Der Ruf der Glocken Mai 2013 - Seelsorgeeinheit Tiengen ...
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<strong>Der</strong> <strong>Ruf</strong> <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong><br />
Wenn in <strong>Tiengen</strong> die <strong>Glocken</strong> erklangen/erklingen<br />
von<br />
Manfred Emmerich<br />
Waldshut-<strong>Tiengen</strong>, im <strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>
<strong>Der</strong> <strong>Ruf</strong> <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong><br />
Wenn in <strong>Tiengen</strong> die <strong>Glocken</strong> erklangen/erklingen<br />
von Manfred Emmerich<br />
Seit Ostern 2012 erklingen<br />
nun auch im Internet unter<br />
www.ebfr-glocken.de <strong>Glocken</strong><br />
aus dem Erzbistum Freiburg.<br />
Auch das Geläut <strong>der</strong> von dem<br />
Vorarlberger<br />
Barockbaumeister Peter<br />
Thumb in den Jahren 1753-<br />
1755 erbauten katholischen<br />
Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt<br />
<strong>Tiengen</strong> ist zu hören.<br />
Dies war für mich Anlass,<br />
einen Blick auf die<br />
wechselvolle Geschichte <strong>der</strong><br />
<strong>Tiengen</strong>er <strong>Glocken</strong> zu werfen.<br />
Abb. 1: Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt <strong>Tiengen</strong><br />
<strong>Glocken</strong> <strong>der</strong> Katholischen Kirche Mariä Himmelfahrt<br />
In den vergangenen 350 Jahren wurden für die katholische Kirche und<br />
die Kapellen in <strong>Tiengen</strong> immer wie<strong>der</strong> neue <strong>Glocken</strong> angeschafft.<br />
1
<strong>Glocken</strong> aus dem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
Im Staatsarchiv Freiburg habe ich Aufzeichnungen über drei <strong>Glocken</strong><br />
aus dem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t gefunden, die bis 1808 auf dem Kirchturm <strong>der</strong><br />
kath. Pfarrkirche hingen, dann aber, weil nicht mehr brauchbar,<br />
umgeschmolzen werden mussten. Über Inschriften, Bil<strong>der</strong> und Wappen<br />
dieser drei <strong>Glocken</strong> ist zu lesen:<br />
Die <strong>Glocken</strong>inschrift lautete:<br />
Die mittlere Glocke von 1640<br />
Ave Maria gratia plena Dominus tecum 1640<br />
Gegrüßet seist du, Maria, voll <strong>der</strong> Gnade, <strong>der</strong> Herr ist mit dir. 1640<br />
In den Aufzeichnungen steht, dass von den vier Fel<strong>der</strong>n des Wappens<br />
nur <strong>der</strong> „im ersten Oberwinkel und linken Unterwinkel befindliche St.<br />
Blasische Hirsch“ klar zu erkennen ist.<br />
Anmerkung: Im Dreißigjährigen Krieg wurden <strong>Tiengen</strong> und <strong>der</strong> Klettgau,<br />
beginnend mit dem Jahr 1633, immer wie<strong>der</strong> von Not, Elend und Tod<br />
heimgesucht. Nur in wenigen Orten unserer Heimat wie in Krenkingen<br />
o<strong>der</strong> Schwaningen überlebten die <strong>Glocken</strong> die Wirren des Krieges.<br />
Wenn nicht wie in Waldshut die <strong>Glocken</strong> rechtzeitig in die Schweiz in<br />
Sicherheit gebracht wurden, wurden sie mutwillig zerstört o<strong>der</strong> ihres<br />
Materialwertes wegen vom Turm geholt, um zu Kanonen<br />
umgeschmolzen zu werden. Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Regierung des Grafen von<br />
Sulz in <strong>Tiengen</strong>, Pfarrer und ein Teil <strong>der</strong> <strong>Tiengen</strong>er Bevölkerung suchten<br />
während des Dreißigjährigen Krieges immer wie<strong>der</strong> Zuflucht in <strong>der</strong><br />
nahen Schweiz, so in Rheinau und Zurzach. <strong>Tiengen</strong> war wohl Anfang<br />
<strong>der</strong> 40-er Jahre nicht in <strong>der</strong> Lage, allein für eine neue Glocke zu sorgen<br />
und nahm deshalb die Hilfe des Klosters St. Blasien in Anspruch. Dies<br />
vielleicht auch deswegen, weil die zum Kirchspiel <strong>Tiengen</strong> gehörigen<br />
Orte Breitenfeld, Detzeln und Gutenburg <strong>der</strong> Herrschaft des Klosters St.<br />
Blasien unterstanden.<br />
Die 1640 gegossene Glocke muss wohl in den letzten Kriegsjahren in<br />
Mitleidenschaft gezogen worden sein, da bereits acht Jahre später eine<br />
neue Glocke mit <strong>der</strong> gleichen Inschrift gegossen wurde.<br />
2
Sie trug oben im Kranz die Inschrift:<br />
Die kleinste Glocke von 1648<br />
AVE .MARIA .GRATIA .PLENA .DOMINUS .TECUM .1648<br />
Gegrüßet seist du, Maria, voll <strong>der</strong> Gnade, <strong>der</strong> Herr ist mit dir. 1648<br />
Auf <strong>der</strong> einen Seite <strong>der</strong> Glocke befand sich das Wappen <strong>der</strong> Stadt<br />
<strong>Tiengen</strong> (Maria mit dem Jesuskind sitzend), darunter waren die Worte:<br />
<strong>Der</strong> Stadt Thuengen Patronin 1648<br />
Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite <strong>der</strong> Glocke war das Wappen <strong>der</strong> Grafen von Sulz<br />
mit den drei roten Spitzen, dem brennenden Ast und den drei<br />
Korngarben im Herzschild.<br />
Darunter stand:<br />
Graf Ludwig Ernst Graf zu Sulz 1648<br />
(Karl Ludwig Ernst war von 1628 bis 1648 Landgraf im Klettgau.)<br />
Die große Glocke von 1668<br />
Sie hatte ein Gewicht von 1478 Pfund und oben im Kranz die Inschrift:<br />
REX .GLORIAE .CHRISTE .CONSERVA .NOS .IN .PACE<br />
ANNO . DOMINI . MDCLXVIII<br />
Christus, König <strong>der</strong> Herrlichkeit, bewahre uns im Frieden. Im Jahre 1668<br />
Den Aufzeichnungen zufolge zierten die Bil<strong>der</strong> folgen<strong>der</strong> Heiligen mit<br />
den jeweiligen Unterschriften diese Glocke:<br />
Sanctus Theodorus, Sancta Maria Virgo, Sanctus Ubaldus, Sanctus<br />
Sebastianus<br />
Anmerkungen: <strong>Der</strong> hl. Theodor, erster Bischof von Octodurus ( heute<br />
Martigny, Unterwallis, Schweiz), soll gegen Ende des 4. Jahrhun<strong>der</strong>ts die<br />
Reliquien <strong>der</strong> Märtyrer <strong>der</strong> Thebäischen Legion aufgefunden und in St.<br />
Moritz beigesetzt haben. Neben <strong>der</strong> hl. Verena wurde in <strong>Tiengen</strong> einst<br />
auch Mauritius, <strong>der</strong> Führer <strong>der</strong> Thebäischen Legion beson<strong>der</strong>s verehrt.<br />
3
Die Klosenkapelle war den Heiligen Theodor und Mauritius geweiht, und<br />
in <strong>der</strong> Hl. Kreuzkapelle war <strong>der</strong> rechte Seitenaltar ebenfalls diesen<br />
beiden Heiligen geweiht.<br />
Maria, die Mutter Jesu, war schon immer die Patronin <strong>der</strong> Stadt, <strong>der</strong><br />
Pfarrgemeinde und <strong>der</strong> Kirche. Sie ist viele Male in unserer Kirche<br />
abgebildet.<br />
Unklar ist warum das Bild des hl. Ubaldus (Bischof von Gubbio in<br />
Umbrien, Italien, gest. 1160) auf die Glocke kam.<br />
<strong>Der</strong> heilige Sebastian war <strong>der</strong> Schutzpatron zur Abwendung <strong>der</strong> Pest<br />
und an<strong>der</strong>er Seuchen. Noch in <strong>der</strong> ersten Hälfte des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
for<strong>der</strong>te die Pest, <strong>der</strong> „Schwarze Tod“, in unserer Region viele Opfer. So<br />
ist es verständlich, dass die Menschen den hl. Sebastian beson<strong>der</strong>s<br />
verehrten und ihn baten, er möge bei Gott Fürbitte einlegen, damit sie<br />
von solchen Seuchen verschont blieben. In unserer Pfarrkirche ist eine<br />
Glocke Sebastian geweiht und im Kirchenschiff wird an drei Stellen an<br />
den Heiligen erinnert.<br />
Auf <strong>der</strong> Glocke war das Sulzische Wappen angebracht.<br />
Unter ihm stand I. L. G. Z. S.—-S. M. E. F. G. Z. S.<br />
Johann Ludwig Graf zu Sulz –Schenkin Maria Eugenia Franziska Gräfin<br />
zu Sulz<br />
Landgraf Johann Ludwig II. von Sulz war <strong>der</strong> letzte Regent des<br />
Geschlechts <strong>der</strong> Sulzer im Klettgau. Er regierte von 1648 bis 1687. Nach<br />
dem Tod seiner ersten Ehefrau heiratete er 1660 Eugenia Maria<br />
Franziska, Gräfin von Man<strong>der</strong>scheid.<br />
