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74 Augsbürger<br />

Augsbürger<br />

*Der „Schtoinerne Ma“<br />

An dieser Stelle finden sich für gewöhnlich Porträts stadtbekannter<br />

Personen, deren Namen und Lebensgeschichten<br />

jedoch nur wenigen geläufig sind. Der »Stoinerne Ma« bildet<br />

eine Ausnahme: Jener Mythos, der sich um die grobe<br />

Steinfigur mit dem zerfurchten Mondgesicht, der Bäckermütze<br />

und dem symbolischen Laib Brot unterm Arm rankt,<br />

ist landläufig bekannt. Dennoch bleibt er rätselhaft.<br />

In einer Stadtmauernische nahe der »Schwedenstiege«<br />

trotzt der »Stoinerne Ma« seit Jahrzehnten Wind, Wetter<br />

und Vandalen. Abseits der Touristenrouten dient er bereits<br />

Generationen von Augsburgern der Selbstvergewisserung<br />

ihrer eigenen Stärke und List. Der Grund: Während der Belagerung<br />

der Stadt im Dreißigjährigen Krieg soll der Bäcker<br />

Konrad Hacker die feindlichen Truppen auf bauernschlaue<br />

Art und Weise verhöhnt, demoralisiert und schließlich zum<br />

Rückzug bewogen haben. Auf der Stadtmauer stehend soll<br />

er ihnen aus Kleieresten gebackene Brotlaibe entgegengeschleudert<br />

haben, um die eingekesselte Bevölkerung ungeachtet<br />

größter Hungersnot wohlversorgt und wehrhaft<br />

erscheinen zu lassen. Er hatte Erfolg, doch der Beschuss<br />

durch die gegnerischen Soldaten kostete ihn dem Volksmund<br />

nach nicht nur einen Arm, sondern auch sein Leben.<br />

Die an ihn und die Ereignisse erinnernde Kalksteinfigur<br />

thront heute auf einem massiven Marmorsockel. Die historische<br />

Faktenlage hingegen steht auf tönernen Füßen. Aufschluss<br />

darüber gibt ein 1941 publiziertes Essay von Eduard<br />

Lampart, demzufolge Anfang des 17. Jahrhunderts tatsächlich<br />

ein Mann namens Konrad Hacker in Augsburg geführt<br />

wurde. Dessen Ableben fand jedoch erstmals urkundliche<br />

Erwähnung als die todbringende Heldentat längst Geschichte<br />

war. Eine weitere Ungereimtheit schürt die Zweifel am<br />

Wahrheitsgehalt der Überlieferung: Damals wurde Augsburg<br />

von einem zweiten Befestigungsring jenseits der Stadtmauer<br />

umgeben. Somit hätte die heroische Aktion außerhalb<br />

der Sicht- und damit auch Schussweite der kaiserlichen Soldaten<br />

stattgefunden. Lamperts Fazit liest sich beinahe entschuldigend:<br />

»Wie bei fast allen Sagen muss die nüchterne<br />

Forschung einer liebgewonnenen Gestalt den Nimbus nehmen.«<br />

Der Mythos wird die Zeit wohl dennoch überdauern,<br />

so wie es der »Stoinernen Ma« selbst erfolgreich tut.<br />

(Text und Foto: Fabian Schreyer)

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