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Interview Die nächste Kate Moss? - Cara Delevingne (Vorschau)

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mai april 2013<br />

6 Euro<br />

05<br />

04<br />

4 192449 106002<br />

<strong>Cara</strong><br />

DIE NÄCHSTE KATE MOSS?<br />

En Vogue<br />

Frau <strong>Delevingne</strong> kruGer<br />

Abgeschminkt!<br />

Katja RieMAnn<br />

<strong>Die</strong> Jugendsünden des<br />

Mark WAhlbeRg<br />

Rooney MARA vs.<br />

Steven soDeRbeRgh<br />

Queen Mum of Punk<br />

Vivienne WestWooD<br />

Spring Break mit Selena Gomez<br />

<strong>Die</strong> wundersame Welt der Isa Genzken<br />

ein Gespräch mit David BoWIe<br />

Hedi Slimanes muse Sky FerreIra<br />

… und der Abschlussball der deutschen Filmprominenz


mai 2013<br />

6 Euro<br />

<strong>Die</strong> <strong>nächste</strong> <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong>?<br />

<strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong><br />

Queen Mum of Punk<br />

Vivienne WestWooD<br />

Rooney MARA vs.<br />

Steven soDeRbeRgh<br />

<strong>Die</strong> Jugendsünden des<br />

Mark WAhlbeRg<br />

liebe, glAube,<br />

hoffnung<br />

<strong>Die</strong> drei girls reden<br />

über die trilogie,<br />

über die alle reden<br />

05<br />

4 192449 106002<br />

Abgeschminkt!<br />

Katja<br />

Riemann


LeagasDelaney.de<br />

in unseren händen wird ein<br />

schmuckstück zu etwas einzigartigem.<br />

zum beispiel zu unendlichkeit.<br />

helioro by kim<br />

die perfekte symbiose aus kunst & können.<br />

In unserem Atelier in Schwäbisch Gmünd arbeitet Kim-Eva Wempe seit 1999 mit<br />

Kreativdirektorin Catherine Plouchard und einem erstklassigen Team an ihrer<br />

gemeinsamen Vision: magischer Schmuck, der mit dem Zeitgeist Schritt hält und<br />

sich international als moderner Klassiker durchsetzt.<br />

Feinarbeit: <strong>Die</strong> Perfektion liegt im Detail<br />

Materiell wertvoll & emotional kostbar.<br />

Edles Gold wird zu berührendem Schmuck, der nicht nur gut aussieht, sondern<br />

sich auch ebenso anfühlt. Schmuck, der auffallend schön ist, ohne laut zu sein.<br />

Neu gedacht und dabei so vertraut, als hätte es ihn immer schon gegeben. Schmuck<br />

BY KIM steht für eine universelle und unverwechselbare Formensprache, die von<br />

Frauen auf der ganzen Welt verstanden wird.<br />

Bereit zum Guss: 18-karätiges Roségold<br />

Formel für unendlichkeit.<br />

Helioro hat seinen Namen dem griechischen Sonnengott „Helios“ und dem italienischen<br />

Wort für Gold „oro“ zu verdanken und verkörpert das Attribut Innovation<br />

in beeindruckender Weise. Gefertigt mit Hilfe eines technisch anspruchsvollen<br />

Verfahrens wird Helioro BY KIM zu Goldschmiedekunst in Vollendung. Scheinbar<br />

endlos verbindet die komplexe Struktur neun Goldstränge wie Sonnenstrahlen zu<br />

einem einmaligen Symbol der Unendlichkeit.<br />

Ikone zum Anfassen: Helioro BY KIM<br />

An den besten Adressen Deutschlands<br />

und in London, Paris, Madrid, Wien, New York und Peking.<br />

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Mai 2013<br />

inhalt<br />

start<br />

sMaLLtaLK<br />

Kleine Gespräche mit großen Leuten:<br />

Mark WAHLBERG, Klaus BIESENBACH, Julia RESTOIN<br />

ROITFELD, Simon PEGG, Steven VAN ZANDT & WESTBAM<br />

Seite 23<br />

sUPErstars<br />

Auf dem Weg nach vorn: <strong>Die</strong> Schauspielerin VEERLE BAETENS<br />

& der Künstler ÉDOUARD NARDON<br />

Seite 28<br />

WOW!<br />

Schmuck, Taschen, Uhren, Andy Warhols Königinnen und andere<br />

schöne Dinge – die Gebrauchs anweisung für den Monat Mai<br />

Seite 32<br />

PUnK’s nOt dEad – PUnK’s FashiOn<br />

Da muss man nicht erst Vivienne Westwood fragen: Ohne Nieten<br />

ist man in diesem Frühjahr eine Niete<br />

Seite 38<br />

rOOnEy Mara & stEvEn sOdErbErgh<br />

In ihrem neuen Film Side Effects wirkt die Schauspielerin ziemlich<br />

sediert – ganz anders als in diesem Gespräch mit Steven Soderbergh<br />

Seite 40<br />

badEMOdE<br />

Splash: So machen Sie an jedem Pool eine gute Figur<br />

Seite 44<br />

nOW!<br />

Neue Filme und Serien, Bücher und Ausstellungen<br />

Seite 48<br />

<strong>Die</strong> Sinnlichkeit enthüllt sich<br />

Foto ben haSSett<br />

Styling jUlia vOn bOehm<br />

blazer & hose anthOnY vaCCarellO<br />

Ohrringe eD<strong>Die</strong> bOrgO<br />

make (me) UP beFOre YOU gO-gO<br />

WOOdKid & santigOLd<br />

Er dreht Videos mit Taylor Swift und Rihanna, inspiriert die<br />

Kollek tionen von Dior und schafft es nebenbei noch, bildgewaltige<br />

Lieder für die Ewigkeit zu schreiben. Nur die Sache mit dem Käse<br />

in Amerika, die nervt den Musiker ein wenig<br />

Seite 50<br />

JOEy gOEbEL & rObErt stadLObEr<br />

Der eine schreibt großartige Romane über Außenseiter an der High -<br />

school, der andere verweigert seit Jahren schon den Auftritt am roten<br />

Teppich. Zusammen gehen die Freaks auf Lesereise. Ein Treffen<br />

Seite 52<br />

yOU arE bEaUty-FUL<br />

<strong>Die</strong> Zeit des schüchternen Make-ups, das immer so tun wollte,<br />

als sei es nicht da, ist endlich vorbei. Drama, Baby. Yeah!<br />

Fotografiert von BEN HASSETT<br />

Seite 144<br />

<strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong><br />

Foto Peter linDbergh<br />

Styling karl temPler<br />

mantel bUrberrY PrOrSUm<br />

Stay-ups Falke<br />

Schuhe nina riCCi<br />

katja riemann<br />

Foto OlaF WiPPerFürth<br />

Styling klaUS StOCkhaUSen<br />

11<br />

bEaUty<br />

NEWS:<br />

Der große Gatsby, Prada, Lip Booster<br />

Seite 152<br />

INSPIRATION:<br />

Mascara in Gelb, Mint, Kobaltblau; Freja Beha Erichsen<br />

Seite 153<br />

KOLUMNE:<br />

Cremen! Massieren! Slimyonik!<br />

Seite 154


7forallmankind.com<br />

STORIES<br />

CARA DELEVINGNE<br />

Paris, Mailand, New York: <strong>Die</strong> Modewelt spielt<br />

verrückt wegen dieses Mädchens, <strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong>, 20,<br />

buschige Brauen und very British.<br />

Sie wird bereits als die <strong>nächste</strong> <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong> gefeiert.<br />

PETER LINDBERGH fotografierte sie für INTERVIEW<br />

Von DAVID COLMAN<br />

Seite 56<br />

KATJA RIEMANN<br />

Und auf einmal ging ein Wirbelsturm los:<br />

Katja Riemann hat einem peinlichen Moderator patzig<br />

geantwortet. Na und? Kurz vor der Premiere ihres<br />

neuen Films Das Wochenende führten wir mit Deutschlands<br />

bester Charakterschauspielerin ein Gespräch über<br />

Perücken, Missgunst und die Sehnsucht nach<br />

einem Bauwagen<br />

Von JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />

Seite 66<br />

FASHION I<br />

SHOPPING<br />

Fotografiert von MIKAEL JANSSON<br />

Seite 80<br />

FASHION II<br />

AMERICANA<br />

Fotografiert von SEBASTIAN FAENA<br />

Seite 96<br />

ODA JAUNE<br />

Nach dem Tod ihrer großen Liebe ging Oda Jaune<br />

nach Paris, um dort sich selbst, ihre Kunst, ihre eigene<br />

Geschichte zu finden – die einer bemerkenswerten Malerin,<br />

die so großartige wie geheimnisvolle Bilder in Öl malt<br />

Von JONATHAN MEESE<br />

Seite 108<br />

INHALT<br />

LIEBE, GLAUBE, HOFFNUNG<br />

Der Regisseur Ulrich Seidl hat mit seiner Paradies-Trilogie<br />

dem deutschsprachigen Kino das geschenkt, was Der Herr<br />

der Ringe für Neuseeland und Star Wars für Amerika ist<br />

Von und mit MARIA HOFSTÄTTER,<br />

MELANIE LENZ & MARGARETHE TIESEL<br />

Seite 118<br />

VIVIENNE WESTWOOD<br />

Never Mind The Fashion, Here’s Dame Vivienne!<br />

Im Mai ehrt das Metropolitan Museum in New York<br />

die Queen Mum of Punk<br />

Von TIM BLANKS<br />

Seite 124<br />

KATJA RIEMANN, 2013<br />

Foto OLAF WIPPERFÜRTH<br />

Styling KLAUS STOCKHAUSEN<br />

Blazer VERSACE<br />

Hose ANN DEMEULEMEESTER<br />

PS<br />

KURZGESCHICHTE<br />

Zwei- oder dreihundert Dinge,<br />

die ich von ihr weiß<br />

Von DAVID WAGNER<br />

Seite 156<br />

A Beautiful Odyssey by James Franco<br />

The fate of two lovers is in your hands at Facebook.com/7forallmankindEU<br />

GUY BOURDIN<br />

Bei der Vogue in Paris ritt Guy Bourdin gerne mal mit einem<br />

Kamel vor, und auch in seinen Bildern mochte es der<br />

Modefotograf exzentrisch. Ein neuer Dokumentarfilm feiert<br />

den einflussreichen Stilisten, wir präsentieren Bourdins<br />

Bilder als Portfolio<br />

Seite 132<br />

CAMERON CARPENTER<br />

Franz Liszt und Lana Del Rey, Leonard Cohen und Johann<br />

Sebastian Bach: Cameron Carpenter ist ein virtuoser Grenzgänger<br />

und mit Sicherheit der farbenfrohste Organist aller Zeiten<br />

Von KATHARINA GROSSE<br />

Seite 138<br />

ODA JAUNE IN IHREM ATELIER,<br />

PARIS, MÄRZ 2013<br />

Foto JONAS UNGER<br />

13<br />

PARTY<br />

Karl Lagerfeld! <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong>!<br />

Karlie Kloss! Kanye West!<br />

So feierte Carine<br />

Roitfeld in Paris<br />

Seite 158<br />

FLASHBACK<br />

Salvador Dalí<br />

Seite 162<br />

EDITORIAL S. 15<br />

IMPRESSUM S. 16<br />

MITARBEITER S. 20<br />

ABONNEMENT S. 43<br />

HERSTELLERNACHWEIS S. 160


editoriAl<br />

MSGM<br />

A<br />

MSGM.IT<br />

painting by George W. Bush of his dog Barney, courtesy of the Bush family<br />

Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

eigentlich bin ich auf Abruf.<br />

Der Geburtstermin der ersten Tochter ist kommenden Montag, und<br />

da weder das Bettchen steht noch die Wärmelampe angeschraubt ist,<br />

liegt eigentlich Dringlicheres an, als diese Zeilen zu schreiben.<br />

Drei wichtige Tugenden, die ich Hedi (so heißt die Tochter) mit auf den Weg geben will,<br />

sind in dieser Ausgabe vertreten. Sie heißen GlAuBe, lieBe und HoffnunG.<br />

es sind klassische Werte des Abendlandes, und da ich es eigentlich eher mit Richard<br />

Dawkins und weniger mit der christlichen liturgie halte, freut es mich sehr, wie der<br />

österreichische Regisseur Ulrich SeiDl in seiner wirklich brillanten PARA<strong>Die</strong>S-Trilogie<br />

mit diesen umgegangen ist (Seite 118).<br />

GlAuBe<br />

Was uns, vor allem aber die YouTube-nation Deutschland, beschäftigt hat, war der<br />

Auftritt von Katja RieMAnn auf diesem roten Sofa. Der Aufschrei, der darauf<br />

(angeführt von den Medientaliban des deutschen Boulevards) folgte, kann lediglich mit<br />

Heisenbergs unschärferelation umrissen werden. <strong>Die</strong> Redaktion steht selbstverständlich<br />

geschlossen hinter Katja. und das nicht erst, seit Deutschlands beste Charakterdarstellerin<br />

für uns noch einmal die Perücke aufgesetzt hat (Seite 66).<br />

lieBe<br />

Sie heißt <strong>Cara</strong> DelevinGne, ist 20, das meistbeschäftigte Model der Saison und gilt<br />

vielen bereits als die <strong>nächste</strong> <strong>Kate</strong>. Das ist natürlich maßlos übertrieben, weil es nur eine<br />

<strong>Kate</strong> gibt. und die heißt nicht <strong>Kate</strong> Middleton! Dennoch sind wir sehr stolz auf <strong>Cara</strong><br />

<strong>Delevingne</strong>, die Peter linDBeRGH für INTERVIEW in Paris fotografiert hat (Seite 56).<br />

HoffnunG<br />

eigentlich wollten wir ihnen die Ölgemälde des 43. Präsidenten der vereinigten Staaten in<br />

einem großen Portfolio präsentieren. Ja, George W. malt: landschaften, Hunde (siehe oben)<br />

und nackte Selbstporträts im Badezimmer. es sind bestechend einfache Bilder, man könnte<br />

auch sagen, naiv. Trotz mehrerer Anläufe ließ uns ein Sprecher des ex-Präsidenten wissen:<br />

“He really isn’t seeking any more attention. eight years as President was plenty.”<br />

Wir bleiben dran.<br />

Herzlichst<br />

Ihr Jörg Harlan Rohleder<br />

15


Chefredaktion Jörg Harlan RoHledeR<br />

Art Director Mike MeiRé<br />

Fashion Director Klaus StocKHauSen<br />

Photography Director Frank Seidlitz<br />

Senior Editor Harald PeteRS<br />

Editors Heike BlüMneR, laura eweRt, Beauty Editor Bettina BRenn<br />

Assistant Photography dorothea FiedleR, Assistant Fashion caroline leMBlé<br />

Assistant Editorial Rebecca HoFFMann<br />

International Fashion Director Julia von BoeHM<br />

International Editor at Large naomi caMPBell<br />

International Editor aliona doletSKaya<br />

art<br />

tim GieSen<br />

Hannes aecHteR, agnes GRüB<br />

digital<br />

Editor nina ScHolz, Junior Editor Katharina BÖHM<br />

Intern Hella ScHneideR<br />

Managing Editor und Chef vom <strong>Die</strong>nst Silke Menzel<br />

Textchefin elisabeth ScHMidt<br />

Schlussredaktion ulrike MatteRn, Ralph ScHünGel, Kerstin SGonina<br />

Mitarbeiter dieser ausgabe<br />

tim BlanKS, ludger BooMS, Jan BRandt, clare ByRne,<br />

david colMan, Katharina GRoSSe, Sönke HallMann,<br />

Maria HoFStätteR, Friederike JunG, Melanie lenz, Jonathan MeeSe,<br />

niki PaulS, Vanessa Reid, SantiGold,<br />

Steven SodeRBeRGH, Robert StadloBeR, Karl teMPleR,<br />

Margarethe tieSel, adia tRiScHleR,<br />

andrew tucKeR, david waGneR<br />

Fotografen dieser ausgabe<br />

Mert alaS & Marcus PiGGott, Guy BouRdin,<br />

Sebastian Faena, Ben HaSSett, Mikael JanSSon,<br />

Jens KaeSeMann, Peter lindBeRGH, Jonas lindStRoeM,<br />

Michael Mann, oliver MaRK, craig Mcdean,<br />

Jonas unGeR, charlotte waleS, Jork weiSMann,<br />

olaf wiPPeRFüRtH<br />

Produktion<br />

Lithografie Max-coloR, wrangelstraße 64, 10997 Berlin<br />

Druck MoHn Media MoHndRucK GMBH, carl-Bertelsmann-Straße 161 M, 33311 Gütersloh<br />

