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René Morper: Heinz Klippert: Methodentraining

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Erziehungswissenschaftliches Seminar der Universität Heidelberg<br />

Proseminar<br />

„Didaktik“<br />

Dozent:<br />

Dr. Hans-Peter Gerstner<br />

Hausarbeit zur Gruppenarbeit über<br />

„<strong>Heinz</strong> <strong>Klippert</strong>: Methoden-Training“<br />

vorgelegt von<br />

René <strong>Morper</strong><br />

A.o. Königsbuckel 2<br />

69483 Wald-Michelbach<br />

rmorper@ix.urz.uni-heidelberg.de<br />

Tag der Fertigstellung der Arbeit:<br />

19. April 2003


Inhalt:<br />

1. Einleitung<br />

2. Einführung in <strong>Klippert</strong>s Methoden-Training<br />

3. Präsentation<br />

3.1. Vorstellung der Präsentation<br />

3.2. Beurteilung der Präsentation<br />

4. Ergebnisse der Gruppenarbeit/Fazit<br />

2


1. Einleitung<br />

Im Rahmen des Proseminars „Didaktik“ sollten in einer Gruppenarbeit diverse<br />

didaktische Konzeptionen analysiert, vorgestellt und im Plenum diskutiert und<br />

beurteilt werden. Thema unserer Gruppe war das Methoden-Training von <strong>Heinz</strong><br />

<strong>Klippert</strong>.<br />

Mitglieder der Gruppe waren: Lilian Benisch, Heike Bley, Verena Ernst, Christiane<br />

Hamen, Miriam Karp, René <strong>Morper</strong>, Elka Ormanidhi, Michael Schmid, Andrea<br />

Schmitt und Mechthild Zwingmann.<br />

In dieser Hausarbeit sollen nun der Verlauf der Gruppenarbeit und der der<br />

Präsentation geschildert sowie die wesentlichen Ergebnisse vorgestellt und<br />

festgehalten werden.<br />

Um ein fließendes Lesen zu ermöglichen, wird darauf verzichtet, auch die weiblichen<br />

Formen von Substantiven anzugeben. Selbstverständlich sind neben<br />

Seminarteilnehmern, Schülern und Lehrern stets auch Seminarteilnehmerinnen,<br />

Schülerinnen, Lehrerinnen etc. gemeint.<br />

Unter Punkt 4. wird ebenfalls zugunsten besserer Lesbarkeit nicht der genaue<br />

Argumentationsablauf der Diskussion im „Aquarium“ (s.u.) wiedergegeben. Vielmehr<br />

werden die vorgebrachten Argumente in eine fortlaufende Erörterung gefasst<br />

werden. Auf die Beurteilungen der ausgeteilten Arbeitsblätter durch die<br />

Kursteilnehmer (s.u.) soll in diesem Rahmen Bezug genommen werden. Ebenso<br />

sollen solche Argumente hervorgehoben werden, die von Kursteilnehmern<br />

vorgebracht wurden, die nicht der Arbeitsgruppe angehörten und ebenso solche, die<br />

durch eigene Erfahrungen der an der Diskussion beteiligten Personen gestützt<br />

wurden.<br />

Grundlage für die Gruppenarbeit waren ein Auszug aus der 11. Auflage von <strong>Klippert</strong>s<br />

Buch Methoden-Training aus dem Jahr 2000 (vgl. <strong>Klippert</strong> 2000: 18-36) sowie ein<br />

kritischer Text zur <strong>Klippert</strong>schen Konzeption von Helmut Stövesand in der Zeitschrift<br />

„Pädagogische Korrespondenz“.<br />

3


2. Einführung in <strong>Klippert</strong>s Methoden-Training<br />

<strong>Klippert</strong> sieht in der Vermittlung von Schlüsselqualifikationen die Hauptaufgabe der<br />

Schule. Zu diesen Schlüsselqualifikationen zählt er Fähigkeiten wie Selbständigkeit,<br />

Selbsttätigkeit, Methodenbeherrschung, d.h. die Beherrschung von Lern- und<br />

Arbeitstechniken, Organisationsfähigkeit, Fähigkeit zur Kommunikation,<br />

Argumentation und Zusammenarbeit sowie den Aufbau von<br />

Persönlichkeitsmomenten. Auch die Fachkompetenz fasst er unter diesen Begriff<br />

(vgl. <strong>Klippert</strong> 2000: 35).<br />

Mit seiner Forderung nach Förderung von Selbständigkeit und Selbsttätigkeit, so<br />

<strong>Klippert</strong>, stimme er mit den Bildungsverantwortlichen sowie Eltern und Schülern<br />

durchaus überein, jedoch seien bislang nicht die ihm zufolge notwendigen<br />

Maßnahmen erkannt und in die Wege geleitet worden. <strong>Klippert</strong> fordert eine<br />

Methodenzentrierung des Unterrichts, denn die genannten Eigenschaften, seien an<br />

den Erwerb von Lern- und Arbeitstechniken gekoppelt. Er stützt sich in dieser<br />

Forderung auf Reformpädagogen wie Hugo Gaudig (vgl. <strong>Klippert</strong> 2000: 18).<br />

<strong>Klippert</strong> zeichnet von der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Buches<br />

aktuellen allgemeinen Schulsituation, die sich bis heute kaum geändert haben dürfte,<br />

ein sehr negatives Bild. Er gründet dieses auf eigene Hospitationserfahrungen sowie<br />

empirische Studien. Nach wie vor sei verbal-abstrakte Belehrung die gängigste<br />

