />
Internetdiskurs gewinnen. Es gibt<br />
also nicht „<strong>die</strong>“ Methode. Wir müssen<br />
unseren nationalen Weg vor dem Hintergrund<br />
unserer Strukturen entwickeln.<br />
3. Die Erfahrungen z.B. in Schweden oder<br />
in UK zeigen, dass <strong>Foresight</strong>-Prozesse<br />
auch einen Wert als Kommunikationsprozesse<br />
haben. <strong>Foresight</strong>-Prozesse bringen<br />
<strong>die</strong> Akteure des Innovationsgeschehens<br />
aus verschiedenen Anwendungsfeldern<br />
zusammen (Vernetzung).<br />
Sie haben zudem eine Wirkung in der<br />
Öffentlichkeit und führen damit zur<br />
Transparenz der Entscheidungsfindung<br />
in der Forschungspolitik. Gleichzeitig<br />
zeigt <strong>die</strong>se Erkenntnis <strong>die</strong> Gefahren<br />
von <strong>Foresight</strong>-Prozessen: In manchen<br />
<strong>Foresight</strong>-Prozessen sind <strong>die</strong> Ergebnisse<br />
schwer quantitativ zu fassen. Mit<br />
einem Ergebnis wie „FUTUR als Prozess<br />
hat seinen Wert an sich“ wollen<br />
wir uns nicht zufrieden geben. Wir<br />
wollen <strong>die</strong> Ergebnisse an konkreten<br />
Projekten festmachen. Dass <strong>Foresight</strong><br />
Wolf-Michael Catenhusen..<br />
53<br />
in <strong>die</strong>ser Hinsicht auch erfolgreich sein<br />
kann, zeigt sich zum Beispiel in UK.<br />
Dort wurden beispielsweise 1996/97<br />
ca. 54 Prozent des Forschungsbudgets<br />
des Research Council in Übereinstimmung<br />
mit den im <strong>Foresight</strong>-Prozess gesetzten<br />
Prioritäten vergeben.<br />
4.<strong>Foresight</strong>-Prozesse, bei denen neben<br />
Experten breitere Kreise der Bevölkerung<br />
eingebunden wurden, sind weltweit<br />
selten. Dort, wo beispielsweise<br />
Internet-Diskurse zur Zukunftsvorausschau<br />
gestartet wurden (Neuseeland),<br />
hat man wenig Resonanz in der Bevölkerung<br />
gefunden. Ich halte es aber im<br />
Rahmen eines modernen Politikverständnisses<br />
<strong>für</strong> erforderlich, neben Experten<br />
auch interessierte Bürger in einen<br />
Dialog mit einzubeziehen.<br />
Früherkennung über Fachprogramme<br />
BMFT und BMBF – das gilt bis heute – setzen<br />
auf <strong>die</strong> Optimierung von Früherkennungsmethoden<br />
in den Fachprogrammen,<br />
wobei Sie natürlich wissen müssen, dass<br />
ein Ministerium, was in einer großen Breite<br />
– man kann sagen, fast flächendeckend<br />
– versucht, Förderpolitik über Fachprogramme,<br />
über Ausschreibungen und ähnliche<br />
Instrumente zu generieren, nicht in<br />
der Situation ist, dass etwa mittelfristig jeweils<br />
<strong>die</strong> Prioritäten insgesamt auf den<br />
Prüfstand gestellt werden, sondern dass<br />
wir ständig auf Grund der Ungleichzeitigkeit<br />
der Laufzeiten bestimmter Programme<br />
und Förderschwerpunkte dabei sind,<br />
Förderschwerpunkte zu modernisieren,<br />
neue Förderschwerpunkte zu generieren.<br />
Ein kontinuierlicher Prozess mit all den<br />
Vorteilen, wie sie Flexibilität aufweist, mit<br />
all den Einschränkungen, <strong>die</strong> man in der<br />
Frage strategischer Priorisierung von Forschungsförderung<br />
nehmen kann.<br />
Dass wir z.B. nach 1998 zu einer strategischen<br />
Priorisierung der Genomforschung<br />
kommen konnten, lag ja vor allem
daran, dass wir durch ein starkes Wachstum<br />
an Fördermitteln und durch eine gezielte<br />
strategische Priorisierung des Zuwachses<br />
an Ressourcen in der Lage waren,<br />
hier ein neues Förderfeld zu generieren.<br />
In den 90er Jahren ist Deutschland fast<br />
zu spät gekommen. 1995 hat der Bund mit<br />
28 Mio.DM Förderung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Genomforschung<br />
begonnen. Heute sind es rd.<br />
100 Mio. Dazu kommen in den Jahren<br />
2001 bis 2003 noch mal 350 Mio.DM aus<br />
der Versteigerung der UMTS-Frequenzen.<br />
Im Vergleich zu den USA ist das immer<br />
noch bescheiden, aber ich glaube, wir<br />
können damit unseren angestammten<br />
Platz hinter den USA zurückerobern. Dabei<br />
ging es nicht nur um zusätzliche<br />
Mittel, wir haben das mit strukturellen Innovationen<br />
verbunden. Im Rahmen der<br />
neuen Genomforschungsinitiative wird es<br />
künftig einen Kernbereich von fünf Forschungszentren<br />
geben. Diese Institute bieten<br />
<strong>die</strong> Basistechnologien an und sollen in<br />
einem Netzwerk eng mit der klinischen<br />
Forschung verbunden werden. Ich finde<br />
gut, dass wir das gemacht<br />
In den 90er Jahren haben, aber in der Methode<br />
ist Deutschland fast der Generierung sind es ei-<br />
zu spät gekommen. 1995 gentlich Umstände, <strong>die</strong> mit<br />
hat der Bund mit dem, was eigentlich Kontext<br />
28 Mio. DM Förderung <strong>für</strong> <strong>die</strong>ser Tagung ist, nur an-<br />
<strong>die</strong> Genomforschung besatzweise etwas zu tun hagonnen.<br />
Heute sind es rd. ben, obwohl das Ergebnis<br />
100 Mio. Dazu kommen sich sehen lassen kann.<br />
in den Jahren 2001 bis In den Fachprogrammen<br />
2003 noch mal des BMBF wird stetig nach<br />
350 Mio. DM aus der Ver- neuen, zukunftsorientierten<br />
steigerung der UMTS-Fre- Themen gesucht. Die Fachquenzen.programme<br />
des BMBF haben<br />
sich in den letzten Jahren<br />
immer mehr zu dynamischen, „lernenden“<br />
Programmen entwickelt, um u.a.<br />
schneller auf immer kürzer werdende Innovationszyklen<br />
reagieren zu können. Am<br />
Beispiel der Nanotechnologie lässt sich<br />
zeigen, wie das BMBF hier vorgeht. Nano-<br />
Vorträge..<br />
54<br />
technologie gilt als Schlüsseltechnologie.<br />
Neue Themen – wie <strong>die</strong> Nanotechnologie<br />
– entwickeln sich in einem evolutionären<br />
Prozess, den man in drei Phasen<br />
unterteilen kann:<br />
• <strong>die</strong> Identifikationsphase<br />
• <strong>die</strong> Bewertungsphase (Pilotphase)<br />
• <strong>die</strong> Phase der Implementierung in das<br />
Portfolio des BMBF: Neue Förderschwerpunkte<br />
und -programme.<br />
Identifikationsphase<br />
Die erste, ständig aktive Phase ist ein breit<br />
angelegtes „Screening“, das das BMBF im<br />
Rahmen von verschiedenen Fachprogrammen<br />
betreibt. Neue, auch technologieorientierte<br />
Themen werden durch Expertengespräche,<br />
Konferenzbesuche,<br />
Patentanalysen und Beobachtung internationaler<br />
Aktivitäten identifiziert. So war<br />
seit Ende der 80er Jahre zu erkennen, dass<br />
man einzelne Atome und Moleküle nicht<br />
nur abbilden, sondern auch gezielt manipulieren<br />
kann. Die Konstruktion mit einzelnen<br />
oder wenigen Atomen und Molekülen<br />
war prinzipiell möglich geworden.<br />
Erste Ideen nahmen Form an, wie man<br />
<strong>die</strong>se neuen Möglichkeiten technisch nutzen<br />
kann. Die Sciencefiction-Visionen von<br />
Erik Drexler von Nano-U-Booten in der<br />
Blutbahn oder Nanomaschinen, <strong>die</strong> Abfälle<br />
bis auf atomare Ebene zerlegen und<br />
wiederverwerten, wurden zwar sogar von<br />
Teilen der Öffentlichkeit wahrgenommen,<br />
riefen aber bei Fachleuten Kopfschütteln<br />
hervor. Die Identifikation der Nanotechnologie<br />
lag auf der Hand, aber es musste<br />
eine Abgrenzung des Gebietes mit seriös<br />
erreichbaren Anwendungsmöglichkeiten<br />
gefunden werden.<br />
In verschiedenen Workshops der Experten<br />
einigten wir uns darauf, unter Nanotechnologie<br />
„<strong>die</strong> Herstellung, Analyse<br />
und Anwendung von Systemen zu verstehen<br />
mit kritischen Strukturen unter
100 nm, bei denen gleichzeitig durch <strong>die</strong><br />
Kleinheit qualitativ neue Phänomene auftreten<br />
und nutzbar sind“.<br />
In verschiedenen Damit hatten wir unser Pro-<br />
Workshops der Exspektionsgebiet abgesteckt.<br />
perten einigten wir uns<br />
darauf, unter Nanotech- Bewertungsphase (Pilotnologie<br />
„<strong>die</strong> Herstellung, phase)<br />
Analyse und Anwendung Die identifizierten Themen<br />
von Systemen zu verste- werden nun bewertet, oft in<br />
hen mit kritischen Form einer Technologie-<br />
Strukturen unter 100 nm, stu<strong>die</strong>. In der Technologies-<br />
bei denen gleichzeitig tu<strong>die</strong> sind folgende Fragen<br />
durch <strong>die</strong> Kleinheit quali- zu beantworten:<br />
tativ neue Phänomene<br />
auftreten und nutzbar • Wie hoch ist der wissen-<br />
sind“. Damit hatten wir schaftliche Neuheitsgrad<br />
unser Prospektionsgebiet zu bewerten? Mit der Na-<br />
abgesteckt.<br />
notechnologie betreten wir<br />
auf vielen Gebieten, wie z.B.<br />
der Nanobiotechnologie oder neuen<br />
Bauelementen der Nanoelektronik, wissenschaftliches<br />
Neuland. Nanotechnologie<br />
ist interdisziplinär zwischen<br />
Biowissenschaften, Physik, Chemie und<br />
Ingenieurwissenschaften angesiedelt. In<br />
der Nanotechnologie wird man z.B. mit<br />
Biomolekülen technische Strukturen<br />
aufbauen. Die Interdisziplinarität stellt<br />
uns vor Herausforderungen, nicht zuletzt<br />
auch in der Ausbildung.<br />
• Welches wirtschaftliche Potenzial<br />
lässt sich quantifizieren und welche<br />
konkreten Produkte und Einsatzgebiete<br />
der Technologie sind möglich?<br />
Am Beispiel der Nanotechnologie konnten<br />
wir einen Weltmarkt in 2001 von<br />
insgesamt 55 Mrd.€ prognostizieren.<br />
Wirtschaftliche Anwendungen sind also<br />
heute bereits schon im beträchtlichen<br />
Umfang realisiert. Dazu zählt insbesondere<br />
<strong>die</strong> Ultrapräzisionsbearbeitung, <strong>die</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Hochpräzisionsoptiken in der<br />
Halbleiterindustrie unerlässlich ist.<br />
• Welche möglichen Einflüsse auf <strong>die</strong><br />
Gesellschaft, z.B. Beitrag zur Nach-<br />
Wolf-Michael Catenhusen..<br />
55<br />
haltigkeit, ethische Fragen gibt es? Im<br />
Hinblick auf <strong>die</strong> Ziele unserer Forschungspolitik,<br />
<strong>die</strong> nachhaltiges Wirtschaften<br />
und Gesundheit <strong>für</strong> <strong>die</strong> Menschen<br />
ganz hoch ansetzen, wurde <strong>die</strong><br />
Nanotechnologie <strong>für</strong> uns besonders<br />
interessant: Sie wird zur Ressourcenschonung<br />
beitragen, verspricht neue<br />
Drug-Delivery-Systeme oder Behandlungsmethoden<br />
in der Medizin, z.B. <strong>die</strong><br />
Hyperthermie unter Nutzung von magnetischen<br />
Nanopartikeln gegen Tumore.<br />
Andererseits müssen wir kritische<br />
Fragen an <strong>die</strong> Nanotechnologie, wie sie<br />
z.B. Bill Joy aufgeworfen hat, berücksichtigen<br />
und – wenn <strong>die</strong>s das Ergebnis<br />
der Diskussion sein sollte – in ethische<br />
Richtlinien <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erforschung und Nutzung<br />
der Nanotechnologie umsetzen.<br />
• Wie ist der Stand von <strong>Wissenschaft</strong><br />
und Anwendung im internationalen<br />
Vergleich zu bewerten und welche<br />
Förderaktivitäten gibt es im Ausland?<br />
Der Nanotechnologie wird weltweit große<br />
Aufmerksamkeit gewidmet. So hat<br />
vor einem Jahr <strong>die</strong> Clinton-Administration<br />
ein mit 500 Mio.$ jährlich dotiertes<br />
Programm zur Förderung der Nanotechnologie<br />
beschlossen.<br />
• Welche Forschungskapazitäten sind<br />
zur Bearbeitung des Themas in<br />
Deutschland vorhanden? Aus den<br />
Ergebnissen der Technologiestu<strong>die</strong> leiten<br />
sich Handlungsempfehlungen <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> Förderung und <strong>die</strong> Förderpolitik ab.<br />
Die Handlungsempfehlungen führen im<br />
Fall der Nanotechnologie bereits aus der<br />
Prospektionsphase heraus. Wir haben<br />
eine Initiative zur Förderung der Nanotechnologie<br />
ins Leben gerufen. Der programmübergreifende<br />
Schwerpunkt ist<br />
zurzeit mit 41 Mio.€ Fördersumme<br />
jährlich ausgestattet.<br />
Die Erstellung einer solchen Stu<strong>die</strong> nimmt<br />
typischerweise Monate bis zu einem Jahr
in Anspruch. Diese Zeit möchten wir nicht<br />
verlieren, so dass bei erfolgversprechenden<br />
Themen mit dem Start von Pilotvorhaben<br />
begonnen wird. Ziel der Pilotvorhaben<br />
ist es, bereits frühzeitig das Anwendungspotenzial<br />
einer Technologie auszuloten,<br />
der jeweiligen Fachszene <strong>die</strong> Chance<br />
zu geben, sich zu formieren und <strong>die</strong><br />
Fragen genau zu definieren, <strong>die</strong> anschließende<br />
Forschungsprojekte beantworten<br />
sollten. Im Falle der Nanotechnologie starteten<br />
wir mit Pilotvorhaben in den erfolgversprechendsten<br />
Gebieten (Nanoanalytik,<br />
Nanopartikel, Nanoelektronik und laterale<br />
Strukturierung, ultradünne Schichten<br />
und Ultrapräzisionsbearbeitung).<br />
Phase der Implementierung in das<br />
Portfolio des BMBF: Neue Förderschwerpunkte<br />
und -programme<br />
Pilotförderung wird oft auch als „Frühbeetforschung“<br />
bezeichnet. Wir züchten<br />
neue Pflänzchen an, wissen aber, dass wir<br />
nach der Pilotphase von ein bis zwei Jahren<br />
<strong>die</strong> Pflänzchen pikieren müssen: Nicht<br />
alle Ansätze haben einen erfolgreichen<br />
Verlauf wie z.B. <strong>die</strong> Nanotechnologie. Die<br />
Technologiefrüherkennung<br />
Die Technologie- widmet sich auch vielen Pifrüherkennungwidlotvorhaben,<br />
<strong>die</strong> vielverspremet<br />
sich auch vielen Pichend starten, deren Bedeulotvorhaben,<br />
<strong>die</strong> vielvertung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anwendung<br />
sprechend starten, deren sich dann aber nicht verifi-<br />
Bedeutung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anzieren lässt. Das Risiko,<br />
wendung sich dann aber nicht immer Erfolg zu ha-<br />
nicht verifizieren lässt. ben, gehört zur Forschung<br />
Das Risiko, nicht immer dazu. Viele Themen werden<br />
Erfolg zu haben, gehört nach der Pilotphase einge-<br />
zur Forschung dazu. Viele stellt. Erfolgreiche Pilotpro-<br />
Themen werden nach der jekte werden ausgeweitet<br />
Pilotphase eingestellt. Er- und ggf. als neue Förderfolgreiche<br />
Pilotprojekte schwerpunkte etabliert.<br />
werden ausgeweitet und Die oben beschriebenen<br />
ggf. als neue Förder- Prozesse laufen in enger Abschwerpunkte<br />
etabliert.<br />
stimmung mit der <strong>Wissenschaft</strong><br />
und von Anfang an<br />
Vorträge..<br />
56<br />
mit der Wirtschaft, wobei wir erwarten,<br />
dass <strong>die</strong> finanzielle Beteiligung von Unternehmen<br />
spätestens in <strong>die</strong>ser Phase einsetzt.<br />
Denn wir wollen letztlich zu Innovationen<br />
kommen, und <strong>die</strong>ses Ziel können<br />
wir nur mit der Wirtschaft erreichen.<br />
Die finanzielle Beteiligung der Unternehmen<br />
ist ein zusätzlicher Test <strong>für</strong> <strong>die</strong> wirtschaftliche<br />
Bedeutung der Thematik. An<br />
der Vorbereitung von Förderschwerpunkten<br />
sind jeweils alle betroffenen, gesellschaftlichen<br />
Kräfte beteiligt, insbesondere<br />
sind das Gewerkschaften, Umweltverbände,<br />
Wirtschaft und <strong>Wissenschaft</strong>.<br />
Die Nanotechnologie wurde inzwischen<br />
als strategische, programmübergreifende<br />
Initiative des BMBF etabliert. Neben Verbundforschungsprojekten<br />
unterstützen wir<br />
sechs Kompetenzzentren als Infrastrukturmaßnahmen.<br />
Ziel ist es, Deutschland<br />
zu einem hervorragenden Standort <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
Nanotechnologie zu machen und den<br />
Menschen <strong>die</strong> Vorteile <strong>die</strong>ser Zukunftstechnologie<br />
zukommen zu lassen. Die<br />
Kompetenzzentren sollen dabei zu Keimzellen<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> wirtschaftliche Umsetzung<br />
der Nanotechnologie werden. Obwohl wir<br />
es mit einer noch sehr jungen Technologie<br />
zu tun haben und obwohl <strong>die</strong> Kompetenzzentren<br />
erst vor zwei Jahren eingerichtet<br />