Manufacturing Director oleg noViKoV<br />

Verantwortlich für den redaktionellen inhalt<br />

Jörg Harlan RoHledeR<br />

Board of directors interview Publishing House Germany<br />

Vladislav doRonin, Bernd RunGe<br />

BMP Media Holdings, llc<br />

Chairman Peter M. BRant<br />

www.iNterview.De<br />

16<br />

www.madlykenzo.com


Herausgeber und Geschäftsführer Bernd runge<br />

Publishing Director Anja Schwing<br />

Anzeigen<br />

Sales Director (Nielsen I, II, IIIa, V, VI, VII) iris gräBner<br />

Tel.: 030/2000 89-120, iris.graebner@atelier-publications.de<br />

Sales Director (Nielsen II, IIIb, IV, Österreich) Tanja SchrADer<br />

Tel.: 089/35 63 77 44, tanja.schrader@atelier-publications.de<br />

Frankreich Valérie DeSchAMPS-wrighT<br />

escalier D, 2 étage gauche, 25–27 rue Danielle casanova, 75001 Paris<br />

Tel.: 00 33/6/04 65 26 51, valerie.deschamps-wright@interviewint.com<br />

Italien Fabio MonToBBio<br />

rock Media, Largo cairoli, 2, 20121 Mailand<br />

Tel.: 00 39/02/78 26 08, info@rockmedia.it<br />

Advertising Service Manager Jacqueline ZioB (Ltg.), Susann BuchroTh<br />

Tel.: 030/2000 89-121, jacqueline.ziob@atelier-publications.de<br />

Communications Manager charlotte wieDeMAnn<br />

Marketing Manager wilkin SchrÖDer<br />

Interns eva BAureiS, Kara woLF<br />

Assistenz Kathleen MASSierer, Tel.: 030/2000 89-165<br />

UGG<br />

IT Manager Patrick hArTwig<br />

Office Manager hilko renTeL<br />

Verantwortlich für Anzeigen<br />

Atelier Publications Deutschland gmbh & co. Kg<br />

Mommsenstraße 57, 10629 Berlin<br />

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Geschäftsführer Anja Schwing<br />

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Preise, Verfügbarkeit und Bestellungen unter www.interview.de/einzelheft,<br />

bei weiteren Fragen Tel.: 030/2000 89-164<br />

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interview erscheint zehnmal im Jahr in der interview Ph gmbh.<br />

Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste vom 1. Januar 2013.<br />

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Für unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird<br />

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Andy warhol’s interview (TM). All rights reserved.<br />

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18<br />

19


MITARBEITER<br />

Städel Museum aus und forderte nebenbei unter<br />

anderem die „Diktatur der Kunst“. Er ist einer der<br />

wich tigsten deutschen Gegenwartskünstler. Für <strong>Interview</strong><br />

sprach er mit seiner Kollegin Oda Jaune.<br />

Seite 108<br />

www.eliesaab.com<br />

SANTIGOLD<br />

Santigold heißt eigentlich Santi White, und früher<br />

hieß sie auch mal Santogold; unter beiden Künstlernamen<br />

hat die amerikanische Sängerin jeweils ein Album<br />

aufgenommen. Darauf mixte sie mit leichter<br />

Hand R ’n’ B, Electro, HipHop und Indierock mit<br />

richtungsweisendem Ergebnis. Außerdem war sie mal<br />

Sängerin einer Punkband, arbeitete mit Produzenten<br />

wie Diplo oder Switch, tourte mit M.I.A. und Björk<br />

und stand mit Jay-Z auf der Bühne. Bei ihren Konzerten<br />

tragen ihre Tänzerinnen gern Tierkostüme, was<br />

wir für eine gute Idee halten. Für <strong>Interview</strong> sprach sie<br />

mit ihrem vielseitig begabten Kollegen Woodkid.<br />

Seite 50<br />

Peter LINDBERGH<br />

Dass Lindbergh, einer der berühmtesten (Mode-)<br />

Foto grafen des Planeten, <strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong>, das derzeit<br />

angesagteste Model (und It-Girl) des Planeten,<br />

fotografiert, kann man durchaus als gelungene und<br />

sensationelle Kombination bezeichnen. Genauso wie<br />

die so entstandenen Bilder. Lindbergh, 1944 im heutigen<br />

Polen geboren, lebt und arbeitet in Paris und<br />

New York. Unter anderem fotografierte der studierte<br />

Maler – angebliches Vorbild: van Gogh – Stars wie<br />

<strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong>, Beyoncé und Nicole Kidman.<br />

Seite 56<br />

Steven SODERBERGH<br />

Als Soderbergh am Abend der Bekanntgabe seines<br />

ge planten Ruhestands gefragt wurde, ob er Rooney<br />

Mara, die Hauptdarstellerin seines letzten Kinofilms<br />

Side Effects, interviewen wolle, war er entschlossen,<br />

die üblichen Schmeicheleien zwischen Regisseur und<br />

Schauspielerin strikt zu vermeiden. Erfolgreich. Denn<br />

stattdessen stellte er ihr ein paar recht rücksichtslose<br />

Fragen. „Das <strong>Interview</strong> war eine Qual, Rooney kann ja<br />

nicht mal richtig lesen“, sagte der 50-Jährige hinterher.<br />

„Ich musste es einem Freund zum Dechiffrieren<br />

schicken, der bei der Nationalen Sicherheitsbehörde<br />

Terroristen überwacht.“<br />

Seite 40<br />

Jonathan MEESE<br />

Hitlergruß, Werbung für die Bild-Zeitung und nie um<br />

eine Meinung verlegen: Das Werk des 43-jährigen<br />

Künstlers Jonathan Meese umfasst mehr als Collagen,<br />

Malerei, Skulpturen und Installationen. Es ist immer<br />

auch der Auftritt des in Tokio geborenen Studienabbrechers,<br />

der zu Verzücken und Entsetzen führt.<br />

Vertreten wird Meese durch die Galerie Contemporary<br />

Fine Arts, er stellte im Centre Pompidou oder<br />

Robert STADLOBER<br />

Mit der Rolle des wuscheligen Rolling-Stones-Fans in<br />

Sonnenallee kam der Durchbruch. Gleich danach folgte<br />

die beliebte Kekswichsszene in Crazy, und der junge<br />

Stadlober war vollends berühmt. Bis heute spielte<br />

der 30-Jährige zahlreiche Rollen in Theater und Film,<br />

nebenbei gründete er die Band Gary, betrieb das<br />

Musik label Siluh Records und gewann mit dem politischen<br />

Herzen auf der richtigen Seite einige treue<br />

Anhänger. Und weil das alles noch nicht genug ist,<br />

nimmt er Hörbücher auf, arbeitet als Synchronsprecher<br />

und trägt gern schwarze Anzüge. Für <strong>Interview</strong><br />

sprach er mit dem Schriftsteller und Musiker Joey<br />

Goebel, den er vor Kurzem auf Lesereise begleitete.<br />

Seite 52<br />

Olaf WIPPERFÜRTH<br />

Früher fotografierte Olaf Wipperfürth Katzen, Hunde<br />

und Sittiche. Nach dem Studium der Philosophie<br />

und Kunstgeschichte zog es ihn zurück hinter die<br />

Kamera und von Düsseldorf nach Paris, wo die Motive<br />

naturgemäß andere sind. Anstelle flauschiger<br />

Tiere räkeln sich nun lieber Models und Musen vor<br />

seiner Kamera, darunter Jane Birkin, Lou Doillon<br />

und Lily Cole. Für <strong>Interview</strong> kehrte Wipperfürth in<br />

sein Heimatland zurück, um die Schauspielerin Katja<br />

Riemann in Szene zu setzen. Dass der Fotograf, dessen<br />

Doktorarbeit von der „Ästhetik des Augenblicks“<br />

handelt, tatsächlich etwas von selbiger versteht,<br />

beweisen seine Fotos.<br />

Seite 66<br />

Julia VON BOEHM<br />

Der Lebenslauf von Julia von Boehm könnte als Poster<br />

an der Wand einer jeden aufstrebenden Fashionista<br />

hängen: Studium an der renommierten École de la<br />

Chambre Syndicale, gefolgt von fünf Jahren bei der<br />

französischen Vogue, wo sie ihre Karriere als Assistentin<br />

von keiner Geringeren als Carine Roitfeld begann.<br />

Hinzu kommen namhafte Kunden von Tom Ford bis<br />

YSL. Mit gerade mal 33 Jahren hat die Moderedakteurin<br />

und Stylistin sich längst einen Namen gemacht.<br />

Mittlerweile lebt und arbeitet sie in New York – laut<br />

von Boehm nicht so künstlerisch wie Paris, „aber<br />

professioneller“. Seit Februar ist sie nun auch International<br />

Fashion Director der deutschen <strong>Interview</strong>.<br />

Ein Zugewinn, wie anhand der aktuellen Beautysowie<br />

der Modestrecke Americana zweifelsohne zu<br />

erkennen ist.<br />

Seite 144 / Seite 96<br />

Fotos: Sean Thomas; Jens Kaesemann; Ward Ivan Rafik; privat; ddp images; Gerard Malanga für <strong>Interview</strong> Deutschland Februar 2012; Ben Hassett


PeoPLe<br />

SmalltaLK<br />

Kleine Gespräche mit großen Leuten:<br />

Mark WahLberG, Klaus biesenbach, Julia restoin roitfeLd,<br />

simon PeGG, steven Van Zandt & WestbaM<br />

HAVE YOU SEEN PEPE?<br />

SHOP THE FILM AT PEPEJEANS.COM<br />

Foto: Bruce Weber für <strong>Interview</strong> Magazine, Februar 1992<br />

„Was Würde<br />

Marky Mark<br />

dazu sagen?”<br />

MarK WahLberG,<br />

41, will lieber brav sein<br />

Oben Ohne War gestern: Marky Mark iM Februar 1992<br />

intervieW: Schickes Cover!<br />

Mark Wahlberg: Ich war sehr stolz damals. Allerdings<br />

bevorzuge ich es heute, nicht nur in Boxershorts<br />

durch die Welt zu laufen.<br />

intervieW: Dabei standen sie dir so gut.<br />

Wahlberg: Haha. Bevor du fragst: Ich hab alle verschenkt.<br />

Zumindest die von Calvin Klein.<br />

intervieW: Und die Wahnsinns­Buxe, die du als<br />

Dirk Diggler in Boogie Nights ziemlich imposant ausgefüllt<br />

hast?<br />

Wahlberg: Das war eine Penisattrappe, die nicht<br />

angenehm zu tragen war. Wenn das mein Schwanz<br />

23<br />

wäre, würde ich wahrscheinlich jedes Mal in Ohnmacht<br />

fallen, wenn ich eine Erektion hätte. Nicht<br />

wirklich praktisch also. Aber ich gebe zu: Es sah<br />

ziemlich gut aus.<br />

intervieW: Schauen andere Männer heute noch verstohlen<br />

rüber, wenn du pinkeln musst?<br />

Wahlberg: Es wird Gott sei Dank weniger. Vielleicht<br />

achte ich aber auch nicht mehr so darauf.<br />

intervieW: Dein Image als Underdog pflegst du<br />

hingegen nach wie vor.<br />

Wahlberg: Man ist, was man ist.<br />

intervieW: In deinem neuen Film Broken City spielst<br />

du einen Cop, der rausgeflogen ist, weil er Selbstjustiz<br />

verübt.<br />

Wahlberg: Ja, auch mit Bullen kenne ich mich aus<br />

(lacht). Aber das habe ich dir schon bei unserem letzten<br />

Gespräch alles erzählt. Meine Jugend war hart, es<br />

gab keine Vorbilder. Wir waren jung, wild, rücksichtslos.<br />

Ich habe Fehler gemacht, Menschen verletzt,<br />

schlimme Dinge getrieben. Aber ich habe auch<br />

dafür gebüßt …<br />

intervieW: … und es deinem Pfarrer gebeichtet.<br />

Wahlberg: Richtig. Father Flavin. Er hat schon einiges<br />

mit mir durchgestanden. Früher allerdings<br />

deutlich mehr als heute. Als ich ihn das letzte Mal<br />

gesehen habe, sind wir zusammen eine Runde Golf<br />

spielen gewesen.<br />

intervieW: Was für ein braves Leben.<br />

Wahlberg: Na ja, wer mit 13 kokst, sollte spätestens<br />

mit Mitte 20 damit durch sein.<br />

intervieW: Mit 17 saßest du für 45 Tage im Gefängnis.<br />

War das der Ort, an dem du kapiert hast, dass<br />

sich dein Leben ändern muss?<br />

Wahlberg: Eigentlich wusste ich das schon vorher.<br />

Aber damals war mir egal, ob ich lebe, sterbe oder im<br />

Knast sitze.<br />

intervieW: Vielleicht hättest du einfach Ja sagen<br />

sollen, als dein Bruder Donnie dich zu den New Kids<br />

holen wollte.<br />

Wahlberg: So stimmt das nicht: Wir wollten eine<br />

Rap­Gruppe gründen – und dann kam Donnie mit<br />

dieser Boyband­Nummer …<br />

intervieW: War Donnie dir damals peinlich? Du<br />

wurdest Marky Mark, Straßenkämpfer und Rapper,<br />

Donnie wurde die Heulsuse aus der Boyband.<br />

Wahlberg: Nicht wirklich. Betont habe ich es aber<br />

auch nicht extra.<br />

intervieW: Was würde der 17­jährige Mark, der gerade<br />

aus dem Knast entlassen wurde, über den Mark<br />

Wahlberg sagen, der heute hier sitzt?<br />

Wahlberg: Er würde mich eine fucking pussy<br />

schimpfen und mir wahrscheinlich aufs Maul hauen<br />

wollen.<br />

intervieW: Elton John hat mal gesagt, er wolle als<br />

Marky Mark wiedergeboren werden.<br />

Wahlberg: Ich hoffe doch, weil ich so schön singen<br />

kann!<br />

intervieW: Würdest du denn gerne als Elton John<br />

wiedergeboren werden?


PEOPLE/SmallTALK<br />

WAHLBERG: Wenn ich im Auto sitze und im Radio<br />

Tiny Dancer höre, singe ich mit. Das muss reichen.<br />

INTERVIEW: Rappst du auch bei Good Vibrations mit?<br />

WAHLBERG: Heimlich vielleicht. Mittlerweile finde<br />

ich die ganzen Sachen eher amüsant. Wirklich hart<br />

ist es eigentlich nur, wenn nachts auf irgendeinem<br />

Musiksender eines der Videos läuft.<br />

INTERVIEW: Im Internet kursiert das Gerücht, du<br />

hättest in einer der Maschinen sitzen sollen, die am<br />

11. September 2001 entführt wurden.<br />

WAHLBERG: Es gab eine Reservierung, ja. Ich sollte<br />

eigentlich von Boston nach Los Angeles fliegen, mit<br />

einer der Maschinen also, die später in einem der<br />

Türme landeten.<br />

INTERVIEW: Und wieso hast du den Flug nicht angetreten?<br />

WAHLBERG: Ein guter Freund von mir hatte private<br />

Probleme und bat mich zu bleiben. Ihm verdanke ich<br />

mein Leben.<br />

<strong>Interview</strong> JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />

BROKEN CITY KOMMT AM<br />

18. APRIL INS KINO<br />

„MADONNA<br />

HAT AUCH MIT<br />

ANGEPACKT?”<br />

MoMA-Kurator KLAUS<br />

BIESENBACH, 47,<br />

erklärt, was das Projekt<br />

EXPO 1 mit Hurrikan<br />

Sandy zu tun hat<br />

INTERVIEW: EXPO 1 soll in Rockaway stattfinden,<br />

einer Gegend, die ganz besonders von Hurrikan<br />

Sandy getroffen wurde. Was für Leute leben dort?<br />

KLAUS BIESENBACH: Das ist bunt durchmischt. Es<br />

gibt viele Arme, aber auch mittelständische Familien.<br />

Viele Piloten haben sich hier ein Haus am Meer<br />

gekauft. JFK ist ganz in der Nähe. Und dann gibt es<br />

viele Künstler, Surfer und Hipster. <strong>Die</strong> Hipster sind<br />

die neuen Helden hier.<br />

INTERVIEW: <strong>Die</strong> Hipster?<br />

BIESENBACH: Ja. Sie werden jetzt auch Helpster genannt,<br />

weil sie die Ersten waren, die nach Sandy mit<br />

angepackt haben. Alle anderen hatten so viel mit ihrem<br />

eigenen Krempel zu tun, die waren quasi wie gelähmt.<br />

<strong>Die</strong> Hipster haben keine Familien, keinen Ballast.<br />

INTERVIEW: Sie haben auch gleich geholfen?<br />

BIESENBACH: Das war wie ein Reflex bei mir. Ich habe<br />

gedacht: Wir dürfen kein zweites Katrina zulassen.<br />

Wir müssen etwas tun. – Schau, da ist das Wasser! Das<br />

ist wirklich eine ganz schöne Gegend hier!<br />

INTERVIEW: Es ist wirklich wunderschön. Wie haben<br />

Sie denn geholfen?<br />

BIESENBACH: Mit 30 Meter langen Rettungszelten,<br />

Solaranlangen, Generatoren. Ich habe<br />

diese geodätische Buckminster-Fuller-Kuppel,<br />

in der die EXPO 1 in Rockaway stattfinden<br />

wird, in kürzester Zeit organisieren können.<br />

Ich habe mit meinem Zugang zu Ressourcen<br />

und Menschen geholfen.<br />

INTERVIEW: Menschen?<br />

BIESENBACH: Ja, zum Beispiel Madonna.<br />

INTERVIEW: Madonna hat auch mit angepackt?<br />

BIESENBACH: Ja, und kaum jemand hat sie erkannt.<br />

Sie ist mit ihren beiden Kindern in die<br />

Rockaways gekommen, hatte eine Mütze auf und<br />

war total eingemummelt. Madonna und ich waren<br />

ein Team bei der Essensausgabe. Wir haben<br />

zusammen an die Türen geklopft.<br />

INTERVIEW: Wie ist Madonnas Engagement aufgenommen<br />

worden?<br />

BIESENBACH: Das hat der Community einfach total<br />

gut gefallen. <strong>Die</strong> hatten das Gefühl, sie haben eine<br />

Lobby. Sie versinken nicht einfach, an sie wird gedacht.<br />

INTERVIEW: Das war alles kurz nach Hurrikan Sandy.<br />

Wie sieht es mittlerweile aus?<br />

BIESENBACH: Das stockt jetzt alles. Jedes Haus ist<br />

kaputt. Jeder braucht einen neuen Boiler, einen neuen<br />

Keller. <strong>Die</strong> U-Bahn fährt immer noch nicht. <strong>Die</strong><br />

