OLG Schleswig - RA-Micro
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<strong>OLG</strong> <strong>Schleswig</strong><br />
Beschluss vom 03.03.2008<br />
- 15 WF 9/08 -<br />
Tenor<br />
Die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Itzehoe vom<br />
28. Dezember 2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht –<br />
Itzehoe vom 11. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.<br />
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten<br />
werden nicht erstattet.<br />
Gründe<br />
I.<br />
Mit Beschluss vom 13.08.2007 hat das Amtsgericht – Familiengericht –<br />
Itzehoe dem Beklagten Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die<br />
Klage auf nachehelichen Ehegattenunterhalt bewilligt und den<br />
Beschwerdegegner beigeordnet. Im Termin zur mündlichen Verhandlung<br />
haben sich die Parteien über Ehegattenunterhaltsansprüche und<br />
Kindesunterhaltsansprüche für die beiden gemeinsamen Kinder verglichen.<br />
Das Familiengericht hat die Prozesskostenhilfebewilligung auf den<br />
Vergleich erstreckt.<br />
Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hatte diesen außergerichtlich<br />
vertreten, hierfür jedoch keine Geschäftsgebühr abgerechnet und auch<br />
keine Gebühren im Rahmen von Beratungshilfe erhalten. Nach Abschluss<br />
des Verfahrens hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am<br />
21.09.2007 beantragt, seine Vergütung als beigeordneter Rechtsanwalt in<br />
Höhe von insgesamt 1.208,56 Euro festzusetzen. Er hat unter anderem<br />
beantragt, eine 1,3 Verfahrensgebühr nach dem Gegenstandswert der<br />
Hauptsache über 6.852,00 Euro gemäß § Nr. 3100 VV RVG in Verbindung<br />
mit § 49 RVG in Höhe von 299,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer<br />
festzusetzen.<br />
Am 23.10.2007 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung<br />
antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen hat die Bezirksrevisorin beim<br />
Landgericht Itzehoe am 12.11.2007 Erinnerung eingelegt, soweit eine im<br />
vorgerichtlichen Verfahren entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300<br />
1
VV RVG nicht zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG<br />
gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG angerechnet worden ist. Zur<br />
Begründung hat die Bezirksrevisorin ausgeführt, dass sich aus dem zu den<br />
Akten gereichten Schriftverkehr ergebe, dass der Prozessbevollmächtigte<br />
des Beklagten bereits vorgerichtlich für diesen tätig gewesen sei. Es<br />
müsste somit eine Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG entstanden sein. Nach<br />
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Geschäftsgebühr bei<br />
Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV<br />
RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen<br />
und nicht umgekehrt die Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr. Die<br />
Vorschrift des § 58 RVG sei nicht anwendbar, da keine Zahlungen geleistet<br />
worden seien. Die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO stehe nicht<br />
der Anrechnung der Geschäftsgebühr und der Geltendmachung derselben<br />
durch den Rechtsanwalt gegenüber dem Mandaten entgegen. Die<br />
Sperrwirkung greife nicht für Vergütungsansprüche des Rechtsanwaltes<br />
ein, die darauf beruhten, dass er zeitlich außerhalb des Umfangs der<br />
Beiordnung auftragsgemäß tätig geworden sei. Die Formulierung nach der<br />
Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG mache keinen Unterschied, ob es<br />
sich um eine nach § 13 Abs. 1 RVG oder § 49 RVG vergütete<br />
Verfahrensgebühr handele.<br />
Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.<br />
Mit Beschluss vom 11.12.2007 hat die Familienrichterin die Erinnerung der<br />
Landeskasse als unbegründet zurückgewiesen und die Beschwerde gegen<br />
die Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur<br />
Entscheidung stehenden Frage zugelassen. Zur Begründung führt die<br />
Richterin aus, dass die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens<br />
nicht nach der Anrechnungsregelung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG zu<br />
kürzen sei, weil im Prozesskostenhilfeerstattungsverfahren diese<br />
Anrechnungsregelung keine Anwendung finde. Die Anwendung der<br />
Anrechnungsregelung würde die gerichtliche Vergütungsfestsetzung für<br />
den beigeordneten Rechtsanwalt erheblich komplizieren und mit<br />
materiellen Rechtsfragen überfrachten. Der Rechtspfleger müsste dann<br />
nämlich zunächst Feststellungen treffen, ob und zu welchem Streitwert<br />
eine außergerichtliche Geschäftsgebühr bei dem beigeordneten Anwalt<br />
überhaupt entstanden sei. Auch sei die ermittelte Geschäftsgebühr<br />