Unter dem Wappen <strong>der</strong> Stadt <strong>Tiengen</strong> stand<br />
Aus Hitz und Feuer bin ich geflossen—<br />
Heinrich Fießli zu Zürich hat mich gegossen.<br />
Laut einer Rechnung über die „newbey gebrachten gloggen von dem<br />
gloggengießer Heinrich Fießli zu Zürich“ wog diese Glocke 12 Zentner<br />
23 Pfund, <strong>der</strong> Zentner zu 50 fl, macht 646 fl 30 kr .fl=Gulden, kr=Kreuzer<br />
4
Zu den weiteren Kosten kamen u.a. 5fl Zoll zu Zürich, Schiffslohn bis auf<br />
Kadelburg, 18 fl in das Eberfingische Bergwerk wegen des eisernen<br />
<strong>Glocken</strong>henkels. Bei Abholung <strong>der</strong> Glocke mussten 300 fl bezahlt<br />
werden. Bis <strong>der</strong> fehlende Betrag mit Zinsen abgetragen war, dauerte es<br />
bis Ende <strong>der</strong> 70er Jahre.<br />
<strong>Glocken</strong> aus dem Anfang des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
Im Jahre 1808 schrieb Pfarrer Trummer von <strong>Tiengen</strong>: „Nach dem<br />
Zerspringen zweier <strong>Glocken</strong> im Kirchturm ist es notwendig geworden, ein<br />
ganz neues Geläut anzuschaffen.“ Am 14. <strong>Mai</strong> des gleichen Jahres<br />
wurde zwischen <strong>der</strong> Kirchengemeinde <strong>Tiengen</strong> und <strong>Glocken</strong>gießer Franz<br />
Josef Rosenlächer in Konstanz ein Vertrag über die Lieferung von vier<br />
<strong>Glocken</strong> abgeschlossen. Den Transport von Konstanz nach<br />
Schaffhausen bzw. für die drei alten einzuschmelzenden <strong>Glocken</strong> von<br />
Schaffhausen bis Konstanz übernahm <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong>gießer, von<br />
Schaffhausen nach <strong>Tiengen</strong> bzw. von <strong>Tiengen</strong> nach Schaffhausen war<br />
die Kirchengemeinde zuständig. <strong>Der</strong> <strong>Glocken</strong>gießer versprach, in<br />
<strong>Tiengen</strong> das Aufziehen und Aufhängen <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong> zu überwachen.<br />
Am 6. März 1809 kamen die neuen <strong>Glocken</strong> in <strong>Tiengen</strong> an.<br />
Nr. 1 Die große Glocke, die 12 Uhr-Glocke, mit 1823 Pfund (rd. 900 kg)<br />
und im Ton f.<br />
Die Kranzinschrift:<br />
QUASI . VOX . DEI EZECH. X.V:--UT . ADORARENT . IN . DIE .<br />
FESTO:IOAN. XII.XX:<br />
Ich bin gleichsam eine Stimme Gottes Ezech 10, 5.--Sie kommen um<br />
beim Feste anzubeten Joh 12,20<br />
Die zwei Bil<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Glocke zeigten die beiden <strong>Tiengen</strong>er<br />
Ortspatrone, den hl. Sebastian und die hl. Agatha.<br />
1753 wurde beim Bau <strong>der</strong> heutigen Kirche <strong>der</strong> Grundstein gelegt zu<br />
Ehren <strong>der</strong> in den Himmel aufgenommenen Gottesmutter Maria , als<br />
Mitpatron/Patronin wurden hinzugenommen <strong>der</strong> hl Josef und die Märtyrin<br />
5
Agatha. Agatha ist die Schutzpatronin gegen Feuersgefahr. Ihr ist in<br />
unserer Kirche <strong>der</strong> Altar in <strong>der</strong> südlichen Ausbuchtung <strong>der</strong> Kirche<br />
geweiht, auch ist sie im hinteren Deckenfresko abgebildet.<br />
Das Bild des hl. Sebastian schmückte bereits die Glocke von 1668.<br />
Auch das Stadtwappen mit <strong>der</strong> Unterschrift<br />
zierte die Glocke.<br />
„Die Stadt Thuengen“<br />
Nr. 2 Die zweite Glocke, die Marien- o<strong>der</strong> Angelus- o<strong>der</strong> auch 11-<br />
Uhrglocke genannt, weil sie um 11 Uhr zum „Angelus“, zum „Engel des<br />
Herrn“ läutete, wog ca. 12 Ztr. (rd.600 kg). Sie war gleichzeitig auch die<br />
Glocke <strong>der</strong> Rosenkranzbru<strong>der</strong>schaft und erklang im Ton gis<br />
Die Kranzinschrift lautete:<br />
GLORIA IN ALTISSIMIS DEO.-RESONATE MONTES LAUDATIONEM<br />
Ehre sei Gott in den Höhen Lk 2,4-Brecht in Jubel aus, ihr Berge. Jes<br />
44,23<br />
Unter dem Bild <strong>der</strong> Gottesmutter mit dem Christkind standen die Worte:<br />
„SUB TUUM REFUGIUM CONFUGIMUS SANCTA DEI GENITRIX.<br />
Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o Heilige Gottesgebärerin.<br />
Die Rückseite <strong>der</strong> Glocke zierte das Bild des hl. Josef mit <strong>der</strong> Lilie.<br />
Das Bild des hl. Dominikus erinnerte daran, dass vor allem die<br />
Dominikaner um die Verbreitung des Rosenkranzgebetes besorgt waren.<br />
1626 war in <strong>Tiengen</strong> die Rosenkranzbru<strong>der</strong>schaft gegründet worden. Als<br />
Verzierung zog sich rings um die Glocke ein Kranz von 150 Perlen, die<br />
Gesätze des Rosenkranzes darstellend.<br />
6
Nr. 3 Die zweitkleinste Glocke<br />
Diese, auch Betglocke genannt, mit einem Gewicht von etwa 5 Zentner<br />
(rd. 250 kg) läutete im Ton c.<br />
Oben im Kranz standen die Worte:<br />
AVE MARIA GRATIA PLENA<br />
Gegrüßet seist du, Maria, voll <strong>der</strong> Gnade<br />
Das Bild in <strong>der</strong> Mitte zeigte den Erzengel Gabriel, <strong>der</strong> die Jungfrau Maria<br />
begrüßt.<br />
Auf <strong>der</strong> Glocke war das Schwarzenbergische Wappen abgebildet.<br />
Nr. 4 Die kleinste Glocke<br />
Diese Glocke wog über 3 Zentner, läutete im Ton d und hatte oben im<br />
Kranz die Worte:<br />
IN EXCELSIS SONITUS LAETITIAE<br />
In den Höhen ertönt <strong>der</strong> Klang <strong>der</strong> Freude. 1 Chr15, 16<br />
Die Fläche <strong>der</strong> Krone trug auf <strong>der</strong> einen Seite das Bild des hl. Johannes<br />
Nepomuk mit dem Birett, <strong>der</strong> Kopfbedeckung eines kath. Geistlichen,<br />
und mit dem Kruzifix in <strong>der</strong> Hand, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite denselben<br />
Heiligen in den Fluten <strong>der</strong> Moldau.<br />
Auf allen vier <strong>Glocken</strong> stand: ROSENL: F: MDCCCVIII,<br />
von Rosenlächer 1808 geschaffen<br />
Die vier neuen <strong>Glocken</strong> kosteten 3186 fl 12kr. Davon konnten<br />
abgezogen werden 1496fl 24 kr für die zum Umschmelzen abgelieferten<br />
drei alten <strong>Glocken</strong>. Zu dem Betrag kamen noch 260 fl für verschiedene<br />
Zubehörde hinzu, was den Endbetrag von 1949 fl 48 kr ausmachte. Eine<br />
große Summe !<br />
Pfarrer Trummer schrieb hierzu: „Das neue Geläut ist wirklich zum<br />
Vergnügen ausgefallen. Auf <strong>der</strong> ohnehin schlecht begüterten<br />
Pfarrgemeinde liegt eine große schwere Aufgabe. Um die Bürde<br />
7
einigermaßen zu erleichtern, werden die hiesigen Einwohner zu einer<br />
frommen beysteuer aufgefor<strong>der</strong>t.“ Die Sammlung erbrachte das<br />
Ergebnis von 149 fl 43 kr. Am 5. Juni 1810 erhielt F. J. Rosenlächer den<br />
noch fehlenden Restbetrag von 563 fl 21kr.<br />
Zur Finanzierung trug auch die Schwarzenbergische Herrschaft durch<br />
Zahlung aus dem Rentamt in <strong>Tiengen</strong> bei. Die Fürsten von<br />
Schwarzenberg waren seit 1687 die Herren von <strong>Tiengen</strong> und<br />
Patronatsherren <strong>der</strong> Kirche. Nachdem die Landeshoheit 1806 an das<br />
Großherzogtum Baden übergegangen war, behielten sie bis 1812 die<br />
Standesherrschaft, die sie dann an das Großherzogtum Baden<br />
verkauften. Die zweitkleinste Glocke trug das Wappen <strong>der</strong> Fürsten von<br />
Schwarzenberg. Die kleinste <strong>der</strong> vier neu angeschafften <strong>Glocken</strong> war<br />
dem hl. Johannes Nepomuk geweiht, jenem Heiligen aus Böhmen, dem<br />
die beson<strong>der</strong>e Verehrung <strong>der</strong> Schwarzenberger galt, hatten sie ihren<br />
Wohnsitz doch in Wien o<strong>der</strong> auf ihren Besitzungen in Böhmen. In<br />
unserer Pfarrkirche wird an drei Stellen an den „Brückenheiligen“<br />
erinnert. Im hinteren Deckenfresko hat <strong>der</strong> Maler Eustachius Gabriel den<br />
Sturz des Heiligen über die Moldaubrücke in Prag und seinen „Aufstieg<br />
in Glorie“ festgehalten.<br />
Eine wichtige Rolle bei <strong>der</strong> Anschaffung <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong> kam dem höchsten<br />
Beamten in <strong>der</strong> Landgrafschaft Klettgau, dem Regierungsdirektor<br />