Läden sind geschlossen.<br />

INTERVIEW: Was wird denn in dem MoMA-Dome in<br />

Rockaway genau stattfinden?<br />

BIESENBACH: Da werden die Ideen präsentiert, die<br />

derzeit im Wettbewerb eingereicht und dann von einer<br />

Jury ausgesucht werden. Performances werden<br />

stattfinden. Und die Community wird da auch Sachen<br />

machen.<br />

INTERVIEW: Ist das überhaupt noch Kunst?<br />

BIESENBACH: Ich finde dieses ganze Projekt als Kurator<br />

unheimlich interessant. Das ist ja eine ganz<br />

neue Aufgabenstellung für mich. Ich muss jedes<br />

Kunstwerk, jeden Beitrag auf seine Relevanz überprüfen.<br />

INTERVIEW: Um welche Relevanz geht es da?<br />

BIESENBACH: Ökologische Relevanz. Gesellschaftliche<br />

Relevanz. Innovative Relevanz.<br />

INTERVIEW: Gibt es denn Vorbilder?<br />

BIESENBACH: Joseph Beuys!<br />

INTERVIEW: Importieren Sie mit der EXPO 1 eine<br />

deutsche Idee nach Amerika?<br />

BIESENBACH: Es ist bestimmt kein Zufall, dass ich<br />

das als Kurator gemeinsam mit einem deutschen<br />

Konzern betreue. Ich bin ja mit all dem aufgewachsen.<br />

<strong>Die</strong> Amerikaner machen gerade etwas durch,<br />

was wir vor 30 Jahren mit den Grünen erlebt haben.<br />

INTERVIEW: Hat sich denn an Ihrem eigenen Lebensstil<br />

auch etwas geändert? Sie sind ja als Vielflieger<br />

bekannt.<br />

BIESENBACH: Ich bin im letzten halben Jahr extrem<br />

wenig geflogen, weil ich hier ja quasi einen Nebenjob<br />

hatte.<br />

<strong>Interview</strong> NINA SCHOLZ<br />

EXPO 1: NEW YORK, 12. MAI BIS 2. SEPTEMBER,<br />

LONG ISLAND CITY, NEW YORK<br />

„SIND<br />

KINDER DER<br />

NEUESTE<br />

TREND?”<br />

JULIA RESTOIN<br />

ROITFELD, 32,<br />

zeigt, dass für<br />

Mütter heute<br />

nichts mehr<br />

unmöglich ist<br />

INTERVIEW: Was war schwieriger: einen Namen für<br />

Ihre Tochter oder für Ihre Website zu finden?<br />

JULIA RESTOIN ROITFELD: Der Name für meine<br />

Tochter war einfach. Wir wussten unmittelbar nach<br />

ihrer Geburt, dass sie eine Romy ist. Mit der Website<br />

war es schwieriger, weil sie so viele Aspekte meiner<br />

Arbeit und meiner Welt reflektieren muss. Ich habe<br />

die Seite dann nach meinem Baby benannt. Gleichzeitig<br />

sollte sie verspielt, fröhlich und feminin wie<br />

eine 60er-Jahre-Girlgroup klingen – deshalb heißt<br />

sie „Romy And The Bunnies“.<br />

INTERVIEW: Was können wir auf der Seite entdecken?<br />

ROITFELD: Ich bin eine frisch gebackene Mutter und<br />

schreibe keinen Erziehungsratgeber. Dafür gibt es<br />

viele Stylingtipps und <strong>Interview</strong>s mit Müttern, die<br />

erzählen, wie sie sich kleiden und während der<br />

Schwangerschaft pflegen. Sie geben auch Ratschläge,<br />

wie man etwa mit Kindern entspannt verreist oder<br />

eine gute Nanny findet.<br />

INTERVIEW: Haben Sie diese Art von Information<br />

vermisst?<br />

ROITFELD: Ja, ich fand es toll, schwanger zu sein,<br />

habe es aber abgelehnt, mich in langweilige Gewänder<br />

zu hüllen. Ich will Frauen zeigen, dass Stil und<br />

Mutterschaft kein Widerspruch sind.<br />

INTERVIEW: Wie viele Redaktionskinder gibt es?<br />

ROITFELD: Keine. Ich mache alles alleine.<br />

Fotos: Corbis; Ofer Wolberger; © RUBICON TV / SEVENONE INTERNATIONAL (3); Stephen Lovekin/Getty Images<br />

INTERVIEW: Manchmal hat man den Eindruck, dass<br />

Kinder zu einem Trendaccessoire werden. Kann das<br />

sein?<br />

ROITFELD: Ich hab keine Ahnung, aber ich lebe in<br />

New York, und viele meiner Freundinnen achten jahrelang<br />

nur auf ihre Karriere. Ich finde das ein bisschen<br />

traurig und möchte mit meiner Arbeit auch Mut<br />

machen, dass man beides haben kann.<br />

INTERVIEW: Und ausgehen?<br />

ROITFELD: Ich gehe nicht mehr so gerne auf Partys,<br />

der <strong>Kate</strong>r am <strong>nächste</strong>n Tag ist es einfach nicht wert.<br />

