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Bettgeflüster<br />
Joan Collins befragt<br />
Tracey Emin<br />
Februar 2014<br />
4 Euro<br />
<strong>Fack</strong> <strong>ju</strong><br />
HollywuT!<br />
Die neuen Gesichter des<br />
deutschen Kinos –<br />
auf welche Filme wir uns 2014<br />
freuen können!<br />
Jella „Chantal“ Haase<br />
James FRanco<br />
malt Jared Leto<br />
Jeans<br />
forever<br />
The Look<br />
oF love<br />
Lindsey Wixson<br />
im stil von Rainer Werner<br />
FassbindeR<br />
+<br />
Hanna scHyguLLa<br />
im interview<br />
02<br />
4 192449 104008
James FRanco<br />
malt Jared Leto<br />
Februar 2014<br />
4 Euro<br />
Bettgeflüster<br />
Joan Collins befragt<br />
Tracey Emin<br />
Jeans<br />
FoR eveR<br />
The Look<br />
oF love<br />
Lindsey Wixson<br />
im stil von Rainer Werner<br />
FassbindeR<br />
+<br />
Hanna scHyguLLa<br />
im interview<br />
13 u n t e r 26<br />
Deutschlands<br />
Filmstars<br />
von morgen<br />
02<br />
4 192449 104008
CGF Armani
Inhalt<br />
Small Talk<br />
Kleine Gespräche mit großen Leuten:<br />
Mimi Westernhagen liebt Selbstgemachtes,<br />
Florian Lukas saß mit Harvey Keitel im Knast, Idris<br />
Elba steht unter Druck, Sophie Ellis-Bextor<br />
tanzt wieder, Stellan Skarsgård würde gerne einen<br />
Film von Michael Haneke versauen<br />
S. 31<br />
Talents<br />
Auf dem Weg nach oben:<br />
Yara Pilartz Ry X<br />
S. 36 S. 38<br />
My Style<br />
Aussehen wie Boris Radczun<br />
S. 40<br />
Wow<br />
Schöne Dinge für den Februar<br />
S. 42<br />
David Schnell<br />
freut sich, wenn Kinder<br />
seine Kunst zertrampeln<br />
S. 48<br />
Now<br />
Kultur im Februar<br />
S. 50<br />
boy GeorGe<br />
Comeback mit besserem Karma<br />
als je zuvor in seinem Leben<br />
S. 54<br />
Blau macheN<br />
Der neue Jeans-Dresscode<br />
S. 58<br />
bruderliebe<br />
Kostas und Andreas Murkudis über<br />
die innigste Beziehung in ihrem Leben<br />
S. 64<br />
Jared leTo<br />
Der Schauspieler als Maler, als<br />
Musiker, als toller Typ<br />
S. 66<br />
Schuhe<br />
… haben exakt drei Jobs: Neid erwecken.<br />
Gier auslösen. Ihre Trägerinnen gut aussehen lassen.<br />
(Gehen wird übrigens überschätzt)<br />
S. 70<br />
Giorgio ArMAni<br />
entwirft jetzt auch für die<br />
Wölfe an der Wall Street<br />
S. 74<br />
erdeM<br />
Der Mann, der Michelle Obama anzieht, über seinen<br />
phänomenalen Aufstieg und seine Mode-Philosophie<br />
S. 76<br />
Editorial<br />
Impressum<br />
Mitarbeiter<br />
Abonnement<br />
S. 17<br />
S. 20<br />
S. 26<br />
david Schnell, S. 48<br />
James Franco, S. 50<br />
S. 41/177<br />
Boris radczun, S. 40<br />
Jeans in allen Größen, S. 58<br />
Boy George, S.54<br />
Statement-Schuhe, S. 70<br />
erdem, S. 76<br />
FoToS: Thomas lohr; uwe walter, Berlin, david Schnell, „Pontina“, 2013, Öl auf leinwand, 130 x 280 cm, courtesy Galerie eIGeN + arT leipzig/Berlin/VG Bild-kunst, Bonn 2013; © 2012 universum Film Gmbh; charlotte wales, Styling: clare Byrne; kirchknopf<br />
+ Grambow, Styling: réka maria Probst; dave hogan/hulton archive/Getty Images
FoToS: Gilbert m. Grosvenor, Indonesia, 1965; kirchknopf + Grambow; Sebastian Faena, Styling: Julia von Boehm; Stefan milev, make-up: andréas B.; luca crivelli; Stefan heinrichs, Styling: klaus Stockhausen; akg-images / hugues Vassal<br />
Fassbinder-Fashion, S. 124<br />
„National Geographic“, S. 102<br />
make-up wie<br />
im kino, S. 162<br />
Jannik Schümann<br />
und Jella haase, S. 84<br />
Beauty, S. 168<br />
St. moritz, S. 168<br />
Farah Pahlavi, S. 104<br />
Beauty<br />
Trends &<br />
News<br />
S. 164<br />
Achtung:<br />
StArS von MorGen<br />
Hier ist die Zukunft des deutschen Films (und<br />
sie ist herrlich und groß): Jella Haase und zwölf andere<br />
Schauspieler, von denen wir noch viel hören werden<br />
S. 82<br />
Farah PAhlAvi<br />
Sie war lange vor Prinzessin Diana<br />
die Königin der Herzen. Und mit dem letzten<br />
Schah von Persien verheiratet.<br />
Gespräch mit einer Frau von zweifelhaftem Ruf<br />
S. 104<br />
lIeBe IST wärmer<br />
alS der Tod<br />
Eine Mode-Hommage an Rainer Werner Fassbinder,<br />
den leidenschaftlichsten Regisseur der deutschen<br />
Filmgeschichte. Mit Auskünften von Hanna Schygulla<br />
S. 112<br />
Free SPIrIT!<br />
Freja Beha Erichsen trägt ihre Jeans mit Haltung<br />
S. 128<br />
trAcey eMin<br />
Sie wurde berühmt (und berüchtigt) mit<br />
Kunst über den Sex, den sie<br />
hatte. Jetzt ist ihr Liebe wichtiger.<br />
Joan Collins will,s nicht glauben<br />
S. 140<br />
nAtionAl<br />
GeoGrAPhic<br />
Die legendäre Zeitschrift ist eben 125 geworden.<br />
Und inspiriert immer noch coole Modemacher<br />
S. 148<br />
Filmstar in<br />
20 minuten<br />
Mit diesen Make-ups kann man<br />
aussehen wie im Kino<br />
S. 158<br />
St. Moritz<br />
Wie sich die Reichen und Mächtigen<br />
anstellen, wenn sie ins Rutschen kommen,<br />
wissen am besten Skilehrer<br />
S. 168<br />
JeaNNe dark<br />
Unser Nightlife-Scout lässt sich in Frankfurt<br />
mit harten Jungs ein<br />
S. 172<br />
ParTy<br />
S. 174<br />
Hersteller<br />
S. 178<br />
FlAShbAck<br />
S. 180<br />
Inhalt
www.cartier.de + 49 89 55984-221<br />
Cartier<br />
Neue Kollektion
Lindsey Wixson<br />
FOTO Sebastian Faena<br />
STyLIng Julia von Boehm<br />
Look gUCCI<br />
Ohrringe KARA ROSS<br />
Jella Haase<br />
FOTO Stefan Heinrichs<br />
STyLIng Klaus<br />
Stockhausen<br />
Kleid PRADA<br />
EDITORIAL<br />
von Lisa Feldmann<br />
FOTO: Timo Wirsching<br />
Damit hatte nun wirklich keiner gerechnet: dass ein deutscher Film<br />
erfolgreicher ist als der Hobbit und dann auch noch die<br />
Kultur-Redakteure überzeugt. In der Zeit, der FAZ, der Süddeutschen<br />
Zeitung erschienen zu <strong>Fack</strong> Ju Göhte nicht die sonst üblichen phänomenologischen<br />
Betrachtungen, verfasst aus der sicheren Distanz der Feuilleton-Schreibtische,<br />
sondern regelrechte Jubeltexte. Da wurde die Sprache gelobt, die<br />
präzise Milieu-Beschreibung, der Witz der Dialoge – als sei hier die Rede von<br />
einer Hollywood-Produktion. Und genauso fühlt es sich an, wenn man wie<br />
ich an einem trüben Winter-Sonntagnachmittag in einer mal wieder restlos ausverkauften<br />
Vorstellung sitzt: große Unterhaltung und dazu ein Kinoerlebnis,<br />
das nicht von 3-D-Technik lebt oder Dolby-Surround-Sounds. Sondern allein von<br />
der kollektiven Freude – als schaute man mit lauter Borussia-Dortmund-Fans<br />
ein Halbfinale in der Champions League. Und die eigene Mannschaft gewinnt!<br />
Wenn die Helden dort Mats Hummels, Marco Reus, Ilkay Gündogan<br />
heißen, dann sind es auch im deutschen Blockbuster vor allem die <strong>ju</strong>ngen, frischen<br />
Gesichter, die enthusiasmieren. Deren Glaubwürdigkeit, die Authentizität<br />
ihrer Looks, Sprache, Gesten entfalten eine unwiderstehliche Kraft,<br />
beinahe stärker noch als die der Hauptdarsteller. Denn wenn wir, das<br />
Publikum, auch den Erfolg des routinierten Dauergewinners FC<br />
Bayern München neidlos anerkennen – unser Herz schlägt nicht für<br />
souveräne, erfahrene Spielweise und hohe Leistungsprämien. Wir<br />
wollen angesteckt werden von Einsatz, Herz, Mut, bedingungslosem<br />
Kampfgeist. Wie man es vielleicht wirklich nur hinbekommt ganz<br />
am Anfang einer großen Karriere.<br />
Maria Dragus – eines<br />
der 13 Talente unter<br />
26 im „<strong>Interview</strong>“-Studio<br />
mit Lisa Feldmann<br />
und Modechef Klaus<br />
Stockhausen<br />
17
Versace
Versace
Impressum<br />
EDITOR IN CHIEF<br />
Lisa FELDMANN<br />
Executive Editor PETER PRASCHL<br />
Art Director DOMINIK SCHATZ<br />
Photography Director FRANK SEIDLITZ<br />
Fashion Director KLAUS STOCKHAUSEN<br />
Senior Editors HARALD PETERS, ANTJE WEWER<br />
Editor at Large NILS BINNBERG<br />
Editors ANDREAS MERKEL,<br />
RAHA EMAMI KHANSARI (Junior)<br />
Photography Editor DOROTHEA FIEDLER (Junior)<br />
Assistant Fashion RÉKA MARIA PROBST<br />
Interns VALERIE SOSCHYNSKI, CAROLINA SCHWARZ<br />
International Fashion Director JULIA VON BOEHM<br />
International Editor at Large NAOMI CAMPBELL<br />
International Editor ALIONA DOLETSKAYA<br />
International Art Consultants DIMITRI JEURISSEN<br />
and SANDER VERMEULEN for BASEDESIGN<br />
Art Department<br />
MANUEL BIRNBACHER, ANIKA GÖHRITZ<br />
Digital<br />
Executive Editor NINA SCHOLZ, Junior Editor KATHARINA BÖHM<br />
Interns DENISE AMEND, ALEXANDRA GOLOWINA<br />
Managing Editor & Chef vom Dienst SILKE MENZEL<br />
Schlussredaktion KERSTIN SGONINA<br />
MITARBEITER DIESER AUSGABE<br />
Andréas B., Heike Blümner, Ludger Booms, Jan Brandt, Bettina Brenn,<br />
Cosima Bucarelli, Clare Byrne, Bob Colacello, Joan Collins, James Franco,<br />
Sönke Hallmann, Mark van Huisseling, Friederike Jung, Helmut Krähe,<br />
Claudia Kühne, Björn Lüdtke, Elin Svahn, Karl Templer, Jeanne Tremsal<br />
Casting by Samuel Ellis Scheinman for DMCasting<br />
terew<br />
im<br />
Vorteils-Abo<br />
AUF SEITE 41<br />
FINDEN SIE UNSER<br />
ATTRAKTIVES<br />
ABO-ANGEBOT<br />
INKLUSIVE<br />
E I N E S<br />
GESCHENKS<br />
FOTOGRAFEN DIESER AUSGABE<br />
Maxime Ballesteros, Bob Bonis, Nikolaus Brade, August Castell-Castell,<br />
Sebastian Faena, Amos Fricke, Fabian Frinzel, Pål Hansen, Gregory Harris,<br />
Sammy Hart, Julia von der Heide, Stefan Heinrichs, Sebastian Kim,<br />
Kirchknopf + Grambow, Jonas Lindström, Thomas Lohr, Craig McDean,<br />
Stefan Milev, Leif Henrik Osthoff, Maxime Poiblanc, SØlve SundsbØ,<br />
Kevin Tachman, Charlotte Wales, Uwe Walter, Olivier Zahm<br />
PRODUKTION<br />
Lithografie Max-Color, Wrangelstraße 64, 10997 Berlin<br />
Druck Mohn Media Mohndruck GmbH,<br />
Carl-Bertelsmann-Straße 161 M, 33311 Gütersloh<br />
Manufacturing Director Oleg Novikov<br />
Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt<br />
Lisa Feldmann<br />
Board of Directors <strong>Interview</strong> Publishing House Germany<br />
VLADISLAV DORONIN, BERND RUNGE<br />
BMP Media Holdings, LLC, Chairman PETER M. BRANT<br />
www.interview.de
Impressum<br />
Herausgeber & gescHäftsfüHrer<br />
Bernd Runge<br />
PublisHing Director<br />
Anja Schwing<br />
Assistentin der Geschäftsführung: Viktoria Mosin<br />
Tel.: 030/2000 89-126, viktoria.mosin@atelier-publications.de<br />
anzeigen<br />
Advertising Director iris gräbner<br />
Tel.: 030/2000 89-120, iris.graebner@atelier-publications.de<br />
Advertising Sales Manager (Nielsen IIIb, IV, Österreich) anke sauerteig<br />
Tel.: 089/95 47 78 59, anke.sauerteig@atelier-publications.de<br />
Italien fabio Montobbio<br />
Rock Media, Largo Cairoli, 2, 20121 Mailand<br />
Tel.: 00 39/02/78 26 08, info@rockmedia.it<br />
Frankreich, Großbritannien und USA cHarlotte wieDeMann<br />
Tel.: 030/2000 89-129, charlotte.wiedemann@atelier-publications.de<br />
Advertising Service Manager susann bucHrotH (Ltg.), eVa baureis<br />
Tel.: 030/2000 89-127, susann.buchroth@atelier-publications.de<br />
Communications Manager cHarlotte wieDeMann<br />
Marketing Manager wilkin scHrÖDer<br />
Assistenz katHleen Massierer, Tel.: 030/2000 89-165<br />
IT Manager Patrick Hartwig<br />
Office Manager Hilko rentel<br />
Verantwortlich für Anzeigen<br />
Atelier Publications Deutschland GmbH & Co. KG<br />
Mommsenstraße 57, 10629 Berlin<br />
Tel.: 030/2000 89-0, Fax: 030/2000 89-112<br />
Geschäftsführer anja scHwing<br />
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einzelHeftbestellungen<br />
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bei weiteren Fragen Tel.: 030/2000 89-164<br />
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ePaper-Abonnement: 10 Euro inkl. 19 % MwSt. (10 Ausgaben)<br />
<strong>Interview</strong>-Leserservice, PressUp GmbH, Postfach 701311, 22013 Hamburg<br />
abo@interview.de, Tel.: 040/41 448-480<br />
<strong>Interview</strong> erscheint zehnmal im Jahr in der <strong>Interview</strong> PH GmbH.<br />
Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste vom 1. Januar 2013.<br />
Alle Rechte vorbehalten.<br />
Für unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird<br />
keine Haftung übernommen.<br />
Andy Warhol’s <strong>Interview</strong> (TM). All rights reserved.<br />
<strong>Interview</strong> Germany is published under a sublicense from LLC Publishing House <strong>Interview</strong>;<br />
<strong>Interview</strong> is a registered trademark of <strong>Interview</strong> Inc.<br />
Reproduction in any manner in any language in whole or in part<br />
without prior written permission is prohibited.<br />
<strong>Interview</strong> PH GmbH, Mommsenstraße 57, 10629 Berlin, Tel.: 030/2000 89-0
Converse
Converse
Mitarbeiter<br />
bOb COLaCeLLO sprach mit Farah Pahlavi<br />
(ab Seite 104). Bereits mit 22 Jahren veröffentlicht Bob Colacello<br />
erste Filmkritiken, während er mit den gleichen Texten an der<br />
Columbia University noch fleißig Seminarscheine sammelt.<br />
Ein Jahr später entdeckt Andy Warhol den Jungspund und verpflichtet<br />
ihn 1970 für sein gerade gegründetes <strong>Interview</strong><br />
Magazine. Zwölf Jahre lang bleibt Colacello dem Factory-Dunstkreis<br />
treu, ehe er zu Vanity Fair wechselt, für die er heute noch<br />
regelmäßig Artikel schreibt. Seine Biografien über Prinz Charles,<br />
Naomi Campbell, Liza Minnelli und natürlich auch Andy Warhol machen den<br />
66-Jährigen endgültig zum besten Celeb-Connaisseur unserer Tage.<br />
26<br />
Jared LeTO wurde von James<br />
Franco nicht nur interviewt, sondern auch<br />
noch in Öl gemalt (ab Seite 66). Es kam also<br />
zu einem Zusammentreffen der vielfach<br />
Begabten, wobei Leto als Schauspieler und<br />
Frontmann von 30 Seconds to Mars mit<br />
der ungebremsten Produktionswut des Allround-Künstlers<br />
Franco natürlich nicht<br />
mithalten kann. Aber wer kann das schon?<br />
STeFaN<br />
HeINrICHS<br />
fotografierte die Strecke „13 unter<br />
26“ (ab Seite 82). Er ist für<br />
seine klaren, kontrastreichen<br />
Schwarz-Weiß-Fotografien<br />
bekannt, die er bereits in der<br />
deutschen Vogue, der GQ<br />
Style oder dem SZ-Magazin<br />
veröffentlicht hat. Für die<br />
Kooperation von Moncler mit<br />
Mykita hat der 34-Jährige<br />
nicht nur die Fotos, sondern<br />
auch das Kampagnenvideo<br />
gemacht. Malen und Zeichnen<br />
kann er auch, und auf einen<br />
Stil festlegen lässt er sich sowieso<br />
nicht: Für den Kultur Spiegel<br />
hat er schon mal überbelichtete<br />
Farbaufnahmen geschossen.<br />
JOaN COLLINS sprach mit Tracey Emin<br />
(ab Seite 140). Neun Jahre lang spielt sie im Denver Clan<br />
die eiskalte Diva Alexis und holt sich dabei ein Image,<br />
das ihr heute noch anhaftet. Immerhin gibt es den<br />
Golden Globe als beste Serien-Hauptdarstellerin. Bereits<br />
mit neun Jahren steht die gebürtige Londonerin zum<br />
ersten Mal auf der Bühne, 60 Kinofilme sowie unzählige<br />
Auftritte in TV-Serien und Filmen folgen. 1997 wird die<br />
heute 80-Jährige auch wegen ihrer Charity-Projekte von<br />
der Queen zum „Officer of the British Empire“ ernannt.<br />
LINdSeY WIXSON<br />
modelte für die Strecke „Liebe ist wärmer als der Tod“ von<br />
Sebastian Faena (ab Seite 112). Eigentlich will sie Anwältin<br />
oder Köchin werden. Das allerdings wäre eine Verschwendung<br />
ihrer vom Vater ererbten, längst ikonischen Zahnlücke,<br />
für die sie sich in der Schule noch Spott einhandelt.<br />
Mit zwölf Jahren wird sie als Model entdeckt, mittlerweile<br />
ist sie 19 und kann John Galliano, Alexander McQueen<br />
und Miu Miu zu ihren Auftraggebern zählen. Und die<br />
Zahnlücke – neben ihrem Schmollmund – als ultimativen<br />
Karriereboost verbuchen.<br />
COSIma<br />
buCareLLI<br />
sprach mit David Schnell<br />
(ab Seite 48). Cosima<br />
Bucarelli ist in der<br />
Schweiz geboren, in<br />
Rom aufgewachsen<br />
und hat in London<br />
und Berlin studiert.<br />
Außerdem hat<br />
die 24-Jährige, deren<br />
Vorfahren sich aus den deutschen Fürstenbergs und den<br />
italienischen Bucarellis zusammensetzen, ein Magazin<br />
gegründet und Goldschmiedin gelernt. Derzeit lebt und<br />
arbeitet sie in Bangkok in einer Fabrik, in der sie aus<br />
Edelsteinen Objekte formt. Ihre erste eigene Kollektion<br />
„Cosima Buc“ wird bald erscheinen.<br />
FOTOS: Gilbert Carrasquillo/Getty Images; action press; © James Franco / Pace Gallery; privat (2); Foc Kan/Getty Images
Ports
Frey Wille
Hallo!<br />
„Jeder kann<br />
wie Boy George<br />
aussehen. Sogar<br />
ich.“ Sagt Boy<br />
George. Dabei<br />
sah er schon 1986<br />
einzigartig aus<br />
29<br />
FOtO: Dave hogan/hulton archive/Getty images<br />
ein Bild und seine<br />
Geschichte<br />
„Ohne Mich und Prinzessin Diana wäre die Regenbogenpresse aufgeschmissen“,<br />
hat BOy GeOrGe 1985 gesagt. Die Königin der<br />
Herzen ist schon lange nicht mehr unter uns, und um Boy George war es<br />
auch viele Jahre eher ruhig. Zu viele Abstürze, zu viele Selbstzweifel,<br />
das übliche schwere Los, wenn man zu früh zu berühmt wird. Doch jetzt ist<br />
er wieder so was von da – mit einem fulminanten Comeback-Album und<br />
einem <strong>Interview</strong> voller Altersweisheit und Regenbogenpresse-Qualitäten.<br />
Extrem gutes KarMa, chaMäleOn!
K B<br />
Sylvette<br />
PICASSO<br />
Sylvette<br />
UND DAS<br />
Sylvette<br />
MODELL<br />
Pablo Picasso, Sylvette, 1954, Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen, © Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn 2013<br />
22.Februar bis 22. Juni 2014<br />
Ermöglicht durch<br />
Mit freundlicher Unterstützung von<br />
Medienpartner<br />
Kulturpartner<br />
Mobilitätspartner
Small Talk<br />
Kleine Gespräche mit<br />
Grossen leuten: mimi,<br />
florian luKas, idris elba,<br />
sophie ellis-bextor<br />
& stellan sKarsGÅrd<br />
FOTO: Warner Music<br />
Viel gebastelt?<br />
Mimi, 28, von Mimi & the Mad<br />
Noise Factory schenkt ihren<br />
Freunden gern Selbstgemachtes<br />
MIMI: Entschuldigen Sie, dass es hier so unaufgeräumt ist.<br />
INTERVIEW: Kein Problem. Das gibt dem ansonsten kalten<br />
Hotelzimmer doch eine ganz gemütliche Atmosphäre.<br />
MIMI: Oh ja, Gott sei Dank. Diese Räume sind wirklich<br />
unangenehm steril.<br />
INTERVIEW: Wie lange bleiben Sie in Berlin?<br />
MIMI: Zwei Wochen! Ich will gerne mein Musikvideo hier<br />
drehen. Aber das wird gar nicht so einfach, weil ich am<br />
liebsten alles selbst mache und ungern andere Leute<br />
herumkommandiere. Ich will einfach, dass es genauso<br />
aussieht, wie es in meinem Kopf aussieht.<br />
INTERVIEW: Wie kann man sich denn den Innenraum Ihres<br />
Kopfes vorstellen?<br />
MIMI: Höchst merkwürdig. Ich bin in einem Haushalt<br />
groß geworden, in dem es keinen Fernseher gab und in dem<br />
es sehr normal gewesen ist, aus Pfeifenreinigern kleine<br />
Männchen zu basteln oder überhaupt unentwegt zu basteln<br />
und sich ständig gegenseitig zu malen. Und ich dachte,<br />
das alles sei ganz normal und wäre eben das, was man<br />
so macht, um sich zu beschäftigen und Spaß zu haben.<br />
Meine Freunde hatten es nicht einfach mit mir.<br />
INTERVIEW: Wieso das denn?<br />
MIMI: Ich habe ihnen dauernd selbst gebastelten<br />
Kram geschenkt, der im Grunde nur unnötig<br />
Platz weggenommen hat. Dann fing ich auch<br />
noch an, für alle Klamotten zu nähen. Aus<br />
Stoffen, auf denen meine Zeichnungen<br />
gedruckt waren.<br />
INTERVIEW: Kleidung kann man immerhin<br />
tragen. Waren Sie eine Außenseiterin als<br />
Teenager?<br />
MIMI: Ich hatte schon das Gefühl, dass alle<br />
anderen verstehen, wie es läuft und deshalb<br />
cool sind. Und ich eben nicht. Das Einzige,<br />
worin ich cool war, war das Fach<br />
Musiktechnologie: Da lernten wir, wie man mit Mikrofonen<br />
und Audiosoftware umgeht. Das hat wahnsinnigen Spaß<br />
gemacht, vor allem, weil ich viel besser war als die ganzen<br />
Jungs in meiner Klasse.<br />
INTERVIEW: Was die sicherlich eher genervt als beeindruckt<br />
hat, vermute ich.<br />
MIMI: Ja, und das ist auch heute noch so. Das muss man sich<br />
mal vorstellen: Da stehe ich als Musikerin bei einem<br />
Konzert oder Soundcheck und werde böse angeguckt von<br />
den Tonmännern, wenn ich meine Meinung sage. In<br />
diesem Metier herrscht noch sehr viel Sexismus.<br />
INTERVIEW: Ziemlich viel Selbstbewusstsein haben Sie an<br />
den Tag gelegt, als Sie der Produzentenlegende Stephen<br />
Street, der Größen wie The Smiths und Blur produziert hat,<br />
einfach eine Nachricht geschickt haben.<br />
MIMI: Es war fünf Uhr morgens, als ich ihn anschrieb, und<br />
ich war es total leid, noch auf irgendetwas zu warten. Die<br />
Songs waren fertig, die Demos waren fertig, und ich wollte<br />
endlich damit anfangen, dem Album den finalen Schliff<br />
zu geben. Gleichzeitig wollte ich auf keinen Fall die falsche<br />
Person an das Material lassen. Ich wusste ziemlich schnell,<br />
dass Stephen genau die richtige Person für den Job wäre.<br />
INTERVIEW: Aber wie haben Sie überhaupt Kontakt zu<br />
ihm herstellen können?<br />
MIMI: Ich habe sein Profil auf LinkedIn gefunden! Ich<br />
musste fünf Euro für die Nachricht bezahlen, weil ich kein<br />
Mitglied bin. Fünf Tage später schrieb er mir. Noch nie<br />
habe ich fünf Euro so gut investiert!<br />
Von Raha Emami Khansari<br />
„Nothing But Everything“<br />
erscheint im Februar bei Warner<br />
31
32<br />
Und wie war er?<br />
Schauspieler Florian Lukas, 40,<br />
verbrachte mit Harvey Keitel<br />
eine Nacht im Knast<br />
INTERVIEW: Erzählen Sie uns, wie Sie zu Ihrer Rolle<br />
in Grand Budapest Hotel gekommen sind?<br />
FloRIaN lukas: Wishful thinking? Ich hatte tatsächlich<br />
schon lange den Wunsch, in einem Wes-Anderson-Film<br />
mitzuspielen.<br />
INTERVIEW: Tatsächlich?<br />
lukas: Jaaa! Ich liebe alle seine Filme, schätze seine Detailverliebtheit<br />
und das Verspielte. Aber dann habe ich mir<br />
gesagt: „Verabschiede dich von dem Traum und konzentriere<br />
dich auf die Dinge, die möglich sind!“<br />
INTERVIEW: Und dann?<br />
lukas: War es wie so oft im Leben: Die Dinge kommen,<br />
wenn man sie loslässt. Die Casterin Simone Bär rief mich<br />
an und lud mich zum Vorsprechen für die Rolle des<br />
Häftlings Pinky ein.<br />
INTERVIEW: Sie bekamen die Rolle, und Harvey Keitel<br />
wurde Ihr Knastbruder.<br />
lukas: Keitels Wunsch war es, dass wir als die<br />
Knacki-Gang, die wir auch im Film spielen, eine Nacht<br />
in dem Gefängnis in Zittau verbringen.<br />
INTERVIEW: Klassisches Method-Acting, oder?<br />
lukas: Wahrscheinlich.<br />
INTERVIEW: Also, wie war sie, die Nacht mit Harvey?<br />
lukas: Kalt und laut. Das Gefängnis, das seit bestimmt<br />
20 Jahren leer steht, wurde schon vorher wochenlang<br />
mit Baulüftern beheizt. Wir hatten Essen in Thermoskannen<br />
dabei, Keitel hat Anekdoten erzählt, und wir haben uns<br />
kennengelernt. Zack Michalowski und der österreichische<br />
Schauspieler Karl Markovics waren auch dabei.<br />
INTERVIEW: Und was hat es für die Szenen gebracht?<br />
lukas: Für mich war es eher eine skurrile Episode.<br />
Small Talk<br />
Beeindruckt hat mich aber, mit welchem Engagement sich<br />
Keitel in seinem Alter immer noch reinhängt.<br />
INTERVIEW: Wie alt ist er denn?<br />
lukas: 74?<br />
INTERVIEW: Ist es eigentlich wirklich wahr, dass Wes<br />
Anderson die Schauspieler mit einem Golfcart vom Hotel<br />
zum Set fahren ließ, weil er Kleinbusse so hässlich findet?<br />
lukas: Ich habe sie nicht gesehen, nur davon gehört.<br />
INTERVIEW: Wie war die Arbeit mit Wes Anderson?<br />
lukas: Intensiv! Er hat uns 20, 30 Mal den gleichen Take<br />
immer wieder mit Mini-Änderungen spielen lassen.<br />
Daraus entsteht dann diese Atmosphäre von Gleichmut,<br />
die seine Filme ausmacht. Er gibt einem durchaus<br />
das Gefühl, man könne Sachen ausprobieren. Am Ende<br />
spielt man dann aber doch alles so, wie er es sich<br />
vorgestellt hat. Er überträgt seinen Perfektionismus auf<br />
andere, ohne dass die es merken. Genial.<br />
INTERVIEW: Lustigen Bart tragen Sie übrigens als<br />
Pinky! Ist der angeklebt?<br />
lukas: Den Bart hatte Wes sich erst gewünscht, dann<br />
wollte er doch alle Häftlinge ohne Bart haben. Ich hatte<br />
aber schon einen anderen Film mit genau diesem Bart<br />
angedreht – also blieb er dran.<br />
INTERVIEW: Und, gut verdient?<br />
lukas: Man geht nicht zu Anderson, um gut zu<br />
verdienen, sondern um Teil seiner Welt zu werden. So<br />
wie ich das verstanden habe, gilt das auch für all die<br />
Stars, die bei ihm spielen.<br />
Von Antje Wewer<br />
„Grand Budapest Hotel“ ist der Eröffnungsfilm der<br />
Berlinale und startet am 6. März im Kino<br />
Angst gehabt?<br />
Idris Elba, 41, hat einen<br />
Superhelden gespielt<br />
INTERVIEW: Ich kann es überhaupt nicht beurteilen, aber<br />
Ihr Xhosa-Dialekt als Nelson Mandela klingt wirklich<br />
einwandfrei.<br />
IdRIs Elba: (lacht) Ja, wenn Sie das sagen! Tatsächlich<br />
war das eine der schwierigsten Aufgaben. Vor allem, weil<br />
wir ja in Südafrika gedreht haben, sodass ein Großteil<br />
FOTOS: (linke Seite) Tobias Seeliger/snapshot-photography/SZ Photo; Byron Purvis/Corbis; (rechte Seite) Sophie Muller
des Teams aus Muttersprachlern bestand. Davor hatte ich<br />
schon ziemlich große Ehrfurcht.<br />
INTERVIEW: Wurden Sie während der Dreharbeiten oft<br />
korrigiert?<br />
Elba: Sehr oft, ja. Ich habe mich aber nie auf den Schlips<br />
getreten gefühlt, wenn wieder einmal plötzlich der<br />
Tonangler nach einer Szene zu mir sagte: „Nein, so geht<br />
das nicht, so spricht man das gar nicht aus!“<br />
Südafrikaner haben die Gabe, solche Dinge so freundlich<br />
auszudrücken, dass man sich überhaupt nicht angegriffen<br />
fühlt. Außerdem ist es im Sinne des Projekts und hat<br />
dem Film gutgetan. Und es war der ultimative Schlüssel,<br />
um in die Rolle hineinzukommen.<br />
INTERVIEW: Das kann ich mir vorstellen, optisch ist die<br />
Ähnlichkeit ja nicht so groß. Haben Sie sich nie gefragt,<br />
warum gerade Sie Nelson Mandela spielen sollten?<br />
Elba: Die ganze Zeit. Als ich dann aber erfuhr, dass die<br />
Enkelinnen von Mandela auf die Frage hin, wer ihren<br />
Großvater verkörpern sollte, als Allerersten mich nannten,<br />
war ich mächtig stolz. Dabei wussten sie noch gar nicht,<br />
dass ich bereits im Gespräch für die Rolle war.<br />
INTERVIEW: Hat sich Nelson Mandela den Film noch<br />
ansehen können?<br />
Elba: Ja, er hat ihn gesehen. Ich konnte ihn vor und<br />
während der Dreharbeiten leider nicht mehr treffen, weil<br />
es ihm bereits sehr schlecht ging.<br />
INTERVIEW: Wissen Sie, wie ihm der Film gefallen hat?<br />
Elba: Er mochte den Film. Und ehrlich gesagt, es war<br />
mein größter Wunsch während der Dreharbeiten, dass er<br />
noch die Gelegenheit bekäme, den Film zu sehen.<br />
Gott sei Dank war dem so! Er hatte natürlich ein paar<br />
Korrekturvorschläge und Randnotizen.<br />
INTERVIEW: Was für welche?<br />
Elba: Ehrlich gesagt, erinnere ich mich nicht mehr so<br />
genau. Und wenn, würde ich es nicht erzählen! (lacht)<br />
INTERVIEW: Wie schwierig ist es eigentlich, einen<br />
Helden wie Nelson Mandela zu spielen?<br />
Elba: Unfassbar schwierig. Vor allem, weil ich<br />
den <strong>ju</strong>ngen und alten Mandela spielen musste. Die<br />
Verantwortung war ziemlich groß. Aber unter uns:<br />
Eigentlich ist der Druck jetzt, danach, noch viel größer.<br />
Permanent mit Journalisten über so große Themen wie<br />
Mandela, Südafrika und Apartheid reden zu müssen ist<br />
keine leichte Aufgabe.<br />
INTERVIEW: Was waren denn die schrulligeren Seiten an<br />
Nelson Mandela?<br />
Elba: Er war ein sehr ordentlicher und sauberer Mann.<br />
Außerdem war er pedantisch, was Daten und Uhrzeiten<br />
anging. Seine Freunde haben mir zum Beispiel von<br />
Gesprächen erzählt, in denen er sie unterbrach, wenn sie<br />
behaupteten, etwas hätte an einem Monatsfünften<br />
stattgefunden, um klarzustellen, dass es der sechste war.<br />
Man könnte sagen, dass einem Mandela auch ganz gut<br />
mal schwer auf die Nerven gehen konnte. Das sollte man<br />
bei all dem Hype nicht vergessen: dass er doch auch<br />
ein Mensch gewesen ist. Wenn auch ein sehr, sehr<br />
besonderer.<br />
Von Raha Emami Khansari<br />
„Mandela: Der lange Weg zur Freiheit“<br />
startet am 30. Januar<br />
Small Talk<br />
Peinlich berührt?<br />
Sophie Ellis-Bextor, 34,<br />
liebt es, albern zu tanzen<br />
INTERVIEW: Hi. Ich würde gerne mit Sophie Ellis-Bextor<br />
sprechen.<br />
sophIE EllIs-bExToR: Ich bin Sophie Ellis-Bextor.<br />
INTERVIEW: Oh, entschuldigen Sie bitte. Ich hatte erwartet,<br />
zuerst mit Ihrer Agentin zu sprechen. Ich wusste nicht,<br />
dass Sie so freizügig Ihre Nummer herausgeben.<br />
EllIs-bExToR: Ich bin da nicht so kleinlich. Wenn<br />
man meine Nummer haben will, findet man sie doch<br />
sowieso raus.<br />
INTERVIEW: Und wenn man Sie tanzen sehen will,<br />
braucht man zurzeit nur den Fernseher einzuschalten,<br />
zumindest in Großbritannien. Die Show Strictly Come<br />
Dancing, das britische Pendant zur deutschen Sendung<br />
Let’s Dance, scheint ein voller Erfolg zu sein.<br />
EllIs-bExToR: Die Show ist wirklich beliebt hier, ganz<br />
Großbritannien ist im Tanzfieber.<br />
INTERVIEW: In dem Musikvideo zu Ihrem größten<br />
Hit Murder On The Dancefloor nehmen Sie auch an einem<br />
Tanzwettbewerb teil – und befördern Ihre Konkurrenz<br />
mit fiesen Tricks ins Aus. Wie viele Witze mussten Sie<br />
sich darüber anhören?<br />
EllIs-bExToR: Unzählige! Vor allem am Anfang.<br />
Das hat Gott sei Dank etwas nachgelassen, da die Show<br />
bereits seit drei Monaten läuft.<br />
INTERVIEW: Wie oft tanzen Sie, wenn Sie nicht gerade an<br />
einer Tanzshow teilnehmen?<br />