Unterrichtsmethode. Diese spreche jedoch nur einige wenige Schüler an, nämlich<br />

den ebenfalls verbal-abstrakten Lerntyp. Mit dem Begriff „Belehrung“ eng verbunden<br />

ist der lehrerzentrierte Unterricht, der somit Gegenstand der <strong>Klippert</strong>schen Kritik wird.<br />

Des Weiteren komme der Methodenerwerb zugunsten enzyklopädischer<br />

Kenntnisvermittlung zu kurz. Letztere sei jedoch nicht sinnvoll. Informationen, also<br />

Fakten, veralteten schnell. In Anbetracht der ständig zunehmenden Informationsflut<br />

komme dem Erlernen von Methoden eine höhere Bedeutung zu. Diese würden dann<br />

automatisch zu einem hohen Wissensstand führen, weil sie den Lernprozess<br />

effektiver machten (vgl. <strong>Klippert</strong> 2000: 30).<br />

Der Erwerb aller Schlüsselkompetenzen, insbesondere der Methodenkompetenz, soll<br />

in Form sog. Trainingsspiralen erfolgen. Schüler sollen mehrere<br />

4


zusammengehörende Arbeitsblätter, die von <strong>Klippert</strong> entworfen wurden und Lehrern<br />

zur Verfügung stehen, bearbeiten und auf diese Weise die gewünschten Fähigkeiten<br />

erlangen. Eine mögliche Form der Durchführung sind sog. Trainingswochen.<br />

<strong>Klippert</strong>s Methoden-Training ist dabei nicht an sachliche Inhalte gekoppelt. Dafür<br />

sieht <strong>Klippert</strong> keine Notwendigkeit. Die Trainingsspiralen stellen ein „Curriculum<br />

eigener Art“ dar (vgl. Stövesand 2000: 82). Des Weiteren sollen sie für alle<br />

Altersstufen und Schulformen einsetzbar sein.<br />

Nicht nur von der allgemeinen Unterrichtssituation zeichnet <strong>Klippert</strong> ein negatives<br />

Bild, auch die Schüler hält er durchweg für hedonistisch, verwöhnt und<br />

verhaltensgestört (<strong>Klippert</strong> 2000: 33). Sein Methoden-Training ist dementsprechend<br />

ausgerichtet.<br />

Im Laufe der Zeit, so <strong>Klippert</strong>, würden sich aus diesen Schülern durch das Methoden-<br />

Training Persönlichkeiten entwickeln, die alle genannten Schlüsselqualifikationen<br />

besäßen und die immun seien gegen jegliche Manipulation (vgl. <strong>Klippert</strong> 2000: 27).<br />

3. Präsentation<br />

3.1. Vorstellung der Präsentation<br />

Bei der Präsentation des Themas der Gruppenarbeit wurde folgendermaßen<br />

vorgegangen:<br />

Zunächst sollte die aktuelle allgemeine Schulsituation, von welcher <strong>Klippert</strong> ausgeht,<br />

den übrigen Seminarteilnehmern näher gebracht werden, so dass <strong>Klippert</strong>s<br />

Ausgangspunkt klar würde. Realisiert wurde dies durch „Stimmen aus dem Off“. Die<br />

Auswahl der Äußerungen war von zwei Mitgliedern der Gruppe, Andrea Schmitt und<br />

Mechthild Zwingmann, getroffen worden. Es handelte sich um Zitate und<br />

Schlagzeilen. Verschiedene Mitglieder der Gruppe schlüpften in die Rolle von<br />

Personen, die sich in kritischer Weise zum Thema äußern. Einige der Äußerungen<br />

gingen aber bereits über das bloße Kritisieren hinaus. Sie deuteten vielmehr schon<br />

an, wo <strong>Klippert</strong> die Ursachen der von ihm als negativ beurteilten Situation sieht und<br />

wo sein Konzept ansetzt, so etwa die Äußerung 2, 5 und 8 (siehe Anhang). Die<br />

Seminarteilnehmer sollten so langsam auf einen später folgenden Vortrag, in dem<br />

<strong>Klippert</strong>s Methoden-Training neutral, also ohne Wertung, vorgestellt werden sollte,<br />

vorbereitet werden.<br />

5


Die genannten Ziele hätten eventuell auch mit einer anderen Methode als den<br />

„Stimmen aus dem Off“ erreicht werden können. Gewählt wurde aber gerade dieser<br />

Einstieg, weil er für die unvorbereiteten Empfänger einer Präsentation mit einem<br />

Überraschungseffekt verbunden ist. Die Gruppe versprach sich davon das Erreichen<br />

der größtmöglichen Aufmerksamkeit der Seminarteilnehmer.<br />

Die eingesetzten Äußerungen liegen dieser Hausarbeit als Anhang bei.<br />

Auf den eben beschriebenen Einstieg folgend wurde allen Anwesenden jeweils eines<br />

von zwei Arbeitsblättern zur Bearbeitung ausgeteilt. Bei diesen handelte es sich um<br />

von <strong>Klippert</strong> entworfene Kopiervorlagen. Dass beide Arbeitsblätter Themen aus dem<br />

Bereich Biologie behandelten, war eher ein Zufallsprodukt als beabsichtigtes<br />