Am liebsten besuche ich freitagabends meine Nachbarin,<br />

die zwei Kinder hat, und trinke ein Glas Wein<br />

mit ihr. Aber als meine Tochter ganz klein war, habe<br />

ich es trotzdem geschafft, mir ein paar Fashionshows<br />

in Paris anzuschauen, obwohl ich erst nach vier Monaten<br />

überhaupt eine Nanny hatte. Es ist alles eine<br />

Frage der Organisation.<br />

INTERVIEW: Und wenn man sich keine Nanny leisten<br />

kann?<br />

ROITFELD: Ein Babysitter hin und wieder tut es auch.<br />

INTERVIEW: Wie kompensieren Sie Schlafmangel?<br />

ROITFELD: Am schlimmsten war es eigentlich, als<br />

mein Freund einmal eine Nachtschicht übernommen<br />

hat und mich ausschlafen ließ. Da war dieser natürliche<br />

Adrenalinrhythmus, den Mütter in der ersten<br />

Zeit entwickeln, unterbrochen. Aber ich habe Glück:<br />

Mein Baby schläft meist von 19 bis 7 Uhr durch.<br />

INTERVIEW: Ist „Romy And The Bunnies“ auch für<br />

Väter interessant?<br />

ROITFELD: Auf jeden Fall. Väter können auf der Seite<br />

erfahren, wie sie das Leben ihrer Frauen schöner und<br />

einfacher machen können.<br />

<strong>Interview</strong> HEIKE BLÜMNER<br />

ROMYANDTHEBUNNIES.COM<br />

„WELCHE<br />

FAMILIE DENN<br />

ÜBERHAUPT?”<br />

SIMON PEGG, 43,<br />

weiß, warum Scotty<br />

der wichtigste<br />

Mann an Bord der<br />

Enterprise ist<br />

INTERVIEW: Stimmt es, dass Sie sich mehr für Star<br />

Wars als für Star Trek interessieren?<br />

SIMON PEGG: Nein, nicht wirklich. Vielleicht<br />

als ich klein war. Mit sieben habe ich Star Wars<br />

gesehen, da war mir Star Trek noch zu tief sinnig.<br />

Aber mit neun habe ich dann Raumschiff Enterprise<br />

für mich entdeckt, und spätestens als ich<br />

vor vier Jahren die Rolle des Scotty in dem<br />

Neustart von Star Trek bekommen habe,<br />

wurde ich Fan.<br />

INTERVIEW: Klar. Haben Sie sich darum beworben?<br />

PEGG: Nein, ich bekam einfach nur eine<br />

Mail von Regisseur J. J. Abrams. Ich hätte es<br />

nicht einmal gewagt, mich darum zu be-<br />

werben. Aber plötzlich hatte ich diese Mail, und ich<br />

dachte nur: „Was?!“<br />

INTERVIEW: Sie haben also sofort zugesagt?<br />

PEGG: Ehrlich gesagt musste ich erst überlegen.<br />

INTERVIEW: Wieso?<br />

PEGG: Weil man sich mit einer Spielfilmserie für<br />

rund zehn Jahre an ein Projekt bindet. Aber J. J.<br />

meinte zu mir: „Was kann schon passieren?“ Und<br />

weil mir darauf nichts einfiel, hatte er mich schon<br />

überredet.<br />

INTERVIEW: Und Scotty ist ja auch ein toller Typ.<br />

PEGG: Unbedingt.<br />

INTERVIEW: Er kann beamen.<br />

PEGG: Er glaubt, der heimliche Kapitän der Enterprise<br />

zu sein. Schließlich ist er derjenige, der sich um<br />

die wirklich wichtigen Dinge kümmert, während<br />

Kirk nur in seinem Kapitänsstuhl sitzt.<br />

INTERVIEW: Genau.<br />

PEGG: Er ist auch ein bisschen älter als die anderen.<br />

Nach dem Studium ist er nicht gleich zur Sternenflotte<br />

gegangen und hat zunächst auf diversen<br />

Frachtschiffen gearbeitet. Und als er dann bei der<br />

Sternenflotte war, hat er sich gleich Ärger eingehandelt.<br />

INTERVIEW: Warum?<br />

PEGG: Zweifelhafte Experimente mit dem Beamer.<br />

INTERVIEW: Um was geht es eigentlich in dem neuen<br />

Star Trek?<br />

PEGG: Um Familie und Verantwortungsgefühl, würde<br />

ich sagen.<br />

INTERVIEW: Ich dachte, es geht darum, dass jemand<br />

die Weltherrschaft an sich reißen will oder die Welt<br />

untergeht. Danach sieht es jedenfalls im Trailer aus.<br />

PEGG: Ja, aber im Rahmen dessen geht es um Familie<br />

und Verantwortungsgefühl.<br />

INTERVIEW: Ist Ihnen eigentlich schon mal auf gefallen,<br />

dass in jedem Film, in dem Sie auftauchen, der<br />

Menschheit Ungemach droht? Shaun Of The Dead,<br />

der neue Star Trek, und in The World’s End, Ihrem<br />

<strong>nächste</strong>n Film, will die Welt wieder untergehen.<br />

PEGG: Ja, wenn man es so sieht …<br />

INTERVIEW: Im Trailer von Into Darkness fragt der<br />

Bösewicht Khan: „Gibt es etwas, was Sie nicht<br />

für Ihre Familie tun würden?“ Welche Familie<br />

denn überhaupt? <strong>Die</strong> von Kirk?<br />

PEGG: Das ist eine Frage, die auf mehreren<br />

Ebenen funktioniert, aber was<br />

Kirk angeht, ist natürlich die Crew<br />

der Enterprise seine Familie. Er<br />

sieht sich als der Patriarch des<br />

Schiffs, er fühlt sich für seine Leute<br />

verantwortlich. Aber der Familienbegriff<br />

bezieht sich nicht nur auf die<br />

Mannschaft, sondern auch auf die<br />

menschliche Spezies.<br />

INTERVIEW: Als ich die Frage von<br />

Khan hörte, dachte ich sofort an<br />

einen Song von Meat Loaf: I’d<br />

Do Anything For Love But I Won’t<br />

Do That.<br />

PEGG: Haha.<br />

<strong>Interview</strong><br />

HARALD<br />

PETERS<br />

STAR TREK<br />

INTO DARKNESS<br />

STARTET AM 9. MAI<br />

INTERVIEW: Bis heute hat<br />

niemand herausgefunden,<br />

was mit „That“ gemeint<br />

war. Gibt es ein<br />

„That“ im neuen<br />

Star Trek?<br />

PEGG: Ja. Es ist<br />

das „That“ aus dem<br />

Song von Meat Loaf.<br />

„ESSEN<br />

SIE<br />

SCHAFS-<br />

KOPF?”<br />

Musiker und<br />

Schauspieler<br />

STEVEN<br />

VAN<br />

ZANDT,<br />

62, erzählt,<br />

was er in<br />

Norwegen macht<br />

VAN ZANDT IM AUSLANDSEINSATZ<br />

INTERVIEW: Sie filmen gerade für die Serie Lilyhammer<br />

in Lillehammer. Gefällt’s Ihnen dort?<br />

STEVEN VAN ZANDT: Niemand ist überraschter als<br />

ich selbst, dass ich es hier tatsächlich mag. Ich bin<br />

normalerweise ein sehr urbaner Mensch. Aber in<br />

Norwegen habe ich mich wohl einfach verliebt.<br />

INTERVIEW: Wie das?<br />

VAN ZANDT: Ich muss zugeben, dass ich es irgendwie<br />

attraktiv finde, dass dieses Land für den größten Rest<br />

der Welt ein Mysterium ist.<br />

INTERVIEW: Und die Norweger wiederum scheinen<br />

Ihre Serie zu lieben, immerhin schaut ein Fünftel des<br />

Landes regelmäßig zu.<br />

VAN ZANDT: Das Land hat eine sehr starke Monokultur.<br />

Ich glaube, dass Frank, meine Figur in Lilyhammer,<br />

Dinge tut, die den Norwegern gefallen. Er<br />

bricht die Regeln, die sie auch gerne mal brechen<br />

würden.<br />

INTERVIEW: Was ist Frank denn für ein Typ?<br />

VAN ZANDT: Er ist jemand, der immer mit jedem gut<br />

klarkam. Norwegen ist ein neues Abenteuer. Auch<br />

wenn es natürlich frustrierend ist, dass seine Gewohnheiten<br />

nicht ganz so gut funktionieren wie in<br />

New York! (lacht)<br />

INTERVIEW: Welche Gewohnheiten?<br />

VAN ZANDT: Na ja, kriminelle Sachen halt. Zum Beispiel<br />

Beamten bestechen und so.<br />

INTERVIEW: Um Lilyhammer zu filmen, mussten Sie<br />

Ihre Tour mit Bruce Springsteen und der E Street<br />

Band unterbrechen.<br />

VAN ZANDT: Ja, das ist schon okay. Ich habe jetzt Januar<br />

und Februar verpasst, aber ab Ende April bin<br />

ich wieder dabei und stehe dann bei allen Konzerten<br />

in Europa mit auf der Bühne.<br />

INTERVIEW: Wie sind Sie als Musiker denn überhaupt<br />

ans Schauspielern gekommen?<br />

VAN ZANDT: Ich wollte das eigentlich gar nicht. <strong>Die</strong><br />

Macher von den Sopranos hatten mich gesehen, als<br />

ich die Rascals in die Rock and Roll Hall of Fame<br />

eingeführt habe, und wollten mich für die Rolle. Ich<br />

dachte mir: „Wieso nicht?“ Zehn Jahre Sopranos waren<br />

eine ziemlich gute Schauspielschule.<br />

INTERVIEW: Bei Lilyhammer spielen Sie ja nicht nur<br />

die Hauptrolle, sondern sind auch Co-Autor und<br />

Produzent.<br />

24<br />

25


VAN ZANDT: Ja, weil ich nur Dinge tue, die ich kontrollieren<br />

kann. Für diese Serie musste ich allerdings<br />

ein wenig aus meiner Komfortzone raus. So ein Projekt<br />

bringt viele Risiken mit sich.<br />

INTERVIEW: In dem Fall gilt das offenbar auch für die<br />

Figur, die Sie spielen. In der ersten Folge von Lilyhammer<br />

findet Frank auf der Straße einen abgehackten<br />

Schafskopf. Wussten Sie, dass Schafsköpfe in<br />

Nordeuropa als Delikatesse gelten?<br />

VAN ZANDT: Nein! (lacht) So ging es mir schon mit<br />

meinen italienischen Großeltern. Mein Opa hat alles<br />

gegessen. Ich bin da weniger abenteuerlustig. Alles, was<br />

auch in einem Zoo stehen könnte, esse ich nicht.<br />

<strong>Interview</strong> HELLA SCHNEIDER<br />

LILYHAMMER IST SONNTAGS UM 22 UHR<br />

AUF TNT SERIE ZU SEHEN<br />

„WAS MACHEN<br />

DIE LEUTE MIT<br />

DEINEN AUTO-<br />

GRAMMEN?”<br />

WESTBAM, 48, weiß<br />

die Vorteile von Fotos<br />

gegenüber Unterschriften<br />

zu schätzen<br />

WESTBAM: Entschuldigung, ich muss nur noch fürs<br />

Wochenende ein paar Autogramme schreiben. Ich<br />

hoffe, das macht dir nichts aus. Reden und nebenbei<br />

Autogramme schreiben geht, glaube ich, ganz gut.<br />

INTERVIEW: Also, wenn es dich nicht stört, soll es für<br />

mich kein Problem sein.<br />

WESTBAM: Gut, sag mir doch schnell, dein <strong>Interview</strong>,<br />

soll das einen Schwerpunkt haben?<br />

INTERVIEW: Nein, ich dachte, wir reden einfach.<br />

WESTBAM: Ah, es geht um Konversation, sehr gut.<br />

Ich habe nämlich ein großes Labertalent, das habe<br />

ich schon vor langer Zeit festgestellt.<br />

INTERVIEW: Das ist doch die beste Voraussetzung.<br />

WESTBAM: Viele DJs haben das nämlich nicht. <strong>Die</strong><br />

kompensieren ihren Mangel an Labertalent dadurch,<br />

dass sie Musik auflegen. Da müssen sie nicht quatschen,<br />

können aber trotzdem in der Disse glänzen.<br />

INTERVIEW: Und du könntest wahrscheinlich sogar<br />

quatschen und auflegen?<br />

WESTBAM: Na, das weiß ich jetzt nicht. Was zum<br />

Beispiel gar nicht geht, ist Autogramme schreiben<br />

und auflegen. Ich erinnere mich, dass mich das früher<br />

mal genervt hat. Heutzutage ist das nicht mehr so<br />

schlimm. Heute wollen die Leute immer Fotos.<br />

INTERVIEW: Wieso nerven Autogramme mehr?<br />

WESTBAM: Weil man meistens einen nassen Zettel<br />

und einen Kugelschreiber gereicht bekommt. Und<br />

dann kommt gleich der Nächste, was wiederum ein<br />

Dritter sieht, der eigentlich kein Autogramm gewollt<br />

hätte, aber weil er die anderen beiden jetzt gerade<br />

beim Autogrammholen gesehen hat, denkt er, vielleicht<br />

braucht er zur Not auch eins, und reißt sich ein<br />

Stück von der Zigarettenpackung ab und sagt dann:<br />

PEOPLE/SmallTALK<br />

„Kannst du da auch noch mal?“ Das nervt beim Auflegen<br />

dann doch sehr. Da finde ich das mit den Fotos<br />

viel schöner, denn die Fotos macht man ja meistens<br />

vorher oder nachher.<br />

INTERVIEW: Und das machst du gern?<br />

WESTBAM: Jaja. Aber ich kenne viele Kollegen, die<br />

sagen: „Also, Fotos, ich weiß nicht …“<br />

INTERVIEW: Du meinst Umarmungsfotos?<br />

WESTBAM: Genau. Mit Danebenstellen und Lächeln.<br />

Viele DJs mögen diese Fotos nicht, weil die<br />

Angst besteht, dass sie im Netz landen.<br />

INTERVIEW: Und das sollen sie nicht?<br />

WESTBAM: Nein, weil man dann<br />

sehen kann, für wen sie aufgelegt<br />

haben. Vielleicht sind die Leute<br />

zu dick, und die Schminke<br />

hängt auf halb sieben, und<br />

Schweißflecken gibt es auch<br />

noch. Da sagen die: „Nee,<br />

Fotos machen wir nicht.<br />

Du bist zu hässlich.“ Das<br />

ist grausam und undankbar,<br />

wie ich finde.<br />

INTERVIEW: Vielleicht haben<br />

diese DJs in Wirklichkeit Angst<br />

vor ihrer eigenen Hässlichkeit.<br />

Nach einer durchfeierten Nacht kann<br />

es ja mitunter passieren, dass man nicht<br />

mehr ganz frisch aussieht.<br />

WESTBAM: Natürlich.<br />

INTERVIEW: Was machen die Leute überhaupt mit<br />

deinen Autogrammen?<br />

WESTBAM: Keine Ahnung. Vielleicht werden die getauscht.<br />

Tausche 30 Westbam-Autogramme gegen<br />

einmal Ronaldo! Ich selbst besitze übrigens drei<br />

Auto gramme. Das eine ist von Klaus Fischer, das<br />

zweite von Afrika Bambaataa, und das dritte ist von<br />

<strong>Die</strong>go Armando Maradona.<br />

INTERVIEW: Das ist eine gute Auswahl.<br />

WESTBAM: Finde ich auch. Maradona hat mir seins<br />

sogar gewidmet, und zwar auf seinem Argentinien-<br />

Trikot. Da steht drauf: „A Westbam con cariño <strong>Die</strong>go<br />

Maradona!“<br />

INTERVIEW: Der wusste, wer du bist?<br />

WESTBAM: Na ja, ich hatte Freunde in Buenos Aires,<br />

und die hingen mit dem ab und wussten, dass ich<br />

großer Fan war, und haben mir das Autogramm besorgt.<br />

Mit anderen Worten: <strong>Die</strong> haben ihm erklärt,<br />

wer ich bin – oder vielleicht haben sie es ihm auch<br />

nicht erklärt und ihm nur etwas hingelegt und gesagt:<br />

„Unterschreib mal hier!“ Ich glaube, er ist für<br />

mich viel wichtiger als ich für ihn.<br />

INTERVIEW: Kaum vorstellbar.<br />

WESTBAM: Ja, aber in diesem einen Moment hat der<br />

<strong>Die</strong>go für mich getan, was ich jetzt gerade für all diese<br />

Menschen tue.<br />

INTERVIEW: Du sorgst dich.<br />

WESTBAM: Und auch da passiert es mir immer wieder,<br />

dass ich Leute treffe, die sagen: „Erinnerst du<br />

dich gar nicht mehr an mich? 95? Da warst du da in<br />

diesem Club, wir haben miteinander geredet.“ Und<br />

ich sage: „Ja, was haben wir denn bloß miteinander<br />

geredet?“ Und dann geht es um zwei Sätze, die man<br />

miteinander gewechselt hat, sozusagen zwischen Tür<br />

und Angel. <strong>Die</strong> Sätze sind mir allerdings meist nicht<br />

mehr ganz erinnerlich. Dann sagen die Leute immer:<br />

„Na, der Westbam, der ist auch ein bisschen<br />

arrogant geworden …“ Denn sie selber erinnern sich<br />

natürlich mit großer Klarheit an diesen Moment.<br />

INTERVIEW: Ist es nicht beängstigend, dass es Leuten<br />

26<br />

Iggy POP<br />

(...)<br />

Kanye WEST<br />

Richard BUTLER<br />

WEEKEND WARRIOR:<br />

WESTBAM<br />

so wichtig ist, was du vor langer Zeit<br />

im Vorbeigehen zu ihnen gesagt hast?<br />

WESTBAM: Ja, klar. Aber um es in meine<br />

Erfahrungswelt zu übersetzen: Wenn ich vor 20 Jahren<br />

Maradona getroffen und etwas zu ihm gesagt<br />

hätte, dann wüsste ich auch noch, welche Sätze das<br />

gewesen wären. Ich gehe deswegen aber nicht davon<br />

aus, dass auch er noch wüsste, was ich gesagt hätte.<br />

Womit ich mich natürlich nicht mit Leuten auf eine<br />

Stufe stellen will, die direkt aus dem Olymp zu uns<br />

kommen, das war nur ein Beispiel.<br />

INTERVIEW: Natürlich.<br />

WESTBAM: Ich war übrigens einmal mit Andreas<br />

Gursky auf der Mayday, und wir gehen da so durch<br />

die Gegend, und ein paar Raver kommen auf uns zu.<br />

<strong>Die</strong> erkennen mich, zücken ihre Kamera, geben sie<br />

Gursky und sagen: „Mach mal ’n Foto!“ Der macht<br />

es denn auch, but little did they know, dass sie quasi<br />

das Werk eines weltberühmten Fotografen auf ihrem<br />

Apparat haben.<br />

INTERVIEW: Einen echten Gursky!<br />

WESTBAM: So sieht es aus. Wahrscheinlich längst<br />

gelöscht.<br />

INTERVIEW: Wir können Gursky als Überleitung zu<br />

deinem neuen Album nehmen. Außer ihm singen<br />

praktisch alle darauf mit: Iggy Pop, Kanye West, Richard<br />

Butler, Bernard Sumner, Lil Wayne. Eigentlich<br />

finde ich Alben mit so vielen Sängern schlimm.<br />

Deines mag ich hingegen sehr.<br />

WESTBAM: Ja, das kann ich nachvollziehen, und ich<br />

bin da auch ein bisschen stolz drauf. Eine Platte mit<br />

seinen Lieblingssängern aufnehmen kann ja jeder.<br />

INTERVIEW: Du meinst, jeder kann Kanye West und<br />

Iggy Pop dazu überreden, mal ein Lied zu singen.<br />

WESTBAM: Nein. Was nicht jeder kann, ist, die Platte<br />

so aufzunehmen, dass sie nicht nur nach einer<br />

Lieder sammlung klingt. All die Sänger zu besorgen<br />

war nicht mein Verdienst. Das hat der Guido gemacht.<br />

INTERVIEW: Ich weiß zwar nicht, wer der Guido ist,<br />

aber das hat er gut gemacht.<br />

INTERVIEW: Oh ja, das hat er.<br />

<strong>Interview</strong> HARALD PETERS<br />

WESTBAMS GÖTTERSTRASSE<br />

ERSCHEINT AM 26. APRIL BEI UNIVERSAL<br />

Foto: Andrea Stappert


SUPERSTAR<br />

VEERLE BAETENS<br />

VERZWEIFELT IN FLANDERN: DER NEUE<br />

STAR DES BELGISCHEN FILMS<br />

EIGENTLICH ÜBERHAUPT NICHT KLEINKARIERT: VEERLE BAETENS IN EINEM KLEID VON AKRIS<br />

Veerle Baetens trägt neuerdings eine Spange.<br />

<strong>Die</strong> musste die 35-jährige Belgierin<br />

bereits als Titelfigur der Serie Sara tragen,<br />

der flämischen Version der kolumbianischen<br />

Telenovela Betty La Fea, die für das deutsche<br />

Fernsehen als Verliebt in Berlin adaptiert wurde. Damit<br />

sie die Rolle des hässlichen Entleins glaubhaft<br />

verkörpert, verpasste ihr der Maskenbildner eine<br />

Klammer, die allerdings derart mangelhaft gefertigt<br />

war, dass der angerichtete Schaden nur noch durch<br />

ein kieferorthopädisch einwandfreies Gerät wieder<br />

behoben werden konnte. Veerle Baetens lächelt, als<br />

nehme sie es sportlich.<br />

Hätten die Dreharbeiten zu The Broken Circle zu<br />

vergleichbaren Kollateralschäden geführt, wäre sie<br />

jetzt kreuz und quer tätowiert. In ihrem neuen Film<br />

28<br />

spielt sie die Tattoostudio-Besitzerin Elise, die selbst<br />

ihre beste Kundin ist und sich in Didier verliebt, der<br />

im belgischen Flachland von den Weiten Amerikas<br />

träumt und einen Cowboyhut trägt. Gemeinsam singen<br />

sie in einer Bluegrass-Band, bis das Leben sie auf<br />

denkbar schicksalhafte Weise entzweit.<br />

Wüsste man nicht, dass es sich bei The Broken<br />

Circle um das neueste Werk des belgischen Regisseurs<br />

Felix Van Groeningen handelt, der mit <strong>Die</strong> Beschissenheit<br />

der Dinge längst eindrucksvoll gezeigt hat,<br />

dass er über einen ganz eigenen Blick auf die Welt<br />

verfügt – wüsste man das nicht, würde man um den<br />

Film wohl einen Bogen machen. Aber The Broken<br />

Circle ist ein Hit: Publikumspreis bei der diesjährigen<br />

Berlinale, „Europa Cinemas Label“-Preis als bester<br />

europäischer Film sowie nach jeder Vorstellung Wagenladungen<br />

nass geheulter Taschentücher unter den<br />

Sitzreihen. In Belgien ist Baetens dank Sara und The<br />

Broken Circle bereits ein Star. „Aber ich werde nie erkannt,<br />

weil ich die Frisur so oft ändere.“<br />

Es hilft natürlich, dass sie über eine Musiktheaterausbildung<br />

verfügt und die traurigen Filmsongs so<br />

traurig vortragen kann, dass man es kaum noch aushält.<br />

„Dabei habe ich Bluegrass und Country immer<br />

gehasst“, sagt Baetens. Das lag daran, wie im Country<br />

gesungen wird, so verschnörkelt. Sie singt anders,<br />

mehr geradeaus. Kurz bevor The Broken Circle am<br />

25. April startet, wird sie mit der Band aus dem Film<br />

vier Konzerte in Deutschland geben (facebook.com/<br />

BrokenCircleFilm).<br />

Von HARALD PETERS<br />

Foto JONAS LINDSTRÖM<br />

Styling NIKI PAULS/SHOTVIEW<br />

Haare BY WELLA PROFESSIONALS<br />

Make-up BY MAC


SUPERSTAR<br />

ÉDOUARD NARDON<br />

NEUE KUNST AUS NEW YORK:<br />

DER FRANZOSE ÉDOUARD<br />

NARDON TRITT DIE FLUCHT<br />

NACH VORN AN<br />

KLINISCH-MINIMAL: DER KÜNSTLER ÉDOUARD NARDON, 34<br />

Er konnte sie nicht berühren, nicht ansehen,<br />

nicht wegräumen, nicht einmal<br />

wegschmeißen. Also ließ Édouard Nardon<br />

all die Laken und Bezüge, Shirts und<br />

Shorts einfach in der Ecke seines Studios liegen, als<br />

Mahnmal für Erika, als mahnendes Mal an sich selbst.<br />

Sie war einfach gegangen, Erika, eines Morgens im<br />

Jahr 2010. Zurück nach Europa wolle sie, zurück auf<br />

den Laufsteg, hatte sie gesagt, die eigenen Träume leben<br />

und nicht die von ihm, von Édouard, mit dem<br />

Erika nach New York gezogen war, weil er sich hier als<br />

Künstler finden wollte.<br />

Ein Jahr ließ Nardon, aufgewachsen in Bordeaux,<br />

die Schmutzwäsche der Trennung liegen. Dann kniete<br />

er sich vor den Berg und fing an, das Konvolut zu bearbeiten,<br />

Tuch um Tuch zu verbinden, und knotete so<br />

aus den Leinen des gemeinsamen Lebens ein Seil –<br />

ein Fluchtseil, wie man es aus Gefängnisfilmen kennt.<br />

Bei seiner Werkschau in der Lower East Side von<br />

Manhattan in der Galerie White Box zwischen Bowery<br />

und Chinatown, dort also, wo New York noch<br />

Neues atmet, ist das Trauerseil das zentrale Werk.<br />

Heute trägt es den Titel See You In Rio. Zwar hängt es<br />

am Rand neben einer Wendeltreppe, doch dort ist es<br />

wohlplatziert: Nardon flieht nicht mehr, er ist damit<br />

in die Kunstwelt eingebrochen. <strong>Die</strong> Besucher der<br />

Vernissage, die sich an diesem Freitagabend im Februar<br />

einfinden, sind wegen ihm zur Gruppenausstellung<br />

gekommen. <strong>Die</strong> beiden anderen Künstler werden<br />

begrüßt, der Franzose umringt. Ganz geheuer ist<br />

ihm das Bohei um seine Person und seine minimalistischen<br />

Exponate nicht. Sein liebster Kommentar am<br />

Abend: „Oui mais non.“ Es amüsiert ihn, was die Besucher<br />

in den neun Seifen sehen, die in quadratischen<br />

Plastiktütchen an die Wand genagelt sind. „Minimalklinisch“,<br />

deutet eine Dame mit strengen, weißen<br />

Haaren, der eine der großen Galerien weiter oben in<br />

der Stadt gehören soll – sie hätte auch klinisch-minimal<br />

sagen können –, jedenfalls sieht man den Seifen<br />

Nardons Schmerz nicht an. Vielleicht hängen sie dafür<br />

zu akkurat.<br />

Neuf nennt Nardon die Installation, eine Anspielung<br />

an die neun Leben einer Katze. Er habe einiges<br />

erlebt in seiner Jugend, die Knastthematik komme<br />

nicht von ungefähr. Wirklich reden will der Künstler<br />

darüber nicht. Stattdessen lächelt er. Es ist das Lächeln<br />

eines Mannes, der weiß, wie es unten aussieht –<br />

und wie man ein Seil knüpft, um von dort abzuhauen.<br />

Anselm Kiefer<br />

Der rhein<br />

13. April - 14. september 2013<br />

GAlerie bAstiAn · Am KupferGrAben 10 · 10117 berlin<br />

30<br />

Von JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />

Foto CLÉMENT PASCAL


wow!<br />

RETROMANIA.<br />

DINGE<br />

VON GESTERN<br />

FÜR HEUTE<br />

1<br />

FESTNETZANSCHLUSS<br />

Jetzt, da kaum noch jemand einen hat,<br />

weiß man die Tragweite eines Festnetzanschlusses<br />

erst zu erfassen. Denn bei einem<br />

Festnetzanschluss handelt es sich nicht,<br />

wie gemeinhin angenommen, nur um<br />

einen festen Anschluss, der einen beim<br />

Telefonieren zu einer gewissen Immobilität<br />

zwingt. Der Festnetzanschluss garantiert<br />

darüber hinaus, was nicht ganz unwichtig<br />

ist, auch ein festes Netz. Das<br />

wiederum ist bei einem mobilen Anschluss<br />

ganz und gar nicht gewährleistet. Wir<br />

würden sogar sagen: immer weniger. Sofern<br />

man sich bewegt. Und weil Bewegung<br />

der Stabilität einer mobilen Verbindung<br />

im Wege steht, wird man auch ohne Festnetzanschluss<br />

beim Telefonieren zu einer<br />

gewissen Immobilität gezwungen, und das<br />

kann ja nicht der Sinn der Sache sein.<br />

WOW!<br />

LIEBE<br />

So vollkommen unironisch.<br />

AnjA RUbIK<br />

UnD GIUsePPe<br />

ZAnottI:<br />

DAs MoDeL<br />

UnD<br />

DeR PRoFI<br />

Rubik’s shoe<br />

Völlig klar, warum Giuseppe Zanotti sich an anja Rubik<br />

klammert: <strong>Die</strong> schuhe, die das Topmodel zusammen mit dem italienischen<br />