EllIs-bExToR: Mindestens einmal die Woche.<br />
Und natürlich noch viel öfter, wenn ich Gigs habe.<br />
INTERVIEW: Wie sieht Ihre bescheuertste<br />
Tanzbewegung aus?<br />
EllIs-bExToR: Ich glaube, die sehen alle bescheuert aus!<br />
INTERVIEW: Und keine davon ist Ihnen peinlich?<br />
EllIs-bExToR: Ich habe mittlerweile drei Kinder – mit<br />
33
34<br />
Peinlichkeiten setze ich mich nicht mehr auseinander.<br />
INTERVIEW: Schamgefühle hören mit dem ersten eigenen<br />
Kind auf?<br />
EllIs-bExToR: Nein. Ich denke bloß, dass man sie sich zu<br />
eigen macht. Ich meine, wer findet es denn toll, seine Eltern<br />
tanzen zu sehen? Ich darf jetzt offiziell peinlich sein.<br />
INTERVIEW: Fällt es Ihnen schwerer, als Mutter von drei<br />
Kindern weiterhin so viel zu arbeiten?<br />
EllIs-bExToR: Meine Arbeitsmoral hat sich tatsächlich<br />
geändert, aber absurderweise eher zum Positiven: Wenn ich<br />
jetzt arbeiten gehe, versuche ich, so produktiv und<br />
fokussiert wie möglich zu sein – damit ich, wenn ich bei<br />
meinen Kindern bin, mich voll und ganz ihnen<br />
widmen kann. Entschuldigen Sie mich für zwei Sekunden,<br />
ich muss mich kurz verabschieden.<br />
INTERVIEW: Kein Problem.<br />
EllIs-bExToR: So, da bin ich wieder. Ich verlasse gerade<br />
das Haus, deshalb musste ich allen noch Tschüs sagen.<br />
INTERVIEW: Im Song Runaway Dreamer auf Ihrem neuen<br />
Album singen Sie über die Fantasie, alles stehen und<br />
liegen zu lassen und abzuhauen. Wie oft träumen Sie<br />
tatsächlich davon?<br />
EllIs-bExToR: Im wirklichen Leben nicht sehr oft. Aber<br />
ich denke, dass es zum Erwachsenwerden gehört, mit<br />
der zunehmenden Verantwortung auch Druck zu spüren<br />
und manchmal eben Angst zu bekommen. Natürlich<br />
würde ich so etwas niemals wirklich tun. Deshalb singe ich<br />
ja auch: „Don’t worry baby / I’m here to stay.“<br />
Von Raha Emami Khansari<br />
„Wanderlust“ erscheint am 20. Januar bei EBGB’s<br />
Schon gesehen?<br />
Stellan Skarsgård, 62, kann<br />
von „Nymphomaniac“<br />
gar nicht genug bekommen<br />
INTERVIEW: Herr Skarsgård, in Der<br />
Medicus spielen Sie die ganze Zeit im<br />
Schlamm. Wie war das?<br />
sTEllaN skaRsgåRd: Das war natürlich<br />
Fake-Schlamm und kein echter. Genervt<br />
hat er trotzdem. Viel schlimmer war<br />
aber die Unterwäsche. Im<br />
Grunde war das ein Turban<br />
rund um die Genitalien. Es<br />
war unmöglich, rein- und<br />
dann wieder rauszukommen.<br />
Und dieses Gefühl in der<br />
Hose! Schrecklich.<br />
INTERVIEW: Ich erinnere mich<br />
noch genau daran, wann ich<br />
den Medicus zum ersten Mal<br />
gelesen habe. Sie sich auch?<br />
Small Talk<br />
skaRsgåRd: Ehrlich gesagt, habe ich das Buch überhaupt<br />
nicht gelesen.<br />
INTERVIEW: Nicht mal jetzt, als Vorbereitung zum Film?<br />
skaRsgåRd: Nein. Ich hatte ja das Drehbuch.<br />
INTERVIEW: Offensichtlich hat es Ihnen gefallen.<br />
skaRsgåRd: Ich fand die Figuren großartig, vor<br />
allem meine, den Barber, finde ich wirklich toll. Er ist<br />
ein großes egoistisches Kind, aber er hat auch ein<br />
gutes Herz. Das will er allerdings verheimlichen. Gefühle<br />
sind für ihn Schwäche.<br />
INTERVIEW: Alle meckern immer über die<br />
CGI-Technik, die auch im Medicus angewendet wird.<br />
Aber ich stelle mir das wie im Theater vor.<br />
skaRsgåRd: Ich stimme absolut zu! Ganz richtig. Für<br />
mich als Theaterschauspieler macht es keinen<br />
Unterschied, ob dort eine Kulisse steht oder nicht, ob ich<br />
einen blauen Hintergrund habe wie bei Thor oder eine<br />
Bühne mit Strichen, wie in Lars von Triers Dogville.<br />
INTERVIEW: Gar keinen?<br />
skaRsgåRd: Na ja, in Iron Man wurde Robert Downey Jr.<br />
kurzzeitig von einem Tennisball ersetzt. Das ist dann<br />
schon etwas einseitig. Da kommt ja nichts zurück. Kulissen<br />
kann man austauschen, Schauspieler nicht.<br />
INTERVIEW: Ist Lars von Trier ein Regisseur, den Sie<br />
mögen? Sie arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder<br />
mit ihm.<br />
skaRsgåRd: Lars ist der beste Regisseur, den ein Schauspieler<br />
sich wünschen kann. Wir sind befreundet, und mit<br />
niemandem arbeite ich auf einer so gleichberechtigten und<br />
so produktiven Ebene.<br />
INTERVIEW: Tatsächlich? Sein Ruf ist doch eher schlecht.<br />
skaRsgåRd: Woher haben Sie das?<br />
INTERVIEW: Aus der Presse.<br />
skaRsgåRd: Das stimmt aber alles nicht. Er ist großartig.<br />
INTERVIEW: Was ist so großartig an ihm?<br />
skaRsgåRd: Mit Lars fühlt es sich nicht wie arbeiten,<br />
sondern wirklich wie spielen an. Bei ihm fühle ich mich<br />
wie ein Kind in einer Sandkiste.<br />
INTERVIEW: Sie spielen auch in Nymphomaniac mit. Haben<br />
Sie den Film schon gesehen?<br />
skaRsgåRd: Ja, natürlich. In Dänemark kommt er ja schon<br />
Weihnachten ins Kino.<br />
INTERVIEW: Die kurze oder die lange Version?<br />
skaRsgåRd: Beide, aber ehrlich gesagt waren mir selbst<br />
die fünfeinhalb Stunden der langen Version noch zu kurz.<br />
So gut ist er geworden.<br />
INTERVIEW: Lars von Trier ist also kein Diktator? Nicht<br />
wenigstens ein klein wenig Tyrann?<br />
skaRsgåRd: Im Gegenteil! Sie glauben mir nicht, oder? Er ist<br />
das komplette Gegenteil. Lars sagt „Start“, und dann<br />
geht erst mal alles. Es ist einfach nur großartig. Es wollen<br />
doch auch fast alle Schauspieler mit ihm arbeiten.<br />
INTERVIEW: Gibt es denn einen Regisseur, mit dem Sie<br />
gerne einmal arbeiten würden?<br />
skaRsgåRd: Ja, mit Michael Haneke. Seinen letzten Film<br />
Liebe mochte ich sehr gerne, und ich habe gehört,<br />
er ist ein Kontrollfreak. Mir würde es großen Spaß bereiten,<br />
einen seiner Filme zu versauen.<br />
Von Nina Scholz<br />
„Nymphomaniac“ startet am 20. Februar<br />
FOTO: CATARINA/VANDEVILLE/Gamma-Rapho via Getty Images
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Yara<br />
Pilartz<br />
zeigt in der Serie<br />
„the returned“, Wie<br />
eS Sich alS tote lebt<br />
V Harald Peters<br />
Foto Jonas Lindström<br />
Talents<br />
36<br />
Welche Überraschung! Camille<br />
ist bereits seit Jahren tot, aber<br />
dann taucht sie wieder auf,<br />
quicklebendig, was nicht zuletzt für die<br />
Lebenden eine ziemlich große Sache ist. Wie<br />
verhält man sich, wenn die Toten wieder<br />
auftauchen? Freut man sich? Geht man zur<br />
Polizei? Ruft man den Arzt? Und wie spielt<br />
man eine Tote, die sich benimmt, als wäre<br />
sie eigentlich am Leben? „Ach, da schöpft<br />
man aus seinen eigenen Erfahrungen“, sagt<br />
Yara Pilartz. Welche Erfahrungen sie<br />
damit meint, sagt sie glücklicherweise nicht.<br />
Die 18-jährige Französin verkörpert in<br />
der großartigen Serie The Returned (zu sehen<br />
bei Watchever) die tote Schülerin Camille<br />
und beweist dabei erneut ein gutes Händchen<br />
bei der Wahl hervorragend abwegiger<br />
Rollen. Das erste Mal stand sie 2011 in dem<br />
Spielfilm 17 Mädchen vor der Kamera, der<br />
von 17 Teenagermädchen erzählt, die sich in<br />
einem beispielhaft öden Nest in der Bretagne<br />
langweilen und aus einer Laune heraus beschließen,<br />
schwanger zu werden. Wie spielt<br />
man so ein Mädchen? „Ach, ganz natürlich“,<br />
sagt Yara Pilartz, deren Ansatz es ist, sich<br />
ungewöhnlichen Figuren so zu nähern, als<br />
wären sie vollkommen normal. Entdeckt<br />
wurde Pilartz über eine Freundin, deren<br />
Mutter in einer Castingagentur arbeitete. Weil<br />
Yara damals noch keine 16 war, brauchte sie<br />
einen Agenten, und seit sie einen Agenten hat,<br />
bekommt sie Rollen. Es könnte nicht besser<br />
laufen. Was sie spielt, kommt bestens an. In<br />
Frankreich ist sie bereits ein Star. Doch<br />
leider hat sie das Problem, dass sie sich nicht<br />
fürs Filmgeschäft interessiert. Sie will<br />
Übersetzerin werden. Sie studiert Arabisch.<br />
Sie möchte für politische Organisationen<br />
arbeiten. Zunächst wird sie aber in der zweiten<br />
Staffel von The Returned zu sehen sein. Es<br />
geht ja auch gar nicht anders. Ihre Figur lässt<br />
sich nicht töten. Sie ist schon tot.<br />
Mantel G-Star Hemd<br />
by malene birGer<br />
StylinG<br />
Réka Maria Probst
www.liebeskind-berlin.com
Talents<br />
38<br />
Ry X<br />
trauriger surf-pop<br />
auf der achse australien,<br />
los angeles<br />
und<br />
berlin<br />
V Raha Emami<br />
Khansari<br />
Wann immer Ry Cuming in<br />
eine desolate Situation gerät,<br />
beginnt er das Mantra „Om<br />
mani padme hum“ vor sich hin zu murmeln.<br />
Obwohl das Kauderwelsch Kauderwelsch<br />
bleibt, da sich hinter den Worten kein weiterer<br />
Sinn verbirgt, hilft es dem gebürtigen Australier,<br />
das heilversprechende Surfbrett am<br />
Ende des Tunnels zu sehen. Aufgewachsen<br />
an der australischen Ostküste, in einem Ort,<br />
der 200 Menschen zählt, mit einer Mutter,<br />
die als Yogalehrerin arbeitet, und einem Vater,<br />
den er als Poeten beschreibt, wusste Ry<br />
Cuming früh, dass Geld und Erfolg Belange<br />
sind, die ihn niemals ernsthaft interessieren<br />
würden. Dass dieser Tage mindestens Letzterer<br />
unvermeidlich wird, liegt nicht nur<br />
an seiner herzzerreißenden Stimme und<br />
seinem ans Helfersyndrom appellierenden<br />
Blick (von dem man kaum sagen kann,<br />
ob er ihm oder uns mehr Schmerzen zufügt),<br />
sondern auch an dem einen oder anderen<br />
weltlichen Umstand, der seiner Musik zur<br />
wohlverdienten Aufmerksamkeit verholfen<br />
hat. Erst nahm sich Frank Wiedemann<br />
vom Deep-House-Duo Âme seiner an, was<br />
dazu führte, dass die beiden mit Howling<br />
einen Sommer lang den Song für den Spätnachmittag<br />
nach durchfeierten Nächten<br />
lieferten. Dann kam Ende vergangenen<br />
Jahres ein großer Technikkonzern auf ihn<br />
zu und holte sich die Erlaubnis, den<br />
Titeltrack seiner kürzlich erschienenen EP<br />
Berlin (Infectious) für seinen neuesten<br />
Werbespot zu verwenden. Seitdem ist das<br />
Musikvideo zu Berlin millionenfach geklickt<br />
worden, sicherlich auch, weil sich der<br />
Wahlkalifornier darin mit nacktem Oberkörper<br />
auf dem Dielenboden einer Berliner<br />
Altbauwohnung räkelt, bis eine Frau, die<br />
ebenfalls nur mit einer Hose bekleidet ist,<br />
sich über ihn schlängelt, um im Finale<br />
eines Regenschauers in seinen Armen zu<br />
verschwinden. Zum Dazulegen schön.<br />
FOTO: Infectious Music
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Protokoll Antje Wewer<br />
Life & Style<br />
40<br />
Es gab eine Zeit, in der ich so alt wie<br />
möglich aussehen wollte, nur um ins<br />
Checker’s hineinzukommen. Das<br />
war in Düsseldorf in den Achtzigern, damals<br />
war das Label das Kleidungsstück. Ich war<br />
Popper und trug Girbaud-Hosen zu hochgeschlossenem<br />
Hemd und Seidenschal.<br />
Vorbild: die Jungs von Spandau Ballet.<br />
Schon als Kind habe ich einen Stil immer<br />
recht konsequent verfolgt, mehrere Monate<br />
zum Beispiel nur Braun getragen oder von<br />
Januar bis Juni eine Nerzmütze, weil sie<br />
mir so gut gefiel. Mittlerweile ist mein persönliches<br />
Stilvorbild eher Cary Grant als Gary<br />
Kemp. Am liebsten trage ich Maßgeschneidertes<br />
und Klassiker: 501er-Jeans, Chucks,<br />
Poloshirts, Lederschuhe von Crockett & Jones,<br />
zweireihige Mäntel, Pullover mit V-Ausschnitt.<br />
„Ein gutes Hemd<br />
spricht. Nicht zu laut,<br />
nicht zu leise“<br />
Während des Studiums habe ich bei<br />
Showroom-Partys von Malo für die Gäste gekocht<br />
und wurde in Kaschmirpullovern<br />
bezahlt. Qualitativ hochwertiges Kaschmir<br />
findet man heute leider kaum noch.<br />
Deshalb sind alte, gebrauchte Kaschmirpullover<br />
aus den Sechzigern, die man auf<br />
Flohmärkten in Neapel oder Rom oder in der<br />
Vintage-Boutique Réciproque in Paris<br />
finden kann, eine echte Alternative.<br />
Zu Zeiten des Pogo-Clubs war ich im<br />
B-Boy-Style unterwegs: Big-E-Levi’s auf<br />
den Hüften, Neon-Sweatshirt, Turnschuhe.<br />
Mein Koch-Outfit im Cookies: farbiges<br />
Polohemd und schwarze Kochschürze.<br />
Ich habe einen<br />
ordentlichen Stapel Polos im<br />
Schrank, gerne in Eiscremefarbenwie<br />
Himbeerrot, Pistazie<br />
oder Zitronengelb. Seidensocken<br />
am liebsten von Gallo, nur<br />
leider leben die bei mir nicht lange,<br />
da ich in einem Berliner Altbau<br />
mit Dielen wohne. Filzpantoffeln<br />
sind keine Option! Das Sockenproblem<br />
ist noch nicht gelöst.<br />
Ich habe eine Vorliebe für<br />
Samtjackets, obwohl die so<br />
verdammt empfindlich sind. Das Berliner<br />
Nachtleben hat mich schon einige Exemplare<br />
(Brandlöcher!) gekostet. Je dunkler die Farbe,<br />
desto edler. Ich schätze individuelle<br />
maßgefertigte Kleidung,<br />
trage gerne Anzüge von Rubinacci<br />
oder Sartoria Partenopea. Mit meinem<br />
Partner Martin Purwin habe ich<br />
im Herbst 2011 die Maßschneiderei<br />
Purwin & Radczun gegründet.<br />
Momentaner Liebling:<br />
ein kariertes Leinenhemd mit<br />
50er-Jahre-Kragen. Ein Hemd<br />
unterstreicht den Charakter seines<br />
Trägers. Ein gutes Hemd spricht.<br />
Nicht zu laut, nicht zu leise. Für ein<br />
Smokinghemd immer das größte<br />
und dickste Waffelpiqué nehmen. Am<br />
besten: zwei Waffelpiqué-Stoffe mischen.<br />
Das Monogramm gehört zum maßgeschneiderten<br />
Hemd. Aber ich finde, man<br />
sollte es nicht sehen. Also bitte das Monogramm<br />
auf den Schoß aufsticken, der<br />
in der Hose steckt. Oder unter dem Kragen.<br />
Viele tragen zum Smoking diese Minifliegen,<br />
ich stehe auf große Fliegen. Wenn<br />
schon, denn schon. Das Binden übe<br />
ich aber noch, schwierige Sache. In ein<br />
Smokingknopfset sollte man einmal im<br />
Leben investieren.<br />
Generell gilt für mich: Die Sachen<br />
werden bis zum bitteren Ende aufgetragen.<br />
Zerschlissene Oberhemden ziehe ich an,<br />
wenn ich in meiner Datsche auf dem Land<br />
bin. Und mit alten Kaschmirpullovern putze<br />
ich Schuhe. Ein Portemonnaie?<br />
Nie gehabt! Brauche ich nicht, will ich nicht.<br />
FOTOS: Sammy Hart; Sonja Gutschera + Leif Henrik Osthoff; Freunde von Freunden (2); privat (6)
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fing alles an. Jetzt kommen<br />
ganze Länder auf den Tisch.<br />
Ein Herz für<br />
Berlin, ca. 35 €<br />
Label<br />
to<br />
watch<br />
neue masche<br />
Die Britin Xiao Li traut<br />
sich für ihre Debütkollektion<br />
aus der Komfortzone<br />
und formt Zopfstrick<br />
aus Silikon. Das<br />
Ergebnis: Aufgeblasene<br />
Silhouetten treffen auf<br />
Marshmallow-Farben.<br />
Linkes Armband<br />
ca. 215 €, rechtes<br />
ca. 290 €<br />
FOTOS: AHeirloom INC ; Xiao Li; The Medley Institute; Prada; Valentino; Puma x Solange Knowles<br />
Der gewisse Dreh<br />
Kann man drehen und wenden, wie man will: Die<br />
neue Schmuckkollektion vom Berliner Label The Medley<br />
Institute beweist mit ihren Goldarmbändern, dass<br />
minimalistisches Design durchaus verspielt sein kann.<br />
expeDition ins<br />
zierreich<br />
Miuccia Prada unternimmt einen<br />
Ausflug ins Hawaii der Fifties – und<br />
packt tropische Palmenwedel mit<br />
Hula-Pin-up-Girls auf Canvaskoffer.<br />
Soul hat jetzt einen<br />
guten Lauf: die ersten<br />
Sneakers von Popstar<br />
Solange Knowles<br />
für Puma.<br />
Sneaker von<br />
Puma x Solange<br />
Knowles, Preis<br />
auf Anfrage<br />
Koffer von<br />
Prada, ca. 1690 €<br />
Goldfisch-<br />
Kettchen<br />
Valentino zeigt<br />
Fischanhänger, die so<br />
romantisch sind wie<br />
der Spätbarock am<br />
Trevi-Brunnen.<br />
Kette von<br />
Valentino,<br />
ca. 550 €<br />
45
Wow<br />
Himmel<br />
und erde<br />
Wann immer man zur<br />
Leuchte des Berliner<br />
Designers Christian<br />
Lessing hochguckt, ist<br />
es, als sähe man aus<br />
dem Nachthimmel<br />
verzaubert auf unsere<br />
Erde<br />
hinab.<br />
Pendelleuchte<br />
„Nachtflug“<br />
von<br />
Christian<br />
Lessing, ca. 89 €<br />
Diese Sonnenbrille aus<br />
Plexiglas macht den<br />
Knick zum Prinzip. Am<br />
Bügel, nicht in<br />
der Optik.<br />
46<br />
Dauerlauf<br />
Stella McCartney kommt auch fast zehn Jahre nach ihrer ersten<br />
Kollektion für Adidas zuverlässig mit Sportswear ins Ziel, die<br />
als Highfashion durchgehen kann. Mit ihren oversized geschnittenen<br />
Jogginganzügen schafft sie jetzt auch noch street credibility.<br />
Sonnenbrille<br />
von Fendi, Preis<br />
auf Anfrage<br />
Zeichenmappe von<br />
CHANEL, ca. 2 500 €<br />
AuSGeZeiCHneT<br />
Die Baguette-Bag von Chanel ist die feinste<br />
Lady unter den Handtaschen. Mit der weltberühmten<br />
Steppnaht verziert das Pariser<br />
Modehaus jetzt eine Mappe für Kunstwerke<br />
zum Mitnehmen. Pardon, Pret-à-porter.<br />
born in THe uSA<br />
Im jüngst eröffneten Shinola Store in Downtown<br />
New York gibt es ausschließlich in den USA hergestellte<br />
Produkte: Baseballschläger, Backpacks, Fahrräder,<br />
Sparschweine aus Leder und selbst Muffins. Die Devise<br />
des Stores: So weit das Land, so groß das Angebot.<br />
FOTOS: Stella McCartney x Adidas; Claudia Rath; Fendi; Chanel; Courtesy of Shinola
Regal „Click“ von<br />
New Tendency,<br />
Preis auf Anfrage<br />
Wow<br />
Armband von Assad<br />
Mounser, ca. 360 €<br />
Achtung!<br />
Scharfes Stück: Die New<br />
Yorker Designerin<br />
Assad Mounser macht<br />
aus dem Hollywood-<br />
Glamour der Zwanziger<br />
und aus Punk-Kultur<br />
das gefährlichste<br />
Armband dieser Saison.<br />
Das Zehn-Minuten-Regal<br />
Man braucht keinen Inbusschlüssel! Und es glänzt! Das<br />
Regalsystem „Click“ von Sigurd Larsen kommt ohne Schrauben<br />
und Zusammenbau-Verzweiflung aus. Die Böden werden<br />
einfach in die Träger eingehängt. Das Design gibt es in Kupfer,<br />
Schwarz und Weiß und auf Wunsch in Sonderfarben.<br />
FOTOS: Haw-lin Services; Assad Mounser; Moncler (2); Darry Natale (2); Louis Vuitton; via Frends<br />
Für sie<br />
und ihn<br />
In Berlin-Weißensee ausgebildet, bei<br />
Bernhard Wilhelm in Paris und Tim Hamilton in<br />
New York gelernt: So weltläufig wie der<br />
Werdegang von Martin Niklas Wieser ist auch die<br />
Arbeit des <strong>ju</strong>ngen Modedesigners. Wieser<br />
steht auf Unisex und schneidert geradlinige, kantige<br />
Looks, die allen stehen. Mehr über dieses<br />
Talent auf iNTERviEW.DE<br />
STATuSeTui<br />
Angeben mit dem<br />
Handy geht nicht<br />
mehr. Außer es<br />
trägt Louis vuitton.<br />
iPhone-Case von Louis<br />
Vuitton, ca. 280 €<br />
Praktisch,<br />
quadratisch,<br />
warm: Die<br />
Skianzüge<br />
von Moncler<br />
fluGSiCHerHeiT<br />
Wer sich von ganz oben ins Tal stürzen will, will nicht, dass<br />
ihm der Schussfahrtwind in die Knochen fährt. Deswegen hat<br />
Moncler jetzt eine Signature Collection fürs hochalpine Skilaufen<br />
entwickelt. Die gibt es allerdings nur dort, wo die Pisten<br />
steil sind – etwa in Kitzbühel, St. Moritz oder Chamonix.<br />
„Taylor Oil Slick“,<br />
Kopfhörer von<br />
Frends, ca. 210 €<br />
oHrfunkeln<br />
Für das Design seiner<br />
Kopfhörer bedient sich<br />
das Label Frends nun<br />
bei einem der größten<br />
Runway Trends dieser<br />
Saison: Metallic. Ein<br />
Accessoire, das sicher<br />
den richtigen Ton trifft.<br />
47
David Schnell<br />
48<br />
Schönheit<br />
flüchtig<br />
Pop-up-Kunst: David<br />
Schnells Blumenteppich<br />
in Genzano<br />
Der leipziger Maler DaviD Schnell<br />
war ein Jahr lang StipenDiat<br />
Der villa MaSSiMo in roM. vor<br />
Seiner abreiSe erzählt er coSiMa<br />
bucarelli, KünStlerin auS roM,<br />
wie Die StaDt unD ihr licht ihn<br />
unD Seine bilDer veränDert haben.<br />
unD waruM er eS toll fanD, DaSS<br />
KinDer Seine KunSt zertraMpelten<br />
Von Cosima Bucarelli<br />
ist<br />
COSIMA BUCARELLI: Seit wann bist du in der Villa Massimo?<br />
DAVID SCHNELL: Seit Februar 2012 und mit wenigen<br />
Unterbrechungen auch die ganze Zeit hier.<br />
BUCARELLI: Davor hast du in Leipzig gewohnt?<br />
SCHNELL: Genau, 18 Jahre lang. Aber eigentlich<br />
komme ich aus Köln.<br />
BUCARELLI: Du hast nicht wirklich 18 Jahre lang<br />
Leipzig nicht verlassen?<br />
SCHNELL: Doch. Das war das allererste Mal, dass ich<br />
mich für ein Stipendium beworben habe. Und dann hat es<br />
auch gleich geklappt.<br />
BUCARELLI: Deine Bilder zeigen oft architektonische<br />
Elemente. Licht, Farben und Perspektiven spielen ebenfalls<br />
eine große Rolle. Hat sich in Rom etwas daran verändert?<br />
SCHNELL: Schwierig zu sagen, weil die Bilder, die ich hier angefangen<br />
habe, noch nicht fertig sind. Bezüglich der<br />
Farbigkeit habe ich aber gemerkt, dass sich ein neues Element<br />
einschleicht. Es gibt Bilder, die so pastellige oder<br />
kreidige Töne haben. Da habe ich mich an diesen verblassenden<br />
Fresken orientiert, die man in Rom überall<br />
sieht. Und das Licht wird sicher auch noch eine größere<br />
Rolle spielen, gerade mit den starken, harten Kontrasten<br />
des Sommers. Ich bin auch schon im Umland unterwegs<br />
gewesen. In den Pontinischen Sümpfen zum Beispiel, der<br />
Ecke, aus der der Büffelmozzarella kommt, oder ich war in<br />
der Gegend um Genzano, wo ich den Blumenteppich<br />
gemacht habe. Ich könnte mir vorstellen, dass sich<br />
zumindest unterbewusst daraus etwas entwickelt.<br />
BUCARELLI: Ich finde, man sieht, dass in deinen Bildern<br />
alles etwas offener ist und die Farben sich verändern. Ich<br />
denke, dass das etwas mit Rom zu tun hat. Wie kam es<br />
eigentlich, dass du in Genzano einen Blumenteppich entworfen<br />
hast?<br />
SCHNELL: Der Bürgermeister von Genzano hat in der Villa<br />
Massimo angerufen und gefragt, ob ein deutscher<br />
Künstler Interesse hätte, bei dem Fest mitzumachen. Ich<br />
habe mir das im Internet angesehen und sofort zugesagt,<br />
obwohl klar war, dass es eine Gratwanderung sein würde,<br />
weil es im Rahmen eines religiösen Volksfestes passiert.<br />
Aber ich fand diese Ästhetik so interessant. Und natürlich<br />
hat mich auch gereizt, dass das so flüchtig ist.<br />
BUCARELLI: Was genau war deine Aufgabe?<br />
SCHNELL: Ausgangspunkt war der 40. Geburtstag des<br />
Buches Momo, denn Michael Ende hat ja viele Jahre in<br />
Genzano gelebt. Deswegen hatte der Bürgermeister die<br />
Idee, ihm im Rahmen des Dorffestes einen Blumenteppich<br />
zu widmen.<br />
BUCARELLI: Wie toll! Blumen sind ja ein völlig neues<br />
Medium für einen Künstler.<br />
SCHNELL: Richtig. Bis zu dem Punkt, wo alles halb fertig<br />
war, war ich ziemlich aufgeregt, weil ich mir nicht<br />
vorstellen konnte, wie die Ästhetik wirklich ist. Aber dann<br />
merkte ich: Die wissen, was sie tun. Ich musste ja auch<br />
nicht selber Hand anlegen, sondern stand auf einem Balkon<br />
und habe der Blumenmeisterin Arianna Salustri<br />
zugeschaut und nur ab und zu gesagt: „Okay, hier den Ton<br />
bitte etwas aufhellen“, und dann pflanzte sie in ein Beet<br />
mit dunkelblauen Blumen noch ein paar weiße. Ich habe<br />
ihr vorher einen Katalog von mir gegeben, um ihr meine<br />
Bildwelt zu zeigen, und sie hat das total gut umgesetzt.<br />
BUCARELLI: Wie groß war der Blumenteppich?<br />
SCHNELL: Sieben mal elf Meter.<br />
BUCARELLI: Wo findet sich der Bezug zu Momo?
FOTOS: (linke Seite) Uwe Walter, Berlin, David Schnell, „Blumenteppich bei der Infiorata in Genzano“, 2013, Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin/<br />
VG Bild-Kunst, Bonn 2013; (rechte Seite) Uwe Walter, Berlin, David Schnell, „Pontina“, 2013, Öl auf Leinwand, 130 x 280 cm, Courtesy Galerie EIGEN + ART<br />
Leipzig/Berlin/VG Bild-Kunst, Bonn 2013<br />
SCHNELL: Architektonisch gesehen befindet sich im<br />
Zentrum des Entwurfs ein Amphitheater, in dem Momo<br />
ja auch lebt. Von diesem Zentrum aus habe ich die<br />
Komposition gemacht, die von Stimmung und Farbe lebt,<br />
was ich auch nicht so einfach fand. Als ich das Buch<br />
gelesen habe, dachte ich eher an Sepiatöne, und mit Blumen<br />
will man ja eher bunt arbeiten. Aber es gibt Elemente<br />
wie die graue Wolke, die an den Rauch der Herren mit den<br />
grauen Zigarren erinnert. Vieles, wie zum Beispiel die<br />
Schildkröte aus Momo, hat sich in ein abstraktes Element<br />
verwandelt. Ich habe fast drei Wochen am Entwurf<br />
gearbeitet.<br />
BUCARELLI: Und am Ende durfte jeder drüberlaufen?<br />
SCHNELL: Der Ablauf ist so: Freitags werden die<br />
Zeichnungen auf die Straße gemacht, samstags werden die<br />
Blumen gelegt. Sonntagmittag sind die Blumenteppiche<br />
fertig und können den ganzen Tag angeschaut werden, und<br />
abends geht die Prozession los, aber nur der Geistliche<br />
und zwei Schleppenträger gehen über den Blumenteppich.<br />
Montagnachmittag geht dann eine eher profane<br />
Prozession über die Blumenteppiche, Trachtengruppen<br />
und Musikkapellen in historischen Gewändern. Und<br />
dann gibt es diesen schönen Moment, wo das Bild langsam<br />
erodiert. Ganz zum Schluss versammeln sich hinter den<br />
Teppichen am oberen Ende der Ausstellung wie hinter einer<br />
Startlinie die Kinder des Dorfes. Dann gibt der Bürgermeister<br />
den Startschuss, und alle Kinder rennen los und<br />
dürfen mit den Blumen machen, was sie wollen.<br />
Schließlich gibt es Discomusik, und alle tanzen darauf<br />
herum.<br />
BUCARELLI: Du hast dich erst mit 23 Jahren entschieden,<br />
Künstler zu werden. Was war davor?<br />
SCHNELL: Es ist nicht so, dass ich einen anderen Traum<br />
hatte, es hat sich bei mir nur langsam entwickelt. Ich bin<br />
vorher viel BMX-Rad gefahren und habe T-Shirts<br />
gestaltet und Events veranstaltet. Dann habe ich in Köln<br />
im Rose Club gearbeitet und für kleine Bands in Köln<br />
hin und wieder ein Plattencover oder T-Shirt gestaltet und<br />
irgendwann ein Praktikum beim<br />
Goldschmied gemacht, weil ich<br />
glaubte, Restaurateur werden zu<br />
wollen. Wie ich zur bildenden<br />
Kunst gekommen bin, weiß ich gar<br />
nicht mehr so genau. In Düsseldorf<br />
an der Uni wurde ich jedenfalls<br />
zweimal mit meiner Mappe abgelehnt.<br />
Aber ich bin tatsächlich<br />
erst mit 23 Jahren auf die Idee gekommen,<br />
Kunst zu studieren.<br />
Davor habe ich nach dem Abi drei<br />
Jahre einfach nur so rumgeschaut.<br />
BUCARELLI: Vermisst du als Kölner<br />
in Rom nicht das Bier?<br />
SCHNELL: Ich trinke eigentlich alles gern, aber hier bin ich<br />
zum Weißweintrinker geworden. Was mir auch gefällt,<br />
ist, dass man hier beim Ausgehen nicht zwingend in einem<br />
Club landet, sondern eher zusammen isst und danach<br />
draußen herumsteht und trinkt.<br />
BUCARELLI: Abendessen, Vernissagen und auf der Piazza<br />
rumstehen …<br />
SCHNELL: Genau. Das finde ich schön.<br />
BUCARELLI: Von Schönheit gibt es in Rom fast zu viel.<br />
Wie wird das wohl sein, wenn du zurück bist?<br />
SCHNELL: Tja, das weiß ich auch nicht. Hoffentlich kriege<br />
ich keine Depression.<br />
BUCARELLI: Wird man später von deiner römischen Phase<br />
sprechen?<br />
SCHNELL: Als ich ankam, dachte ich tatsächlich, dass ich<br />
jetzt alles anders machen muss, und dann ist natürlich erst<br />
mal gar nichts passiert. Jetzt lasse ich mir Zeit und schaue<br />
einfach, wie Rom sich nach und nach einschleicht. Ich habe<br />
aber auch gehört, dass sich bei manchen Künstlern der<br />
Rom-Effekt erst hinterher einstellt.<br />
Der Berliner Martin-Gropius-Bau zeigt am<br />
20. Februar Arbeiten der Villa-Massimo-Stipendiaten<br />
des Jahrgangs 2013<br />
Sommer, Licht,<br />
Farbe: „Pontina“ (2013,<br />
Öl auf Leinwand) und<br />
David Schnell im Atelier<br />
PORTRÄT:<br />
Nikolaus Brade
Kultur<br />
Neue AusstelluNgeN, Neue Filme,<br />
eiN Neues KiNo, Neue Bücher<br />
sowie der spoNtAN<br />
improvisierte<br />
F r A g e B o g e N<br />
Now<br />
50<br />
Philip<br />
Ģuston<br />
In den 50er-Jahren war Philip Guston<br />
neben Jackson Pollock, Willem de Kooning<br />
und Mark Rothko einer der wichtigsten<br />
Vertreter des abstrakten Expressionismus.<br />
Doch dann ging er in den 60er-Jahren<br />
in sich, und als er pünktlich zu Beginn<br />
des neuen Jahrzehnts wieder aus sich<br />
herauskam, brachte er lustige Bilder mit<br />
groben, unrasierten Kerlen mit, die<br />
aussahen, als wären sie aus irgendwelchen<br />
Comics herausgefallen. Sehr komisch!<br />
Nur die notorisch humorlose Kunstszene<br />
wollte den Witz nicht verstehen, weshalb es<br />
einen Skandal gab, vergleichbar mit jenem,<br />
als Bob Dylan die E-Gitarre einstöpselte.<br />
Mit 80 Gemälden<br />
und Zeichnungen<br />
ist Gustons Spätwerk<br />
vom 22.<br />
Februar bis 25. Mai<br />
in der Sammlung<br />
Falckenberg der<br />
Deichtorhallen in<br />
Hamburg-Harburg<br />
zu sehen.<br />
Gute<br />
Aussichten<br />
Ein Wohnwagen, der schon mal bessere Zeiten gesehen<br />
hat. Eine windschief in die Landschaft ragende<br />
Wäschespinne voller Plunder. Müll, der auf dem Boden<br />
herumliegt. Und zwei Kinder, die bestimmt viel lieber<br />
vor dem Fernseher säßen und mit der neuen X-Box spielten,<br />
zumal das Wetter auch besser sein könnte. Aber das ist<br />
der Zauber der Fotografie: Mit dem richtigen Gespür für<br />
den richtigen Moment lassen sich selbst die trostlosesten<br />
Szenen in wunderbare Bilder verwandeln, wie Birte<br />
Kaufmann mit The Travellers zeigt. Zu sehen ist ihr Bild<br />
neben vielen anderen Werken in der Ausstellung Gute<br />
Aussichten – Junge deutsche Fotografie 2013/2014, dem<br />
wichtigsten Wettbewerb für <strong>ju</strong>nge Fotografen in<br />
Deutschland. In diesem Jahr feiert die Schau ihr zehnjähriges<br />
Jubiläum, geöffnet ist sie vom 7. Februar bis zum<br />
23. März im Haus der Photographie in den<br />
Deichtorhallen in Hamburg.