Auswahlkriterium. Tatsächliches Kriterium war es gewesen, als wie sinnvoll die<br />

betreffenden Übungen von den mit der Auswahl betrauten Gruppenmitgliedern, Lilian<br />

Benisch und Heike Bley, eingestuft wurden. Es sollten ein Arbeitsblatt mit einer aus<br />

Sicht der Auswählenden sinnlosen und eines mit einer zumindest ohne größere<br />

Einschränkungen sinnvollen Übungen gewählt werden. Auf den Sinn dieses<br />

Vorgehens werde ich noch zu sprechen kommen.<br />

Im Plenum hatten die nun zu Mitwirkenden gewordenen Seminarteilnehmer<br />

Gelegenheit, sich zu den von ihnen bearbeiteten Übungsblättern zu äußern. Die<br />

Anmerkungen waren verschieden, insgesamt aber eher negativ und werden im<br />

letzten Teil dieser Hausarbeit teilweise noch aufgegriffen.<br />

Es folgte ein Expertenvortrag, in dem <strong>Klippert</strong>s Methoden-Training mit den<br />

wesentlichen Details vorgestellt wurde. Die beiden Referentinnen, Christiane Hamen<br />

und Miriam Karp, teilten sich den Vortrag, der, wie oben erwähnt, nur Fakten<br />

beinhalten sollte.<br />

Das bisherige Vorgehen war von der Gruppe aus folgenden Gründen gewählt<br />

worden: Die Kursteilnehmer sollten möglichst neutral an <strong>Klippert</strong>s Methoden-Training<br />

herangeführt werden, um ihnen zu ermöglichen, vor einer noch geplanten Diskussion<br />

im “Fishbowl“ bereits eigene Eindrücke zu gewinnen. Insbesondere die eigene<br />

Erfahrung mit dem Bearbeiten des jeweiligen Übungsblattes und der anschließende<br />

Gedankenaustausch sollten hierbei hilfreich sein. Aktives Handeln wird von<br />

6


verschiedenen Didaktikern als Mittel zum besonders produktiven Lernen angesehen,<br />

so etwa von Wagenschein (vgl. Wagenschein 1966: 60). Diese Annahme stellt die<br />

Grundlage für das didaktische Modell des Handlungsorientierten Unterrichts dar und<br />

spielt auch bei <strong>Klippert</strong>, wie oben erwähnt, eine zentrale Rolle. Mit der gewählten<br />

Vorgehensweise wollte die Gruppe somit <strong>Klippert</strong>s Forderung selbst Rechnung<br />

tragen und den anderen auf diese Weise einen erweiterten Einblick in sein Konzept<br />

ermöglichen.<br />

Die Diskussion in der “Fishbowl“ – diese folgte dem Expertenvortrag – lief<br />

folgendermaßen ab: Vier Experten nahmen im Inneren der allgemeinen Tischrunde<br />

Platz und bildeten so eine sog. “Fishbowl“ (Aquarium). Sie begannen eine<br />

Expertendiskussion zum Thema <strong>Klippert</strong>, wobei zwei der Beteiligten, Verena Ernst<br />

und Michael Schmid, pro, zwei weitere, Elka Ormanidhi und René <strong>Morper</strong>, contra<br />

<strong>Klippert</strong> argumentierten. Nach einer kurzen Anlaufphase durften sich Personen aus<br />

dem Außenkreis, also Nichtmitglieder der Gruppe, an der Konversation beteiligen. Zu<br />

diesem Zweck stand ein sog. „Heißer Stuhl“ bereit, auf dem derjenige Platz nehmen<br />

musste, der sich beteiligen wollte. Auf diese Weise sollte die allgemeine<br />

Konzentration auf die Innenrunde fokussiert werden.<br />

Nach Auflösen des Aquariums bestand noch kurz die Möglichkeit zu Ergänzungen im<br />

Plenum.<br />

Das gesamte Vorgehen wurde von Mitgliedern der Gruppe moderierend begleitet.<br />

3.2. Beurteilung der Präsentation<br />

Die Präsentation konnte weitgehend durchgeführt werden wie geplant; die<br />

formulierten Ziele wurden im Allgemeinen erreicht. So sorgten etwa die Einleitenden<br />

„Stimmen aus dem Off“ spürbar für die gewünschte Aufmerksamkeit und weckten<br />

das Interesse vieler Anwesender.<br />

Von einem Seminarteilnehmer wurde die eingesetzte Variante des Aquariums gelobt.<br />

Der Einsatz von Experten, die die Diskussion starten, sei sinnvoll, weil dadurch alle<br />

Außenstehenden zunächst ein fundiertes Grundwissen erhielten, bevor sie sich<br />

selbst am Gespräch beteiligten. In einer der vorausgegangenen Präsentationen war<br />

eine Variante des Aquariums gewählt worden, in der Nichtmitglieder der<br />

7


präsentierenden Gruppe spontan zu verschiedenen Fragen Stellung beziehen<br />

sollten.<br />

Erfreulich war, dass der „Heiße Stuhl“ nicht lange leer blieb. Die Beiträge der hier<br />

Platznehmenden waren durchweg produktiv. Dass insgesamt nur drei Personen die<br />