wurden, können wir mit mehr als<br />
einem Dutzend neu ausgegründeten<br />
Unternehmen zeigen, dass <strong>die</strong> Nanotechnologie<br />
erfolgversprechend startet.<br />
Nach unserer Einschätzung ist das Gebiet<br />
der Nanotechnologie soweit vorangeschritten,<br />
dass das BMBF jetzt an eine erneute<br />
Zusammenfassung aller Aktivitäten<br />
in der Nanoforschung geht und prüft, einen<br />
weiteren Schritt zu machen, um uns<br />
auch hier angesichts der internationalen<br />
Entwicklung neu zu positionieren. Wir<br />
stehen damit in einem Revolving Process,<br />
in dem entschieden werden muss, was wir<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> sehr komplexe Struktur von Nanoforschung<br />
erkennbar machen wollen,
denn: im Haushalt des BMBF sehen Sie<br />
den Begriff „Nanotechnologie“ bis heute<br />
nicht. Die Frage stellt sich, ob es jetzt ein<br />
so eigenständiger Bereich geworden ist,<br />
dass wir ihn auch als eigenen Technologie-<br />
und Förderbereich generieren müssen<br />
und damit einen nächsten Schritt in der<br />
strategischen Aufwertung <strong>die</strong>ses Feldes<br />
gehen.<br />
FUTUR<br />
Wir haben uns dazu entschieden, unserer<br />
Politikgestaltung mit einem neu ausgerichteten<br />
FUTUR-Prozess<br />
FUTUR geht von ge- ein innovatives Instrument<br />
sellschaftlichenBe- hinzuzufügen. FUTUR soll<br />
dürfnissen, Änderungen, uns bei der Identifizierung<br />
Veränderungen, Entwick- neuer Themenschwerpunklungen<br />
aus und soll <strong>die</strong>se te und ggf. auch neuer Prio-<br />
mit Technologien und ritäten unterstützen. FUtechnologischenEntwick-<br />
TUR soll aber auch <strong>die</strong> seit<br />
lungsfäden verknüpfen, einiger Zeit einsetzende<br />
<strong>die</strong> zur Lösung gesell- programmübergreifende inschaftlicherFragestellunhaltliche<br />
Diskussion im<br />
gen beitragen können. BMBF, bei den Projektträgern<br />
und zwischen <strong>die</strong>sen<br />
Partnern unterstützen und damit auch eine<br />
neue Kommunikationskultur in unseren<br />
Organisationen befördern. Die Früherkennung<br />
geht von den oft technologiefixierten<br />
Fachprogrammen aus – das ist<br />
unsere bisherige Situation. Das reicht natürlich<br />
mit Blick auf <strong>die</strong> notwendige breite<br />
Komplexität und <strong>für</strong> viele Fragen, <strong>die</strong><br />
sich aus der Grundlagenforschung heraus<br />
entwickeln, oft nicht aus.<br />
Wir ergänzen deshalb <strong>die</strong>ses Instrumentarium<br />
durch FUTUR. FUTUR geht<br />
von gesellschaftlichen Bedürfnissen, Änderungen,<br />
Veränderungen, Entwicklungen<br />
aus und soll <strong>die</strong>se mit Technologien und<br />
technologischen Entwicklungsfäden verknüpfen,<br />
<strong>die</strong> zur Lösung gesellschaftlicher<br />
Fragestellungen beitragen können. Genau<br />
wie <strong>die</strong> Technologiefrüherkennung soll<br />
FUTUR das BMBF bei der Identifikation<br />
Wolf-Michael Catenhusen..<br />
57<br />
zukünftiger Forschungsthemen unterstützen<br />
und Entscheidungshilfen bei der<br />
strategischen Ausrichtung bereitstellen.<br />
Das BMBF versteht sich dabei als Moderator<br />
zwischen <strong>Wissenschaft</strong>, Gesellschaft<br />
und Wirtschaft. Um <strong>die</strong>ser Moderatorenrolle<br />
gerecht zu werden, muss das BMBF<br />
als Expertensystem gemeinsam mit der<br />
<strong>Wissenschaft</strong> und der Industrie tragfähige<br />
Zukunftsbilder entwickeln und zur Diskussion<br />
stellen.<br />
Im Einzelnen verfolgt FUTUR folgende<br />
Ziele:<br />
Ziel eins: Mit Futur möchten wir Zukunftsszenarien<br />
generieren und zur Diskussion<br />
stellen. Welche Zukunft wünschen<br />
wir uns? Welche Zukunft wird sich<br />
wahrscheinlich aus den heutigen absehbaren<br />
technologischen Entwicklungen ergeben?<br />
Wir wollen <strong>die</strong>s natürlich nicht als<br />
das ganze Leben, <strong>die</strong> ganze Wirklichkeit<br />
umfassenden Prozess anlegen, sondern in<br />
sektoralen Schwerpunkten. Ergebnisse sollen<br />
mögliche, wahrscheinliche oder auch<br />
zukunftswünschbare Zukunftsbilder sein,<br />
<strong>die</strong> der Öffentlichkeit gegenüber <strong>die</strong> strategische<br />
Ausrichtung der Forschungspolitik<br />
transparent und verständlich machen.<br />
Aus den Zukunftsszenarien – das ist unser<br />
zweites Ziel – wollen wir Leitvisionen<br />
generieren, <strong>die</strong> den jeweiligen Bedarf an<br />
Forschung und Entwicklung aufzeigen<br />
und sich zu konkreten Projekten umsetzen<br />
lassen. FUTUR wird damit ein dauernder<br />
Prozess zur Identifikation von Leitvision.<br />
Der Eine oder Andere wird fragen,<br />
was ist eigentlich der Unterschied zu Leitprojekten?<br />
Möglicherweise der Versuch,<br />
durch Leitvisionen den Zeithorizont von<br />
zehn Jahren plus zu berücksichtigen.<br />
Die Öffentlichkeit soll teilhaben<br />
Drittes Ziel: Die Öffentlichkeit soll an <strong>die</strong>sem<br />
Prozess der strategischen Ausrichtung
teilhaben. Wir wollen <strong>die</strong>s also mit Elementen<br />
von Partizipation verbinden. Da<br />
wir den Menschen in den Mittelpunkt unserer<br />
Forschungspolitik stellen, müssen<br />
wir auch Menschen, <strong>die</strong> von Auswirkungen<br />
neuer Technologien be-<br />
Mit entworfenen troffen sind, von vornherein<br />
Zukunftsszenarios in den Prozess der Themen-<br />
können wir dann sicherfindung einbeziehen. Die<br />
lich auch durch Zukunfts- Vergangenheit hat gezeigt,<br />
werkstätten,Konsensus- dass es der falsche Ansatz<br />
konferenzen, Bürgerforen ist, neue Technologien zu<br />
und Ähnliches einen entwickeln und erst dann<br />
Rückkopplungseffekt or- das fertige Produkt der Öfganisieren.fentlichkeit<br />
zu präsentieren<br />
oder gar als staatsfinanziertes<br />
Projektergebnis der Wirtschaft auszuhändigen.<br />
Sie wissen, dass das auch nicht<br />
so einfach ist, ohne sich über <strong>die</strong> Betroffenen<br />
Gedanken zu machen. Ziel ist es, <strong>die</strong><br />
Entscheidung der Forschungspolitik damit<br />
auch transparenter zu machen und <strong>die</strong><br />
Zukunftsaufgeschlossenheit unserer Gesellschaft<br />
zu verstärken.<br />
Viertes Ziel: FUTUR soll im BMBF eine<br />
systematische, programmübergreifende,<br />
damit auch fachübergreifende inhaltliche<br />
Diskussion ermöglichen. FUTUR instrumentalisiert<br />
damit <strong>die</strong> notwendige<br />
Interdisziplinarität. Das bürokratische Argument:<br />
„Passt nicht in ein bestimmtes<br />
Fachprogramm!“, darf es dann bei uns<br />
auch nicht mehr geben. Obwohl wir in<br />
der Vergangenheit schon flexibler waren<br />
als andere Forschungsorganisationen. Im<br />
FUTUR-Prozess werden wir in verschiedenen<br />
Phasen vorgehen. In der Phase der<br />
Identifikation werden wir auf internes und<br />
externes Expertenwissen zurückgreifen.<br />
Identifizierte Themen werden wir sodann<br />
in der Phase der Trendreflexion in einer<br />
breiteren Diskussion strukturieren und<br />
weiter ausarbeiten, und in <strong>die</strong>ser Phase<br />
werden wir neben etablierten Experten<br />
auch junge Trendsetter, darunter verstehen<br />
wir zum Beispiel Nachwuchswissen-<br />
Vorträge..<br />
58<br />
schaftler, junge Unternehmer, möglicherweise<br />
auch Schülerinnen und Schüler, <strong>die</strong><br />
im Bereich „Jugend forscht“ besonders<br />
aufgefallen sind, ein beziehen.<br />
Wir brauchen in <strong>die</strong>sem Prozess <strong>die</strong><br />
Erwartung und Blickfelder verschiedener<br />
Generationen und nicht nur das „gesicherte<br />
Wissen“. Mit entworfenen Zukunftsszenarios<br />
können wir dann sicherlich<br />
auch durch Zukunftswerkstätten,<br />
Konsensuskonferenzen, Bürgerforen und<br />
Ähnliches einen Rückkopplungseffekt organisieren.<br />
Wir wollen uns also nicht nur<br />
auf Expertenkreise zu bestimmten Themen<br />
stützen und dann aus <strong>die</strong>sen Diskussionen<br />
Ergebnisse sichern und aus<br />
solchen Zukunftsszenarien Leitvisionen<br />
formulieren. Die Entscheidung, welche<br />
Leitvisionen Priorität erhalten, kann aber<br />
nur auf einer übergeordneten Ebene getroffen<br />
werden. Eine Priorisierung lässt<br />
sich letztendlich nicht ohne politische<br />
Entscheidung und Schwerpunktsetzung,<br />
manchmal auch Wertorientierung von<br />
Politik, vornehmen, wobei sich in <strong>die</strong>sem<br />
Prozess auch andere Akteure, wie <strong>die</strong><br />
<strong>Wissenschaft</strong> und <strong>die</strong> Wirtschaft mit eigenen<br />
Erwartungen und Priorisierungen<br />
einbringen müssen und können. Zurzeit<br />
sind wir dabei, Partner zu identifizieren,<br />
<strong>die</strong> das BMBF konzeptionell und organisatorisch<br />
im FUTUR-Prozess unterstützen<br />
können.<br />
Neues Instrument Leitvisionen<br />
Ich will noch Einiges zum Begriff der Leitvision<br />
sagen. Leitvisionen sind ein neues<br />
Instrument unserer Forschungspolitik, das<br />
den Ansatz der Leitprojekte konsequent<br />
weiterentwickelt. Leitvisionen haben also<br />
folgende Ziele:<br />
• Bindung von Aktivitäten in strategisch<br />
ausgelegten Forschungsinitiativen,<br />
• Vernetzung von technologieorientier-
ten und problemorientierten Fragestellungen,<br />
• Definition einer auf nachhaltiges Wirtschaften<br />
orientierten Forschungspolitik,<br />
• Aufgreifen von gesellschaftlichen Problemen<br />
• Nachvollziehbarkeit der Fördermaßnahmen<br />
in einer breiten Öffentlichkeit.<br />
• Innovations- und Marktorientierung in<br />
der Forschung.<br />
Das BMBF hat, ohne dass wir öffentlich<br />
groß darüber geredet haben, einen internen<br />
Vorlauf organisiert. Das heißt, wir haben<br />
jetzt ohne den Rückkopplungsprozess<br />
nach Außen, gestützt auf <strong>die</strong> vorhandene<br />
Expertise und auf das Expertensystem<br />
BMBF einen internen Vorlauf organisiert<br />
um zu erkunden, wie fruchtbar der Prozess<br />
ist, d.h. wir haben erste Leitvisionen<br />
in unserem Hause identifiziert. Ich will einige<br />
Beispiele nennen: Das intelligente<br />
Haus wird dem Einen oder Anderen bekannt<br />
vorkommen, denn das ist in Japan<br />
schon Mitte der 90er Jahre diskutiert worden.<br />
Also es ist verworfen worden. Wie gesagt,<br />
das ist nicht neu, das ist nicht innovativ,<br />
das kennen wir eigentlich schon.<br />
Außerdem ist das auch eine Aufgabe der<br />
Industrie, sich Gedanken zu machen, wieviel<br />
Elektronik man in ein Haus hineinpackt.<br />
Dabei kann man eher auf eine<br />
nachfrageorientierte Entwicklung und Dynamik<br />
setzen.<br />
Beim „Sanften Operieren“ sehen wir ein<br />
immer stärkeres Implementieren unterschiedlichster<br />
Technologien. Es ist wahrscheinlich<br />
auf Grund der Komplexität und<br />
der Interdisziplinärität von Forschung<br />
und Technologien her ein spannendes<br />
Feld, bei dem wir es durch ein gezieltes<br />
Zusammenspannen von <strong>Wissenschaft</strong> und<br />
Industrie mit einer über <strong>die</strong> normalen<br />
Produktzyklen weit hinaus gehenden Vision<br />
zu tun haben. Das ist ein Feld, das<br />
wir sozusagen eher unter den Begriff einer<br />
Wolf-Michael Catenhusen..<br />
59<br />
Leitvision fassen können. „Sanftes Operieren“<br />
wird vielleicht auch von Marktsteuerungskräften<br />
zunächst nicht im<br />
Selbstlauf in dem Tempo zu erreichen<br />
sein, wie wir es angesichts der sich vielfältig<br />
abzeichnenden Technologien, <strong>die</strong><br />
wir verknüpfen könnten, vielleicht erhoffen.<br />
Außerdem kann es hier einen besonderen<br />
Grund geben, eine solche Leitvision<br />
dann auch politisch zu bewerten und zu<br />
entscheiden und zu sagen, damit fangen<br />
wir an.<br />
Letzte Bemerkung im Sinne eines Ausblicks:<br />
Ich bin fest überzeugt davon, dass<br />
<strong>die</strong> Etablierung von FUTUR mehrere Jahre<br />
braucht, bis wir einen solchen Prozess<br />
einmal durchlaufen haben und eine Mehrzahl<br />
solcher Visionen generiert wurden<br />
und damit dann zur Frage<br />
einer Priorisierung von For- Ich bin fest überschungspolitik<br />
kommen. zeugt davon, dass<br />
Denn wenn Sie an den <strong>die</strong> Etablierung von<br />
BMBF-Etat von 15 Milliar- FUTUR mehrere Jahre<br />
den DM denken, dann wis- braucht.<br />
sen Sie – <strong>die</strong>se Leitvisionen<br />
bewegen zurzeit nur marginal Prioritätenentscheidungen,<br />
und Sie werden auch erst<br />
dann spannend, wenn das, was wir unter<br />
Leitvision verstehen, auch Ausstrahlung<br />
hat auf <strong>die</strong> Fachprogramme, etwa <strong>die</strong><br />
Fachprogramme, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Technologieentwicklung<br />
voranbringen, <strong>die</strong> Leitvisionen<br />
zu bestimmten Anwendungsperspektiven<br />
verkoppeln können. Dann werden wir natürlich<br />
auch auf <strong>die</strong> spannende Frage<br />
kommen, wie <strong>die</strong> Verknüpfung von projektbezogener<br />
Förderung mit der Frage<br />
der institutionellen Förderung zu gestalten<br />
sein wird.<br />
Ich will deshalb mit einen aktuellen<br />
Satz enden: Unter anderem ist <strong>die</strong> Frage<br />
der programmorientierten Förderung der<br />
HGF-Zentren auch vor dem Hintergrund<br />
zu sehen, dass wir zur strategischen<br />
Überlegung in der Forschungspolitik<br />
kommen müssen, <strong>die</strong> es uns erlaubt, stra-
Unter anderem ist tegische Visionen zu eta-<br />
<strong>die</strong> Frage der problieren, <strong>die</strong> quer zu den<br />
grammorientiertenFör- klassischen Förderprofilen<br />
derung der HGF-Zentren und Förderstrukturen lie-<br />
auch vor dem Hintergen.grund zu sehen, dass wir Weil wir wissen, dass<br />
zur strategischen Überle- prioritäre Entscheidungen<br />
gung in der Forschungs- auf den zum Teil nicht perpolitik<br />
kommen müssen, fekt gehobenen Schatz der<br />
<strong>die</strong> es uns erlaubt, strate- institutionellen Förderung<br />
gische Visionen zu eta- des Bundes ausstrahlen,<br />
blieren, <strong>die</strong> quer zu den und weil wir in der institu-<br />
klassischen Förderprofitionellen Förderung in erlen<br />
und Förderstrukturen heblichem Ausmaß Res-<br />
liegen. sourcen binden, müssen<br />
wir <strong>die</strong> Frage der Priorisierung<br />
auch zu einem gemeinsamen Thema<br />
der Projektförderung und der institutionellen<br />
Förderung machen.<br />
Vorträge..<br />
60<br />
Wolf-Michael Catenhusen<br />
ist Parlamentarischer Staatssekretär<br />
bei der Bundesministerin<br />
<strong>für</strong> Bildung und<br />
Forschung in Berlin.
Zusammenfassung<br />
Die Rolle des Staates in der Hochschulförderung ist<br />
nicht vorrangig ein Vorgeben von Schwerpunkten, sondern<br />
eher ein Reagieren auf Konzepte der Hochschulen.<br />
Dies schließt nicht aus, dass der Staat zielgerichtet vorgeht<br />
und wissenschaftliche Kooperationen über Grenzen<br />
von Arbeitsgruppen und Fachdisziplinen hinweg<br />
oder zukunftsträchtige Technologiebereiche durch zusätzliche<br />
Anreize fördert.Durch strategische wissenschaftliche<br />
Beratung können Forschungskonzepte optimiert<br />
oder untereinander stärker vernetzt , dadurch<br />
der Einsatz von Mitteln effizienter gestaltet werden,<br />
ohne das kreative Forschungspotenzial zu schwächen.<br />
Die Hochschule muss sich in <strong>die</strong>sem Prozess zu profil-<br />
62<br />
bildenden Prioritätensetzungen in der Forschung bekennen<br />
und <strong>die</strong>se auch institutionell verantworten.<br />
Die Zuteilung der Mittel des Landes an <strong>die</strong> Hochschulen<br />
muss leistungsfördernd, qualitätsorientiert und<br />
nicht zuletzt transparent gestaltet werden.<br />
Wie gut <strong>die</strong>ses strategische Wechselspiel zwischen Politik<br />
und <strong>Wissenschaft</strong> gelingt, wird entscheidenden<br />
Einfluss darauf haben, welche Position Deutschland<br />
im globalen Wettbewerb einnehmen wird.