Thaddäus von Weinzierl zu. Dieser wohnte im Schloss neben <strong>der</strong> Kirche<br />
und vertrat die Vorstellungen und Interessen <strong>der</strong> Schwarzenberger vor<br />
Ort.<br />
Die vier neuen <strong>Glocken</strong>, die 1809 auf den Kirchturm <strong>der</strong> Kirche kamen,<br />
waren nicht die einzigen <strong>Glocken</strong>, die im Turm hingen.<br />
Dort befanden sich noch zwei sehr kleine <strong>Glocken</strong> aus <strong>der</strong> ersten Hälfte<br />
des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
<strong>Glocken</strong> aus dem 18. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
Die heute noch vorhandene älteste Glocke auf den Ton g‘‘ gestimmt und<br />
mit einem Gewicht von 90 kg wurde 1721 von Tobias Schalch in<br />
Schaffhausen gegossen. Sie ist dem hl. Johannes d. Täufer geweiht.<br />
8
Das Glöcklein hängt heute unterhalb <strong>der</strong> Turmspitze in <strong>der</strong> Laterne.<br />
Es ist das Totenglöckchen<br />
o<strong>der</strong> „Endglöckle“.<br />
Diese kleine <strong>Tiengen</strong>er<br />
Glocke wurde wegen ihres<br />
Seltenheitswertes in den<br />
„Deutschen <strong>Glocken</strong>atlas“<br />
aufgenommen.<br />
Abb. 2 Totenglöchen in <strong>der</strong> Laterne<br />
Das Bild auf <strong>der</strong> Glocke zeigt Johannes d. Täufer in zottigem Fell, in <strong>der</strong><br />
Hand ein langes Kreuz. Zwei weitere Abbildungen zeigen die<br />
Muttergottes im Strahlenkranz auf <strong>der</strong> Mondsichel und die hl. Katharina<br />
von Alexandrien mit Palmwedel, Schwert und Rad. In unserer Kirche<br />
sind auch Johannes d. Täufer und Katharina von Alexandrien abgebildet.<br />
Abb. 3: Johannes <strong>der</strong> Täufer<br />
Abb. 4: Katharina von Alexandrien<br />
9
Unter dem eingegossenen Zunftzeichen <strong>der</strong> Lohgerber, dem gekreuzten<br />
Scherdegen, mit dessen Hilfe <strong>der</strong> Gerber die Häute von Fleisch und<br />
Fettresten befreite, ist die Inschrift <strong>der</strong> Stifter angebracht:<br />
„JOANNES DIETSCHI / CHATRINA BINKERIN/IN TYINGEN“.<br />
Abb. 5: Inschrift <strong>der</strong> Stifter <strong>der</strong> Glocke mit Zunftzeichen<br />
Die Schulterinschrift weist auf den <strong>Glocken</strong>gießer hin:<br />
TOBIAS SCHALCH VON SCHAFFHAUSEN GOSS MICH 1721<br />
Unter dieser Schrift ziert ein Kranz mit Früchten und Schleifen die<br />
Glocke.<br />
Abb. 6: Verzierung <strong>der</strong> Glocke<br />
10
Wie Konrad und Lilly Sutter aus Waldshut bei ihren Forschungen über<br />
historische <strong>Glocken</strong> nachgewiesen haben, war <strong>der</strong> aus Dogern<br />
zugezogene Johann Dietsche in <strong>Tiengen</strong> „Weißgerber“ und Stadtrat.<br />
Weißgerber behandelten vor allem Schaf- und Ziegelfelle und stellten<br />
dünne Le<strong>der</strong> her. Johann Dietsche war 1735 <strong>der</strong> Taufpate beim ersten<br />
Kind des <strong>Tiengen</strong>er Bildhauers Joseph Dietsche, von dem u. a. die<br />
Skulpturen „Joseph“ und „Maria“ bei zwei <strong>der</strong> <strong>Tiengen</strong>er Brunnen<br />
stammen.<br />
Im Jahre 1736 erhielten die Hl. Kreuzkapelle und die Klosenkapelle<br />
(auch Mauritiuskapelle genannt, ehemaliger Standort Detzelnerstr. 8<br />
oberhalb des Klausenhofes) je ein am 25. Juni 1736 geweihtes<br />
Glöcklein. Die kleinen <strong>Glocken</strong> waren von Burkhard Schalch in<br />
Schaffhausen gegossen worden. Das im Turm <strong>der</strong> Klosenkapelle<br />
hängende 40 kg schwere Glöcklein kam, nachdem die Klosenkapelle<br />
Anfang des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts wegen Baufälligkeit abgebrochen wurde, in<br />
die Pfarrkirche und fand ihren Platz wie das Glöcklein von 1721 in <strong>der</strong><br />
Laterne unterhalb <strong>der</strong> Turmspitze.<br />
<strong>Glocken</strong> vom Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
1886 schrieb Stadtpfarrer Andreas Schill (von 1880-1913 Pfarrer in<br />
<strong>Tiengen</strong>) :<br />
Abb. 7: Pfarrer Andreas Schill<br />
„Das Geläut in unserer schönen<br />
Stadtpfarrkirche ist ein ziemlich dürftiges.“ Im<br />
darauffolgenden Jahr 1887bezog die<br />
Pfarrgemeinde unter Stadtpfarrer Andreas<br />
Schill drei neue <strong>Glocken</strong>, dieses Mal erneut<br />
von <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong>gießerei Rosenlächer in<br />
Konstanz. Die Familie Rosenlächer übte den<br />
Beruf <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong>gießer über mehrere<br />
Generationen aus und verfügte über viel<br />
Erfahrung. Die Errechnung und Konstruktion<br />
des <strong>Glocken</strong>-Schnittprofils ist eine <strong>der</strong><br />
wichtigsten Arbeiten vor dem Guss.<br />
11
Die Formgebung, die Wandstärke und die Legierung sind so festzulegen,<br />
dass ein Nachstimmen durch nachträgliches Schleifen nicht nötig ist.<br />
Von dem Geläut von 1808 blieben auf dem Kirchturm zwei <strong>Glocken</strong>:<br />
Die 600 kg schwere Marien- o<strong>der</strong> Angelus-Glocke in gis und die auf f<br />
gestimmte und 900 kg schwere St. Sebastian-Glocke.<br />
Die beiden kleineren <strong>der</strong> 1808 angeschafften <strong>Glocken</strong> passten nicht<br />
mehr zum neuen Geläut. Die zweitkleinste Glocke mit <strong>der</strong> Inschrift „Ave<br />
Maria gratia plena“ wurde <strong>der</strong> Pfarrgemeinde in Weilheim überlassen<br />
und läutete danach auf dem Türmlein <strong>der</strong> Kapelle in Dietlingen. Die<br />
Nepomuk-Glocke wurde an die <strong>Glocken</strong>gießerei Rosenlächer gegen<br />
Erstattung des Materialwertes abgegeben.<br />
Neu angeschafft wurden:<br />
Die große dem hl. Josef geweihte Glocke,<br />
auf den Ton cis gestimmt und 2075 kg schwer.<br />
Unterhalb vom Bild des hl. Josef hieß die Inschrift<br />
ORA PRO NOBIS SANCTE JOSEPH—UT DIGNI EFFICIAMUR<br />
PROMISSIONIBUS CHRISTE<br />
Bitte für uns o hl. Joseph, auf dass wir würdig werden <strong>der</strong> Verheißungen<br />
Christi<br />
Die Kranzinschrift lautete:<br />
VOX DOMINI IN VIRTUTE VOX DOMINI IN MAGNIFFICENTIA<br />
PS XXVIII . II<br />
Die Stimme Gottes tönt in Kraft, die Stimme Gottes tönt in Herrlichkeit Ps<br />
28,4<br />
Die <strong>der</strong> hl. Agatha , <strong>der</strong> Patronin gegen Feuersgefahr , geweihte<br />
Glocke<br />
mit 395 kg in b.<br />
12
Agatha war mit <strong>der</strong> Siegespalme, Zeichen ihres Martyriums, abgebildet.<br />
Unter ihrem Bild waren auf <strong>der</strong> Glocke die Worte zu lesen, die <strong>der</strong><br />
Legende nach Agatha dem Landpfleger von Catania zur Antwort gab, als<br />
dieser sie zum Abfall vom Glauben bewegen wollte.<br />
EGO ANCILLA CHRISTI SUM .<br />
Ich bin eine Magd des Herrn.<br />
Im Kranz <strong>der</strong> Glocke standen die Worte:<br />
SONET VOX TUA IN AUDIBUS MEIS VOX ENIM TUA DULCIS<br />
HLD II . XIV<br />
Lass klingen deine Stimme in meinen Ohren, denn deine Stimme ist süß.<br />
Hld 2,14<br />
Die dritte kleine Glocke, wie<strong>der</strong>um dem hl. Johannes Nepomuk<br />
geweiht,<br />
mit 244 kg und mit dem Ton cis’’<br />
Unter dem Bild deshl. Joh. Nepomuk stand<br />
SANCTE JOHANNES INTERCEDE PRO NOBIS :<br />
HL. Johannes, bitte für uns.<br />
Von den Gesamtkosten von 8 000 Mark,<br />
einschließlich eines neuen <strong>Glocken</strong>stuhls, wurden 6 000 Mark durch<br />
freiwillige Spenden aus dem Kirchspiel, also aus <strong>Tiengen</strong>,<br />
Unterlauchringen, Detzeln, Breitenfeld und Gutenburg bestritten sowie<br />
2000 Mark aus dem Klausenfond, <strong>der</strong> nicht mehr benötigt wurde.<br />
Die im Archiv vorhandenen Spendenlisten geben Zeugnis von <strong>der</strong> sehr<br />
großen Spendenbereitschaft aller Pfarrangehöriger, nicht zuletzt <strong>der</strong><br />
Fabrikbevölkerung.<br />
13
In <strong>der</strong> Spen<strong>der</strong>liste hat Pfarrer Schill, <strong>der</strong> seiner Gemeinde stets mit<br />
gutem Beispiel voranging, u. a. Einnahmen von 3,50 Mark festgehalten<br />