Möglichkeit, sich ins Gespräch einzuschalten, nutzten, lag eher daran, dass<br />

weitgehend Einigkeit über die Beurteilung des <strong>Klippert</strong>schen Methoden-Trainings<br />

herrschte als an Desinteresse, wie die anschließende kurze Ergänzungsrunde im<br />

Plenum zeigte, bzw. daran, dass keine neuen Aspekte hinzuzufügen waren.<br />

Dass ein Teilnehmer spontan einen zweiten heißen Stuhl in die Runde einbrachte,<br />

um direkt auf den Beitrag des Inhabers des ersten eingehen zu können, hätte bei<br />

strenger Betrachtung im Interesse der Einhaltung der Regeln von der Gruppe<br />

unterbunden werden müssen. Aber auch in dieser Situation verlief die Diskussion<br />

besser als von der Gruppe erwartet. Grundsätzlich ist es ja sogar wünschenswert,<br />

dass sich ein Unterrichtsgespräch, um die Situation einmal auf die Schule zu<br />

projizieren, zwischen den Schülern selbständig weiterentwickelt, ohne dass ein<br />

Eingreifen des Lehrers nötig wird.<br />

4. Ergebnisse der Gruppenarbeit/Fazit<br />

In der Diskussion, die in der oben beschriebenen Form geführt wurde, herrschte<br />

schon zu Anfang allgemein Einigkeit darüber, dass ein Trainieren von Methoden in<br />

den Schulen sinnvoll erscheint. Ob gerade <strong>Klippert</strong>s Konzept dazu geeignet ist,<br />

würde im weiteren Verlauf der Diskussion zu klären sein.<br />

Tatsächlich fehlen häufig selbst noch Studenten Schlüsselqualifikationen. So gibt es<br />

beispielsweise Personen, die Schwierigkeiten haben, einen sinnvollen Mitschrieb in<br />

Vorlesungen zu führen, andere wiederum haben Probleme damit, im Plenum<br />

aufzutreten und zu referieren.<br />

Fernerhin wussten einige Teilnehmer aus ihrer eigenen Schulzeit von Lehrern zu<br />

berichten, die tatsächlich über die Köpfe der Schüler hinweg unterrichteten, so dass<br />

der betreffende Unterricht wenig produktiv war.<br />

Betrachtet man diese Überlegungen, so scheinen sich <strong>Klippert</strong>s oben geschilderte<br />

Darlegungen zu bestätigen. Um diesen Eindruck zu überprüfen und zu einem<br />

8


fundierten Urteil zu gelangen, sollen im Folgenden Argumente für und wider <strong>Klippert</strong>s<br />

Methoden-Training gegeneinander abgewogen werden:<br />

Unter dem allgemeinen zeitlichen Druck, der an Schulen herrscht, wäre ein<br />

Methoden-Training a là <strong>Klippert</strong> u.U. eine zusätzliche Belastung für Lehrer und<br />

Schüler. Gleich in welcher Form es durchgeführt würde, es bräuchte viel Zeit. Allein<br />

der Begriff „methodenzentriert“, den <strong>Klippert</strong> nach Erfahrung einiger Mitglieder<br />

unserer Gruppe in Interviews immer wieder gebraucht, um seine Forderungen zu<br />

beschreiben, impliziert den Umfang des zeitlichen Aufwands. In der Konsequenz<br />

müsste der fachliche Lernstoff reduziert oder unter noch größerem Zeitdruck<br />

vermittelt werden. Zwar gibt es wohl tatsächlich immer wieder Beispiele für wenig<br />

sinnvolle Unterrichtsthemen, die ohne Weiteres entfallen könnten, letzten Endes wird<br />

aber insbesondere im Gymnasium stets ein hoher Wissensschatz vermittelt werden<br />

müssen. Lernen unter gesteigertem Zeitdruck wird von Didaktikern wie Wagenschein<br />

als wenig sinnvoll weil ineffektiv beurteilt (vgl. Wagenschein 1966: 63).<br />

Wissenserwerb benötigt Zeit. Diskussionsteilnehmer in unserer Runde wussten von<br />

eigenen Erfahrungen mit dem Latinum an der Universität zu berichten. Hierbei wird in<br />

nur einem Semester die komplette Grammatik dieser Sprache erlernt, ebenso ein<br />

umfassender Vokabelschatz. Schon wenige Monate nach Ablegen der Prüfung aber<br />

stellten die Betreffenden fest, dass der Verlust des in so kurzer Zeit erworbenen<br />

Wissens erheblich ist.<br />

Nun kann man als <strong>Klippert</strong>befürworter diese Kritikpunkte zunächst folgendermaßen<br />

entkräften: Der zeitliche Aufwand für einen methodenzentrierten Unterricht ist effektiv<br />

sogar geringer als der für einen konventionellen. Dadurch dass die Schüler, was<br />

Lernmethoden betrifft, kompetent werden, lernen sie fortan schneller und effektiver.<br />

Der Erwerb von Fachwissen läuft ohnehin automatisch innerhalb des<br />

<strong>Methodentraining</strong>s, weil die Übungsblätter durchaus sachliche Informationen<br />

enthalten. Ferner zahlt sich wohl jeder zeitliche Aufwand aus, wenn er dazu dient,<br />

Schüler zu mündigen Bürgern zu machen, die über so wichtige Eigenschaften wie<br />