Summary<br />
E. Jürgen Zöllner<br />
Forschungsfinanzierung <strong>für</strong> Hochschulen<br />
durch das jeweilige Landesministerium<br />
geht von einer breiten<br />
Basisförderung aus, an der <strong>die</strong> einzelnen<br />
Forschungsgebiete je nach ihrer fachlichen<br />
Notwendigkeit partizipieren. Diese<br />
Basisförderung stellt den Grundsockel, mit<br />
dem <strong>die</strong> Hochschulen in <strong>die</strong> Lage versetzt<br />
werden, Grundlagenforschung auf breiter<br />
Front zu betreiben und kreative Ideen ihrer<br />
<strong>Wissenschaft</strong>lerinnen und <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
aufzugreifen. Hinzu kommt eine Schwerpunktförderung<br />
derjenigen Forschungsgebiete,<br />
von deren Weiterentwicklung sich<br />
<strong>die</strong> jeweilige Hochschule besonderen Erfolg<br />
verspricht. Die Rolle des Staates ist dabei<br />
nicht vorrangig ein Vorgeben von<br />
Schwerpunkten, sondern eher ein Reagieren<br />
auf Konzepte der aktiven Wissen-<br />
Higher education funding – strategy and planning<br />
In higher education funding, the role of the government<br />
is not primarily that of stipulating priorities but rather<br />
a responding to concepts presented by the higher education<br />
institutions themselves. This does not rule out<br />
the government from acting according to its own objectives<br />
and providing additional incentives to promote<br />
scientific co-operation beyond the boundaries of working<br />
groups and individual disciplines or encourage forward-looking<br />
areas of technology. Strategic scientific<br />
advice can help optimise research concepts or increase<br />
networking among them, making the use of funds<br />
Vorträge..<br />
Hochschulförderung –<br />
Strategie und Planung<br />
63<br />
schaftsgemeinde einer Hochschule. Dies<br />
schließt nicht aus, dass der Staat dabei<br />
zielgerichtet vorgeht und beispielsweise<br />
wissenschaftliche Kooperationen über<br />
Grenzen von Arbeitsgruppen und Fachdisziplinen<br />
hinweg oder besonders zukunftsträchtige<br />
Technologiebereiche durch<br />
Anreize bei der Förderung besonders belohnt.<br />
Ausschlaggebend kann auch sein,<br />
dass durch <strong>die</strong> Bündelung bereits vorhandener<br />
Kompetenzen wichtige neue Forschungsziele<br />
besonders ökonomisch erreicht<br />
werden können.<br />
Die Schwerpunktförderung auf der<br />
Grundlage einer breiten Basisförderung ist<br />
auch entscheidend <strong>für</strong> <strong>die</strong> Profilbildung<br />
der jeweiligen Hochschule im Forschungsbereich.<br />
Das Forschungsprofil<br />
wiederum steuert in hohem Maße <strong>die</strong><br />
more efficient, without weakening creative research potentials.<br />
In this process, higher education has to opt for priorities<br />
in research that will enhance the profiles of institutions,<br />
and the institutions must assume responsibility. Allocation<br />
of funds to the higher education institutions has<br />
to be geared to promoting performance, oriented on<br />
quality and, last but not least, made transparent. The<br />
level of success that this interaction between politics<br />
and science attains is going to have a crucial influence<br />
on the position that Germany can attain in global competition.
Wahrnehmung und das Außenbild einer<br />
Hochschule im Netzwerk von Konkurrenz<br />
und Kooperation zwischen den Hochschulen<br />
und im Verhältnis zu anderen<br />
Forschungseinrichtungen. Die Summe<br />
<strong>die</strong>ser Forschungsprofile ergibt das Profil<br />
der deutschen Forschung im internationalen<br />
Kontext.<br />
Drittmittel sind ein wichtiger Indikator<br />
Drittmittel spielen bei der Schwerpunktförderung<br />
eine besondere Rolle, bilden jedoch<br />
keinesfalls einen Ersatz <strong>für</strong> stabile<br />
Grundfinanzierung. Bei den öffentlichen<br />
Drittmitteln geht eine intensive und sehr<br />
kritische Begutachtung voraus; private<br />
Drittmittel fließen an <strong>die</strong> Stellen, an denen<br />
eine wirtschaftliche Verwertung Erfolg<br />
versprechend scheint. Im Ergebnis ist<br />
damit <strong>die</strong> Einwerbung von Drittmitteln ein<br />
wichtiger Indikator <strong>für</strong> wissenschaftliche<br />
bzw. wirtschaftliche Relevanz und Qualität.<br />
Zurecht stellt Drittmitteleinwerbung daher<br />
innerhalb der Hochschulen eines der Kriterien<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Identikation<br />
Die wachsende Fi- von Forschungsschwerpunknanzautonomie<br />
der ten dar.<br />
Hochschulen und ihre Die wachsende Finanz-<br />
Verantwortung <strong>für</strong> <strong>die</strong> autonomie der Hochschulen<br />
Profilbildung bedingt, und ihre Verantwortung <strong>für</strong><br />
dass sich <strong>die</strong> Hochschulen <strong>die</strong> Profilbildung bedingt,<br />
stärker als bisher auch als dass sich <strong>die</strong> Hochschulen<br />
Forschungsförderorgani- stärker als bisher auch als<br />
sationen verstehen müsForschungsförderorganisasen. Um <strong>die</strong> begrenzten tionen verstehen müssen.<br />
Ressourcen sinnvoll nut- Um <strong>die</strong> begrenzten<br />
zen zu können, müssen Ressourcen sinnvoll nutzen<br />
Aufwand und Ertrag zu können, müssen Auf-<br />
ständig überprüft werwand und Ertrag ständig<br />
den.<br />
überprüft werden. In der<br />
Forschung macht <strong>die</strong>s innerhalb<br />
der Hochschule Entwicklungspläne<br />
notwendig, in denen von der <strong>Wissenschaft</strong><br />
selbst definierte Prioritäten und Posterioritäten<br />
definiert werden.<br />
Vorträge..<br />
64<br />
Die Definition der Forschungsziele kann<br />
in einer strategisch operierenden Hochschule<br />
auch wissenschaftsintern nicht der<br />
Entscheidung Einzelner oder alleine dem<br />
Entscheidungsgefüge universitärer Gremien<br />
überlassen bleiben.<br />
Zielfindung setzt in gewis- Die Ziele einer forsen<br />
Maßen auch <strong>die</strong> in der schungsbezogenen<br />
<strong>Wissenschaft</strong> immer noch Prospektion bestehen<br />
umstrittene „Prospektion keinesfalls in einer Steue-<br />
der Forschung“ voraus. rung des Forschungssys-<br />
Der <strong>Wissenschaft</strong>srat hat tems oder gar in einer<br />
in seinen „Empfehlungen zu breit angelegten For-<br />
einer Prospektion <strong>für</strong> <strong>die</strong> schungsplanung.<br />
Forschung“ <strong>die</strong>sen Fachbegriff<br />
folgendermaßen umschrieben: „Prospektion<br />
künftiger wissenschaftlicher Entwicklungen<br />
ist der Versuch, neue Forschungsaufgaben<br />
und Forschungsfelder<br />
zu identifizieren, deren Bearbeitung dazu<br />
beitragen soll, wissenschaftliche Erkenntnisse<br />
in sich herausbildenden oder bisher<br />
vernachlässigten zukunftsträchtigen Gebieten<br />
zu gewinnen“. Die Ziele einer forschungsbezogenen<br />
Prospektion bestehen<br />
keinesfalls in einer Steuerung des Forschungssystems<br />
oder gar in einer breit angelegten<br />
Forschungsplanung. Im Mittelpunkt<br />
steht vielmehr ein Diskurs über<br />
Entwicklungsperspektiven in Forschung<br />
und Technologie und in der Identifizierung<br />
wissenschaftlicher Potenziale, <strong>die</strong> besonderer<br />
Förderung bedürfen.<br />
Methoden, nach denen unabhängige<br />
<strong>Wissenschaft</strong>lerinnen und <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
aus Hochschulen, außeruniversitären<br />
Forschungseinrichtungen und <strong>für</strong> den<br />
technologischen Bereich auch aus der Industrie<br />
zukunftsträchtige Forschungsgebiete<br />
detektieren, sind bislang noch nicht<br />
in ausreichendem Maße entwickelt. Klarer<br />
lässt sich dagegen <strong>die</strong> einzuschlagende<br />
Richtung definieren. Strategische Forschungsförderung<br />
sollte sich grundsätzlich<br />
auf Zielgebiete richten, <strong>die</strong> wissenschaftlich<br />
besonders viel versprechend
sind. Dies kann zum Beispiel bedeuten,<br />
dass <strong>die</strong> Forschungsgebiete methodisch<br />
besonders innovativ sind, oder Probleme<br />
auf neuartige Weise angegangen werden.<br />
Dies kann auf der anderen Seite bedeuten,<br />
dass Erkenntnisfortschritte nicht auf das<br />
einzelne Fach begrenzt bleiben, oder <strong>die</strong><br />
Verzahnung von Theorie und praktischer<br />
Umsetzung in besonderer Weise fördern.<br />
Wenn in der Forschungsentwicklung<br />
Prospektion in Zukunft eine größere Rolle<br />
spielen soll, wird es auch notwendig sein,<br />
empirische Verfahren der <strong>Wissenschaft</strong>sforschung<br />
zu stärken. Zugleich müssen<br />
auch Erfahrungen gesammelt werden, wie<br />
Output-Kriterien stärker zur Steuerung<br />
von Entscheidungen herangezogen werden<br />
können. Dagegen ist es noch weit gehend<br />
unbestimmt, in welcher Weise förderpolitische<br />
und damit auch finanzielle Konsequenzen<br />
aus prospektiven Analysen und<br />
Stu<strong>die</strong>n gezogen werden sollen.<br />
<strong>Wissenschaft</strong>ler kontra Politiker<br />
Die unterschiedliche Klarheit über Wege<br />
und Zielrichtungen der Prospektion zwischen<br />
<strong>Wissenschaft</strong> und Politik beeinflusst<br />
auch <strong>die</strong> Akzeptanz der Prospektion bei<br />
<strong>Wissenschaft</strong>lern und Politikern. <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
bevorzugen <strong>die</strong> „freie“ Erzeugung<br />
neuen Wissens gegenüber dem eventuell<br />
beschränkten, aber zielgerichteten<br />
Wissen von Prospektionsgremien, auch<br />
wenn <strong>die</strong>se wissenschaftsgeleitet organisiert<br />
sind. Die Politik dagegen steht einer<br />
Langfristorientierung von Forschungsförderung<br />
sehr viel aufgeschlossener gegenüber.<br />
Dies liegt vor allem daran, dass <strong>die</strong><br />
Politik vom deutschen <strong>Wissenschaft</strong>ssystem,<br />
das zu den führenden in der Welt gehört,<br />
einen größeren Beitrag zur Lösung<br />
von Problemen in Wirtschaft, Gesellschaft<br />
und Politik erwartet.<br />
Es ist klar, dass Kreativität in der Forschung<br />
sich nicht durch erhöhte Mittel-<br />
E. Jürgen Zöllner..<br />
65<br />
zuwendung beeinflussen lässt, wohl aber<br />
ihre Entfaltungsmöglichkeiten sich dadurch<br />
verstärken lassen. Auf jeden Fall<br />
können durch strategische wissenschaftliche<br />
Beratung Forschungskonzepte optimiert<br />
oder untereinander stärker vernetzt<br />
werden. Nicht zuletzt könnte durch langfristige<br />
und abgestimmte Forschungskonzeption<br />
der Einsatz von Mitteln effizienter<br />
gestaltet werden, ohne das kreative<br />
Forschungspotenzial zu schwächen.<br />
Dieses durch das Schlagwort Qualitätsmanagement<br />
gekennzeichnete Verfahren<br />
muss <strong>für</strong> <strong>die</strong> einzelnen Forschungsgebiete<br />
verstärkt eingesetzt werden und in noch<br />
höherem Maße in den Hochschulen und<br />
Forschungseinrichtungen. Die Schaffung<br />
von mehr Freiräumen und mehr Eigenverantwortung<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Hochschulen<br />
und Forschungsein- Die Schaffung von<br />
richtungen bei gleichzeitig mehr Freiräumen<br />
verstärktem Wettbewerb er- und mehr Eigenverantfordert<br />
ein konsequentes wortung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Hoch-<br />
Qualitätsmanagement auf alschulen und Forschungslen<br />
Ebenen der Hochschulen einrichtungen bei gleich-<br />
und insbesondere bei der zeitig verstärktem Wett-<br />
Steuerung von Forschungsbewerb erfordert ein konschwerpunkten.<br />
Dabei kann sequentesQualitätsma- niemand besser als <strong>die</strong> Wisnagement auf allen Ebesenschaftlerinnen<br />
und Wisnen der Hochschulen und<br />
senschaftler der Hochschu- insbesondere bei der<br />
len beurteilen, welche Pro- Steuerung von Forjekte<br />
und welche handelnschungsschwerpunkten.den Personen besondere<br />
Förderung ver<strong>die</strong>nen.<br />
Will <strong>die</strong> Hochschule in <strong>die</strong>sem Prozess<br />
wettbewerbsfähig bleiben, setzt <strong>die</strong>s ein<br />
strukturiertes, organisiertes und koordiniertes<br />
Vorgehen voraus und eine Kontrolle<br />
darüber, ob <strong>die</strong> gesteckten Ziele erreicht<br />
wurden und wie gut sie erreicht<br />
wurden. Um Ergebnisse dazu zu erhalten,<br />
hat sich eine Kombination von interner<br />
und externer Evaluation eingespielt. Die<br />
interne Evaluation in den Einrichtungen<br />
selbst <strong>die</strong>nt dazu, mittels Strukturkonzep-
ten, Zielvorgaben und Mittelverteilungen<br />
ein Raster vorzugeben, das nach einer vorher<br />
definierten Zeit überprüft wird. Entschieden<br />
wird dann, ob <strong>die</strong> Ziele erreicht<br />
wurden und ob <strong>die</strong> festgelegten Kriterien<br />
und Rahmenbedingungen den Prozess in<br />
der richtigen Weise gestalteten. Die externe<br />
Evaluation hilft bei der Einordnung der<br />
erreichten Ergebnisse der Forschung in<br />
ein internationales und nationales Umfeld<br />
und ergänzt <strong>die</strong> eigenen Überlegungen<br />
durch übergeordnete Gesichtspunkte.<br />
Die Hochschule muss sich dabei zu<br />
profilbildenden Prioritätensetzungen in<br />
der Forschung bekennen und <strong>die</strong>se auch<br />
institutionell verantworten. Diese Verantwortung<br />
beinhaltet fast alle Aspekte des<br />
Hochschulmanagements, vom Zuschnitt<br />
der Fachbereiche über <strong>die</strong> Gründung und<br />
Auflösung von Forschungsschwerpunkten<br />
über <strong>die</strong> Neuausschreibung von Professuren<br />
bis zur strategischen Zuteilung<br />
von Mitteln und Personal.<br />
Den Hochschulen kann eine solche<br />
langfristige Steuerung nur gelingen, wenn<br />
auch <strong>die</strong> Ressourcenverteilung des jeweiligen<br />
Landes entsprechendes Management<br />
unterstützt. Die Zuteilung der Mittel des<br />
Landes an <strong>die</strong> Hochschu-<br />
Die Hochschule len muss daher leistungs-<br />
muss sich dabei zu fördernd,qualitätsorien- profilbildenden Prioritätiert und nicht zuletzt<br />
tensetzungen in der For- transparent gestaltet werschung<br />
bekennen und den. Nur so erhalten <strong>die</strong><br />
<strong>die</strong>se auch institutionell Hochschule stabile Rah-<br />
verantworten. menbedingungen, <strong>die</strong> ihnen<br />
auf der einen Seite<br />
Planungssicherheit geben und auf der anderen<br />
Seite Leistung und Qualität belohnen.<br />
Als Beispiel verweise ich – verständlicherweise<br />
– auf <strong>die</strong> Ressourcenverteilungsmodelle<br />
von Rheinland-Pfalz, das als<br />
erstes Bundesland seit 1994 schrittweise<br />
ein Mittel- und Personalbemessungsmodell<br />
sowie in Kürze ein Flächenmanage-<br />
Vorträge..<br />
66<br />
ment eingeführt hat. Die Verteilungskonzepte<br />
gehen von einem fachlich notwendigen<br />
Grundbedarf sowie an einem an<br />
Leistung und Qualität orientierten Zusatzbedarf<br />
aus. Hinzu kommt ein Innovationsanteil,<br />
mit dem <strong>die</strong> Hochschulen<br />
neue Konzepte in Lehre und Forschung<br />
testen und einführen können. Die Koppelung<br />
der staatlichen Zuweisung von<br />
Ressourcen an Leistungskriterien und <strong>die</strong><br />
Vergabe der Mittel im Wettbewerb unter<br />
den rheinland-pfälzischen Hochschulen<br />
schafft Anreize <strong>für</strong> <strong>die</strong> Hochschulen, <strong>die</strong><br />
Methoden ihres Qualitätsmanagements<br />
kontinuierlich zu verbessern. Vor allen<br />
Dingen <strong>die</strong> Rückkoppelung zwischen strategischen<br />
Förderentscheidungen und den<br />
damit erzielten Erfolgen bzw. Misserfolgen<br />
wird über <strong>die</strong> Güte des eigenen Steuerungssystems<br />
mit entscheiden. Der Reiz<br />
des Systems wird dadurch erhöht, dass <strong>die</strong><br />
verfassungsmäßig garantierte inhaltliche<br />
Autonomie der Hochschulen durch eine<br />
Handlungs- und Finanzautonomie ergänzt<br />
wird.<br />
Kreative Unruhe in den Hochschulen<br />
Wichtig in Rheinland-Pfalz war mir dabei,<br />
<strong>die</strong> leistungs- und belastungsorientierte<br />
Ressourcenzuweisung mit den<br />
Hochschulen gemeinsam zu diskutieren.<br />
Die in <strong>die</strong>sem Diskussionsprozess entstandenen<br />
Modelle wurden von den<br />
Hochschulleitungen mitgetragen, auch<br />
wenn <strong>die</strong> Umsetzung im Detail noch erhebliche,<br />
auch kreative Unruhe in den<br />
Hochschulen ausgelöst hat. Die dabei<br />
kontinuierlich entstehenden Erfahrungen<br />
sollen zur Weiterentwicklung des Systems<br />
genutzt werden. Im Forschungsbereich<br />
werden gezielte Förderstrategien im<br />
Mittelpunkt stehen und sich hierbei Methoden<br />
zur Prioritätenfindung und zur<br />
Evaluation auch hochschulintern weiter<br />
entwickeln müssen.
Auch in anderen Ländern der Bundesrepublik<br />
Deutschland sind ähnliche Modelle<br />
oder Überlegungen im Gange. Wie gut<br />
<strong>die</strong>ses strategische Wechselspiel zwischen<br />
Politik und <strong>Wissenschaft</strong> gelingt, wird<br />
entscheidenden Einfluss<br />
Je mehr Deutsch- darauf haben, welche Posiland<br />
sich zu einer tion <strong>die</strong> Bundesrepublik<br />
Wissensgesellschaft um- Deutschland im globalen<br />
gestaltet, umso mehr Wettbewerb einnehmen<br />
muss auch mit gesell- wird. Im Hintergrund steht<br />
schaftlichen Forderungen dabei folgender Kontext: Je<br />
an <strong>die</strong> Ausgestaltung des mehr Deutschland sich zu<br />
Wissens gerechnet wer- einer Wissensgesellschaft<br />
den. umgestaltet, umso mehr<br />
muss auch mit gesellschaftlichen<br />
Forderungen an <strong>die</strong> Ausgestaltung<br />
des Wissens gerechnet werden.<br />
E. Jürgen Zöllner..<br />
67<br />
Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner<br />
ist Staatsminister <strong>für</strong> Bildung,<br />
<strong>Wissenschaft</strong> und Weiterbildung<br />
in Rheinland-Pfalz.