und dabei geschrieben „die zwei Schulmägdlein und Schwestern<br />
Johanna und Maria Fritz aus ihrem Sparbüchsle 3 M.“<br />
Am Samstag, dem 4. Juni 1887 kamen die neuen <strong>Glocken</strong> in <strong>Tiengen</strong><br />
an. Pfarrer Schill schrieb: „Die Kunde hiervon lief wie ein Lauffeuer<br />
durchs Städtlein. Viele gingen an diesem Samstagmittag hinaus zur<br />
Güterhalle, um die <strong>Glocken</strong>, beson<strong>der</strong>s die große Glocke, zu sehen. Da<br />
es Sabbat war, machte auch sämtliches Volk <strong>der</strong> Hebräer den<br />
Sabbatweg dahin. Abends, nachdem die Fabriken still standen, strömte<br />
die ganze Arbeitswelt dorthin.“<br />
Die Einweihung <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong> erfolge durch Dekan Fräßle aus Gurtweil<br />
am Dreifaltigkeitssonntag, dem 5. Juni 1887.<br />
Wer hätte damals bei <strong>der</strong> feierlichen <strong>Glocken</strong>weihe auch gedacht, dass<br />
die Lebensdauer <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong> nicht einmal ein Menschenalter erreichen<br />
wird!<br />
20. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
Es kam <strong>der</strong> Erste Weltkrieg. Am 1. März 1917 ordnete das<br />
Kriegsministerium die Beschlagnahme, Bestandserhebung und<br />
Enteignung <strong>der</strong> Bronzeglocken an. Die <strong>Glocken</strong> wurden in drei Gruppen<br />
eingeteilt:<br />
1.) solche, die sofort abzuliefern waren (Gruppe A),<br />
2.) solche, die „ihres beson<strong>der</strong>en wissenschaftlichen, geschichtlichen<br />
o<strong>der</strong> Kunstwertes wegen“ unter allen Umständen erhalten werden sollten<br />
(Gruppe C),<br />
3.) solche, die einen <strong>der</strong>artigen Wert nur in bescheidenem Umfang<br />
aufzuweisen hatten und von <strong>der</strong> Ablieferung vorläufig verschont bleiben<br />
sollten (Gruppe B).<br />
Wo keine Glocke <strong>der</strong> Kategorien B o<strong>der</strong> C vorhanden war, durfte nur die<br />
kleinste Glocke zu „Läutezwecken“ erhalten bleiben. Im April kam die<br />
amtliche Auffor<strong>der</strong>ung zur Anmeldung.<br />
14
Die Pfarrgemeinde hatte folgende <strong>Glocken</strong> zu melden<br />
Nr. Name<br />
Gussjahr Gewicht Unterer Ton<br />
Durchmesser<br />
in cm<br />
1 Josef 1887 2000 kg 150 cm tiefes<br />
cis<br />
2 Sebastian 1808 900 kg 110 cm f<br />
3 Maria 1808 600 kg 95 cm gis<br />
4 Agatha 1887 392 kg 85 cm b<br />
5 Johannes Nepomuk 1887 244 kg 80 cm cis‘<br />
6 Scheidezeichenglöcklein 1721 90 kg 52 cm g “<br />
7 1736 40 kg 20 cm b “<br />
Dazu kamen je zwei <strong>Glocken</strong> von Breitenfeld und Detzeln und die<br />
Glocke in <strong>der</strong> Friedhofskapelle.<br />
Die Pfarrgemeinde bat darum, die große St. Josefsglocke, die bei <strong>der</strong><br />
Bevölkerung wegen ihres Wohlklangs beson<strong>der</strong>s beliebt war, ferner die<br />
St. Sebastian-Glocke (12-Uhr-Glocke) und die St. Marien- o<strong>der</strong><br />
Patroziniums-Glocke (11-Uhr- Glocke) behalten zu dürfen.<br />
In einem Schreiben des Gemein<strong>der</strong>ates von <strong>Tiengen</strong> vom 4. <strong>Mai</strong> 1917<br />
an den Kommunalverband für Metalle in Waldshut hieß es u. a.: „An die<br />
<strong>Glocken</strong> ist das Turmuhrwerk angeschlossen. Die Turmuhr ist laut<br />
Vertrag vom 20. Februar 1902 Eigentum <strong>der</strong> Stadtgemeinde. Es wäre<br />
eine sehr empfindliche Verkehrsstörung, wenn durch Wegnahme <strong>der</strong><br />
Stundenschlagglocken die Stunden nicht mehr geschlagen werden<br />
könnten. Wir bitten deshalb dringend, daß wenigstens diese<br />
Stundenschlagglocken belassen werden.“<br />
Abgabe von <strong>Glocken</strong><br />
Die Kirchenbehörde in Freiburg erklärte am 30. April 1917: „Es kann<br />
einem Zweifel und Anstand nicht unterliegen, daß die Ablieferung <strong>der</strong><br />
<strong>Glocken</strong> erfolgen muß und wird, wenn und sobald sie zum Schutz des<br />
Vaterlandes notwendig ist.“ Neben dem Schmerz über die Abgabe stand<br />
ein Bekenntnis zu einer vaterländischen Aufgabe.<br />
15
Am 7. Juni war <strong>der</strong> Großherzogliche Konservator <strong>der</strong> kirchlichen<br />
Denkmäler Prof. Dr. Sauer von Freiburg in <strong>Tiengen</strong>, um die <strong>Glocken</strong> auf<br />
ihren Kunstwert zu untersuchen. Durch die sorgsame Prüfung des<br />
Gutachters konnte im 1. Weltkrieg auch in Baden ein größerer Bestand<br />
an kulturgeschichtlich wertvollen <strong>Glocken</strong> gerettet werden. Für die<br />
katholische Pfarrgemeinde bedeutete dies, dass das historisch wertvolle<br />
„Endglöckle“ vom Jahr 1721 in <strong>der</strong> Laterne und die St. Sebastian-Glocke<br />
(12-Uhr-Glocke) vom Jahr 1808 behalten werden durften.<br />
Vorläufig zurückgestellt und von <strong>der</strong> Abgabe ausgenommen wurde die<br />
große St. Josefs-Glocke. Ihr vorläufiger Erhalt konnte auch dadurch<br />
erreicht werden, dass man auf die hohen Einbaukosten dieser Glocke im<br />
Jahre 1887 hinwies, d.h. auch <strong>der</strong> Ausbau hätte hohe Kosten verursacht.<br />
Im letzten Augenblick erreichte Stadtpfarrer Dr. Spreter beim Amt in<br />
Waldshut, dass auch die Patroziniums-Glocke (11-Uhr-Glocke) vom Jahr<br />
1808 von <strong>der</strong> Abgabe vorläufig<br />
zurückgestellt wurde. Dies<br />
spricht dafür, dass die mit <strong>der</strong><br />
Durchführung <strong>der</strong><br />
<strong>Glocken</strong>abgabe betrauten<br />
Kommunalverbände einen<br />
Spielraum hatten.<br />
Am 25. Juli 1917 wurden<br />
folgende <strong>Glocken</strong> vom Turm<br />
heruntergeholt und<br />
abgegeben: Die St. Johannes-<br />
Nepomuk-Glocke von 1887,<br />
die St. Agatha-Glocke<br />
ebenfalls vom Jahr 1887 sowie<br />
die schadhafte kleine in <strong>der</strong><br />
Laterne befindliche Glocke von<br />
1736.<br />
Abb. 8: <strong>Glocken</strong>abnahme 1917<br />
16
Auf dem untenstehenden Bild ist auf dem Wagen auch die abzugebende<br />
Breitenfel<strong>der</strong> Glocke zu sehen. Links unten Stadtpfarrer Dr. Spreter.<br />
Abb. 9: Die abgenommenen <strong>Glocken</strong> vor <strong>der</strong> Wegfahrt<br />
Auch Detzeln hatte eine <strong>der</strong> beiden <strong>Glocken</strong> abzuliefern.<br />
Die 40 kg schwere Glocke in <strong>der</strong> Friedhofkapelle war 1890 in <strong>der</strong><br />
<strong>Glocken</strong>gießerei Blersch in in Überlingen gegossen worden und trug die<br />
Inschrift „Requiem aeternam dona eis Domine“-Herr, gib ihnen die ewige<br />
Ruhe. Auch diese Glocke musste abgegeben werden.<br />
<strong>Der</strong> Gemein<strong>der</strong>at <strong>der</strong> Stadt <strong>Tiengen</strong> überließ das bisherige<br />
Rathausglöcklein <strong>der</strong> kath. Kirchengemeinde, behielt aber das<br />
Eigentumsrecht an <strong>der</strong> nun in <strong>der</strong> Friedhofkapelle befindlichen Glocke.<br />
Unterm Datum vom 30. September 1918 bemerkt die<br />
Bezirksbauinspektion Waldshut: „<strong>Der</strong> am 28. dieses Monats<br />
vorgenommene Augenschein hat ergeben, daß <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> 2000 kg<br />
schweren Glocke ohne nennenswerte Schwierigkeiten und daher auch<br />
17
mit verhältnismäßig geringen Mitteln möglich ist, eine Befreiung kann<br />
nicht in Frage kommen.“<br />
Vom Kommunalverband für Metalle in Waldshut erging am 13.<br />
Dezember 1918, einen Monat nach Kriegsende, folgende Nachricht an<br />
den Kath. Kirchenfond <strong>Tiengen</strong>: „Die gesamte Metallmobilmachung ist<br />
eingestellt. Unsere Verfügung vom 24.10.18 wird zurückgenommen. Sie<br />
können die <strong>Glocken</strong> behalten.“<br />
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass <strong>der</strong> Amtsbezirk St.<br />
Blasien <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong>ablieferung entging, weil <strong>der</strong> Vorsitzende des<br />
Kommunalverbandes für die Jahre 1917 und 1918<br />
Verkehrsschwierigkeiten geltend machen konnte.<br />