FOTOS: (linke Seite) „Painter‘s Head“, 1975. Öl auf Leinwand, 185 x 205 cm Privatsammlung © The Estate of Philip Guston; Philip Guston auf der Treppe in Woodstock (1980) © Renee Conforte McKee; Birte Kaufmann, The Travellers. www.guteaussichten.<br />
org © Birte Kaufmann; (rechte Seite) © 2012 Universum Film GmbH; Dorothy Iannone, Let the Light from My Lighthouse Shine on You, 1981, Privatsammlung Schweiz © Jochen Littkemann, Courtesy Air de Paris, Paris; Man Ray. Laboratory of the Future.<br />
1935. Gelatin silver print, 23.1 x 17.8 cm. The Museum of Modern Art, New York. Gift of James Johnson Sweeney © 2013 Man Ray Trust/Artists Rights Society (ARS), New York/ADAGP, Paris; © Andri Pol<br />
Im Kino:<br />
„Homefront“<br />
James Franco auf allen Kanälen. In Homefront ist er ein hinterwäldlerischer<br />
Crystal-Meth-Pate und zettelt einen Kleinkrieg mit dem tollen Jason Statham an,<br />
der wie üblich einen Ex-Bullen spielt, der nur seine Ruhe haben will. Das Ergebnis:<br />
Sachschäden, Todesfälle, Chaos. Winona Ryder ist auch mit dabei, und Sylvester<br />
Stallone schrieb das Drehbuch. Mehr kann man nicht verlangen (ab 23. Januar).<br />
Eine Welt für sich:<br />
Fotografen im Studio<br />
Die Grundidee dieser Ausstellung besteht darin,<br />
Arbeitsweisen von Fotografen im Studio<br />
vorzustellen. Bauen sie theaterhafte Kulissen wie<br />
Cindy Sherman, oder bevorzugen sie einen<br />
weißen Hintergrund wie Richard Avedon? Wird<br />
im Darkroom experimentiert wie bei Christian<br />
Marclay oder Quatsch gemacht wie bei Fischli &<br />
Weiss? Schauen Sie selbst vom 8. Februar bis 5.<br />
Oktober im New Yorker MoMA.<br />
13<br />
Fragen an<br />
Anna<br />
Stothard<br />
Wann und Wo Geboren? 1983 in London.<br />
beruf? Schriftstellerin. aktueller roman?<br />
Die Kunst, Schluss zu machen (Diogenes,<br />
14,90 Euro). Wann jemanden verlassen<br />
(und Warum)? Bevor man selbst gebrochen<br />
zurückbleibt. die drei Hauptdisziplinen des<br />
scHlussmacHens? Erstens: Umarme den<br />
Schmerz. Zweitens: Fluchtplan und<br />
Fluchtroute! (Zum Beispiel niemals das<br />
Gespräch am Beginn eines Zwölf-Stunden-<br />
Flugs anfangen – eigene Erfahrung!)<br />
Drittens: Man kann nicht befreundet bleiben.<br />
Die Idee ist lächerlich. Don’t even ask.<br />
mÉnaGe-à-trois: frau-mann-frau oder<br />
mann-frau-mann? Mann-Frau-Mann.<br />
Jules et Jim. Y Tu Mamá También. in WelcHer<br />
spracHe lässt sicH am besten<br />
Now<br />
scHlussmacHen: enGliscH, deutscH,<br />
französiscH oder italieniscH? Englisch ist<br />
gut, wenn man zurückgenommene<br />
Feindseligkeit und die schwarze Komödie<br />
schätzt. Deutsch wegen der Möglichkeit,<br />
Auf Wiedersehen zu sagen. Aber Italienisch<br />
ist am besten. Ich habe mal mit einem<br />
Pärchen aus Neapel zusammengewohnt, als<br />
es sich trennte. Großes Gestreite, unterbrochen<br />
von Orgasmen und zerbrechendem Geschirr.<br />
Dorothy<br />
Iannone<br />
Das zentrale Thema im Werk von Dorothy Iannone ist die<br />
ekstatische Liebe. Ihren Bildern zufolge ist die ekstatische<br />
Liebe erfreulich bunt. Die Künstlerin, die 1933 in Boston<br />
geboren wurde und mittlerweile in Berlin lebt, gehört zu<br />
den letzten großen Exzentrikerinnen der Kunst. Inspiriert<br />
von japanischer Papierkunst, orientalischen Ornamenten,<br />
Tantrismus, Buddhismus und der christlichen Ekstatik im<br />
Barock schuf Iannone eine Bilderwelt, die ab dem<br />
20. Februar in der Berlinischen Galerie in Berlin in einer<br />
Retrospektive zu sehen ist.<br />
sHoppinG-strateGie fürs bezieHunGsende?<br />
Unterwäsche kaufen. WelcHe ist die<br />
bessere stadt zum scHlussmacHen: london<br />
oder berlin? London ist natürlich die<br />
Hauptstadt meiner Erinnerungen.<br />
Schlussmachen auf dem Primrose Hill. In der<br />
Waterloo Station, im McDonald’s in<br />
Camden Town, im 393er-Bus. Ich könnte<br />
einen Stadtplan malen: Beziehungsenden<br />
in London. Berlin hat dafür exzellente Brücken.<br />
Es heißt ja, wenn man sich auf einer Brücke<br />
verabschiedet, wird man sich nie wiedersehen.<br />
lieblinGszeile aus einem sonG übers<br />
scHlussmacHen? „Just slip out the back, Jack!“<br />
bester trennunGsdialoG aus einem film?<br />
In Mike Nichols’ Hautnah. Dan sagt, er habe<br />
sich in eine andere verliebt. Alice antwortet,<br />
oh, dann hätte er ja wohl keine andere Wahl<br />
gehabt. Und dass es immer einen Moment<br />
gäbe, an dem man die Wahl habe. Und dann<br />
sagt sie, dass sie ihn verlasse. tascHentucH<br />
oder boxHandscHuH? Beides, bitte. Ich werde<br />
das Taschentuch in meinem Boxhandschuh<br />
halten. sex mit dem ex oder entHaltsamkeit?<br />
Ohne Trennungs-Sex wären<br />
Beziehungsenden, als würde man die Torte<br />
anschneiden und dann nicht essen.<br />
51
52<br />
Schöner, lauter, bunter:<br />
der neu eröffnete Zoo Palast<br />
Mehr Beinfreiheit, bequemere Sitze, besserer Sound. Die Leinwand ist 176<br />
Quadratmeter groß, im Hauptsaal gibt es bis zu 850 Plätze. Und dann noch dieser<br />
Wasservorhang! Weil Wasservorhänge einerseits teuer sind und andererseits<br />
ziemlich unpraktisch, hat man Wasservorhänge im Kino nur selten. Allerdings sind<br />
Wasservorhänge irre hübsch, was den Anspruch des neu eröffneten Zoo Palasts<br />
unterstreicht, das mit Abstand schönste Kino der Hauptstadt zu sein. Hat sich gelohnt:<br />
In diesem Jahr wird der Zoo Palast wieder Berlinale-Spielstätte sein.<br />
Auf dem Dach stehen, rauchen:<br />
Burroughs (Ben Foster), Ginsberg<br />
(Daniel Radcliffe), Carr<br />
(Dane DeHaan) und Kerouac<br />
(Jack Huston) erfinden die Beat<br />
Generation<br />
Wir schreiben das Jahr 1944. Allen Ginsberg, ein schüchterner Junge mit einem<br />
komplizierten familiären Hintergrund, beginnt sein Studium an der Columbia<br />
University. Dort verliebt er sich in seinen Mitstudenten Lucien Carr, der wiederum<br />
ein kompliziertes Verhältnis zu seinem ehemaligen Lehrer David Kammerer pflegt.<br />
Kammerer schreibt für Carr die Hausarbeiten und will im Gegenzug Carr. Carr weiß<br />
nicht, was er will. William S. Burroughs erforscht unterdessen die Welt der<br />
Drogen. Jack Kerouac trinkt viel und behandelt seine Freundin schlecht. Alle<br />
zusammen wollen die Literatur revolutionieren, zerschneiden Klassiker mit der<br />
Schere und kleben sie neu zusammen. Dann wird Kammerer von Carr ermordet,<br />
und die anderen drei schreiben Literaturgeschichte. Toller Film über eine eher<br />
unbekannte Episode der Beat Generation (ab 30. Januar).<br />
Lars von Trier<br />
(Regisseur)<br />
Charlotte Gainsbourg<br />
(Muse)<br />
„Kill<br />
Your<br />
Darlings“<br />
Die Formel „Nymphomaniac“<br />
Katholizismus<br />
(Unterbau)<br />
Now<br />
Wahnsinn<br />
(Irre)<br />
Fremdgelesen<br />
Unlautere Formen der Kritik<br />
jojo moyes: eine Handvoll Worte<br />
Nachgefragt bei Ida M., 63, „Süddeutsche“-<br />
Leserin aus dem Norden ida m.: Moyes kenne<br />
ich von meiner Schwester aus Hannover.<br />
Die hat den Vorgänger Ein ganzes halbes Jahr<br />
förmlich verschlungen. intervieW: Seit<br />
einem ganzen halben Jahr an der Spitze der Taschenbuchcharts.<br />
m.: (professionell) Ist auch gut geschrieben. Das<br />
neue Buch erzählt eine unerfüllte Liebesgeschichte, die<br />
zwischen New York und London hin und her springt.<br />
Aber ich hätte nach 40 Seiten aufgehört. intervieW: Warum?<br />
m.: Das ist für mich der neuralgische Punkt. Ich<br />
habe dann aber weitergelesen, um mich auf dieses Gespräch<br />
vorzubereiten … intervieW: Vielen Dank, sehr nett!<br />
Rowohlt, 14,99 Euro<br />
douGlas coupland: spieler eins<br />
Wolfgang B., 41, Filmkritiker, Ex-„Generation<br />
X“-Leser intervieW: (beim Tischtennis)<br />
Könnten wir uns bitte mal vernünftig<br />
einspielen, ohne Schmetterbälle? WolfGanG<br />
b.: Meinetwegen. Von dem Coupland hab<br />
ich übrigens nur die ersten 15 Seiten gelesen. intervieW:<br />
Ach so? b.: Nerviger Stream of Consciousness, halte ich<br />
nicht mehr aus. intervieW: Aber der Titel ist schon super …<br />
b.: Player One? Ist das eine Zigarettenmarke? intervieW:<br />
Worum geht’s überhaupt? b.: Frau hat ein Blind Date,<br />
Apokalypse kommt dazwischen. Klett-Cotta, 19,95 Euro<br />
<strong>ju</strong>lia deck: viviane ÉlisabetH fauville<br />
Marion K., 40, Vielleserin ohne Fernseher<br />
marion k.: Nach 50 Seiten habe ich erst mal<br />
das Ende gelesen. Wegen der siezenden<br />
Erzählperspektive ist es doch ein bisschen<br />
verwirrend. „Sie“ oder „sie haben jemanden<br />
ermordet“? Dann hab ich es ab Seite 75<br />
probiert, aber das hat’s auch nicht gebracht. Schließlich hab<br />
ich’s komplett durchgelesen … intervieW: Wow, also ein<br />
richtig schöner Avantgarde-Krimi? k.: Die Atmosphäre hat<br />
mir schon ganz gut gefallen. Aber die Kapitel wirkten wie<br />
Fotos in einer Ausstellung, deren Räume nicht wirklich<br />
zusammenhängen. Klaus Wagenbach, 16,90 Euro<br />
Sex<br />
(Überbau)<br />
„Nymphomaniac“<br />
FOTOS: © 2013 | PREMIUM Entertainment GmbH(4); Rowohlt Polaris; Klett-Cotta; © Verlag Klaus Wagenbach; © Koch Media; ddp images; Dominique Charriau/WireImage/Getty Images; All mauritius images; Cinetext Bildarchiv; Getty Images; ©<br />
2013 Concorde Filmverleih GmbH
JOSEPH BEUYS<br />
ZEICHNUNGEN<br />
12. OKTOBER 2013 - 8. FEBRUAR 2014<br />
GALERIE BASTIAN<br />
AM KUPFERGRABEN 10 · 10117 BERLIN<br />
DO-FR 11-17.30 Uhr, SA 11-16 Uhr<br />
www.galeriebastian.com<br />
ANLÄßLICH DER AUSSTELLUNG ERSCHEINT EINE UMFANGREICHE PUBLIKATION.<br />
Joseph Beuys »Altes Meer mit Flugechse« 1956 © Joseph Beuys Estate / VG Bild-Kunst, Bonn 2013
Boy George<br />
54<br />
Ein Bild<br />
von einem<br />
Mann: Mit<br />
52 ist Boy<br />
George<br />
weiser und<br />
angstfreier<br />
denn je
Boy<br />
endlich hat das chamäleon<br />
der achtZiGer ein Gutes<br />
karma: ein Gespräch über die<br />
neuerfindunG eines mannes,<br />
der lanGe GanZ unten war<br />
Von Harald Peters<br />
Porträt Pål Hansen<br />
FOTO: Pål Hansen für „The Sunday Times Magazine“<br />
George<br />
er hat alles überlebt: die Achtziger, den Welterfolg<br />
und die Drogen, die Fettsucht und den Knast.<br />
Zwar sorgten all die privaten Dramen dafür, dass<br />
seine Bekanntheit intakt blieb, nur geriet leider völlig in<br />
Vergessenheit, womit Boy George überhaupt diese<br />
Bekanntheit erlangt hatte. Nicht, dass der heute 52-Jährige<br />
über die Jahre untätig gewesen wäre. Er hat sich eine<br />
Karriere als DJ aufgebaut, nebenbei zwei Autobiografien<br />
(Take It Like A Man, Straight) veröffentlicht, ein Musical<br />
(Taboo) geschrieben, eine Modelinie (B-Rude) lanciert<br />
und auch fotografiert. Nur als Popmusiker trat er nicht<br />
mehr in Erscheinung. Das soll sich jetzt ändern. 19 Jahre<br />
nach Cheapness & Beauty veröffentlicht Boy George<br />
jetzt ein neues Album mit dem programmatischen Titel<br />
This Is What I Do.<br />
IntervIew: War es notwendig, die Öffentlichkeit daran<br />
zu erinnern, was Sie tun?<br />
Boy GeorGe: Absolut. Immerhin habe ich in der<br />
Vergangenheit nichts unversucht gelassen, um von dem<br />
abzulenken, was ich eigentlich mache. Als ich in einem<br />
<strong>Interview</strong> gefragt wurde, wie das Album heißen würde,<br />
sagte ich, ohne darüber nachzudenken: „This Is What I<br />
Do.“ Vorher hatte ich nur alberne Titelideen …<br />
Boy George<br />
55
Boy George<br />
56<br />
IntervIew: Welche denn?<br />
GeorGe: Ach, ich kann mich gar nicht mehr daran<br />
erinnern. Ich weiß nur, dass meine Freunde mich komisch<br />
anschauten, wenn ich sie ihnen verriet: „Ernsthaft?“<br />
Haha! Aber in den vergangenen fünf Jahren habe ich mich<br />
zum ersten Mal gefragt, wie ich mich selbst sehen will.<br />
Die Frage hatte ich mir vorher nie gestellt. Ich war immer<br />
nur damit beschäftigt, was andere Leute von mir halten,<br />
wie ich aussehe, wie ich wirke.<br />
„Es ist erstaunlich, wie sehr<br />
man zu dem wird, was über<br />
einen geschrieben wird“<br />
IntervIew: Hätte man jetzt nicht gedacht.<br />
GeorGe: Im Popgeschäft ist ja oft von Neuerfindung die<br />
Rede, aber ich halte Neuerfindung für einen Mythos.<br />
In der Regel heißt das nur, dass man eine neue Frisur hat,<br />
was Neues zum Anziehen, andere Schulterpolster und<br />
so. Aber so funktioniert das nicht. Es mag zwar so aussehen,<br />
dass man sich über Nacht verändert, aber in Wirklichkeit<br />
ist es ein jahrelanger Prozess.<br />
IntervIew: Funktioniert Neuerfindung überhaupt?<br />
GeorGe: Ja, unbedingt. Es hängt natürlich davon ab, was<br />
man neu erfinden will, aber in meinem Fall, wie soll ich<br />
sagen … Einerseits habe mich sehr verändert, andererseits<br />
bin ich vielleicht nur wieder zu der Person geworden,<br />
die ich war, bevor ich ins Unterhaltungsgeschäft geraten<br />
bin. Ich sehe natürlich nicht mehr so aus, aber ich fühle<br />
mich wieder wie mit 19. Natürlich ohne all die Ängste.<br />
Ich war ja so unsicher damals.<br />
IntervIew: Waren Sie das? Ich habe ein altes<br />
TV-<strong>Interview</strong> mit Barbara Walters gesehen …<br />
GeorGe: Aber da rede ich doch nur Quatsch, und zwar<br />
ununterbrochen. Antony von Antony & The Johnsons<br />
hat mir ein <strong>Interview</strong> gezeigt, dass ich kurz vor meinem<br />
Durchbruch dem Record Mirror gegeben habe. Die<br />
Überschrift war: „Ich liebe den Papst, er ist wie Gary<br />
Glitter!“ Darin erzähle ich, dass Iron Maiden bald<br />
die größte Band der Welt sein würde, lauter so irres Zeug.<br />
Aber man hat mich immer reden lassen.<br />
IntervIew: Und jetzt …<br />
GeorGe: … rede ich immer noch, haha. Aber die<br />
Ereignisse der vergangenen fünf Jahre haben mich<br />
gezwungen, ein wenig erwachsener zu werden. Allerdings<br />
glaube ich nicht, dass die Weisheit mit dem Alter kommt,<br />
man entscheidet sich dafür. Mein Problem ist nämlich,<br />
dass ich Veränderung hasse. Obwohl ich ständig nach ihr<br />
suche und sie umarme, kann ich Veränderung auf der<br />
persönlichen Ebene nicht ertragen. Aber irgendwann, als<br />
es nicht mehr anders ging, musste ich mich von meinem<br />
Manager und all den anderen Leuten, die für mich<br />
gearbeitet hatten, trennen, weil mir klar wurde, dass sie in<br />
mir nur den Boy George sehen konnten, der ich all die<br />
Jahre gewesen war. Also musste ich Leute finden, die mich<br />
herausforderten und darüber hinwegsahen, was ich war.<br />
Um ehrlich zu sein, bin ich das, was ich war, im Grunde<br />
nie gewesen. Es ist erstaunlich, wie sehr der Ruhm das<br />
Image formt und wie man dann selbst dieses Bild bedient.<br />
Stars werden zu dem, was man über sie schreibt.<br />
IntervIew: Man fängt also an, sich selbst zu spielen.<br />
GeorGe: Ja, man wird zur Parodie, zu einem Klischee.<br />
Aber da ich nie besonders ehrgeizig war, habe ich nicht<br />
gegengesteuert.<br />
IntervIew: Sie waren nicht ehrgeizig?<br />
GeorGe: Nein, schon als <strong>ju</strong>nger Mann nicht. Ich musste ja<br />
auch nicht ehrgeizig sein, es ist mir alles zugeflogen.<br />
IntervIew: Na ja, immerhin haben Sie damals eine Band<br />
gegründet. Etwas Mühe muss das doch gekostet haben.<br />
GeorGe: Ach, wir waren doch alle in irgendwelchen<br />
Bands. Heute bin ich jedenfalls viel ehrgeiziger. Nicht,<br />
weil ich will, dass Fans bei meinem Anblick vor<br />
Begeisterung schreien, und auch nicht, weil ich wieder zu<br />
dem werden will, der ich war, bloß das nicht. Das ist<br />
vielleicht der größte Kampf, den ich Tag für Tag austragen<br />
muss: dass ich all das nicht noch einmal will.<br />
IntervIew: Warum nicht?<br />
GeorGe: Weil ich das alles schon kenne und weiß, dass es<br />
einen nicht glücklich macht.<br />
IntervIew: Aber ist es nicht so, dass die Mechanismen des<br />
Showgeschäfts gewisse Dinge von einem verlangen?<br />
GeorGe: Doch, klar. Das Showgeschäft ist nicht<br />
besonders originell. Gewisse Dinge lassen sich nur auf<br />
eine gewisse Weise erreichen. Deswegen empfiehlt es sich<br />
auch, einen Plan zu haben und sich nicht aus der Ruhe<br />
bringen zu lassen. Als ich bei Virgin unter Vertrag war<br />
und Cheapness & Beauty veröffentlichte, meiner Meinung<br />
nach eine der besten Platten, die ich gemacht habe, hatten<br />
wir einen Plan, wie das Album unters Volk zu bringen sei<br />
– aber in der Sekunde, in der es nicht so lief wie erhofft,<br />
geriet die Plattenfirma in Panik und brachte Il Adore<br />
heraus, einen Song über den Tod. Ich dachte nur: „Echt<br />
jetzt?“ Haha. Aber ich habe sie gelassen. Zu wenig<br />
Ehrgeiz. Mein Fehler.<br />
IntervIew: Welche Lehre ziehen Sie daraus?<br />
GeorGe: Selbst wenn ein Plan scheitert, halte an ihm fest.<br />
IntervIew: Auf Gedeih und Verderb?<br />
GeorGe: Man muss sich treu bleiben. Aber dazu muss<br />
man natürlich wissen, wer die Person, der man treu<br />
bleiben soll, überhaupt ist. Wer bist du? Was willst du?<br />
Was soll das alles überhaupt?<br />
IntervIew: Und was ist die Antwort?<br />
GeorGe: Ich will die Chance nutzen, das Bild von mir<br />
neu zu malen. Wissen Sie, als ich anfing, das neue Album<br />
aufzunehmen, hatte niemand auch nur die geringste<br />
Erwartung. Nie habe ich für eine meiner Platten je eine<br />
positive Besprechung erhalten, ich meine, in Deutschland<br />
vielleicht, aber in England: nie!<br />
IntervIew: Ist das so?<br />
GeorGe: Machen Sie Witze!?<br />
IntervIew: Und warum?<br />
GeorGe: Keine Ahnung. Weil ich ein Superstar war. Weil<br />
ich jeden Erfolg hatte, den man sich vorstellen konnte.<br />
Dazu kam mein Aussehen. Ich war kein Musiker, ich war<br />
ein singender Kleiderständer. Und vielleicht lag sogar ein<br />
wenig Wahrheit darin.<br />
IntervIew: Aber das neue Album scheint man in England<br />
zu mögen.<br />
GeorGe: Sie lieben es. Ich war gerade auf einer kleinen<br />
Clubtour durch England, und es war großartig. Es<br />
gab Momente, wo ich auf der Bühne stand und plötzlich<br />
merkte, was für eine tolle Band ich eigentlich habe.<br />
Neulich hat mich jemand gefragt, was ich auf der Bühne<br />
trug. Ich sagte: „Das, was sauber war!“ Es ging um die<br />
Musik, nicht um die Kostüme.<br />
FOTO: Dave Hogan/Hulton Archive/Getty Images
IntervIew: Keine Kostüme?<br />
GeorGe: Nein, nicht jetzt. Aber nächstes Jahr wieder,<br />
wenn ich auf große Tour gehe. Haha! Vor ein paar Tagen<br />
hatte ich ein Shooting mit Jean Paul Gaultier, und er<br />
hat mir die tollsten Sachen angezogen. Ich dachte nur:<br />
„Fashion! Fashion! Fashion!“ Haha!<br />
IntervIew: Ich denke, dass das Publikum das auch von<br />
Ihnen erwartet.<br />
GeorGe: Ich erwarte es auch von mir. Aber der<br />
Unterschied zu früher ist, dass ich damals immer Boy<br />
George war. Es gab keine Pause, ich war von ihm<br />
wie besessen. Aber mittlerweile weiß ich, dass ich nicht<br />
ununterbrochen er sein muss. Ich meine, wie soll ich<br />
es sagen, ich bin natürlich Boy George, und er ist ich,<br />
aber wenn ich mein Make-up auflege und meinen<br />
Hut aufsetze, passiert etwas, es gibt eine Veränderung.<br />
IntervIew: Wie sieht die aus?<br />
GeorGe: Die Leute reagieren anders auf mich. Zum einen<br />
erkennen sie mich dadurch überhaupt. Wenn ich so<br />
wie jetzt auf der Straße entlanggehen würde, käme niemand<br />
auf die Idee, dass ich Boy George bin … Warten Sie<br />
kurz, ich zeige Ihnen mal meinen neuen Look … Sehen<br />
Sie? Als ich neulich so ins Taxi gestiegen bin, meinte<br />
der Fahrer: „Ach, Sie waren auf einer Kostümparty!“ Und<br />
ich so: „Nö, eigentlich nicht.“<br />
IntervIew: Und reagieren Sie als Boy George auch anders<br />
auf die Leute?<br />
GeorGe: Nicht bewusst. Aber es ist natürlich ein<br />
Wechselspiel.<br />
IntervIew: Das britische Fernsehen hat einen Spielfilm<br />
über die Anfänge von Culture Club produziert.<br />
GeorGe: Ja, Worried About The Boy. Der Film sieht großartig<br />
aus, ist aber voller Fehler. Meinem Vater zum Beispiel<br />
haben sie eine verdammte Koboldstimme verpasst. Als ich<br />
den Film mit meiner Mutter sah, meinte sie nur: „Wer ist<br />
dieser Mann?“ „Das ist Dad!“ „Oh!“ Und meine Mutter<br />
„Selbst ich würde wie<br />
Boy George aussehen,<br />
wenn ich noch<br />
diesen Look hätte“<br />
hat so gar nichts mit meiner Filmmutter gemeinsam: „Soll<br />
ich das sein?“ „Mutter, es tut mir leid!“<br />
IntervIew: Sie war in dem Film kaum sichtbar.<br />
GeorGe: Obwohl sie so prägend für mich war. Sie hat mir<br />
ja früher meine Sachen geschneidert. Meinen Eltern war<br />
schon ziemlich früh klar, dass mit mir etwas nicht stimmt.<br />
Irgendwann fing ich dann an, mich<br />
aufzutakeln, so mit Plastiksandalen,<br />
Hawaii-Hemden, Mode aus den<br />
Vierzigern und so. All das war okay,<br />
aber dann kam Punk, und meine<br />
Mutter sagte: „So gehst du mir nicht vor<br />
die Tür!“ Ich habe dann immer, bevor<br />
ich vor die Tür gegangen bin, meine<br />
Sachen in eine Tüte gestopft, diese aus<br />
dem Fenster geworfen und mich draußen<br />
ausgehfertig gemacht. Nach einiger<br />
Zeit hat sie eingesehen, dass sie machtlos<br />
ist. Anschließend hat sie mir dann<br />
Sachen genäht. Aber zurück zu Worried<br />
About The Boy. Als der Film gedreht<br />
wurde, kam ich gerade nach vier<br />
Monaten aus dem Knast und dachte:<br />
„Hey, ist doch eigentlich super, dass<br />
der Film überhaupt gedreht wird.“ Und<br />
Douglas Booth, der mich gespielt hat,<br />
war so großartig.<br />
IntervIew: Besser als Diane Krüger in<br />
dem Video zu Somebody To Love Me? Sie<br />
sieht Ihnen beängstigend ähnlich.<br />
GeorGe: Ja, irre, oder? Aber das hängt<br />
Boy George am<br />
10. Juni 1986<br />
kurz vor dem<br />
Ende von Culture<br />
Club in London<br />
mit dem Look zusammen. Selbst ich<br />
würde aussehen wie ich, wenn ich heute<br />
noch diesen Look hätte. Jeder sieht<br />
darin so aus wie ich, was wirklich seltsam<br />
ist. Die Leute sind damals wegen meines<br />
Looks ausgeflippt. Zumal sie irgendwann<br />
realisierten, dass ich ja nicht nur auf der<br />
Bühne so aussah. Die dachten nur: „Shit,<br />
das ist nicht Gary Glitter. Das hier ist<br />
viel, viel komplizierter!“<br />
Boy George „This Is What I Do“<br />
(Very Me Records/Rough Trade)<br />
erscheint am 24. Januar<br />
57
Denim Fashion<br />
58<br />
Keinen LooK verbinden wir mehr mit dem<br />
Begriff „StreetStyLe“ als die gute alte JeanS.<br />
WaS Liegt da näher, aLS Junge mädchen<br />
von den StraSSen neW yorKS zu caSten, um<br />
den angesagten Style dieSer SaiSon in Szene zu setzen<br />
Fotos Charlotte Wales<br />
Styling Clare Byrne<br />
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Unter<br />
Brüdern<br />
die mode von kostAs murkudis: sehr<br />
gegenwärtig und so etwAs wie<br />
ein mobiles ZuhAuse. der conceptstore<br />
seines bruders AndreAs: eine<br />
wunderkAmmer der schönheit. Als<br />
wären die beiden stil-kompliZen<br />
Protokoll Nils Binnberg<br />
Foto Amos Fricke<br />
Kostas<br />
Murkudis<br />
über Andreas<br />
Andreas und ich haben uns 22 Jahre lang ein<br />
Zimmer geteilt. Er ist nicht nur mein Bruder, er<br />
ist meine Familie. Wir kommen aus sehr<br />
einfachen Verhältnissen. Unsere Eltern sind in entlegenen<br />
Bergdörfern Griechenlands aufgewachsen und haben<br />
in der Landwirtschaft gearbeitet. In den späten 70er-Jahren<br />
sind wir von Dresden nach Westberlin übergesiedelt.<br />
Dort haben wir in einer kleinen Wohnung im Wedding<br />
gelebt. In unser Zimmer passten ein Schreibtisch und<br />
ein Schrankbett. Wenn man das ausgeklappt hat, war das<br />
Zimmer auch schon voll. Es war befreiend, aus dieser<br />
Situation herauszukommen, aber nicht weil es mir zu eng<br />
war mit Andreas. Unser Verhältnis war von frühester<br />
Kindheit an sehr innig. Als großer Bruder fühlte ich mich<br />
verantwortlich für ihn. Er war derjenige, der alle geärgert<br />
hat, ich musste es ausbaden. Natürlich haben wir<br />
uns wie alle Geschwister auch schon mal geprügelt.<br />
Aber es hat unserer Beziehung nie einen Abbruch getan –<br />
die Liebe füreinander war immer da.<br />
Selbst als ich in München mehrere Jahre für Helmut<br />
Lang gearbeitet habe, haben wir uns nicht aus den Augen<br />
verloren. Noch heute telefonieren wir täglich, sogar wenn<br />
wir im selben Haus sind. Wir sind beide Ratgeber für<br />
den jeweils anderen. Viele Jobs, die ich bisher gemacht habe,<br />
hat mir mein Bruder vermittelt. Selbst die Idee zu seinem<br />
Laden haben wir gemeinsam entwickelt – bei einem Urlaub<br />
auf Sifnos. Wir saßen auf der Dachterrasse unseres<br />
Hauses, schauten aufs Meer und überlegten uns, wie ein<br />
Laden aussehen könnte, der mehr anbietet als Mode.<br />
Das war Anfang der 80er-Jahre. 20 Jahre später hat Andreas<br />
mit seinem ersten Shop unseren Traum wahr gemacht.<br />
„Wir sind beide Ratgeber<br />
für den jeweils<br />
anderen“: Kostas und<br />
Andreas Murkudis
70er-Jahre-Partnerlook<br />
beim Sommerurlaub<br />
in Rimini<br />
Ich bin sehr stolz auf das, was mein Bruder erreicht hat.<br />
Er hat einfach die Fähigkeit, Dinge zu sehen, das Potenzial<br />
von etwas zu erkennen. Er ist der geborene Geschäftsmann.<br />
Schon als Kind hat er die Haushaltskasse meiner<br />
Eltern geführt und war für unsere Einkäufe zuständig.<br />
Er wusste alle Preise in der Stadt auswendig und hat immer<br />
nach dem günstigsten Angebot geschaut. Das Geld,<br />
das übrig blieb, durfte er behalten. Insofern war das ein sehr<br />
lukratives Geschäft für ihn. Es ist viel Kalkül hinter<br />
dem, was Andreas tut, aber auch Risikobereitschaft. Er ist<br />
schon ein Spieler. Das muss man als Geschäftsmann<br />
auch sein. Man muss Mut haben. Nicht in einer leichtsinnigen<br />
Art, sondern mit Kalkül. Das zeichnet ihn aus:<br />
Mut, Großzügigkeit und eine Vision zu haben. Wenn sich<br />
Andreas etwas in den Kopf gesetzt hat, dann verfolgt<br />
er es hartnäckig.<br />
FOTO: privat<br />
Andreas<br />
Murkudis<br />
über Kostas<br />
In Zeitungen wird immer wieder geschrieben, Kostas<br />
sei arrogant und schwierig. Aber so ist es nicht. Er<br />
will sich einfach nicht den Spielregeln der Mode unterordnen.<br />
Dieses „Küsschen links, Küsschen rechts“ ist<br />
ihm zuwider. Ihm ist es wichtiger, am Produkt zu arbeiten,<br />
als sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Natürlich ist er<br />
oft anstrengend. Weil er kompromisslos ist. Er weiß genau,<br />
was er will. So war er schon, als er Mode studiert hat.<br />
Als er gemerkt hat, dass er nichts lernt, ist er einfach nicht<br />
mehr hingegangen. Heute sagen seine damaligen<br />
Professoren: Kostas war eines unserer größten Talente.<br />
Kostas versteht von Mode natürlich viel mehr als ich.<br />
Dabei wollte er ursprünglich Kunst studieren. Seine<br />
Mappe war aber schon damals sehr modelastig. Ich habe<br />
ihn darin bestärkt, in diese Richtung zu gehen. Mich<br />
interessiert das alles nicht so brennend. Vieles in meinem<br />
Store hängt dort, weil Kostas mich darauf gebracht hat.<br />
Ich bin etwas altbacken und brauche meinen Bruder, der mir<br />
sagt, ich soll mir mal ein bestimmtes Label anschauen.<br />
Wir hatten schon immer einen ähnlichen Geschmack. Wir<br />
müssen auch gar nicht so viel reden, wir verstehen uns<br />
blind wie ein altes Ehepaar.<br />
Als Teenager war ich oft eifersüchtig auf Kostas. Ihm<br />
ging immer alles unfassbar leicht von der Hand. Er konnte<br />
malen und zeichnen. Ich hatte keine sichtbaren Talente.<br />
Und dann, mitten in der Pubertät, bekam ich auch noch<br />
so eine schreckliche Brille mit breitem Gestell und richtig<br />
dicken Gläsern. Da habe ich mich wirklich gehandicapt<br />
gefühlt. Ich musste ja auch immer Kostas’ abgelegte Klamotten<br />
auftragen. Und dann das breite Sächsisch, das<br />
wir beide damals noch gesprochen haben! Man hat eigentlich<br />
die ganze Zeit über uns gelacht. Das hat uns aber nur<br />
noch stärker zusammengeschweißt.<br />
Die fehlende Coolness haben wir dann mit aller<br />
Macht nachgeholt. Wir sind von unseren Ostklamotten<br />
gleich zu Armani gewechselt – das war unser Lieblingsdesigner.<br />
Bei einem Sommerurlaub Ende der 70er-Jahre in<br />
Rimini haben wir zufällig unsere erste L’Uomo Vogue in<br />
die Hände bekommen. Das war der Moment, in dem wir<br />
uns das erste Mal ernsthaft für Mode interessiert haben.<br />
Nach den entbehrungsreichen Zeiten wollte ich alles, was<br />
ich dort sah. Wir sind dann fortan zu jedem Schlussverkauf<br />
auf dem Ku’damm und haben uns eingedeckt. Wir<br />
trugen damals auch gerne Versace. Kostas schwarze<br />
Lederhosen, weiße Schuhe und ein weißes Sakko. Ich eine<br />
zitronengelbe Lederjacke. So sind wir ins Dschungel<br />
oder das Sound – die damals angesagtesten Clubs der Stadt.<br />
Selber nähen hat Kostas nie interessiert. Auch da war<br />
er kompromisslos. Lieber hat er gespart und Mode auf<br />
höchstem Niveau konsumiert. Ich bin jeden Tag nach<br />
der Schule putzen gegangen. Das hätte Kostas im Leben<br />
nie gemacht.<br />
Gebrüder Murkudis<br />
65
J a r e d<br />
Wieso bist du jetzt wieder schauspieler?<br />
hast du schon immer musik gemacht? Wie<br />
waren deine Bilder, als du noch Maler werden<br />
wolltest? lässt du dir<br />
jetzt wieder fünf Jahre lang Zeit<br />
Leto<br />
für einen neuen film?<br />
Von James Franco<br />
Foto Gregory Harris Styling Elin Svahn<br />
Jared Leto<br />
66<br />
mehrfachbegabte haben ein großes Privileg:<br />
Wenn sie mit einer Sache in ihrem<br />
Leben nicht weiterkommen, können sie einfach<br />
etwas anderes tun, das sie genauso gut können.<br />
Jared Leto ist so ein Fall. Vor fünf Jahren hat er seine<br />
vielversprechende, aber ein wenig zähe Schauspielerkarriere<br />
geknickt und wurde stattdessen mit seiner Band<br />
Thirty Seconds to Mars zu einem Indie-Rockstar.<br />
Gut für Indie-Fans. Nicht so gut für alle, die ihn gern im<br />
Kino gesehen haben. Jetzt hat sich Leto, mittlerweile<br />
42, besonnen und spielt in Dallas Buyers Club, einem Film<br />
über den Ausbruch von Aids in den Achtzigern, einen<br />
Transsexuellen, der zusammen mit einem heterosexuellen<br />
Schwulenhasser Medikamente ins Land schmuggelt, um<br />
den Tod ein wenig hinauszuzögern. Die Reaktionen auf<br />
seinen Auftritt sind zu Recht enthusiastisch. Über<br />
sein Comeback und die Zeit davor unterhält Leto sich mit<br />
James Franco – seinerseits ein Mehrfachbegabter.<br />
James Franco: Das letzte Mal, als wir telefoniert haben,<br />
warst du auf Tour. Bist du immer noch unterwegs?<br />
Jared Leto: Ja. Ich bin gerade in Portugal. Ich mag<br />
Portugal, weil es einer der ersten Orte ist, an denen<br />
wir mit Thirty Seconds to Mars Erfolg hatten.<br />
Franco: Warum in Portugal?<br />
Leto: Weiß ich nicht. Es ist einfach passiert. In Portugal<br />
und in England, und von da aus ist es in ganz Europa<br />
losgegangen. Ich liebe es hier, Mann. Wir übernachten in<br />
einer Festung, die in ein Hotel umgebaut wurde. Verrückt.<br />
Franco: Wir haben uns vor einem Jahr kennengelernt,<br />
bei einer Ausstellung von Terry Richardson in Los Angeles.<br />
Irgendwann an diesem Abend hast du zu mir gesagt:<br />
„Ich mache jetzt Musik. Ich bin kein Schauspieler mehr.“<br />
Als ich dich nach den Gründen fragte, sagtest du:<br />
„So sehr habe ich das Schauspielen auch nicht gemocht,<br />
außerdem glaube ich, dass ich kein wirklich guter<br />
Schauspieler bin.“ Und nun legst du dieses starke Comeback<br />
mit Dallas Buyers Club hin. Was hat sich seit dieser<br />
Party so sehr verändert, dass du wieder Lust bekommen hast?<br />
Leto: Als wir uns kennengelernt haben, hatte ich schon fünf<br />
Jahre lang keine Filme mehr gemacht. Ich war ja wahnsinnig<br />
beschäftigt mit Thirty Seconds to Mars. Wir hatten<br />
mit der Band mehr Erfolg, als ich mir jemals erträumt<br />
hatte. Ich stehe gerade in einem Stadion in Portugal und<br />
werde gleich vor 19 000 Leuten spielen. Das ist nichts,<br />
womit zwei Jungs rechnen konnten, die als Kids auf Lebensmittelmarken<br />
angewiesen waren. Also haben wir ein<br />
paar Jahre lang die Band angeschoben, und in dieser Zeit<br />
habe ich mich gefragt, was ich als Schauspieler zu geben<br />
habe. Ich glaube, dass ich mich damals nicht für einen sehr<br />
guten Schauspieler hielt. Aber diese fünf Jahre ohne<br />
Film haben mich nicht nur zu einem besseren Menschen,<br />
sondern auch zu einem besseren Schauspieler gemacht.<br />
Sie haben mir Selbstvertrauen gegeben. Außerdem bin ich<br />
davon überzeugt, dass Kunst von den Erfahrungen lebt,<br />
die man in seinem Leben macht, und in den letzten Jahren<br />
haben wir definitiv eine Menge erlebt.<br />
Franco: Du hast sicher auch andere Filmangebote gehabt.<br />
Wie kam es also zu Dallas Buyers Club?<br />
Leto: Ja, es gab auch andere Angebote – und das war gut,<br />
weil es immer nett ist, gemocht zu werden. Aber ich habe<br />
wirklich jahrelang kein einziges Drehbuch gelesen. Dann<br />
hat mir irgendjemand das Drehbuch für Dallas Buyers Club<br />
geschickt. Irgendwann habe ich hineingeguckt und mich in<br />
die Rolle verliebt. Ich habe zwar fünf Jahre lang keinen<br />
Film gemacht – aber ich habe nie aufgehört, das Filmen zu<br />
lieben. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass ich in den letzten<br />
fünf oder sechs Jahren ziemlich häufig hinter der Kamera<br />
gestanden habe. Ich habe Dokumentarfilme, Kurzfilme,<br />
Musikvideos und Werbung gemacht und Regie geführt. Ich<br />
liebe alles, was mit dem Filmemachen zusammenhängt,<br />
so sehr, dass ich dachte, vielleicht sei ich es mir schuldig, es<br />
noch einmal zu probieren. Dallas Buyers Club war in<br />
mancher Hinsicht ein Test für mich. Aber die Gelegenheit,<br />
diese Figur zum Leben zu erwecken, war so verführerisch,<br />
dass ich nicht Nein sagen konnte. Übrigens würde ich mich<br />
gern bei dir dafür bedanken, dass du bei City Of Angels<br />
mitgemacht hast. Das ist richtig schön geworden.<br />
FOTO: Gregory Harris/Trunk Archive
Jared Leto<br />
68<br />
z i e m l i c h<br />
beste freunde<br />
Hair Tomo Jidai /<br />
Streeters London<br />
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Nars prop styLing<br />
Eli Metcalf / Marek and<br />
A s s o c i a t e s<br />
speciaL tHanks<br />
to Pier 59 Studios<br />
Franco: Habe ich schon gehört. Wir sollten den Lesern<br />
vielleicht erklären, dass ich mich von dir habe interviewen<br />
lassen für ein Video, das du zu City Of Angels<br />
gedreht hast, einen Song von Thirty Seconds to Mars.<br />
Leto: Richtig. Es war ein Kurzfilm für dieses Lied von<br />
uns, fast ein kleiner Dokumentarfilm, über Los Angeles,<br />
Träume, Kunst und Kreativität. Wir hatten ein paar interessante<br />
Leute dabei, dich und Kanye West und Lindsay<br />
Lohan und so weiter.<br />
Franco: Erzähl doch ein bisschen über dieses Lied und was<br />
die <strong>Interview</strong>s auf dem Video damit zu tun haben.<br />
Leto: Es ist ein Lied über Menschen, die nach Los Angeles<br />
kommen, um ihre Träume zu verwirklichen, und dabei<br />
helfen ihnen Menschen, die sie hier kennenlernen – Außenseiter,<br />
Rebellen, Freaks, Künstler.<br />
Franco: Wie hat es dich selbst nach Los Angeles<br />
verschlagen?<br />
Leto: Ich habe Malerei studiert, zuerst in Washington,<br />
danach auf zwei anderen<br />
Kunstschulen und schließlich in<br />
New York. Und dann habe ich<br />
im dritten Jahr hingeschmissen,<br />
weil ich mich in die Fotografie<br />
und ins Filme machen verliebt<br />
habe. Ich bin ausgestiegen,<br />
weil ich dachte, dass ich die Chance,<br />
Regie zu führen, eher<br />
bekommen würde, wenn ich<br />
davor einen Job als Schauspieler<br />
hätte. Also habe ich mich<br />
mit meinem Rucksack<br />
und ein paar Hundert Dollar<br />
aufgemacht. Ich bin nach<br />
Kalifornien und habe am Strand<br />
von Venice Beach geschlafen.<br />
So ging es los.<br />
Franco: Welche Bilder hat der<br />
<strong>ju</strong>nge Jared gemalt? Kannst<br />
du sie beschreiben?<br />
Leto: Ich wollte herausfinden, was<br />
ich zu sagen hatte, bis ich<br />
irgendwann draufgekommen bin,<br />
dass mich bewegte Zeit und Performance mehr interessieren.<br />
Dem kann ich als Schauspieler und Musiker besser<br />
nachgehen. Ich hatte auch schon damals den Ehrgeiz,<br />
den ich jetzt habe, und war gewiss nicht bescheiden in dem,<br />
was ich mit der Kunst erreichen wollte. Aber ich<br />
war noch nicht alt genug oder hatte nicht genug Selbstvertrauen,<br />
um einen wirklichen Stil zu entwickeln.<br />
Das Malen war für mich eine Art Selbstfindungsprozess,<br />
und die Bilder haben sich immer wieder drastisch<br />
verändert, während ich immer wieder scheiterte. Ich<br />
glaube, das ist eine wichtige Phase im Leben – immer<br />
und immer wieder scheitert man, bis man endlich Land<br />
unter die Füße bekommt. Vermutlich haben meine<br />
Bilder damals genau so ausgesehen – wie Scheitern.<br />
Franco: Du hast noch gar nicht über Musik gesprochen.<br />
Hast du damals auch schon Musik gemacht?<br />
Leto: Ja, immer. Ich glaube, das ist ganz normal für Kunstschüler<br />
oder kreative Leute im Allgemeinen. Viele der<br />
Leute, mit denen ich aufwuchs, haben ganz verschiedene<br />
Dinge gemacht, Kunst und Keramik zum Beispiel,<br />
oder da war ein Performance-Künstler, der auch Skulpturen<br />
Boy meets boy: Der eine<br />
(Jared Leto) ist eine Transe,<br />
der andere (Matthew<br />
McConaughey) ein schwulenhassender<br />
Elektriker. Beide<br />
haben sie Aids und nicht mehr<br />
lange zu leben. Also tun sie<br />
sich zusammen. Und merken:<br />
Man kann einander mögen,<br />
obwohl man einander nicht<br />
leiden kann<br />
machte. Die meisten hatten auch Brotjobs, um die<br />
Miete bezahlen zu können, als Grafiker oder Schildermaler<br />
oder so was. Musik ist immer Teil meines Lebens<br />
gewesen – und er wurde noch größer, als mein Bruder nach<br />
Kalifornien zog und ich wieder mit ihm spielen konnte.<br />
Franco: Ich glaube, dass es dir geholfen hat, auf eine<br />
Kunstschule gegangen zu sein, ehe du nach Hollywood gezogen<br />
bist. In der Kunstszene werden Menschen<br />
akzeptiert, die in verschiedenen Medien tätig sind. In Hollywood<br />
sind die Leute skeptisch, wenn jemand sagt,<br />
dass er auch etwas anderes macht – vielleicht liegt das<br />
daran, dass Film etwas so Kommerzielles ist.<br />
Leto: Vielleicht geht das sogar auf die Zeit des Studiosystems<br />
in Hollywood zurück, auf diese Unternehmensund<br />
Fabrikmentalität, die die Angestellten in Legebatterien<br />
stecken will, damit der Boss mehr Kontrolle hat.<br />
Aber ich glaube, dass sich die Zeiten zum Besseren verändert<br />
haben – nicht nur in der Entertainment-Welt,<br />
sondern ganz allgemein. Es ist normal geworden, dass<br />
Menschen mit 40 schon die verschiedensten Jobs und<br />
Karrieren hinter sich haben.<br />
Franco: Erzähl doch, wie es war, als du nach Los Angeles<br />
gekommen bist. Mochtest du es?<br />
Leto: Für mich war Kalifornien immer ein magischer Ort.<br />
Als ich gerade mal zwölf, dreizehn war, ist in meine<br />
Nachbarschaft ein Junge gezogen, der zum Star wurde, einfach<br />
weil er aus Kalifornien kam und ein BMX-Rad,<br />
ein Skateboard und blondierte Haare hatte. Er war für uns<br />
ein Gott, bloß weil er von dort kam. Als ich mit Film<br />
zu tun bekommen wollte, war Los Angeles das Ding. Zuerst<br />
dachte ich: Wie hässlich ist es hier! Doch dann habe<br />
ich mich allmählich in Los Angeles verliebt, bis es zu einem<br />
besonderen Ort für mich geworden war. Ich bin sehr<br />
dankbar für das, was die Stadt für mich getan hat. Ich habe<br />
Los Angeles viel zu verdanken.<br />
Franco: Ich würde gern über einen meiner Lieblingsfilme<br />
mit dir sprechen, Requiem For A Dream. Welchen Platz<br />
hat der in deiner Geschichte?<br />
Leto: Requiem For A Dream war ein ungeheuer wichtiger<br />
Film für mich. Ich habe damals ungefähr 6 000 Mal<br />
vorgesprochen. Es war unglaublich herausfordernd, ich habe<br />
eine Menge gelernt und mit einem Freund und Filmemacher<br />
gearbeitet, den ich wirklich bewundere. Das ist ein<br />
wichtiger Teil meines Lebens.<br />
Franco: Als ich dich in Requiem For A Dream gesehen<br />
habe, dachte ich: Verdammt, Jared ist ein richtig<br />
guter Schauspieler.<br />
Leto: Ich glaube, der Film hat mir die Chance<br />
gegeben, zu wachsen und mit vielen talentierten Leuten<br />
zu arbeiten. Wir hatten alle das Gefühl, etwas ganz<br />
Besonderes zu machen, und das ist das beste Gefühl in<br />
der Welt. Bei Dallas Buyers Club habe ich mich<br />
auch so gefühlt.<br />
Franco: Bedeutet das, dass du jetzt wieder mehr Filme<br />
machen willst? Oder müssen wir wieder fünf Jahre warten?<br />
Leto: (lacht) Keine Ahnung. Es ist toll, wenn man in der<br />
Lage ist, etwas zu tun – zu träumen, auf alle möglichen<br />
Weisen kreativ zu sein. Ich würde es toll finden,<br />
wenn ich wieder einen Film fände, für den ich dieselbe<br />
Leidenschaft entwickeln könnte wie für Dallas Buyers<br />
Club. Das wäre ein Traum.<br />
„Dallas Buyers Club“<br />
läuft ab 6. Februar<br />
FOTO: © 2013 Ascot Elite Filmverleih GmbH
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74<br />
Mit „American Gigolo“<br />
beginnt 1980 die Ära<br />
Armani in Hollywood:<br />
Nie wieder hat ein Star<br />
einen doppelreihigen<br />
Anzug so sexy aussehen<br />
lassen wie Richard Gere<br />
Leinwand statt<br />
Laufsteg<br />
Kein Designer ist Dem Kino<br />
so verbunDen wie giorgio<br />
ArmAni. viele seiner Film-looKs<br />
hAben jeDe moDe überDAuert<br />
unD sinD längst KlAssiKer<br />
geworDen. sein neuester Coup:<br />
leonArDo DiCAprios gArDerobe<br />
in „the wolF oF wAll street“<br />
Sommer, Licht, Farbe:<br />
„Pontina“ (2013, Öl auf<br />
Leinwand) und David<br />
Schnell im Atelier POR-<br />
TRÄT: Nikolaus Brade<br />
IntervIew: Hatten Sie bei den Kostümen für The Wolf<br />
Of Wall Street eher die Schauspieler im Kopf oder die Rollen,<br />
die sie spielten?<br />
GIorGIo armanI: Beides. Bei diesem Film ging es darum,<br />
Kleidungsstücke aus der Power-Dressing-Epoche der<br />
Neunziger zu entwerfen. Die Figur des Börsenmaklers<br />
Jordan Belfort brauchte einen Look, der Macht und<br />
eine ganz bestimmte Persönlichkeit ausstrahlt. Aber die<br />
Kommunikation mit dem Schauspieler ist unverzichtbar.<br />
Seine Garderobe muss ja perfekt zu seinem Körper<br />
und seinen Eigenarten passen.<br />
IntervIew: Besprechen Sie so etwas eigentlich mit dem<br />
Regisseur oder dem Kostümbildner?<br />
armanI: In diesem Fall wurde ich von Martin (Scorsese)<br />
Sandy Powell (der Kostümbildnerin von „The Wolf Of Wall<br />
Street“) vorgeschlagen. Sie dachten beide, dass ich der<br />
Richtige für die Garderobe sei, weil ich ja zum Look dieser<br />
Epoche nicht unwesentlich beigetragen habe.
