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<strong>LiTheS</strong> Nr. 9 (Dezember 2013)<br />

http://lithes.uni-graz.at/lithes/13_09.html<br />

(B) Der folkloristische Simson<br />

1. Simson als Wilder Mann<br />

Die folkloristische Figur „Wilder Mann“ lässt sich im Alten Orient in drei Kategorien<br />

einteilen: a) der behaarte Mann, b) der wilde Barbar und c) der Krieger, der sich<br />

im Kampf zeitweilig in den Zustand des „Wilden Mannes“ verwandelt. 78 Viele Kennzeichen<br />

des „Wilden Mannes“ finden sich auch <strong>bei</strong> der Simsonfigur. So lässt sich der<br />

ungebremste Haarwuchs Simsons mit der Ganzkörperbehaarung des „Wilden Mannes“<br />

in Verbindung bringen. Darüber hinaus lebt Simson wie die Figur des „Wilden<br />

Manns“ außerhalb der normalen gesellschaftlichen Ordnung nach eigenen Regeln. 79<br />

Simson sei darüber hinaus von Jahwe wie ein „Wilder Mann“ gesendet worden, um<br />

den Feind zu bekämpfen und zu besiegen. Außerdem verwendet Simson wie andere<br />

„Wilde Männer“ seine körperliche Stärke, um Probleme zu lösen, und verfällt schönen<br />

Frauen, die versuchen, ihn zu domestizieren. 80 Es verwundert daher nicht, dass<br />

man Simson gerne mit der Figur des Enkidu im Gilgamesch-Epos verglichen hat.<br />

Enkidu war nämlich am ganzen Körper behaart und lebte in der Wildnis der Steppe.<br />

Erst durch eine Prostituierte wird er mit Kultur vertraut gemacht. 81 Gegen solche<br />

Parallelen zum „Wilden Mann“ im Allgemeinen und zu Enkidu im Besonderen lässt<br />

sich aber geltend machen, dass Simson nicht notwendigerweise am ganzen Körper<br />

behaart gewesen ist. Die in Ri 16 erwähnten sieben Haarsträhnen, in denen die<br />

Kraft Simsons verborgen ist, genügen hierfür nicht, zumal die Intention der Haare<br />

<strong>bei</strong> Simson klar festgelegt ist. In den Haaren steckt die Kraft Simsons. Darüber hinaus<br />

wird Simson als redegewandt beschrieben, was der Figur „Wilder Mann“ gerade<br />

nicht entspricht. Denn Simson stellt den Philistern ein geistreiches Rätsel und prahlt<br />

mit seinen Taten. 82 Seine Kraftakte sind zudem nicht unmotiviert, sondern immer<br />

als Reaktion auf zuvor ergangene philistäische Aggression ausgewiesen. Simson ist<br />

somit kaum ein unkultivierter „Wilder Mann“, der gegen die zivilisierten Philister<br />

kämpft. Denn diese leben zwar in Städten, sind aber nicht wesentlich kultivierter<br />

und zivilisierter als Simson. Im Gegensatz zu traditionellen „Wilden Männern“ ist<br />

Simson auch kein Gigant, sondern ein (fast) ganz normaler Mensch. 83<br />

78 Vgl. Gregory Mobley: The Wild Man in the Bible and the Ancient Near East. In: Journal of<br />

Biblical Literature 116 (1997), S. 217–233, hier S. 220.<br />

79 Vgl. Lang, Sins, S. 180.<br />

80 Vgl. Mobley, Empty Men, S. 199–200.<br />

81 Zu den Eigenschaften Enkidus vgl. Mobley, Wild Man, S. 220–223; Galpaz-Feller, Samson,<br />

S. 147–148.<br />

82 Vgl. zu diesen Einwänden Mobley, Wild Man, S. 230, der noch darauf hinweist, dass Simson<br />

in Notsituationen zu Gott betet, wodurch er sich von anderen „Wilden Männern“ nachhaltig<br />

unterscheide. Allerdings geht diese Kennzeichnung auf redaktionelle Ar<strong>bei</strong>t zurück.<br />

Zu Simson als „Wilden Mann“ vgl. Terry, Jawbone, S. 51.<br />

83 Vgl. Younger, Judges, S. 316–317.<br />

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