Die Glocke in <strong>der</strong> Heilig-Kreuz-Kapelle<br />
<strong>Der</strong> Tatsache, dass zur Zeit <strong>der</strong><br />
beiden Weltkriege die Heilig-<br />
Kreuz- Kapelle in Diensten <strong>der</strong><br />
altkatholischen Gemeinde in<br />
<strong>Tiengen</strong> stand und nur eine<br />
Glocke für diese Gemeinde da<br />
war, verdankt die Glocke auf<br />
dem Dachreiter <strong>der</strong> Kapelle ihr<br />
Überleben. Die Glocke mit ca.<br />
65 kg war 1651 von dem Gießer<br />
Konrad Flach in Schaffhausen<br />
gegossen worden. 1972 wurde<br />
im Zuge einer umfassenden<br />
Restauration eine elektrische<br />
„Läutemaschine“ eingebaut.<br />
Abb. 10: Heilig-Kreuz-Kirche<br />
18
Neuanschaffung nach dem Ersten Weltkrieg<br />
Nach dem Krieg wurde <strong>der</strong> Wunsch laut, das bestehende Geläut wie<strong>der</strong><br />
zu vervollständigen und zwei neue <strong>Glocken</strong> anzuschaffen.<br />
Am 23. August 1921 wurde mit <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong>gießerei Grüninger in<br />
Villingen <strong>der</strong> Vertrag über die Lieferung von zwei <strong>Glocken</strong><br />
abgeschlossen. Es waren die<br />
St. Agatha-Glocke mit 440 kg mit dem Ton ais<br />
und die St. Johannes-Nepomuk-Glocke mit 263 kg in cis‘‘<br />
Mit Inschriften und Armaturen waren Kosten von 31 157 Mark<br />
vorgesehen. Ein genauer Liefertermin war nicht vereinbart. Am 30.<br />
August 1921 wurde im Auftrag von Stadtpfarrer Dr. Spreter vom<br />
Vorschuss-Verein <strong>Tiengen</strong>(Volksbank) eine Vorauszahlung von 21 500<br />
M an die Firma Grüninger getätigt. Doch die Lieferung <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong><br />
verzögerte sich immer wie<strong>der</strong>. In Deutschland überholte eine<br />
Teuerungswelle die an<strong>der</strong>e, das Geld war immer weniger wert.<br />
Im Frühjahr 1924 wurden dann die <strong>Glocken</strong> in Villingen gegossen und<br />
kamen im Juni nach <strong>Tiengen</strong>. Von den Gesamtkosten von 2796 G M<br />
(Goldmark) kamen die 1921 bezahlten 21 500 Papiermark in Abzug.<br />
Die Nepomuk-Glocke trug die Inschrift<br />
ST. JOHANNES ORA PRO NOBIS --IN EXCELSIS SONITUS LAETITIAE.<br />
Hl. Johannes bitte für uns—In den Höhen ertönt <strong>der</strong> Klang <strong>der</strong> Freude<br />
Die St. Agatha-Glocke trug die Kranzinschrift<br />
„Wie ich einst war, 1924, bin ich wie<strong>der</strong> erstanden. Die mich stifteten<br />
beschütze ich vor Brand“.<br />
Im Jahr 1937 wurde eine elektrische Läuteanlage für 5 <strong>Glocken</strong> von <strong>der</strong><br />
Firma Hörz in Ulm a.d. Donau beschafft. Bis dahin wurden zur Freude<br />
<strong>der</strong> Messdiener die <strong>Glocken</strong> mittels Seil geläutet.<br />
19
Die Rathausglocke<br />
1936 wandte sich Bürgermeister<br />
Gutmann an Stadtpfarrer Dr. Spreter<br />
und ersuchte, die 1917 für die<br />
Friedhofkapelle ausgeliehene alte<br />
Rathausglocke aus dem Jahre 1697<br />
wie<strong>der</strong> an die Stadt zurückzugeben,<br />
damit diese wie<strong>der</strong> ihren Platz auf<br />
dem Türmchen des Rathauses<br />
finde.<br />
Abb. 11: Rathaus <strong>Tiengen</strong><br />
Glocke auf dem Turm <strong>der</strong> Friedhofkapelle<br />
Bürgermeister Gutmann bot an, das<br />
Glöcklein von <strong>der</strong> Hebelschule <strong>der</strong><br />
Friedhofkapelle zu geben. <strong>Der</strong><br />
Stiftungsrat <strong>der</strong> katholischen<br />
Kirchengemeinde beschloss jedoch,<br />
für die Friedhofkapelle eine neue<br />
Glocke anzuschaffen. Bei <strong>der</strong><br />
<strong>Glocken</strong>firma Grüninger in Villingen<br />
wurde eine 40 kg schwere<br />
Bronzeglocke, passend zum<br />
Kirchengeläut im Ton ais“, bestellt.<br />
Die Finanzierung war durch eine<br />
Spende gesichert.<br />
Abb. 12: Friedhofkapelle <strong>Tiengen</strong><br />
20
Wegen Materialknappheit verzögerte sich die Lieferung mehrmals. Die<br />
Firma Grüninger bedauerte dies und machte das Angebot, eine bei ihr<br />
vorrätige Glocke mit Schwengel zu den gleichen Bedingungen zu liefern:<br />
42 kg im ebenfalls passenden Ton fis“ und mit dem Bilde des hl.<br />
Franziskus und <strong>der</strong> Inschrift „Hl. Franziskus bitte für uns“.<br />
Diesem Vorschlag stimmte <strong>der</strong> Stiftungsrat zu und so kam die neue<br />
Friedhofglocke im Januar 1937 in <strong>Tiengen</strong> an.<br />
Erneut dem Krieg zum Opfer gefallen<br />
1939 begann <strong>der</strong> Zweite Weltkrieg. Wie<strong>der</strong> wurden <strong>Glocken</strong> zu<br />
Kriegszwecken gebraucht, besser gesagt „missbraucht“. Eine<br />
„Anordnung zur Durchführung des Vierjahresplanes über die Erfassung<br />
von Nichteisenmetallen“ vom April 1940 von Generalfeldmarschall<br />
Göring sah die Erfassung aller Bronzeglocken vor.<br />
Bronzeglocken bestanden meist aus 80 v.H. Kupfer und 20 v.H. Zinn.<br />
Die <strong>Glocken</strong> wurden in die vier Gruppen A, B, C und D eingeteilt. Nur die<br />
beson<strong>der</strong>s künstlerisch wertvollen und historischen D- <strong>Glocken</strong> waren<br />
von <strong>der</strong> Abnahme befreit. In je<strong>der</strong> Kirchengemeinde sollte nur eine<br />
läutefähige Glocke verbleiben. Hierunter fielen insbeson<strong>der</strong>e die <strong>Glocken</strong><br />
bis zu einem Gewicht von 25 kg. In <strong>Tiengen</strong> sollte demnach nur die<br />
kleinste Glocke mit dem geringsten Gewicht verbleiben.<br />
Die 6 <strong>Glocken</strong> <strong>der</strong> Pfarrgemeinde waren in die Gruppe A eingeteilt<br />
worden und wogen zusammen 4 198 kg. Die kleinste Glocke mit 90 kg<br />
aus dem Jahr 1721 war <strong>der</strong> Gruppe C zugeordnet worden. Gemeldet<br />
werden mussten von <strong>der</strong> Pfarrgemeinde auch die Glocke in <strong>der</strong><br />
Friedhofskapelle und die beiden <strong>Glocken</strong> in Breitenfeld und Detzeln.<br />
In einem Schreiben an das Landratsamt bat die Pfarrgemeinde, doch<br />
zwei <strong>Glocken</strong> mit 380 kg und mit 228 kg behalten zu dürfen und dafür<br />
auf die ganz kleine Glocke in <strong>der</strong> Laterne zu verzichten, die „nicht zum<br />
eigentlichen Geläut <strong>der</strong> Kirche gehört, auch nicht elektrisch bedient<br />
werden kann und ihr Schall für die große Gemeinde viel zu schwach ist“.<br />
21
1950 wurde in <strong>Tiengen</strong> von Stadtpfarrer Fürstos und dem Stiftungsrat<br />
beschlossen, ein neues Geläut anzuschaffen. Am 30. März 1950 wurde<br />
das neue Geläut bei <strong>der</strong> Firma Grüninger in Villingen / Neu-Ulm in<br />
Auftrag gegeben. Die Benennung <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong> orientierte sich an <strong>der</strong><br />
Tradition <strong>der</strong> Pfarrkirche, <strong>der</strong> Pfarrgemeinde und <strong>der</strong> Stadt. So wurde<br />
neu <strong>der</strong> Name St. Anna gewählt, weil sie die Mutter <strong>der</strong> Patronin <strong>der</strong><br />
Kirche, <strong>der</strong> Gottesmutter Maria, ist, und weil sie bereits durch einen Altar<br />
und ein Bild in <strong>der</strong> Pfarrkirche (und auch schon in <strong>der</strong> Vorgängerkirche)<br />
einen Ehrenplatz besitzt.<br />
Das Geläut ab 1950 mit den fünf neuen und den noch vorhandenen zwei<br />
<strong>Glocken</strong>:<br />
Name <strong>der</strong><br />
Glocke<br />
Gussjahr <strong>Glocken</strong>gießer Gewicht<br />
in kg<br />
Nominalton<br />
Sanct Maria 1950 Grüninger/ 2100 cis‘<br />
Villingen<br />
Sanct Josef 1950 1200 e‘<br />
Sanct Anna 800 fis‘<br />
Sanct Sebastian 450 a‘<br />
Sanct Agatha 350 h‘<br />
Sanct Johannes 1887 Rosenlächer 228 cis“<br />
Nepomuk<br />
Konstanz<br />
Totengl. 1721 T. Schalch<br />
Schaffhausen<br />
90<br />
Die Inschriften <strong>der</strong> neu beschafften <strong>Glocken</strong> waren in Versform gehalten.<br />
So hieß die Inschrift auf <strong>der</strong> über 2 t schweren Marienglocke:<br />
