PF-2092
Johann Kuhnau Welt adieu, ich bin dein müde / World adieu, I tire of you
Johann Kuhnau Welt adieu, ich bin dein müde / World adieu, I tire of you
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und Figuration, zeigen dem Ausführenden der Continuo-<br />
Stimme diesen Wechsel an und zudem, ob nur Einzelne<br />
oder die ganze Besetzung musizieren. Für den Fall, dass<br />
diese Kantate in den Vokalstimmen nicht rein solistisch<br />
besetzt werden soll, wird den Aufführenden empfohlen, die<br />
konzertierenden Abschnitte dennoch solistisch zu besetzen<br />
und nur die homophonen Choralteile im chorischen Tutti<br />
ausführen zu lassen. Zu diesem Zweck wurden in den Sätzen<br />
[1.] und [7.] die „Tutti“- und „Solo“-Anweisungen zum<br />
besseren Verständnis ergänzt.<br />
Zur Ergänzung der fehlenden<br />
Vokalstimmen<br />
Die vorliegende ergänzte Fassung der Kantate Welt adieu,<br />
ich bin dein müde entstand anlässlich einer CD-Produktion,<br />
die sich Johann Kuhnaus Kantaten mit fünf Vokalstimmen<br />
widmete. Dabei war neben der o. g. Tatsache, dass es sich<br />
um eine der beiden einzigen erhaltenen reinen Choralkantaten<br />
Kuhnaus handelt, vor allem interessant, dass hier eine<br />
vergleichsweise moderne Kantate des Komponisten vorliegt,<br />
was bereits die farbenreiche Instrumentalbesetzung widerspiegelt.<br />
Einzige und kaum zu behebende Schwierigkeit ist<br />
jedoch das vollständige Fehlen von drei Vokalstimmen, die<br />
dem Stimmensatz offensichtlich bereits vor dem Übergang<br />
in die Sammlung Carl Ferdinand Beckers abhanden gekommen<br />
waren. Da es aber aufgrund der erhaltenen Gesangstexte<br />
sowie der Benennung der einzelnen Sätze in den Instrumentalstimmen<br />
als „Versus“ als gesichert gelten kann,<br />
dass es sich ausschließlich um einen vertonten Choraltext<br />
gehandelt haben muss, und da aus verschiedenen Anweisungen<br />
in den erhaltenen Stimmen auch manche Rückschlüsse<br />
auf den Einsatz der verlorenen Stimmen gezogen<br />
werden können, sind trotz des Verlusts einige entscheidende<br />
Informationen indirekt erhalten geblieben.<br />
Vor dem Hintergrund seiner intensiven Erfahrung<br />
und sängerischen Expertise hinsichtlich des Vokalwerks<br />
Kuhnaus sowie allgemein der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts,<br />
wagte der Herausgeber deshalb den Versuch einer<br />
stilgerechten und sangbaren Rekonstruktion der verlorenen<br />
Stimmen. Orientierung boten dabei alle weiteren erhaltenen<br />
Vokalwerke Kuhnaus sowie seine außerordentlich<br />
textbezogene Kompositionsweise; überdies galt es, bereits<br />
vorhandenes musikalisches Material der entsprechenden<br />
Sätze weitestgehend in die zu erstellenden Vokalstimmen<br />
zu übertragen, um ein möglichst homogenes Gesamtgefüge<br />
entstehen zu lassen.<br />
In den beiden Ecksätzen erschließt sich durch einen konkreten<br />
Hinweis („2 Cant.“) in der Continuo-Stimme eine<br />
Sonderrolle der beiden Sopranstimmen. Dem wurde entsprochen,<br />
indem in den nur sparsam instrumentierten Takten,<br />
die den Tutti-Choralzeilen jeweils vorangestellt sind,<br />
der entsprechende Text in Canto I und Canto II bereits aufgegriffen<br />
und in Anlehnung an die Choralmelodie ausdeutend<br />
verarbeitet wurde.<br />
In „Versus 3“ und „Versus 4“ fehlen solcherlei Hinweise,<br />
weshalb hier ein möglichst bruchloses Einfügen der Vokalparts<br />
in den bereits vorhandenen, teils komplexen Instrumentalsatz<br />
und dessen musikalisches Material unter weitgehender<br />
Imitation desselben im Vordergrund stand, stets<br />
unter Berücksichtigung der besonderen Wortbezogenheit in<br />
Kuhnaus Vokalwerken.<br />
Für den Text wurden verschiedene zeitgenössische Gesangbücher<br />
zu Rate gezogen, jedoch erbrachte keines davon<br />
eine völlige Übereinstimmung mit Kuhnaus in den erhaltenen<br />
Stimmen Tenore und Basso verwendeter Fassung. Letztlich<br />
entschied der Herausgeber daher zugunsten der bereits<br />
erwähnten, zitierten und Kuhnau höchstwahrscheinlich<br />
vorliegenden Fassung aus dem Neu Leipziger Gesangbuch.<br />
Einer besonders auffälligen Abweichung in den erhaltenen<br />
Stimmen wurde allerdings dennoch Folge geleistet: die vorletzte<br />
Verszeile einer jeden Strophe erhielt konsequent die<br />
Textfassung „aber hier ist allezeit“.<br />
In dem Bewusstsein, dass der Verlust des Originalmaterials<br />
immer bedeutet, letztlich nur eine von vielen weiteren<br />
möglichen Varianten zu schaffen, ist der Herausgeber guter<br />
Hoffnung, mit dem in diese Ausgabe eingegangenen Ergebnis<br />
eine der Klangsprache Kuhnaus möglichst nahe kommende<br />
Ergänzung vorlegen zu können. Möge somit sowie<br />
mittels der eingangs erwähnten CD auch diese Kantate dazu<br />
beitragen, der Musik Johann Kuhnaus zukünftig zu der ihr<br />
zweifellos zustehenden Aufmerksamkeit zu verhelfen.<br />
David Erler<br />
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