Selbstbewusstsein und soziale Kompetenz verfügen und die immun sind gegen<br />

jegliche Manipulation. Besitzen die Schüler die genannten Fähigkeiten, so zahlt sich<br />

für den Lehrer die durch das <strong>Methodentraining</strong> anfänglich verursachte Mehrarbeit<br />

aus, da seine Schüler nun motivierter und folglich umgänglicher sind. Die anfängliche<br />

Mehrarbeit ist außerdem nicht nur belastend: Laut <strong>Klippert</strong> stellt die Auswahl der<br />

9


Arbeitsblätter für eine Trainingsspirale eine kreative Tätigkeit für den Lehrer da, bei<br />

der er darüber hinaus neue pädagogische Möglichkeiten entdeckt, seinen eigenen<br />

Beruf innerlich aufwertet und seine Aufgabe neu, bedeutungstragender interpretiert<br />

(vgl. <strong>Klippert</strong> 2000: 33). Die damit verbundene steigende Zufriedenheit führt zu einem<br />

positiven Arbeitsklima in der Lehrerschaft, begünstigt durch einen gegenseitigen<br />

Austausch unter den Lehrern über ihre Erfahrungen mit den Vorbereitungen und dem<br />

<strong>Methodentraining</strong> selbst.<br />

Diesen Argumenten ist schwer etwas entgegenzusetzen, wenn <strong>Klippert</strong>s Methoden-<br />

Training wirklich die genannten Ziele erreichen lässt. Es gilt also, zu überprüfen, ob<br />

dies tatsächlich der Fall ist.<br />

Betrachtet werden soll zunächst der Aspekt Fachwissen. Dazu kann eines der<br />

Arbeitsblätter herangezogen werden, welche den Seminarteilnehmern ausgeteilt<br />

wurden und zwar jenes, auf dem im Schnellverfahren Begriffe in Texten über den<br />

Steinadler, den Seehund und die Kreuzotter markiert werden sollen. Von den<br />

Seminarteilnehmern wurde allgemein geäußert, dass sie in der Übung keinerlei Sinn<br />

sahen. Das bloße Auffinden von Worten in einem Text ist eine primitive Übung. Sie<br />

soll dazu dienen, das von <strong>Klippert</strong> propagierte „Diagonale Lesen“ zu trainieren. Der<br />

Wissenserwerb bei einer solchen Übung ist aber, so der allgemeine Tenor, gering<br />

oder gar kaum vorhanden. Wer die Begriffe Brutzeit, Beutetiere, Eier, Futter,<br />

Hochgebierge und Flieger gefunden hat, weiß tatsächlich noch nichts über das Tier,<br />

von welchem der entsprechende Text handelt, nämlich dem Steinadler. Um<br />

tatsächlich Wissen zu erwerben, müsste zumindest der vorliegende, von<br />

anwesenden Biologen als ohnehin wenig informativ beurteilte Text, genau gelesen<br />

werden, eine Vorgehensweise, die <strong>Klippert</strong> ablehnt (vgl. <strong>Klippert</strong> 1994: 86).<br />

Nun kann argumentiert werden, es sei nicht das Ziel der genannten Übung gewesen,<br />

Fachwissen zu vermitteln. Dieses Argument stellt jedoch die oben genannte These in<br />

Frage, Fachwissen ergebe sich aus dem <strong>Methodentraining</strong> quasi als Automatismus.<br />

Das zweite Arbeitsblatt, auf welchem verschiedene Tiere nach einem gewissen<br />

Schema den entsprechenden Tiergruppen zugeordnet werden sollten, war<br />

ausgewählt worden, weil es sinnvoll zu sein schien; einige der anwesenden Biologen<br />

waren aber auch mit diesem Blatt nicht uneingeschränkt einverstanden.<br />

10


Dennoch könnte man nun argumentieren, die Auswahl der Arbeitsblätter sei von der<br />

Gruppe unglücklich getroffen worden und sie seien nicht repräsentativ. Zieht man<br />

Helmut Stövesands Abhandlung über <strong>Klippert</strong> zu Rate, gewinnt man jedoch den<br />

Eindruck, sie seien es durchaus. Stövesand nennt weitere Übungsblätter, die<br />

ebenfalls keinerlei Fachwissen vermitteln (vgl. Stövesand 2000: 86 und 88). Auf<br />

beide werde ich noch zu sprechen kommen.<br />

Bleibt zu klären, ob <strong>Klippert</strong>s Übungen, wenn sie auch kein oder kaum Fachwissen<br />

transportieren, ihr von <strong>Klippert</strong> selbst angestrebtes Ziel, den Erwerb von<br />

Schlüsselqualifikationen anderer Art, erreichen.<br />

Bei dem oben genannten Übungsblatt mit Texten über Steinadler, Seehund und<br />

Kreuzotter sollte, wie gesagt, „Diagonales Lesen“ geübt werden. Ebenso ist eine der<br />

Übungen gedacht, die bei Stövesand kritisiert wird: In ein paar wenigen<br />

Textabschnitten über verschiedene Wissenschaftler sollen Schüler die Namen dieser<br />

Wissenschaftler finden (vgl. Stövesand 2000: 86). Problematisch ist bei solchen<br />

Übungen nun, dass <strong>Klippert</strong> sein Methoden-Training als Curriculum eigener Art<br />

präsentiert. Seine Texte sind künstliche Konstrukte ohne essentiellen Inhalt. Die<br />