Hehre Patronin <strong>der</strong> Klettgaustadt,<br />
Die Dich seit alters erwählet hat,<br />
Sei <strong>der</strong> Gemeinde auch für<strong>der</strong>hin<br />
Herrin, Mutter und Königin<br />
Auf dem Rand einer jeden Glocke stand:<br />
Mich goss Meister Benjamin Grüninger, Villingen, im Heiligen Jahr 1950.<br />
23
Am Sonntag, den 6. August, war feierliche Weihe <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong> durch<br />
Dekan Armbruster von Obereggingen.<br />
Abb. 13: <strong>Glocken</strong> vor den Seitenaltären .Weihe 1950<br />
<strong>Glocken</strong> von 1962/63<br />
Durch eine große Spende für eine große a-Glocke kam erneut<br />
Bewegung in die <strong>Glocken</strong>landschaft. Beson<strong>der</strong>s Stadtpfarrer Fürstos<br />
setzte sich für ein neues Geläut ein. Um ein klanglich einheitliches<br />
Geläut zu schaffen, schien es besser und einfacher neue <strong>Glocken</strong> zu<br />
schaffen, als die neue große gestiftete Glocke dem Klang <strong>der</strong> 1950<br />
angeschafften <strong>Glocken</strong> einzufügen. Die Gießer för<strong>der</strong>ten das<br />
Einschmelzen <strong>der</strong> vorhandenen <strong>Glocken</strong> gegen eine<br />
Materialentschädigung und waren für das Gießen neuer <strong>Glocken</strong>.<br />
Zur Verbesserung des Geläuts wurde beschlossen, die bestehenden drei<br />
kleinen <strong>Glocken</strong> umzugießen und die drei größeren nachzustimmen. Bei<br />
<strong>der</strong> Firma F. W. Schilling in Heidelberg wurde das neue Geläut in Auftrag<br />
gegeben.<br />
Am 19. Juni 1962 trafen die <strong>Glocken</strong>, die neue große a-Glocke und die<br />
drei umgegossenen drei kleinen <strong>Glocken</strong>, in <strong>Tiengen</strong> ein und wurden am<br />
20. Juni, am Vorabend von Fronleichnam von <strong>der</strong> Speditionsfirma in<br />
feierlichem Zug zur Kirche geleitet.<br />
24
Abb. 14: Die <strong>Glocken</strong> in feierlichen Zug auf dem Weg zur Kirche<br />
Am Fronleichnam- Nachmittag war die feierliche <strong>Glocken</strong>weihe durch<br />
Dekan Armbruster. Die Predigt hielt Domkapellmeister Prof. Stemmer<br />
aus Freiburg.<br />
Abb. 15: <strong>Glocken</strong>weihe auf dem Kirchplatz 1962<br />
25
Die Verbesserungen <strong>der</strong> nachgearbeiteten alten noch im Turm<br />
befindlichen „Grüninger- <strong>Glocken</strong>“ hatten nicht den erhofften Erfolg. Bei<br />
Beratungen im Stiftungsrat betr. „Umguss“ <strong>der</strong> drei alten <strong>Glocken</strong> gab es<br />
kritische Stimmen. Allgemein wurde bedauert, dass <strong>der</strong> „Umguss“ nicht<br />
1962 in einem Zug mit den an<strong>der</strong>en vorgenommen wurde. <strong>Der</strong><br />
Beschaffung <strong>der</strong> weiteren drei <strong>Glocken</strong> aus <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong>gießerei<br />
Schilling wurde jedoch zugestimmt.<br />
Im Juni 1963 kamen diese <strong>Glocken</strong> nach <strong>Tiengen</strong>. Zum Schwyzertag<br />
1963 erklang das siebenstimmige Geläut so wie es auch heute noch<br />
erklingt. Die sieben <strong>Glocken</strong> sind im Turm auf zwei Ebenen verteilt.<br />
In <strong>der</strong> unteren <strong>Glocken</strong>stube hängen die beiden größten <strong>Glocken</strong> (St.<br />
Joachim- und St. Marienglocke: siehe Abb.16), darüber die übrigen fünf<br />
<strong>Glocken</strong> (Sebastian- Bru<strong>der</strong>- Klaus- und Annaglocke: Abb.17) und Josefund<br />
Agatha-Glocke: Abb. 23), in <strong>der</strong> Laterne ganz oben die kleinste<br />
Glocke, siehe Abb. 2.<br />
Abb.16: St. Joachim-und St. Maria-Glocke<br />
Wegen <strong>der</strong> neu hinzugekommenen über 4 t schweren St. Joachim-<br />
Glocke war eine Überprüfung <strong>der</strong> Tragfähigkeit des <strong>Glocken</strong>stuhls<br />
26
notwendig geworden. Vor dem Einbau <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong> wurde eine neue<br />
Decke in Stahlbeton eingezogen.<br />
Abb. 17: St. Sebastian-Bru<strong>der</strong> Klaus-Anna-Glocke<br />
27
Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über das jetzt in unserer<br />
Pfarrkirche vorhandene Geläut.<br />
<strong>Glocken</strong>name Guss<br />
In <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong>stube<br />
Tonart Gewicht<br />
kg<br />
Inschrift<br />
St. Joachim 1962 a° 4.013 „Künden will ich Dein<br />
Erbarmen am Morgen und<br />
Deine Treue in <strong>der</strong> Nacht“<br />
Ps 91,3<br />
Marienglocke 1963 cis‘ 2.250 „Großes hat <strong>der</strong> Gewaltige<br />
an mir getan“ Lk 1,44<br />
Hl. Josef 1963 e‘ 1.220 „Die auf den Herrn<br />
vertrauen schöpfen neue<br />
Kraft, entfalten Schwingen<br />
Adlern gleich“<br />
Jes 40,31<br />
Hl. Mutter<br />
Anna<br />
1963 fis‘ 850 “Sein Erbarmen währet<br />
von Geschlecht zu<br />
Geschlecht”<br />
Lk 1,50<br />
Hl. Sebastian 1962 a‘ 610 “Deine Heiligen, o Herr,<br />
künden den Ruhm Deines<br />
Reiches”<br />
nach Ps 145,11<br />
Hl. Agatha 1962 h‘ 425 “Ich weihe mein Werk dem<br />
König”<br />
Ps 45,2<br />
Hl. Bru<strong>der</strong><br />
Klaus<br />
In <strong>der</strong> Laterne<br />
1962 cis“ 313 „Friede herrsche in Deinen<br />
Mauern“<br />
Ps 127,7<br />
1721 g“ 90 „Endglöckle“- Totenglocke<br />
Die kleine Totenglocke hat einen Durchmesser von 45 cm, während<br />
die große St. Joachim- Glocke einen Durchmesser von 181 cm<br />
besitzt.<br />
28
Die ersten vier <strong>Glocken</strong> stellen die biblisch-marianische Linie dar, die<br />
fünfte und sechste Glocke sind geweiht auf die Stadtpatrone St.<br />
Sebastian und St. Agatha, <strong>der</strong>en Altäre in <strong>der</strong> Kirche stehen und die in<br />
<strong>der</strong> Kirche mehrfach auf Bil<strong>der</strong>n und als Skulpturen zu sehen sind.<br />
Die Entwürfe zu den Bil<strong>der</strong>n und Symbolen auf den <strong>Glocken</strong> stammen<br />
von <strong>der</strong> nach einer Kin<strong>der</strong>lähmung mit dem Mund malenden Künstlerin<br />
Irene Schricker (1927-1991)<br />
aus <strong>Tiengen</strong>. Auf <strong>der</strong> St.<br />
Sebastian-Glocke sehen wir<br />
den Pfahl, an den <strong>der</strong> Heilige<br />
gebunden wurde und die auf<br />
ihn abgeschossenen Pfeile.<br />
Abb. 18 Symbol auf <strong>der</strong> St. Seabastian-Glocke<br />
Das Kreuz steht für den<br />
festen Glauben des Heiligen<br />
zu seinem Herrn Jesus<br />
Christus.<br />
Das heutige siebenstimmige Geläut mit <strong>der</strong> Tonfolge<br />
a°-cis‘-e‘-fis‘-a‘-h‘-cis‘‘<br />
ist eng mit dem Gottesdienst und <strong>der</strong> zu diesem Dienst sich sammelnden<br />
Gemeinde verbunden. Gemäß den unterschiedlichen Anlässen im<br />
Kirchenjahr o<strong>der</strong> den jeweiligen Tageszeiten ist in <strong>der</strong> sog.<br />
Läuteordnung<br />
festgelegt, wann und wie lange und mit wie vielen <strong>Glocken</strong> das Geläut<br />
erklingt. Für die katholische Gemeinde <strong>Tiengen</strong> ist nie<strong>der</strong>gelegt, dass 15<br />
Minuten vor Beginn von Festgottesdiensten alle sieben <strong>Glocken</strong> Nr. 7 bis<br />
Nr. 1 erklingen, an gewöhnlichen Sonntags-bzw.<br />
Vorabendgottesdiensten die fünf <strong>Glocken</strong> Nr.6 bis Nr. 2.<br />
Beim Anschalten und auch beim Abschalten erklingt immer die kleinste<br />
Glocke zuerst. Während des Gottesdienstes zur Wandlung erklingt die<br />
29
größte Glocke im jeweiligen Geläut. Zum Angelus erklingt um 6:30 Uhr<br />
und um 12 Uhr die Glocke Nr. 5, an Feiertagen erklingt um 12 Uhr die<br />
große Glocke Nr. 1, an Sonntagen die Glocke Nr. 2.<br />
Bei Beerdigungsgottesdiensten in <strong>der</strong> Kirche ertönen die <strong>Glocken</strong> Nr. 3<br />
bis Nr. 6. Beim Weggang von <strong>der</strong> Kirche zum Friedhof erklingt das<br />
Totenglöcklein. Bei Beerdigungsgottesdiensten in <strong>der</strong><br />
Gottesackerkapelle wird das dortige Glöcklein geläutet.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Glocken</strong>schlag<br />
„Hört ihr Leut und lasst euch sagen,<br />