Schuhdesigner entworfen hat, sind so hot, dass Gefahr besteht, dass die<br />

Dame sich mit dem limitierten kontingent auf- und davonmacht.<br />

Foto PAoLA KUDACKI<br />

Fotos: Paola Kudacki; Swimmingpool Nr.1, 2006, Ingmar Alge, Hatje Cantz; www.acnestudios.com<br />

BOCKSHORNKLEE<br />

Vor Kurzem erfand der Kollege den grandiosen<br />

Begriff „Autorenkäse“. Jetzt kommt dieser<br />

endlich zur Anwendung. Denn es geht um<br />

das viel zu selten verwendete Gewürz Bockshornklee<br />

aus der Familie der Schmetterlingsblütler,<br />

das – in pulverisierter Form – auf<br />

Pasta ähnlich gut wie sein enger Verwandter,<br />

der Schabzigerklee, zur Geltung kommt.<br />

Seinen schönsten Auftritt hat der Bockshornklee<br />

– als ganzer Samen – allerdings in Käse.<br />

Im Bockshornkleekäse etwa, einer ganz klassischen<br />

Form des Autorenkäses.<br />

BROTKASTEN<br />

Wenngleich sperrig, ist ein Brotkasten auch<br />

wahnsinnig praktisch. Nie wieder trockener<br />

Knust!<br />

KÄSEGLOCKE<br />

Wie der Brotkasten gehört die Käseglocke<br />

zu der Küchenutensiliengattung der Aufbewahrungsbehältnisse.<br />

Doch im Unterschied<br />

zum Brotkasten lassen sich unter der Käseglocke<br />

auch andere Dinge lagern, meist gar<br />

mit ästhetischem Gewinn. Das hat vor<br />

allem mit der gläsernen Kuppel zu tun,<br />

unter der einfach alles kostbar und prächtig<br />

erscheint, sofern man sie nur fleißig poliert.<br />

BUSSE<br />

Kennt noch jemand diese Doppeldeckerbusse,<br />

wo es unten ganz hinten diese<br />

Vierer sitzgruppen gibt, bei denen sich pro<br />

Fahrt mindestens ein Fahrgast so dermaßen<br />

den Kopf an der Haltestange stößt? Man<br />

müsste echt mal wieder mehr Bus fahren.<br />

KÖRPERPFLEGESETS<br />

Im Grunde ist es einfach: Damit es nicht<br />

zu einem unschönen Duftclash kommt,<br />

braucht man Shampoo, Seife und Lotion<br />

aus einer Serie. Andererseits ist es wie mit<br />

Kaufhäusern: In ihrer Gesamtheit betrachtet<br />

machen sie Sinn – doch beschäftigt<br />

man sich mit einzelnen Abteilungen,<br />

lohnt es sich, zum Spezialisten zu gehen.<br />

RAUS HIER!<br />

Der bei Hatje Cantz erschienene Bildband mit einem Überblick über die Werke<br />

des österreichischen Malers Ingmar Alge ist wie eine Reise, die man aus spontanem<br />

Fernweh antritt, um dann an einem Ort zu landen, an dem es nicht mehr<br />

weitergeht – außer ins Selbst. Über den Bildern schwebt stets die Erkenntnis der<br />

Endlichkeit. Und so lässt uns Alge rastlos fasziniert durch sein Œuvre treiben.<br />

Auch wenn die Werke aus verschiedenen Jahren stammen, sind sie scheinbar<br />

auf zarte Art miteinander verbunden, sodass sie auch als buchgewordenes<br />

Roadmovie funktionieren. Am liebsten möchte man sofort in sein Auto steigen<br />

und hinfahren, zu den einsamen Seelen, glänzenden Swimmingpools und<br />

geheimnisvoll abweisenden Gebäuden.<br />

er<br />

INGMAR ALGE: NIMM MICH MIT<br />

AUF DIE REISE<br />

ICH WILL ’NEN<br />

COWBOY ALS MANN<br />

Der amerikanische Fotograf Bruce Bellas mochte<br />

männ liche Archetypen, vorzugsweise mochte<br />

sie nackt. Unter dem schönen Namen Bruce of<br />

Los Angeles ist Bellas (1909–1974) in die<br />

Nacktfotografie geschichte eingegangen<br />

und gilt als Wegbereiter für Robert<br />

Mapplethorpe und Herb Ritts. Das<br />

schwedische Modehaus Acne hat<br />

sich aus Anlass seiner „Rodeo<br />

Collection“ nun der Cowboyfotos<br />

von Bruce Bellas angenommen<br />

und sie zu dem 190-sei tigen,<br />

OHNE<br />

HOSE<br />

RAUF AUFS<br />

HEMD: ACNE<br />

von Vince Aletti kuratierten<br />

Buch Rodeo zusammengefasst,<br />

das auf 500 Exemplare limitiert<br />

ist. Wer davon keins abbekommt (sehr wahrscheinlich),<br />

kann sich mit Hemd, Hose, Stiefel und anderen nicht<br />

ganz so limitierten Kleidungsstücken trösten, die dem<br />

Cowboythema verpflichtet sind. Präsentiert wird alles im<br />

Mai in New York. Yeehaw!<br />

32<br />

33


KÖNIGINNEN<br />

Call me Maybe! Der Bildband Warhol’s Queens<br />

von Hatje Cantz vereint Andys glamouröseste Diven<br />

auf Polaroid.<br />

Süße OHNMACHT<br />

Adieu, du graue Welt: Das Nr. 244 Cuvée von Bergamotte<br />

und Bourbon-Vanille aus dem Hause Stählemühle<br />

überwältigt nasal, geschmacklich und haptisch.<br />

<strong>Die</strong>ses Destillat schickt die Geschmacksnerven<br />

auf eine komplexe, exotische<br />

Reise und funktioniert,<br />

nicht nur zur Not, auch als<br />

Parfüm. Ab sofort werden<br />

die Zauberflüssigkeiten aus<br />

dem Schwarzwald zudem<br />

in einer neuen, vom Berliner<br />

Gestalter Mark Braun<br />

entworfenen Braunglasflasche<br />

abgefüllt, die an das<br />

Design historischer Ätherflaschen<br />

angelehnt ist.<br />

WOW!<br />

Ab die POST<br />

<strong>Die</strong> Aussage „Ich bin auf der Post“ wird zumindest in<br />

München einen ganz anderen Klang erhalten, wenn<br />

dort am 25. April das erste Louis Vuitton Maison in<br />

Deutschland eröffnet wird. Als Ort fand man das<br />

Gebäude in der Residenzstraße angemessen, das<br />

König Ludwig I. 1838 für das Zustellen von Briefen<br />

erbauen ließ. Das heißt Luxus auf drei Etagen,<br />

Ende 2013 soll darin die Eröffnung des Kunstraumes<br />

Espace Louis Vuitton folgen.<br />

WIE GEMALT:<br />

LOUIS VUITTON IN DER RESIDENZPOST<br />

SMART!<br />

DER DESIGNER DAMIR DOMA UND<br />

MORITZ KRÜGER VON MYKITA ÜBER<br />

IHRE ZUSAMMENARBEIT<br />

Was war zuerst da: die Kollektion oder die Brille? Das<br />

sind eigenständige Projekte. Themen wie die Farben<br />

der Kollektion und das Material können aber<br />

auch interessant sein für die Entwicklung der Brillen.<br />

– Wie bezieht sich das eine auf das andere? <strong>Die</strong><br />

Schönheit der Modelle liegt im Offenlegen der<br />

Konstruktion. <strong>Die</strong> Mixtur aus kühlen und warmen<br />

Elementen erzeugt einen Kontrast, der auch an die<br />

charakteristische Mischung aus groben, steifen<br />

Stoffen und fließend-weichen Texturen in Damirs<br />

Kollektionen erinnert. Generell werden Accessoires<br />

immer wichtiger – eine Brille kann den Look<br />

vollenden und ihn teilweise auch bestimmen. –<br />

Macht diese Brille schlauer? <strong>Die</strong> Form lässt Assoziationen<br />

an einen versunkenen Kaffeehaus-Intellektualismus<br />

aufkommen. Mit der Brille sieht man<br />

schlauer aus. Es wäre toll, wenn sie auch schlauer<br />

machen würde. – Welche Materialien wurden verwendet<br />

und warum? Basierend auf der Ursprungsform<br />

DD04, die sich an die 30er-Jahre anlehnt, haben<br />

wir mit den verwendeten Materialien Bezug<br />

auf verschiedene Epochen genommen. <strong>Die</strong> Brillen<br />

DD02 und DD03 sind aus klarem Acetat und unsere<br />

zeitgemäße Interpretation eines modernen<br />

und zugleich technischen Produkts. Das Modell<br />

DD01 markiert bereits den Übergang ins Futuristische.<br />

Hier treffen stark kontrastierende Materialien<br />

wie Gold, Grafit und Platinum auf natür liches<br />

Büffelhorn. Werkstoffe, die seit jeher in der Brillenproduktion<br />

eingesetzt werden, aber nicht in<br />

dieser Kombination. – Bester Tipp, um seine Brille<br />

nicht zu verlieren? Aufsetzen. – Bester prominenter<br />

Brillenträger aller Zeiten? Le Corbusier – Unter<br />

welchen Umständen lässt sich eine Sonnenbrille auch<br />

im Dunkeln tragen? Unter keinen Umständen. Das<br />

dürfen nur Ray Charles oder Heino.<br />

Auf den KLOTZ gekommen<br />

<strong>Die</strong> Extravaganz von Karl Lagerfeld hat einen<br />

neuen Höhepunkt erklommen: Für die aktuelle<br />

Taschenkollektion von Chanel verpflichtete der<br />

Visionär Designer aus dem dänischen Hause Lego.<br />

Herausgekommen ist eine gut gelaunte Kollektion,<br />

die sich auch noch praktisch im Schrank<br />

stapeln lässt … <strong>Die</strong>se Geschichte stimmt natürlich<br />

nicht! Dennoch freuen wir uns, dass Karl auf<br />

den Klotz gekommen ist.<br />

Fotos: Drag Queen(Helen/Harry Morales), 1974; Self-Portrait in Drag, 1981; Princess Caroline of Monaco, 1983, Collection of The Andy Warhol Museum, Pittsburgh,© 2013 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc.(3); Crown Princess Sonja, 1982, Collection of Henriette Dedichen/<br />

Kristine and Thor Johan Furuholmen, Norway © 2013 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc./Hatje Cantz; MYKITA/Damir Doma; Chanel; Louis Vuitton; Laurèl; Roberto Cavalli; Mr. Jan Grombirik; Rolex; Baume & Mercier; Cartier; Patek Philippe; Tag Heuer<br />

2-in-1-KUNST<br />

Für alle, die sich gerne<br />

ein Gemälde um den<br />

Hals binden würden,<br />

bisher aber aus praktischen<br />

Gründen<br />

(Leinwand! Holzrahmen!)<br />

daran<br />

gescheitert sind.<br />

Laurèl hat in der<br />

Edition „Art to wear“<br />

Gemälde des Künstlers<br />

Jo Netzko auf Seide<br />

gedruckt, die so schön<br />

sind, dass man sie auch<br />

an die Wand hängen<br />

könnte.<br />

Tour de Barbie<br />

BLUE<br />

FLAMINGO<br />

WOW!<br />

DIE<br />

METALL-<br />

REIFKETTE<br />

VON<br />

ROBERTO CAVALLI IN VOGEL-<br />

OPTIK DÜRFTEN SICH SELBST PASSIONIERTE<br />

ORNITHOLOGINNEN GERNE UM DEN HALS LEGEN.<br />

Ein neues Image für die Tour de France: Ab sofort treten nur Frauen in die Pedale, und zwar auf der<br />

Rad-Kreation „Motol“ von Mattel. Das Ergebnis: ein spektakuläres pinkfarbenes Blitzlichtgewitter. Der<br />

Nachteil: Erst fünf Stück wurden davon angefertigt – aber für die Tour de France immerhin ein Anfang.<br />

MEHR ZEIT für FARBE:<br />

Damen-UHREN<br />

Da der Blick auf eine schöne Uhr nach wie vor die viel<br />

galantere Art ist, die Zeit abzulesen – und man die dämlichen<br />

Handys in den Untiefen einer anständigen Handtasche<br />

ohnehin nie findet, wenn man wissen muss, wie lange das<br />

KaDeWe noch offen hat: hier ein paar Inspirationen, um sich<br />

den Frühling ans Handgelenk zu binden.<br />

ROLEX<br />

Man beachte die geriffelte Lünette!<br />

<strong>Die</strong> Designer dieser „Oyster<br />

Perpetual Datejust” hatten offenbar<br />

ein Zusammenspiel der<br />

Farben und Schattierungen<br />

im Sinn. Das Gehäuse ist aus<br />

18-Karat-Everose-Gold, das<br />

Armband aus roséfarbenem<br />

Leder. Zu haben ist sie<br />

für 17 200 Euro.<br />

CARTIER<br />

<strong>Die</strong> „Tank Anglaise” nimmt die<br />

Stärken der „Tank” auf und lässt<br />

die Linienführung noch perfekter<br />

wirken. Ab Juni wird das Modell<br />

endlich auch mit farbigen Lederbändern<br />

erhältlich sein. Eine<br />

andere Option, die den Käufern<br />

offensteht: mit oder ohne<br />

Diamanten. Eine Entscheidung,<br />

die entweder mit 20 100 oder<br />

8 200 Euro zu Buche schlägt.<br />

TAG HEUER<br />

Der Preis für den schönsten<br />

Uhrenmodellnamen geht an<br />

Tag Heuers „Link Lady”, deren<br />

Markenbotschaft erin übrigens<br />

Cameron Diaz ist. Das Gehäuse<br />

besteht aus 18-Karat-Roségold,<br />

das Ziffernblatt ist mit<br />

Diamanten besetzt. Zu<br />

kaufen ist sie für 8 750 Euro.<br />

BAUME & MERCIER<br />

Ab Mitte April gibt es die „Linea<br />

10115” von Baume & Mercier in<br />

limitierter Aufl age auch mit einem<br />

Armband in der Farbe Orange.<br />

Das Werk ist aus Quarz, das Glas<br />

aus entspiegeltem Saphir und<br />

das Gehäuse aus poliertem und<br />

satiniertem Stahl. Zu erwerben ist<br />

das Modell für 1 650 Euro.<br />

PATEK PHILIPPE<br />

Das Gehäuse der „7071G-011”<br />

ist aus Weißgold, der Boden aus<br />

Saphirglas, und auf dem Höhenring<br />

– wir haben gezählt – sitzen<br />

116 Diamanten. Das entschlossen<br />

sportlich-elegante Modell, das<br />

von einem handgenähten<br />

Alliga tor lederband am Arm<br />

gehalten wird, gibt es<br />

für 74 100 Euro.<br />

34<br />

35


2<br />

<strong>Die</strong> Londonerin<br />

PUNK IM<br />

SCHRANK 1–3<br />

Wer?<br />

<strong>Die</strong> Londonerin<br />

CLAIRE<br />

BARROW.<br />

Für wen?<br />

Für alle<br />

Romantiker,<br />

die Punk<br />

mit New<br />

Wave<br />

und Grunge<br />

verwechseln.<br />

Wer?<br />

<strong>Die</strong> Dänin ANNE<br />

SOFIE MADSEN.<br />

Für wen?<br />

Für alle,<br />

die sich<br />

noch nicht<br />

entschieden<br />

haben, ob<br />

sie lieber<br />

Junkie oder<br />

Elfe sein wollen.<br />

Wer?<br />

<strong>Die</strong> Londonerin<br />

LOKO YU.<br />

Für wen?<br />

Für alle, die sowohl<br />

von einer rebellischen<br />

Vergangenheit als<br />

auch einer<br />

apokalyptischen<br />

Zukunft<br />

träumen.<br />

Das wahre Märchen<br />

vom perfekten Schuh<br />

Er hat nicht nur ein eigenes Schuhimperium<br />

geschaffen, sondern<br />

unterhält auch ein nach ihm benanntes<br />

Museum in Florenz, in dem er jetzt sein<br />

eigenes Lebenswerk präsentiert. Bei<br />

anderen könnte das unbescheiden ken, bei Salvatore Ferragamo erscheint<br />

wires<br />

uns völlig angemessen: The Amazing<br />

Shoemaker – Fairy Tales and Legends<br />

about Shoes and Shoemakers läuft<br />

bis Ende März 2014.<br />

Wanderschuhe anziehen<br />

und hinpilgern!<br />

WOW!<br />

D, D und D.D.<br />

Das waren noch Zeiten: Der King of Pop und die Princess of Wales strahlten im Satin- und Fantasy-Armee-Outfit um die<br />

