O K T O B E R a u ssT E llu n g 2 0 1 3 - Kovacek & Zetter
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Johann Nepomuk Geller wurde 1860 als Sohn eines aus Mähren stammenden Handlungsreisenden und<br />
einer Kaufmannstochter aus Weißenkirchen in Wien geboren. Er begann 1876 an der Wiener Akademie<br />
bei Christian Griepenkerl Malerei zu studieren. Unzufriedenheit mit der Ausbildung sowie wirtschaftliche<br />
Sorgen veranlassten ihn zwei Jahre später, als Chromolithograf zu arbeiten und seine Ausbildung abzubrechen.<br />
Das Malen gab er aber nicht auf, vor allem die Landschaft der Wachau, die er bei Besuchen<br />
seiner Großmutter in Weißenkirchen als Motiv für sich entdeckte, findet sich schon in den frühen Bildern<br />
des Künstlers immer wieder. Außerdem lernte er hier die Maler Robert Russ, Carl Leopold Müller, August<br />
von Pettenkofen und Franz Rumpler kennen, die ihm in der künstlerischen Auffassung nahe standen und<br />
den jungen Künstler in seinem Weg bestärkten.Nach zehnjähriger Unterbrechung setzte Geller 1888 bis<br />
1889 seine Studien an der Akademie fort und besuchte die Spezialschule für Landschaftsmalerei unter<br />
Eduard Peithner von Lichtenfels. Geller war Gründungsmitglied des Hagenbunds, der nach dem Ersten<br />
Weltkrieg neben Künstlerhaus und Secession dritten großen und fortschrittlichsten Künstlervereinigung<br />
in Wien. Reisen führten den Künstler unter anderem nach Frankreich, Italien und Osteuropa. Zahlreiche<br />
Auszeichnungen belegen die offizielle Anerkennung des Werkes von Johann Nepomuk Geller. In späteren<br />
Jahren nahm er ein Atelier im Teisenhoferhof in Weißenkirchen und übersiedelte 1941 ganz in die<br />
Wachau. Johann Nepomuk Geller starb 1954 im Alter von 94 Jahren in seiner Wahlheimat.<br />
35<br />
Johann Nepomuk Geller<br />
(Wien 1860 –1954 Weißenkirchen)<br />
Firmung am Stephansplatz<br />
um 1925<br />
Öl auf Leinwand auf Karton<br />
86 x 68,5 cm<br />
Signiert links unten: Joh. Nep. Geller<br />
Rückseitig Ausste<strong>llu</strong>ngsetikett<br />
des Wiener Künstlerhauses: 433/1927<br />
Provenienz: Privatbesitz Wien<br />
Literatur: Vgl.: Anton R. Bodenstein, Johann<br />
Nepomuk Geller. Maler der Wachau, Wien 2004;<br />
Österreichische Kunst des 19. Jahrhunderts.<br />
Bestandskatalog der Österreichischen Galerie<br />
Belvedere, Band 2, Wien 1993, S. 73 ff.<br />
Ausgestellt: Künstlerhaus Wien 1927<br />
Gellers Städtebilder sind stets zahlreich bevölkert, die Wiedergabe des pulsierenden Lebens ist ihm ein<br />
Anliegen. Sind es oft Marktszenen, die diesem Streben motivisch entgegen kommen, hat hier das rege<br />
Treiben eines Kirchenfestes den Künstler mit seiner Staffelei in die Wiener Innenstadt gelockt. Junge,<br />
weiß gekleidete Firmlinge bevölkern mit ihren Familien den östlichen Teil des Stephansplatzes und den<br />
Beginn der Schulerstraße. Mehrere Blumenverkäuferinnen bieten ihre bunte Ware an, im Hintergrund<br />
vor dem Albertinischen Chor und der Capistrankanzel sieht man Luftballons zu farbigen Türmen gebunden<br />
emporragen. Es werden sich wohl Käufer finden, die den Firmlingen damit eine Freude an diesem<br />
Festtag bereiten. Beherrscht das rege Treiben der Gläubigen das untere Drittel des Bildes, so wird der<br />
obere Bereich von der beeindruckenden Architektur des gotischen Kirchenbaus dominiert. Bis ins feinste<br />
Detail hat Geller die Streben, Pfeiler und Verzierungen des unvollendeten Nordturms und des Chors<br />
festgehalten, bekrönt von der sich stets nach oben verjüngenden Silhouette des Südturms, einem architektonischen<br />
Meisterwerk der Gotik. Auch das über und über mit bunt glasierten Ziegeln verzierte Dach<br />
des Doms ist genau wiedergegeben. Wir sehen jene Eindeckung, die während des Zweiten Weltkriegs<br />
durch Funkenflug zerstört wurde. Es ist der Zustand der 1831 unter Kaiser Franz Joseph durchgeführten<br />
Neueindeckung. Die Jahreszahl mit dem doppelten Kreuz, als Zeichen für die Funktion des Doms als<br />
Bischofssitz und gleichzeitig Wahrzeichen für das ganze Land, verweist darauf. Heute sind hier die Adler<br />
mit dem Bundeswappen Österreichs und dem Landeswappen Wiens zu sehen. Prägnant und von hohem<br />
Wiedererkennungswert ist auch die Malweise des Künstlers, der an vielen Stellen die mit Tuschfeder<br />
ausgeführte Vorzeichnung als grafisches Element stehen lässt. Der Farbauftrag erfolgt sehr trocken, in<br />
vielen Partien dünn lasiert, sodass die Struktur der Leinwand als stoffliche Komponente miteinbezogen<br />
wird. „Firmung am Stephansplatz“ ist somit malerisch wie motivisch ein wichtiges Hauptwerk Johann<br />
Nepomuk Gellers.