Kritik der Biologen wurde bereits erwähnt. Nun wird kein Schüler Probleme damit<br />

haben, in einem kurzen Text einen Namen wie Kopernikus zu finden oder einen<br />

Begriff wie Hochgebirge. Die Frage ist aber, ob die Methode des Diagonalen Lesens<br />

tatsächlich erlernt wurde. Dies ist wohl kaum der Fall. Um im Schnelldurchgang<br />

wichtige Informationen aus einem Text filtern zu können, muss der Schüler zunächst<br />

einmal verstanden haben, was eine wichtige Information ist und unter welchen<br />

Kriterien er nach einer solchen suchen muss. Dies aber wird in den besprochenen<br />

Übungen nicht vermittelt. Tatsächlich sind wichtige Informationen als Folge des<br />

künstlichen Aufbaus der Texte kaum vorhanden. Was gefunden werden soll, ist klar<br />

vorgegeben. Ein eigenes Urteil des Schülers ist nicht gefordert. Die Übung verfehlt<br />

somit ihr Ziel. Schüler, die <strong>Klippert</strong>s Methoden-Training absolviert und nicht<br />

zusätzlich anderweitig Kompetenzen erworben haben, werden mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten bekommen, sobald sie mit einem Text<br />

konfrontiert werden, bei dem Anweisungen fehlen. Alles, was sie bislang zu erledigen<br />

hatten, waren rein mechanische Vorgänge. Gefördert wird diese Fehlwirkung der<br />

Übungen noch durch <strong>Klippert</strong>s Lösungshilfen, die er einzelnen Übungen beifügt. So<br />

gibt er beispielsweise an, auf welche Silben die zu suchenden Begriffe enden<br />

(Stövesand 2000: 88) und ermöglicht es auf diese Weise solchen Schülern, die<br />

11


schulisches Arbeiten gerne schnell und unkritisch hinter sich bringen, nur nach<br />

diesen Endungen zu suchen. Eine kritische Auseinandersetzung mit Inhalten bleibt<br />

völlig aus. Im Gegensatz zu <strong>Klippert</strong> fordern daher insbesondere Lernpsychologen<br />

eine Anbindung methodischen Lernens an Sachinhalte (vgl. Stövesand 2000: 83).<br />

Helmut Stövesand zufolge gibt es eine Vielzahl weiterer Beispiele für Übungen, die<br />

ihr jeweiliges Ziel verfehlen (vgl. Stövesand 2000: 86), was an dieser Stelle aber<br />

nicht weiter ausgeführt werden soll, dem Ablauf der tatsächlichen Diskussion<br />

entsprechend. Interessanter ist die Frage, ob das allen Trainingsprogrammen<br />

<strong>Klippert</strong>s übergeordnete Ziel erreicht wird: Schüler zu mündigen, selbständigen<br />

Personen heranzuziehen. Wie schon im vorausgegangenen Abschnitt erwähnt,<br />

fordern <strong>Klippert</strong>s Übungen – und dies ist nicht auf einige wenige beschränkt –<br />

keinerlei eigenes Urteil von den Schülern. Durchweg ist die Vorgehensweise bei den<br />

Übungen durch genaueste Anweisungen vorgegeben. <strong>Klippert</strong> geht sogar so weit,<br />

vorzuschreiben, welche Art von Stiften für das Markieren von Textstellen zu<br />

verwenden ist (vgl. Stövesand 2000: 87f) . Sinnvoll wäre hingegen nur eine Übung,<br />

bei der die Schüler die Möglichkeit hätten, herauszufinden, welche Technik des<br />

Markierens für sie die günstigste ist. Jeder Mensch hat seine ganz eigene bevorzugte<br />

Vorgehensweise was das Erfassen von Textinhalten und den allgemeinen<br />

Lernprozess betrifft. Durch seine rigiden Vorgaben projiziert <strong>Klippert</strong> seine eigenen<br />

Präferenzen auf die Schüler und nimmt ihnen vielmehr die Möglichkeit, einen Aspekt<br />

ihrer eigenen Persönlichkeit zu entdecken, als ihre Selbständigkeit zu fördern.<br />

<strong>Klippert</strong> schreibt vor, zunächst nur Einzelbegriffe zu markieren, dann sollen<br />

Nebeninformationen folgen. Auch davon, was damit bezogen auf den jeweiligen Text<br />

gemeint ist, hat <strong>Klippert</strong> genaue Vorstellungen. So müsste im Endeffekt jeder Schüler<br />

zumindest weitestgehend die gleichen Begriffe und Phrasen markiert haben. Dass<br />

jedoch der Umfang von Markierungen u.a. auch von individuellen Interessen,<br />

Denkweisen und Vorkenntnissen abhängt, ignoriert <strong>Klippert</strong>.<br />

Eine wichtige Schlüsselqualifikation für das Leben in einer Klassengemeinschaft, im<br />

Alltag und im späteren Beruf ist soziale Kompetenz. Es sollte der Frage<br />

nachgegangen werden, ob <strong>Klippert</strong>s Methoden-Training diese fördern kann.<br />

Tatsächlich stellten die Kursteilnehmer fest, die Übungen hätten ihnen, abgesehen<br />

von ihrer Verärgerung über den fehlenden fachlichen Sinn bis zu einem gewissen<br />