Wette. Der von Tod’s unterstützte Bildband Timeless Icon über die Stilikone Diana zeigt zudem, dass die Prinzessin trotz<br />

ausreichender Ressourcen und stellarer Bekanntheit fast immer dieselbe Tasche mit sich herumtrug: die „D-Bag“ von<br />

Tod’s. Für alle, die ein ähnlich symbiotisches Verhältnis zu ihrer Handtasche pflegen, hat Tod’s nun den Klassiker sanft<br />

überarbeitet. <strong>Die</strong> „D.D.Bag“ begleitet moderne Prinzessinnen durch den Alltag und das abendliche Protokoll.<br />

ER IST’S<br />

Er ist ein Hummer, er heißt Victor,<br />

er ist aus 18-Karat-Gold, und er wird<br />

auf Bestellung innerhalb von drei<br />

Wochen von Marie Beltrami handgefertigt.<br />

Ach ja, er ist auch noch<br />

eine Brosche, aber das ist von profaner<br />

Nebensächlichkeit.<br />

QUEEN BEE<br />

Praktisch: <strong>Die</strong>se Plateausandalen von Alexander McQueen mit Bienen-<br />

applikationen und Honigkristallen eignen sich für Schuhfetischistinnen<br />

und Imkerinnen gleichermaßen. Wir schlagen vor, dass sie vom deutschen<br />

Imkerverband offiziell als Arbeitskleidung deklariert werden.<br />

Warum nicht auch für die männliche Belegschaft?<br />

36<br />

ZUSCHNAPPEN,<br />

SOLANGE ER GLÄNZT:<br />

HUMMER VICTOR<br />

VON MARIE BELTRAMI<br />

Fotos: Mimmo Paladino, Museo Salvatore Ferragamo; Olycom/Tod’s (2); catwalking.com; Jens Langkjaer; Loko Yu Studio; Alexander McQueen; Aurélien Allier<br />

wolford.com


WOW!<br />

ANZEIGE<br />

DIE LANGE<br />

NAHT<br />

DURCH<br />

DIE INSTITUTIONEN<br />

Fotos: Chanel, 2011 by David Sims; Sid Vicious by Dennis Morris, 1977; Christian Louboutin; Philipp Plein; Converse<br />

B-47<br />

CALCULATOR<br />

3 TIME ZONES<br />

GMT<br />

Professionelle<br />

Instrumentenuhr<br />

mit Rechenschieberfunktion<br />

Countdown<br />

3 Zeitzonen<br />

Automatik<br />

Stahl Ø 47 mm<br />

Saphirglas<br />

beidseitig<br />

entspiegelt<br />

Wasserdicht<br />

200 m / 20 bar<br />

F-43 FLIEGER<br />

CHRONOGRAPH<br />

ALARM GMT<br />

Weltweit erster Automatik<br />

Chronograph Alarm GMT<br />

Zertifizierter Chronometer<br />

Patent EP 0806712<br />

Gangreserveanzeigen<br />

für Uhrwerk und Alarm<br />

2. Zeitzone UTC / GMT<br />

AM / PM Anzeige<br />

Einzigartiges technisches<br />

Meisterstück zum<br />

100 jährigen Jubiläum<br />

Automatik<br />

Kaliber F-2012<br />

Stahl Ø 43 mm<br />

LIMITED<br />

Informationen & Katalog www.fortis-watches.com<br />

EDITIONS<br />

Wir sind uns nicht ganz sicher, ob es eine gute oder eine schlechte Nachricht ist, dass vermutlich alle<br />

relevanten Jugendkulturen früher oder später auf dem Laufsteg und danach im Museum landen.<br />

Sicher sind wir uns aber, dass die Ausstellung PUNK: Chaos to Couture im New Yorker Metropolitan<br />

Museum of Art Armeen von Feuilletonisten auf das Schlachtfeld dieser Fragestellung schicken wird.<br />

Wer nicht zwischen die Fronten geraten will, macht sich besser ein eigenes Bild davon, wie die<br />

Kleidung des Anti-Establishments nach und nach den Weg durch die Institutionen antrat und dabei<br />