Penélope Cruz trug im<br />
Film „The Counselor“<br />
ausschließlich Emporio<br />
Armani, der Look von<br />
„The Untouchables“ ist<br />
mittlerweile schon ein<br />
Klassiker<br />
„Leonardos Input war<br />
unverzichtbar“<br />
Traum-Team: Leonardo DiCaprio,<br />
Giorgio Armani und Martin<br />
Scorsese<br />
Vom Designer-Atelier<br />
auf die Leinwand:<br />
Skizzen von Giorgio<br />
Armani für „The Wolf<br />
Of Wall Street“<br />
FOTOS: (linke Seite) Cinetext Bildarchiv; (rechte Seite) © 2013 Twentieth Century<br />
Fox; Cinetext Bildarchiv; © 2013 Universal Studios; SGP srl; GIORGIO ARMANI (2)<br />
IntervIew: Hatte Leonardo DiCaprio dabei mitzureden?<br />
armanI: Selbstverständlich. Die Kommunikation mit dem<br />
Schauspieler ist, wie gesagt, ein fundamentaler Aspekt<br />
meiner Arbeit, und Leonardo war toll. Sein Input war in<br />
vielerlei Hinsicht unverzichtbar, zum Beispiel als es<br />
darum ging, wie die Hose über die Schuhe fallen sollte.<br />
IntervIew: Vor welche speziellen Herausforderungen<br />
hat dieser Film den Modedesigner gestellt?<br />
armanI: Der Look der Neunziger hat sich mittlerweile<br />
einigermaßen weit vom Geschmack der Gegenwart<br />
entfernt. Ein Revers von heute ist schmaler und sitzt anders<br />
als damals, und bei den Materialien und Farben trifft<br />
man heute andere Entscheidungen. Wir haben versucht,<br />
den Charakter der 90er-Jahre zu bewahren, ihn aber<br />
dem Kinopublikum von heute ein wenig zugänglicher zu<br />
machen. Ich habe beispielsweise lange über die<br />
Schultern nachgedacht: Sie sollten zwar breit sein, aber<br />
nicht zu exzessiv wirken.<br />
IntervIew: Gibt es von Leonardo abgesehen Schauspieler,<br />
die Sie besonders gerne ausstatten?<br />
armanI: Ich mag viele Schauspieler. Aber natürlich arbeite<br />
ich gerne für meinen Freund George Clooney.<br />
IntervIew: Und bei den Frauen?<br />
armanI: Wie bei den Männern fällt es mir schwer, mich<br />
auf einen einzigen Namen zu beschränken. Ich liebe es,<br />
für meine Freundin Cate Blanchett zu entwerfen, aber es<br />
gibt so viele Frauen, die sowohl schön als auch gute<br />
Schauspielerinnen sind. Penélope Cruz zum Beispiel oder<br />
Lauren Hutton mit ihrer zeitlosen Schönheit.<br />
IntervIew: Wie hat Ihre Beziehung zum Kino eigentlich<br />
begonnen?<br />
armanI: Mit American Gigolo. Obwohl der Regisseur Paul<br />
Schrader sich damals weniger für mich als für meine<br />
Arbeit entschieden hat. Die Garderobe wurde nicht extra<br />
für den Film entworfen, sondern stammte aus einer<br />
meiner Kollektionen. Aber dieser Style und diese Art, sich<br />
anzuziehen, wurden in diesem Film fast so etwas wie<br />
ein Nebendarsteller.<br />
IntervIew: Bei welchem Film bereuen Sie es, dass Sie die<br />
Garderobe nicht gemacht haben?<br />
armanI: Musste ich nie. Seit 1980, als American Gigolo ins<br />
Kino kam, habe ich glücklicherweise für Hunderte von<br />
Filmen entworfen, ein Aspekt meiner Arbeit, der mir bis<br />
heute große Zufriedenheit verschafft.<br />
IntervIew: Gucken Sie sich heute Filme eher im Kino<br />
oder auf Ihrem Laptop an?<br />
armanI: Kommt darauf an. Manchmal gehe ich ins<br />
Kino, vor allem, wenn ich die Chance bekomme, vorab<br />
Filme zu sehen, auf die ich mich gefreut habe. Aber<br />
meistens schaue ich mir Filme ganz entspannt zu Hause an.<br />
75
Erdem<br />
michelle obama, linda evangelista und keira<br />
knightley tragen seine kleider. das liegt daran,<br />
dass seine kleider so schön sind. Was Wohl<br />
da ran liegt, dass er von kindheit an keinen grösseren<br />
Wunsch hatte, als Frauen schön anzuziehen<br />
Von Heike Blümner<br />
Porträt Thomas Lohr<br />
Moralioglu<br />
76<br />
Klare Linien, Prints<br />
mit Kontrast: aus<br />
Erdems Resortund<br />
F/S-Kollektion<br />
IntervIew: Sie sind britisch-türkischer Abstammung<br />
und in Kanada aufgewachsen. Was bedeutet das für Sie?<br />
erdem moralIoglu: Meine Eltern stammen aus sehr<br />
unterschiedlichen Familienhintergründen, und ich glaube,<br />
dass es in meiner Arbeit viele widersprüchliche Elemente<br />
gibt. Ich bin zwar in Kanada geboren, aber ich fühlte mich<br />
immer etwas fremd. Dort hießen Leute Steve und waren<br />
irgendwie anders als ich. Ich hatte eine starke Sehnsucht, der<br />
Vorstadt, in der ich aufgewachsen bin, zu entfliehen, und<br />
diffuses Heimweh nach den Orten, aus denen meine Eltern<br />
stammten. Das regte meine Fantasie sehr an.<br />
IntervIew: Nach der Universität arbeiteten Sie bei Diane<br />
von Furstenberg in New York. Sie hätten dort bleiben<br />
können oder auch nach Paris gehen können, schließlich<br />
sprechen Sie Französisch. Stattdessen wurde es London.<br />
erdem: Ich war nur ein knappes Jahr in New York, weil ich<br />
merkte, dass ich so schnell wie möglich mein eigenes<br />
Label gründen wollte. Es sprach nicht viel gegen New York,<br />
aber viel für London, weil ich dort ein gutes Netzwerk<br />
hatte und meine Schwester und meine Freunde in England<br />
waren. Von Paris träume ich immer noch, aber noch<br />
ist es nicht so weit.<br />
IntervIew: Den Traum vom eigenen Label haben viele<br />
<strong>ju</strong>nge Designer. Für die meisten wird daraus aber nichts.<br />
Wie haben Sie es geschafft?<br />
FOTOS: (linke Seite) Erdem Resort 14; Erdem Frühjahr/Sommer 14
Erdem Moralioglu<br />
77<br />
Erdems<br />
Label<br />
existiert<br />
seit 2005
Erdem Moralioglu<br />
78<br />
Stücke aus Erdems<br />
aktuellen Kollektionen:<br />
sehr feminin –<br />
und machtbewusst
FOTOS: (linke Seite) Erdem Resort 14 (2); Erdem Frühjahr/Sommer 14 (11); (rechte Seite) Erdem Frühjahr/Sommer 14<br />
erdem: Ich begann allein mit einem Praktikanten und<br />
arbeitete sehr hart. Dann nahm ich an einem Wettbewerb<br />
teil und gewann einen Atelierplatz: einen Zuschneidetisch,<br />
ein Telefon, einen Computer und vor allem einen Ort,<br />
wo man jeden Tag hingehen konnte. Ich kratzte so viel<br />
Geld wie möglich zusammen und machte meine erste<br />
Kollektion. Das war wahnsinnig hart, weil ich viele<br />
Arbeitsabläufe gar nicht richtig kannte. Am Ende saß ich<br />
da und pinselte alte Schuhe mit Farbe an.<br />
IntervIew: Wie ging es weiter?<br />
erdem: Mit dieser ersten Kollektion bin ich nach<br />
New York geflogen, und die Chefeinkäuferin von Barneys<br />
hat sie mir komplett abgekauft und trug sogar eines<br />
meiner Kleider zum Metropolitan-Ball. Das war total verrückt:<br />
Mein erster Shop war Barneys, und sonst gab es<br />
Erdem nirgendwo auf der Welt zu kaufen. Ab da ging es los.<br />
Zum Glück nicht zu schnell, sondern eher langsam.<br />
IntervIew: Also doch nicht die Shootingstar-Nummer?<br />
erdem: Nein, so würde ich es nicht nennen.<br />
IntervIew: Was unterscheidet London als Modemetropole<br />
von London oder Paris?<br />
erdem: Saint Martin’s und das Royal College of Art<br />
haben einen prägenden Einfluss auf die Modeszene in der<br />
Stadt. Und der Zusammenhalt untereinander ist groß.<br />
Mit mir zusammen starteten auch Jonathan Saunders,<br />
Christopher Bailey und Roksanda Ilincic.<br />
IntervIew: Die Klasse von 2005 …<br />
erdem: Wenn ich 2005 alles gewusst hätte, was ich jetzt<br />
weiß, wäre ich vielleicht etwas vorsichtiger an die Sache<br />
herangegangen. Andererseits sind in London die Leute, wenn<br />
sie sich einmal für etwas entscheiden, fest entschlossen,<br />
ihr Ding durchzuziehen, das ist richtig ansteckend. Als ich<br />
anfing, hatte ich das Bild einer Frau vor Augen, die ich<br />
anziehen wollte, und sie war so lebendig, dass ich fast das<br />
Gefühl hatte, ich könnte sie anfassen und eine ganze<br />
Welt für sie kreieren.<br />
IntervIew: Diese Welt ist sehr feminin, aber auch sehr<br />
machtbewusst und ausdrucksstark.<br />
erdem: Danke, das ist ein tolles Kompliment. Ich bin mein<br />
ganzes Leben von außergewöhnlichen Frauen<br />
umgeben: meine Mutter, meine Zwillingsschwester, meine<br />
Freundinnen und die Frauen, mit denen ich arbeite.<br />
Schon als kleiner Junge hatte ich eine regel rechte Obsession<br />
mit Frauen und wie sie aussehen. In der ersten Klasse<br />
habe ich mich jeden Tag auf die Outfits meiner Klassenlehrerin<br />
gefreut. Sie trug Wollröcke und jeden Tag ein<br />
anderes Spitzenunterhöschen. Wir saßen auf dem Boden<br />
im Schneidersitz und bekamen etwas vorgelesen,<br />
und die Lehrerin saß auf ihrem Schreibtisch, und ihr Slip<br />
blitzte hervor. Ich fand das so beeindruckend und habe<br />
mich jeden Tag gefragt, welche Farbe sie wohl heute trägt.<br />
IntervIew: Heute tragen außergewöhnliche und<br />
teilweise sehr mächtige Frauen gerne Ihre Kleider.<br />
erdem: Stimmt, aus ganz unterschiedlichen Bereichen.<br />
Gerade muss ich an Linda Evangelista denken, die<br />
bei einer Gerichtsverhandlung ein Kleid von mir trug. Ich<br />
hoffe, es hat ihr geholfen.<br />
IntervIew: Michelle Obama ist eine andere mächtige Frau,<br />
die Ihre Kleider trägt.<br />
erdem: Ja, das war ein echter Coup.<br />
IntervIew: Es ist schwer, sich eine Frau mit geringem Selbstbewusstsein<br />
in Ihren Kleidern vorzustellen.<br />
erdem: Im Gegenteil! In meinen Kleidern würde sie sich<br />
wunderschön vorkommen. Jede Unsicherheit und jeder<br />
Zweifel wären sofort ausgelöscht.<br />
IntervIew: Sie arbeiten viel mit transparenten Stoffen.<br />
Trotzdem hat man das Gefühl, dass Sie mehr verhüllen<br />
als preisgeben.<br />
erdem: Ich mag das Prinzip der Schichtung, und ich mag<br />
es, wenn nackte Haut nur angedeutet wird. Das ist eine<br />
dieser Dualitäten, die ich so mag: Zu schweren Materialien<br />
gehört etwas Leichtes, das das Kleidungsstück in<br />
Balance hält. Transparenz ist sexy, und ich mag die Andeutung<br />
von Sex. So wie in alten Hitchcock-Filmen, wo<br />
man auf einmal einen Nacken in einer Nahaufnahme sieht<br />
– nur einen winzigen Teil des Körpers, und trotzdem<br />
ist da sofort ein Gefühl von Intimität.<br />
IntervIew: Sie sind bekannt für Ihre großen, floralen<br />
Prints. Doch seit Kurzem zeigen Sie vor allem fast<br />
monochrome Kollektionen. Wollen Sie sich von Ihrem<br />
Signature-Look lösen, oder ist es nur eine neue Phase?<br />
erdem: Es ist wie eine andere Sprache, man erforscht seine<br />
Möglichkeiten. Für meine aktuelle Frühjahr- und<br />
Sommerkollektion saß ich in meinem Studio, umgeben<br />
von weißen Stoffen, und merkte, dass ich mich voll<br />
und ganz auf Silhouetten konzentrieren wollte. Natürlich<br />
habe ich mir schon früher Gedanken über Silhouetten<br />
gemacht, aber wenn keine Farbe mehr im Spiel ist, bekommen<br />
Formen eine ganz andere Bedeutung. Es ist fast<br />
wie Nacktsein. Das fand ich sehr befreiend.<br />
IntervIew: Welche Ideen flossen noch in die aktuelle<br />
Kollektion ein?<br />
„In meinen Kleidern<br />
würde sich jede Frau<br />
wunderschön vorkommen.<br />
Jede Unsicherheit<br />
und jeder Zweifel wären<br />
sofort ausgelöscht“<br />
erdem: Ich habe mich mit englischen Traditionssportarten<br />
wie Rugby oder Rudern beschäftigt und mit vielen<br />
Anspielungen gearbeitet. Es gibt Hemden, Kleider aus<br />
Seersucker-Stoffen und Sweatshirts, aber alles auf<br />
Couture. Oder Rugbyuniformen aus Tüll. Und Looks, die<br />
von Schuluniformen inspiriert wurden. Dazu kommt<br />
der Kontrast von Schwarz und Weiß.<br />
IntervIew: Ich musste an Hochzeiten und Todesfälle<br />
denken.<br />
erdem: Sobald weiße und schwarze Spitze dazu kommen,<br />
passiert das automatisch, aber durch die anderen<br />
Elemente dominiert der Eindruck zum Glück nicht.<br />
IntervIew: Die Frage liegt in der Luft: Wann ziehen<br />
Sie nach Paris, um für ein Couture-Haus zu arbeiten?<br />
erdem: Wer weiß …<br />
IntervIew: Wurden Sie schon gefragt?<br />
erdem: Ja, aber die Zeit dafür war noch nicht reif.<br />
IntervIew: Wird es jemals eine günstigere Zweitlinie von<br />
Erdem geben?<br />
erdem: Mir geht es eher darum, die eigentliche Kollektion<br />
noch breiter aufzustellen.<br />
IntervIew: Das heißt also, die Antwort ist: nein.<br />
erdem: Ja. Die Antwort ist: nein.<br />
79
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im Dezember 2013<br />
81<br />
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Drama! Action!<br />
die Geheimnisse von ST. mOrITz S. 168 . Und sonst? Unbedingt aussehen WIe Im FILm! S. 158<br />
S. 82<br />
13 uNTer 26: Zum Berlinale-Start zeigen JeLLa HaaSe, JaNNIk ScHümaNN<br />
und andere deutsche Jungschauspieler Starqualitäten. FaraH PaHLavI S. 104 erzählt<br />
von ihrem Leben seit dem Sturz des Schahs. LINDSeY WIxSON S. 112 wäre die ideale Darstellerin<br />
für das Remake von Lili Marleen, HaNNa ScHYGuLLa S. 126 war Lili Marleen und<br />
spricht über ihre Jahre mit raINer WerNer FaSSBINDer. Liebe ist wichtiger als Sex,<br />
findet TraceY emIN S. 140 . Mit National Geographic und DamIr DOma S. 148 um die<br />
Welt. Für FreJa BeHa erIcHSeN S. 128 ist Jeans-Blau eine warme Farbe. Ein Veteran enthüllt
Jannik<br />
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82
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Hier ist die Zukunft des<br />
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Start der Berlinale<br />
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Produkten von Chanel und Aveda<br />
digital oPerator Aviel Avdar<br />
Foto-assistenz timo Wirsching<br />
styling-assistenz réka Maria<br />
Probst, Karolina Schwarz Haare-<br />
&-make-uP-assistenz theo<br />
Schnürer, Anna Czilinsky, Mirjam<br />
Drabiniok Produktion Morag<br />
Jones / Santucci, Frank Seidlitz dank<br />
an Delight rental Studio Berlin
Hier ist die Zukunft des deutscHen<br />
films: Zum start der Berlinale lassen<br />
wir die Besten JungscHauspieler des<br />
landes iHre starqualitäten Zeigen<br />
Von Harald Peters und Antje Wewer<br />
Jella Haase<br />
(21)<br />
100<br />
Alle lieben Chantal! Als erfreulich unterbelichtete Schülerin und<br />
heimlicher Star der Bildungskrisenkomödie fack <strong>ju</strong> Göhte ist Jella<br />
Haase der neue Darling des deutschen Films. Nicht, dass sie davor<br />
untätig gewesen wäre: In nur fünf Jahren kommt sie auf sieben Kinofilme,<br />
drei Kurzfilme, zehn TV-Filme und eine sechsteilige Serie.<br />
In ihrem ersten Kurzfilm der letzte rest war sie eine 16-Jährige,<br />
die zu einer Gang-Bang-Party einlädt – um neue Freunde zu<br />
finden. In krieGerin erlebte man sie als Nazibraut und in tatort:<br />
PuPPensPieler als minderjährige Prostituierte.<br />
interview: Die Chantalisierung des Kinopublikums scheint<br />
unaufhörlich voranzuschreiten. Wenn Chantal sich im Unterricht<br />
meldet, hebt das Publikum inzwischen die Hand.<br />
jella haase: Verrückt, oder? Vielleicht sollte man sich freuen.<br />
Ich freue mich.<br />
interview: War der Erfolg überhaupt abzusehen?<br />
haase: Wir haben schon gemerkt, dass wir da einen superwitzigen<br />
Film machen. Aber dass er so durch die Decke geht …<br />
interview: Was finden die Leute eigentlich an Chantal so<br />
sympathisch?<br />
haase: Ich weiß nicht. Vielleicht, dass sie so ist, wie sie nun mal ist,<br />
ein bisschen naiv, aber dabei sehr von sich überzeugt und nicht<br />
von ihrer Sicht auf die Dinge abzubringen. Sie ist einfach witzig, ohne<br />
es darauf anzulegen. Und irgendwie liebenswert. Man möchte sie<br />
eher zur Freundin als zur Feindin haben, kann ich mir vorstellen.<br />
interview: Kann es sein, dass die Rolle so angelegt ist, dass sie<br />
aus verschiedenen Perspektiven funktioniert? Einerseits findet man<br />
sie lustig, weil sie so schön bildungsfern daherredet. Aber andererseits<br />
schließen auch tatsächliche Chantals die Göhte-Chantal in ihr<br />
Herz, obwohl die Figur sich über sie lustig macht. Kann das sein?<br />
haase: Ich glaube, dass sie sich eben nicht über andere Chantals lustig<br />
macht. Denn weil sie das, was sie so bildungsfern daherredet,<br />
völlig ernst meint, bekommt die Figur eine gewisse Glaubwürdigkeit<br />
und dadurch auch Witz und Sympathie. Ich war anfangs, als ich<br />
die Rolle annahm, gerade darüber total unsicher, ob es mir gelingt,<br />
eine glaubwürdige Chantal darzustellen, die von den Zuschauern<br />
aus allen möglichen Bereichen akzeptiert wird.<br />
interview: Mal unterstellt, dass Jella Haase nicht viel mit<br />
Chantal verbindet: Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?<br />
Gehen Sie da auf Recherche?<br />
haase: Nein, auf Recherche bin ich nicht gegangen. Ich bin in<br />
Kreuzberg geboren und aufgewachsen, von daher kannte ich das eine<br />
oder andere Mädchen, das Chantal ähnelt. Ich kannte ein bisschen<br />
die Art dieser Mädchen, wie sie sich geben und reden. Aus der U-Bahn,<br />
vom Schulhof und so. Optisch trennen mich jedoch Welten von<br />
der Chantal im Film. Wir haben einige Zeit gebraucht, um Chantal<br />
mit Kreolen und blauem Lidschatten fertig zu basteln.<br />
interview: Einen Teil seines Charmes bezieht der Film durch seine<br />
Sprache. Waren die Dialoge vorgeschrieben oder auch improvisiert?<br />
haase: Die Sprache war im Drehbuch schon ziemlich auf den Punkt<br />
gebracht. Wir durften jedoch viel improvisieren und unsere<br />
eigenen Interpretationen einbringen, was wirklich wahnsinnig spaßig<br />
war. Dadurch ist eine gewisse Situationskomik zustande<br />
gekommen, die man vorher gar nicht erahnt hat. Ich zumindest nicht,<br />
Bora vielleicht schon.<br />
„Wir haben einige Zeit<br />
gebraucht, um Chantal<br />
mit Kreolen und blauem<br />
Lidschatten zu basteln“<br />
interview: Haben Sie die Schauspielerei eigentlich gelernt?<br />
haase: Nein, ich würde sagen, ich spiele intuitiv. Wenn man Glück<br />
hat und merkt, dass der Regisseur einen leiten kann, schubsen<br />
beide die Rolle unbewusst in eine Richtung. Bei mir passiert das meist<br />
während des Spiels, in der Situation. Ich habe früher in einer<br />
Theatergruppe gespielt, aber wirklich gelernt habe ich es nicht. Man<br />
kann sich Sachen abgucken, aber ich denke, bei vielen Schauspielern,<br />
wie auch bei mir, kommt der größte Teil von innen.<br />
interview: <strong>Fack</strong> <strong>ju</strong> Göhte kommt mittlerweile auf sechs Millionen<br />
Zuschauer. Was bedeutet Ihnen Erfolg?<br />
haase: Kommt darauf an, wie man Erfolg definiert. Wenn Erfolg<br />
bedeutet, dass ich weiterhin tolle und interessante Rollen spielen<br />
und mit spannenden Regisseuren zusammenarbeiten darf, bedeutet<br />
er mir viel. Bei aller Dreherei ist es mir aber total wichtig, auch<br />
mein anderes Leben zu behalten, in dem ich mit meinen Freunden<br />
sein kann. Wenn Erfolg und Privates sich gut verbinden lassen,<br />
wäre das ein Geschenk, für das ich sehr dankbar wäre – und bis jetzt<br />
hat das auch geklappt.<br />
<strong>Interview</strong>: Harald Peters
Jannik<br />
Schümann (21)<br />
Was für eine schöne erste Rolle: Mit neun steht<br />
Jannik Schümann in seiner Heimatstadt<br />
Hamburg neun Monate lang in dem Musical<br />
Mozart auf der Bühne und spielt einen von<br />
zwei Mozarts – den frühbegabten Jungen, der sich<br />
um die Revolutionierung der Musik kümmert,<br />
während sich der ältere Mozart mit der Damenwelt<br />
beschäftigt. Wirklich entdeckt wird<br />
Schümann allerdings erst hinterher: Als er sich<br />
in einer Tankstelle eine Tafel Schokolade kauft, hinterlässt er bei<br />
seiner zukünftigen Agentin bleibenden Eindruck: „Ich dachte immer,<br />
dass ich schüchtern bin, aber ich habe da, glaube ich, irgendwie<br />
ein falsches Selbstbild.“ Nach etlichen Fernsehproduktionen hat er sein<br />
Kinodebüt in Christian Petzolds barbara, doch zum prägenden<br />
Moment wird für ihn die Nebenrolle in hoMevideo. Schümann wird<br />
gegen den Strich als Fiesling besetzt und macht seine Sache derart<br />
überzeugend, dass er bald auch von Polizeiruf 110 (eine andere<br />
welt) und tatort (GeGen den koPf) als <strong>ju</strong>gendlicher Vorzeigeübeltäter<br />
engagiert wird und die Presse ihn mit Alain Delons<br />
eiskalteM enGel vergleicht. Der vorläufige Höhepunkt dieser<br />
Entwicklung ist die Hauptrolle im Kinofilm sPieltrieb, eine<br />
Julie-Zeh-Verfilmung. Darin spielt er einen Soziopathen mit einer<br />
ungesunden Neigung zur Philosophie. Doch Schümann kann<br />
auch anders: „In meinem nächsten Film lenalove spiele ich zum<br />
ersten Mal nicht den Bösen.“ Bilanz: 20-mal Fernsehen, viermal<br />
Kino, dreimal Musical sowie eine Nominierung (New Faces Award)<br />
und ein Preis (Hessischer Fernsehpreis).<br />
Paula<br />
Beer (18)<br />
Es lohnt sich also doch,<br />
zur Schule zu gehen:<br />
Ausgerechnet an dem Tag,<br />
an dem sie eigentlich<br />
zu Hause bleiben will,<br />
kommt es vor dem<br />
Schwarzen Brett zu einer<br />
folgenreichen Begegnung<br />
zwischen Paula Beer und zwei Talentscouts. Sie steht mit<br />
einer Freundin so rum, die Scouts suchen nach<br />
jemandem für die Hauptrolle in Chris Kraus’ Kinofilm<br />
Poll. Beer hält die Scouts für orientierungslose Eltern und<br />
spricht sie an, die Scouts laden sie zum Casting ein. Sie<br />
ist 14. Zwar verfügt sie als Mitglied des Jugendensembles des<br />
Friedrichstadt-Palasts über gewisse Bühnenerfahrung,<br />
aber von Film hat sie keinen Schimmer. Der Arbeit am Set<br />
nähert sie sich unbefangen, erst hinterher bemerkt sie,<br />
welche Verantwortung sie für den Film trägt. „Als ich mich<br />
zum ersten Mal auf der Leinwand gesehen habe, war ich<br />
irritiert, dass die Kamera nicht mehr im Bild war.“ Die Kritik<br />
zeichnet Beer 2010 mit dem Bayerischen Filmpreis als<br />
beste Nachwuchsdarstellerin aus. Die folgt unterdessen weiter<br />
dem mit Poll eingeschlagenen düster-romantischen<br />
Weg und spielt in Marie Noëlles und Peter Sehrs ludwiG ii.<br />
eine Prinzessin, zieht danach von Berlin nach Paris<br />
und ist demnächst im Alpenwestern das finstere tal<br />
(Start: 20. Februar) neben Sam Riley zu sehen.<br />
H e n r i e t t e<br />
Confurius (22)<br />
Ein aus der Zeit gefallenes<br />
Gesicht: entzückend<br />
unmodisch und ausgesprochen<br />
hübsch. Sehr nachvollziehbar,<br />
dass Regisseure Confurius (der<br />
Name? Niederländische<br />
Wurzeln!) besonders gerne für<br />
Kostümfilme (die wölfe,<br />
jenseits der Mauer, die Gräfin) besetzen. Nun hat<br />
auch Dominik Graf, eher bekannt für schlaue Krimis,<br />
ein historisches Liebesdrama mit ihr gedreht. die<br />
Geliebten schwestern feiert im Berlinale-Wettbewerb<br />
Premiere. Confurius spielt die Schwester von Hannah<br />
Herzsprung, und die beiden streiten sich um den <strong>ju</strong>ngen<br />
Dichter Schiller (Florian Stetter). Vor der Kamera<br />
stand Henriette schon als Zehnjährige, mit Matthias<br />
Schweighöfer hat sie bereits als Kind in einem Kurzfilm<br />
gespielt („Ich habe ihn seither nie wieder gesehen“),<br />
danach hat sie reichlich TV-Filme gedreht. Jetzt also<br />
großes Kino, und dann auch noch über den roten<br />
Teppich bei den Filmfestspielen. Anstatt durchzudrehen,<br />
bleibt Confurius gelassen. Die Schauspielerei liebt sie<br />
zwar sehr, aber sie ist auch offen für andere Abenteuer.<br />
In Irland ist sie zur Schule gegangen, in Wien hat sie<br />
zwei Jahre gelebt, obwohl sie dort eigentlich nur eine<br />
Wohnung einrichten wollte, und gerade macht sie ein<br />
Praktikum bei einer Hutmacherin. Wenn ihr Leben ein<br />
Filmtitel wäre, hieße er: „Die talentierte Mrs Confurius“.<br />
„Spielen macht mir<br />
großen Spaß, aber viele<br />
andere Sachen auch“<br />
Maria Dragus (19)<br />
Die Lust am Performen liegt in der Familie:<br />
Ihre Mutter ist Tänzerin, der Vater Cellist, ihre<br />
jüngere Schwester Paraschiva Schauspielerin.<br />
Dragus besucht erst die Palucca Hochschule für<br />
Tanz in Dresden und absolviert nebenbei<br />
kleine TV-Auftritte. Dann die Rolle, die alles<br />
ändert: die Pfarrerstochter in Michael Hanekes<br />
das weisse band. Beim Deutschen Filmpreis 2010 wird sie als beste<br />
Nebendarstellerin ausgezeichnet (und empfängt weinend die Lola),<br />
der Film bekommt in Cannes die Goldene Palme und wird für zwei<br />
Oscars nominiert. Dragus: „Haneke hat mir gezeigt, was ich für<br />
den Rest meines Lebens machen möchte – schauspielern.“ Damit legt<br />
sie zielstrebig los – als Ruth Ensslin in Andres Veiels wer wenn<br />
nicht wir, verstörte Bauerstochter in töte Mich von Emily Atef,<br />
prollige Teenagertussi in Bettina Blümners scherbenPark.<br />
Zuletzt spielt sie in Friederike Jehns draussen ist soMMer ein<br />
pubertierendes Mädchen, das nicht wahrhaben will, dass ihre<br />
Eltern einander nicht mehr lieben. Dieses Jahr zählt sie zu den zehn<br />
Nachwuchsschauspielern aus Europa, die bei der Berlinale als<br />
„Shooting Star“ ausgezeichnet werden. Das hat sie sich verdient.<br />
Young Ģuns<br />
101
L e o n a r d<br />
Scheicher<br />
( 2 1 )<br />
Ja, es sei sehr lustig gewesen, sagt Leonard<br />
Scheicher über das interview-Shooting, es<br />
war bislang sein erstes. Er ist noch neu im<br />
Geschäft, zwei Filme hat er bislang gedreht. Im<br />
vergangenen Jahr konnte man ihn zunächst in Oskar Roehlers<br />
quellen des lebens sehen, in dem er Robert Freytag spielt, eine<br />
Figur, die an den <strong>ju</strong>ngen Oskar Roehler angelehnt ist, hinterher<br />
war er in Frauke Finsterwalders finsterworld der Schüler Dominik.<br />
Weil Dominik aus enttäuschter Liebe zu Carla Juri die Klassenfahrt<br />
ins KZ schwänzt, versucht er sein Glück als Tramper, wird dabei von<br />
Bernhard Schütz für einen Spanner gehalten und verprügelt, bis<br />
Corinna Harfouch ihn rettet und zu sich und Schütz ins Auto holt.<br />
Alles gut? Von wegen: Kurz darauf wird er von einem namenlosen<br />
Einsiedler erschossen. Dumm für Dominik, aber gut für Scheicher, er<br />
ist die zentrale Figur des Films. Es gelingt ihm sogar, den bisweilen<br />
etwas gestelzten Filmdialogen das nötige Leben einzuhauchen. Es<br />
wundert daher nicht, dass Scheicher gleich im ersten Anlauf an<br />
der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch angenommen wurde<br />
und deswegen mittlerweile aus München nach Berlin gezogen ist.<br />
Wie er zum Theater kommt? „Ich war auf der Waldorfschule, da macht<br />
man ja viel Theater.“ Später spielt er im Jugendclub der Münchner<br />
Kammerspiele, was aber nicht bedeutet, dass der Entschluss schon feststeht,<br />
die Bühne zum Beruf zu machen: „Zwischendurch wollte ich<br />
auch mal Arzt werden, auf jeden Fall nicht Schauspieler, aber dann, in<br />
den letzten Jahren in der Jugendgruppe in den Kammerspielen,<br />
hat es angefangen, dass mir die Schauspielerei Spaß gemacht hat.“<br />
Na, zum Glück.<br />
Jonas<br />
Nay (23)<br />
Vermutlich läuft es so bombig für Jonas Nay,<br />
weil er die Schaupielerei nur so<br />
nebenbei betreibt, um sich seine wirkliche<br />
Leidenschaft zu finanzieren. Musik komponieren<br />
im Allgemeinen und seine Band<br />
Northern Lights im Speziellen (bei YouTube<br />
sollte man sich unbedingt Party Pusher<br />
anhören). Nay wohnt nicht im verrückten Berlin,<br />
sondern er studiert Jazz-und-Pop-Piano<br />
in der Stadt, in der er auch groß geworden ist: Lübeck.<br />
Den preisgekrönten Fernsehfilm hoMevideo, in<br />
dem Nay ein Cybermobbing-Opfer spielt, hat er zwischen<br />
Abitur und Zivildienst gedreht. Die Rolle katapultierte<br />
ihn vor drei Jahren auf die Beobachtungslisten der<br />
Casting-Leute und Regisseure. Seither hat er ein<br />
ganz spezielles Rollenfach: Heranwachsende in Seelennot.<br />
Vorzugsweise sensible Charaktere. Vielleicht kommt<br />
da seine Musikalität wieder ins Spiel. Er war der Filmsohn<br />
von Olli Dittrich in David Dietls Komödie<br />
köniG von deutschland und ist bald als Sohn von<br />
Tobias Moretti in dem Familiendrama hirnGesPinster<br />
zu sehen. In soMMersonnenwende gibt er<br />
zur Abwechslung keinen verletzlichen Pubertierenden,<br />
sondern einen <strong>ju</strong>ngen Soldat im Zweiten Weltkrieg.<br />
Wir sind gespannt.<br />
David Schütter (22)<br />
Kommt direkt von einem<br />
Fernsehdreh zum Shooting und<br />
bringt James-Dean-Charme<br />
mit ins Studio: etwas außer Atem,<br />
die Zigarette lässig zwischen den<br />
Lippen. Der Hamburger („Ich bin<br />
ein Schanzenkind“) ist gerade<br />
nach Berlin gezogen. Zweiter<br />
Versuch, nachdem ihm seine Bude<br />
in Friedrichshain nach einem Kurzschluss abbrannte.<br />
Die Hamburger Schule für Schauspiel hat Schütter<br />
eigentlich nur auf Anraten seiner Oma besucht, die von<br />
seiner überbrodelnden Energie beunruhigt war. Zu<br />
sehen war er bis jetzt in einem Dutzend Fernsehkrimis<br />
und auch schon im Hamburger tatort. Nebenrollen,<br />
die Spaß bringen, aber auch die Miete bezahlen. Nun<br />
kommen Kino und größere Parts: In Burhan<br />
Qurbanis Kinofilm wir sind <strong>ju</strong>nG. wir sind stark<br />
ist Schütter demnächst als Neonazi zu sehen und<br />
in Porn Punk Poetry gibt er einen schwulen Stricher.<br />
„Mein Kunde trug<br />
natürlich einen<br />
Eierschutz“<br />
E l i s a<br />
Schlott (20)<br />
Bei einer ihrer ersten Verpflichtungen<br />
– ihr fotobegeisterter Opa hat sie in<br />
frühen Jahren als Model vor seine<br />
Kamera geholt – wird ihr auf dem Kopf<br />
ein rohes Ei zerschlagen. Kein Ding,<br />
sagt Elisa, in Berlin-Pankow aufgewachsen,<br />
sie sei von Haus aus<br />
experimentierfreudig, außerdem war Opa auf der Suche nach immer<br />
neuen Gesichtsausdrücken seiner Enkelin. Die erste Rolle als<br />
Schauspielerin? „Mit zwölf Jahren habe ich in einem TV-Film die<br />
Tochter von Ulrich Mühe gespielt.“ Sie war auch schon mal die<br />
Tochter von Meret Becker (in Güzin Kars Kinofilm flieGende<br />
fische Müssen ins Meer) und die Tochter von Katja Riemann:<br />
im RAF-Drama das wochenende. Erfreulicherweise kann Elisa auch<br />
durchaus schmutzig: In Dominik Grafs Krimi das unsichtbare<br />
Mädchen hat sie einen kleinen, feinen Auftritt als Teenager-Prostituierte,<br />
und in dem Kinofilm aGnieszka wird sie dieses Jahr als<br />
Ballbusterin zu sehen sein. Als was, bitte? „Eine Ballbusterin ist eine<br />
Domina, die Männern professionell in die Eier tritt. Interessante<br />
Rolle. Und mein Kunde trug selbstverständlich einen Eierschutz“, versichert<br />
Elisa. Das Nervigste an der Schauspielerei? „Das ewige<br />
Warten am Set.“ Eine Rolle, für die sie gecastet wurde, am Ende aber<br />
doch nicht genommen wurde? Natascha Kampusch. Für die Verfilmung<br />
von Charlotte Roches Selbsterkundungsroman „Feuchtgebiete“<br />
hat sie auch vorgesprochen. „Beim Casting dabei zu sein, ist doch<br />
auch schon was, oder?“, sagt Schlott und zieht dabei kokett eine<br />
Augenbraue hoch. Übrigens: Elisas kleine Halbschwester Emilia<br />
ist in Robert Thalheims Film eltern zu sehen.