Zusammenfassung<br />
In den 16 Forschungsinstituten der Helmholtz-Gemeinschaft<br />
<strong>Deutsche</strong>r Forschungszentren werden zurzeit<br />
sechs Forschungsbereiche bearbeitet: Verkehrsund<br />
Weltraumforschung, Energieforschung, Erd- und<br />
Umweltforschung, Gesundheitsforschung, <strong>die</strong> Erforschung<br />
der Struktur der Materie und Schlüsseltechnologien.Durch<br />
<strong>die</strong> jetzt eingeführte programmorientierte<br />
Förderung der Helmholtz-Gemeinschaft<br />
soll mehr Wettbewerb in das System einfließen.<br />
Die HGF verspricht sich davon folgende Vorteile <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Wissenschaft</strong>ler: mehr Finanzausstattung <strong>für</strong> gute<br />
Gruppen, stärkere Mitgestaltung der Zentrumsstrategie<br />
durch <strong>die</strong> einzelnen <strong>Wissenschaft</strong>ler, bessere<br />
Informationen und Kontakte zu anderen Zentren<br />
68<br />
durch quasi „institutionalisierte“ Zusammenarbeit.Für<br />
<strong>die</strong> einzelnen Zentren erwartet <strong>die</strong> HGF <strong>die</strong> Überjährigkeit<br />
der Mittel und <strong>die</strong> Aufhebung der starren Stellenpläne.<br />
Auf der obersten Linie, den Forschungsbereichen ist<br />
<strong>die</strong> Politik – mit Unterstützung von Beratergremien –<br />
gefordert, Ziele und Strategien zu formulieren.Danach<br />
müssen <strong>die</strong>se Forschungsbereiche in einem Begutachtungs-Prozess<br />
mit Programmen von wissenschaftlicher<br />
Seite gefüllt werden.Es gilt, <strong>die</strong> gesamte Struktur<br />
der Helmholtz-Gemeinschaft <strong>die</strong>sen neuen Verfahren<br />
anzupassen.
Summary<br />
Michael Steiner<br />
In der Helmholtz-Gemeinschaft <strong>Deutsche</strong>r<br />
Forschungszentren sind 16 Forschungsinstitutezusammengeschlossen,<br />
<strong>die</strong> – über <strong>die</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland verteilt – sehr unterschiedliche<br />
Themen und Aufgaben haben. Einige<br />
Zentren sind mit ihrer Forschung relativ<br />
nahe an der Anwendung, andere, wie<br />
zum Beispiel DESY, sind Institutionen der<br />
reinen Grundlagenforschung.<br />
Die Forschungszentren der Helmholtz-<br />
Gemeinschaft (<strong>die</strong> ersten wurden ab 1958<br />
zumeist als Landesinstitute zu ganz bestimmten<br />
Zwecken gegründet) sind aus<br />
den Großforschungszentren der Bundesrepublik<br />
Deutschland hervorgegangen. Ab<br />
1970 haben sie sich in der Arbeitsgemeinschaft<br />
der Großforschungszentren (AGF)<br />
Some structural thoughts on the programme orientation<br />
of the Hermann von Helmholtz Association of<br />
German Research Centres<br />
Six research fields are currently being dealt with at the<br />
16 research institutes of the Hermann von Helmholtz<br />
Association of German Research Centres: transport and<br />
space research, energy research, earth and environmental<br />
research, health research, research into the structure<br />
of matter and cutting-edge technologies. Programmeoriented<br />
funding of the Helmholtz Association, which<br />
is now implemented, is to introduce more competition<br />
into the system.<br />
The HGF is reckoning with the following benefits from<br />
Vorträge..<br />
Programmorientierung der<br />
Helmholtz-Gemeinschaft<br />
69<br />
weiter entwickelt, und es hat sich – bei einigen<br />
Zentren unter Veränderung der Aufgabenstellung<br />
– erste Zusammenarbeit etabliert.<br />
1995 wurde <strong>die</strong> AGF in <strong>die</strong> Hermann<br />
von Helmholtz-Gemeinschaft <strong>Deutsche</strong>r<br />
Forschungszentren (HGF)<br />
umgewandelt. Zurzeit werden in<br />
der HGF sechs Forschungsbereiche<br />
bearbeitet: dazu<br />
gehören Verkehrs- und<br />
Weltraumforschung,<br />
Energieforschung,<br />
Erd- und Umweltforschung,Gesundheitsforschung,<br />
<strong>die</strong> Erforschung<br />
der Struktur<br />
der Materie und<br />
this new approach for its scientists:<br />
more funding for good groups, a greater say for individual<br />
scientists in designing the strategy for the centres,<br />
and better information and contact with other centres<br />
on the basis of quasi “institutionalised” co-operation.<br />
Regarding the individual centres, the HGF expects funds<br />
to be allocated over a period of several years if required<br />
as well as a suspension of rigid staffing schedules.<br />
At the highest levels, the research areas, politics, supported<br />
by advisory bo<strong>die</strong>s, is called upon to formulate<br />
goals and strategies. Subsequently, these research<br />
areas have to be filled with programmes by scientists in<br />
a review process. The aim is to adapt the entire structure<br />
of the Helmholtz Association to these new procedures.
Schlüsseltechnologien. Zukünftig will <strong>die</strong><br />
HGF ihre Programme auf <strong>die</strong>se Gebiete<br />
noch stärker fokussieren.<br />
Die Mission der HGF ist <strong>die</strong> Verfolgung<br />
langfristiger Forschungsziele des Staates,<br />
d.h. <strong>die</strong> mittel- und langfristige Vorsorgeforschung,<br />
und <strong>die</strong> Verpflichtung gegenüber<br />
dem Gemeinwesen und der Gesellschaft.<br />
Zu den Grundaufgaben der Helmholtz-Gemeinschaft<br />
gehört, so wurde es<br />
auch vom <strong>Wissenschaft</strong>srat bestätigt, <strong>die</strong><br />
Entwicklung, der Bau und Betrieb von<br />
Großgeräten <strong>für</strong> <strong>die</strong> wissenschaftliche Infrastruktur.<br />
Es handelt sich hier um Großgeräte,<br />
<strong>die</strong> an einer Universität nicht zu<br />
betreiben sind und <strong>die</strong> insbesondere allen<br />
<strong>Wissenschaft</strong>lern, teilweise sogar der<br />
internationalen Gemeinschaft, zur Nutzung<br />
offen stehen sollen. Weitere wesentliche<br />
Aufgaben sind <strong>die</strong> Durchführung<br />
von Langfristprogrammen von nationaler<br />
und internationaler Bedeutung, <strong>die</strong> Bearbeitung<br />
komplexer wissenschaftlicher und<br />
technischer Fragestellungen, <strong>die</strong> Entwicklung<br />
von Hochtechnologie mit langen<br />
Vorlaufzeiten, <strong>die</strong> Dienstleistungen als<br />
Projektträger und Politikberater, sowie <strong>die</strong><br />
Fortbildung und Qualifizierung der <strong>Wissenschaft</strong>ler.<br />
Abbildung 1: Geplante Struktur der Helmholtz-<br />
Gemeinschaft e.V.<br />
Vorträge..<br />
70<br />
Die Entwicklung der Großforschungszentren<br />
zu einer Helmholtz-Gemeinschaft hat<br />
zu deutlichen Veränderungen im Selbstverständnis<br />
der Institute geführt. Die Institute,<br />
früher stark innenzentriert<br />
und selbstbestimmt Zu den Grundauf-<br />
was ihre Themen betraf, hagaben der Helmben<br />
in den letzten fünf bis holtz-Gemeinschaftge- sieben Jahren in viel stärkehört, so wurde es auch<br />
rem Maße deutliche Ab- vom <strong>Wissenschaft</strong>srat besprachen<br />
in den Programstätigt, <strong>die</strong> Entwicklung,<br />
men getroffen. So wurden der Bau und Betrieb von<br />
beispielsweise mit dem For- Großgeräten <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
schungsVerbundSonnen- wissenschaftliche Infraenergie<br />
(FVS) und dem klistruktur.nisch-biomedizinischen Forschungs-Verbund Möglichkeiten geschaffen,<br />
<strong>die</strong> Aktivitäten auf dem Gebiet<br />
der erneuerbaren Energie bzw. der interdisziplinären<br />
Gesundheitsforschung in der<br />
Helmholtz-Gemeinschaft und anderer<br />
außeruniversitärer Institutionen zu bündeln,<br />
um so eine Absprache der Programme<br />
sowie eine Koordination der beteiligten<br />
Zentren zu organisieren und umzusetzen.<br />
Seit längerem wird nun über eine<br />
weitergehendere Programmorientierung<br />
der Helmholtz-Gemeinschaft diskutiert<br />
und mit dem zuständigen überwiegenden<br />
Zuwendungsgeber, der Bundesrepublik<br />
Deutschland vertreten durch das BMBF,<br />
verhandelt. Einig ist man sich im Prinzip<br />
darüber und <strong>die</strong>s schließt <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
ein, dass durch <strong>die</strong> neuen Strukturen<br />
und <strong>die</strong> programmorientierte Förderung<br />
mehr Wettbewerb in das System<br />
einfließen soll.<br />
Was wird nun unter einer programmorientierten<br />
Förderung verstanden? Die<br />
entscheidende Änderung ist der Wandel<br />
von einer institutionellen Förderung zu<br />
einer Förderung, <strong>die</strong> sich an Programmen,<br />
d.h. an Inhalten orientiert. Im Mittelpunkt<br />
der Förderung werden damit <strong>die</strong> wissenschaftlichen<br />
Fragen stehen.
Die HGF sieht in der programmorientierten<br />
Förderung durchaus Vorteile <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong>ler: mehr Finanzausstattung<br />
<strong>für</strong> gute Gruppen, stärkere Mitgestaltung<br />
der Zentrumsstrategie durch <strong>die</strong><br />
einzelnen <strong>Wissenschaft</strong>ler, bessere Informationen<br />
und Kontakte zu anderen Zentren<br />
durch quasi „institutionalisierte“ Zusammenarbeit.<br />
In ähnlicher Weise erwartet<br />
<strong>die</strong> HGF auch Vorteile in der programmorientierten<br />
Förderung <strong>für</strong> <strong>die</strong> einzelnen<br />
Zentren, so beispielsweise mehr Geld <strong>für</strong><br />
gute Zentren, und als entscheidende<br />
Punkte, <strong>die</strong> Überjährigkeit der Mittel und<br />
<strong>die</strong> Aufhebung der starren Stellenpläne.<br />
Die Zentrenleitungen verbinden mit der<br />
programmorientierten Förderung weiterhin<br />
<strong>die</strong> Hoffnung, leichter auf neue Fragestellungen<br />
eingehen und größere Aktionsmöglichkeiten<br />
zu haben, um z.B. mit<br />
international konkurrenzfähigen Berufungsangeboten<br />
neue Kolleginnen und<br />
Kollegen gewinnen zu können.<br />
Es stellt sich nun <strong>die</strong> Frage, wie <strong>die</strong><br />
Strukturen innerhalb der HGF definiert<br />
werden müssen, damit ein so komplexes<br />
Verfahren wie <strong>die</strong> programmorientierte<br />
Förderung in <strong>die</strong> Realität umgesetzt werden<br />
kann, ohne dass durch Bürokratien erhebliche<br />
Reibungsverluste entstehen. Werden<br />
<strong>die</strong> Forschungsbereiche in einem bottom-up<br />
oder in einem top-down Prozess<br />
definiert?<br />
Programme von unten<br />
Die oberste Linie, <strong>die</strong> Forschungsbereiche,<br />
stellen eine Ebene dar, bei der <strong>die</strong> Politik<br />
– mit Unterstützung von Beratergremien<br />
– entscheidend gefordert ist, Ziele und<br />
Strategien zu formulieren. Nachdem beschlossen<br />
worden ist, welche Forschungsbereiche<br />
<strong>die</strong> Helmholtz-Gemeinschaft bearbeiten<br />
soll, müssen in einem nächsten<br />
Schritt <strong>die</strong>se Forschungsbereiche mit<br />
Programmen von unten, d.h. von der<br />
Michael Steiner..<br />
71<br />
<strong>Wissenschaft</strong>sseite aus, nach wissenschaftsadäquaten<br />
Verfahren mit Inhalten<br />
gefüllt werden.<br />
Zwei Randbedingungen sind dabei zu<br />
beachten: Das jährliche Fördervolumen<br />
der Helmholtz-Gemeinschaft liegt in der<br />
Größenordnung von 4 Milliarden DM und<br />
wissenschaftliche Programme werden<br />
nicht jährlich genehmigt, sondern mittelund<br />
langfristig gefördert. Bei der programmorientierten<br />
Förderung wird an<br />
Zeiträume von drei bis fünf Jahren gedacht.<br />
Die unterschiedlichen Aufgaben der<br />
Forschungsbereiche können auch verschiedene<br />
Förderzeiträume bedingen. Dies<br />
bedeutet <strong>für</strong> den einzelnen Forschungsbereich,<br />
dass <strong>für</strong> einen Zeitraum von 5<br />
Jahren über ein Summe von ca. 3 Milliarden<br />
DM entschieden werden wird. Es besteht<br />
wohl Konsens, dass eine Begutachtung<br />
in <strong>die</strong>sem Umfang nicht auf der Ebene<br />
von Projekten durchführbar ist, sondern<br />
nur auf strategischer Ebene erfolgen<br />
kann.<br />
Abbildung 2: Geplante Struktur der<br />
Helmholtz-Gemeinschaft e.V.<br />
Es wird eine Kombination aus top-down<br />
und bottom-up in dem Sinne angestrebt,<br />
dass der Senat als Leitungsgremium der<br />
Helmholtz-Gemeinschaft mit dem Präsidenten<br />
und <strong>die</strong> Zuwendungsgeber <strong>die</strong> for-
schungspolitischen Vorgaben formulieren,<br />
d.h. Festlegung der Themen und finanziellen<br />
Ausstattung der einzelnen Forschungsbereiche<br />
durch politische Entscheidung.<br />
Im Anschluss daran müssen<br />
<strong>die</strong> Institutionen gemeinsam <strong>die</strong> Programme<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Forschungsbereiche entwickeln<br />
(Strategie und Inhalt). Die <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
der einzelnen Zentren werden<br />
<strong>die</strong>se Programme über ein Begutachtungsverfahren<br />
mit wissenschaftlichen Inhalten<br />
füllen. An einem Programm werden<br />
mehrere Zentren mit jeweils zentrenspezifischen<br />
Programmanteilen beteiligt<br />
sein, was einen nicht unerheblichen Koordinationsbedarf<br />
erfordern wird.<br />
Kriterien der Begutachtung definieren<br />
Wie in der <strong>Wissenschaft</strong> üblich, werden<br />
<strong>die</strong> vorgeschlagenen, über fünf Jahre laufenden<br />
und mit erheblichen Finanzvolumen<br />
ausgestatteten Programme durch<br />
Gutachterkommissionen, eingesetzt durch<br />
den Senat, auf <strong>die</strong>ser sehr hoch aggregierten<br />
Ebene begutachtet werden. Kriterien<br />
und Verfahren <strong>die</strong>ser Begutachtung müssen<br />
noch definiert werden. Diese<br />
Gutachterkommissionen werden dann<br />
Förderempfehlungen aus-<br />
Bisher führte das sprechen. Der Präsident<br />
einzelne HGF-Insti- muss dann aus <strong>die</strong>sen Förtut<br />
jedes Jahr Haushaltsderempfehlungen einen zuverhandlungen<br />
mit den sammenfassenden Vorschlag<br />
Zuwendungsgebern <strong>für</strong> <strong>die</strong> Förderung an den Se-<br />
(Bund und Land) durch, nat erarbeiten, der noch<br />
und der Haushalt wurde Freiräume <strong>für</strong> neue Themen<br />
festgelegt. In dem neuen und damit zukünftige er-<br />
Verfahren wird eine besfolgreiche Programme lässt.<br />
sere Organisation und Im weiteren Verfahrens-<br />
Förderung der wissenschritt wird der Senat (<strong>die</strong><br />
schaftlichen Tätigkeit an- Zuwendungsgeber sind dort<br />
gestrebt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Wissen- vertreten) einen Beschluss<br />
schaftler viel stärker be- zum angemessenen Umfang<br />
teiligt.<br />
der Förderung der Programme<br />
fassen, d.h. eine Emp-<br />
Vorträge..<br />
72<br />
fehlung an <strong>die</strong> Zuwendungsgeber aussprechen,<br />
basierend auf den Empfehlungen<br />
der Gutachter. Dieses Verfahren ist<br />
transparent, und <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
in den Institu- Die Realität wird<br />
tionen werden von Anfang zeigen, ob und wie<br />
an so eingebunden, dass sie <strong>die</strong>se komplexe Struktur<br />
sich mit den Programmen tatsächlich funktioniert.<br />
identifizieren können. Es Weder innerhalb der HGF<br />
stellt außerdem sicher, dass noch beim Ministerium<br />
<strong>die</strong> Forscher, wenn <strong>die</strong> Pro- existieren Erfahrungsgramme<br />
genehmigt sind, in werte <strong>für</strong> <strong>die</strong>ses neue<br />
eigener wissenschaftlicher Verfahren.<br />
Verantwortung das Programm<br />
bzw. <strong>die</strong> Programmanteile bearbeiten<br />
können. Aus <strong>die</strong>ser Eigenverantwortung<br />
erwächst sicher eine große Motivation<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,<br />
ein solches komplexes Verfahren<br />
zu unterstützen und mitzutragen. Bisher<br />
führte das einzelne HGF-Institut jedes<br />
Jahr Haushaltsverhandlungen mit den Zuwendungsgebern<br />
(Bund und Land) durch,<br />
und der Haushalt wurde festgelegt. In dem<br />
neuen Verfahren wird eine bessere Organisation<br />
und Förderung der wissenschaftlichen<br />
Tätigkeit angestrebt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
viel stärker beteiligt. Der formale<br />
letzte Schritt und Abschluss des gesamten<br />
Verfahrens wird durch den Ausschuss<br />
der Zuwendungsgeber erfolgen: <strong>die</strong><br />
Genehmigung der Programme mit der<br />
Festsetzung der Mittelzuweisung.<br />
Es ist offensichtlich, dass <strong>die</strong> gesamte<br />
Struktur der Helmholtz-Gemeinschaft <strong>die</strong>sem<br />
Verfahren angepasst werden muss.<br />
Dieses vornehmlich juristische Problem<br />
wird zu lösen sein. Das Ziel, der wissenschaftliche<br />
Fortschritt und <strong>die</strong> wissenschaftliche<br />
Leistungsfähigkeit und Exzellenz<br />
der Institute, darf dabei nie aus den<br />
Augen verloren werden. Die Realität wird<br />
zeigen, ob und wie <strong>die</strong>se komplexe Struktur<br />
tatsächlich funktioniert. Weder innerhalb<br />
der HGF noch beim Ministerium<br />
existieren Erfahrungswerte <strong>für</strong> <strong>die</strong>ses neue
Verfahren. Anzustreben ist eine enge vertrauensvolle<br />
Zusammenarbeit aller Beteiligter<br />
mit dem Blickwinkel, <strong>die</strong> Kompetenz<br />
und <strong>die</strong> Fähigkeit der <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
in der HGF optimal zu nutzen, damit sie<br />
der Aufgabe, <strong>die</strong> der Staat bzw. <strong>die</strong> Gesellschaft<br />
ihnen gibt, gerecht werden können.<br />
Michael Steiner..<br />
73<br />
Prof. Dr. Michael Steiner<br />
ist wissenschaftlicher<br />
Geschäftsführer am Hahn-<br />
Meitner-Institut in Berlin.