unsre Glock hat zehn, elf, zwölf, eins geschlagen….“<br />
so singt <strong>der</strong> „Nachtwächter“ Hubert Baumgartner am Ende des<br />
Heimatabends am Schwyzertag auf dem Kirchplatz. Jede Viertelstunde<br />
macht die Turmuhr durch <strong>Glocken</strong>schläge auf sich aufmerksam und jede<br />
volle Stunde meldet sie weithin hörbar die Zeit.<br />
Vom „Anschlagen“ einer Glocke spricht man, wenn ein Hammer von<br />
außen auf die still hängende Glocke aufschlägt, während beim „Läuten“<br />
die Glocke hin und her schwingt und <strong>der</strong> Klang durch das Aufschlagen<br />
des im Innern pendelnden Klöppel auf den Rand <strong>der</strong> Glocke entsteht.<br />
<strong>Der</strong> Stundenschlag, das regelmäßige Schlagzeichen zur vollen Stunde,<br />
oft auch zur Viertelstunde, stammt aus dem Mittelalter, als <strong>der</strong> Großteil<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung keine Uhr hatte und von <strong>der</strong> Turmuhr <strong>der</strong> Kirche<br />
abhängig war. Die Anzahl <strong>der</strong> Schläge <strong>der</strong> tontiefen Glocke zeigt an,<br />
welche Stunde gerade vollendet ist, dabei gilt das 12-Stunden- System.<br />
<strong>Der</strong> Stundenschlag folgt dem jeweiligen Viertelstundenschlag. Die<br />
Viertelschläge werden in <strong>der</strong> katholischen Kirche in <strong>Tiengen</strong> auf drei<br />
<strong>Glocken</strong> durchgeführt, auf die St. Anna-Glocke mit dem Ton fis‘, die St.<br />
Josef-Glocke in e‘ und die St. Marien-Glocke in cis‘. Da von diesen rasch<br />
aufeinan<strong>der</strong> folgenden drei <strong>Glocken</strong>schlägen <strong>der</strong> letzte Schlag auf die St.<br />
Marienglocke am besten zu hören ist, werden die ersten beiden<br />
<strong>Glocken</strong>schläge nicht immer wahrgenommen, so dass viele meinen, <strong>der</strong><br />
Viertelstundenschlag <strong>der</strong> katholischen Kirche bestehe nur aus einem<br />
<strong>Glocken</strong>schlag. Die Anzahl <strong>der</strong> Stundenschläge <strong>der</strong> tiefen und größten<br />
30
a°-St. Joachim-Glocke zeigt an , welche Stunde gerade vollendet ist. Um<br />
16:45 Uhr sind 3 Viertelstundenschläge<br />
und 4 Stundenschläge angesagt.<br />
fis ‘ -e ‘ -cis ‘ / fis ‘ -e ‘ -cis ‘ / fis ‘ -e ‘ -cis ‘ // a°-a°-a ° -a°<br />
Heute überprüft <strong>der</strong> eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e vielleicht beim <strong>Glocken</strong>schlag, ob<br />
seine Uhr genau geht. Auf die funkgesteuerte Turmuhr ist Verlass.<br />
Unser Mesner Achim Bucher bedient die <strong>Glocken</strong> von einer Schalttafel<br />
aus. Auch die Totenglocke in <strong>der</strong> Laterne wird heute elektrisch geläutet.<br />
Religiös verstanden sagt uns <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong>schlag: Unsere Zeit ist in<br />
Gottes Hand. Dies sagt uns auch die Uhr über dem Hochaltar in <strong>der</strong><br />
Kirche.<br />
<strong>Glocken</strong> <strong>der</strong> Evangelischen Christuskirche <strong>Tiengen</strong><br />
In den Jahren 1905/06 wurde in<br />
<strong>Tiengen</strong> die Christuskirche für die<br />
Evangelische Kirchengemeinde<br />
<strong>Tiengen</strong> erbaut.<br />
Die Kirche erhielt aus <strong>der</strong><br />
<strong>Glocken</strong>gießerei Johann Georg<br />
Pfeiffer in Kaiserslautern ein<br />
dreiglockiges Geläut mit den Tönen<br />
f-as-c im f- Moll- Dreiklang, 885 kg,<br />
520 kg und 260 kg schwer.<br />
Abb. 19: Evangelische Christus-Kirche <strong>Tiengen</strong><br />
31
Erster Weltkrieg<br />
Am 27. Juli 1917 wurde die „c- Glocke“ vom Turm heruntergeholt und<br />
abgeliefert. Die beschlagnahmte und vorläufig zurückgestellte „as-<br />
Glocke“ kam glücklicherweise nicht mehr zum Abtransport.<br />
Nach 1917 bestand das Geläut <strong>der</strong> Christus- Kirche aus zwei <strong>Glocken</strong>:<br />
Die 885 kg schwere Glocke im Ton f vom Jahr 1906 hatte die Inschrift<br />
CHRISTUS DER MEISTER IST DA UND RUFT DICH<br />
Die 520 kg schwere Glocke im Ton as vom Jahr 1906 trug die Inschrift<br />
LUTHER<br />
EIN FESTE BURG IST UNSER GOTT<br />
1936 bestellte die Kirchengemeinde mit Stadtpfarrer H. Burckhardt bei<br />
<strong>der</strong> Karlsruher Gießerei Bachert drei neue <strong>Glocken</strong>. Die noch auf dem<br />
Turm befindlichen zwei <strong>Glocken</strong> wurden zum Materialwert an die<br />
Gießerei Bachert abgegeben.<br />
Die <strong>Glocken</strong> von 1936:<br />
Name <strong>der</strong> Sinnspruch Symbol Ton<br />
Glocke<br />
„Liebe“ „Bleibet in meiner Liebe“ „<strong>Der</strong> Gekreuzigte“ Große<br />
(fis)<br />
„Freude“ „Ich verkündige euch<br />
große Freude“<br />
„Weihnachtskrippe“ Mittlere<br />
(gis)<br />
„Friede“ „Meinen Frieden gebe<br />
ich euch“<br />
„<strong>Der</strong><br />
Auferstandene“<br />
Kleine<br />
(h)<br />
Die <strong>Glocken</strong>disposition, d.h. die Folge <strong>der</strong> einzelnen Schlagtöne, war in<br />
Abstimmung mit dem Geläut <strong>der</strong> Katholischen Kirche <strong>Tiengen</strong> festgelegt<br />
worden.<br />
Am Sonntag, dem 13. Dezember 1936, segnete Pfarrer Burckhardt in<br />
einem feierlichen Gottesdienst in <strong>der</strong> Kirche die <strong>Glocken</strong> ein.<br />
32
Abb. 20: Die <strong>Glocken</strong> von 1936 vor <strong>der</strong> Kirche<br />
Ab 1936 wurde das Läuten auf elektrischen Betrieb umgestellt. Die<br />
<strong>Glocken</strong>seile blieben für Notfälle und wurden erst in den 70er Jahren<br />
entfernt.<br />
In seinem Glückwunschschreiben schrieb Pfarrer Dr. Spreter im Namen<br />
<strong>der</strong> Katholischen Pfarrgemeinde an seinen evangelischen Mitbru<strong>der</strong><br />
Pfarrer Burckhardt:<br />
„Wie tief soll es immer in den Herzen unserer gemeinsamen Mitbürger<br />
empfunden werden, daß das <strong>Glocken</strong>geläut bei<strong>der</strong> Kirchen<br />
zusammenstimmt. Diese einträchtige Stimmung <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong><br />
herbeizuführen, das soll Ihnen und Ihrer Gemeinde beson<strong>der</strong>s verdankt<br />
sein.“<br />
1942: Erneut ein Opfer des Krieges<br />
Wie<strong>der</strong> mussten von den Türmen die <strong>Glocken</strong> heruntergeholt werden, in<br />
<strong>der</strong> Evangelischen Christuskirche am 18. April die beiden größten<br />
<strong>Glocken</strong> mit den Namen „Liebe“ und „Freude“<br />
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Dass die kleine Glocke mit dem<br />
Namen „Friede“ den Krieg<br />
überstand und bis 1956 allein<br />
ihren <strong>Ruf</strong> erschallen ließ, kann als<br />
Mahnung zur Bewahrung des<br />
Friedens gelten.<br />
Abb. 21: Die „Friede“-Glocke von 1936<br />
Nach dem Zweiten. Weltkrieg<br />
Im Jahre 1956 wurde das Geläut durch die Gemeinde mit Stadtpfarrer<br />
Richard Großkopf dann wie<strong>der</strong> ergänzt. Bei <strong>der</strong> Gießerei Bachert<br />
wurden zwei neue <strong>Glocken</strong> in fis und gis und mit den gleichen Inschriften<br />
am 3. August 1956 gegossen. Die verbliebene „h“-Glocke“ wurde zur<br />
Korrektur nach Karlsruhe gebracht, auch um zur „cis- Glocke“ <strong>der</strong> kath.<br />
Kirche abgestimmt zu werden.<br />
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Abb. 22: Die <strong>Glocken</strong> vor <strong>der</strong> Einsegnung in <strong>der</strong> Christus-Kirche<br />
Die Läuteordnung für das dreistimmige fis-gis-h Geläut <strong>der</strong><br />
Christuskirche legt fest, dass sieben Minuten vor Beginn <strong>der</strong><br />
Gottesdienste das Läuten einsetzt. So laden alle drei <strong>Glocken</strong> ein zum<br />
Gottesdienst am Sonntag, zu den Kirchlichen Trauungen,<br />
Taufgottesdiensten, zur <strong>der</strong> Konfirmation, zu den Gottesdiensten am<br />
Gründonnerstag, in <strong>der</strong> Osternacht und am Buß- und Bettag.<br />
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Zu einer Taufhandlung, einer Einsegnung bei einer Trauung, <strong>der</strong><br />