Emilia<br />
Schüle<br />
(21)<br />
Wenn man mit Teenie-<br />
Komödien wie freche<br />
Mädchen und GanGs an der<br />
Seite von Wilson Gonzales und<br />
Jimi Blue Ochsenknecht<br />
bekannt wurde, hat man nur<br />
eine Chance: Man muss<br />
zeigen, dass man nicht nur süß<br />
sein kann. Schüle bewältigt<br />
ihre Neuerfindung bravourös in<br />
einem Doppel-tatort, in<br />
dem sie eine russische Zwangsprostituierte spielt, die eines<br />
Morgens auf einer Müllhalde aufwacht. Dass die<br />
Bild-Zeitung nach der Ausstrahlung dennoch schreibt,<br />
Millionen von Zuschauern seien in ihr „Wegwerfmädchen“<br />
verliebt: schon okay. Geboren ist Schüle in<br />
Russland, die Eltern, beide Ärzte, sind mit ihr nach Berlin<br />
gezogen, als sie ein Jahr alt war. Ihre nächste große<br />
Rolle: In Oskar Roehlers neuem Film Punk spielt sie eine<br />
heroinabhängige Tänzerin, die im Berlin der<br />
Achtziger ihr Glück sucht. Die männliche Hauptrolle<br />
wird von Tom Schilling gespielt, gedreht wird<br />
Anfang des Jahres. Klar ist aber schon jetzt: Danach<br />
kann Emilia Schüle garantiert in keinem Teeniefilm<br />
mehr mitspielen. Been there, done that.<br />
Michel<br />
D i e r c k s<br />
(25)<br />
Michel Diercks Plan war es, Fotograf<br />
zu werden. Also macht der <strong>ju</strong>nge Mann<br />
aus Stade ein Praktikum bei einem<br />
Fotografen in New York, und weil er<br />
hauptsächlich nachts arbeiten muss, hat er tagsüber viel<br />
Zeit (Frage: Wann schläft er?). Er begleitet Freunde zum<br />
Schauspielunterricht, fängt selbst an zu spielen und wirft<br />
den Plan mit dem Fotografieren bald über Bord. Vorher hatte<br />
er mit der Schauspielerei wenig am Hut: „Die Theater-AG<br />
habe ich nach einem halben Jahr geschmissen, weil ich<br />
keine Hauptrollen spielen durfte. Aber ich hatte ja noch keine<br />
Ahnung.“ Inzwischen hat er Ahnung (er studiert Schauspiel<br />
in Potsdam) und eine erste Hauptrolle in einem Kinofilm<br />
(der saMurai). Darin spielt Diercks einen Dorfpolizisten,<br />
der seine Gemeinde gegen einen Mann in Frauenkleidern<br />
verteidigt, der mit einem Schwert eine Spur der<br />
Verwüstung zieht. Klingt so gut, dass der Film auf der<br />
Berlinale läuft.<br />
„Aus meinem ersten<br />
Film wurde ich wieder<br />
herausgeschnitten“<br />
Samuel<br />
Schneider<br />
(18)<br />
Samuel Schneider leuchteten die Vorzüge der Schauspielerei sofort ein:<br />
„Am Wochenende erst spät nach Hause gehen und mit den<br />
anderen Schauspielern noch in der Kantine sitzen, das war schon cool.<br />
Da kann man viel lernen, auch wenn man noch klein ist“, erzählt<br />
er über die Kantine des Berliner Ensembles. Er ist acht Jahre alt, als<br />
er dort unter der Regie von Robert Wilson in Shakespeares<br />
winterMärchen auf der Bühne steht. Kurz vorher hat er angefangen,<br />
hinter dem Rücken seiner Mutter Schauspielunterricht zu<br />
nehmen, eigentlich nur, weil ein Freund das auch tut. Aus dem wird<br />
kein Schauspieler, bei Samuel Schneider geht es stetig voran.<br />
Nach zwei Jahren am Theater folgen Produktionen fürs Fernsehen<br />
und 2010 die erste Hauptrolle im Kinofilm boxhaGener Platz.<br />
„Da wurde mir klar: Jetzt wird es ernst. Vorher war das ja nur ein<br />
Spiel.“ Eine noch größere Herausforderung wird die Hauptrolle<br />
in Caroline Links Vater-Sohn-Drama exit Marrakech, in dem<br />
Schneider an der Seite von Ulrich Tukur spielt, 55 Drehtage, der<br />
Fokus ganz auf den beiden Hauptdarstellern. Wer weiß, wann man<br />
noch mal die Gelegenheit zu so einem Film bekommt, sagt<br />
Samuel. Ach, das fängt doch alles erst an: Sein neuer Film couchMovie<br />
kommt dieses Jahr in die Kinos.<br />
Liv Lisa Fries (23)<br />
Young Ģuns<br />
Jetzt stapelt sie tief: Liv Lisa Fries sagt, sie habe zwar schon immer<br />
Schauspielerin werden wollen, aber nicht gewusst, ob sie es<br />
könne, und ganz genau wisse sie es eigentlich bis heute nicht. Na klar:<br />
Wenn man erst 23 Jahre alt ist und seit 2007 in rund 30 Filmen 103<br />
mitspielen durfte, darunter sechs fürs Kino; wenn man für diverse<br />
Preise nominiert war (New Faces, Max Ophüls Preis) und andere<br />
bekommen hat (Günter-Strack-Fernsehpreis) und sich auch noch traut,<br />
Veronica Ferres ohne mit der Wimper zu zucken ins Gesicht zu<br />
sagen, dass man ihre Filmtochter völlig zu Recht zu Tode gequält hat<br />
(sie hat es verdient), dann sind Zweifel dringend angebracht.<br />
Obwohl Liv Lisa Fries überhaupt nicht wirkt, als würde sie an ihren<br />
Fähigkeiten zweifeln. Sie nimmt bloß die Schauspielerei derart<br />
ernst, dass es ihr offenbar gelingt, an der eigenen Eitelkeit vorbei auf<br />
die Arbeit zu schauen und dabei festzustellen, dass einem manche<br />
Sachen eben leichter fallen als andere. Nicht so schwerfällt es ihr,<br />
Niederlagen wegzustecken: „Meinen ersten Drehtag hatte ich in<br />
Oskar Roehlers eleMentarteilchen. Aus dem Film wurde ich allerdings<br />
wieder herausgeschnitten, was ich aber gar nicht schlimm<br />
fand. Ich hatte ja keine Ahnung, wie das läuft.“ Die erste Hauptrolle<br />
kam gleich danach, ein schiManski mit Götz George, da war<br />
sie 15. Deutlich schwerer fielen Fries ihre beiden neuesten Filme. In<br />
und MorGen MittaG bin ich tot (ab 13. Februar) spielt sie<br />
eine <strong>ju</strong>nge Frau, die an Mukoviszidose leidet und ihrem Leben ein<br />
Ende setzen will, und in staudaMM (ab 30. Januar) ist sie die<br />
Überlebende eines Amoklaufs an einer Schule. Was ihr an der Figur<br />
so schwerfiel? Die sei so anders als sie, die habe ein ganz anderes<br />
Tempo. „Aber wenn ich den Film jetzt sehe, denke ich: Was? Das ist<br />
dir so schwergefallen? Eigentlich verrückt!“
Farah Pahlavi mit 75.<br />
Und wie Andy Warhol<br />
sie 1973 porträtierte
FOTOS: (linke Seite) Sebastian Kim/Management + Artists; (rechte Seite) Andy Warhol, "Farah Diba Pahlavi", Image and Artwork © 2013 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Licensed by ARS<br />
Farah Pahlavi<br />
Wir schreiben das Jahr 1976. andy Warhol<br />
und der damalige „intervieW“-chefredakteur<br />
bob colacello reisen in den iran,<br />
Von Bob Colacello<br />
Porträt Sebastian Kim<br />
Kaiserin Farah Pahlavi hat zum Porträt-Termin<br />
gebeten. Nichts Ungewöhnliches zu dieser Zeit, gerade<br />
erst waren sie bei Willy Brandt in Bonn. Das Teheran,<br />
das sie erleben, ist weltoffen, beinahe hysterisch<br />
gen Westen orientiert, das Straßenbild geprägt von<br />
Miniröcken und Plateauschuhen. Dennoch ist das<br />
Regime umstritten, Warhols Annäherung, die Politiker<br />
und Prinzessinnen, Schurken und Heroen durch seine<br />
Kunst gleich behandelt, wird ihm übel genommen. Drei<br />
Jahre später muss der Schah mit seiner Familie das<br />
Land verlassen und findet zunächst nirgends Asyl. Der<br />
Iran wird unter der Herrschaft des Ajatollah wieder ein<br />
Kirchenstaat, der Tschador wird nicht Trend, sondern<br />
Gesetz. Die Frau, die als „Farah Diba“ das Lieblings-<br />
Covergirl der Boulevardpresse war, lebt heute<br />
zurückgezogen in Maryland. Hier spricht sie seit vielen<br />
Jahren zum ersten Mal wieder mit einem Journalisten.<br />
Farah Pahlavi<br />
105
106<br />
ihre Kaiserliche Hoheit Farah Pahlavi von Iran – wie<br />
sie bis zum Sturz ihres Mannes Schah Mohammad<br />
Reza Pahlavi 1979 genannt wurde – war neulich in<br />
New York, um an der Eröffnung von „Iran Modern“<br />
teilzunehmen, einer großen Ausstellung persischer Kunst<br />
aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren, die von der Asia<br />
Society veranstaltet wurde. Mit ihren 75 Jahren ist sie<br />
immer noch eine so eindrucksvolle Erscheinung, dass<br />
man versteht, warum die internationale Presse sie oft die<br />
„Jacqueline Kennedy des Nahen Ostens“ genannt hat.<br />
Am 14. Oktober 1938 in Teheran als Farah Diba<br />
geboren, besuchte sie italienische und französische Privatschulen,<br />
ehe sie in Paris Architektur zu studieren begann.<br />
Im Frühjahr 1959 wurde sie in Paris bei einem Empfang<br />
in der iranischen Botschaft dem Schah vorgestellt, schon<br />
im Dezember fand in Teheran die Hochzeit statt, nach<br />
schiitischem Ritus und in einem Kleid von Yves Saint<br />
Laurent. Sie war 21 damals, der Schah 40. Er war davor<br />
schon zweimal verheiratet gewesen – doch beide Ehen<br />
waren geschieden worden, weil ihnen kein männlicher<br />
Thronfolger entsprungen war. Zehn Monate nach ihrer<br />
Hochzeit gebar Farah den Kronprinzen Cyrus Reza, ihm<br />
folgten 1963 Prinzessin Farahnaz, 1966 Prinz Ali Reza<br />
und 1970 Prinzessin Leila.<br />
Der Schah war ein umstrittener und widersprüchlicher<br />
Herrscher. Einerseits glaubte er an das göttliche Recht<br />
von Königen, andererseits versuchte er, den Iran zum<br />
modernsten Staat in der Region zu entwickeln, indem<br />
er etwa den Feudalismus abschaffte und 1963 den Frauen<br />
Gleichberechtigung gab. Farah selbst wurde zum<br />
Symbol dafür, wie weit es Frauen unter der Herrschaft des<br />
Schahs bringen konnten. Sie stand zwei Dutzend<br />
Bildungs-, Gesundheits- und Kulturorganisationen vor<br />
und unternahm ausgedehnte Inspektionsreisen<br />
in die zurückgebliebensten Provinzen des Landes.<br />
Auf ihr Betreiben wurde das Teheraner Museum für<br />
zeitgenössische Kunst gegründet, für das sie eine<br />
Sammlung von fast 150 Werken zusammenzutragen<br />
begann, darunter Arbeiten von Monet, Gauguin,<br />
Toulouse-Lautrec, Picasso, Magritte, Sol LeWitt, Pollock<br />
oder Roy Lichtenstein. Der Wert dieser Sammlung, für<br />
die ihren Angaben zufolge weniger als 100 Millionen<br />
Dollar ausgegeben wurden, wird mittlerweile auf etwa<br />
fünf Milliarden Dollar geschätzt. Das Museum wurde<br />
1977 eröffnet, doch zwei Jahre danach übernahm<br />
Ajatollah Khomeini die Macht, und die Kunstschätze<br />
wanderten in die Kellerräume des Museums, weil sie<br />
als unpassend für islamische Augen angesehen wurden.<br />
1976 gab Farah bei Andy Warhol ein Porträt in<br />
Auftrag. Die beiden hatten sich bei einem Bankett im<br />
Weißen Haus kennengelernt, das von Präsident Ford<br />
für den Schah gegeben worden war. Ein paar Monate<br />
später, am 5. Juli 1976, flogen Andy, sein Manager<br />
Fred Hughes und ich nach Teheran, begleitet von Nima<br />
Farmanfarmaian, einer Modekolumnistin bei der<br />
New York Post und Tochter zweier bekannter iranischer<br />
Künstler. Am Abend nach unserer Ankunft nahmen<br />
wir an einem Staatsbankett zu Ehren des pakistanischen<br />
Premierministers Ali Bhutto teil, das vom iranischen<br />
Premierminister Amir Abbas Hoveyda gegeben wurde.<br />
Weniger als drei Jahre später wurden sowohl der Gast als<br />
auch sein Gastgeber hingerichtet, Hoveyda während der<br />
Islamischen Revolution, Bhutto nach einem Militärputsch.<br />
Das Teheran, das wir in diesem Sommer zu sehen<br />
bekamen, war eine prosperierende Metropole. Die Villen<br />
der Reichen auf den Hügeln am nördlichen Ende der<br />
Stadt hätten auch in Bel Air stehen können – abgesehen<br />
von den Perserteppichen, die bei ihnen am Pool lagen.<br />
Näher am Zentrum schossen ganze Wohnviertel für die<br />
Mittelschicht aus dem Boden. Frauen in Tschadors sahen<br />
wir nur auf dem Basar im ärmeren Süden Teherans, dem<br />
einzigen Ort, an dem wir argwöhnisch gemustert wurden,<br />
wenn die Menschen bemerkten, dass wir Amerikaner waren.<br />
In der Woche, die wir in Teheran darauf warteten,<br />
dass Ihre Hoheit Zeit fand, um für Andy zu posieren,<br />
hörte ich kein einziges Mal das Wort „Schiit“. Doch als<br />
Farah im Juli des darauffolgenden Jahres nach New York<br />
kam, um eine Auszeichnung entgegenzunehmen, brüllten<br />
Hunderte maskierte Demonstranten vor dem Pierre Hotel:<br />
„Tötet den Schah!“ Im November nahmen Andy und Fred<br />
Hughes an einem Staatsbankett teil, das Präsident Jimmy<br />
Carter für den Schah gab. Das Weiße Haus war von 8 000<br />
Demonstranten umzingelt. Damals hatten im Iran schon<br />
die Proteste begonnen, die schließlich zum Sturz des Schahs<br />
führten, und auch von der amerikanischen Presse wurde<br />
sein Regime immer massiver kritisiert. Das bekam auch<br />
Andy zu spüren. Ein paar Tage vor dem Dinner im<br />
Weißen Haus druckte die Village Voice auf ihrer Titelseite<br />
ein Foto von Andy und Farah über der Schlagzeile<br />
Farah Pahlavi und Andy<br />
Warhol 1977 im New<br />
Yorker Hotel Waldorf<br />
Astoria. Warhol wurde<br />
für seine Nähe zur<br />
Frau des Schahs von<br />
der amerikanischen<br />
Presse heftig kritisiert
FOTO: Andy Warhol, "Photo of Andy Warhol and Farah Diba in front of works", Alain Nogues/Sygma/Corbis/Image and Artwork © 2013 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Licensed by ARS<br />
„Schöne Schlächter“ ab. Kurz darauf wurde Andy von<br />
seinem alten Freund Henry Geldzahler, Kurator des<br />
Metropolitan Museum und gerade zum New York City<br />
Commissioner of Cultural Affairs ernannt, attackiert,<br />
weil er Geschäfte mit dem „mörderischen Schah“ machte.<br />
Das hielt Andy nicht davon ab, der Bitte nachzukommen,<br />
auch den Schah zu porträtieren, die ihm Anfang 1978<br />
vom iranischen UN-Botschafter überbracht worden war.<br />
Im September 1978 wollten wir das Porträt beim<br />
Schiras-Kunstfestival feierlich übergeben, doch kurz vor<br />
unserer Abreise erreichte uns ein Telegramm des<br />
Kulturministeriums: „Aufgrund von Demonstrationen<br />
extrem fremdenfeindlicher Gruppen müssen wir zu<br />
unserem Bedauern das diesjährige Festival absagen.“<br />
Der Schah und seine Frau verließen den Iran am<br />
16. Januar 1979. Zwei Wochen später kehrte Khomeini<br />
aus seinem Exil zurück und wurde zum obersten Führer<br />
der „Regierung Gottes“.<br />
Nach zehn Monaten, in denen die Pahlavis in Ägypten,<br />
Marokko, auf den Bahamas und in Mexiko vergebens<br />
nach einem Ort für ihr Exil suchten, gestattete im Oktober<br />
Präsident Carter dem Schah die Einreise in die USA – aus<br />
medizinischen Gründen. Daraufhin stürmten in Teheran<br />
Militante die amerikanische Botschaft und nahmen deren<br />
Personal als Geiseln. Die Pahlavis reisten zuerst nach<br />
„Ich bin froh, dass<br />
das Teheraner Museum<br />
für Gegenwartskunst<br />
immer noch existiert. Die<br />
Kunst dort gehört ja<br />
dem iranischen Volk“<br />
Panama und schließlich wieder nach Ägypten, wo der<br />
Schah im Juli 1980 an seinem Krebsleiden starb.<br />
Präsident Reagan bot seiner Witwe und seinen<br />
Kindern Asyl in den USA an, aber das Leben im Exil war<br />
nicht leicht für die Familie. Prinzessin Leila starb 2001<br />
in London an einer Überdosis Schlaftabletten, Ali Reza<br />
beging 2011 in Boston Selbstmord. Heute lebt die<br />
ehemalige Herrscherin in Paris und Potomac, Maryland,<br />
wo ihr Sohn Prinz Reza wohnt. Wir unterhielten uns<br />
beim Tee in der Wohnung ihrer Cousine Layla Diba,<br />
Co-Kuratorin von „Iran Modern“ und früher Leiterin der<br />
Sammlung für islamische Kunst am Brooklyn Museum.<br />
bob CoLACELLo: Die Zeit, die in „Iran Modern“ behandelt<br />
wird, war die Zeit, in der Sie Königin waren, nicht wahr?<br />
fArAh PAhLAVI: Ja. Ich habe 1959 geheiratet. Das war eine<br />
Zeit, in der sich der Iran auf vielen Gebieten entwickelt<br />
hat – wirtschaftlich, kulturell, auf dem Gebiet der<br />
Bildung. Vor unserer Hochzeit hat mein Mann mir zwar<br />
gesagt, dass ich sehr viel Verantwortung werde<br />
übernehmen müssen, aber ich brauchte einige Jahre, bis<br />
ich wirklich über die Probleme Bescheid wusste und<br />
herausgefunden hatte, wie ich am besten helfen konnte.<br />
Ich habe mich sehr für Bildung und die Verbesserung der<br />
medizinischen Versorgung eingesetzt, aber auch für die<br />
Kultur. Ich habe mich auf jede mögliche Weise für sie<br />
engagiert, nicht nur für die traditionelle Kultur, sondern<br />
auch für die zeitgenössische Kunst. Zum Beispiel habe ich<br />
Arbeiten iranischer Maler gekauft und versucht, jene, die<br />
es sich leisten konnten, zu ermuntern, es mir gleichzutun.<br />
CoLACELLo: Sie haben in Paris Architektur studiert?<br />
PAhLAVI: Ja, an der École Spéciale d’Architecture, und ich<br />
denke noch immer, dass ich mich damals für das Richtige<br />
entschieden haben. Natürlich bin ich keine Architektin<br />
geworden, aber das Studium hat mir bei meinen Gesprächen<br />
mit Architekten und Stadtplanern sehr geholfen.<br />
Iran war ein Entwicklungsland, und eines der Probleme<br />
von Entwicklungsländern ist, dass sie oft den Westen<br />
kopieren wollen und dabei in Kauf nehmen, die eigene<br />
Vergangenheit zu zerstören.<br />
CoLACELLo: Sie waren sehr wichtig für die Gründung des<br />
Teheraner Museums für zeitgenössische Kunst.<br />
PAhLAVI: Als in den frühen Siebzigern die Preise für Erdöl<br />
in die Höhe schossen, sagte ich zu meinem Mann und<br />
zum Premierminister: Jetzt oder nie haben wir die Chance,<br />
ein paar großartige Werke zu kaufen. Wir hatten zwar<br />
hervorragende Museen für alte iranische Kunst und Kunsthandwerke,<br />
aber uns fehlte ein Museum für Gegenwartskunst.<br />
Beim Aufbau der Sammlung wurden wir von<br />
zwei amerikanischen Kuratoren unterstützt, Donna Stein<br />
und David Galloway. Und sobald sich in Europa und<br />
Amerika herumzusprechen begann, dass wir interessiert<br />
waren, fingen viele Galeristen an, mit uns Kontakt<br />
aufzunehmen. Ich muss sagen, es ist eine tolle Sammlung.<br />
Wenn ich an den Preis denke, zu dem wir das in den<br />
Siebzigern erworben haben … Das Museum wurde 1977<br />
eröffnet. Ich bin glücklich darüber, dass es immer noch<br />
existiert. Nach allem, was die Revolution von zeitgenössischer<br />
Kunst hält, konnte man ja nicht unbedingt<br />
damit rechnen. Glücklicherweise haben der Direktor und<br />
das Personal alles in den Keller gebracht.<br />
CoLACELLo: Ins Depot …<br />
PAhLAVI: Ja. Natürlich konnte die Sammlung nach der<br />
Revolution nicht gezeigt werden, weil ja nur revolutionäre<br />
Bilder ausstellungswürdig waren. Immerhin hat das<br />
Museum in den letzten drei Jahren einige der<br />
zeitgenössischen Bilder gezeigt – natürlich nur solche, die<br />
nicht unislamisch sind, wie sie es nennen. Eine Frau aus<br />
Teheran hat mir in einer E-Mail erzählt, sie habe Tränen<br />
in den Augen gehabt, als sie vor einem Rothko stand.<br />
Sobald das Museum irgendwo in der Presse erwähnt wird,<br />
beginne ich sofort, mir Sorgen zu machen. Ich weiß ja,<br />
dass einige Sammler großes Interesse daran hätten, Werke<br />
aus der Sammlung zu kaufen.<br />
CoLACELLo: Es muss doch frustrierend sein, wenn man<br />
weiß, dass diese wunderbare Sammlung existiert, aber<br />
niemand sie sehen kann.<br />
PAhLAVI: Ich bin glücklich, dass sie da ist. Das alles gehört<br />
der iranischen Nation, und hoffentlich gibt es genügend<br />
Menschen, die dafür sorgen, dass es so bleiben wird.<br />
CoLACELLo: Sie waren 1967 auch an der Gründung des<br />
Kunstfestivals von Schiras beteiligt.<br />
PAhLAVI: Ja. Wir wollten unbedingt ein Festival haben,<br />
das sowohl für ganz traditionelle Kunst als auch für die<br />
Avantgarde offen war. Die Künstler, die wir nach Schiras<br />
einluden, kamen aus der ganzen Welt – Japan, Afrika,<br />
Europa, Amerika.<br />
CoLACELLo: Ich kann mich noch erinnern, dass in der<br />
Kunstszene 1973 Robert Wilsons Aufführung von KA<br />
MOUNTain für Aufsehen sorgte. Die Leute konnten es<br />
Farah Pahlavi<br />
107
2<br />
1<br />
1975<br />
„Wenn die<br />
Menschen gegen<br />
einen<br />
sind, glauben<br />
sie alles“<br />
3<br />
5<br />
1962<br />
1967<br />
1967<br />
6<br />
4<br />
7<br />
„In einem<br />
Film habe ich<br />
einmal mein<br />
Porträt gesehen<br />
– jemand<br />
hatte es<br />
zerschnitten“<br />
1967<br />
8 9 10<br />
FOTOS: (linke Seite) Keystone-France/Gamma-Keystone via Getty Images; (rechte Seite) privat
FOTOS: 1., 10. akg-images/Hugues Vassal; 2. Keystone-France/Gamma-Keystone via Getty Images; 3. Jack Garofalo/Paris Match via Getty Images; 4. Mehner/Keystone; 5., 6.,9. Bettmann/CORBIS; 7. Kaveh Kazemi/Gettyimages; 8. Lipnitzki/Roger Viollet/Getty Images<br />
1 Die Pahlavis 1975 in<br />
Teheran 2 Mit Salvador<br />
Dalí 1969 in Paris<br />
3 Vor ihrer Heirat<br />
mit dem Schah Ende<br />
Dezember 1959 4 Der<br />
Besuch der Pahlavis<br />
in Berlin löste 1967<br />
Demonstrationen aus,<br />
in deren Verlauf der<br />
Student Benno Ohnesorg<br />
von einem Polizisten<br />
erschossen wurde 5 Mit<br />
John F. Kennedy 1962<br />
6 1967 wurde Farah<br />
Pahlavi zu einem „Vizekönig“<br />
gekrönt<br />
7 Zwei Iranerinnen 1993<br />
im Teheraner Museum<br />
für zeitgenössische<br />
Kunst beim Betrachten<br />
von Andy Warhols<br />
Mick-Jagger-Porträts<br />
8 Mit Yves Saint Laurent<br />
1959 in Paris 9 1967<br />
beim 48. Geburtstag des<br />
Schahs 10 Im Jahr 1971<br />
einfach nicht fassen, dass das Stück 168 Stunden dauerte<br />
– ohne eine einzige Pause.<br />
PAhLAVI: Ja, das war unglaublich. Sogar in Amerika<br />
wussten sie damals nicht besonders viel über Robert<br />
Wilson. Unglücklicherweise mussten wir das Festival<br />
nach 1977 einstellen.<br />
CoLACELLo: Ich weiß. Andy Warhol wurde zusammen mit<br />
ein paar Leuten, zu denen auch ich gehörte, zum Festival<br />
von 1978 eingeladen. Andy hatte nach Ihrem Porträt ja<br />
auch eines des Schahs gemalt, und das sollte beim Festival<br />
in Schiras übergeben werden. Aber dann erhielten wir<br />
Telegramme, in denen stand: „Aufgrund von Demonstrationen<br />
extrem fremdenfeindlicher Gruppen müssen wir<br />
zu unserem Bedauern das diesjährige Festival absagen.<br />
Aber wir werden Sie im nächsten Jahr wieder einladen.“<br />
Dazu ist es dann nie gekommen. Den Text dieses Telegramms<br />
werde ich nie vergessen.<br />
PAhLAVI: Übrigens hat das französische Fernsehen einen<br />
Film über den Keller im Museum für zeitgenössische<br />
Kunst gezeigt, und darin war auch das Warhol-Porträt<br />
von mir zu sehen. Jemand hatte es mit einem Messer<br />
zerschnitten.<br />
CoLACELLo: Gab es nicht mehrere davon?<br />
PAhLAVI: Ich glaube, es gab zwei von meinem Mann und<br />
zwei von mir im Museum. Und ich hatte eines im Palast<br />
– ich glaube, das ist immer noch da.<br />
CoLACELLo: War der Schah an Kunst interessiert? Wie<br />
reagierte er auf so etwas wie Bob Wilsons Stück?<br />
PAhLAVI: Er mochte eher traditionelle Musik und<br />
Komödien. Ich war diejenige, die zum Festival ging.<br />
Er kam nur 1973 einmal, als Maurice Béjart da war.<br />
Er hatte ja auch andere Dinge zu tun.<br />
CoLACELLo: Manche Historiker sind der Auffassung,<br />
dass die extravagante Party, die Ihr Mann und Sie 1971<br />
in Persepolis veranstaltet haben, um das 2 500. Jubiläum<br />
der Gründung des Persischen Reiches durch Kyros<br />
den Großen zu feiern, ein Fehler war. Der Pomp und<br />
die Kosten damals hätten zu dem Missbehagen über<br />
die Monarchie beigetragen, das acht Jahre später in<br />
der Revolution kulminierte. Ist da etwas dran?<br />
PAhLAVI: Von heute aus gesehen stellt sich vieles anders<br />
dar. Natürlich gibt es ein paar Dinge, die wir anders<br />
hätten tun können – und Dinge, mit denen ich selbst nicht<br />
glücklich war. Aber wenn sich heute Menschen in aller<br />
Welt für die Kultur und Geschichte des alten Irans interessieren,<br />
dann liegt das auch an dieser Feier damals, daran,<br />
dass wir der Welt diese Geschichte erst bekannt gemacht<br />
haben. Die Kosten dieser Jubiläumsfeiern sind maßlos<br />
übertrieben worden, doch wenn die Menschen erst einmal<br />
gegen dich sind, glauben sie alles.<br />
CoLACELLo: Gibt es in Teheran eine Kunstszene?<br />
PAhLAVI: Einige Künstler stellen außerhalb des Landes aus,<br />
manche nur bei sich zu Hause, weil ihre Arbeit politisch ist,<br />
und das wird nicht erlaubt. Sie müssen wissen, als diese<br />
Leute an die Macht kamen, haben sie eine Zeit lang sogar<br />
versucht, traditionelle Musik zu verbieten. Aber mittlerweile<br />
gibt es im Iran fantastische traditionelle Ensembles, die<br />
öffentlich auftreten. Es gibt viele kulturelle Dinge in<br />
unserem Land, die zu stark sind, als dass sie zerstört werden<br />
könnten. Als diese Leute an die Macht kamen, wollte das<br />
Regime sogar die Statue Firdausis zerstören, des Dichters,<br />
von dem unser Nationalepos Schahname (Das Buch<br />
der Könige) stammt. Aber das ließen die Iraner nicht zu.<br />
CoLACELLo: Wie ist Ihr Leben jetzt? Wo leben Sie?<br />
PAhLAVI: Ich pendle zwischen Paris und Maryland. Und<br />
ich habe immer viel zu tun, mit all den E-Mails, die<br />
ich erhalte, und manchmal mit <strong>Interview</strong>s, um die man<br />
mich bittet. Ich versuche, dem zu folgen, was im Iran<br />
geschieht, und im Kontakt mit Iranern zu bleiben. Also<br />
bin ich gut beschäftigt. Manchmal wird es mir ein<br />
wenig zu viel, weil ich ja keinen Stab habe, der mir hilft,<br />
um das alles zu bewältigen.<br />
CoLACELLo: Verfolgen Sie die zeitgenössische Kunstszene?<br />
PAhLAVI: Ja, allerdings nicht mehr so engagiert wie früher,<br />
weil ich ehrlich gesagt nicht die Zeit dazu habe. Wenn es<br />
eine Ausstellung von Iranern gibt oder wenn ein Künstler<br />
auf der Suche nach einem Galeristen ist, versuche ich zu<br />
„Man kann Kultur nicht<br />
stoppen. Manchmal<br />
werden Künstler unter<br />
Druck kreativer.<br />
Denken Sie nur an all<br />
die Filme aus dem Iran“<br />
helfen. Ich besuche zum Beispiel Vernissagen, damit die<br />
Chance steigt, dass etwas in der Presse erscheint. Oder ich<br />
lasse meine Kontakte spielen und mache Menschen<br />
miteinander bekannt. Wenn ich irgendwo helfen kann,<br />
versuche ich es.<br />
CoLACELLo: Es hat mich erstaunt, als man mir erzählte,<br />
dass Monir Shahroudy Farmanfarmaian, von der eine<br />
Arbeit auf dem Umschlag des „Iran Modern“-Katalogs<br />
ist, mittlerweile eine so etablierte Künstlerin im Iran ist.<br />
Andy und wir anderen in der Factory waren in den<br />
Siebzigern gut mit ihrer Tochter Nima befreundet. Ich<br />
kann mich daran erinnern, dass sie damals nicht sehr<br />
erfolgreich gewesen ist.<br />
PAhLAVI: Ja. Auch ihre Autobiografie A Mirror Garden hat<br />
sich gut verkauft. Mittlerweile gibt es nicht nur außer- 109<br />
halb des Irans Sammler, die iranische Künstler sammeln,<br />
sondern auch viele Sammlungen im Iran selbst.<br />
CoLACELLo: Es ist vielleicht wirklich so, wie Sie sagen: Sie<br />
können es nicht wirklich kontrollieren.<br />
PAhLAVI: Nein, man kann Kultur nicht stoppen. Manchmal<br />
werden Künstler unter Druck kreativer, ob es nun<br />
Schriftsteller sind oder Filmemacher. Denken Sie bloß an<br />
all die Filme, die aus dem Iran kommen.<br />
CoLACELLo: Haben Sie denn Hoffnung, dass es im Iran<br />
einen wirklichen Wandel geben wird?<br />
PAhLAVI: Ja, und ich gebe diese Hoffnung nicht auf, weil<br />
ich weiß, dass es im Iran zu viel Unterdrückung gibt, als<br />
dass die Menschen das auf Dauer hinnehmen könnten. Die<br />
Mehrheit der Iraner ist sehr <strong>ju</strong>ng, unter 30, und dank des<br />
Internets und des Fernsehens, dank Twitter und Facebook<br />
bekommen sie mit, was in der Welt geschieht. Sie sind<br />
gebildet und intelligent, und sie haben eine Ahnung davon,<br />
wie der Iran gewesen ist und wo er heute, 30 Jahre später,<br />
stehen könnte, mit all den Erlösen aus dem Öl und mit der<br />
Intelligenz seiner Menschen. Es bricht mir das Herz, wenn<br />
ich höre, dass es so viele Drogensüchtige gibt, weil <strong>ju</strong>nge<br />
Leute keine Hoffnung haben oder all die Verbote in ihrem<br />
Leben nicht ertragen können. Es gibt Kinderprostitution,<br />
Kinder, die auf den Straßen betteln … Natürlich sind wir<br />
Farah Pahlavi
Farah Pahlavi<br />
110<br />
damals noch ein Entwicklungsland gewesen, und auf vielen<br />
Gebieten hätte noch einiges getan werden müssen, aber<br />
damals hatten wir die Möglichkeiten dazu. Glücklicherweise<br />
bekommen die Jungen von ihren Eltern erzählt, wie<br />
wir wirklich waren, und sie begreifen, wie viel Unsinn<br />
während der Revolution und in den Jahren seither über uns<br />
gesagt worden ist. Also wissen sie, wie es einmal war. Die<br />
Sympathie für meinen verstorbenen Mann wächst und<br />
wächst. Wenn sie jetzt im Iran über ihn sprechen, sagen sie<br />
oft: „Gott segne ihn.“ Oder vergleichen die Preise während<br />
seiner Regierungszeit mit denen von jetzt. Natürlich haben<br />
auch die Sanktionen zum Leid der Menschen beigetragen.<br />
Aber selbst vor den Sanktionen konnten sich die Leute oft<br />
nicht einmal ein Mal pro Woche Fleisch leisten. Das ist<br />
doch unglaublich! Manchmal höre ich, dass Menschen Brot<br />
stehlen – wie kann so etwas in einer Stadt wie Teheran<br />
möglich sein? Gewiss: Die iranische Bevölkerung hat sich<br />
verdoppelt, aber das kann keine Ausrede sein. Dieses<br />
Regime hat im Namen der Religion so viel Schaden angerichtet<br />
und so viele Lügen erzählt, und es gibt so viel<br />
Korruption. Es kann nicht so bleiben. Der Iran ist in seiner<br />
Geschichte von den verschiedensten Zivilisationen erobert<br />
worden, aber er hat sich immer wieder wie Phönix aus der<br />
Asche erhoben. Das wird auch diesmal geschehen. Weil es<br />
für den Iran wichtig ist, aber auch für den Nahen Osten<br />
und für den Rest der Welt.<br />
„Glücklicherweise<br />
bekommen die Jungen<br />
von ihren Eltern erzählt,<br />
wie wir waren, und sie<br />
begreifen, wie viel Unsinn<br />
über uns erzählt wurde“<br />
CoLACELLo: Was halten Sie vom Arabischen Frühling und<br />
den Ereignissen in der arabischen Welt?<br />
PAhLAVI: Das alles ist merkwürdig und sehr beängstigend.<br />
Es gab in den muslimischen Ländern immer schon<br />
fanatische Gruppen. Aber ich glaube, erst mit Khomeini<br />
hat der Krieg zwischen den Sunniten und den Schiiten<br />
wirklich begonnen.<br />
CoLACELLo: In Syrien und im Irak?<br />
PAhLAVI: In Syrien, überall! Das hat es ja auch bei den<br />
Christen gegeben, zwischen den Katholiken und den<br />
Protestanten, allerdings vor Hunderten von Jahren. Es ist<br />
einfach lächerlich. Aber ich will meine Hoffnung nicht<br />
verlieren, ich weiß ja, wie die <strong>ju</strong>ngen Menschen im Iran<br />
empfinden. Sie wollen ein besseres Leben haben. Nicht<br />
nur die Jungen, auch die Arbeiter, Journalisten und<br />
Intellektuellen. Mir kommt die Situation im Iran ein wenig<br />
so vor wie die Periode der Inquisition in Europa. Danach<br />
kommt eine Periode des Lichts, der Aufklärung. Sie wird<br />
kommen, weil es für ein Land wie Iran, mit so viel Kultur,<br />
einfach nicht möglich ist, für alle Zeiten in der Dunkelheit<br />
zu bleiben. Aber natürlich ist das alles beängstigend – all<br />
diese Fanatiker, die im Namen der Religion so ungeheuer<br />