immer verfeinertere Formen annahm. Wer<br />

alles dabei ist? Fuck it! Einfach jeder, der<br />

in der Modewelt Rang und Namen hat.<br />

AUSSTELLUNG<br />

VOM 9. MAI BIS 14. AUGUST 2013<br />

AUA 2!<br />

Und damit er von Anfang an nicht<br />

auf dumme Gedanken kommt: Tragen<br />

Sie diesen Armreif von<br />

Philipp Plein.<br />

B-42 BLACK MARS 500 DAY/DATE<br />

Automatik, Titan PVD schwarz Ø 42 mm<br />

Saphirglas beidseitig entspiegelt<br />

Wasserdicht 200 m / 20 bar<br />

SPACEMATIC DAY/DATE<br />

Automatik, Stahl Ø 40 mm<br />

Saphirglas, Zifferblatt bei<br />

Dunkelheit leuchtend<br />

Wasserdicht 200 m / 20 bar<br />

GOOD DESIGN AWARD<br />

Chicago Athenaeum Museum<br />

of Architecture and Design<br />

B-47 BIG BLACK<br />

2012 Exemplare<br />

Neue technische Lösung einer<br />

Großtag-/Datumsanzeige.<br />

Begründung der reddot Jury:<br />

„Das Beste aus zwei Welten -<br />

ein futuristisches Erscheinungsbild<br />

mit einem Maximum an<br />

Funktionalität.“<br />

NACHGETRETEN<br />

Converse weiß, was wir bislang alle nur geahnt<br />

haben: Nieten sind das Geheimnis, das den<br />

Punk im Innersten zusammenhält. Kein<br />

Pogo ohne dieses Schuhwerk!<br />

AUA 1!<br />

Der Typ, der Sie den ganzen Abend gelangweilt hat, wird jetzt auch<br />

noch zudringlich? Clutch „Mina“ von Louboutin funktioniert<br />

zum Glück auch als Selbstverteidigungswaffe. That’s punk, darling!<br />

38<br />

Offizieller Ausrüster<br />

39<br />

für<br />

Luft- und Raumfahrt<br />

Erste Uhrenfabrik der Welt<br />

für automatische Armbanduhren


people<br />

“Ich glaube es nur<br />

selten, wenn jemand<br />

etwas Nettes über<br />

mich sagt”<br />

Foto: Mert Alas & Marcus Piggott/Art Partner<br />

people/Rooney Mara<br />

Als Rooney MArA ihren großen durchbruch<br />

als Cyber-engel mit gebrochenen Flügeln in<br />

Verblendung feierte, hatte man Angst, ihr nach<br />

ein bruch der dunkelheit zu begegnen.<br />

In ihrem neuen Film Side Effects wirkt MArA<br />

hingegen ziemlich sediert – ganz anders also als<br />

in diesem gespräch<br />

PORTRäT<br />

MERT AlAS &<br />

MARcuS PiGGOTT<br />

von<br />

Steven Soderbergh<br />

STEVEN SODERBERGH: Rooney, was ich schon immer<br />

wissen wollte: Hattest du am College das Gefühl,<br />

das von allen Typen begehrte Mädchen zu sein?<br />

ROONEY MARA: Ich glaube eher, dass mich dort<br />

niemand mochte.<br />

SODERBERGH: Warum das denn?<br />

MARA: Weil ich keiner Studentenverbindung beitreten<br />

wollte. Ich habe das College dann verlassen.<br />

SODERBERGH: Ach, eigentlich langweilen mich<br />

solche biografischen Dinge ohnehin. Lass uns lieber<br />

über Filme reden. Warum musste David Fincher, als<br />

er mit dir an dem Film Verblendung arbeitete, so viele<br />

Einstellungen drehen?<br />

MARA: Sehr witzig. Ich vermute, weil es so angenehm<br />

ist, mit mir zu arbeiten. Fincher verlängerte sogar<br />

meine Szenen, weil er mich immer am Set haben<br />

wollte. Vielleicht auch, weil ich stur bin und wir beide<br />

eine Art Sturheitswettbewerb am Laufen hatten. Leider<br />

kann man gegen Fincher nicht gewinnen, und ich<br />

muss gestehen, dass er am Ende immer recht hat.<br />

SODERBERGH: Sind die Tattoos eigentlich echt,<br />

oder waren die aufgemalt – hast du in Verblendung das<br />

girl with the dragon tattoo nur gespielt?<br />

MARA: Ja, das war nur gespielt.<br />

SODERBERGH: Hast du wenigstens Hacker-Skills?<br />

Oder war das auch nur für die Kamera?<br />

40<br />

MARA: Leider auch nur gespielt.<br />

SODERBERGH: Mann, Rooney! Warum hast du<br />

eigentlich den Oscar nicht gewonnen?<br />

MARA: Dafür gab es viele Gründe … Ich weiß, du<br />

liebst deinen Oscar sehr. Mein Hund heißt übrigens<br />

Oscar.<br />

SODERBERGH: Als Oscar-Gewinner empfinde ich<br />

diese Information als beleidigend. Übrigens weiß ich,<br />

dass dein Hund findet, dass du stinkst.<br />

MARA: Er schläft gerade direkt neben mir, und er<br />

liebt alles an mir. Gott segne sein kleines Herz.<br />

SODERBERGH: In unserem gemeinsamen Film<br />

Side Effects spielst du eine Frau mit einer klinischen<br />

Depression. Als dein Regisseur muss ich an dieser<br />

Stelle anmerken, dass ich niemals mitbekommen habe,<br />

dass du dich irgendwie auf diese Rolle vorbereitet<br />

hast. Mogelst du dich immer so durch, oder war es<br />

dein Plan, den Film zu torpedieren?<br />

MARA: Das ist der Beweis, dass du am Vorabend<br />

deiner Verrentung aufgehört hast, auf irgendetwas zu<br />

achten. Nur weil du dich überall durchmogelst – wie<br />

zum Beispiel bei diesem <strong>Interview</strong> hier –, habe ich<br />

mich entschlossen, deine Methode zu übernehmen.<br />

SODERBERGH: Na ja, in der ersten Woche der<br />

Dreharbeiten habe ich von dir grundsätzlich immer<br />

das Gegenteil von dem verlangt, was ich eigentlich<br />

von dir wollte. Einfach nur, weil ich wusste, dass du<br />

immer das Gegenteil von allem tun würdest, was ich<br />

von dir verlangen würde.<br />

MARA: Wenn du nicht schon lange dein grundsätzliches<br />

Einfühlungsvermögen verloren hättest, dann<br />

hättest du eventuell gemerkt, dass ich anfangs immer<br />

das getan habe, was du von mir verlangst. Erst mit der<br />

Zeit habe ich angefangen, das Gegenteil zu machen,<br />

langsam und verbittert.<br />

SODERBERGH: Zum Glück waren die Dreharbeiten<br />

sehr kurz. Warum wolltest du für deine Rolle in<br />

kleinen, unnummerierten Scheinen bezahlt werden?<br />

MARA: Zzzzzzzzz …<br />

SODERBERGH: Warum zeigst du dich eigentlich<br />

in jedem Film nackt?<br />

MARA: Ich mache nur, was man mir sagt. Wenn es<br />

sinnvoll ist, dass meine Figur in einer Szene nackt ist,<br />

und ich dem Regisseur vertraue, dann habe ich kein<br />

Problem damit. Wobei ich die Entscheidung, dir zu<br />

vertrauen, im Nachhinein zutiefst bereue. Ich möchte<br />

auch in keine grundlosen nackten Angelegenheiten in-<br />

41


volviert sein, aber ich sehe auch nicht ein, warum man<br />

sich für den menschlichen Körper schämen sollte. Jeder<br />

Mensch auf diesem Planeten hat ähnliche Körperteile<br />

wie ich. Es dürfte also für die Zuschauer kein allzu<br />

großer Schock sein, sich meine anzuschauen.<br />

SODERBERGH: Jetzt ist es an der Zeit, dir die Fragen<br />

zu stellen, die du in normalen <strong>Interview</strong>s bewusst<br />

vermeidest. Zum Beispiel: Hast du Angst, entführt zu<br />

werden?<br />

MARA: Ich versuche, nicht daran zu denken – wobei<br />

meine Sorge eher der Person gilt, die mich entführt.<br />

SODERBERGH: Warum?<br />

MARA: Wenn ich mich bedroht fühle, kann ich<br />

sehr ungemütlich werden. Außerdem droht eine ständige<br />

Unterzuckerung, wenn ich nicht alle paar Stunden<br />

gefüttert werde. Das ist kein Spaß.<br />

SODERBERGH: Mir ist aufgefallen, dass die gesamte<br />

Crew unseres Films dich „Looney Mara“ nannte.<br />

MARA: Hmm …<br />

SODERBERGH: Einige nannten dich auch „Starthilfekabel“,<br />

weil du nie Energie hattest. Findest du das<br />

lustiger?<br />

MARA: Zumindest ist es irgendwie passender, denn<br />

ich spielte ja eine Figur mit einer klinischen Depression.<br />

Der Mangel an Energie war somit Teil meiner von<br />

dir bereits erwähnten schlechten Vorbereitung.<br />

SODERBERGH: Wenn du alleine auf einer einsamen<br />

Insel wärst, wären dann nicht alle anderen Menschen<br />

sehr glücklich?<br />

MARA: Es ist eindeutig, dass du dann ziemlich<br />

glücklich wärst.<br />

SODERBERGH: Rooney, mir ist aufgefallen, dass<br />

du nie irgendetwas liest. Kannst du überhaupt lesen?<br />

MARA: Yes, Sir, ich kann lesen. Mein Brieffreund<br />

ist übrigens Mister Shanley, mein Englischlehrer aus<br />

der neunten Klasse.<br />

SODERBERGH: Das Wort „Brieffreund“ gehört<br />

abgeschafft! Ich lese ja seit Traffic keine Kritiken mehr.<br />

Liest du deine?<br />

MARA: Ja und nein. Einerseits schenke ich dem,<br />

was andere Leute über mich sagen, nicht sehr viel<br />

Glauben. Andererseits bin ich neugierig, was andere<br />

Leute über mich denken – und man will natürlich immer<br />

respektiert werden. Unterm Strich bin ich allerdings<br />

mir selbst gegenüber viel kritischer, als andere<br />

dies jemals sein könnten. Ich weiß ziemlich genau,<br />

wenn etwas, das ich gemacht habe, wirklich schlimm<br />

ist. Dann lese ich die Kritiken, um eine Bestätigung zu<br />

erhalten. Ich lese sie jedenfalls nicht, um mich wohlzufühlen.<br />

Überhaupt glaube ich es nur selten, wenn<br />

jemand etwas Nettes über mich sagt.<br />

SODERBERGH: Ich glaube ja, dass einer der Gründe,<br />

warum ich so kreativ bin, die Scheidung meiner<br />

Eltern ist. Wie fühlt es sich denn an, in einer stabilen<br />

Familie aufzuwachsen?<br />

MARA: Das ist nicht dein Ernst, oder? Du glaubst,<br />

dass deine Kreativität etwas mit der Scheidung deiner<br />

Eltern zu tun hat? Wie kommst du auf so einen<br />

Schwachsinn?<br />

SODERBERGH: Für mich war meine Familie eine<br />

grandiose Lektion in puncto Subtext. Aber da du ja<br />

ein eher oberflächlicher Typ bist, hättest du das wahrscheinlich<br />

nicht mitbekommen.<br />

MARA: Ich bin schon mal gefeuert worden, weil<br />

ich angeblich innerlich zu lebendig war.<br />

SODERBERGH: Das klingt sehr unwahrscheinlich.<br />

Habe ich dir eigentlich schon mal erzählt, dass<br />

ich gerne schnell arbeite, weil ich Angst davor habe,<br />

einfach so zu sterben und dass dann irgendjemand anderes<br />

meinen Film beenden müsste?<br />

“<br />

PEoPlE/Rooney Mara<br />

Jeder Mensch auf<br />

diesem Planeten hat<br />

ähnliche Körperteile<br />

wie ich. Es dürfte also<br />

für die Zuschauer<br />

kein allzu großer<br />

Schock sein, sich meine<br />

anzuschauen<br />

”<br />

– Rooney Mara<br />

42<br />

MARA: Wer sollte das denn bitte sein? Aber ich<br />

denke auch manchmal: „Okay, wenn ich jetzt sterben<br />

würde, müsste dann der ganze Film neu gedreht werden,<br />

oder würden sie einfach nur drum herumschneiden?“<br />

SODERBERGH: Ich bin gerade 50 Jahre alt geworden<br />

– 50 kam mir in deinem Alter sehr alt vor. Findest<br />

du mich alt?<br />

MARA: Nicht dass wir uns falsch verstehen … Du<br />

bist nur ein paar Jahre jünger als meine Eltern, also<br />

technisch gesehen könntest du mein Vater sein. <strong>Die</strong><br />

meisten meiner Freunde sind über 35, und du bist so<br />

unreif, dass du sowieso viel jünger wirkst, als du bist.<br />

SODERBERGH: Vielen Dank. Ich habe gehört, dass<br />

du irgendwas mit Wasser und Schulen machst.<br />

MARA: Ich unterstütze die Hilfsorganisation Uweza<br />

in Kenia, das hat aber nichts mit Wasser zu tun,<br />

allerdings bin ich gerade von einer Reise mit Oxfam<br />

zurückgekehrt, wo es um Wasserprojekte ging.<br />

SODERBERGH: Haben deine Eltern dich gezwungen,<br />

das zu tun?<br />

MARA: Nein, im Gegenteil, sie haben gebettelt,<br />

dass ich es nicht tue. Mittlerweile unterstützen sie<br />

mich jedoch uneingeschränkt.<br />

SODERBERGH: Den größten Lachanfall meines<br />

Lebens hatte ich, als ich an Thanksgiving Das Tal der<br />

Puppen auf Psychopilzen angeschaut habe. Wann hattest<br />

du deinen heftigsten Lachanfall?<br />

MARA: Das ist zu unangemessen, um es zu erzählen.<br />

Aber es hatte etwas mit Latex zu tun.<br />

SODERBERGH: Latex ist immer lustig. Ich erlaube<br />

meiner Frau nicht, Grün zu tragen. Welche Farbe<br />

gefällt dir nicht?<br />

MARA: Das stimmt doch gar nicht! Ich habe deine<br />

Frau schon Grün tragen sehen. Ich hingegen trage<br />

grundsätzlich keine Farben. Nie.<br />

SODERBERGH: Aus politischen Gründen?<br />

MARA: Nein, weil es einfacher ist, sich morgens<br />

anzuziehen.<br />

SODERBERGH: Wenn du nicht Mensch, sondern<br />

Auto wärst: Welches Modell wäre Rooney Mara?<br />

MARA: Ein Fahrrad! Und du?<br />

SODERBERGH: Ich fahre einen Käfer Baujahr<br />

1964, und ich wäre auch genau dieses Auto. Sammelst<br />

du eigentlich irgendwas? Vielleicht Magazine mit<br />

Cover storys von dir?<br />

MARA: Nein, das übernimmt schon meine Mutter.<br />

SODERBERGH: Schreibst du Tagebuch?<br />

MARA: Das habe ich an dem Tag, an dem ich dich<br />

das erste Mal traf, zerrissen.<br />

SODERBERGH: Das war schlau von dir, sehr schlau.<br />

Hast du eigentlich außer der Schauspielerei jemals irgendwelche<br />

bezahlten Jobs gemacht?<br />

MARA: Ich war Babysitterin.<br />

SODERBERGH: Meine größte Qualität ist meine<br />

Bescheidenheit. Was ist deine?<br />

MARA: Meine Füße.<br />

SODERBERGH: Würdest du Ärger bekommen,<br />

wenn wirklich alles, was wir hier besprechen, gedruckt<br />

werden würde?<br />

MARA: Ja.<br />

SODERBERGH: Bist du so paranoid, wie es scheint?<br />

MARA: Noch viel paranoider.<br />

SODERBERGH: Letzte Frage: David Fincher und<br />

ich bieten dir beide eine Filmrolle an – du hättest ein<br />

Gewehr mit nur einer Kugel: Wen würdest du erschießen?<br />

MARA: Ich würde das Gewehr fallen lassen und<br />

sehr, sehr schnell wegrennen.<br />

SIDE EFFECTS StARtEt AM 25. ApRil<br />

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Splash<br />

Fotos<br />

Charlotte Wales<br />

Styling<br />

Clare Byrne<br />

Bikini oder Badeanzug? HauptsacHe sommer!<br />

<strong>Die</strong>se Seite, von links:<br />

Badeanzug NORMA KAMALI<br />

Socken NIKE<br />

Schuhe ROCHAS<br />

Badeanzug NORMA KAMALI<br />

Latex-Socken VEX<br />

Schuhe ROCHAS<br />

44<br />

Rechte Seite:<br />

Jacke ADIDAS BY STELLA McCARTNEY<br />

Badehose OYE<br />

Latex-Socken VEX<br />

Schuhe ROCHAS


Shirt ADIDAS<br />

Badeanzug (darüber getragen) THApELO<br />

Latex-Socken VEX<br />

Schuhe ROCHAS<br />

Ballon ALEXANDER wANg<br />

Badeanzug & Tasche CHANEL<br />

Latex-Socken VEX<br />

Schuhe ROCHAS<br />

Von links:<br />

Badeanzug ERES<br />

Latex-Socken VEX<br />

Aufblasbarer Hai ALEXANDER WANG<br />

46<br />

Cape wANDA NyLON<br />

Badeanzug SpEEDO<br />

Latex-Socken VEX<br />

Schuhe ROCHAS<br />

Bikini ERES<br />

Latex-Socken VEX<br />

Schuhe ROCHAS<br />

47<br />

Hair WESLEY O’MEARA/THE WALL GROUP USING AG HAIR<br />

Make-up JUSTINE PURDUE/TIM HOWARD MANAGEMENT USING MAC<br />

Models DAUPHINE McKEE/THE SOCIETY, MURIEL BEAL/ELITE<br />

Casting SAMUEL ELLIS SCHEINMAN/DM FASHION STUDIO<br />

Photo Assistant SIGGY BODALAI<br />

Styling Assistant CHRIS LEE


KULTUR<br />

Frieze New York<br />

Nehmen wir doch das obige schöne Bild von Jeremy Deller als Motto für die zweite Frieze Art Fair in<br />

DIE FORMEL DAVE GAHAN <strong>Die</strong> Komponenten, aus denen der Sänger zusammengesetzt ist<br />

KRAFTWERK<br />

(SYNTHIEPOP)<br />

+ : x + =<br />

NICK CAVE<br />

(GESANG)<br />

ANIMAL VEGETABLE POP MUSIC VON JEREMY DELLER<br />

New York. Der grüne Grund könnte ein Hinweis auf den Ort der Messe sein, die reichlich bepflanzte East-<br />

River-Insel Randall’s Island. <strong>Die</strong> Worte „Animal“ und „Vegetable“ stehen für das ausgezeichnete Catering<br />

der Veranstaltung – die Besucher der letzt jährigen Frieze<br />

schwärmen immer noch von Frankies Fleischbällchen.<br />

Und „Pop Music“? Ja, es gibt auch eine Sparte mit dem<br />

Titel Sounds. Zusammengehalten wird das alles wiederum<br />

von einer roten Umrahmung, schließlich handelt es sich<br />

um Kunst (vom 10. bis 13. Mai).<br />

GALLERY WEEKEND<br />

Wer es dieses Jahr nicht zur Frieze nach New York<br />

schafft und leider auf Frankies Fleischbällchen verzichten<br />

muss, dem bleibt das Gallery Weekend in Berlin.<br />

Vom 26. bis 28. April nehmen daran exakt 51 Galerien<br />

teil, gezeigt werden unter anderem Arbeiten von<br />

George Condo, Hans-Peter Feldmann, Isa Genzken,<br />

Billy Childish und Valie Export. Das Programm ist<br />

sozusagen bunt. In der Gesamtheit ähnelt das Gallery<br />

Weekend der großen TV-Serie Jersey Shore: GTL –<br />

Gucken, Trinken, Labern.<br />

W. ETTY VON<br />

HANS-PETER FELDMANN, 2012<br />

SPRITZE<br />

(HEROIN)<br />

x R.I.P.<br />

GRABSTEIN<br />

(KLINISCH TOT, 1996)<br />

48<br />

JESUS<br />

(ERLÖSERFANTASIE)<br />

Anschauen!<br />

FILME<br />

„IRON MAN 3“<br />

Ben Kingsley trauen wir seit Gandhi nicht mehr über<br />

den Weg. Von wegen gewaltloser Widerstand! Er<br />

will die Welt vernichten. Iron Man und Gwyneth<br />

Paltrow als Pepper Potts (toller Name!) halten dagegen.<br />

Wer wird am Ende bloß gewinnen? (ab 1. Mai)<br />

„PASSION“<br />

Wieder Probleme im Büro: Fiese Werbeagenturchefin<br />

beutet auf berufsübliche Weise ihre Assistentin<br />

aus. Über die Idee einer Kampagne kommt es<br />

zum Bruch, später stirbt jemand, zwischendurch: Sex.<br />

Nachdenkliche Milieubetrachtung mit Karoline<br />

Herfurth von Regisseur Brian De Palma (ab 2. Mai).<br />

„CHARLIES WELT“<br />

Ungefähr so: Bill Murray verkleidet sich als John<br />

Wayne, Jason Schwartzman trägt Tennishosen, und<br />

Charlie Sheen spielt sich selbst, während er so tut, als<br />

würde er jemand anderen spielen. Warum? Er wird<br />

verlassen und ist darüber ganz außer sich (ab 2. Mai).<br />

„STOKER“<br />

Das neue Ding: Vampirfilme ohne Vampire, bei denen<br />

es sich möglicherweise nicht einmal um Vampirfilme<br />

handelt. Dracula-Autor Bram Stoker steht<br />

jedenfalls mit Namen im Titel. Ansonsten: Nicole<br />

Kidman, ein toter Vater, seine romantische Tochter<br />

und ihr seltsamer Onkel (ab 9. Mai).<br />

MIA WASIKOWSKA IN STOKER<br />

„EVIL DEAD“<br />

Es hätte so schön werden können. Fünf hoffnungsfrohe,<br />

junge Menschen machen einen Ausflug in den<br />

Wald, wo sie in einer Holzhütte in einem Buch blättern<br />

– und schon ist der Teufel los. Würden sie nicht<br />

ständig Bücher lesen, sondern Horrorfilme schauen,<br />

wäre ihnen das nicht passiert (ab 16. Mai).<br />

DAVE<br />

GAHAN<br />

Fotos: Gavin Brown’s enterprise, Jeremy Deller, Animal Vegetable Pop Music (2012), Silkscreen print on paper, courtesy of Gavin Brown’s enterprise; © The Cy Twombly Foundation/courtesy Schirmer/Mosel; © 2012 Twentieth Century Fox; Rune Hellestad/Corbis; ddp images;<br />

Astapkovich Vladimir/Corbis; Jed Jacobsohn/Getty Images; Sergej Jensen, 1997, Foto: Kai-Annett Becker, courtesy Sergey Jensen und Galerie Neu, Berlin; A painting by George W. Bush of his dog Barney, courtesy of the Bush family; © 2013 Mattel; © 2013 AMC Networks Inc.<br />

ZITAT<br />

Sergej<br />

Jensen<br />

Soeben mit dem Fred-<br />

Thieler-Preis für Malerei<br />

geehrt, ist Jensens<br />

Ausstellung noch<br />

bis zum 17. Juni<br />

in der Berlinischen Galerie<br />

in Berlin zu sehen: Experimente<br />

mit Farbe und Leinwand<br />

und Pferden außerhalb des<br />

Bildausschnitts.<br />

Aufschlagen!<br />

BÜCHER<br />

MARINA MANDER<br />

„MEINE ERSTE LÜGE“<br />

Piper, April<br />

Wenn die Mutter tot im Bett liegt und der Vater<br />

sowieso nie da war, bleiben nur: Oma, Heim oder auf<br />

eigenen Beinen stehen. Luca entscheidet sich für<br />

Letzteres, was aber nicht so einfach ist, wie er sich<br />

das gedacht hat. Das Debüt der italienischen Autorin<br />

ist eines von diesen Sonntagsnachmittagsbüchern.<br />

Daher wird es auch verfilmt und vielfach übersetzt.<br />

DAVID MARKSON<br />

„WITTGENSTEINS MÄTRESSE“<br />

Berlin Verlag, April<br />

Erstmals auf Deutsch erscheint dieser Klassiker der<br />

US-Postmoderne. Der Autor war zu Lebzeiten eher<br />

nur Kollegen wie David Foster Wallace ein Begriff.<br />

Der Roman von 1988 ist der Monolog einer wundersamen<br />

Künstlerin, die glaubt, der letzte Mensch<br />

auf Erden zu sein. Ein literarisches Schwergewicht,<br />

so gewichtig, dass nach jedem Satz ein Absatz steht.<br />

MAGGIE SHIPSTEAD<br />

„LEICHTE TURBULENZEN BEI ERHÖHTER<br />

STRÖMUNGSGESCHWINDIGKEIT“<br />

dtv, Mai<br />

Wenn der Bikini der Freundin der Tochter beim<br />

Vater einen leichten Schwindel auslöst und das am<br />

Hochzeitswochenende ebenjener Tochter, dann weiß<br />

man: Irgendwas läuft schief. Auch wenn Winn van<br />

Meter sonst ziemlich viel richtig zu machen scheint.<br />

Das Debüt der 30-jährigen Schülerin von Zadie<br />

Smith handelt von Countryclubs und Tennisbällen,<br />

die in der Garage aufgehängt sind, um die richtige<br />

Parkposition zu markieren. Ein Hit!<br />

KULTUR<br />

So gimme dat “Toot toot” / And lemme give ya<br />

that “Beep beep” / Runnin’ her hands through<br />

my ’fro / Bouncin’ on twenty fo’s / While they<br />

sayin’ on the radio / It’s the remix to ignition /<br />

Hot and fresh out the kitchen … Sippin’ on coke and<br />

rum / I’m like so what I’m drunk / It’s the freakin’<br />

weekend / Baby I’m about to have me some fun<br />

R. Kellys Hit Ignition (Remix) als Nationalhymne der USA, so will es eine Petition. 100 000 Unterzeichner<br />

braucht sie 2zur Vorlage. Leider dürfen wir an der Unterschriften aktion nicht aktiv teilnehmen.<br />

DER<br />

TITEL<br />

DES<br />

WERKS:<br />

1997<br />

3<br />

George W. !<br />

So traurig es uns auch stimmt, dass Barney, George<br />

W. Bushs treuester Gefährte, vor ein paar Wochen<br />

verstorben ist, so sehr erfreut uns der Anblick dieses<br />

Bildes: ein Porträt Barneys, frisch von der Staffelei<br />

des Expräsidenten und Malers, der seine<br />

Kunst so lässig wie galant mit „43“ unterschreibt.<br />

ALLE LIEBEN BARBIE<br />

<strong>Die</strong> Ausstellung des Jahres? Vom 16. Mai bis 25.<br />

August lädt Barbie nach Berlin ins Dreamhouse,<br />

also in die interaktive Installation ihres Malibu-<br />

Heims. Highlights: begehbarer Kleiderschrank,<br />

Cupcakes und mindestens 350 Barbie-Puppen.<br />

49<br />

Runterladen!<br />

SERIEN<br />

„TOP OF THE LAKE“<br />

<strong>Die</strong> zwölfjährige Tochter eines Provinzpaten ist<br />

schwanger und haut von zu Hause ab. Eine Ermittlerin<br />

geht wegen ihrer kranken Mutter zurück aufs<br />

Land. Und Holly Hunter schart als rätselhafte Prophetin<br />

mit langem grauen Haar eine bunte Truppe<br />

von Frauen um sich, denen das Leben übel mitgespielt<br />

hat. Großartige neue Serie von Jane Campion,<br />

der Regisseurin von Das Piano.<br />

„GOLDEN BOY“<br />

Gute Polizeiserien kann es eigentlich gar nicht genug<br />

geben. Bullen in New York, Bullen in L.A., solche,<br />

die einen Knall haben, die Verbrecher sind oder sich<br />

für Cowboys halten. Golden Boy erzählt nun im Rückblick<br />

die Karriere von Walter Clark und konzentriert<br />

sich auf die Diskrepanz zwischen Erinnerung und<br />

Wirklichkeit. Interessant!<br />

„OUT THERE“<br />

Ryan Quincy war zwar jahrelang Zeichner und<br />

Produzent bei South Park, aber seine eigene Serie<br />

Out There hat eher was von King of the Hill –<br />

krakelige Figuren, die in der Provinz durch ihr<br />

Leben stolpern. Wie etwa der 15-jährige Chad<br />

und seine Freunde. Komisch ist das nicht. Aber<br />

vielleicht muss es auch nicht komisch sein, wenn es<br />

schon komisch aussieht.<br />

BEGRENZTER SPASS AM LEBEN DANK<br />

WISCHMOPP-FRISUR: OUT THERE<br />

„BATES MOTEL“<br />

Wollte man ja eigentlich schon immer mal wissen:<br />

Wie war das eigentlich mit Norman Bates, bevor er<br />

die Hauptfigur in Hitchcocks Psycho wurde? Wie<br />

war das Verhältnis mit seiner Mutter? Wie läuft das<br />

Motel? Gab es seltsame Vorfälle, die auf spätere<br />

Komplikationen hätten hinweisen können? Zu viel<br />

Fernsehen? Ego-Shooter vielleicht? Ein verhängnisvolles<br />

Interesse an altersunangemessener Unterhaltung?<br />

Hatte er Freunde? War er im Sportverein? All<br />

diesen Fragen geht die Prequelserie auf den Grund.