Zusammenfassung<br />
Angesichts der grundlegenden Kulturleistung der<br />
Grundlagenforschung erscheint vor aller Betonung der<br />
Nützlichkeit und Notwendigkeit nur eine Art der Prioritätensetzung<br />
in der Forschungsfinanzierung möglich:<br />
Bevorzugte Unterstützung der besten Forscher<br />
mit den erkenntnisförderlichsten Ideen gleich auf welchem<br />
Wissensgebiet, unter Gewährung größtmöglicher<br />
Freiheit, das Neue zu suchen und zu verwirklichen,<br />
mit kritischer post hoc-Kontrolle dessen, was<br />
ihnen dabei gelungen ist, in vernünftigen Abständen.<br />
Die führenden <strong>Wissenschaft</strong>ler der MPG sind ständig<br />
aufgerufen,Wachstumszonen neuer Forschung zu erkennen<br />
und weltweit zu beobachten, welche Forscherpersönlichkeiten<br />
den Fortschritt besonders erfolgreich<br />
voranzutreiben versprechen.<br />
Da <strong>die</strong> bei der Max-Planck-Gesellschaft(MPG) lang-<br />
74<br />
fristig gesicherte Freiheits- und Ressourcengewährung<br />
an ausgewählte Spitzenwissenschaftler bei allen Chancen<br />
<strong>für</strong> innovative Forschung auch erhebliche Risiken<br />
birgt und entsprechende Risikobegrenzungsmechanismen<br />
erfordert, hat <strong>die</strong> MPG ein Kontrollsystem in<br />
der Form externer Fachbeiräte etabliert und kontinuierlich<br />
leistungsbezogen fortentwickelt.<br />
In dem Wettbewerb zwischen den innovativ führenden<br />
Nationen und Nationenverbünden sind heute wie<br />
künftig <strong>die</strong> knappste Ressource <strong>für</strong> wissenschaftliche<br />
Innovation <strong>die</strong> besten Talente mit den originellsten<br />
und produktivsten Gehirnen.Daher rührt auch der Begriff<br />
des brain-gain, der Kopfjagd.
Hubert Markl<br />
Wer – wie <strong>die</strong> Organisatoren<br />
<strong>die</strong>ses Expertengesprächs –<br />
Prioritäten in der Forschungsfinanzierung<br />
setzen möchte, muss<br />
erstens begründen, warum Forschung<br />
überhaupt aus privaten wie öffentlichen<br />
Mitteln gefördert werden muss, und warum<br />
es zweitens überhaupt dabei der Prioritätensetzung<br />
bedarf. Die Antworten auf<br />
beide Fragen mögen uns zwar selbstverständlich<br />
vorkommen, sie sind dennoch<br />
keineswegs trivial.<br />
Um beim zweiten Punkt zu beginnen:<br />
Wer mit minimalen Mittelbedarf, sozusagen<br />
aus eigenen Kräften, forscht, kann seine<br />
Prioritäten in einer freien Gesellschaft<br />
Vorträge..<br />
Die Planung des<br />
Unplanbaren<br />
Summary<br />
Planning what cannot be planned<br />
In view of the fundamental cultural achievements of<br />
basic research, ahead of any stressing of usefulness and<br />
needs, there seems to be only one possible way to set<br />
priorities in research funding. Preference has to be given<br />
in funding to the best researchers, to those researchers<br />
whose ideas will make a maximum contribution to<br />
insights irrespective of the fields they are working in.<br />
They must be ensured an optimum of freedom to seek<br />
what is new and implement it. Critical post-hoc control<br />
of what they have achieved in doing so ought to occur<br />
at reasonable intervals.<br />
The leading scientists of the Max Planck Society are constantly<br />
called upon to recognise growth zones of new<br />
research and monitor world-wide which research per-<br />
75<br />
selber setzen und braucht <strong>die</strong>s auch vor<br />
niemandem zu begründen. Das mag heute<br />
etwas altmodisch klingen, aber darin<br />
steckt nicht nur <strong>die</strong> Weisheit, dass Bescheidenheit<br />
oft der sicherste Garant von<br />
Freiheit ist – was bekanntlich <strong>die</strong> Kyniker,<br />
allen voran der Tonnen-Ideologe Diogenes<br />
von Sinope, schon lange vor uns wussten.<br />
Wir sollten auch nicht vergessen, dass<br />
in den vergangenen Jahrhunderten wichtige<br />
Grundlagen unseres wissenschaftlichen<br />
Weltbildes von Frauen und Männern<br />
erforscht wurden, <strong>die</strong> <strong>die</strong>s aus eigenen<br />
Mitteln und freien Stücken und niemandem<br />
zu Diensten taten. Selbst heute<br />
hören wir immer wieder von bedeutenden<br />
sonalities promise to make a particularly successful contribution<br />
to scientific advancement.<br />
The MPG’s ensuring of freedom and resources on a longterm<br />
basis for selected scientists who have displayed excellence<br />
also requires appropriate risk-limiting mechanisms<br />
in spite of the opportunities it provides for innovative<br />
research.The MPG has therefore established a system<br />
of control in the shape of external expert advisory<br />
councillors, and has continued to develop it in terms of<br />
its efficiency.<br />
Today and in the future, the scarcest resource for scientific<br />
innovation in competition with the leading nations<br />
and associations of nations in terms of innovation is the<br />
best talent with the most original and productive brains.<br />
This is also where the term brain-gain, or headhunting,<br />
really comes from.
Erkenntnissen und Entdeckungen von<br />
Menschen, <strong>die</strong> da<strong>für</strong> weder Förderanträge<br />
geschrieben, Gutachter<br />
Heute brauchen beeindruckt, Mitarbeiter an-<br />
Forscher im Norgeworben oder Vortragsreimalfall<br />
Mittel – und zwar sen unternommen haben:<br />
reichlich davon – um ihre Sie haben einfach geforscht<br />
Forschungsziele zu ver- und entdeckt und mitgeteilt,<br />
wirklichen, sie müssen was ihnen erforschens-, ent-<br />
mit dem Geld Zweiter deckens- und mitteilenswert<br />
und Dritter arbeiten. erschien. Je älter ich werde,<br />
umso mehr Sympathie und<br />
Achtung habe ich <strong>für</strong> solche Menschen!<br />
Aber selbstverständlich wissen wir, dass<br />
<strong>die</strong>s Idylle oder Vergangenheit oder beides<br />
zugleich ist. Heute brauchen Forscher im<br />
Normalfall Mittel – und zwar reichlich davon<br />
–, um ihre Forschungsziele zu verwirklichen,<br />
mit anderen Worten, sie müssen<br />
mit dem Geld Zweiter und Dritter arbeiten,<br />
der Steuerzahler, von denen sie <strong>die</strong><br />
sogenannten öffentlichen Mittel bekommen<br />
(als seien es nicht höchst private Einkommen,<br />
<strong>die</strong> dem Steuerzahler da<strong>für</strong> von<br />
der öffentlichen Hand abgeknöpft werden!),<br />
oder privater Wirtschaftsunternehmen<br />
oder Stiftungen, <strong>die</strong> Forschung fördern<br />
wollen. Da es das Grundgesetz aller<br />
Ökonomie ist, dass solche Mittel immer<br />
knapper als <strong>die</strong> nach ihnen begehrenden<br />
Bedürfnisse sind, bedarf es somit diskriminierender<br />
Allokationsentscheidungen,<br />
mit anderen Worten der Prioritäten- und<br />
damit unvermeidlich verbunden der Posterioritätensetzung:<br />
Je knapper <strong>die</strong> Mittel<br />
umso schärfer <strong>die</strong>se Auswahl, wenn nicht<br />
– etwa durch Gleichverteilung – alle Forschung<br />
gleich unzureichend gefördert<br />
werden soll.<br />
Und deshalb entgehen wir auch der ersten<br />
Frage nicht, warum Forschung privat<br />
oder öffentlich gefördert werden soll,<br />
denn aus der Antwort auf <strong>die</strong>se Frage<br />
müssen <strong>die</strong> Maßstäbe <strong>für</strong> <strong>die</strong> Prioritätensetzung<br />
folgen. (Der dritten Frage: Wieviel<br />
Förderung? will ich mich am Ende<br />
Vorträge..<br />
76<br />
kurz zuwenden). Auf <strong>die</strong> Frage, warum<br />
wir Forschung fördern, kenne ich eigentlich<br />
nur Antworten von zweierlei Art, <strong>die</strong><br />
sich sehr kurz so zusammenfassen lassen:<br />
Weil das, was sie hervorbringt, nämlich<br />
Erkenntnis, schön und/oder nützlich ist<br />
(oder jedenfalls sein kann). Was übrigens,<br />
da es des Menschen Natur ist, sowohl<br />
nach Schönem als auch nach Nützlichem<br />
zu verlangen, zur Folge hat, dass Forschung<br />
zugleich notwendig, genauer lebensnotwendig<br />
<strong>für</strong> Menschen ist, da unsere<br />
Spezies nicht nur wissensfähig, sondern<br />
auch von Wissen abhängig ist, um<br />
überleben zu können. Und Wissen kommt<br />
eben einmal nur durch angeborene Befähigung<br />
(evolutionsgenetisches Wissen),<br />
durch Belehrung (sogenanntes traditionell-bewährtes,<br />
also „altes Wissen“), eigene<br />
Erfahrung (mehr oder weniger zufällig<br />
und nicht immer zuverlässig erworbene<br />
Kenntnisse) oder durch systematisch und<br />
methodisch geleitete wissenschaftliche<br />
Forschung zustande, <strong>die</strong> uns zu kritisch<br />
geprüftem, „neuem Wissen“ verhilft, aus<br />
dem, wenn es sich in der Praxis anwenden<br />
lässt, auch ökonomisch nutzbare Innovationen<br />
hervorgehen können.<br />
Wunsch nach Erkenntnis ist Selbstzweck<br />
Schön und nützlich: Ich möchte gerade in<br />
unserem Themenzusammenhang beides<br />
gleichrangig betonen. Schön, weil <strong>die</strong> zuverlässige<br />
Erkenntnis der Wirklichkeit,<br />
vulgo „Wahrheit“ genannt, (soweit sie uns<br />
zugänglich ist), den meisten Menschen ein<br />
tiefes Bedürfnis ist, dessen Erfüllung sie<br />
genauso befriedigt, wie Religion, Kunst,<br />
Musik, Literatur als Ausdruck gemeinsam<br />
menschlicher Lebenserfahrung. Deshalb<br />
ist es richtig, darauf zu beharren, dass der<br />
Wunsch nach Erkenntnis <strong>für</strong> den Menschen<br />
Selbstzweck ist, Ausdruck des<br />
Kerns seiner Menschlichkeit und dass <strong>die</strong><br />
meisten Menschen daher bereit sind, so
wie <strong>für</strong> andere Bestandteile ihrer Lebenskultur<br />
auch da<strong>für</strong> <strong>die</strong> Mittel aufzubringen,<br />
dass einige von ihnen, <strong>die</strong> das besonders<br />
gut können und dazu <strong>die</strong> Neigung besitzen,<br />
sich ganz der Erforschung der Wahrheit<br />
und somit dem Erwerb von Wissen<br />
widmen können, so wie sie andere <strong>für</strong><br />
Werke der Musik oder Kunst unterstützen.<br />
Mir liegt sehr daran, <strong>die</strong>se grundlegende<br />
Kulturleistung wissenschaftlicher<br />
Forschung, <strong>die</strong> deshalb auch zu Recht<br />
Grundlagenforschung ge-<br />
Eigentlich erscheint nannt wird, vor aller Beto-<br />
nur eine Art der nung der Nützlichkeit und<br />
Prioritätensetzung in der Notwendigkeit von For-<br />
Forschungsfinanzierung schung hervorzuheben, weil<br />
möglich: Bevorzugte sich dort, wo es in solchem<br />
Unterstützung der be- Sinne um Erkenntnis um ihsten<br />
Forscher mit den errer selbst Willen geht, eikenntnisförderlichstengentlich<br />
nur eine Art der<br />
Ideen – wie immer man Prioritätensetzung in der<br />
sie erkennen mag – Forschungsfinanzierung<br />
gleich auf welchem Wis- möglich erscheint: Bevorsensgebiet,<br />
unter Gewähzugte Unterstützung der berung<br />
größtmöglicher sten Forscher mit den er-<br />
Freiheit, das Neue zu sukenntnisförderlichstenchen und zu verwirk- Ideen – wie immer man sie<br />
lichen, mit kritischer post erkennen mag – gleich auf<br />
hoc-Kontrolle dessen, welchem Wissensgebiet, un-<br />
was ihnen dabei gelunter Gewährung größtmöggen<br />
ist, in vernünftigen licher Freiheit, das Neue zu<br />
Abständen. suchen und zu verwirklichen,<br />
mit kritischer post<br />
hoc-Kontrolle dessen, was ihnen dabei gelungen<br />
ist, in vernünftigen Abständen. Da<br />
alle wahre <strong>Wissenschaft</strong> Erkenntnis nicht<br />
nur <strong>für</strong> den Forscher selbst, sondern <strong>für</strong><br />
<strong>die</strong> gesamte daran anteilnehmende Menschengemeinschaft<br />
suchen muss, ein sozialer<br />
Kommunikationsprozess also, horizontal<br />
in einer gegebenen Forschergeneration<br />
und vertikal zwischen aufeinanderfolgenden<br />
Generationen, ist es völlig angemessen,<br />
<strong>die</strong> Leistungsfähigkeit solchen<br />
Forschens und solcher Forscher post festum<br />
vor allem an zwei Kriterien zu mes-<br />
Hubert Markl..<br />
77<br />
sen: Am Ertrag an qualifizierten wissenschaftlichen<br />
Veröffentlichungen, vorzugsweise<br />
gemessen an deren Wirkung auf das<br />
Denken und Forschen anderer <strong>Wissenschaft</strong>ler,<br />
und am Ertrag an forschungsqualifiziertem<br />
– durch Forschung und <strong>für</strong><br />
Forschung qualifiziertem! – Nachwuchs,<br />
den ein <strong>Wissenschaft</strong>ler herangebildet hat.<br />
Förderung reiner Erkenntnissuche<br />
Diese Art der Forschungsförderung als<br />
Förderung reiner Erkenntnissuche – von<br />
Astrophysik und Kosmogonie bis zu Molekulargenetik,<br />
Ökologie, Materialforschung,<br />
Mathematik, Rechtsgeschichte<br />
oder Kunstwissenschaft – ist das wahre<br />
Hauptaufgabengebiet universitärer und<br />
außeruniversitärer Grundlagenforschung,<br />
wobei sich <strong>die</strong> Letztere von der Ersteren<br />
eigentlich nur durch unterschiedliche Gewichtung<br />
des Anteils an Lehre und Forschung<br />
unterscheidet, also keineswegs<br />
nach Qualität oder Wert der jeweiligen Arbeit!<br />
Die Verfahren, nach denen zum Beispiel<br />
<strong>die</strong> Max-Planck-Gesellschaft dabei<br />
<strong>die</strong> Prioritätsentscheidungen ihrer Forschungsmittelzuteilung<br />
setzt, lassen sich<br />
nach der vorangehend dargestellten Zielvorgabe<br />
solchen Forschens relativ einfach<br />
beschreiben, obwohl <strong>die</strong> Prozesse im Einzelnen<br />
verwickelt, hochgradig interaktiv<br />
und keineswegs immer völlig willkürfrei,<br />
rational und transparent darstellbar sind.<br />
Die führenden <strong>Wissenschaft</strong>ler der<br />
MPG und ihrer Gremien sind ständig aufgerufen<br />
in zweierlei Hinsicht neue Gelegenheiten<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> Förderung als innovativ<br />
erkannter Forschungsgebiete zu erkunden:<br />
Indem sie im Bereich ihrer eigenen<br />
Expertise – unterstützt durch Anregung<br />
und Rat von Seiten außenstehender <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
oder anderer Interessenten an<br />
der Forschung – jene Wachstumszonen<br />
neuer Forschung zu erkennen suchen,<br />
von denen nach ihrer Meinung in der Zu-
kunft erhebliche und besonders bedeutsame<br />
Erkenntnisfortschritte zu erwarten<br />
sind, wobei allerdings <strong>die</strong> Ungewissheit<br />
des Urteils mit der Entfernung vom sicheren<br />
Wissenskanon wächst; und indem sie<br />
ständig weltweit beobachten, welche Forscherpersönlichkeiten<br />
solchen Fortschritt<br />
besonders erfolgreich voranzutreiben versprechen<br />
und zugleich zu ermitteln suchen,<br />
ob <strong>die</strong>se <strong>für</strong> eine Arbeit im Stil der<br />
institutsorganisierten außeruniversitären<br />
Max-Planck-Forschung gewinnbar erscheinen.<br />
So geht das jedenfalls im Idealfall<br />
vonstatten.<br />
Gezielte Aktivierungsverfahren<br />
Natürlich genügt es in der Regel nicht,<br />
<strong>die</strong>se Prozesse einfach sich selbst zu überlassen:<br />
Es bedarf gezielter Aktivierungsverfahren,<br />
z. B. durch <strong>die</strong> ausdrückliche<br />
Beauftragung von Suchkommissionen, zumeist<br />
im Zusammenhang mit durch bevorstehende<br />
Pensionierung von Direktoren<br />
freiwerdenden Ressourcen, oder – wie<br />
im Zuge des Neuaufbaus von fast 20 Max-<br />
Planck-Instituten in der ehemaligen DDR<br />
geschehen – durch Inaussichtstellung der<br />
Möglichkeit von Neugründung von Instituten.<br />
Neues Geld, das man selbst sowieso<br />
nicht bekommen kann, beflügelt den Einfallsreichtum!<br />
Selbstverständlich spielen<br />
sich in <strong>die</strong>sen Zusammenhängen auch in<br />
der Max-Planck-Gesellschaft offene oder<br />
verborgene, zumeist vordergründig rein<br />
wissenschaftlich begründete, aber zugleich<br />
auch nicht unerheblich von persönlichen<br />
und disziplinären Interessen geprägte Auseinandersetzungen<br />
um Macht, Einfluss<br />
und Ansehen ab: Gibt es eine direkte fachliche<br />
Nachfolge eines ausscheidenden Direktors?<br />