viel Schaden anrichten. Es gibt viele Iraner, die religiös<br />
waren, aber heute wegen dieser Leute nicht mehr über<br />
Religion sprechen wollen.<br />
CoLACELLo: Waren Sie und Ihr Mann eigentlich religiös?<br />
PAhLAVI: Wir waren Muslime, und ich bin es noch<br />
immer. Aber wissen Sie, als ich einmal gefragt worden<br />
bin, ob ich auch praktiziere, habe ich gesagt: Ich<br />
praktiziere die Menschenrechte, auf die es ja in jeder<br />
Religion ankommt – gut und hilfsbereit zu sein,<br />
nicht zu töten, nicht zu lügen, großzügig zu sein. Das<br />
sind die Werte, um die es geht.<br />
CoLACELLo: Wie gehen Sie damit um, dass so viele<br />
Menschen sagen, dass Ihr Mann Tausende von Menschen<br />
hat einsperren lassen und seine Geheimpolizei, der Savak,<br />
jede politische Opposition erstickt hat?<br />
PAhLAVI: Natürlich sagen sie das, und sie übertreiben. Ich<br />
gebe zu, dass es Dinge gab, von denen mein Mann<br />
nicht wusste, und dass es natürlich auch nicht richtig<br />
war, wenn auch nur eine einzige Person fälschlicherweise<br />
eingesperrt wurde. Aber Sie müssen auch an all die<br />
Kommunisten denken, die es vor 30 Jahren im Iran<br />
gab, an die Bedrohung, die von der Sowjetunion ausging.<br />
Manchmal werde ich gefragt: Warum seid ihr nicht<br />
geblieben und habt die Revolution niedergeschlagen?<br />
Doch das hätte bedeutet, Menschen zu töten, und mein<br />
Mann sagte immer, er wolle keinen Thron, für den Blut<br />
vergossen wurde.<br />
CoLACELLo: Das heißt: Vor der Revolution haben die<br />
Kommunisten Ihrem Mann größere Sorgen gemacht als<br />
die Mullahs?<br />
PAhLAVI: Ja. Das waren ja Kommunisten, die in enger<br />
Verbindung mit der Sowjetunion standen. Deswegen<br />
hatten wir im Iran größere Angst vor einer kommunistischen<br />
Machtübernahme. Unsere Verbündeten dachten<br />
ja ganz ähnlich. Die Mullahs und die Gläubigen hatten<br />
die Freiheit, in ihren Moscheen zu sagen, was immer sie<br />
sagen wollten. Ich glaube, dass viele Leute – insbesondere<br />
die Kommunisten – davon überzeugt waren, dass nach<br />
dem Sturz des Schahs Khomeini nur eine Episode sein<br />
würde, bis sie selbst an die Macht kämen. Niemand<br />
von ihnen glaubte an die Religion, aber sie gingen für<br />
Khomeini auf die Straße. Einige derer, die sich an der<br />
Revolution beteiligt haben, sind mittlerweile mutig genug<br />
einzugestehen, dass sie einen Fehler begangen haben.<br />
CoLACELLo: Waren Sie in letzter Zeit eigentlich im Nahen<br />
Osten?<br />
PAhLAVI: In Jordanien vor ein paar Jahren bei der Hochzeit<br />
von Königin Noors ältestem Sohn. Und manchmal<br />
bin ich in Marokko.<br />
CoLACELLo: Glauben Sie, dass die Monarchie in der Welt<br />
von heute noch eine Berechtigung hat?<br />
PAhLAVI: Ja, weil Monarchien über allen politischen<br />
Parteien stehen. Manchmal machen politische Parteien<br />
Dinge, die ihren Nationen schaden, weil es ihnen bloß<br />
darum geht, die anderen Parteien zu bekämpfen. Im Iran,<br />
einem Land mit den verschiedensten Religionen und<br />
ethnischen Gruppierungen, war die Monarchie ein<br />
einigender Faktor. Sie sehen doch, was aus dem Irak<br />
wurde, nachdem der König weg war, was in Afghanistan,<br />
in Ägypten, in Libyen und im Jemen geschehen ist …<br />
Amerikaner haben keine Probleme mit der britischen<br />
Monarchie, aber über den Rest wissen sie nicht besonders<br />
viel. Einige der Monarchien in Europa sind demokratischer<br />
als manche Republiken, denken Sie doch an<br />
Schweden, Norwegen, Belgien oder die Niederlande. Die<br />
Menschen müssen selbst darüber entscheiden können,<br />
was sie wollen. Das ist auch die Position meines Sohnes.<br />
Seit 30 Jahren sagt er immer und immer wieder dasselbe:
Lassen Sie uns doch alle zusammenarbeiten und dieses<br />
System stürzen. Hoffentlich werden die Menschen eines<br />
Tages die Möglichkeit erhalten, darüber zu entscheiden,<br />
was ihnen lieber ist – eine konstitutionelle Monarchie oder<br />
eine republikanische Verfassung.<br />
CoLACELLo: Verstehen Sie sich selbst als Feministin?<br />
PAhLAVI: Wenn Feministin zu sein bedeutet, sich dagegen<br />
zu sträuben, dass einem ein Mann die Autotür öffnet, bin<br />
ich keine. Aber ich glaube daran, dass Frauen dieselben<br />
Rechte haben sollten wie Männer – das Recht, zu arbeiten<br />
und hohe Positionen einzunehmen, oder das Recht, sich<br />
nach einer Scheidung um die Kinder zu kümmern. All<br />
diese Rechte hatten wir im Iran. Unglücklicherweise sind<br />
die meisten von ihnen nach der Revolution wieder<br />
abgeschafft worden.<br />
CoLACELLo: Das waren alles Gesetze, die unter der<br />
Herrschaft Ihres Mannes eingeführt wurden?<br />
PAhLAVI: Ja. Das Einzige, was sie nicht abschaffen konnten,<br />
war das Wahlrecht für Frauen, sowohl aktiv als auch<br />
passiv. Das gibt es seit 1963. Davor durften im Iran Frauen<br />
nicht wählen und gewählt werden. Aber das konnte nicht<br />
„Wenn Feministin zu sein<br />
bedeutet, sich dagegen zu<br />
sträuben, dass einem ein<br />
Mann die Autotür öffnet,<br />
dann bin ich keine“<br />
zurückgenommen werden, weil die iranischen Frauen<br />
trotz aller Unterdrückung sehr mutig und aktiv sind. Zu<br />
unserer Zeit wurde die Vielehe verboten, und Frauen<br />
konnten die höchsten Positionen einnehmen. Schirin<br />
Ebadi zum Beispiel, die Friedensnobelpreisträgerin<br />
von 2003, war zu unserer Zeit Richterin. Doch die Leute,<br />
die jetzt an der Macht sind, haben ihr verboten, dieses<br />
Amt weiter auszuüben, weil der Islam angeblich Frauen<br />
für nicht geeignet oder würdig genug hält, Recht zu<br />
sprechen. Es gab zu unserer Zeit viele Gesetze, die den<br />
Frauen zugutekamen. Viele davon sind wieder abgeschafft<br />
worden, und die Folgen sind schrecklich. Mittlerweile<br />
darf jeder auf der Straße ungestraft Frauen beleidigen und<br />
demütigen. Sie sind besessen von Frauen. Aber iranische<br />
Frauen geben niemals auf.<br />
CoLACELLo: Wir leben in einer interessanten, aber<br />
verrückten Zeit.<br />
PAhLAVI: Richtig. Aber ich hoffe, dass es am Ende eine<br />
Lösung gibt. Es geht ja nicht an, dass die Welt auf so<br />
vielen Gebieten Fortschritte gemacht hat, es aber immer<br />
noch so große Probleme gibt. Übrigens arbeiten bei der<br />
NASA viele Iraner. Einer der Ingenieure, die an diesem<br />
Raumschiff zum Mars beteiligt waren, ist ein Iraner.<br />
Amerika hat den Iranern, die hier im Exil leben, in allen<br />
möglichen Berufen die Chance gegeben, erfolgreich zu<br />
sein, ob es nun Unternehmer sind, Wissenschaftler oder<br />
Künstler. Manchmal bedaure ich es, dass all diese<br />
Menschen nicht in ihrem eigenen Land Erfolg haben und<br />
ihre Talente nicht in ihrer Heimat unter Beweis stellen<br />
können. Es gibt einige, die es dennoch versuchen, und das<br />
berührt mich immer sehr – iranischstämmige Ärzte zum<br />
Beispiel, die aus Europa oder Amerika in den Iran gehen,<br />
um dort kostenlos zu behandeln oder den Medizinstuden-<br />
ten etwas beizubringen. Und erst neulich habe ich<br />
jemanden kennengelernt, der sich für den Naturschutz<br />
im Iran engagiert. Es ist gut, dass so viele Emigranten ihr<br />
Land nicht vergessen.<br />
CoLACELLo: Eine letzte Frage: Glauben Sie, dass die<br />
amerikanische Regierung in den Monaten vor der<br />
Revolution 1979, als sich die Unruhen in Ihrem Land<br />
immer weiter ausbreiteten, anders hätte reagieren sollen?<br />
PAhLAVI: Das ist eine komplizierte Geschichte. Im<br />
Augenblick taucht einiges aus den Archiven auf, was wir<br />
damals nicht wussten. Es gibt Dokumente, aus denen<br />
hervorgeht, dass die Amerikaner damals große Angst vor<br />
einer kommunistischen Machtübernahme hatten und<br />
ihnen deswegen die Existenz eines grünen, islamischen<br />
Gürtels als nützlich erschien. Wir wissen auch aus<br />
Dokumenten, die mittlerweile aufgetaucht sind, dass sich<br />
der letzte amerikanische Botschafter mit der Opposition<br />
traf. Es war eine Mischung von allem Möglichen. Wir<br />
hatten damals Probleme mit Amerika, mit England,<br />
mit Frankreich. Aber wir hatten auch Probleme mit<br />
unserem eigenen Volk. Wir können nicht dem Ausland<br />
die Schuld dafür geben, wie es gekommen ist.<br />
CoLACELLo: Ich fand es erstaunlich, dass Präsident Carter<br />
1977 an Ihrem Neujahrsdinner in Teheran teilnahm und<br />
bei seinem Toast proklamierte, dass der Iran „Amerikas<br />
bester Freund“ in der Welt sei.<br />
PAhLAVI: Er hat ihn auch eine „Insel der Stabilität“ genannt.<br />
Aber dann hat er mit seinem Menschenrechtsprogramm<br />
begonnen. Woran ja nichts auszusetzen ist, aber warum<br />
wurde nicht mehr über die Menschenrechte gesprochen,<br />
nachdem der Schah das Land verlassen hatte? Okay, es war<br />
eine Revolution, und sie wollten erst warten, wie sich das<br />
im zweiten Jahr entwickeln würde … Aber was war im<br />
zweiten Jahr nach der Revolution im Iran? Warum sprach<br />
niemand mehr über die Menschenrechte? Es ist<br />
wahrscheinlich ganz normal, dass Staaten auf ihre eigenen<br />
Vorteile bedacht sind, und man kann vom Ausland auch<br />
nicht erwarten, dass es sich päpstlicher als der Papst<br />
verhält. Es liegt an uns selbst zu wissen, was wir wollen<br />
und welche Richtung wir einschlagen wollen. Es geht<br />
nicht an, dass wir herumsitzen und denken: „Amerika<br />
sollte dies tun und England das tun …“ Ich hoffe, dass uns<br />
das für unsere Zukunft eine Lehre sein wird. Jedenfalls<br />
wurden die Menschen, die damals in Teheran gegen uns<br />
protestiert haben, nicht von den Amerikanern auf die<br />
Straßen geschickt …<br />
CoLACELLo: Ich hoffe für Sie und vielleicht auch für das<br />
Wohl Ihres Heimatlandes, dass Sie eines Tages in den Iran<br />
zurückkehren können, als …<br />
PAhLAVI: … ganz normale Bürgerin.<br />
CoLACELLo: Ja, Hauptsache, dass Sie in Ihre Heimat<br />
zurückkehren können.<br />
PAhLAVI: Wissen Sie, was mich antreibt? Natürlich die<br />
Hoffnung, dass sich eines Tages im Iran die Dinge<br />
wieder ändern werden. Es ist eine Schande, dass ein Land<br />
wie das unsere nicht dort steht, wo es stehen sollte und wo<br />
es historisch stand. Das wäre wichtig für den Iran und den<br />
Nahen Osten, aber auch für den Rest der Welt.<br />
CoLACELLo: Jedenfalls wäre es ein Anlass zu großer Sorge,<br />
wenn die Ajatollahs Atomwaffen bekämen.<br />
PAhLAVI: Im Iran sagen ziemlich viele Menschen:<br />
„Warum um alles in der Welt sollen wir die Atombombe<br />
haben? Wir haben doch nicht einmal genug zu essen.“<br />
111
Kleid Vionnet demi<br />
couture Schuhe,<br />
durchgehend getragen<br />
adidas Socken, durchgehend<br />
getragen american<br />
apparel
Outfit Gucci<br />
Ohrringe, durchgehend<br />
getragen<br />
kara ross<br />
Liebe ist wärmer<br />
als der Tod<br />
rainer werner Fassbinder hat männer geliebt<br />
und den Frauen erlaubt, in seinen Filmen über sich<br />
hinauszuwachsen. Und das so schön, dass man sich noch<br />
heute wünscht, man könnte aussehen wie sie. so stark,<br />
so leuchtend, so melodramatisch. Eine Hommage an<br />
einen look und eine lebenshaltung. Mit Auskünften von<br />
hanna schygulla, seiner wichtigsten schauspielerin<br />
Fotos Sebastian Faena<br />
Styling Julia von Boehm<br />
Hommage an Fassbinder<br />
113
BH lonely by<br />
lonely hearts<br />
Höschen, Strapse &<br />
Strümpfe what katie<br />
did Ring, durchgehend<br />
getragen lillot
Jacke, Miederhose &<br />
Strumpfbänder<br />
olympia le tan<br />
Strümpfe what<br />
katie did Schuhe<br />
sportmax
Jacke philipp plein<br />
Hut thom browne<br />
Höschen, durchgehend<br />
getragen what katie did<br />
Strumpfhose, durchgehend<br />
getragen wolford
Top louis Vuitton<br />
Kleid, darunter getragen<br />
saint laurent by hedi<br />
slimane Strapse &<br />
Strümpfe what katie did
Cardigan jean<br />
paul Gaultier<br />
Schuhe purple<br />
passion nyc
BH jean paul<br />
Gaultier Rock<br />
wes Gordon
Kleid Versace
Mantel louis<br />
Vuitton<br />
Kleid lanVin
Kleid miu miu<br />
model Lindsey Wixson / The Society,<br />
Jon Kortajarena / IMG hair Akki /<br />
Art Partner makeup Frankie Boyd /<br />
Tim Howard Management manicure<br />
Honey / L’Exposure NY set desiGn<br />
Jesse Kaufmann / Frank Reps castinG<br />
Samuel Ellis Scheinman for DMCasting<br />
production Helena Martel Seward<br />
liGht desiGner Butch Hogan<br />
photoGraphy assistant Siggy<br />
Bodolai diGital technician<br />
Denis Vlasov stylinG assistant<br />
Clare Byrne stylinG interns<br />
Lucas Dawson, Maria Encalada,<br />
Isabella Reyes hair assistant<br />
Naomi Endo set assistant Colin<br />
Lytton production assistants<br />
Grayson Vaughan, Cal Christie
Sie:<br />
Kleid dsquared2<br />
Bademantel<br />
aGent proVocateur<br />
Kette parulina<br />
Er: Schuhe<br />
purple passion
Der<br />
Geschmack<br />
der Freiheit<br />
Fassbinder und Hanna<br />
Schygulla im Januar<br />
1981 bei der Premiere<br />
von „Lili Marleen“<br />
126<br />
sie war seine heldin, sein Alter Ego,<br />
seine Sehnsuchtsfrau: hanna schygulla<br />
war das real existierende Frauenbild des<br />
regisseurs rainer werner Fassbinder<br />
Von Harald Peters<br />
interView: Frau Schygulla, fast 32 Jahre nach dem Tod<br />
von Rainer Werner Fassbinder haben wir hier eine<br />
Modestrecke eines argentinischen Fotografen, der sich von<br />
seinen Filmen hat inspirieren lassen. Offenbar machen<br />
Fassbinders Filme immer noch Eindruck.<br />
hanna schyGulla: Ja, auch auf Kuba, wo ich gerade bin,<br />
werde ich auf Die Ehe der Maria Braun angesprochen.<br />
interView: Können Sie sich das erklären?<br />
schyGulla: Ich denke, es liegt daran, dass Maria Braun<br />
eine Figur des Aufbruchs ist. Obwohl sie ein tragisches<br />
Ende nimmt, sehen viele in ihr eine Frau, die ihr Leben<br />
in die Hand nimmt. Als Trümmerfrau war sie gezwungen,<br />
ihren Mann zu stehen, wie man früher gesagt<br />
hat – weil die Männer im Krieg gefallen oder noch in<br />
Gefangenschaft waren. Ich glaube, dass ihre Emanzipiertheit,<br />
die historisch notwendig war, erklärt, warum sie so<br />
faszinierend ist. Bei Lili Marleen, einem Film, der schon<br />
wegen des Liedes mehr Breitenwirkung hatte, spielt<br />
eine Frau so lange mit den Braunhemden an der Macht,<br />
bis sie zu deren Spielzeug wird. Die Frauenfiguren bei<br />
Fassbinder vereinigen in sich stets mehrere widersprüchliche<br />
Naturen.<br />
interView: Wie meinen Sie das?<br />
schyGulla: Maria Braun war einerseits eine Idealistin und<br />
andererseits auch eine Opportunistin. Lili Marleen war<br />
sowohl Mitläuferin als auch im inneren Widerstand. Und<br />
die Effi Briest Fassbinders ist im Grunde die Vorstufe zu<br />
Maria Braun und Lili Marleen – ein dressiertes Wesen, das<br />
den Traum ihrer Mutter übernimmt, indem sie den Mann<br />
heiratet, den die Mutter sich wünscht, und sich dadurch in<br />
einer guten sozialen Position befindet. Doch dann kommt<br />
ihr ihre unterdrückte Natur dazwischen und rebelliert. Die<br />
Frauen sind bei Fassbinder zwar gehorsame Handlanger<br />
der Gesellschaft, aber dann wagen sie den Schritt ins Außerhalb<br />
dieser Gesetzmäßigkeiten.<br />
interView: Es fällt auf, dass bei ihm die Frauen so etwas<br />
Distanziertes, Theatralisches haben.<br />
schyGulla: Fassbinder hat oft die Dinge auf den Kopf gestellt.<br />
Er hat in seinen Filmen gerne theatralische und<br />
auf der Bühne gern filmische Elemente benutzt. Er wusste,<br />
dass die Leute das seltsam finden und dadurch aufmerksamer<br />
werden. Da steckt auch ein wenig Brecht drin, der<br />
berühmte Verfremdungseffekt. Man muss die Wirklichkeit<br />
verfremden, wenn man etwas sichtbar machen will. Nur<br />
zu spiegeln reicht nicht.<br />
interView: Wirken seine Figuren deshalb oft so entrückt?<br />
schyGulla: Ja, wie Schlafwandler. Bei allem Realismus<br />
begleitet sie etwas Traumhaftes. Das ist der Künstler<br />
Fassbinder. In der Kunst ist es wichtig, dass man<br />
von einer Fremdheit angeweht wird. Damit man aus dem<br />
Halbschlaf der Gewohnheiten erwacht und man<br />
sich plötzlich selber fremd wird – oder der Mensch neben<br />
einem oder die ganze Gesellschaft. Dadurch wird das<br />
Bewusstsein sensibilisiert.<br />
FOTOS: (linke Seite) Chris Hoffmann/dpa Picture-Alliance; Cinetext Bildarchiv; (rechte Seite) dpa Picture-Alliance
Starke Frauen,<br />
gebrochene Frauen:<br />
Hanna Schygulla in<br />
„Die Ehe der Maria<br />
Braun“ von 1979 und<br />
in „Lili Marleen“ von<br />
1981. Insgesamt hat<br />
Schygulla 17 Filme mit<br />
Fassbinder gedreht,<br />
den sie 1963 in München<br />
an der Schauspielschule<br />
kennenlernte<br />
interView: Kann es sein, dass die Filme gerade dadurch<br />
eine gewisse Zeitlosigkeit bekommen?<br />
schyGulla: Ja. Wenn Sie zum Beispiel den Bildband<br />
anschauen, den der Schirmer/Mosel Verlag zu Berlin<br />
Alexanderplatz gemacht hat, können Sie sehen, dass die<br />
Bilder eine ganz besondere Qualität haben. Ich glaube<br />
nicht, dass das mit Filmen von heute so machbar wäre.<br />
Heute liegt das Augenmerk auf anderen Dingen.<br />
interView: Inwiefern?<br />
schyGulla: Fassbinders Filme sind in einer Zeit entstanden,<br />
als man von der Sehnsucht getrieben wurde, dass<br />
die Wirklichkeit eine andere wird. Heute dagegen,<br />
glaube ich, ist die Dringlichkeit viel stärker, seinen Platz<br />
in dieser Welt zu finden, die ja schon so voll geworden<br />
ist. Das lässt einen stärker an der Wirklichkeit kleben.<br />
interView: Weil der Wunsch bestand, die Welt zu<br />
verändern, sind die Bilder komponierter?<br />
schyGulla: Ja. Die Bilder aus Berlin Alexanderplatz<br />
erinnern an Malerei, an Rembrandt oder auch an Goya.<br />
Und bei Effi Briest an Stiche, an Dürer etwa, aber auch<br />
an die Schwarz-Weiß-Fotografie von August Sander, dem<br />
großen Fotografen der Jahrhundertwende. Fassbinder<br />
hat einmal gesagt, dass er keine richtige Kindheit hatte, weil<br />
er in einer Erwachsenenwelt ohne Spielzeug groß geworden<br />
ist. Seine Bilderbücher waren Kunstbücher. Sein Vater war<br />
Bildungsbürger und seine Mutter oft im Sanatorium. Er<br />
war schon als Kind von diesen Sachen umgeben. Das hat sich<br />
ihm eingeprägt. Ich glaube, dass unter anderem auch<br />
sein kunstgeschulter Blick diese Bilder hervorgebracht hat.<br />
interView: Gerade in seinen späteren Filmen wie<br />
Querelle und Lola werden die Bilder noch ganz bunt und<br />
sind voller Lichter in allen möglichen Farben.<br />
schyGulla: Bei den Filmen hatte er sich bereits der<br />
amerikanischen Ästhetik angenähert, auch der Pop-Art.<br />
Er war immer ganz nah am Zeitgeist. Er hat seinen<br />
visuellen Stil immer dem jeweiligen Thema angepasst. Das<br />
Thema hat den Stil ergeben. Da kam dann noch, dass er<br />
in allem auch ständig am Umgraben und Umstürzen war.<br />
interView: Ein Thema, das sich auch visuell durch alle<br />
Filme durchzieht, ist diese kühle, fast verzweifelte Erotik.<br />
schyGulla: Ich denke, dass es sich dabei um seine eigene<br />
gehandelt hat. Jeder Regisseur bildet in seiner Weltsicht<br />
auch seinen eigenen Kosmos ab. Ich glaube, dass Fassbinder<br />
die Hingabe an den Sex-Appeal wollte, andererseits<br />
die Distanz dazu doch nicht ganz verlieren wollte. Wir<br />
Schauspieler waren für ihn dabei die Figuren auf dem<br />
Spielbrett. Er hat bei jedem gespürt, welches Aroma er<br />
aus ihm holen konnte.<br />
interView: Welche Reaktionen haben seine Filme eigentlich<br />
damals beim Publikum ausgelöst?<br />
schyGulla: Zunächst kamen sie gar nicht gut an. Die<br />
Kritiker horchten auf, aber das Publikum musste sich erst<br />
daran gewöhnen. Dann kam Effi Briest, das war sein<br />
erster Erfolg in den Kunstkinos, auch weil Fontanes Effi<br />
Briest zum Bildungskanon gehört, obwohl Fassbinder<br />
das ganz anders erzählt hat. Aber weil er den Wunsch hatte,<br />
mit seinen Filmen so wirkungsvoll zu sein wie das<br />
Hollywood-Kino, nur eben mit verstörenderen Inhalten,<br />
hat er es mit der Zeit verstanden, so zu inszenieren,<br />
dass er ein größeres Publikum mitreißen konnte. Maria<br />
Braun war ein Publikumserfolg, auch Lili Marleen.<br />
Das Publikum ist mehr und mehr mit ihm mitgegangen,<br />
und er hat mehr und mehr Rücksicht genommen. Das<br />
war ein Aufeinanderzugehen.<br />
„Fassbinders Filme sind<br />
von der Sehnsucht getrieben,<br />
dass die Wirklichkeit eine<br />
andere wird“<br />
interView: Bei seinen frühen Filmen noch nicht?<br />
schyGulla: Am Anfang hatte er noch die Arroganz vieler<br />
<strong>ju</strong>nger Künstler: Ich mache hier meine eigene Sache, und es<br />
ist mir egal, wie andere reagieren! Aber er war zu intelligent,<br />
um dauerhaft in der Ecke zu bleiben. Dennoch war<br />
es wichtig, dass seine ersten Filme so kompromisslos waren.<br />
interView: Welche Filme gefallen Ihnen denn besser? Die<br />
frühen oder die späteren?<br />
schyGulla: Die späteren. Aber ich finde, dass seine ersten<br />
Filme auch eine ganz besondere Poesie haben. Man muss<br />
nur eben für ihre Langsamkeit empfänglich sein. Wenn<br />
Filme sehr langsam sind, ist der Zuschauer oft sich selbst<br />
überlassen. Und Menschen gehen häufig ins Kino, gerade<br />
um sich selbst und ihr Leben zu vergessen.<br />
interView: Was sehen Sie eigentlich, wenn Sie die Filme<br />
heute ansehen?<br />
schyGulla: Den Film, aber natürlich auch mich selbst<br />
als die von damals. Aber eigentlich bin ich niemand,<br />
der sich in seiner Freizeit seine alten Filme anschaut.<br />
interView: Das wäre ja auch komisch, oder?<br />
schyGulla: Ja, das wäre tragisch-komisch … wie in Sunset<br />
Boulevard, wo Gloria Swanson sich über die Projektion<br />
ihrer alten Filme selbst in die Vergangenheit zurückspulen<br />
möchte und ans Gewesene klammert.<br />
Hanna Schygulla zeigt vom 1. Februar bis zum<br />
30. März Kurzfilme unter dem Titel „Traumproto kolle“<br />
in der Berliner Akademie der Künste. Entstanden<br />
sind die Videoarbeiten in der Zeit zwischen<br />
„Maria Braun“ und „Lili Marleen“. Selbst Fassbinder<br />
wusste nichts von ihrer Existenz.<br />
Hanna Schygullas Autobiografie „Wach auf und<br />
träume“ ist kürzlich bei Schirmer/Mosel erschienen<br />
(208 Seiten, 19,80 Euro)<br />
Hanna Schygulla<br />
127
Im<br />
Zweifel<br />
Kleid Vionnet<br />
demi couture<br />
Schuhe, durchgehend<br />
getragen adidas<br />
Socken, durchgehend<br />
getragen american<br />
apparel
Kleid, Jeans & Schuhe<br />
louis Vuitton<br />
Head piece melissa<br />
leVy Ring Fendi<br />
Kette lynn Ban<br />
Denim<br />
freja beha erichsen hat dieselben<br />
probleme wie alle anderen frauen<br />
auch: einen vollen kleiderschrank, aber<br />
nichts anzuziehen. Also trägt sie jeans<br />
Fotos Craig McDean<br />
Styling Karl Templer<br />
Denim Fashion<br />
129
Jacke & Schuhe<br />
louis Vuitton<br />
Kleid dries Van<br />
noten Rock<br />
Hudson jeans<br />
Headpiece<br />
melissa leVy<br />
Gürtel, durchgehend<br />
getragen<br />
saint laurent<br />
By Hedi slimane
Weste, Ärmel & Jeans<br />
j Brand Rock n o 21<br />
Kragen & Ring lynn<br />
Ban Headpiece<br />
louis Vuitton<br />
Kleid Valentino<br />
Haute couture
Jacke<br />
j Brand<br />
Halsschmuck<br />
lynn Ban<br />
Look dior<br />
Haute couture
Kleid armani priVé<br />
Rucksack supreme<br />
Jacke & Röcke<br />
diesel
Kleid armani priVé<br />
Weste & Jeans<br />
leVi’s<br />
Kleid Haider<br />
ackermann<br />
Ring lynn Ban<br />
Schlüsselkette &<br />
Schuhe louis<br />
Vuitton
Jacke & Rock<br />
true religion<br />
Top & Rock<br />
ann demeulemeester<br />
Headpiece<br />
melissa leVy
Weste ann<br />
demeulemeester<br />
Jeans ag jeans<br />
Fransen<br />
m&j trimming
Jacke marc jacoBs<br />
Weste & Jeans rag &<br />
Bone Schlüsselkette &<br />
Schuhe louis Vuitton<br />
Head piece melissa<br />
leVy Ring lynn Ban
Top marc<br />
jacoBs Rock<br />
7 For all<br />
mankind
pHotograpHy Craig McDean/<br />
Art + Commerce Hair Tomo<br />
Jidai / Streeters using Oribe Hair<br />
Care makeup Peter Philips /<br />
Art + Commerce manicure<br />
Gina Edwards / Kate Ryan Inc.<br />
model Freja Beha Erichsen /<br />
IMG Models casting Michelle<br />
Lee set design Piers Hanmer<br />
denim customization Loren<br />
Cronk production Kate Collings-<br />
Post for North 6 retoucHing<br />
Gloss Studio New York digital<br />
tecHnician Nicholas Ong<br />
pHotograpHy assistants<br />
Simon Roberts, Huan Nguyen, Maru<br />
Teppei styling assistants<br />
Melissa Levy, Aleksandra Koj<br />
Hair assistant Shu Yamaga<br />
makeup assistant Emiko<br />
Ayabe set design assistants<br />
Thor Foss, Joey Garvey special<br />
tHanks B2Pro and Highline Stages
FOTO: Sølve Sundsbø/<br />
Art + Commerce
Tracey<br />
Emin<br />
Die eine: künstlerin mit krawallqualitäten.<br />
Die anDere: eine<br />
schauspielerin, Die vorbilDlich<br />
Das klassische Glamourrepertoire<br />
beherrscht. wenn<br />
sich Joan collins mit tracey<br />
emin unterhält, rechnet<br />
man mit kollisionen, Divenkämpfen,<br />
unverträGlichkeit<br />
Der charaktere. Dabei sinD Die<br />
beiDen allerbeste freunDinnen<br />
Von Joan Collins<br />
Fotos Sølve Sundsbø<br />
141<br />
Tracey Emin ist jetzt<br />
50 und längst viel<br />
poetischer, als dem<br />
Boulevard auffällt
Tracey Emin<br />
142<br />
kunst ist immer persönlich, die von Tracey Emin<br />
noch persönlicher. Ihr erster großer Hit hieß<br />
My Bed, es war tatsächlich ihres, samt Unterwäsche<br />
und gebrauchten Kondomen, eine Installation,<br />
die einen ins Chaos einer verletzten Seele mitnahm. Es<br />
folgten Arbeiten, die Everyone I Have Ever Slept With<br />
1963–1995 oder Fuck You Eddy hießen, jede nicht nur<br />
interessante, sondern auch schmerzhaft wahrhaftige<br />
Kunst. Erst in den letzten Jahren ist Emin poetischer geworden<br />
– und immer noch jemand, den die Bluthunde<br />
vom Boulevard gerne jagen. Das exakte Gegenteil davon:<br />
Joan Collins, eine Frau, die sowohl im Leben als auch in<br />
ihren Rollen (die bekannteste: Alexis in Der Denver-Clan)<br />
einen Glamour verkörpert, der ein wenig aus der Mode<br />
gekommen ist. Doch wie das manchmal so ist: Die beiden<br />
lernten einander vor einigen Jahren in Südfrankreich<br />
kennen und verstehen sich prächtig. Für <strong>Interview</strong> unterhalten<br />
sich die beiden am Telefon über Kunst, Hochzeiten<br />
und Monogamie, das Verschwinden von Glamour<br />
und alles mögliche andere auch.<br />
Joan Collins: Tracey, wo steckst du?<br />
TraCey emin: In Frankreich. Ich sitze gerade in meiner<br />
Küche.<br />
Collins: Ich bin in Los Angeles. Ich bin schon seit vier<br />
Stunden wach und packe, weil ich nach London fliegen<br />
will. Du hast so ein Glück, in Südfrankreich zu sein, es<br />
soll gerade fantastisch sein.<br />
„Selbst wenn ich<br />
versuche, meinen Kopfi<br />
einzuziehen, schaffe<br />
ich es in die Schlagzeilen“<br />
emin: Na ja. Bei mir ist es Herbst. Der Wind weht, der<br />
Himmel ist grau und das Meer stürmisch. Du würdest<br />
es nicht mögen.<br />
Collins: Was machen wir jetzt? Wir telefonieren, und<br />
jemand nimmt uns auf?<br />
emin: Genau.<br />
Collins: Also sollten wir uns anstrengen, interessant zu<br />
klingen. Wer fängt an? (lacht) Ich bin doch noch Jungfrau.<br />
emin: Ich habe es auch noch nie am Telefon getan.<br />
Ich habe es zwar sehr oft getan, aber noch nie am Telefon.<br />
Ich bin nicht besonders gut beim Telefonieren.<br />
Collins: Na gut, dann eben ich. Tracey, du hast in den<br />
späten Achtzigern und frühen Neunzigern zu den YBAs<br />
gehört, den Young British Artists. Empfindest du dich als<br />
Mitglied einer Generation?<br />
emin: Die meisten hatten einen anderen Hintergrund als<br />
ich. Sie haben sich für Minimalismus interessiert und<br />
dafür, was in Amerika geschah. Ich war eher an figurativer<br />
Malerei interessiert. Meine Einflüsse kommen aus dem<br />
Europa zwischen 1919 und 1945, meine Lieblingskünstler<br />
waren Egon Schiele oder Edvard Munch. Zeitgenössische<br />
Kunst war mir überhaupt nicht wichtig. Also habe ich nicht<br />
wirklich dazugehört. Abgesehen von meinem wilden<br />
Charakter.<br />
Collins: Du bist doch nicht wild …<br />
emin: Die Leute in den späten Achtzigern und frühen<br />
Neunzigern waren versessen darauf, ihr Ding<br />
durchzuziehen. Sie haben keine Neins akzeptiert. Es gab<br />
eine Menge Entschlossenheit. Das alles trifft definitiv<br />
auch auf mich zu.<br />
Collins: Du warst noch sehr <strong>ju</strong>ng, als du entdeckt wurdest,<br />
in deinen Zwanzigern.<br />
emin: Irrtum. In Wahrheit bin ich eine Spätentwicklerin.<br />
Meine erste Ausstellung hatte ich erst mit 30, ziemlich<br />
spät, die meisten meiner Zeitgenossen haben das schon mit<br />
22 oder 23 geschafft. Viele Leute begreifen nicht, dass<br />
ich schon 50 bin. Sie halten mich für deutlich jünger.<br />
Collins: Ich würde nicht mit ihnen streiten, Darling.<br />
Du bist 35.<br />
emin: (lacht) Kannst du dich noch erinnern, wie ich<br />
letzten Sommer bei dir war? Da lag so ein Magazin herum,<br />
mit einer Geschichte, wie man über 50 sein und dennoch<br />
gute Partys haben kann.<br />
Collins: Stimmt.<br />
emin: Da stand auch etwas über meine Party. Du hast so<br />
getan, als wärst du ein bisschen sauer. Weil du doch so<br />
stolz darauf warst, dass ich deine neue <strong>ju</strong>nge Freundin war.<br />
Und dann erfährst du aus der Zeitung, dass ich schon<br />
über 50 bin. Ein Oldie.<br />
Collins: Ich habe eine Frage. Ich bin seit immer und<br />
ewig fasziniert von deinem ungemachten Bett (My Bed,<br />
1998). Das erste Mal habe ich es gesehen, als ich bei<br />
Nigella (Lawson) und Charles (Saatchi) zum Dinner war.<br />
Ich musste aufs Klo, und Charles hat mir den Weg<br />
gezeigt, und dann kamen wir an einer Kammer vorbei,<br />
und Charles sagte: „Guck doch mal, Nigellas Zimmer …<br />
Ist sie nicht eine Schlampe?“ Ich sagte zum Spaß: „Oh ja,<br />
wie krass!“ Und dann: „Nein, Charles, darauf falle ich<br />
nicht herein, das ist Tracey Emins ungemachtes Bett.“<br />
Ich war total fasziniert davon, dass dieses Bett wie<br />
eines aussah, das auch ich als Teenager hätte haben können.<br />
Wie hast du das gemacht? Hast du das inszeniert,<br />
zum Beispiel noch extra Höschen verstreut?<br />
emin: Nein, überhaupt nicht. Das Bett war so. Wenn<br />
überhaupt, habe ich Zeug weggenommen.<br />
Collins: Wirklich? Was denn zum Beispiel?<br />
emin: Das Bett stammt aus einer Phase meines Lebens, in<br />
der ich mich nicht sonderlich wohlgefühlt habe. Ich<br />
glaube, dass es vielen so geht als Teenager, wie du gerade<br />
gesagt hast. Eine Menge davon war Teenager-Angst,<br />
nur dass ich schon 34 war. Ich war einfach an einem Punkt<br />
in meinem Leben, an dem es nicht mehr so weitergehen<br />
