Trödler DDR - Reklame (Vorschau)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
44<br />
ALTE REKLAME<br />
grafische Gestaltung ist anspruchslos,<br />
aber im Verhältnis<br />
zu vielen anderen Inseraten<br />
dieser Ausgabe wenigstens<br />
ruhig. Die obere Schrift ist<br />
schlecht lesbar. Auf den ersten<br />
Blick glaubt man, die Firma<br />
hieße ‘3 Tonnen’; die Füße der<br />
scharmanten Dame sind unscharmant<br />
(wahrscheinlich ist<br />
der Grafiker damit nicht fertig<br />
geworden). Die drei Worte ‘Beliebt,<br />
Bewährt, Begehrt’ sind<br />
eine mehr als magere Aussage,<br />
die wohl kaum eine<br />
Frau zum Kauf gerade dieser<br />
Strümpfe veranlassen wird."<br />
Anstatt solcher Phrasen wünschen<br />
sich die Werbeexperten<br />
vielmehr Informationen darüber,<br />
dass dieses Erzeugnis<br />
in verschiedenen Qualitäten,<br />
Farben und modischen Ausführungen<br />
zu kaufen ist. Augenscheinlich<br />
stieß die Kritik<br />
zumindest in Teilbereichen auf<br />
offene Ohren: In den nachfolgenden<br />
Anzeigen dieses Betriebs<br />
kommt die Grafik wesentlich<br />
gefälliger daher und<br />
auch der zuvor schlecht leserliche<br />
Schriftzug wurde überarbeitet.<br />
Bild der Frau<br />
Insgesamt ins Auge sticht bei<br />
fast allen diesen Anzeigen die<br />
Unstimmigkeit zwischen dem<br />
Bild der eigenständigen und<br />
berufstätigen Frau, wie es in<br />
der <strong>DDR</strong> von der Politik gerne<br />
propagiert wurde, und einem<br />
eher dem traditionellen Rollenklischee<br />
entsprechenden,<br />
wie es in der Werbung gezeichnet<br />
wird. Was wie ein Widerspruch<br />
daherkommt, entpuppt<br />
sich als kalkulierte Strategie:<br />
„Die Frau spielt bekanntlich<br />
im gesellschaftlichen Leben<br />
unserer Republik eine<br />
ebenso wichtige Rolle wie der<br />
Mann, eine Tatsache, die bei<br />
der Motivforschung nicht übersehen<br />
werden darf. Die Frau<br />
gewinnen heißt die ganze<br />
Familie gewinnen, heißt den<br />
werblichen Erfolg mehrfach erhöhen."<br />
Und „gewonnen" wurde<br />
auch – und vielleicht gerade<br />
– in der <strong>DDR</strong> die Mehrzahl<br />
der Frauen sicherlich nicht<br />
durch Darstellungen von Maschinen<br />
bedienenden Arbeiterinnen<br />
oder Traktoristinnen bei<br />
der Feldarbeit, sondern wohl<br />
doch eher durch Szenarien,<br />
die ein schönes und unbeschwertes<br />
Leben abbilden, sei<br />
es im festlichen Abendkleid<br />
auf einem Empfang oder beim<br />
Kostümball in den Armen eines<br />
attraktiven Mannes.<br />
Überproportional häufig vertreten<br />
ist die Werbung der bis<br />
dahin von der Verstaatlichung<br />
verschont gebliebenen privaten<br />
Firmen, die 1957 für noch<br />
rund 20 Prozent des <strong>DDR</strong>-Wirtschaftsvolumens<br />
verantwortlich<br />
sind. Im Gegensatz dazu<br />
hält sich im „Sybille”-Weihnachtsheft<br />
die Werbung der<br />
privaten Betriebe im Vergleich<br />
mit der der volkseigenen die<br />
Waage. Grund genug für die<br />
Neue Werbung-Redaktion, anzumahnen,<br />
„dass unsere<br />
volkseigene Wirtschaft die<br />
Wichtigkeit einer kontinuierlichen<br />
und planmäßigen Werbung<br />
– nämlich durch Aufklärung<br />
und Erläuterung den<br />
Kaufwillen der Käufermassen<br />
Omonell, Kultur im Heim, Heft<br />
3/1958. – VEB Leuchtenbau Leipzig,<br />
Kultur im Heim, Heft 4/1961. – Parfümerie<br />
Exquisit KG Berlin, Das<br />
Magazin, September 1964. – GHG,<br />
Kultur im Heim, Heft 3/1965. – Industrie<br />
Laden Berlin, Kultur im Heim,<br />
Heft 2/1961<br />
zu wecken – offensichtlich unterschätzt."<br />
Generell bemängelt<br />
wird „die Diskrepanz zwischen<br />
‘Kosmetik’ mit 19 Prozent<br />
und ‘Kultur’ mit nur 2,5<br />
Prozent Anzeigenbeteiligung.<br />
Was also fehlt, sind Anzeigen<br />
unserer Verlage, der Kulturstätten,<br />
des staatlichen Kunsthandels,<br />
des Volkskunsthandels<br />
usw.".<br />
Auch die – nach wie vor recht<br />
holprigen – Reime sind noch<br />
immer nicht in der Mottenkiste<br />
verschwunden: „Die Hausfrau<br />
gönnt sich jetzt mehr Ruh’, Fit<br />
trocknet ab, macht blank im<br />
Nu", „Fay wäscht für zwei" oder<br />
„Seitdem Du glätt-Frisier-Creme<br />
nimmst, gefällst Du mir viel<br />
netter, weil Du durch die Frisur<br />
gewinnst, Dein Haar sitzt viel<br />
adretter", lauten Mitte der 50er<br />
die Ergebnisse der Werbetexter-Bemühungen.<br />
Hübsch<br />
auch: „Willst Du klangrein<br />
Rundfunk hören, ersetze Deine<br />
müden Röhren".<br />
Johanna<br />
Immerhin entstehen aber auch<br />
Anzeigen, die durchaus höheren<br />
Ansprüchen gerecht<br />
werden und von denen einige<br />
besonders sehenswerte vom<br />
Gebrauchsgrafiker Horst Geil<br />
gestaltet wurden. 1948 von<br />
den Fewa-Werken als Messestandsgestalter<br />
und Werbegrafiker<br />
engagiert, ist der Karl-<br />
10 / 11