Wie kann ein Institut seine Forschungs-<br />
und Ressourceninteressen dabei<br />
am besten durchsetzen? Soll tatsächlich<br />
ein Institut <strong>für</strong> ein ganz neues Arbeitsfeld,<br />
vielleicht sogar einer anderen Sektion um-<br />
Vorträge..<br />
78<br />
gewidmet werden, oder soll es da<strong>für</strong> sogar<br />
eine Neugründung geben? Welche Entwicklungen<br />
erlaubt das universitäre und<br />
sonstige Umfeld? Zugleich spielen – zumeist<br />
eher von der Leitungsebene der<br />
MPG zu vertreten – ganz unwissenschaftliche,<br />
aber mitunter doch ziemlich entscheidungsrelevante<br />
wissenschaftsexterne<br />
Argumente eine Rolle: solche der Ressourcenverteilung<br />
zwischen und manchmal<br />
sogar innerhalb von Bundesländern;<br />
solche des notwendigen Investitionsaufwandes<br />
<strong>für</strong> ein bestimmtes Vorhaben; solche<br />
vernünftiger Aufteilung knapper<br />
Mittel über verschiedene Forschungsbereiche<br />
(denn zweifellos könnte allein <strong>die</strong><br />
astronomische Forschung den gesamten<br />
verfügbaren Etat verbrauchen, oder <strong>die</strong><br />
Genomforschung etc.); auch solche internationaler<br />
Interessen und Langfristverpflichtungen.<br />
Solche Diskussionen verlaufen teils satzungsgemäß<br />
wohlgeordnet unter Beobachtung<br />
der Zuständigkeiten der verschiedenen<br />
Organe der Gesellschaft, teils<br />
aber auch informell in zahllosen<br />
Begegnungen und Ge- Neues Geld, das<br />
sprächen, bis sie am Ende in man selbst sowieso<br />
mehr oder weniger endgül- nicht bekommen kann,<br />
tig kristallisierter Form – z. beflügelt den Einfalls-<br />
B. im Senatsausschuss <strong>für</strong> reichtum!Selbstver- Forschungsplanung – abständlich spielen sich in<br />
schließend beraten werden <strong>die</strong>sen Zusammenhän-<br />
und damit zur Freigabe oder gen auch in der Max-<br />
Versagung konkreter Beru- Planck-Gesellschaft offefungsverfahren<br />
führen, über ne oder verborgene, zu-<br />
deren Ergebnis dann der Semeist vordergründig rein<br />
nat entscheidet. Je nach dem wissenschaftlich begrün-<br />
glücklichen Gelingen einer dete, aber zugleich auch<br />
Berufung werden dann ent- nicht unerheblich von<br />
weder, so wie lange vorbe- persönlichen und disziplidacht,<br />
<strong>für</strong> ein oder zwei nären Interessen gepräg-<br />
oder mehr Jahrzehnte binte Auseinandersetzungen<br />
dende, erhebliche Investi- um Macht, Einfluss und<br />
tionsentscheidungengetrof- Ansehen ab.<br />
fen, <strong>die</strong> der MPG ermög-
lichen, auf <strong>die</strong>sen Forschungsgebieten<br />
maßstabsetzende Forschung zu betreiben.<br />
Oder, im Falle des Scheiterns von Berufungen,<br />
kommt es erneut zu fortgeführten,<br />
klärenden Suchprozessen, mitunter<br />
auch zum Abbruch vorher so verlockend<br />
erscheinender Pläne.<br />
Lieber Verzicht als Mittelmaß<br />
Der Begriff des „Harnack-Prinzips“, der<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong>se prospektierende Vorgehensweise<br />
gerne gebraucht wird, ist weit weniger traditionsverhaftet,<br />
als er <strong>für</strong> manche Ohren<br />
klingen mag. Er betont nur in recht prägnanter<br />
Weise, dass es in der Grundlagenforschung<br />
ohne außergewöhnlich leistungsfähige<br />
und ideenreiche Forscherinnen<br />
und Forscher keine Aussicht auf herausragend-innovative<br />
Erfolge gibt, und<br />
dass man daher – insbesondere bei Forschungsgroßinvestitionen<br />
in über Jahrzehnte<br />
kumuliert neunstelliger Höhe –<br />
eher auf <strong>die</strong> Etablierung oder Fortführung<br />
eines Forschungsgebietes oder eines Institutes<br />
verzichten muss, als es unter<br />
mittelmäßiger Leitung zu betreiben. Da in<br />
der Max-Planck-Gesellschaft bestimmungsgemäß<br />
vor allem dort und schwerpunktmäßig<br />
in Forschung investiert werden<br />
soll, wo <strong>die</strong> Möglichkeiten von Universitäten<br />
erheblich überschritten werden,<br />
ergibt sich von selbst, dass bei ihr – aber<br />
ganz ähnlich bei anderen außeruniversitär<br />
forschungsschwerpunktsetzenden Organisationen<br />
– das elitär personenbezogene<br />
„Harnack-Prinzip“ eine größere Rolle<br />
spielen muss, als bei vielen universitären<br />
Berufungen, <strong>die</strong> vor allem auch der Sicherstellung<br />
des Lehrangebotes <strong>die</strong>nen<br />
müssen. Dennoch gilt auch dort, was <strong>die</strong><br />
Abhängigkeit der Forschungserfolge von<br />
der Exzellenz der Forscherinnen und Forscher<br />
angeht mutatis mutandis das Gleiche.<br />
Forscher lassen sich nicht auftürmen:<br />
auch noch so reichlich kumuliertes<br />
Hubert Markl..<br />
79<br />
Mittelmaß leistet dennoch nur Durchschnittliches.<br />
Dass soviel langfristig gesicherte Freiheits-<br />
und Ressourcengewährung an ausgewählte<br />
Spitzenwissenschaftler bei allen<br />
Chancen <strong>für</strong> innovative Forschung<br />
allerdings auch er- Dennoch gilt auch<br />
hebliche Risiken mit sich <strong>für</strong> Universitäten,<br />
bringt und dementsprechen- was <strong>die</strong> Abhängigkeit der<br />
deRisikobegrenzungsme- Forschungserfolge von<br />
chanismen erfordert, kann der Exzellenz der Forsche-<br />
freilich auch nicht überserinnen und Forscher anhen<br />
werden.<br />
geht mutatis mutandis<br />
Das beginnt schon bei das Gleiche. Forscher las-<br />
der Kopfjagd – heute gerne sen sich nicht auftürmen:<br />
als brain-gain verdeutscht, auch noch so reichlich ku-<br />
also bei der Findung berumuliertes Mittelmaß leisfungswürdiger<br />
Frauen und tet dennoch nur Durch-<br />
Männer. Wenn sie, noch allschnittliches.zu jung und unbewährt, zu<br />
schönsten Hoffnungen Anlass geben und<br />
zu sonst nichts, dann kann <strong>die</strong> Berufung<br />
auf Lebenszeit bei einer Fehlentscheidung<br />
sehr lange sehr teuer kommen. Die Alternative<br />
vorläufiger Berufungen – z.B. auf<br />
eine befristete Gruppenleitung – erlaubt<br />
andererseits mitunter nicht nur unzureichende<br />
Entfaltung des Forschungspotenzials,<br />
man drängt <strong>die</strong> Forscher geradezu,<br />
sich alsbald nach grünerer, sicherer Weide<br />
umzusehen. Beruft man andererseits<br />
den zweifelsfrei <strong>für</strong> erbrachte Leistungen<br />
hochrenommierten Forscher, so kommt er<br />
nicht nur, – wenn er überhaupt zu gewinnen<br />
ist –, maßlos teuer zu stehen, es<br />
könnte auch sein, dass hinter dem leuchtenden<br />
Gipfel der Abstieg zum besonnten<br />
Forschungsaltersruhesitz folgt. Also folgt<br />
daraus ganz selbstverständlich <strong>die</strong> Suche<br />
nach der via media, aber wenn es um Ausnahmetalente<br />
geht, ist <strong>die</strong>se selten kommissionssicher<br />
ausgeschildert. Dennoch:<br />
Annähernd 90 Jahre Kaiser-Wilhelm- und<br />
Max-Planck-Gesellschaft haben doch am<br />
Exempel belehrt, dass das stark talentbezogene<br />
Personenprinzip der Prioritäten-
setzung weit überwiegend – nach üblichen<br />
Maßen der Forschungsleistung – recht erfolgreich<br />
war. Als Leitprinzip einer darauf<br />
spezialisierten Forschungsorganisation, <strong>die</strong><br />
nur knapp 5 Prozent der öffentlichen Forschungsinvestitionen<br />
(also etwa 2 Prozent<br />
des gesamten deutschen F&E-Budgets) beansprucht,<br />
dürfte es jedoch neben dem<br />
Wirken von Universitäten, programmorientierten<br />
Forschungszentren diverser<br />
Größe, staatlichen Forschungsanstalten etc.<br />
einen sehr sinnvollen Platz in der Förderung<br />
erkenntnisoffener Spitzenforschung<br />
und damit auch in der Prioritätensetzung<br />
in der Forschungsfinanzierung ausfüllen.<br />
Freilich wäre es nicht richtig und auch<br />
politisch nicht vertretbar, wenn nach solchem<br />
Harnack-Prinzip Forschungserbhöfe<br />
nach Gutsherrenart ent-<br />
Zur gewährten grostünden. Zur gewährten großen<br />
Freiheit der ßen Freiheit der Selbstbe-<br />
Selbstbestimmung von stimmung von Forschungs-<br />
Forschungszielen und zur zielen und zur langfristig<br />
langfristig garantierten garantierten finanziellen<br />
finanziellen Förderung Förderung ohne den Zwang<br />
ohne den Zwang ständi- ständiger Projekt- und<br />
ger Projekt- und Drittmit- Drittmitteljagd, also zum<br />
teljagd, also zum Licht ei- Licht einer in der Tat beneiner<br />
in der Tat beneidensdenswerten Privilegierung,<br />
werten Privilegierung, gehört unabänderlich der<br />
gehört unabänderlich der Schatten regelmäßiger<br />
Schatten regelmäßiger scharfer Leistungsüberprü-<br />
scharfer Leistungsüberfung durch unabhängige<br />
prüfung durch unabhän- Fachleute und <strong>die</strong> konsegige<br />
Fachleute und <strong>die</strong> quent eingesetzte Möglich-<br />
konsequent eingesetzte keit des Entzuges gewährter<br />
Möglichkeit des Entzuges Ressourcen bei als unzurei-<br />
gewährter Ressourcen chend bewerteten For-<br />
bei als unzureichend beschungsergebnissen. Die<br />
wertetenForschungser- Max-Planck-Gesellschaft hat<br />
gebnissen. ein solches Kontrollsystem<br />
in der Form externer Fachbeiräte<br />
seit langem etabliert und in den<br />
vergangenen Jahren kontinuierlich leistungsbezogen<br />
fortentwickelt. Die Knappheit<br />
der verfügbaren Zeit verbietet hier ei-<br />
Vorträge..<br />
80<br />
ne ausführliche Darstellung. Als Resümee<br />
mag genügen: das System arbeitet zwar<br />
noch lange nicht perfekt, aber es arbeitet<br />
nach meiner ziemlich langen Erfahrung in<br />
der Forschungsevaluation qualitätsbewusster<br />
als fast alles, was ich dazu bisher<br />
andernorts kennengelernt habe – Ausnahmen<br />
bestätigen freilich <strong>die</strong> Regel.<br />
Dickenwachstum statt Kolonisation<br />
Ich will auch ein drittes, schweres Risiko<br />
der personenzentrierten Allokation von<br />
Ressourcen nach dem Harnack-Prinzip<br />
nicht übergehen. Es ist das klassische Problem<br />
des „Marktversagens“ durch unzureichende<br />
Information, vor allem durch<br />
fachlich beschränkt überfokussierte Suchprozesse<br />
nach Forschungsgebieten und<br />
Talenten. Ich musste <strong>die</strong>s einmal mehr im<br />
Zusammenhang mit der umfassend angelegten<br />
Perspektivplanung der MPG – Max<br />
Planck 2000 + – enttäuscht zur Kenntnis<br />
nehmen: <strong>die</strong> Suchprozesse nach neuen<br />
Früchten vom Baum der Erkenntnis werden<br />
eben immer am leichtesten nahe am<br />
eigenen Baumstamm fündig! So wachsen<br />
Forschungsgebiete durch selbstbestätigendes<br />
sekundäres Dickenwachstum allemal<br />
leichter als durch kühne Kolonisation<br />
noch unerschlossener Territorien. Zwar<br />
können sich <strong>die</strong> Vorschläge der Vertiefung<br />
und Erweiterung des eigenen Wissensbergwerks<br />
allemal sehen lassen, an Qualitätsbewusstsein<br />
mangelt es dabei nicht,<br />
aber <strong>die</strong> Entdeckungsfreude an dem, was<br />
man selbst nicht schon näher im Auge<br />
hatte, nimmt mit zunehmender Entfernung<br />
vom eigenen Gebiet doch recht<br />
rasch ab – wiederum: Ausnahmen bestätigen<br />
<strong>die</strong> Regel. Verbunden mit selbstbewusster<br />
Beratungsresistenz gegenüber<br />
dem eigenen Gebiet fachfernen Experten<br />
macht <strong>die</strong>s einer solch ehrwürdigen Organisation<br />
den Aufbruch zu neuen Ufern<br />
nicht immer leicht. Allerdings haben <strong>die</strong>
vielen Institutsgründungen in den neuen<br />
Ländern gezeigt, dass außergewöhnliche<br />
Umstände auch außergewöhnliche Kräfte<br />
freisetzen. Hier entstand viel Gutes und<br />
Neues!<br />
Um <strong>die</strong>sen Prozess auch zu normaleren<br />
Zeiten in Gang zu halten, hält <strong>die</strong> MPG<br />
allerdings seit langem und neuerdings vermehrt<br />
eine ganze Reihe stimulierender<br />
Maßnahmen bereit, von befristeten Nachwuchs-,<br />
Forschungs- oder Projektgruppen,<br />
aus denen bei Bewährung neue Institute<br />
erwachsen können, bis zu institutsübergreifenden<br />
Forschungsinitiativen,<br />
Partnerprojekten mit Universitätsgruppen,<br />
International Max Planck Research<br />
Schools usw. Auch <strong>die</strong>s kann hier nur angedeutet<br />
werden.<br />
Soweit gut und schön – aber auch nützlich?<br />
Kann <strong>die</strong> Max-Planck-Gesellschaft<br />
mit <strong>die</strong>sen Methoden talentzentrierter<br />
Forschungspriortiätensetzung denn auch<br />
garantieren, dass all <strong>die</strong> schönen Erkenntnisse,<br />
<strong>die</strong> dabei gewonnen werden, auch<br />
nützliche Erkenntnisse sind, aus denen im<br />
globalen ökonomischen Wettlauf durch<br />
beschleunigte Innovation gesteigerter Gewinn<br />
<strong>für</strong> alle Beteiligten entspringt? Darauf<br />
gibt es verschiedene Antworten.<br />
Patente als reiner Windfall-Profit?<br />
Eine wäre zum Beispiel, dass <strong>die</strong>s gar nicht<br />
das primäre Ziel Max-Planck-gemäßer<br />
Grundlagenforschung sei, weshalb alle<br />
praktisch nutzbaren Entdeckungen, Patente,<br />
Lizenzen, Startup-Firmengründungen<br />
etc. reiner Windfall-Profit sind, positive<br />
externe Effekte, <strong>die</strong> wir, unabsichtlich<br />
gewonnen, einfach dankbar zur Kenntnis<br />
nehmen sollten. Ganz falsch ist das sicher<br />
nicht. Freilich ließe sich an anderen Beispielen<br />
zeigen, dass bei aller Grundlagenhaftigkeit<br />
der Erkenntnissuche auch viele<br />
Chemiker, Physiker, Materialforscher, Molekulargenetiker<br />
usw. der Max-Planck-Ge-<br />
Hubert Markl..<br />
81<br />
sellschaft stets ein waches Auge auf Verwertungsmöglichkeiten<br />
halten, von Garching<br />
Innovation immer hilfreich begleitet,<br />
so dass <strong>die</strong> erkenntnisgeleitete, aber<br />
anwendungsoffene Forschung der MPG<br />
tatsächlich ständig auch praktisch ertragreiche<br />
Früchte bringt. Auch <strong>die</strong>s ließe sich<br />
durchaus mit wachsenden<br />
Zahlen beweisen. Man könn- Um <strong>die</strong>sen Prozess<br />
te auch darauf verweisen, auch zu normaleren<br />
dass sich Max-Planck-For- Zeiten in Gang zu halten,<br />
scher in der Akquisition von hält <strong>die</strong> MPG allerdings<br />
Forschungsaufträgen aus der seit langem und neuer-<br />
Wirtschaft absichtsvoll und dings vermehrt eine gan-<br />
absprachegemäß zurückhalze Reihe stimulierender<br />
ten, damit <strong>die</strong>ser Acker dann Maßnahmen bereit, von<br />
umso erfolgreicher durch <strong>die</strong> befristeten Nachwuchs-,<br />
Fraunhofer-Institute bestellt Forschungs- oder Projekt-<br />
werden kann – auch da<strong>für</strong> gruppen, aus denen bei<br />
gäbe es überzeugende Bei- Bewährung neue Instituspiele.te<br />
erwachsen können, bis<br />
Mir greifen jedoch alle zu institutsübergreifen-<br />
<strong>die</strong>se Antworten auf <strong>die</strong> FradenForschungsinitiatige der Nützlichkeit als Entven, Partnerprojekten mit<br />
scheidungskriterium <strong>für</strong> For- Universitätsgruppen,<br />
schungsprioritäten schon International Max Planck<br />
vom Ansatz her zu kurz,<br />
weil sie nämlich zu rechfer-<br />
Research Schools usw.<br />
tigen scheinen, was meines Erachtens der<br />
Rechtfertigung gar nicht bedarf. Der<br />
Grund da<strong>für</strong> liegt in einer fundamentalen<br />
Wechselbeziehung zwischen dem wissenschaftlich<br />
Schönen und dem wissenschaftlich<br />
Nützlichen: Die Brücke zwischen<br />
beiden Welten bildet nämlich <strong>die</strong><br />
Wahrheit oder wenigstens Wahrheitsnähe<br />
oder, noch weniger hochgestochen gesagt,<br />
<strong>die</strong> Zuverlässigkeit kritisch geprüften wissenschaftlichen<br />
Wissens, <strong>die</strong> zugleich dessen<br />
befriedigende Schönheit ausmacht.<br />
Schön und gut werden sozusagen bei wissenschaftlicher<br />
Erkenntnis deckungsgleich,<br />
fast möchte man von der Kalokagathia<br />
wirklicher <strong>Wissenschaft</strong> sprechen<br />
(was <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anwendung in der Praxis freilich<br />
keineswegs genauso gelten muss).