zunächst nach § 58 RVG auf mögliche überschießende<br />
Wahlanwaltsgebühren und Auslagen zu verrechnen, die ebenfalls zu<br />
ermitteln seien. Erst dann könne in die Prüfung eingetreten werden, in<br />
welcher Höhe eine Anrechnung auf die angefallene gerichtliche<br />
Verfahrensgebühr zu erfolgen habe. Sinn und Zweck der<br />
Anrechnungsnormen im RVG sei es, den Mandanten im Verhältnis zu<br />
seinem Rechtsanwalt zu privilegieren, indem er die halbe Geschäftsgebühr<br />
spare, falls der Rechtsanwalt in gleicher Angelegenheit noch gerichtlich<br />
tätig werde. Nicht die gegnerische Partei und ebenso wenig die<br />
Landeskasse solle von dieser Vorschrift profitieren.<br />
2
Gegen die richterliche Entscheidung hat die Bezirksrevisorin bei dem<br />
Landgericht am 28.12.2007 Beschwerde eingelegt und sich im<br />
Wesentlichen auf die Begründung der vorangegangenen Erinnerung<br />
bezogen.<br />
Die Familienrichterin hat der Beschwerde nicht abgeholfen.<br />
II.<br />
Die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 3<br />
RVG statthaft.<br />
Die Beschwerde gegen die Vergütungsfestsetzung hat in der Sache keinen<br />
Erfolg.<br />
Dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten steht gemäß §§ 45, 55 RVG<br />
ein Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse in der festgesetzten Höhe<br />
zu. Nach § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe<br />
beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung in Verfahren vor den<br />
Gerichten eines Landes aus der Landeskasse. Mit dem Begriff "gesetzliche<br />
Vergütung" wird nicht auf die Wahlanwaltsvergütung oder Regelvergütung<br />
gemäß § 13 ff. RVG verwiesen, sondern im Rahmen der<br />
Prozesskostenhilfe auf die der Höhe nach begrenzte Vergütung gemäß §<br />
49 RVG.<br />
Die für das außergerichtliche Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten<br />
des Beklagten nach Nr. 2300 RVG entstandene Geschäftsgebühr, deren<br />
Höhe vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht mitgeteilt worden<br />
ist, ist im vorliegenden Fall nicht auf den Anspruch gegen die Landeskasse<br />
auf Zahlung der Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren<br />
anzurechnen, sondern vorrangig auf die Differenz zwischen der<br />
Regelvergütung und dem Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse.<br />
Nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG ist, soweit wegen desselben<br />
Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 entstanden<br />
ist, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchsten mit einem Gebührensatz von<br />
0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen.<br />
Diese Regelung gestaltet das Vergütungsverhältnis zwischen dem<br />
Rechtsanwalt und Mandanten und hat damit auch Auswirkungen auf den<br />
Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse. Aufgrund der<br />
Forderungssperre in § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann der beigeordnete<br />
Rechtsanwalt Ansprüche auf Vergütung gegen die eigene Partei nicht<br />
geltend machen, er erhält stattdessen einen Vergütungsanspruch gegen<br />
die Landeskasse. Aufgrund des Ersatzcharakters des Vergütungsanspruchs<br />
gegen die Landeskasse können im Verhältnis des beigeordneten<br />
Rechtsanwalts zur Landeskasse grundsätzlich keine anderen<br />
Vergütungsregelungen gelten als im Innenverhältnis des Rechtsanwalts<br />
3
zum Mandanten ohne die Forderungssperre gelten würde. Dies gilt<br />
grundsätzlich, sofern nicht eine speziellere gesetzliche Regelung eingreift,<br />
wie beispielsweise die Begrenzung der Höhe der Vergütung nach § 49<br />
RVG.<br />
Hiervon unabhängig und im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden ist die<br />
in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob die<br />
Anrechnungsregelung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG auch im Rahmen<br />
des prozessualen Kostenerstattungsanspruches gegen den Gegner gelten<br />
soll.<br />
Die Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG regelt nicht, ob die außergerichtlich<br />
entstandene Geschäftsgebühr anteilig zunächst auf die Verfahrensgebühr<br />
für das gerichtliche Verfahren im Rahmen des Vergütungsanspruchs gegen<br />
die Landeskasse zu verrechnen ist oder zunächst einmal auf die meist<br />
höhere Verfahrensgebühr im Rahmen der Regelvergütung nach § 13 ff.<br />
RVG. Diese Frage wird nach Auffassung des Senates durch die speziellere<br />
Vorschrift des § 58 Abs. 2 RVG geregelt. Nach § 58 Abs. 2 RVG sind<br />
Vorschüsse oder Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der<br />
Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütung anzurechnen, für die<br />
ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den<br />
Voraussetzungen des § 50 RVG besteht. Hiernach kann der beigeordnete<br />
Rechtsanwalt Zahlungen auf den anzurechnenden Teil der<br />
Geschäftsgebühr zunächst auf die Differenz zwischen<br />
Wahlanwaltsvergütung und Prozesskostenhilfevergütung verrechnen, für<br />
die er keinen Anspruch gegenüber der Staatskasse hat. Der<br />
anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr ist von der aus der Staatskasse<br />
im Rahmen der Beiordnung zu zahlenden Vergütung nur dann abzusetzen,<br />
wenn sich keine Differenz zwischen Wahlanwaltsvergütung und<br />
Prozesskostenhilfevergütung gibt und auch keine Auslagen entstanden<br />
sind, die nicht aus der Staatskasse erstattet werden (<strong>OLG</strong> Frankfurt,<br />
Beschluss vom 27.04.2006, JurBüro 2007, 149; Enders, Anrechnung der<br />
Geschäftsgebühr bei Prozesskostenhilfe im nachfolgenden Rechtsstreit,<br />
JurBüro 2005, Seite 281 ff.). Dabei ist nach Sinn und Zweck der Regelung<br />
in § 58 Abs. 2 RVG keine Differenzierung dahingehend vorzunehmen, ob<br />
die Geschäftsgebühr für das außergerichtliche Tätigwerden vom<br />
Auftraggeber bereits vor Geltendmachung des Vergütungsanspruchs<br />
gegen die Landeskasse, nach Festsetzung der Vergütung oder gar nicht<br />
gezahlt worden ist. Zahlt der Auftraggeber die Geschäftsgebühr, so ist<br />
nicht nur die Zahlung auf die Differenz zwischen Regelvergütung und<br />
Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse zu verrechnen, sondern<br />
insoweit auch bereits die entstandene Geschäftsgebühr, soweit sie anteilig<br />
auf die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren anzurechnen ist.<br />
Würde man anderenfalls zwar die Zahlung auf die Differenz verrechnen,<br />
jedoch die anteilige Geschäftsgebühr allein auf den Vergütungsanspruch<br />
gegen die Landeskasse anrechnen, so würde sich ein Auseinanderfallen<br />
4
von Verrechnung der Zahlung und des zugrunde liegenden Anspruchs<br />
ergeben.<br />
Eine vorrangige Verrechnung der anteilig anzurechnenden<br />
Geschäftsgebühr auf die Differenz zwischen der Regelvergütung und<br />
Wahlanwaltsvergütung ist auch dann vorzunehmen, wenn die<br />
Geschäftsgebühr noch nicht gezahlt worden ist. Denn andernfalls würde es<br />
vom Zeitpunkt der Zahlung und damit von einem Umstand, auf den der<br />
Rechtsanwalt keinen Einfluss hat, abhängen, ob die Verrechnung der<br />
anteiligen Geschäftsgebühr auf<br />
den Prozesskostenhilfevergütungsanspruch gegen die Staatskasse erfolgt<br />
oder auf die Differenz zwischen der Regelvergütung und der<br />
Prozesskostenhilfevergütung. Auch müsste gegebenenfalls eine<br />
Nachfestsetzung erfolgen, wenn der Mandant die Geschäftsgebühr zahlt,<br />
nachdem bereits der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse<br />
festgesetzt worden ist.<br />
Würde man bei Nichtzahlung der Geschäftsgebühr durch den Mandanten<br />
die anteilige Geschäftsgebühr stets auf den Vergütungsanspruch gegen<br />
die Staatskasse anrechnen, so würde der Anwalt doppelt benachteiligt<br />
werden. Denn er erhielte dann nicht nur keine Zahlung auf die<br />
außergerichtliche Geschäftsgebühr durch den Mandanten, sondern es<br />
würde sich auch der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse<br />
verringern. Diese Ungleichbehandlung rechtfertigt sich nicht vor dem<br />
Hintergrund, dass der beigeordnete Anwalt durch die Gebührentabelle zu<br />
§ 49 RVG bereits im Rahmen der Prozesskostenhilfe bei<br />
Gegenstandswerten über 3000 Euro eine geringere Vergütung als die<br />
Regelvergütung erhält.<br />
Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat eine Wahlanwaltsvergütung<br />
in Höhe von insgesamt 2.445,21 Euro angemeldet. Hierin enthalten ist<br />
eine 1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 487,50 Euro zzgl. Mehrwertsteuer.<br />
Die Höhe der Wahlanwaltsvergütung ist von der Beschwerdeführerin nicht<br />
angegriffen worden. Es ergibt sich eine Differenz in Höhe von 1.236,65<br />
Euro zu dem Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse. Maximal<br />
anrechenbar ist eine 0,75 Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert<br />
von 6.852,00 Euro in Höhe der Regelvergütung, dass heißt 281,25 Euro<br />
zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer = 334,69 Euro. Dieser Betrag liegt weiter<br />
unter der Differenz zwischen der Regelvergütung und dem<br />
Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, so dass die Anrechnung nicht<br />
zu einer Reduzierung des Vergütungsanspruches gegen die Staatskasse<br />
führt.<br />
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 RVG.<br />
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