12


Punkt sogar Spaß gemacht. Sie hätten Spielcharakter. Tatsächlich ist die Reaktion<br />

vieler Schüler auf die <strong>Klippert</strong>schen Übungen zumindest in unteren Klassen ebenfalls<br />

positiv. Nun könnte man fragen, was Spiele ohne einen weiteren didaktischen Sinn –<br />

und bis jetzt konnten wir eine solchen für <strong>Klippert</strong>s Methoden-Training nicht<br />

nachweisen – in der Schule zu suchen haben. Dazu muss angemerkt werden:<br />

<strong>Klippert</strong>s Trainingsspiralen werden meist von mehreren Schülern gemeinsam<br />

ausgeführt. Wird bei dieser Ausführung nun etwas Positives empfunden, Freude,<br />

Spaß, so machen die Schüler die wichtige Erfahrung, dass gemeinsames Arbeiten<br />

und Zusammenhalt sinnvoll und wichtig sein können. Soziale Kompetenz wird also<br />

gefördert. Leider wird jedoch dieses gerade eben errichtete Gebäude durch eine<br />

andere bereits ausführlicher besprochene Komponente der <strong>Klippert</strong>schen Denkweise<br />

ins Wanken gebracht: Die strikten Vorgaben, die <strong>Klippert</strong>s Arbeitsanweisungen<br />

enthalten, lassen keine Raum für Alternativen. Die Markierungsübung kann hier als<br />

Paradebeispiel herangezogen werden. Auf Schülerseite müssen diese Vorgaben<br />

zwangsläufig den Eindruck erwecken, als gäbe es auf jede Frage nur eine einzige<br />

richtige Antwort. Toleranz, ein Nachdenken über die Gedanken anderer, wird im<br />

Keim erstickt.<br />

Wenn Übungen Schülern Spaß machen, so herrscht auch für den Lehrer ein gutes<br />

Arbeitsklima, ein Grund für <strong>Klippert</strong>s Erfolg. Diese Stimmung schlägt jedoch um,<br />

sobald Schüler mit Situationen konfrontiert werden, in denen sie feststellen müssen,<br />

dass sie letztlich kaum Kompetenzen erworben haben und nun doch nicht<br />

weiterkommen. Ferner ist zu bezweifeln, dass die Vorbereitung einer Trainingsspirale<br />

dem Lehrer tatsächlich Gelegenheit zur Entfaltung pädagogischer Fähigkeiten und<br />

zur Neuorientierung des eigenen Selbstverständnisses bietet. Die strengen<br />

Vorgaben lassen tatsächlich auch dem Lehrer kaum Variationsmöglichkeiten.<br />

Es stellt sich die Frage, weshalb <strong>Klippert</strong> solch rigide Anweisungen vorgesehen hat.<br />

Hierzu lassen sich nur Spekulationen machen. Vermutlich ist dieses Konzept auf<br />

<strong>Klippert</strong>s Meinung über die Jugend zurückzuführen. Für <strong>Klippert</strong> sind ausnahmslos<br />

alle Jugendlichen gleichermaßen hedonistisch (s.o.). Offensichtlich hält er es für<br />

nötig, diesen jungen Menschen einen genauen Weg vorzuzeichnen, um sie<br />

überhaupt zum Lernen zu bewegen. Auf eine Vielzahl von Schülern trifft dies sicher<br />

zu, jedoch wird <strong>Klippert</strong>s oben erwähnte Kritik am lehrerzentrierten Unterricht durch<br />

13


diese Sichtweise konterkariert. Was stattfindet ist lediglich eine Transformation des<br />

lehrerzentrierten Unterrichts in einen „<strong>Klippert</strong>orientierten“.<br />

<strong>Klippert</strong>s Grundeinstellung, eben die, alle Schüler seien gleichermaßen<br />

arbeitsunwillig und hedonistisch, also ausschließlich nach Spaß strebend, verwöhnt<br />

und verhaltensgestört, wurde noch weiter diskutiert. Erfahrungen vieler<br />

Diskussionsteilnehmer aus dem Praxissemester oder auch der eigenen Schulzeit<br />

sprachen klar gegen ein solch negatives Bild. Sie stellen nicht die breite Masse dar,<br />

doch es gibt Schüler, die sowohl wissbegierig als auch intelligent sind und/oder sich<br />

über den Unterricht hinausgehend engagieren, etwa in der Schülervertretung oder in<br />

Naturschutzorganisationen. Schon um diese Schüler nicht zu demotivieren, sollten<br />

pauschalisierende Bemerkungen wie die von <strong>Klippert</strong> unterbleiben, ganz abgesehen<br />

davon, dass solche nicht belegten Äußerungen anmaßend und einer seriösen<br />

pädagogischen Analyse unwürdig sind.<br />

<strong>Klippert</strong>s Einstellung spiegelt sich in seinem Methoden-Training wieder. Er rechnet<br />

nicht mit intelligenten Schülern. Die Primitivität seiner Übungen bietet solchen keine<br />

Herausforderung und Chance zur Entwicklung. Vielmehr erfahren Lerntypen, die sich<br />

engagieren wollen, Demotivation, weil solche, die keinen Wert auf echten Wissensoder<br />