Einsegnung bei <strong>der</strong> Konfirmation und zum Vaterunser erklingt die<br />
Glocke Nr. 3.<br />
Das Läuten zum Vaterunser hat in den evangelischen Kirchen eine<br />
längere Tradition. Eine Gottesdienstordnung aus dem Jahr 1724<br />
kommentiert dies so: „Denen so ausser <strong>der</strong> Kirchen seyend zum<br />
zeichen/daß sie mit denen/so im Gottes haußseyend/ihre Hände zu Gott<br />
aufheben und mitbeten sollen.“<br />
Die Glocke Nr. 2 zeigt einen Sterbefall an.<br />
Alle <strong>Glocken</strong> erklingen, wenn am Samstagabend um 18 Uhr <strong>der</strong> Sonntag<br />
eingeläutet wird.<br />
An Werktagen erklingen um 19:30 Uhr die <strong>Glocken</strong> Nr.1 bis 3. Sie wollen<br />
dazu beitragen, dass wir kurz innehalten und etwas Abstand gewinnen<br />
von dem, was uns an diesem Tag umgetrieben hat, um uns die Augen<br />
und Herzen zu öffnen für die wesentlichen Dinge in unserem Leben.<br />
Am Schwyzertag und in <strong>der</strong> Neujahrsnacht 0:00 Uhr läuten die<br />
aufeinan<strong>der</strong> abgestimmten drei <strong>Glocken</strong> <strong>der</strong> Evangelischen<br />
Christuskirche gemeinsam mit den sieben <strong>Glocken</strong> <strong>der</strong> Katholischen<br />
Kirche <strong>Tiengen</strong>- ein schönes Zeichen guten Miteinan<strong>der</strong>s.<br />
Die <strong>Glocken</strong> werden angeschaltet in <strong>der</strong> Reihenfolge 3-2-1 und<br />
abgeschaltet in <strong>der</strong> Reihenfolge 1-2-3.<br />
Die Botschaft <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong><br />
<strong>Glocken</strong> haben uns Menschen schon immer in ihren Bann gezogen. Vor<br />
allem in Krisenzeiten während Kriegen o<strong>der</strong> Revolutionen gewannen sie<br />
für Christen eine noch stärkere Bedeutung. Ihr Klang dringt in die Herzen<br />
<strong>der</strong> Menschen.<br />
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Abb. 23: Die St. Josef- und St. Agatha- Glocke in <strong>der</strong> kath. Kirche<br />
Die <strong>Glocken</strong> laden die Gläubigen zum Gottesdienst, verkünden das Lob<br />
Gottes, erklingen bei <strong>der</strong> Taufe, richten die Mutlosen auf, mahnen zum<br />
Gebet, geben den Toten das Geleit und trösten die Trauernden.<br />
Das <strong>Glocken</strong>geläut bestimmte früher den bäuerlichen Tagesablauf. So<br />
weckte <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong>klang in <strong>der</strong> Frühe die Menschen auf.<br />
<strong>Der</strong> Autor dieser Zeilen kann sich noch erinnern: Wenn unten im Dorf um<br />
11 Uhr die <strong>Glocken</strong> zum Angelus, zum „Engel des Herrn“ läuteten, so<br />
war dies das Zeichen für die Frauen, nach Hause zu gehen, um das<br />
Mittagessen zuzubereiten. Ich sehe auch noch meine Großmutter, wie<br />
sie beim Angelus-Geläut ihre Arbeit kurz unterbrach und den „Engel des<br />
Herrn“ betete. Als Uhren noch nicht verbreitet waren, gaben die<br />
Kirchturmuhr und <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong>schlag die Zeit an. In <strong>der</strong> Stadt war <strong>der</strong><br />
Klang <strong>der</strong> „12-Uhr-Glocke“ für die Arbeiter das Zeichen, Mittag zu<br />
machen. Wenn mitten im Tag plötzlich die kleinste Glocke , die<br />
Scheidezeichenglocke erklang, wussten die Menschen: Es ist jemand<br />
aus <strong>der</strong> Gemeinde gestorben. Erfolgte das Scheidezeichen dreimal, so<br />
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war ein Mann gestorben, wenn zweimal eine Frau und einmal so betraf<br />
es ein Kind.<br />
Zwischen den bürgerlichen Gemeinden und Kirchengemeinden bestand<br />
eine Vereinbarung, nach welcher die bürgerlichen Gemeinden das Recht<br />
hatten, bei allgemeinen Notfällen wie Feuersgefahr o<strong>der</strong> Hochwasser die<br />
Kirchenglocken zu benutzen.<br />
Früher wurden auch aus beson<strong>der</strong>en nichtkirchlichen Anlässen geläutet,<br />
so etwa bei Geburtstagen des Großherzogs o<strong>der</strong> Kaisers.<br />
Friedrich von Schiller stellt seinem „Lied von <strong>der</strong> Glocke“ die Worte<br />
voraus:<br />
Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango<br />
Die Lebenden rufe ich, die Toten beweine ich, die Blitze breche ich.<br />
Früher glaubten viele, dass <strong>der</strong> durch die <strong>Glocken</strong> erzeugte Lärm das<br />
Gewitter verscheuchen könne. Darin enthielten sich wohl Reste<br />
vorchristlicher Vorstellungen von <strong>der</strong> die Dämonen vertreibenden Kraft<br />
des <strong>Glocken</strong>klanges. <strong>Der</strong> Ursprung dieses Läutens bei drohendem<br />
Unwetter aber lag neben <strong>der</strong> Warnfunktion für die Bevölkerung darin,<br />
dass das <strong>Glocken</strong>geläut als Stimme Christi interpretiert wurde, <strong>der</strong> dem<br />
Unwetter Einhalt bot, als ihn die Jünger beim Sturm auf dem See voller<br />
Angst um Hilfe riefen (Mt 8,23-27).<br />
Am 11. September 1831 schickte das Großherzogliche Bezirksamt ein<br />
Schreiben an die Stadtgemeinde Thiengen, in <strong>der</strong> es hieß: „Dem<br />
Vernehmen nach soll in den meisten Gemeinden des kath. Klettgaus <strong>der</strong><br />
Mißbrauch des Gewitterläutens bestehen, und in dieser Voraussetzung<br />
ist uns aufgetragen worden, diese ver<strong>der</strong>bliche Gewohnheit nach <strong>der</strong><br />
bestehenden Verordnung vom 19. April 1808 sogleich abzuschaffen.<br />
Hierzu erteilen wir dem Großherzoglichen Pfarramt Nachricht.“<br />
<strong>Der</strong> NS- Staat (1933-1945) versuchte immer wie<strong>der</strong> Einfluss auf das<br />
Läuten von Kirchenglocken zu nehmen. So sollten nach einem Erlass<br />
des Ministers des Innern vom 23. November 1939 von abends 18 Uhr<br />
bis morgens 8 Uhr die Kirchenglocken schweigen In einem Erlass des<br />
Ministers des Kultus und Unterrichts vom 8. 12. 1941 an die<br />
Polizeibehörden in Baden und im Elsass betr. Läuten <strong>der</strong> Kirchenglocken<br />
bei Beerdigungen von „Gottgläubigen“ hieß es dass, „in den Fällen, in<br />
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welchen örtliche kirchliche Stellen einem Wunsch die <strong>Glocken</strong> bei einer<br />
Beerdigung zu läuten , nicht entsprechen zu können glauben, das<br />
<strong>Glocken</strong>geläut durch die Ortspolizeibehörde herbeigeführt werden<br />
müsse.“ <strong>Der</strong> Freiburger Erzbischof legte Protest ein und wies die<br />
Pfarrämter darauf hin, dass es nicht ihre Pflicht ist, zum Läuten von<br />
Kirchenglocken bei Beerdigungen von Nichtchristen mitzuwirken.<br />
Ausblick<br />
Zum Glück leben wir heute in einer Zeit, in <strong>der</strong> wir nicht befürchten<br />
müssen, dass die <strong>Glocken</strong> zum Verstummen gebracht o<strong>der</strong> zu fremden<br />
Zwecken missbraucht werden. Wenn es gelegentlich in Gemeinden zu<br />
Beschwerden kommt, so gelten diese meist nicht dem schwingenden<br />
Läuten, son<strong>der</strong>n dem als störend empfundenem nächtlichen Zeitschlag.<br />
Diesem Anliegen kann in <strong>der</strong> Regel entsprochen werden, ist es ja nicht<br />
die Absicht, Menschen zu Unzeiten zu wecken.<br />
Das Läuten <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong> wird heute als ein selbstverständlicher Teil<br />
christlich- abendländischer Kultur angesehen, doch die Sprache <strong>der</strong><br />
<strong>Glocken</strong> ist heute manchen Zeitgenossen fremd geworden.<br />
Möge <strong>der</strong> Klang <strong>der</strong> <strong>Glocken</strong> uns den Blick nach oben und zueinan<strong>der</strong><br />
stets aufs Neue öffnen.<br />
Quellen<br />
Archiv <strong>der</strong> katholischen Pfarrgemeinde Mariä Himmelfahrt <strong>Tiengen</strong>,<br />
Faszikel IX,3. IX,6<br />
Archiv <strong>der</strong> evangelischen Kirchengemeinde <strong>Tiengen</strong><br />
Staatsarchiv Freiburg S 44/1, Nr. 46<br />
Deutscher <strong>Glocken</strong>atlas, Bd. 4 Baden, Kunstverlag München 1985<br />
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