konnte. Das Bett habe ich gemacht, nachdem ich eine Erleuchtung<br />
hatte. Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht<br />
und habe festgestellt, dass sich mein Leben verändern<br />
musste.<br />
Collins: Es war fantastisch. Es lebt in der Erinnerung<br />
vieler als eines der großen Kunstwerke der 90er-Jahre<br />
weiter. Wie Andy Warhols Tomatensuppen-Dose in<br />
den 60er-Jahren.<br />
emin: So ungefähr.<br />
Collins: Und es hat dich bekannt gemacht. Dich und<br />
dein Privatleben, von dem die Zeitungen ja auch völlig<br />
fasziniert sind.<br />
emin: Von deinem Leben aber auch.<br />
Collins: Das streite ich nicht ab. Vermutlich ist das<br />
der Grund dafür, warum sie so fasziniert davon sind, dass<br />
wir beide beste Freundinnen sind.<br />
emin: Ich glaube, es gibt Leute, die die Aufmerksamkeit auf<br />
sich ziehen. Es kommt nicht darauf an, was sie tun, man
interessiert sich einfach für sie. Und ich glaube, dass ich<br />
einer von diesen Menschen bin. Selbst wenn ich versuche,<br />
aus den Zeitungen herauszubleiben und stillzuhalten, zum<br />
Beispiel wenn ich für drei Monate in Frankreich bin und<br />
meinen Kopf einziehe, schaffe ich es in die Schlagzeilen.<br />
Collins: Darf ich erzählen, was du für mich gemalt hast?<br />
emin: Ja, ja, mach ruhig.<br />
Collins: Du warst bei uns zum Dinner, und irgendwann<br />
sagte ich, dass ich mich nicht entscheiden kann, was das<br />
richtige Cover für mein Buch Passion for Life ist. Ich hatte<br />
diese drei Wörter selbst gemalt, und du sagtest: Komm<br />
schon, zeig her. Also habe ich dir meine Entwürfe gezeigt,<br />
und du sagtest: Das kann ich aber besser. Ich sagte:<br />
Dachte ich mir schon, natürlich kannst du es besser, und<br />
dann haben wir eine Staffelei für dich geholt.<br />
Collins: Da bin ich ganz bei dir. Ich unterstütze Kinder<br />
mit unheilbaren Krankheiten. Ich arbeite mit den<br />
Shooting-Star-Chase-Hospizen, weil zwar jede erdenkliche<br />
Mühe darauf verwandt wird, Frühgeborene überleben<br />
zu lassen, aber wenn sie es dann geschafft haben, werden<br />
sie mit ihren Eltern nach Hause geschickt, und die<br />
Kinder haben alle möglichen Probleme, aber sie bekommen<br />
überhaupt keine Hilfe vom Staat. Also bleibt es an den<br />
Familien hängen, damit klarzukommen, und die meisten<br />
haben nicht genügend Mittel. Deswegen versuchen wir zu<br />
tun, was wir können, um diese Familien und diese Kinder<br />
zu unterstützen, von denen viele unheilbar krank sind.<br />
emin: Hast du manchmal das Gefühl, dass Menschen von<br />
dir mehr erwarten, als du geben kannst?<br />
Collins: Wahrscheinlich lasse ich mir zu viel aufpacken. Ich<br />
FOTO: Tracey Emin, Kiss me Kiss me Cover my Body in Love, © Tracey Emin. All rights reserved/VG Bild-Kunst, Bonn 2013<br />
emin: Ich habe nicht gesagt, dass ich es besser kann als du!<br />
Collins: In Wahrheit hast du gesagt: Kann ich mal? Oder:<br />
Soll ich mal versuchen? Du hast ungefähr sechs Entwürfe<br />
gemacht. Wir hatten sieben oder acht Gäste bei diesem<br />
Dinner, und nachdem wir beide uns für einen Entwurf<br />
entschieden hatten, schnappten sie wie verrückt nach<br />
den anderen und bestanden darauf, dass du sie signierst.<br />
Ganz offensichtlich hat alles, was du tust oder malst oder<br />
schreibst, künstlerischen Wert. Das muss sehr schmeichelhaft<br />
für dich sein.<br />
emin: Nun ja, es war vielleicht einfach eine Erinnerung an<br />
diesen wunderschönen Abend, den wir bei dir hatten.<br />
Collins: Ich weiß, wie unglaublich großzügig du bei<br />
deinen Wohltätigkeitsaktivitäten bist. Du gibst viel<br />
von deiner Zeit. Gibt es eine bestimmte Organisation, zu<br />
der du dich besonders hingezogen fühlst?<br />
emin: Ja, und du kennst sie: der Terrence Higgins Trust,<br />
eine Stiftung, die sich seit den 80er-Jahren um schwule<br />
Männer mit HIV kümmert. Ich arbeite mit diesen Leuten<br />
nun schon seit 15 Jahren und finde sie toll. Als wir uns<br />
noch nicht so gut kannten, habe ich dich manchmal bei<br />
ihren Galas gesehen. Ich glaube einfach nicht, dass es genug<br />
Forschung und genug Hilfe für Menschen mit HIV gibt.<br />
bin ja auch so ein Familientier mit drei Kindern und drei<br />
Enkeln. Und ständig bin ich am Telefon und spreche über<br />
die verschiedensten Projekte. Aber, Tracey, ganz ehrlich, ich<br />
mag das. Wenn jemand mich fragen würde, warum ich<br />
mich nicht einfach zur Ruhe setze, würde ich denken: Ruhe?<br />
Was ist das denn? Ich glaube, ich würde eingehen.<br />
emin: Als ich im Sommer eine Nacht bei dir bleiben sollte,<br />
endete es damit, dass ich drei Nächte blieb.<br />
Collins: Ich weiß! Wir hatten so viel Spaß miteinander!<br />
emin: Am dritten Abend hast du gesagt: Wir gehen jetzt<br />
zu dieser fabelhaften Party, da wird getanzt und alles. Und<br />
ich protestierte, wir sind doch schon zwei Abende<br />
hintereinander ausgegangen, muss das wirklich sein? Wie<br />
schaffst du das? Ich hätte einfach die Energie nicht.<br />
Collins: Meine Mutter hat mich immer „Fräulein<br />
Perpetuum mobile“ genannt, weil ich nicht stillhalten<br />
konnte. Es kommt auch vor, dass Percy und ich für<br />
eine Woche oder zehn Tage nicht aus dem Haus gehen<br />
und unsere Zeit mit den Kindern und Enkeln verbringen.<br />
Aber es stimmt schon: Ich mag das Leben. Du<br />
musst das Leben essen, oder es isst dich.<br />
emin: Wenn ich mit dir einen Raum betrete, bin<br />
ich immer fasziniert davon, wie viel Aufmerksamkeit dir<br />
Tracey<br />
Emins<br />
Statement-<br />
Strandtuch<br />
143
Die Bett-<br />
Geschichte, die<br />
Tracey Emin<br />
berühmt machte:<br />
Die Installation<br />
„My Bed“<br />
entstand 1998 und<br />
galt schon kurz<br />
danach als ikonisches<br />
Kunstwerk
146<br />
zufliegt. Ganz einfach, weil du diesen Glamour hast, den<br />
nicht mehr viele Menschen haben. Aber ich weiß<br />
natürlich, dass du auch gerne zu Hause bist. Du ziehst<br />
deine Gummihandschuhe an und gärtnerst. Das Verblüffende<br />
dabei ist, dass du auch in diesen Augenblicken<br />
Glamour ausstrahlst.<br />
Collins: Du hast mich doch schon nach dem Aufstehen<br />
gesehen, ohne Make-up. Ich glaube nicht, dass ich<br />
dann glamourös aussehe.<br />
emin: Doch, tust du! Es ist deine Persönlichkeit. Was<br />
glaubst du, was das ist?<br />
„Ich war in den letzten<br />
20 Jahren mehr alleine als<br />
in Beziehungen“<br />
Collins: Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Vielleicht liegt<br />
es daran, dass ich ziemlich viel Selbstbewusstsein habe. Das<br />
hatte ich allerdings nicht immer. Mein Vater hat ganz<br />
bestimmt nicht dazu beigetragen. Als ich 17 oder 18 war,<br />
wurde ich vom Verband der Pressefotografen zum<br />
schönsten Mädchen Englands gewählt, und irgendjemand<br />
rief Daddy an und bat ihn um einen Kommentar. Er<br />
sagte: „Ich bin erstaunt. Sie sieht ja ganz nett aus, aber etwas<br />
Spezielles hat sie nun wirklich nicht.“ Von meinen<br />
Eltern bekam ich nie Zuspruch, so wie meine ganze Generation.<br />
Uns hat man als Kinder nie gesagt, dass wir<br />
wunderbar oder hübsch oder schlau oder lustig oder so<br />
etwas in der Art sind.<br />
emin: Ich mag es, wenn du in Unterhaltungen jemanden<br />
aus der Vergangenheit erwähnst. Ich denke dann<br />
immer: Wow, sie hat den und den gekannt. All diese<br />
Hollywood-Legenden …<br />
Collins: Allmählich beginnt mich das selbst zu<br />
faszinieren. Ich war es gewohnt, rüber in Gene Kellys<br />
Haus zum Volleyballspielen zu gehen, und da<br />
hingen immer auch Paul Newman und Marlon Brando ab.<br />
Das war normal für mich. Ich war 21 oder 22 damals<br />
und sie nur ein wenig älter, Gene auf jeden Fall. Das war<br />
einfach mein Alltag, Leute, die denselben Beruf wie<br />
ich hatten, und man dachte darüber nicht nach. Als ich zu<br />
diesen glamourösen Hollywood-Partys ging, für die<br />
sich die Frauen aufwendig angezogen hatten, und da waren<br />
Ava Gardner und Lana Turner und Rita Hayworth und<br />
Zsa Zsa Gabor, all diese unglaublich glamourösen Frauen,<br />
war das für mich <strong>ju</strong>nges Ding schon sehr umwerfend,<br />
aber irgendwann hatte ich mich einfach daran gewöhnt.<br />
Dann waren das einfach nur Menschen.<br />
emin: Glaubst du, dass sich diese Dinge sehr verändert<br />
haben?<br />
Collins: Ja. Und ich bin mir sicher, dass du das auch so<br />
siehst. Ich glaube nicht, dass sich irgendeine der<br />
Schauspielerinnen von heute, von wenigen Ausnahmen<br />
abgesehen, noch danach sehnt, glamourös zu sein.<br />
Sie denken, dass sie dann nicht mehr ernst genommen<br />
werden. Und ich habe das Gefühl, dass die meisten<br />
Regisseure und Produzenten Glamour für etwas ziemlich<br />
Künstliches halten, und sie wollen keine Künstlichkeit,<br />
sondern Realismus. Also kommt es mir so vor, dass die Stars<br />
von heute, die noch Glamour haben – Frauen wie Lady<br />
Gaga, Madonna, Beyoncé oder sogar Miley Cyrus, die sich<br />
bei ihrem Aussehen wahnsinnig viel Mühe geben –, sehr<br />
selten geworden sind. Ich glaube, dass deine äußere<br />
Erscheinung zu erkennen gibt, wie du dich fühlst. So als ob<br />
man wie Junkfood aussieht, wenn man die ganze Zeit<br />
Junkfood isst. Ergibt das irgendeinen Sinn?<br />
emin: Und wie! Doch du setzt einfach einen großen Hut<br />
und eine Sonnenbrille auf und machst dir ein wenig roten<br />
Lippenstift auf den Mund, und du siehst fabelhaft aus.<br />
Collins: Ich habe gehört, dass du gerade eine limitierte<br />
Edition mit Strandtüchern und Sandalen gemacht hast.<br />
Hängt das mit deiner Retrospektive in Miami zusammen?<br />
emin: Ja. Das Fontainebleau hat sich von mir 1 000<br />
Handtücher machen lassen, auf denen in rotem Neondruck<br />
ein Slogan von mir steht: „Kiss me Kiss me Cover<br />
my Body in Love“. Du kennst das Fontainebleau: Von<br />
den oberen Etagen hat man diesen unglaublichen,<br />
fast klischeehaften Blick auf den Pool und die Sonnenliegen,<br />
man sieht das immer wieder in Filmen. Jetzt liegen<br />
meine Handtücher auf den Sonnenliegen.<br />
Collins: Kann ich denn eines bekommen?<br />
emin: Ja (lacht). Ich mochte diese Kooperation sehr<br />
gerne, weil meine Retrospektive hier stattfindet und weil ich<br />
ja auch eine Wohnung in Miami habe.<br />
Collins: Das wusste ich gar nicht. Wo denn? In South<br />
Beach?<br />
emin: Ich habe sie ja auch noch nicht so lange. Nein, in<br />
Miami Beach, ein bisschen weiter raus.<br />
Collins: Ich liebe Miami! Wir haben vor zwei Jahren<br />
dort mit allen Kindern Weihnachten verbracht, in Golden<br />
Beach, und ich fand es toll. Ich mochte die Leute.<br />
emin: Ich auch. Sie sind anders als überall sonst, wo ich<br />
in Amerika gewesen bin. Bodenständig, freundlich,<br />
zurückhaltend und sehr humorvoll. Ich will damit nicht<br />
sagen, dass die Menschen anderswo in Amerika keinen<br />
Humor haben, aber in Miami ist er wirklich gut. Ich fühle<br />
mich wohl dort, und deswegen habe ich eine Wohnung.<br />
Collins: Können wir auch über dein Liebesleben sprechen?<br />
emin: Klar. Du kannst fragen, was immer du magst.<br />
Collins: Du bist im Unterschied zu mir nie verheiratet<br />
gewesen.<br />
emin: Richtig.<br />
Collins: Denkst du nicht, dass du irgendwann gerne<br />
heiraten würdest? Falls du den richtigen Mann findest?<br />
emin: Nein. Ganz realistisch, nein.<br />
Collins: Bei mir ist es ja auch schon der fünfte Versuch.<br />
Männer sind schwierig. Und Frauen sind auch<br />
schwierig. Man muss die richtige Persönlichkeit finden.<br />
emin: Darf ich dich etwas fragen? Bist du monogam?<br />
Collins: Total. Obwohl ich zugeben muss, dass ich<br />
während meiner Ehe mit Tony Newley (dem verstorbenen<br />
britischen Musical-Star und Komponisten), der ein richtiger<br />
Womanizer war und es nicht verheimlicht hat, am Ende<br />
auch nicht mehr monogam war – allerdings nur in den<br />
letzten paar Jahren. Du weißt schon: Alles, was dem Erpel<br />
gefällt, gefällt auch der Gans. Er tat es. Also tat ich es<br />
auch. Es war eine Art Rache. Ich glaube sehr fest an Treue.<br />
Ich bin seriell monogam. Und während der meisten<br />
meiner Ehen war ich total monogam, bis sie falsch liefen.<br />
emin: Das ist der Grund, warum du fünfmal verheiratet<br />
warst. Und ich wette, wenn du nicht verheiratet gewesen<br />
wärst, wärst du in wirklich langen Beziehungen gewesen.<br />
Collins: Stimmt. Ich war mit Sydney Chaplin ein Jahr zusammen.<br />
Mit Arthur Loew Jr. neun oder zehn Monate.
FOTO: (vorherige Doppelseite) Tracey Emin, My Bed, Courtesy The Saatchi Gallery, London / Prudence Cuming<br />
Associates Ltd. © Tracey Emin. All rights reserved. DACS 2013/VG Bild-Kunst, Bonn 2013<br />
Ich war mit Warren Beatty anderthalb Jahre zusammen.<br />
Dann habe ich Tony geheiratet. Ich wollte wirklich, dass<br />
diese Ehe funktioniert. Ich hatte zwei Kinder, mit weniger<br />
als zwei Jahren Abstand zwischen den beiden. Ich war<br />
29, als ich heiratete, und 35, als die Ehe schlecht zu werden<br />
begann, und ich war verzweifelt deswegen. Ich konnte<br />
nicht glauben, dass das scheitern sollte, weil es ja schon das<br />
zweite Mal war. Ich hatte schon einmal geheiratet, mit<br />
18. Aber eigentlich nur deswegen, weil ich noch Jungfrau<br />
war, als ich mich mit ihm verabredete, und er mich beim<br />
Date vergewaltigte. Also wollte ich, dass es beim zweiten Mal<br />
funktionierte. Du weißt, es ist mir nie leichtgefallen,<br />
mich scheiden zu lassen. Es war sehr, sehr, sehr, sehr hart.<br />
Jede Scheidung. Jede einzelne von ihnen.<br />
emin: Aber der Grund, dass du fünfmal geheiratet hast,<br />
ist, dass du wirklich ans Heiraten glaubst. Ich habe<br />
nie geheiratet, weil mich erstens, glaube ich, nie jemand<br />
ernsthaft gefragt hat, den ich hätte heiraten wollen.<br />
Und zweitens bin ich jetzt schon fast vier Jahre alleine und<br />
habe in den letzten 20 Jahren mehr Zeit alleine verbracht<br />
als in Beziehungen. Und ich bin auch monogam.<br />
Collins: Bist du?<br />
emin: Ja, ich bin total monogam, wenn ich in einer Beziehung<br />
bin. Und wenn ich nicht in einer Beziehung bin,<br />
schlafe ich nicht herum. Wenn ich also nicht mit jemandem<br />
zusammen bin, bin ich wirklich alleine.<br />
Collins: Du hast doch den Ruf, ein ganz wildes Mädchen<br />
zu sein.<br />
emin: Das liegt daran, dass ich zwischen meinem 13.<br />
und 15. Lebensjahr mit mehr Leuten geschlafen habe als in<br />
all den Jahren danach.<br />
Collins: Jesus, mit 13!<br />
emin: Ja. Ich war wild. Ich habe meine Erfahrungen mit<br />
Sex gemacht, und zwar sehr früh. Sobald ich wusste, dass es<br />
Sex gibt, bin ich losgezogen und habe es ausprobiert.<br />
Und ich fand es fantastisch. Ich fand, dass Sex Spaß macht<br />
und eine gute Methode ist, ein wenig herumzukommen.<br />
Ich habe alles daran als positiv empfunden. Jetzt tue ich das<br />
nicht mehr. Jetzt ist für mich alles positiv, was mit<br />
Liebe zu tun hat. Um deine Frage zu beantworten: Wenn<br />
ich wirklich jemanden lieben würde, der mich wirklich<br />
lieben würde, dann würde ich ihn heiraten. Aber das wäre<br />
der einzige Grund.<br />
Collins: Ich glaube, ich habe genauso gefühlt, ehe ich Percy<br />
kennengelernt habe. Ich hatte nicht die Absicht, jemals<br />
wieder zu heiraten. Niemanden. Aber falls du doch noch<br />
heiraten solltest, darf ich ein Blumenmädchen sein?<br />
Deine Ehren<strong>ju</strong>ngfer? Ich meine, falls du jemanden findest,<br />
der absolut richtig für dich ist? Stimmt schon, meine<br />
erste Ehe war ein Witz. Wie konnte ich bloß so früh heiraten?<br />
Ich wusste doch nichts über die Welt und die<br />
Männer. Ich hatte noch nie einen nackten Mann gesehen!<br />
emin: Du warst eben ein braves Mädchen und wolltest<br />
das Richtige tun. Heute wäre es nicht mehr möglich, dass<br />
man jemanden heiratet, bloß weil man seine Jungfräulichkeit<br />
an ihn verloren hat.<br />
Collins: Ist das nicht lächerlich?<br />
emin: Total lächerlich. Du weißt, dass du froh sein kannst,<br />
dass dich das nicht beschädigt hat. Und dass du nicht<br />
immer noch in dieser Ehe gefangen bist.<br />
Collins: Doch, ich glaube, dass es mich beschädigt hat.<br />
Ich glaube, es hat mich sehr beschädigt. Ich hatte danach<br />
immer ein unbestimmtes Misstrauen Männern gegenüber.<br />
emin: Viele der Männer, von denen du dich angezogen<br />
gefühlt hast, waren nicht gerade die häuslichen Typen. Um<br />
es höflich auszudrücken. Anthony Newley zum Beispiel.<br />
Collins: Oh, er war ein Einsiedler. Er hat das Ausgehen gehasst.<br />
Ich kann mich daran erinnern, dass ich einmal<br />
zu ihm sagte: Wir haben eine tolle Dinnerparty heute<br />
Abend, Peter Sellers wird da sein und Mia Farrow.<br />
Und er sagte: Nein, ich schaffe das nicht, ich muss arbeiten.<br />
Ich sagte: Wieso denn? Du hast doch den ganzen<br />
Tag gearbeitet!<br />
emin: Wann hatte er denn dann Zeit für Affären?<br />
Collins: Ach, er hat damit immer in seinen Shows<br />
begonnen. Du weißt schon, in den Pausen.<br />
emin: Nett …<br />
Collins: Ich glaube nicht, dass das das komplette Programm<br />
war, Dinner und Blumen und so weiter.<br />
Ich glaube, es waren eher so Rein-raus-Danke-schön-<br />
Geschichten. Als ich zum zweiten Mal schwanger<br />
war, tauchte ich eines Nachmittags zwischen zwei Vorstellungen<br />
in seiner Garderobe auf, und da saß diese<br />
hübsche, <strong>ju</strong>nge Blondine auf seinem Schoß. Aber weißt<br />
du was? Ich habe keinen Groll. Die Menschen<br />
müssen tun, was sie tun müssen.<br />
emin: Ich habe mit dir einmal darüber gesprochen, wie<br />
gut du immer aussiehst, außer wenn du unglücklich bist,<br />
und du sagtest: Ich bin nie unglücklich! (beide lachen)<br />
Collins: Ich bin meistens glücklich. Ich bin mit dem<br />
Glücksgen geboren. Hör mal, Süße, ich muss mich<br />
jetzt wirklich sputen. Ich könnte mich den ganzen Tag mit<br />
dir unterhalten. Treffen wir uns zum Lunch?<br />
„Früher habe ich alles am<br />
Sex als positiv empfunden.<br />
Jetzt ist alles positiv, was<br />
mit Liebe zu tun hat“<br />
emin: Sag mir noch, was du heute schon getan hast, es ist<br />
ja immer noch früh bei dir.<br />
Collins: Es ist jetzt halb zehn, und ich bin schon seit sieben<br />
auf. Ich hatte eine lange Unterhaltung mit einem<br />
Geschäftspartner, und dann habe ich mit dir gesprochen,<br />
und jetzt gebe ich gleich ein <strong>Interview</strong>, weil doch<br />
mein Buch übernächste Woche herauskommt. Genau gesagt,<br />
habe ich in zehn Minuten ein <strong>Interview</strong>. Und<br />
bin noch nicht einmal angezogen.<br />
emin: Lass uns doch essen gehen, wenn du wieder in<br />
London bist. Aber nicht mit anderen zusammen.<br />
Collins: Definitiv nur wir beide.<br />
Die Ausstellung „Tracey Emin: Angel without You“<br />
im Museum of Contemporary Art North Miami<br />
läuft noch bis zum 9. März 2014<br />
Tracey Emin<br />
147
Seit 125 Jahren zeigt der National Geographic<br />
die welt, wie man Sie SelbSt nur<br />
Selten zu Sehen bekommt. nun feiern<br />
drei Prachtbände die legendäre<br />
zeitSchrift, und der deSigner damir<br />
doma erklärt unS den zuSammenhang<br />
von fernweh und inSPiration<br />
Von Raha Emami
Wunder<br />
Welt<br />
National Geographic<br />
149<br />
FOTO: William Belknap, Jr., New Mexico, 1956<br />
1956: Im White-Sands-<br />
Nationalpark in New<br />
Mexico brechen Läuferinnen<br />
ein Rennen<br />
ab, weil der gipshaltige<br />
Wind zu heftig weht.<br />
Das Foto stammt von<br />
William Belknap, Jr.
1967: Eine Frau in einer<br />
seidenen Burka hat in<br />
Kabul eingekauft – zwei<br />
Goldkehlchen, die bei<br />
ihr zu Hause singen<br />
sollen. Foto von Thomas<br />
Abercrombie<br />
150<br />
FOTOS: (linke Seite) Thomas Abercrombie, Afghanistan, 1967; (rechte Seite) Gustav Heurlin, Latvia, 1930s
30er-Jahre: Vier <strong>ju</strong>nge<br />
Lettinnen genießen<br />
einen Tag am Meer. Das<br />
Land ist erst seit 1918<br />
unabhängig und wird im<br />
Zweiten Weltkrieg wieder<br />
besetzt. Das Foto<br />
stammt von Gustav<br />
Heurlin<br />
151
20er-Jahre: In<br />
Lagartera, einem Dorf<br />
in der Nähe Toledos,<br />
führt ein Mädchen stolz<br />
seine Tracht vor.<br />
Foto: Jules Gervais-<br />
Courtellemont<br />
1975: Die 25 Zentimeter<br />
große Puppe stellt einen<br />
Löwentänzer dar, eine<br />
traditionelle Figur im<br />
Kabuki-Theater.<br />
Foto: George F. Mobley<br />
FOTOS: (linke Seite) George F. Mobley, Japan, 1975; Jules Gervais-Courtellemont, Spain, 1920s;<br />
(rechte Seite) Otis Imboden, Greece, 1963
1963: Eine Mitarbeiterin<br />
der YWCA ermahnt vor<br />
dem Parthenon <strong>ju</strong>nge<br />
Griechinnen, die nach<br />
Australien auswandern<br />
wollen, ihre Wurzeln<br />
nicht zu vergessen.<br />
Foto: Otis Imboden
154<br />
1965: In Indonesien<br />
haben sich zwei Schulmädchen<br />
aus einem<br />
Bananenblatt einen<br />
Regenschirm gebastelt.<br />
Das Foto stammt von<br />
Gilbert M. Grosvenor<br />
FOTOS: (linke Seite) Gilbert M. Grosvenor, Indonesia, 1965; (rechte Seite) B. Anthony Stewart, California, 1941; Kiyoshi Sakamoto, Japan, 1920s
1941: Eine <strong>ju</strong>nge<br />
Frau schläft in einer<br />
Wiese mit blühendem<br />
Goldmohn, der<br />
Staatsblume<br />
Kaliforniens. Foto:<br />
B. Anthony Stewart<br />
20er-Jahre: Japanische<br />
Schülerinnen warten,<br />
bis sie beim Schwimmunterricht<br />
dran sind.<br />
Das Foto stammt von<br />
Kiyoshi Sakamoto
156<br />
20er-Jahre: Susan<br />
MacNelis aus der<br />
Kleinstadt Ardara im<br />
irischen Donegal führt<br />
einen ihrer selbst gemachten<br />
Sweater vor.<br />
Foto: Clifton R. Adams
FOTOS: (linke Seite) Clifton R. Adams, Ireland, 1920s; Portät: Jurij Treskow<br />
ganz sicher ist die Welt immer noch voller<br />
Wunder und Schönheiten. Aber ebenso sicher<br />
ist, dass viele von ihnen schon wieder ausgestorben<br />
sind, weil sie dem Fortschritt und der Globalisierung<br />
nicht standhalten konnten. Auch deswegen sind erstaunlich<br />
viele Mode-Menschen National Geographic-Fans: Für<br />
sie ist die Zeitschrift eine Inspirationsquelle, die sie nicht<br />
zu elektrisieren aufhört. Stoffe! Muster! Ornamente! Einen<br />
dieser Armstuhl-Reisenden haben wir nach seiner<br />
National Geographic-Faszina tion befragt – den in Bayern<br />
aufgewachsenen und in Paris hocherfolgreichen<br />
Designer Damir Doma.<br />
IntervIew: Wo sind Sie jetzt gerade?<br />
damIr doma: Bei meiner Mutter in den Bergen in<br />
Traunstein. Also da, wo ich herkomme. Ich mache hier zwei<br />
Wochen Urlaub, bevor das Hamsterrad in Paris wieder<br />
losgeht.<br />
IntervIew: Das klingt doch fantastisch. Gut, dass wir uns<br />
Bilder von Orten anschauen, die auch wenig mit Hamsterrad<br />
zu tun haben.<br />
„Manche Farben funktionieren<br />
nur an bestimmten Orten. Weiß<br />
und Creme zum Beispiel haben<br />
in einer Stadt keinen Sinn“<br />
Längst ist der „National Geographic“ zu einer Institution<br />
geworden, einem Speicher für die Schönheiten der<br />
Welt, von denen viele schon wieder verschwunden sind.<br />
Nun wird die Geschichte dieses einzigartigen Magazins<br />
angemessen in drei Prachtbänden dokumentiert: „National<br />
Geographic. In 125 Jahren um die Welt“, Taschen-<br />
Verlag, 1 468 Seiten, 399 Euro, erscheint im März 2014<br />
doma: Die Bilder sind großartig, da bekomme ich sofort<br />
Fernweh. Ich sehe das alles ja sofort mit dem Auge des<br />
Modedesigners. Als ich noch zwei Kollektionen im Jahr gemacht<br />
habe und nicht zehn, hatte ich zwischendurch<br />
noch viel Zeit zu reisen und Input zu suchen. Bei zehn Kollektionen<br />
im Jahr wird plötzlich alles relevant, was<br />
einen umgibt und einem begegnet. Schließlich muss viel<br />
Input rein, damit auch genug wieder herauskommt (lacht).<br />
Die beiden Mädchen im Regen mag ich besonders gerne.<br />
IntervIew: Warum gerade dieses Bild?<br />
doma: An dem Foto finde ich alles super, nicht nur die<br />
Prints. Ich mag, wie die Mädchen gehen, ich mag, dass<br />
es regnet, ich mag, wie sie sich bedecken. Ich finde die<br />
Taschen super und die Haltung der beiden.<br />
IntervIew: Wie vermeiden Sie, dass der Input, den Sie<br />
sich von Reisen, Fotos oder anderen Orten holen, nicht<br />
willkürlich wird?<br />
doma: Ich versuche, nicht total banal zu werden. Wenn<br />
man sich meine Kollektionen anschaut, sieht man ja auch<br />
keine direkten Referenzen. Ich könnte zum Beispiel den<br />
Strickpullover nehmen, den diese Irin auf dem letzten Foto<br />
in den Händen hat, und ihn solange durch mein Sieb<br />
laufen lassen, bis er zu mir passt. Es würde dabei nur nicht<br />
viel von dem Strickpullover und seinem Muster übrig<br />
bleiben (lacht).<br />
IntervIew: Gibt es auch Dinge, von denen Sie sich<br />
vorstellen könnten, sie direkt zu übernehmen?<br />
doma: Klar. Aber auch dabei gibt es bestimmte Sachen, die<br />
gehen, und Sachen, die gar nicht<br />
gehen. Auf dem allerersten Foto<br />
zum Beispiel, diese Frauen in der<br />
Wüste, gibt es zwei Prints, bei<br />
dem der eine für mich infrage<br />
kommt, während der andere<br />
Damir Doma: in<br />
Traunstein<br />
aufgewachsen,<br />
unter anderem in<br />
Antwerpen bei Raf<br />
Simons gelernt, in<br />
Paris erfolgreich<br />
definitiv gar nicht geht. Die roten Punkte sind sehr interessant,<br />
weil sie handgemacht sind und deshalb nicht<br />
präzise, sondern eher human aussehen. Die Streifen aber<br />
würden für mich auf keinen Fall funktionieren. Wegen<br />
des Gelbs und des Bordeauxrots.<br />
IntervIew: Was stimmt daran nicht?<br />
doma: Es sind einfach zu viele Farben! Für mich<br />
funktioniert eher das Schlichte.<br />
IntervIew: Besitzen Sie ein Kleidungsstück, das Sie nur<br />
an einem bestimmten Ort tragen würden und an anderen<br />
überhaupt nicht?<br />
doma: Mir fällt in Paris immer wieder auf, dass ich mich<br />
dort viel strukturierter und formaler kleide als zum Beispiel<br />
jetzt in Traunstein. Bestimmte Farben funktionieren<br />
für mich in einer Stadt nicht. Weiß und Creme sind zwar<br />
wunderschöne Farben, haben aber in der Stadt überhaupt<br />
keinen Sinn: Man springt in ihnen förmlich aus dem<br />
Bild. Außerhalb der Stadt funktionieren Weiß und 157<br />
Creme sofort.<br />
IntervIew: Gibt es einen Ort, an den Sie immer wieder<br />
reisen?<br />
doma: Es gibt Orte, wo ich immer wieder bin, weil ich geschäftlich<br />
hinreisen muss. Aber wenn es darum geht,<br />
etwas zu sehen, versuche ich immer, etwas Neues zu sehen.<br />
Ich finde es oft enttäuschend, an Orte zurückzukommen,<br />
an denen man schon einmal gewesen ist. Beim zweiten Mal<br />
ist es einfach selten so schön wie beim ersten Mal. Nach<br />
Kroatien allerdings habe ich eigentlich immer Fernweh.<br />
Meine Eltern stammen beide von dort, und weil ich als<br />
Kind ausschließlich im Sommer da war, scheint für mich<br />
in Kroatien immer die Sonne (lacht).<br />
IntervIew: Gab es schon einmal die Situation, dass Sie nur<br />
wegen eines Bildes an einen bestimmten Ort reisen wollten?<br />
doma: Ja, absolut! Das gibt es mit verschiedenen Orten.<br />
Aber irgendwie tue ich es dann doch nicht. Ich habe die<br />
Angst, enttäuscht zu werden. Ich will zum Beispiel schon<br />
lange nach Schottland und Island, und obwohl man ja nur<br />
einen Flug braucht, mache ich es doch nicht. Vielleicht<br />
würde die Realität mich enttäuschen. Manchmal ist ein Foto<br />
eben doch schöner als das Original.<br />
IntervIew: Das modischste Land in Ihren Augen?<br />
doma: Japan.<br />
National Geographic
B E A U T Y<br />
Was, Bitte schön, hat man von all den tollen<br />
instagram- und PhotoshoP-Filtern, wenn<br />
man mit ihnen im WirKlichen leBen immer<br />
noch aussieht, als könnte man einen Filter gut<br />
vertragen? maKe-uP ist eindeutig die Bessere<br />
methode, um eFFeKte Wie im Film zu erzielen<br />
Drama!<br />
Fotos Stefan Milev<br />
Make-up Andréas B.<br />
Beauty Make-up<br />
159<br />
Make-up YVES SAINT<br />
LAURENT BEAUTÉ<br />
Kleid COS
Make-up BOBBI<br />
BROwN Fascinator<br />
fIONA BENNETT<br />
Kleid AUgUSTIN<br />
TEBOUL Mantel<br />
dRIES VAN NOTEN
Make-up gIORgIO ARmANI<br />
Kleid mARC jACOBS üBER<br />
mATChES fAShION.COm
Make-up MAc<br />
Headpieces<br />
fionA bennett<br />
Blazer<br />
sportMAx
styling Klaus Stockhausen haare Gregor<br />
Makris / Bigoudi mit Produkten von Bumble and<br />
bumble. make-up Andréas B. / basics-berlin.de<br />
maniküre Theo Schnürer/blossommanagement.<br />
de mit Produkten von Chanel model Julia<br />
Banas / IZAIO management Fotoassistenz<br />
Oliver Blohm stylingassistenz Réka<br />
Maria Probst dank an Die Fläche Berlin<br />
Make-up yves saint<br />
laurent beautÉ<br />
Kleid sportmax
Schönheit für alle<br />
gesichtswasser für surfer-boys,<br />
düfte für blumenmädchen und ein<br />
indiskreter blick in den badezimmerschrank<br />
einer modedesignerin:<br />
beauty-geheimnisse vom feinsten<br />
Wasser-<br />
Männer<br />
Von australischen Surfern<br />
entwickelt: die unkomplizierte<br />
Männerpflege<br />
Gentleman’s<br />
Brand Co.<br />
rstklassig: ein<br />
ravel- kit mit<br />
em Besten für<br />
aut und Haar<br />
FOTO:<br />
Kirchknopf + Grambow<br />
Vor jedem Flug wieder die gleiche Frage: Welche Pflege muss unbedingt mit?<br />
Reinigungsgel, Gesichtscreme und Deo sowieso. Und sonst? Unser Rat: mindestens<br />
eines dieser neun Produkte. Von unten im Uhrzeigersinn: Haarbürste<br />
aus Buchenholz von Marlies Möller, ca. 36 €; Tasche von Klear Klutch, ca. 47,90 €;<br />
Rodin „Olio Lusso“ Gesichtsöl, 30 ml ca. 109,70 €; Aesop „Parsley Seed<br />
Anti-Oxidant Eye Serum“, 15 ml ca. 67 €; „Fabric Fresh“ von The Laundress,<br />
60 ml ca. 5,80 €; Hair Mist von Chanel, 40 ml ca. 45 €; „Face Touch Up Stick“<br />
von Bobbi Brown, ca. 26,50 €; Reiseglätteisen von Remington, ca. 24,99 €;<br />
Aesop „Resurrection Rinse-Free Hand Wash“, 50 ml ca. 9 €.<br />
neue<br />
welle<br />
Der Wet-Look ist wieder<br />
aufgetaucht. Auf den<br />
internationalen Runways<br />
und in Modestrecken<br />
war der Grunge-<br />
Trend aus den<br />
90er-Jahren auffallend<br />
oft zu sehen. Immer<br />
noch die coolste Art, die<br />
Haare zu tragen – und<br />
die richtige Dosis Wachs<br />
ist immer noch eine<br />
echte Herausforderung.<br />
FOTOS: Michael Thompson für <strong>Interview</strong> Magazine, Dezember 2001/Januar 2002; PR
flower-power<br />
Bester Beweis, dass<br />
Blumendüfte nicht zwanghaft<br />
lieblich sein müssen: fünf<br />
blütenreine Parfüms mit<br />
kräftiger Note<br />
exTATIc: Iris, Jasmin,<br />
Rose und Osmanthusblüten<br />
bekommen einen<br />
maskulinen Touch durch<br />
Sandelholz und Schokolade.<br />
Von Balmain, 90 ml<br />
EdP ca. 90 €<br />
nIRvAnA bLAck: Die<br />
Olsen-Zwillinge setzen<br />