Denn was freie Erkenntnissuche als richtig<br />
erkennt an der Wirklichkeit, in der wir leben,<br />
ist allein deshalb auch – zumindest<br />
potenziell und tendenziell – anwendbar,<br />
freilich zu Nutzen wie zu Schaden, weil<br />
nur zuverlässiges Wissen zur Nutzung<br />
taugt. Und deshalb ist Grundlagenforschung,<br />
<strong>die</strong> der Suche nach zuverlässiger<br />
Erkenntnis <strong>die</strong>nt, immer zugleich schön<br />
und potenziell nützlich und deshalb auch<br />
<strong>für</strong> uns Menschen lebensnotwendig. Wer<br />
sich daher wissenschaftlich begründetes<br />
Wissen nicht zueigen machen will, stirbt<br />
nicht nur blöde, er könnte auch gerade<br />
deshalb umso schneller und elender sterben,<br />
weil er sich <strong>für</strong> ein Menschenleben<br />
als zu blöde erweist. Natürlich lässt sich<br />
so mancher solcher bornierten Geister<br />
gleichsam sozialschmarotzerisch von denen<br />
mit durchbringen, <strong>die</strong> sich <strong>die</strong> Mühe<br />
machen, wissenschaftlich begründetes<br />
Wissen zu lernen, zu erforschen und nutzbar<br />
zu machen. Aber der Bandwurm bedeutet<br />
keine Widerlegung der Überlegenheit<br />
seines Wirtes, sondern deren Bestätigung.<br />
Wieviel Forschung brauchen wir?<br />
Wenn daher Forschung – sei es nach reinen<br />
Erkenntnis-, oder sei es nach Nützlichkeitskriterien<br />
priorisiert – so unentbehrlich<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> modernen, globalen, wissenschaftlich-technisch<br />
entwickelten Gesellschaftsformen<br />
des Menschen ist, wieviel<br />
davon brauchen wir? Ist mehr Forschung,<br />
sind mehr Mittel <strong>für</strong> Forschung<br />
automatisch auch besser <strong>für</strong> Kulturniveau<br />
und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit<br />
einer Gesellschaft?<br />
Wo – abgesehen von der Sottise, dass<br />
der Forschungsaufwand einer Gesellschaft<br />
sicher größer als 0 Prozent und kleiner als<br />
100 Prozent ihres Bruttoleistungsprodukts<br />
sein muss – wo sollte der Prioritätszeiger<br />
der Forschungsfinanzierung einer leis-<br />
Vorträge..<br />
82<br />
tungsfähig innovativen und dennoch zugleich<br />
nachhaltig bestandsfähigen Gesellschaft<br />
liegen? Ich kenne keine zwingende<br />
ab initio-Begründung eines solchen Prozentsatzes,<br />
deshalb kann<br />
wohl nur empirisch geleite- Das Forschungssyste<br />
Annäherung helfen. tem muss immer<br />
Eine sehr wirksame Be- versuchen, mit guten<br />
grenzung kommt sicher Gründen, mit besseren<br />
vom Widerstand konkurrie- Gründen, mehr zu verlanrender<br />
Prioritätsinteressen – gen als das, worüber es<br />
vom Sozialsystem, vom Ge- derzeit verfügt, wobei<br />
sundheitssystem, vom Ver- freilich Verlangen und Erteidigungsaufwand,<br />
von langen selten deckungs-<br />
Agrar- und Verkehrssubvengleich sein können.<br />
tionen oder -investitionen<br />
usw. Das heißt nichts anderes, als dass sich<br />
in einer freien, pluralen, demokratisch<br />
verfassten Gesellschaft das Forschungssystem<br />
nur so viele Ressourcen sichern<br />
wird, wie es sie gegen widerstreitende,<br />
starke Gegeninteressen mit überzeugenden<br />
Gründen im täglichen politischen<br />
Meinungsstreit, der überwiegend in den<br />
Me<strong>die</strong>n ausgetragen wird, durchzusetzen<br />
vermag. Deshalb muss das Forschungssystem<br />
immer versuchen, mit guten Gründen,<br />
mit besseren Gründen, mehr zu verlangen<br />
als das, worüber es derzeit verfügt,<br />
wobei freilich Verlangen und Erlangen selten<br />
deckungsgleich sein können.<br />
Ein zweites Argument ist dabei nicht<br />
weniger entscheidend: Der Reichtum oder<br />
<strong>die</strong> Knappheit verfügbarer Forschungstalente.<br />
Man könnte es auf <strong>die</strong> einfache Formel<br />
bringen: solange in einer Gesellschaft<br />
talentierte, motivierte und qualifizierte<br />
<strong>Wissenschaft</strong>lerinnen und <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
ungenutzt bleiben – sei es durch unzureichende<br />
Ausbildung, versagte Förderung<br />
oder, am schlimmsten, Arbeitslosigkeit –<br />
solange ist deren Forschungssystem unterfinanziert.<br />
Noch einfacher und plakativer:<br />
solange <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> Forschungsgemeinschaft<br />
auch hervorragend beurteilte Anträge,<br />
z.B. auf Sonderforschungsbereiche,
aus Geldmangel ablehnen muss, oder solange<br />
<strong>die</strong> Max-Planck-Gesellschaft ihr Potenzial<br />
<strong>für</strong> hervorragende Forschung auf<br />
Grund eines zu engen Budgets nicht voll<br />
ausschöpfen kann, solange besteht aller<br />
Grund <strong>für</strong> mehr Forschungsausgaben und<br />
gegebenenfalls da<strong>für</strong> weniger Erhaltungssubventionen<br />
oder Sozialleistungen <strong>für</strong><br />
nicht wirklich Bedürftige zu kämpfen.<br />
Denn unsere wissenschaftlich-technischen<br />
Talente heute voll zu nutzen sichert auch<br />
<strong>die</strong> Sozialleistungsfähigkeit unserer Gesellschaft<br />
von morgen.<br />
Da<strong>für</strong> spricht vor allem auch ein dritter<br />
Grund, der uns als weiterer Maßstab zur<br />
empirischen Abschätzung angemessenen<br />
Aufwands <strong>für</strong> Forschung und Entwicklung<br />
<strong>die</strong>nen muss. Es ist wie beim Wettlauf:<br />
„watch your closest competitors“,<br />
heute auf Neudeutsch auch Benchmarking<br />
genannt. Wenn Deutschland in <strong>Wissenschaft</strong>,<br />
Forschung und Innovation<br />
auch künftig in der 1. Liga spielen will,<br />
und zwar ganz oben, nicht etwa abstiegsbedroht<br />
am Ende, dann muss es im Wettbewerb<br />
auch mit dem Aufwand an notwendigen<br />
Ressourcen mit-<br />
Wenn Deutschland halten, konkreter gesagt,<br />
in <strong>Wissenschaft</strong>, dann darf der Anteil <strong>für</strong><br />
Forschung und Innova- F&E am Bruttoinlandsprotion<br />
auch künftig in der 1. dukt nicht unter 2,5 Prozent<br />
Liga spielen will, und verharren, dann müssen wir<br />
zwar ganz oben, nicht et- rasch aufschließen zu dewa<br />
abstiegsbedroht am nen, <strong>die</strong> 3 oder sogar mehr<br />
Ende, dann muss es im Prozent des Volkseinkom-<br />
Wettbewerb auch mit mens <strong>für</strong> <strong>die</strong> Sicherung ih-<br />
dem Aufwand an notrer Zukunft aufwenden<br />
wendigen Ressourcen (und natürlich genauso <strong>für</strong><br />
mithalten <strong>die</strong> Bildungsausgaben, <strong>die</strong><br />
notwendig sind, um das<br />
Humankapital <strong>für</strong> den erfolgreichen Einsatz<br />
<strong>die</strong>ses Mittelaufwandes verfügbar zu<br />
haben!). Dies ist auch kein utopisches<br />
oder maßloses Ziel – eben mal so viel wie<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>für</strong> Reisen ins Ausland ausgeben!<br />
Hubert Markl..<br />
83<br />
Fragt man sich aber noch einmal, warum<br />
denn <strong>die</strong>ser Wettbewerb zwischen den innovativ<br />
führenden Nationen und Nationenverbünden<br />
vor allem stattfindet, so<br />
sind wir ganz schnell wieder bei der heute<br />
wie künftig knappsten Ressource <strong>für</strong><br />
wissenschaftliche Innovation: den besten<br />
Talenten mit den orginellsten und produktivsten<br />
Gehirnen: daher reden wir ja<br />
auch von brain-gain, von Kopfjagd. Und<br />
deshalb – und damit schließt sich der<br />
Kreis, ist das Verfahren der Max-Planck-<br />
Gesellschaft, das auf Prioritätensetzung in<br />
der Forschungsfinanzierung vor allem auf<br />
<strong>die</strong> besten Köpfe setzt und <strong>die</strong>se sich dann<br />
so gut ausgestattet und frei wie möglich<br />
in ihrer Forschung entfalten lässt, zwar etwas<br />
altväterlich nach Harnack benannt,<br />
aber heute genauso aktuell wie vor 100<br />
Jahren. Es sieht also wieder einmal fast danach<br />
aus, als ob <strong>die</strong> Einsichten großer<br />
Theologen niemals veralten.<br />
Prof. Dr. Hubert Markl<br />
ist Präsident der Max-Planck-<br />
Gesellschaft zur Förderung<br />
der <strong>Wissenschaft</strong>en e.V.in<br />
München.
Winfried Schulze<br />
Abschließend sollten wir uns<br />
noch einmal darüber Gedanken<br />
machen, warum wir das<br />
Forschungssystem unseres Landes eigentlich<br />
kritisch unter <strong>die</strong> Lupe nehmen. Wir<br />
tun das nicht, um es schlecht zu machen,<br />
sondern wir tun es nach dem alten Prinzip<br />
der römischen Kirche: ecclesia est semper<br />
reformanda, nichts ist so gut, dass es<br />
nicht noch verbessert werden könnte. Ich<br />
habe <strong>die</strong> Erfahrung gemacht, dass wir in<br />
<strong>die</strong>sem Punkt durchaus von der Industrie<br />
lernen können, <strong>die</strong> ständige Audit-Verfahren<br />
in ihre Arbeit integriert hat. Das<br />
scheint mir ein wesentlicher Fortschritt zu<br />
sein.<br />
Ich möchte noch etwas zu den Gründen<br />
sagen, warum wir über Prospektion<br />
nachdenken. Die Gründe reichen vom<br />
Problem der richtigen Allokation der<br />
Mittel – und das gilt <strong>für</strong> Steuergelder ebenso<br />
wie <strong>für</strong> <strong>die</strong> von Unternehmenseignern<br />
und Shareholdern – bis hin zu dem neuen<br />
Status oder, wie manche sagen, dem neuen<br />
Modus der <strong>Wissenschaft</strong>, in dem der<br />
alte Gegensatz von Grundlagenforschung<br />
und angewandter Forschung aufgehoben<br />
ist. Die gesteigerten Erwartungen an <strong>die</strong><br />
<strong>Wissenschaft</strong> implizieren nicht nur eine<br />
Rechenschaftspflicht, der mit vermehrten<br />
Evaluationen nachzukommen ist, sondern<br />
mehr als bisher auch <strong>die</strong> Verpflichtung,<br />
vorausschauend zu handeln. Die Planungseuphorie<br />
gehört der Vergangenheit<br />
an, aber das entbindet uns nicht von der<br />
Verantwortung <strong>für</strong> <strong>die</strong> Folgen unserer Entscheidungen.<br />
Wir sind gut beraten, alles<br />
zu tun, um sie möglichst rational vorzubereiten.<br />
Schlussfolgerungen..<br />
Schlussfolgerungen<br />
84<br />
Wichtig war <strong>für</strong> <strong>die</strong> Tagung ein gewisser<br />
Paradigmenwechsel in der Verwendung<br />
der Begriffe. Wir haben erstens gesprochen<br />
von „<strong>Foresight</strong>“-Unternehmungen, <strong>die</strong><br />
sich jetzt – gerade im Rückgriff auf das<br />
englische und das schwedische Beispiel<br />
kann ich das sagen – gleichsam als gesellschaftliche<br />
Kommunikationsprozesse erwiesen<br />
haben. Dies war, so glaube ich, insgesamt<br />
ein neuer Eindruck, der sich noch<br />
verstärkt, wenn man auf <strong>die</strong> europäischen<br />
Bemühungen hinweist. Es gibt ja neben<br />
dem „FUTUR“-Projekt der deutschen<br />
Bundesregierung ein „Futures“-Projekt<br />
der Europäischen Union, wo im Grunde<br />
genommen ähnliche Überlegungen entwickelt<br />
werden. Ausgangspunkt war auch<br />
hier, wie im schwedischen Beispiel, <strong>die</strong><br />
Frage, welche wissenschaftlich-technischen<br />
Entwicklungen in den nächsten<br />
zehn, fünfzehn Jahren besonders weitreichende<br />
gesellschaftliche Folgen haben<br />
werden. Darum noch einmal: Der Blick<br />
nach Europa ist notwendig.<br />
Zweitens gibt es den Begriff der Prospektion,<br />
den ich lieber verwende, weil er<br />
eine Orientierung an vorhandenen Lagerstätten<br />
impliziert und damit jeden Verdacht<br />
von Forschungsplanung<br />
auch begrifflich von Es gibt neben dem<br />
sich weist. Das ist eine wich- „FUTUR“-Projekt<br />
tige Perspektive, <strong>die</strong> auch der deutschen Bundesre-<br />
<strong>die</strong> Empfehlungen des Wisgierung ein „FUTURES“senschaftsrats<br />
zu <strong>die</strong>sen Projekt der Europäischen<br />
Dingen immer begleitet hat. Union, wo im Grunde ge-<br />
Drittens schließlich der nommen ähnliche Über-<br />
Begriff der Prioritätensetlegungen entwickelt werzung,<br />
der <strong>für</strong> mich unverden.zichtbar ist, weil wir uns un-
ter den obwaltenden finanziellen Zwängen<br />
gut überlegen müssen, in welchen Bereichen<br />
wir unser Geld ein-<br />
Ein wichtiges Thesetzen. Schließlich müssen<br />
ma, das immer wie- wir mit unseren Entscheider<br />
berührt wurde, war dungen irgendwann vor<br />
<strong>die</strong> zunehmend engere dem bestehen, was ich ein-<br />
Koppelung zwischen Wismal einen wissenschaftsenschaft,<br />
Wirtschaft, Polichen Rechnungshof nenlitik<br />
und dem gesellnen möchte. Keine Prioritäschaftlichen<br />
Umfeld. ten zu setzen und so Spitzenleistungen<br />
in allen Bereichen<br />
gleichmäßig zu verhindern, wäre <strong>die</strong><br />
schlechteste aller denkbaren Alternativen.<br />
Das sollten wir immer im Kopf behalten.<br />
Wichtig ist bei <strong>die</strong>sen Überlegungen ein<br />
differenzierter Zugriff; <strong>die</strong> Vorgänge in<br />
Deutschland, in Frankreich und in England<br />
müssen anders gewertet werden als<br />
<strong>die</strong> in den nachholenden Ländern Europas.<br />
Ich habe das gestern schon einmal betont<br />
und kann das hier ganz kurz halten.<br />
Ich weise auf <strong>die</strong> europäische Perspektive<br />
hin, <strong>die</strong> uns meines Erachtens auferlegt,<br />
dass wir unsere Bemühungen künftig<br />
noch deutlicher als bisher bewusst in Europa<br />
verorten müssen. Wir sehen ja durchaus,<br />
dass in einzelnen Bereichen <strong>die</strong> gemeinsame<br />
europäische Ressourcenbündelung<br />
schon Erfolg gehabt hat. Der Bereich<br />
der Luftfahrtindustrie in unserem Land ist<br />
ein gutes Beispiel da<strong>für</strong>, dort sind <strong>die</strong> Dinge<br />
schon so gelaufen, wie wir es uns in anderen<br />
Bereichen noch vorstellen können.<br />
Insofern müssen wir uns auf <strong>die</strong>ses neue<br />
System vorbereiten.<br />
Ein wichtiges Thema, das immer wieder<br />
berührt wurde, war <strong>die</strong> zunehmend<br />
engere Koppelung zwischen <strong>Wissenschaft</strong>,<br />
Wirtschaft, Politik und dem gesellschaftlichen<br />
Umfeld. <strong>Foresight</strong>- oder Prospektionsverfahren<br />
können dazu beitragen,<br />
den Informationsfluss über <strong>die</strong> Grenzen<br />
<strong>die</strong>ser Systeme hinweg transparenter und<br />
effizienter zu machen. Im Bereich der<br />
Wirtschaft scheint mir wichtig zu sein,<br />
Winfried Schulze..<br />
85<br />
dass <strong>die</strong> Kooperationsformen von <strong>Wissenschaft</strong><br />
und Wirtschaft neu definiert<br />
werden müssen. Wir verfügen noch nicht<br />
über angemessene und hinreichend überzeugende<br />
Verfahren der Repräsentation<br />
wirtschaftlicher Bedürfnisse im gesamten<br />
Forschungsprozess. Das scheint mir ein<br />
entscheidender Punkt zu sein, der einmal<br />
genauer diskutiert werden müsste. Aufgrund<br />
der globalen Konkurrenz ist <strong>die</strong>s<br />
ein Thema, an dem man überhaupt nicht<br />
vorbeikommt.<br />
Die Politik hat unübersehbaren Bedarf<br />
an Beratung. Nicht nur Bedarf an einer Beratung,<br />
<strong>die</strong> gewissermaßen technische<br />
Feinheiten klärt, sondern vor allen Dingen<br />
an Beratung, <strong>die</strong> sie bei der Themengenerierung<br />
unterstützt. Wir sollten nicht<br />
erwarten, dass uns Ministerien – und seien<br />
sie noch so gut besetzt – <strong>die</strong>se Aufgabe abnehmen<br />
können. Wir müssen ein Verfahren<br />
finden, in dem Themen aus der <strong>Wissenschaft</strong><br />
in <strong>die</strong> politische Entscheidungsebene<br />
einfließen. Ein dicht gewobenes<br />
Netz zwischen <strong>Wissenschaft</strong> und Politik<br />
hilft auch, <strong>die</strong> Akzeptanz politischer Entscheidungen<br />
in der <strong>Wissenschaft</strong> zu erhöhen<br />
und beugt unnötigen Frontstellungen<br />
vor.<br />
Akzeptanz in der Gesellschaft<br />
Schließlich <strong>die</strong> Gesellschaft: Als <strong>Wissenschaft</strong>ler<br />
kämpfen wir um Akzeptanz, insofern<br />
glaube ich ist <strong>die</strong> Diskussion, <strong>die</strong><br />
wir in <strong>die</strong>sem neuen Rahmen führen – also<br />
<strong>Foresight</strong> im oben definierten Sinn –<br />
ganz wichtig, weil wir auf <strong>die</strong>se Art erreichen<br />
können, dass <strong>die</strong> Gesellschaft einerseits<br />
besser versteht, was <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
unternimmt, andererseits mehr Vertrauen<br />
darein gewinnt, dass <strong>Wissenschaft</strong>ler offen<br />
sind da<strong>für</strong>, über gesellschaftlich wichtige<br />
Probleme nachzudenken und ihre<br />
Kompetenz zu ihrer Lösung einzusetzen.<br />
So wird <strong>die</strong> Gesellschaft auch eher bereit
sein, das notwendige Geld <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />
zur Verfügung zu stellen. Eine<br />
Konsequenz daraus ist: Wir müssen da<strong>für</strong><br />
sorgen, dass es eine hinrei-<br />
Deutschland muss chend komplexe, aber trans-<br />
auf <strong>die</strong>ser Ebene parente Debatte über Prio-<br />
handlungsfähig werden, ritäten der Forschung gibt.<br />
muss sich an der Diskus- Wir können das auf eine<br />
sion über künftige For- Weise tun, wie es Winfried<br />
schungsrichtungenbetei- Benz vorgeschlagen hat, unligen<br />
und seine eigenen ter Leitung einer Kommis-<br />
Kompetenzen einbringen. sion im Sinne der Empfehlungen<br />
des <strong>Wissenschaft</strong>srats<br />
zu einer Prospektion <strong>für</strong> <strong>die</strong> Forschung.<br />
Wir müssen <strong>die</strong>se Debatte aber<br />
mit sehr sorgfältigen Querschnittsanalysen<br />
dessen, was bei uns schon längst gemacht<br />
wird, unterfüttern. Wir müssen<br />
wissen, wo sind <strong>die</strong> Stärken und wo sind<br />
<strong>die</strong> Schwächen, und das kann nur so gehen,<br />
wie wir es im <strong>Wissenschaft</strong>srat bereits<br />
mit der Materialforschung oder mit<br />
der Energieforschung gemacht haben, wo<br />
ja meines Erachtens doch sehr verlässliche<br />
Informationen über den Stand der<br />
Dinge herausgekommen sind.<br />
Noch einmal: Die europäische Blickrichtung<br />
muss einbezogen werden. Ich gehe<br />
davon aus, dass der europäische Forschungsraum<br />
vorausschauende Schwerpunktsetzungen<br />
in dem eben genannten<br />
Sinne notwendig macht. Deutschland<br />
muss auf <strong>die</strong>ser Ebene handlungsfähig<br />
werden, muss sich an der Diskussion über<br />
künftige Forschungsrichtungen beteiligen<br />
und seine eigenen Kompetenzen einbringen,<br />
selbst wenn <strong>die</strong> <strong>Wissenschaft</strong> im Moment<br />
mehr dazu neigt, das Geld überwiegend<br />
„zu Hause“ abzuholen. Ich glaube,<br />
wir müssen auf <strong>die</strong>se Dinge reagieren, andere<br />
tun das sehr viel besser, und wir wären<br />
gut beraten, wenn wir uns strategisch<br />
darauf einstellen würden.<br />
Eine letzte Bemerkung: Ich würde keinen<br />
Gegensatz konstruieren zwischen der<br />
Rolle von bedeutenden Persönlichkeiten<br />
Schlussfolgerungen..<br />
86<br />
im Prozess der wissenschaftlich fun<strong>die</strong>rten<br />
Prioritätensetzung, ob sie nun Althoff,<br />
Schmidt-Ott, Leo Brand oder Maier-Leibnitz<br />
heißen, und den geregelten Strukturen<br />
der Forschungspolitik. Wir müssen<br />
jedoch <strong>für</strong> Verfahren sorgen, <strong>die</strong> sicherstellen,<br />
dass <strong>die</strong> Dinge auch dann im richtigen<br />
Rhythmus weitergehen, wenn große<br />
Persönlichkeiten fehlen, selbst unter den<br />
Bedingungen der modernen, interessengesteuerten<br />
Entscheidungsverfahren, wie<br />
sie im europäischen Bereich eine zunehmende<br />
Rolle spielen. Das heißt, wir sollten<br />
nicht das akzeptierte System der Peer Review<br />
als Steuerungselement der Forschung<br />
gegen <strong>die</strong> großen Persönlichkeiten<br />
ausspielen, auch wenn das Peer Review<br />
Verfahren mit Schwächen behaftet<br />
ist. Dies wäre eine gefährliche Alternative.<br />
Professor Dr. Winfried Schulze,<br />
Universität München, war bis<br />
Januar 2001 Vorsitzender des<br />
<strong>Wissenschaft</strong>srats in Köln.