Methodenkompetenzerwerb legen und beispielsweise die angesprochenen<br />

Lösungsschlüssel missbrauchen, schneller mit ihren Übungen zum Ende kommen<br />

und das entsprechende Lob erfahren.<br />

Während der Diskussion im Fischbowl wurden klare Rollen pro und contra <strong>Klippert</strong><br />

vertreten. Das Fazit in der anschließenden allgemeinen Diskussion war jedoch, dass<br />

eine Methodenzentrierung des Unterrichts nach <strong>Klippert</strong> nicht wünschenswert und<br />

völlig kontraproduktiv wäre. Die Argumente contra überwiegen die pro <strong>Klippert</strong><br />

deutlich, wobei nicht die Anzahl ausschlaggebend ist, sondern die Qualität. Dabei<br />

wurde eines der stärksten Contraargumente bislang noch gar nicht genannt. Es tritt<br />

zutage, wenn man die Frage verfolgt, warum <strong>Klippert</strong> gleich in mehreren Übungen<br />

Diagonales Lesen trainieren lässt. Für <strong>Klippert</strong> ist rasches Lesen eine<br />

Grundvoraussetzung für erfolgreiches Lernen. Detailliertes Lesen hält er hingegen für<br />

ermüdend und nicht sinnvoll. Was in der Schule zähle, seien Begriffe, Namen, Daten<br />

und Fakten (vgl. Stövesand 2000: 86). Dass sich <strong>Klippert</strong> mit letzterer Bemerkung<br />

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erneut selbst widerspricht, weil er doch angesichts der Wissensexplosion in unserer<br />

Zeit dem Lernen von Begriffen, Namen, Daten und Fakten nach oben erwähnter<br />

Äußerung allenfalls untergeordnete Bedeutung einräumt, könnte noch mit einem<br />

Lächeln als Kuriosum deklariert werden. Dadurch aber, dass er seine Einstellung<br />

zum detaillierten Lesen über seine Übungsblätter den Schülern mitteilt, und jene<br />

Blätter mit Bemerkungen versieht, wie „Alles kannst du dir sowieso nicht behalten.“<br />

(vgl. Stövesand 2000: 86) liefert er all den Schülern, die nicht den im Schulalltag<br />

nötigen Arbeitseifer an den Tag legen, ein willkommenes Alibi, das Lehrern, die nicht<br />

mit <strong>Klippert</strong>s Kopiervorlagen arbeiten, in folgenden Schuljahren die Arbeit erschwert.<br />

Diagonales Lesen kann im Universitätsalltag durchaus hier und da nötig sein, doch<br />

diese Methode Schülern als grundsätzliches Mittel der Texterschließung zu<br />

präsentieren ist geradezu gefährlich. <strong>Klippert</strong> sagt, er wolle, dass die Schüler immun<br />

gegen Manipulation würden. Das Gegenteil erreicht er jedoch.<br />

Gerade in weiterführenden Schulen, sollte es den Lehrenden ein Anliegen sein, dass<br />

Schüler lernen, zwischen den Zeilen, also möglichst genau zu lesen, um etwa<br />

Euphemismen oder Halbwahrheiten als solche entlarven zu lernen. Nur so haben sie<br />

eine Chance, Propaganda und Demagogie zu erkennen und dagegen gewappnet zu<br />

sein. <strong>Klippert</strong> propagiert das Gegenteil, eine Tatsache, die zu denken geben muss.<br />

Im Laufe des Semesters konnten wir feststellen, dass sich bis heute kein<br />

didaktisches Konzept als Allheilmittel für Probleme im Schulunterricht bewährt hat.<br />

Die Materie ist schlichtweg zu kompliziert und erfordert in jeder neuen Situation ein<br />

Abwägen, welche Methode Anwendung finden sollte. Ein Konzept wie das von<br />

<strong>Klippert</strong>, das ausschließlich auf Vereinfachungen und Pauschalisierungen beruht,<br />

kann dieser Materie Schulunterricht nicht gerecht werden. Insbesondere die<br />

Einschätzung, die Trainingsspiralen seien für alle Altersstufen und Schulformen<br />

einsetzbar, ist völlig unrealistisch. Höhere Klassen würden sich aufgrund der<br />

Einfachheit der Übungen zurückgesetzt und für dumm verkauft vorkommen.<br />

Alle weiteren negativen Aspekte wurden bereits erwähnt.<br />

Gegen einen gelegentlichen Einsatz ausgewählter Arbeitblätter aus <strong>Klippert</strong>s<br />

Repertoire zur Auflockerung und zur Förderung des positiven Umgangs miteinander<br />

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(s.o.) ist sicher nichts zu sagen. Alles, was darüber hinausgeht, ist aber mit größter<br />

Vorsicht zu begleiten.<br />

___________________________________________________________________<br />

Literatur:<br />

• <strong>Klippert</strong>, <strong>Heinz</strong> (1994) Methoden-Training. Weinheim/Basel<br />

• <strong>Klippert</strong>, <strong>Heinz</strong> (2000) Methoden-Training. Weinheim [u.a.]<br />

• Stövesand, Helmut (2000) „Schulentwicklung nach <strong>Klippert</strong>. Über den<br />

Anspruch, mittels Dressur Selbständigkeit zu fördern“. In „Pädagogische<br />

Korrespondenz. Zeitschrift für kritische Zeitdiagnostik in Pädagogik und<br />

Gesellschaft“. Heft 26. Winter 2000/01<br />

• Wagenschein, Martin (1966): “Verstehen lehren. Zum Problem des<br />

Genetischen Lehrens“. Zeitschrift für Pädagogik (4/1966: 305)<br />

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