warme Akzente. Veilchen<br />
und Pfingstrose treffen<br />
auf Sandelholz und Vanille.<br />
Von Elizabeth and James,<br />
50 ml EdP ca. 55 €<br />
eveRGReen: 100 Prozent<br />
Zartbitter. Rose,<br />
Jasmin, Maiglöckchen<br />
und Birne mit Grapefruit,<br />
Sandelholz und weißem<br />
Pfeffer. Von Jil Sander,<br />
50 ml EdT ca. 60 €<br />
FOTOS: Valentino (2); PR (5); Davide Gallizio/Imaxtree.com<br />
Beauty Talk<br />
mit Louis Garrel<br />
Erster eigener Film, wichtige Rolle in<br />
„Saint Laurent“, ein Werbespot für den<br />
neuen Herrenduft von Valentino: genug<br />
Anlässe, um den Schauspieler zu treffen<br />
Valentino<br />
Uomo, 50 ml<br />
EdP ca. 59 €<br />
Vorbildlich<br />
melancholisch:<br />
Louis Garrel<br />
InTeRvIeW: Wie viel Louis Garrel steckt im<br />
Werbespot für Valentino?<br />
LouIs GARReL: Wie soll ich sagen? Nichts … und<br />
alles (lacht). Es war wie bei jedem Film, es hängt<br />
alles von der Beziehung zum Regisseur ab.<br />
InTeRvIeW: Haben Sie Johan Renck, der Musikvideos<br />
für Madonna oder New Order gemacht<br />
hat, schon vorher gekannt?<br />
GARReL: Nein. Wir trafen uns in Paris und<br />
besprachen das Projekt und lachten viel. Ich habe<br />
gleich gemerkt, dass er gut mit Schauspielern<br />
umgehen kann. Bei Drehs vertraue ich dem<br />
Regisseur komplett, und Johan wusste, was er tat.<br />
InTeRvIeW: Warum wollte Valentino gerade<br />
mit Ihnen Werbung machen?<br />
GARReL: Maria Grazia Chiuri und Pier Paolo<br />
Piccioli, die beiden Valentino-Designer, lassen<br />
sich für ihre Kollektionen häufig von Filmen<br />
inspirieren. Also tauchte ich auf dem Moodboard<br />
für die letzte Männerkollektion auf.<br />
InTeRvIeW: Was wissen Sie über die Mode von<br />
Valentino?<br />
GARReL: Dass alle Frauen diese Kleider lieben!<br />
InTeRvIeW: Welchen modischen Fehler sollte eine<br />
Frau nicht begehen?<br />
GARReL: Zu hohe Schuhe – und dann nicht<br />
richtig laufen können. Das endet meistens<br />
barfuß …<br />
InTeRvIeW: Was bedeuten Düfte für Sie?<br />
Was war der erste Duft, an den Sie sich erinnern?<br />
GARReL: Milch! Ich glaube, Düfte sind<br />
Erinnerung. Als ich 14 war, bin ich von einem<br />
Mädchen verlassen worden. Und ich bin in<br />
eine Parfümerie und habe mir ihren Duft gekauft,<br />
nur um sie weiter bei mir haben zu können.<br />
InTeRvIeW: Was hält Sie auf dem Boden der<br />
Realität?<br />
GARReL: Meine Rechnungen! (lacht)<br />
InTeRvIeW: Neulich habe ich auf Ebay ein<br />
Autogramm von Ihnen gefunden.<br />
GARReL: Dafür würden Menschen Geld<br />
ausgeben? Was hat es denn gekostet? 4,99 Euro?<br />
InTeRvIeW: Nein. 90 Dollar.<br />
GARReL: Das wird nichts! Aber warten Sie …<br />
vielleicht sollte ich einfach ins Autogramm-<br />
Business einsteigen …<br />
Runwaylook von Prabal<br />
Gurung, Lippenstift „So<br />
Chaud“ von M.A.C, ca. 19 €<br />
bRIGHT cRysTAL Abso-<br />
Lu: Echte Fruchtbombe.<br />
Granatapfel, Himbeere,<br />
Pfingstrose. Von Versace,<br />
50 ml EdP ca. 75,50 €<br />
RosAboTAnIcA: So androgyn<br />
kann Rose sein. Mit<br />
Pfeffer, Feigenblättern,<br />
Hyazinthe und Kardamon.<br />
Von Balenciaga, 50 ml<br />
EdP ca. 78 €<br />
L i p p e n -<br />
bekenntnis<br />
schmallippig geht gar nicht<br />
mehr: Passend zur Pop-Art-<br />
Mode mit knallbunten Pinselstrichkleidern<br />
und Graffiti-Tops<br />
leuchten in diesem sommer<br />
sorbet-Farben auf den Lippen.<br />
165
Kontrollblick:<br />
Ayzit Bostan<br />
achtet streng<br />
auf hochwertige<br />
Inhaltsstoffe<br />
FOTOS: Fabian Frinzel<br />
Pflegehinweise<br />
Die Entwürfe der<br />
Münchner Modedesignerin<br />
Ayzit Bostan<br />
lassen sich mit einem<br />
einzigen Wort beschreiben:<br />
reduziert.<br />
Die Lederaccessoires<br />
für das Taschenlabel<br />
PB 0110 etwa sind so<br />
sachlichelegant wie<br />
Möbel von Mies van<br />
der Rohe. Ähnlich<br />
zurückhaltend hält<br />
Bostan es mit ihrem<br />
Makeup: „Ich benutze<br />
‚Vitalumière Aqua‘<br />
von Chanel. Das deckt<br />
Unregelmäßigkeiten<br />
ab, aber lässt einen<br />
nicht geschminkt aussehen.“<br />
Dazu etwas<br />
Wimperntusche und<br />
leicht getönter Lipgloss,<br />
das war’s. Mehr<br />
als 15 Minuten verbringt<br />
sie nicht im<br />
Bad. Ein Blick in ihren<br />
Schrank verrät: Auch<br />
bei Düften mag sie es<br />
dezent. Ihr Favorit:<br />
„Amyris femme“ von<br />
Maison Francis<br />
Kurkdjian – mit einer<br />
frischen Orangennote.<br />
Beauty News<br />
166<br />
„Haute Exigence Jour“ von<br />
Clarins, 50 ml ca. 92 €<br />
Mal richtig dick<br />
auftragen<br />
Zurückhaltung ist nicht das Ding von<br />
Balmain-Designer Olivier Rousteing.<br />
Er beschert uns Power-Silhouetten und<br />
XXL-Ketten. Passend dazu: die<br />
neue Nagellack-Kollektion des Labels.<br />
kraftpakete<br />
Die neuesten Cremes und Seren<br />
füllen die Kräfte der Natur<br />
ab: Algen aus den Schweizer<br />
Alpen, Stoffe aus dem<br />
Meer und von afrikanischen<br />
Wunderbäumen. Denn<br />
gegen jedes menschliche Leiden<br />
wächst da draußen ein Mittel.<br />
Der Effekt? Anti-Aging<br />
mit vereinten Naturkräften.<br />
„Cellular Swiss Ice Crystal Cream“<br />
von La Prairie, 50 ml ca. 264 €<br />
„The Lifting Contour Serum“ von<br />
La Mer, 30 ml ca. 265 €<br />
„Nail Couture“<br />
von Balmain,<br />
ab ca. 16,95 €<br />
FOTOS: PR (6); Daniele Oberrauch/Imaxtree.com
Wir danken allen Designern und Sponsoren der<br />
Mercedes-Benz Fashion Week Berlin für die erfolgreiche Saison!<br />
Entdecken Sie die Trends für Herbst und Winter 2014 unter www.berlin.mbfashionweek.com
168<br />
Ski laufen vor der<br />
Zeit der Ganzkörperpolsterung:<br />
Gunter<br />
SachS und eine<br />
Pistenkameradin im<br />
März 1965 in St. Moritz
Ein Mann<br />
für jeden<br />
F a l l<br />
St. Moritz iSt daS SchickSte Winter-reSort der Welt. und<br />
in der Suvretta-SkiSchule lernten könige, Milliardäre<br />
SoWie rockStarS daS Skifahren und Wieder-aufStehen.<br />
daruM hat Skilehrer JacqueS, der dienStälteSte der<br />
Suvretta-lehrer, viel zu erzählen. SchlieSSlich trägt<br />
er Seinen blauen Skianzug Schon in der 45. SaiSon<br />
Von Mark van Huisseling<br />
FOTOS: (linke Seite) KeystoneFrance/GammaKeystone via Getty Images; (rechte Seite) privat<br />
Pistenteufel<br />
JacqueS Savay-<br />
Guerraz ist 71<br />
und steht auch in<br />
diesem Winter wieder<br />
auf den Brettern, die<br />
seine Welt bedeuten<br />
interview: Skilehrer Jacques, fahren berühmte und reiche<br />
Leute eigentlich gut Ski?<br />
JacqueS Savay-Guerraz: Comme ci, comme ça, aber<br />
die meisten sind keine Bombenfahrer. Oft haben sie erst<br />
recht spät im Leben angefangen, wie jetzt zum Beispiel<br />
viele Russen. Dazu kommt, dass sie abseits der Pisten fahren<br />
wollen, weil es dort weniger andere Skifahrer gibt, aber<br />
Tiefschnee fahren ist natürlich schwieriger.<br />
interview: Lassen sich Könige und Milliardäre sagen,<br />
was sie zu tun haben?<br />
JacqueS: Doch, doch, ja, ja. Man muss wissen, dass<br />
man als Skilehrer früher für zwei, drei oder mehr Wochen<br />
gebucht wurde. Und während dieser Zeit war man fast<br />
ständig mit den Gästen zusammen. Wir gingen mit ihnen<br />
einkaufen, sie machten uns Geschenke, und abends<br />
waren wir zum Dinner eingeladen in ihren Villen, manchmal<br />
gab es Privatkonzerte, von Los Paraguayos etwa,<br />
dieser Kapelle, die damals berühmt war, und man tanzte<br />
mit den Gästen. Wir hatten Respekt vor ihnen, aber<br />
man lernte sich kennen und wurde auch geschätzt und ernst<br />
genommen. Man muss sagen, damals war man jemand<br />
als Skilehrer. Heute ist man eher so etwas wie ein<br />
Dienstleister.<br />
interview: Wer ist der Chef auf dem Berg?<br />
JacqueS: Ich sage es so: Wir haben Einfluss und auch<br />
etwas zu sagen. Es gibt zwar Gäste, die wollen bestimmen,<br />
was gemacht werden soll, aber wenn der Skilehrer sagt,<br />
schlechte Idee – Lawinengefahr, dann glaubt einem das<br />
eigentlich jeder.<br />
Jacques Savay-Guerraz aus Albertville in den französischen<br />
Alpen ist seit 1970 einer der „Blues“, jener<br />
Skilehrer von Suvretta Snowsports, wie die Skischule<br />
in St. Moritz heute heißt. Zu den Gästen,<br />
denen der „freundlichste St. Moritzer“ (HTR Hotel Revue)<br />
in den vergangenen 43 Jahren das Skifahren beibrachte<br />
(oder mit denen er auf den Pisten war), zählen der letzte<br />
Schah von Persien und Farah Diba, Konstantin II. von<br />
Griechenland und Anne-Marie, Königin Noor von<br />
Jordanien, Christina Onassis, Stavros Niarchos, Marella<br />
Agnelli, Robert De Niro und dessen Gastgeber Silvio<br />
Berlusconi, Gordon „Sting“ Sumner oder Johnny Depp<br />
und Vanessa Paradis. Die Namen sind Ergebnis eigener<br />
Recherche; Suvretta-Snowsports-Mitarbeiter sind<br />
verschwiegen. Jacques, 71, ist einer der ältesten Skilehrer<br />
von St. Moritz und einer der letzten, die die „Belle<br />
Époque“, die 70er- und 80-Jahre des vergangenen Jahrhunderts,<br />
mitgemacht haben, als mit privaten Hubschraubern<br />
auf Berge geflogen und viel Schnaps getrunken<br />
wurde – die Zeit vor Detox, Diätgläubigkeit und<br />
Flugbewegungsbeschränkungen. Nach 44 Wintern schaut<br />
er zurück. Doch damit das klar ist: Er hört nicht auf.<br />
Auch in diesen Tagen hat er wieder seinen blauen Anzug<br />
an und fährt durch seine 45. Saison.<br />
interview: Was passierte, wenn der Schah von Persien<br />
oder Marc Rich umfielen? War dann der Skilehrer schuld?<br />
JacqueS: Ja, also ... Nein, die meisten sind intelligent<br />
genug, um zu sehen, dass der Skilehrer nicht über die<br />
St. Moritz<br />
169
St. Moritz<br />
170<br />
Grenzen des Gastes hinausgeht. Aber beim Heliskiing<br />
kann es natürlich passieren, dass einer überfordert ist<br />
im Tiefschnee. Schwieriger war es für die Leibwächter,<br />
meistens ziemlich schwere Männer, und oft hatten<br />
sie keine Ahnung vom Skifahren, die hatten Probleme.<br />
interview: Und Frauen wollen alle eine Affäre mit<br />
dem Skilehrer, nicht wahr?<br />
JacqueS: Jetzt muss ich, glaube ich, gehen und das<br />
<strong>Interview</strong> abbrechen. Das ist doch ein Klischee.<br />
interview: Eben, und Klischees stimmen im Grunde<br />
immer, sonst wären es keine Klischees.<br />
JacqueS: Was ich sagen kann: Als Skilehrer erfährt man<br />
oft zum Teil recht intime Details aus dem Leben der Gäste.<br />
Frauen erzählen einem manchmal Dinge, die sie wohl<br />
nicht vielen anderen Männern erzählen, man ist fast der<br />
Beichtvater.<br />
interview: Scheint ein guter Beruf zu sein, alles in allem.<br />
JacqueS: Doch, es ist abwechslungsreich, man lernt<br />
Leute kennen und macht Sport während der Arbeit.<br />
interview: Und arbeitet bloß von Dezember bis April.<br />
JacqueS: Das wäre schön. Früher war ich im<br />
Sommer Wasserskilehrer, jetzt bin ich Segellehrer auf<br />
dem Silvaplaner- und Silsersee.<br />
interview: Was für ein Leben!<br />
JacqueS: Ja, ist wirklich gut.<br />
interview: Trotzdem war’s früher besser, oder?<br />
JacqueS: Ja, leider. Aber ich bin glücklich, dass ich die<br />
„Belle Époque“ mitmachen durfte.<br />
Wenn man es genau nimmt, ist in St. Moritz<br />
eigentlich immer gerade „Belle Époque“,<br />
es kommt bloß auf das Alter des Betrachters<br />
an. Es stimmt sicher, wenn Skilehrer Jacques sagt, die<br />
70er- und 80er-Jahre seien gute Jahre gewesen. Falls man zu<br />
dem gehörte, was damals als Jetset bekannt war. Aber<br />
auch die 50er- und 60er-Jahre machten manchen Leuten<br />
viel Spaß; zum Beispiel Gunter Sachs, der gegen Ende<br />
der 60er-Jahre den Turm von Badrutt’s Palace mietete und<br />
das verhältnismäßig kleine, aber unübertrefflich gelegene<br />
Apartment über dem schönsten Hotel des Ortes mit<br />
Werken von damals <strong>ju</strong>ngen und sehr angesagten Pop-<br />
Art-Künstlern einrichtete. Taki Theodoracopulos,<br />
ein griechischer Reederei-Erbe, Autor und Freund von Sachs,<br />
beschreibt die 60er-Jahre (im Allgemeinen, in<br />
St. Moritz im Besonderen) als „best days of my life“.<br />
Ein Kenner vieler St.-Moritz-Player von heute ist<br />
Fawaz Gruosi, Gründer und Creative Director von<br />
de Grisogono, einem Uhren-und-Schmuck-Hersteller am<br />
obersten Ende des Markts, der unter anderem in der<br />
sogenannten Palace Arcade ein Geschäft betreibt. Er sagt:<br />
„Als ich ein <strong>ju</strong>nger Verkäufer bei Bulgari und Harry<br />
Winston war, hatte man mit hundert Reichen zu tun,<br />
Rockefeller, Rothschild, Aga Khan, Marcos, König Fahd<br />
oder Gianni Agnelli. Heute gibt es … ich weiß nicht wie<br />
viele Superreiche, und sie heißen Mr Smith, Mr White,<br />
Mr man kann es nicht aussprechen und kennt ihn nicht.“<br />
Diese Entwicklung kann man winters nirgendwo<br />
besser mitverfolgen als in St. Moritz. Am Suvretta-Hang,<br />
einem Hügelrücken, von dem man den besten Blick über<br />
den St. Moritzersee und in das Tal hat, stehen die<br />
teuersten Häuser der Gemeinde – und somit der Welt. Für<br />
den Quadratmeter (Land plus Bauwerk) wurden in<br />
einzelnen Fällen gegen 80000 Euro bezahlt, das heißt bis<br />
Königinnen:<br />
Muna von<br />
Jordanien und<br />
anne-Marie<br />
von Griechenland<br />
Oh, Jackie! Drei<br />
Jahre nach der<br />
Ermordung ihres<br />
Mannes hatte<br />
Jackie kennedy<br />
ihre Lebenslust<br />
wiedergefunden<br />
Après Skilehrer:<br />
Luca Crivelli führt vor,<br />
was die „Blues“ nach<br />
Unterrichtsschluss so<br />
draufhaben<br />
Hat schon<br />
viele stürzen<br />
sehen:<br />
Skilehrer<br />
Jacques als<br />
<strong>ju</strong>nger Mann<br />
Hüttenzauber: Das<br />
Suvretta houSe am<br />
Hang mit der schönsten<br />
Aussicht auf den St.<br />
Moritzersee
FOTOS: (linke Seite) Luca Crivelli; privat (3); suvrettahouse.ch; Bettmann/<br />
CORBIS; (rechte Seite) dpa PictureAlliance; Pierre Vauthey/Sygma/Corbis<br />
Goldene Zeiten: Der<br />
JetsetPrinz von St.<br />
Moritz war ganz sicher<br />
Gunter SachS, hier<br />
mit MirJa, der Frau,<br />
die ihn zähmte, in den<br />
Siebzigern<br />
Help, I need somebody:<br />
1965 versuchte John<br />
Lennon, das Skilaufen<br />
zu erlernen<br />
„Als Skilehrer erfährt<br />
man oft recht intime Details<br />
aus dem Leben der<br />
Gäste. Manchmal ist man<br />
fast der Beichtvater“<br />
Wir drei: Ein guter<br />
Skilehrer weiß, was er<br />
seinen Schülern<br />
zumuten kann.<br />
Beim Schauspieler<br />
MichaeL york und<br />
seiner Frau waren es<br />
1975 nicht die steilsten<br />
Hänge<br />
zu 80 Millionen Euro für ein Ferienhaus – damit verglichen<br />
ist real estate in Manhattan, Paris oder Hongkong<br />
preiswert. Am Suvretta-Hang befinden oder befanden<br />
sich Häuser der Familie Agnelli, des letzten Schahs von<br />
Persien oder der Familie Agusta (Hubschrauberhersteller),<br />
große Namen aus den Sixties, sowie das Haus des im<br />
Juni verstorbenen Ölhändlers Marc Rich oder von Familie<br />
Hirschmann, Erben einer der wichtigen Geschäftsjet-<br />
Mietfirmen. Doch wer kennt die Namen von Milliardären<br />
der Nullerjahre? Otto Happel? Ein deutscher Investor<br />
mit Wohnsitz im Kanton Luzern – ihm gehört das lange,<br />
rosafarbene Haus, über das einen die Sesselbahn Suvretta<br />
-Randolins fährt. Oder Jan Kulczyk, einer der reichsten<br />
Polen? Verdiente sein Geld – über zwei Milliarden Euro –<br />
mit Beteiligungen, steht in der Schweizer Wirtschaftszeitschrift<br />
Bilanz; sein Haus ist von außen unauffällig, wegen<br />
strenger Bauvorschriften ließ er tief in den Berg bohren<br />
und Schwimmbad, screening room usw. dort unterbringen.<br />
Falls man jetzt den Eindruck bekommen hat, St.<br />
Moritz sei eine gated community, ist das unbeabsichtigt.<br />
Nach St. Moritz darf im Grunde jeder fahren, und fast jeder<br />
kann sich dort einen (kürzeren) Aufenthalt leisten –<br />
ein Mittagessen auf der Terrasse von Chasellas, einem Restaurant<br />
oberhalb des Hotels Suvretta House, zu<br />
dem es gehört, kostet unwesentlich mehr als ein Happy Meal<br />
bei McDonald’s (von dem es in St. Moritz keine Filiale<br />
gibt). Schmeckt aber feiner, die Aussicht ist besser, und die<br />
Sonne scheint für und auf alle, die dort sitzen (also<br />
rechtzeitig einen Tisch reservieren), gleich alpin-stark.<br />
Es ist bloß so, dass es ein öffentliches und ein privates<br />
St. Moritz gibt. Und die Besucher des einen wenig<br />
mitbekommen von den Besuchern des anderen. Deshalb<br />
ist St. Moritz Gästen, die hinfahren, um Stars und<br />
Berühmtheiten zu sehen, nicht besonders zu empfehlen.<br />
Weil diese in Restaurants essen, in denen man Mitglied sein<br />
muss, um reinzudürfen. Oder ihre Engadinerhäuser<br />
kaum verlassen, weil die Besitzer private Sonnenterrassen<br />
und Caterer haben. Die Zeiten, als Menschen im Hotel<br />
oft berühmte Menschen waren, sind vorbei, wie die Zeiten,<br />
als Skilehrer wochenlang mit Gästen zusammen waren,<br />
mit ihnen zu Abend aßen und mit den Frauen von Königen<br />
und Wirtschaftsführern zur Musik von Los Paraguayos<br />
tanzten. Gäste von heute in St. Moritz, St-Tropez und<br />
St-Barths wollen vor allem Privatsphäre. Deshalb ist für den,<br />
der nur Zugang zum öffentlichen<br />
St. Moritz hat, die „Belle<br />
Époque“ vorbei. Für den, der<br />
Zugang zum privaten St.<br />
Moritz hat, fängt jetzt, diesen<br />
Winter, eine weitere „Belle<br />
Époque“ an.<br />
interview: Jacques, welche<br />
ist die beste Piste der Welt?<br />
JacqueS: Ich mag lieber Hors-piste-Abfahrten (fahren<br />
abseits der Piste). Die schönste ist für mich das Vallée<br />
Blanche in Chamonix. Und hier in St. Moritz ist es das<br />
Val Suvretta.<br />
interview: Und Ihr liebstes Restaurant?<br />
JacqueS: Was das Essen angeht, Mathis Food Affairs<br />
(Corviglia, St. Moritz, Telefon +081 833 63 55).<br />
Und für die Aussicht das Salastrains (St. Moritz,<br />
Telefon +081 830 07 07).<br />
171
Jeanne<br />
Dark<br />
Jeanne Tremsal hat den größten Teil ihres <strong>ju</strong>ngen Lebens<br />
in Paris verbracht. Und einige Jahre in München. Jetzt lebt<br />
sie in Berlin und testet für uns das Nachtleben in Frankfurt<br />
Foto Maxime Ballesteros<br />
Night & Life<br />
172<br />
Eine Nacht in Frankfurt am Main. Wie<br />
bin ich bloß auf diese Idee gekommen?<br />
Ich hätte ja auch nach Paris<br />
oder London fliegen können, aber es musste<br />
Frankfurt sein. Dabei kenne ich die Stadt gar<br />
nicht, nur die üblichen Klischees.<br />
Und jetzt sitze ich im Zug. Es ist Samstag<br />
und der ICE trotzdem voll. Ich dachte,<br />
ausschließlich Geschäftsleute würden nach<br />
Frankfurt fahren. Die Leute wirken<br />
gepflegt, die Damen tragen kräftige, aber<br />
elegante Farben (mehrere himbeerfarbene<br />
Kaschmirpullis) und zupfen gelassen Weihnachtsbratenrezepte<br />
aus Zeitschriften.<br />
Der Frankfurter Hauptbahnhof sieht aus<br />
wie der von München. Groß, sauber, viel<br />
elektrisches Licht. Weit und breit nichts zu<br />
sehen von all dem Elend, das ich erwartet<br />
hatte.<br />
Ich habe immer Schwierigkeiten gehabt,<br />
mir vorzustellen, dass Menschen, die mir<br />
im weiteren Sinne ähnlich sind, in einer Stadt<br />
wie Frankfurt wohnen könnten. Und jetzt<br />
bin ich mit einer Freundin im Maxie Eisen<br />
verabredet. Das ist das neue, gerade<br />
eröffnete Restaurant (samt Bar) der Ardinast-<br />
Brüder und meines alten Kumpels Oskar<br />
Melzer. Und eigentlich wollte ich auch nicht<br />
über das Bahnhofsviertel schreiben,<br />
aber das Maxie Eisen liegt natürlich genau da,<br />
mittendrin im Bahnhofsviertel.<br />
Das Maxie Eisen sieht toll aus: riesige<br />
Fenster, offene Küche, in der Mitte ein großer<br />
grüner Tisch, an den Fenstern kleinere,<br />
dazu Stühle in mehreren Farben, alles Möbel<br />
von Jean Prouvé. Die Tapete an der Wand<br />
ist von Bless und zeigt eine Terrasse mit einem<br />
Liegestuhl und eine hügelige Landschaft<br />
in Griechenland oder Südfrankreich. So hatte<br />
ich mir das nicht vorgestellt. Das Einzige,<br />
was mich daran erinnert, in Frankfurt zu sein<br />
(einer Stadt, die ich wie gesagt nicht kenne),<br />
sind die Männer am Nebentisch. Fünf wahnsinnig<br />
muskulöse Typen in engen T-Shirts<br />
und mit jeder Menge Tattoos. Die würde man<br />
in Oskars Berlin-Mitte-Lokal Mogg & Melzer<br />
auf keinen Fall treffen. Sie sitzen friedlich<br />
vor ganzen Hähnchen und Pastrami-Bergen,<br />
mit nichts als Wasser zum Trinken. Ich bin<br />
sofort fasziniert. David Ardinast, einer der<br />
beiden Brüder, sagt: „Alle Meister, Deutscher<br />
Meister, Europameister, Weltmeister.“ In<br />
MMA, Mixed Martial Arts, einer Vollkontaktsportart,<br />
bei der zwei Kämpfer aus gleicher<br />
Gewichtsklasse in einem Käfig gegeneinander<br />
kämpfen. David kennt sie gut, sie essen<br />
jeden Tag hier. Für sie ist es die perfekte<br />
Ernährung, Proteine ohne Kohlenhydrate<br />
oder umgekehrt, weil im Maxie Eisen alles<br />
getrennt serviert wird, du bekommst einen<br />
ganzen Blumenkohl oder einen ganzen Kopfsalat<br />
oder eben ein ganzes Hähnchen.<br />
Oskar und die Ardinast-Brüder sind stolz<br />
darauf, diese unglaublichen Jungs zu<br />
kennen. Oskar erzählt, wie zwei von ihnen<br />
unlängst „zehn Typen auseinandergenommen<br />
haben“, die ein Mädchen belästigt<br />
hatten. Klar, dass ich auch mit ihnen<br />
befreundet sein will, jetzt gleich, zumindest<br />
für ein Foto. Die Mission für heute lautet:<br />
erst Foto, dann mit den MMA-Jungs durch<br />
Frankfurt ziehen. Ich traue mich nicht, also<br />
frage ich Oskar, der traut sich auch nicht, also<br />
geht David, schließlich ist einer der Jungs sein<br />
Trainer. Sie stimmen zu, höflich, ich müsste<br />
nur die Veröffentlichung des Fotos mit ihrem<br />
Manager klären, klar, mach ich. Gutes Foto,<br />
gut gegessen, jetzt gehen wir an die Bar, die<br />
vom Restaurant nur durch eine Schiebetür<br />
getrennt ist. In der Bar ist es schwarz, man<br />
sieht fast nichts, wunderbar. Gute<br />
Cocktails, ich könnte den ganzen Abend hier<br />
verbringen, aber ich muss mehr Frankfurt<br />
sehen. Also ziehen wir einen Block weiter in<br />
die nächste Bar, leider ohne die neuen<br />
Freunde, denn die ja nicht. Trotz der Kälte ist<br />
der Bürgersteig voll: lauter gut aussehende<br />
Jungs in schwarzen Hemden, mit dunklen<br />
Pferdeschwänzen und Bärten. Leider darf<br />
ich sie nicht fotografieren, vielleicht sind sie<br />
hier Stars. Das Plank gehört Ata, einer<br />
Frankfurter Größe. Ata gehört auch das<br />
Robert Johnson, einer der bekanntesten<br />
deutschen Clubs. Sehr nett ist es im Plank,<br />
zwei Gin Tonics, dann gehen wir nach<br />
nebenan ins Yok Yok. Das ist Frankfurt, sagt<br />
man mir, alles vermischt sich. Mir persönlich<br />
ist es zu hell im Yok Yok und zu kalt.<br />
Ich will noch woandershin, jemand schlägt<br />
das Pik Dame vor, einen ehemaligen<br />
Stripclub, dessen Besitzer der Vater eines der<br />
MMA-Fighter ist. Perfekt, da will ich hin.<br />
Vor der Tür lungern hippe Leute und zwielichtige<br />
Gestalten im Neonlicht. Die Tür<br />
macht tatsächlich einer aus der Runde der<br />
starken, guten Jungs. Er erkennt mich<br />
sofort und winkt mich durch, und schon fühle<br />
ich mich in Frankfurt zu Hause. Ich kenne<br />
alle, die man kennen muss. Oskar muss allerdings<br />
zehn Euro zahlen. Leider tanzen an<br />
den Stangen besoffene Kerle statt hübscher<br />
Damen. Aber hinten an der Bar sieht es<br />
noch aus wie früher, eine Art Separee in Rot,<br />
Samt und Plüsch. Hinter der Bar steht eine<br />
Frau, die einen mit Pailletten bestickten<br />
Zylinder trägt. In der Ecke schläft ein grauhaariger<br />
Herr in einem roten Sessel. Der<br />
perfekte Abschluss für eine Frankfurter Nacht.<br />
Ich komme wieder.<br />
FOTOS: privat (8)
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SZ Magazin<br />
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GELB 2013<br />
der grosse jahresrückblick<br />
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Schweiz S fr 11,5 ÖS terreich € 6,70 Luxemburg € 7,00 beL gien € 7,00<br />
Unterm Strich:<br />
ein gutes Jahr<br />
Der große Jahresrückblick. Mit den<br />
wichtigsten Themen und Ereignissen aus<br />
dem Jahr 2013 – ausgewählt, analysiert<br />
und kommentiert von den Redakteuren<br />
der Süddeutschen Zeitung.<br />
(SZ) Es wäre es besser, man hätte<br />
manches nie gewusst. Blickt man<br />
auf das Jahr zurück, wäre man ohne<br />
„Wetten dass ...“ mit Markus Lanz<br />
vermutlich ein glücklicherer Mensch<br />
geblieben. Hätte man nichts über<br />
die beißlustige Schnappschildkröte<br />
Lotti erfahren, wäre man in diesem<br />
schönen Sommer entspannter in<br />
den Badesee gegangen. Es hätte auch<br />
wenig geschadet, Matthias Sammers<br />
Klagelieder über vereinzelte Gegentore<br />
im Jahr des Bayern-Triples nie<br />
gehört zu haben oder nicht zu ahnen,<br />
was die NSA mit unseren Handys<br />
und mails anstellt. Den Spionen in<br />
Amerika geht es aber nicht besser.<br />
Was die womöglich alles mitanhören<br />
müssen: hochkomplexe Programmdebatten<br />
der Grünen und nicht mit<br />
minder komplexe Schuldzuweisungen<br />
nach der Wahl darüber, wer je<br />
auf die Idee kam, solche Debatten<br />
zu führen. Die Lagebesprechungen<br />
der deutschen Geheimdienste, die<br />
so wenig wissen, dass es gar nichts<br />
nutzt, sie abzuhören. Die Beratungen<br />
des Bundeskabinetts zur Syrienpolitik,<br />
die in der entschiedenen Haltung<br />
gipfelten: Die internationale Gemeinschaft<br />
muss endlich handeln,<br />
aber bitte ohne uns. Nur um eines<br />
sind die US-Spione zu beneiden. Da<br />
sie auch das Handy von Angela Merkel<br />
angezapft hatten, wissen sie jetzt<br />
etwas, was wir nicht wissen, aber in<br />
diesem Fall doch gern gewusst hätten:<br />
Ob die Kanzlerin wenigstens am<br />
Mobiltelefon etwas sagt, auf das man<br />
sie nachher festlegen könnte.<br />
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nico fried<br />
Wahl: Der triumph<br />
der Kanzlerin<br />
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Flucht: Die Hölle<br />
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Hoeneß: Bayernboss<br />
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in der App „SZ Digital“: sz.de/app.
MARK BORTHWICK mit seiner Frau MARIA CORNEJO, New York<br />
TERRY RICHARDSON, RUSSELL<br />
SIMINS & OLIVIER ZAHM<br />
feiern Thanksgiving, New York<br />
SEAN LENNON und MARK RONSON, New York<br />
RYAN McGINLEY, JACK PIERSON & eine Freundin bei<br />
McGinleys Vernissage, Galerie Perrotin, Paris<br />
CATHERINE BABA im Hotel<br />
Prince de Galles, Paris<br />
ALEXANDRA WORONIECKA, New York<br />
DRAKE BURNETTE aus<br />
LARRY CLARKS Film „Marfa Girl“, New York<br />
VINCENT DARRÉ im Hotel<br />
Prince de Galles, Paris<br />
Der Wintergarten im Hotel Prince de Galles, Paris
LANGLEY FOX<br />
HEMINGWAY, Paris<br />
KARLEY SCIORTINO von „Slutever“, New York<br />
ANNABELLE DEXTER-JONES &<br />
SANTE D’ORAZIO beim Dinner für<br />
CHRISTOPHER WOOL, New York<br />
ANDRÉ SARAIVA & DREE HEMINGWAY bei<br />
CHLOË SEVIGNYS Geburtstagsparty, New York<br />
Immer<br />
im Dienst<br />
New York, Paris, Der<br />
GeburtstaG voN<br />
ChloË<br />
seviGNY,<br />
thaNksGiviNG-luNCh,<br />
verNissaGeN: uNser<br />
PartY-korresPoNDeNt<br />
kommt GaNz sChöN<br />
rum. aber sChlaf wirD<br />
sowieso übersChätzt<br />
Fotos Olivier Zahm<br />
175<br />
JOSH HARTNETT, ANDRÉ SARAIVA &<br />
eine Freundin, Galerie Perrotin, Paris<br />
CHLOË SEVIGNY bei ihrer Geburtstagsparty, New York<br />
THIERRY GILLIER & CECILIA BONSTROM beim<br />
Dinner für CHRISTOPHER WOOL, New York
Ein Kunstfest für 900 geladene Gäste<br />
Udo Wachtveitl mit Lila Schulz<br />
Okwui Enwezor<br />
Insgesamt 31 Kunstwerke kamen zur Versteigerung<br />
176<br />
Anton Hennings<br />
„Portrait No. 332“ ging<br />
für 31 000 Euro weg<br />
Auktionator Andreas Rumbler (Christie’s),<br />
Katharina Freifrau von Perfall, Sigrid Löscher-Lorenz<br />
Kommt,<br />
Kunst!<br />
Bei der Pin.-Party<br />
in der Münchner<br />
Pinakothek der<br />
Moderne wurde<br />
kunst ersteigert<br />
und viel getanzt.<br />
„interview“ war<br />
M edienPartner<br />
Fotos August<br />
Castell-Castell<br />
Benjamin Bergmanns „Wischmopp“ mit Partygast<br />
Andreas Mühe und Begleitung<br />
FOTOS: © Michael Tinnefeld (2)
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Cate<br />
Blanchett<br />
gab 2000 eine seltsame Antwort<br />
auf die Frage, wie sie Rollen<br />
anlegt. Die Methode wirkt noch:<br />
golden globe, oscaR<br />
– alles scheint möglich<br />
Flashback<br />
180<br />
„<strong>Interview</strong>”, Januar 2000<br />
graham fuller: Sind Sie noch aus denselben<br />
Gründen Schauspielerin, aus denen Sie eine<br />
geworden sind?<br />
cate Blanchett: Ich weiß nicht einmal<br />
mehr, warum ich eine werden wollte.<br />
Noch in der Schauspielschule habe ich die<br />
Schauspielerei für ein wenig frivol gehalten<br />
und darüber nachgedacht, wieder an<br />
die Uni zurückzugehen, um Architektur<br />
zu studieren. Aber dann hatte ich eine<br />
wunderbare Lehrerin namens Lindy Davies.<br />
Ihretwegen habe ich beschlossen, dem<br />
Schauspielen eine Chance zu geben. Und<br />
danach nie wieder aufgehört.<br />
fuller: Analysieren Sie Ihre Rollen oder<br />
stürzen Sie sich einfach hinein?<br />
Blanchett: Das hängt von den Geschichten<br />
ab. Zuerst plansche ich so an den Rändern<br />
herum … (Pause) Als Kind habe ich mich mit<br />
den Schulhofdiktatoren angelegt, weil ich<br />
es nicht ertragen konnte, wenn ein Kind<br />
gemobbt wurde. Aber irgendwie ist jedes<br />
Kind auf seine ganz eigene<br />
Weise grausam. Mit neun<br />
habe ich seltsame Dinge mit<br />
Schnecken gemacht, nachdem<br />
ich eine Wissenschaftssendung<br />
gesehen hatte. Ich besorgte mir<br />
Schnecken, ungefähr 70, und<br />
legte sie auf einen Haufen und<br />
schüttete Salz über sie, weil ich<br />
gehört hatte, dass Salz jede<br />
Flüssigkeit aus ihnen zieht. Natürlich haben<br />
sie begonnen, Blasen zu werfen. Ich<br />
habe versucht, das Salz abzuwischen, und<br />
schließlich bin ich davongelaufen und<br />
habe mir das Ende des Experiments gar<br />
nicht mehr angesehen. Am nächsten Tag<br />
waren sie alle tot, und ich habe sie in<br />
einem Massengrab bestattet. Das habe ich<br />
mir niemals verziehen. Aber um Ihre<br />
Frage zu beantworten: Ich glaube, dass ich<br />
so meine Rollen anlege. Ich schütte<br />
Salz über sie und gucke zu, was passiert.<br />
die nächste<br />
ausgabe von<br />
<strong>Interview</strong><br />
eRscheint am<br />
19. febRuaR 2014<br />
FOTOS: Karl Lagerfeld für <strong>Interview</strong> Magazine, Januar 2000
I N T E R N A T I O N A L<br />
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