Winfried Schulze<br />
Conclusions<br />
What do we intend to achieve<br />
with a critical review of our<br />
country’s research system? The<br />
exercise is not aimed at denigrating the system.<br />
Rather, we are performing it according<br />
to the old principle of the Roman Church: ecclesia<br />
est semper reformanda – nothing is so<br />
good that it cannot be further improved. In<br />
my experience, we can still learn a lot from<br />
industry in this respect. Industry has integrated<br />
auditing procedures on a continuous<br />
into its activities, which I believe represents<br />
a significant step forward.<br />
The reasons for our reflections range from<br />
the problem of allocating funds properly –<br />
and this applies both to tax money and to the<br />
funds provided by company owners and shareholders<br />
– to the new status or, as some would<br />
have it, the new mode of science, in<br />
which the old distinction between basic and<br />
applied research has been overcome. Not only<br />
do increased expectations regarding science<br />
imply accountability, but, to a greater degree<br />
than hitherto, they also demand that activities<br />
take the future into account. Even<br />
though planning euphoria is a thing of the<br />
past, this does not relieve us of the responsibility<br />
for the consequences of the decisions<br />
we take. We are well advised to do everything<br />
to ensure that they are prepared with<br />
an optimum of rationality.<br />
Paradigm shift concerning the terms used<br />
What was important for the meeting was a<br />
certain paradigm shift concerning the terms<br />
used. First, we spoke of foresight ventures<br />
that have proved to be communication processes,<br />
a characteristic that can be claimed<br />
Winfried Schulze..<br />
87<br />
in particular with a view to the English and<br />
the Swedish examples. All in all, this was a<br />
new impression that is further strengthened<br />
once European efforts are referred to. In addition<br />
to the German Federal Government’s<br />
“FUTUR” Project, there is a “Futures” project<br />
of the European Union in which similar<br />
considerations have been developed. Just like<br />
in the Swedish example, the question here<br />
was what scientific/technological developments<br />
are going to have particularly<br />
far-reaching societal Not establishing any<br />
consequences over the next priorities and thus<br />
ten to fifteen years. Once preventing peak perfor-<br />
again, the need for keeping mance in all areas simul-<br />
Europe in mind needs to be taneously would be the<br />
stressed.<br />
worst of any conceivable<br />
Second, there is the term of alternatives.<br />
prospecting, which I prefer to<br />
use because it implies an orientation on existing<br />
deposits, thereby ruling out any suspicion<br />
of research planning from a conceptual<br />
angle. This is an important perspective that<br />
has also always accompanied the recommendations<br />
of the Science Council concerning<br />
these issues.<br />
Third, there is the term of establishing<br />
priorities, which I regard as indispensable<br />
since we have to carefully consider in which<br />
areas we intend to invest our money, given<br />
the current financial constraints. Finally, at<br />
some point, we will have to answer for our<br />
decisions at what I would like to call a scientific<br />
audit office. Not establishing any priorities<br />
and thus preventing peak performance<br />
in all areas simultaneously would be the<br />
worst of any conceivable alternatives. This<br />
is something we must always be aware of.<br />
What is important in these considerations is
a differentiated approach. Developments in<br />
Germany, France and the United Kingdom<br />
have to be assessed differently<br />
Developments in from those in the countries<br />
Germany, France catching up in Europe.<br />
and the United Kingdom The European perspective<br />
have to be assessed diffe- requires that we focus our efrently<br />
from those in the forts even more consciously<br />
countries catching up in on Europe. It is certainly ap-<br />
Europe. parent that joint European<br />
concentration of resources has<br />
been successful. One good example of this in<br />
our own country is the area of airline industry.<br />
So we have to prepare ourselves for this<br />
new system.<br />
The increasingly close links between<br />
science, industry, politics and the societal environment<br />
were an important topic in our<br />
discussion. <strong>Foresight</strong> or prospecting methods<br />
can contribute to making the flow of information<br />
beyond the boundaries of these systems<br />
more transparent and efficient. In the<br />
field of industry, I think it is important that<br />
the forms of co-operation between science<br />
and industry be redefined. As yet, we do not<br />
have at our disposal appropriate and sufficiently<br />
convincing methods of representing<br />
economic requirements throughout the entire<br />
research process. This ought to be more intensively<br />
discussed at some stage. With a<br />
view to global competition, it is a topic that<br />
one can by no means afford to ignore.<br />
A network between science and politics<br />
Politics has an immense demand for advisory<br />
activities. And this demand is not merely<br />
restricted to consultation on technical details<br />
but above all encompasses consultation supporting<br />
politics in generating topics. We<br />
should not expect ministries to relieve us of<br />
this burden, no matter how well staffed they<br />
may be. We must find a method that will<br />
enable topics from science to flow into the level<br />
of political decision-making. A tightly<br />
woven network between science and politics<br />
Conclusions..<br />
88<br />
will also help achieve a greater acceptance<br />
of political decisions on the part of science<br />
and prevent unnecessary confrontations.<br />
And finally, there is society. As scientists,<br />
we are struggling for acceptance. So our discussion<br />
– foresight in the sense defined above<br />
– is of considerable importance since this<br />
is a way to achieve a better understanding<br />
in society of what science is actually doing<br />
and, on the other hand, to ensure that society<br />
will gain more trust in scientists being<br />
open to reflect on important societal problems<br />
and willing to provide their expertise<br />
to solve them. Thus society will also be more<br />
willing to make the necessary funds available<br />
to science.<br />
One of the consequences this implies is<br />
that we have to see to it that a sufficiently<br />
complex but nevertheless transparent debate<br />
on research priorities is maintained. We can<br />
run such a debate under the<br />
leadership of a commission in One of the conse-<br />
the sense of the recommendaquences this implies<br />
tions issued by the Science is that we have to see to it<br />
Council on prospecting in re- that a sufficiently comsearch.<br />
However, we must plex but nevertheless<br />
back up this debate with very transparent debate on re-<br />
thorough cross-section analysearch priorities is mainses<br />
of what has long been in tained.<br />
progress in Germany already.<br />
We have to know where our weaknesses and<br />
strengths are. And this can only be achieved<br />
in the way that it already has been in materials<br />
science or energy research, where highly<br />
reliable information on the status quo has<br />
been obtained.<br />
Once again, I would like to stress that the<br />
European perspective needs to be included.<br />
In my opinion, the European research region<br />
necessitates a forward-looking establishment<br />
of priorities in the above-mentioned sense.<br />
Germany has to become capable of acting at<br />
this level and has to participate in the debate<br />
on future research fields and provide its<br />
own expertise, even if scientists currently have<br />
the tendency to fetch most of their money
“at home”. We have to respond to these<br />
things. Others are much better at accomplishing<br />
this, and we would be well advised to<br />
strategically adjust ourselves to this aspect.<br />
A dangerous alternative<br />
I believe it is unwise to confront the roles of<br />
important personalities such as Althoff,<br />
Schmidt-Ott, Leo Brand or Maier-Leibnitz<br />
in the process of the scientifically based establishment<br />
of priorities with controlled<br />
structures in research policy. However, we<br />
have to see to it that procedures are in place<br />
which ensure that things will also carry on in<br />
the right rhythm in the absence of eminent<br />
personalities, even under the conditions of<br />
the modern, interest-guided decision-making<br />
procedures that are playing an increasingly<br />
important role in the European region. We<br />
should not pit the well-accepted system of<br />
peer review as an instrument of control in research<br />
against the eminent personalities, regardless<br />
of the weaknesses the peer review<br />
procedure may have. This would be a dangerous<br />
alternative.<br />
Winfried Schulze..<br />
89<br />
Prof. Dr. Winfried Schulze,<br />
University of Munich, has been<br />
chairman of the Science Council,<br />
Cologne, until January 2001.
Teilnehmer<br />
Aufderheide, Dr. Enno<br />
<strong>Wissenschaft</strong>srat Köln<br />
Benz, Dr. jur. Winfried<br />
Generalsekretär<br />
<strong>Wissenschaft</strong>srat Köln<br />
Büchting, Dr. Andreas J.<br />
Sprecher des Vorstands<br />
KWS Saat AG Einbeck<br />
Catenhusen,Wolf-Michael<br />
Parlamentarischer Staatssekretär<br />
bei der Bundesministerin<br />
<strong>für</strong> Bildung und Forschung, Berlin<br />
Dietz, Dr. Volkmar<br />
Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und<br />
Forschung, Berlin<br />
Einhäupl, Professor Dr. Karl Max<br />
Vorsitzender des <strong>Wissenschaft</strong>srates<br />
Humboldt-Universität zu Berlin<br />
Erker, Dr. Paul<br />
Ludwig-Maximilians-Universität,<br />
München<br />
Henkel, Dr. Robert<br />
Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Industrie e.V., Berlin<br />
Höfer, Dr. Heinrich<br />
Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Industrie e.V., Berlin<br />
Imbusch, Dr. Alexander<br />
Leiter der Hauptabteilung Forschung und<br />
Kommunikation Fraunhofer-Gesellschaft<br />
zur Förderung der angewandten Forschung<br />
e.V., München<br />
Anhang..<br />
90<br />
Keenan, Dr. Michael<br />
PREST, University of Manchester,<br />
Manchester<br />
Kirchhoff, Jochen<br />
<strong>Deutsche</strong>s Museum München<br />
Kreklau, Dr. Carsten<br />
Mitglied der Hauptgeschäftsführung<br />
Bundesverband der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Industrie e.V., Berlin<br />
Landfried, Professor Dr. Klaus<br />
Präsident der Hochschulrektorenkonferenz,<br />
Bonn<br />
Lange, Dr. Rainer<br />
<strong>Wissenschaft</strong>srat, Köln<br />
Löser, Dr. Dr. Reinhard<br />
Senior Manager Research Policy<br />
DaimlerChrysler AG, Stuttgart<br />
Lübeck, Dr. Lennart<br />
Kungl. Ingenjörsvetenskapsakademien<br />
(IVA), Stockholm<br />
Markl, Professor Dr. Hubert<br />
Präsident der Max-Planck-Gesellschaft zur<br />
Förderung der <strong>Wissenschaft</strong>en e.V.,<br />
München<br />
Mielenhausen, Professor Dr. Erhard<br />
Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz,<br />
Präsident Fachhochschule<br />
Osnabrück<br />
Oetker, Dr. Arend<br />
Präsident des<br />
<strong>Stifterverband</strong>es<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, Essen
Ostrop, Dominique<br />
<strong>Stifterverband</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, Essen<br />
Pobell, Professor Dr. Frank<br />
Präsident der<br />
<strong>Wissenschaft</strong>sgemeinschaft<br />
Gottfried Wilhelm Leibniz e.V., Bonn<br />
Quirin, Dr. Michael<br />
Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung<br />
und Forschung, Bonn<br />
Radlanski, Dr. Heide<br />
Programm-Managerin des <strong>Stifterverband</strong>es<br />
<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, Essen<br />
Rohe, Dr. Wolfgang<br />
<strong>Deutsche</strong> Forschungsgemeinschaft, Bonn<br />
Schipanski, Professor Dr. Dagmar<br />
Ministerin <strong>für</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, Forschung<br />
und Kunst Thüringen, Erfurt<br />
Schneider, Dr. Jörg<br />
Geschäftsführer der <strong>Wissenschaft</strong>sgemeinschaft<br />
Gottfried Wilhelm Leibniz e.V.,<br />
Bonn<br />
Schneider, Gabriele<br />
Dipl.-Übersetzerin, Simultan-Dolmetscherin<br />
<strong>für</strong> Herrn Keenan<br />
Schulze, Professor Dr. Winfried<br />
Universität München<br />
Steiner, Professor Dr. Michael<br />
<strong>Wissenschaft</strong>licher Geschäftsführer<br />
Hahn-Meitner-Institut, Berlin<br />
Anhang..<br />
91<br />
Strittmatter, Dr. Günther<br />
KWS Saat AG, Einbeck<br />
Trischler, Professor Dr. Helmuth<br />
Forschungsinstitut des <strong>Deutsche</strong>n<br />
Museums, München<br />
Uhlhorn, Dr. Christian D.<br />
Ministerialdirigent des Bundesministeriums<br />
<strong>für</strong> Bildung<br />
und Forschung, Berlin<br />
Vöhringer, Professor Klaus-Dieter<br />
Mitglied des Vorstands der<br />
DaimlerChrysler AG, Stuttgart<br />
Warnecke, Professor Dr. Hans-Jürgen<br />
Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft<br />
zur Förderung der angewandten<br />
Forschung e.V., München<br />
Winter, Dr. Ekkehard<br />
Mitglied der Geschäftsleitung<br />
<strong>Stifterverband</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Wissenschaft</strong>, Essen<br />
Zöllner, Professor Dr. Jürgen<br />
Staatsminister <strong>für</strong> Bildung,<br />
<strong>Wissenschaft</strong> und Weiterbildung<br />
Rheinland-Pfalz, Mainz
Anhang..<br />
Bilder aus der Forschung<br />
Wir danken der VolkswagenStiftung <strong>für</strong> <strong>die</strong> freundliche Unterstützung bei<br />
der Bebilderung. Die Abbildungen am Beginn der Vorträge stammen aus<br />
dem Band „Ansichten •Einsichten •Modelle“, den <strong>die</strong> VolkswagenStiftung im<br />
Jahre 1998 herausgegeben hat.<br />
Spektrogramm eines Laserstrahlschweißprozesses Titelbild<br />
(Prof.Dr.-Ing.M.Geiger, Lehrstuhl <strong>für</strong> Fertigungstechnologie,<br />
Universität Erlangen-Nürnberg)<br />
Musterbildung bei Oxidation Seite 18<br />
(Prof.Dr.G.Ertl, Dr.S.Nettesheim, PD Dr.H.H.Rotermund,<br />
Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin)<br />
Tiefer Blick ins Universum Seite 24<br />
(Aufnahme: K.Jäger; Universitäts-Sternwarte Göttingen)<br />
Gleitverhalten und Aggregation von Myxobakterien Seite 38<br />
(Dr.A.Stevens, Institut <strong>für</strong> Angewandte Mathematik,<br />
Universität Heidelberg)<br />
Chemische Spiralwelle Seite 48<br />
(Prof.Dr.S.Müller, Abt.Biophysik, Institut <strong>für</strong> Experimentelle Physik,<br />
Universität Magdeburg; Dr.T.Plesser, Abt.Biomathematik, Max-Planck-<br />
Institut <strong>für</strong> molekulare Physiologie, Dortmund; Prof.Dr.M.Orban, Institut<br />
<strong>für</strong> Anorganische und Analytische Chemie, Universität Budapest)<br />
Nichtlineare Dynamik komplexer Systeme Seite 62<br />
(PD Dr.M.Markus, Max-Planck-Institut <strong>für</strong> molekulare Physiologie,<br />
Dortmund und Prof.Dr.B.Hess, Max-Planck-Institut <strong>für</strong> medizinische<br />
Forschung, Heidelberg)<br />
Symbiose von Bakterien und Leguminosen Seite 68<br />
(Aufnahme: B.Boesten; Prof.Dr.U.Priefer, Institut <strong>für</strong> Botanik, Ökologie<br />
des Bodens, RWTH Aachen)<br />
Ortung neuronaler Aktivität Seite 74<br />
(Prof.Dr.T.Elbert, Dr.O.Steinsträter, C.Robert, M.A.,<br />
PD Dr.B.Lütkenhöner, Dr.C.Wienbruch; Fachgruppe Psychologie,<br />
Universität Konstanz)<br />
92