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Erasmus Gaß - bei LiTheS

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<strong>LiTheS</strong> Nr. 9 (Dezember 2013)<br />

http://lithes.uni-graz.at/lithes/13_09.html<br />

Robin Hood gegen die Interessen der Oberschicht. Sozialbanditen treten vor allem<br />

in gesellschaftlichen Umbruchphasen auf. Sozialbanditen morden entweder aus Rache<br />

oder zur Selbstverteidigung. Ursprünglich war der Sozialbandit ein Bauer, der<br />

aber aus seinem normalen Umfeld ausbricht und sich in die Wildnis zurückzieht,<br />

um gegen die unterdrückende Oberschicht zu kämpfen, entweder allein – wie Simson<br />

– oder zusammen mit anderen Haudegen. 104 Darüber hinaus gehört der Sozialbandit<br />

zur Klasse der gesellschaftlich Marginalisierten. Von Haus aus ein Rebell,<br />

ist er irgendwann das Opfer von Ungerechtigkeit geworden. Insofern kämpft er gegen<br />

soziale Ungerechtigkeiten. Da ein Sozialbandit gemeinhin als unverletzlich gilt,<br />

kann er nur durch Betrug zu Fall gebracht werden. 105 Von der Oberschicht ist ein<br />

Sozialbandit als Krimineller verschrien, während er <strong>bei</strong>m gemeinen Volk als Held<br />

und Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit gilt. 106 Sozialbanditen verwenden für<br />

ihre Zwecke die Taktik der Täuschung. 107 Auf Simson treffen viele Charakterzüge<br />

des Sozialbanditen zu. Seine Kraftakte werden als Rache für erlittenes Unrecht legitimiert.<br />

Simson ist somit der „Rächer“ schlechthin, eine besondere Form des Sozialbanditen.<br />

108 Hinzu kommt, dass Simson auf betrügerische Weise verraten wird<br />

und zu Fall kommt, was ebenfalls für Sozialbanditen typisch ist. Allerdings ist in<br />

den Simsonerzählungen eigentlich keine Sozialkritik zu spüren. Simson agiert auch<br />

nicht als Anwalt der gesellschaftlich Marginalisierten und wird selbst von seinem<br />

eigenen Volk nicht geschätzt.<br />

Die profanen Simsonerzählungen in Ri 13–16 schildern somit eine sehr komplexe<br />

Figur, die sich – wie schon die theologische Simsonfigur – nicht auf nur eine spezifische<br />

Ausprägung begrenzen lässt. Vermutlich ist der untheologische Simson nicht<br />

eine mythische, sondern wohl eher eine folkloristische Figur, 109 die aber so eigenständig<br />

gezeichnet ist, dass sie den einzelnen Interpretationen nur bedingt entsprechen<br />

kann.<br />

Da die Simsonfigur über vielfältige Facetten verfügt – theologisch wie untheologisch<br />

–, konnte sie in der Rezeptionsgeschichte unterschiedlich profiliert werden.<br />

Gerade die Ambivalenz Simsons, die märchenhafte Darstellung der Ereignisse bis<br />

hin zum bitteren Ende sowie die existentiale Deutung Simsons als Paradigma für<br />

Israel und die Menschheit schlechthin, die wie Simson den Gegensatz von Charisma<br />

und Chaos aushält, boten genügend Anknüpfungspunkte für eine mehr oder minder<br />

textgemäße Rezeption der Simsonfigur bis in die Gegenwart.<br />

104 Vgl. Lang, Sins, S. 181.<br />

105 Vgl. hierzu auch die Definition <strong>bei</strong> Niditch, Samson, S. 623.<br />

106 Vgl. ebenda, S. 622.<br />

107 Vgl. zu einer Charakterisierung des Sozialbanditen Eric J. Hobsbawm: Die Banditen. Räuber<br />

als Sozialrebellen. München: Hanser 2007, S. 31–45; Niditch, Judges, S. 3–4.<br />

108 Vgl. Hobsbawm, Banditen, S. 77–90; Niditch, Judges, S. 143–144. Hobsbawm, Banditen,<br />

S. 35, unterscheidet zudem drei Formen des Sozialbanditen: edler Räuber, Heiducke und<br />

Rächer.<br />

109 Vgl. Groß, Richter, S. 739.<br />

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