Kultur<br />

Kultur/Woodkid<br />

Woodkid<br />

von<br />

Santigold<br />

Foto<br />

kArim sAdli<br />

“<br />

Kunst bedeutet,<br />

Schönes zu<br />

erschaffen<br />

aus etwas, das<br />

ganz und gar<br />

nicht<br />

schön ist<br />

”<br />

Foto: Universal Music<br />

Er dreht Videos mit<br />

rihanna und Agyness<br />

Deyn, inspiriert<br />

Kollektionen von Dior<br />

Homme und bannt<br />

Millionen mit seiner<br />

bildgewaltigen Musik:<br />

Woodkid. Mit der<br />

Kollegin Santigold<br />

spricht er über<br />

Künstlerkomplexe,<br />

Käse und Bettwanzen<br />

Woodkid: Hey Santi, wo bist du gerade?<br />

Santigold: Ich bin in meinem Haus in Brooklyn.<br />

Du bist nicht mehr in New York, oder?<br />

Woodkid: Ich bin schon wieder in Paris für Promo-Termine:<br />

Fernsehen, Radio, <strong>Interview</strong>s und so.<br />

Santigold: Magst du solche Termine?<br />

Woodkid: Ich weiß nicht, du?<br />

Santigold: Nein.<br />

Woodkid: Wie schaffst du es, nicht immer die<br />

gleichen Antworten zu geben?<br />

Santigold: Ich glaube, es gibt keine Lösung. <strong>Die</strong><br />

einzige Möglichkeit ist, kurze Antworten zu geben,<br />

sodass schnell neue Fragen gestellt werden müssen.<br />

Vielleicht ist es auch schlau, zu versuchen, den Fokus<br />

des Gesprächs selbst zu steuern, aber nach mehreren<br />

<strong>Interview</strong>s verliert man doch auch den Überblick.<br />

Woodkid: Absolut. Wie läuft es denn mit deinem<br />

Filmprojekt? Du wolltest doch Regie führen.<br />

Santigold: Kennst du diesen Typ Mensch, der<br />

sich Hals über Kopf in alles stürzt? Genau so versuche<br />

ich das nicht zu machen. Ich habe recherchiert,<br />

Schauspielunterricht genommen, hatte Meetings mit<br />

Filmfirmen, ich will die Dinge entstehen lassen. Übrigens<br />

habe ich ein geheimes Projekt, das ich unbedingt<br />

mit dir zusammen machen möchte.<br />

Woodkid: Wirklich? Worum geht’s?<br />

Santigold: Das kann ich dir hier im <strong>Interview</strong><br />

nicht erzählen, aber es wird sehr viel Spaß machen.<br />

Woodkid: Ich muss auch etwas mit dir besprechen.<br />

Ich möchte mich mehr in Richtung HipHop<br />

orientieren; verrückter, nicht so ernsthaft, mehr Beats,<br />

und ich würde mich freuen, wenn du singen könntest.<br />

Santigold: Da habe ich total Lust drauf!<br />

Woodkid: Was machst du gerade musikalisch?<br />

Santigold: Ich bin kurz davor, wieder anzufangen;<br />

auf Tour komme ich einfach nicht zum Schreiben.<br />

Jetzt versuche ich, all das nachzuholen, was ich<br />

während der Tour nicht machen konnte. Heute habe<br />

ich meine erste Kampfsporttrainingsstunde gehabt.<br />

Woodkid: Geil! Das letzte Mal haben wir uns ja<br />

über die Technik bei Liveauftritten unterhalten.<br />

Santigold: Ich hatte Probleme, herauszufinden,<br />

mit welcher Technik sich am besten arbeiten lässt.<br />

Woodkid: <strong>Die</strong> Leute haben keinen Plan, wie<br />

viel Aufwand die ganzen technischen Details bedeuten.<br />

Santigold: Das merkt man schon daran, wie<br />

Auftritte diskutiert werden. Beispiel Super Bowl – als<br />

es hieß, Beyoncé habe nicht live gesungen –, komm<br />

schon, es ist unmöglich, gleichzeitig zu singen und<br />

eine derartige Choreografie zu tanzen! Geht nicht.<br />

Woodkid: Bei mir achten die Kritiker immer darauf,<br />

ob ich auch die Töne treffe.<br />

Santigold: Ich finde deine Stimme wunderbar.<br />

Zum ersten Mal habe ich dich bei dieser Fashion-<br />

Show in der Kirche gesehen. Deine Stimme und diese<br />

Kirchenorgel, es war, als würde ein Engel singen. Wer<br />

ist das, habe ich mich gefragt. A-Trak saß hinter mir:<br />

„Das ist Woodkid!“<br />

Woodkid: Cool. A-Trak ist übrigens in mein<br />

Haus gezogen. Wir sind jetzt Nachbarn.<br />

Santigold: Wo?<br />

Woodkid: In Williamsburg. Vielleicht sollte<br />

ich das nicht genauer beschreiben (lacht). Questlove<br />

wohnt auch hier. Superviele coole Leute.<br />

Santigold: Ich habe da gewohnt, bevor der ganze<br />

Wahnsinn anfing, es gab nur ein Restaurant. Echt:<br />

eins! Immer wenn ich erzählt habe, dass ich in Williamsburg<br />

lebe, dachten die Leute, ich meine den Ort<br />

in Virginia. Krass, zu sehen, wie sich alles verändert.<br />

Es ist teurer dort als in der Upper West Side!<br />

Woodkid: Echt jetzt? Aber in der Upper West<br />

Side würde ich nicht wohnen wollen.<br />

Santigold: Nein, ich auch nicht.<br />

Woodkid: 2006 habe ich noch mit Freunden in<br />

einem Loft in Bushwick gelebt. Wir haben Musik gemacht,<br />

hatten viel Spaß und Bettwanzen.<br />

Santigold: Ihr hattet Bettwanzen?<br />

Woodkid: Ja. Eine super Zeit, es war Sommer,<br />

und ich habe mir über nichts Gedanken gemacht. Sag<br />

mal, was machen deine Eltern noch mal beruflich?<br />

Santigold: Mein Vater war Anwalt, er ist 2004<br />

gestorben. Er stammt aus ziemlich ärmlichen Verhältnissen<br />

und war Mitglied einer Gang. Im Jugendarrest<br />

hat er sich dann mit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung<br />

beschäftigt, das veränderte sein Leben total. Er<br />

kam an die Wesleyan University in Connecticut, wo<br />

ich auch studiert habe, aber war sich seiner Herkunft<br />

immer bewusst und hat versucht, anderen zu helfen.<br />

Und er war der größte Musikfan. Er hat mich mal mit<br />

zu einem James-Brown-Konzert genommen. Ich habe<br />

mich gefragt, was der bloß mit seinem Bein macht!<br />

Mein Dad meinte nur: „Santi, er hat Soul!“ (lacht) Bei<br />

Fela Kuti und Nina Simone waren wir auch.<br />

Woodkid: Oh mein Gott! Und deine Mutter?<br />

Santigold: Sie kommt aus Mississippi – der<br />

Ku-Klux-Klan hat mal vor ihrem Haus ein Kreuz<br />

angezündet. Trotzdem landete sie an derselben Uni<br />

wie mein Vater, die beiden lernten sich kennen, und<br />

meine Mum wurde Psychiaterin. Sie wollte von uns<br />

immer wissen, wie wir uns fühlen und warum (lacht).<br />

Das hat meine Art zu texten ziemlich beeinflusst. Und<br />

natürlich hat mich auch die Musik geprägt. Damals<br />

gab es noch eine Message; darum geht es mir bei<br />

Musik, um die Message. Wobei natürlich meine Textzeilen<br />

wie „Then look at these hoes / These bitches<br />

ain’t fucking with me“ eine etwas andere Message haben<br />

(lacht). Was ist denn deine Familiengeschichte?<br />

Woodkid: Ich bin in einem komplett anderen<br />

Umfeld aufgewachsen als dem, in dem ich mich heute<br />

bewege, sowohl sozial als auch kulturell. Ich komme<br />

aus einer Mittelklassefamilie, die keinen besonderen<br />

intellektuellen Bezug hatte. Es ist ein kleiner Komplex:<br />

dass ich von Haus aus kein intelligenter Mensch bin.<br />

Santigold: (lacht) Natürlich bist du das! Du bist<br />

nur bescheiden und demütig, was ein schöner Zug ist.<br />

Woodkid: Aber mein Album ist zusammengesetzt<br />

wie eine zerbrochene Vase. Erst langsam erkenne<br />

ich, dass alles Sinn macht, eine Geschichte hat, dass<br />

ich Teil davon bin. Was ist dein persönlichster Song?<br />

Santigold: Das ist schwer zu sagen. Mein zweites<br />

Album handelt von den Erfahrungen, als Künstler<br />

sein Innerstes nach außen zu kehren, verletzlich<br />

zu sein. Und dann bildest du eine Schutzschicht über<br />

dein Ich, aber plötzlich bist du auf der anderen Seite<br />

und fragst dich, wie du wieder zu dir gelangst.<br />

Woodkid: Ein guter Vergleich. Ich habe eine<br />

Menge Freunde, die Musik machen, aber mit denen<br />

rede ich nie über solche Themen. Ich fühle mich hier<br />

in Frankreich oft etwas einsam mit dem, was ich tue.<br />

Ich meine, die Jungs sind großartig, aber sie kennen es<br />

nicht, ihrer Musik Tiefe verleihen zu wollen.<br />

Santigold: Das ist auch nicht besonders populär,<br />

oder? Deswegen mag ich deine Musik, sie ist<br />

episch, organisch, orchestral – wie eine Oper.<br />

Woodkid: Digital erzeugt, aber mit einer klassischen<br />

Herangehensweise. Das Horn in Iron zum Beispiel<br />

ist halb echt, halb elektronisch. Organisch, aber<br />

zu perfekt, um echt zu sein.<br />

Santigold: Sehr modern! Kommen wir noch<br />

mal zu deiner persönlichen Geschichte.<br />

Woodkid: Meine Familie stammt eigentlich<br />

aus Polen, polnische Juden. Einige wurden während<br />

des Zweiten Weltkrieges ermordet. Ich habe mich<br />

irgend wann in Polen auf die Suche nach ihren Spuren<br />

gemacht. Das hat mir geholfen. Auch meine inneren<br />

Zweifel anzunehmen.<br />

Santigold: Das ist vielleicht die Grundlage von<br />

Kreativität.<br />

Woodkid: Kreativität ist die einzige Heilung.<br />

Wenn ich die Kunst nicht hätte, wäre ich vermutlich<br />

ein riesiges Arsch! Kunst bedeutet, Schönes zu erschaffen<br />

aus etwas, das ganz und gar nicht schön ist.<br />

Santigold: Hörst du als Regisseur deine Musik<br />

eigentlich auf eine visuellere Art?<br />

Woodkid: Ich versuche, eine bildliche Übersetzung<br />

für Musik zu finden. Wie eine Maschine, die<br />

Sounds visualisiert. Computerprogramme arbeiten<br />

meist mit Schallwellen, ich versuche meine Übersetzung<br />

eher auf der emotionalen Basis. Bei den Liveshows<br />

sind das die Licht- und Videoeffekte. Ich versuche,<br />

das Hören und Sehen manchmal fast wissenschaftlich<br />

zu verbinden.<br />

Santigold: Manche Leute koppeln ihre Erinnerung<br />

stark an Gerüche, ich dagegen habe sofort Bilder<br />

im Kopf, wenn ich Musik höre. Bei der Arbeit an<br />

meinen Videos schließe ich die Augen und weiß: So<br />

muss es aussehen.<br />

Woodkid: Kenne ich! Mein Problem ist, dass ich<br />

dann ständig viel zu teure Szenenbilder vor mir sehe.<br />

Geld schränkt furchtbar ein. Aber ich bin mir sicher,<br />

du wirst eine sehr gute Regisseurin.<br />

Santigold: Danke! Und das von dir …<br />

Woodkid: So, ich glaub, ich muss los, ich bin<br />

zum Essen verabredet. Es gibt französischen Käse,<br />

den vermisse ich so in New York!<br />

Santigold: Was ist denn bitte schön mit dem<br />

amerikanischen nicht in Ordnung? (lacht) Ich wünsche<br />

dir einen schönen Abend. Das <strong>nächste</strong> Mal werde ich<br />

Französisch mit dir sprechen, um meine Kenntnisse<br />

zu testen. Dann erzähle ich dir auch von der Idee, von<br />

der ich dir heute nicht erzählen konnte.<br />

Woodkid: Unbedingt!<br />

50<br />

51<br />

WoodkidS the golden age iSt<br />

bei univerSal erSchienen


Kultur<br />

Freaks<br />

Kultur/Stadlober und Goebel<br />

Der eine schreibt großartige<br />

romane über<br />

Highschool-außenseiter,<br />

der andere verweigert<br />

sich seit Jahren<br />

dem unsinn am roten<br />

teppich. Jetzt waren<br />

Robert staDlober<br />

und Joey Goebel<br />

gemeinsam auf lesereise<br />

und unterhielten<br />

sich darüber, wie es<br />

war, als Kind immer<br />

den ball an den Kopf<br />

geknallt zu bekommen:<br />

einfach nur mies.<br />

aber immerhin sind<br />

die Freaks von früher<br />

die Coolen von heute<br />

Porträt<br />

Jens Kaesemann<br />

Das bessere T-Shirt trug Joey Goebel (r.), dafür kann Robert Stadlober mit dem Feuerzeug Bier öffnen<br />

was kompliziert, sie … also wir, ich bin ja auch einer,<br />

machen Geräusche mit unseren Kehlköpfen, aber die<br />

müssen nicht unbedingt eine Bedeutung haben. Meinst<br />

du, ich soll noch Bier holen?<br />

Stadlober: Ja.<br />

Goebel: Ich kann jetzt an dir aber nicht unbedingt<br />

beobachten, dass du nicht gut darin bist, mit Menschen<br />

in sozialen Kontakt zu treten.<br />

Stadlober: Wenn sie mich interessieren, geht das<br />

mittlerweile. Aber es hat schon in der Schule angefangen.<br />

Ich wusste nie, wann die anderen Witze machen.<br />

Wenn die beliebten Kinder angeblich mit mir Ball<br />

spielen wollten, stand ich 20 Minuten auf dem Pausenhof,<br />

bis ich kapiert habe, dass sie mir nur den Ball<br />

an den Kopf werfen wollen. Und wenn jemand richtig<br />

nett war, habe ich das auch nicht mitbekommen.<br />

Goebel: Ich mag dich mehr und mehr, Robert. Kann<br />

ich dich Bob nennen?<br />

“<br />

Stadlober: (lacht)<br />

Goebel: Ich dachte, es sei gut, wenn man andere<br />

zum Lachen bringt, bis mich ein Freund einmal darauf<br />

hinwies, dass man sich gerade über mich lustig<br />

macht. Hatte ich nie drüber nachgedacht.<br />

Stadlober: Bei uns in der Schule gab es mal einen<br />

Vorlesewettbewerb. Ich war eigentlich immer gut im<br />

Ich hing zwar mit<br />

Skatern ab, war aber<br />

immer der von den<br />

Skatern, der gar nicht<br />

geskatet hat<br />

”<br />

– Joey Goebel<br />

Vorlesen. Aber dann hat mir mein Konkurrent erzählt,<br />

man müsse besonders schnell lesen. Habe ich<br />

gemacht, alle haben gelacht. Ich dachte: „Super, die<br />

haben Spaß.“ Der andere gewann, sogar auf Landesebene,<br />

glaub ich.<br />

Goebel: Den Preis kann er aber ins Klo schmeißen.<br />

Stadlober: Ich bin mit ihm bei Facebook befreundet,<br />

aus ihm scheint ein ganz guter Typ geworden zu<br />

sein. Er engagiert sich in sozialen Projekten und so.<br />

Goebel: Aber jetzt bist du ein erfolgreicher Schauspieler<br />

und Musiker. Fällt es dir immer noch so schwer,<br />

einzuschätzen, wie Leute etwas meinen?<br />

Stadlober: Ich will nicht wie ein Idiot klingen, aber<br />

ja, natürlich. Als ich bekannter wurde, hatte ich kurz<br />

das Gefühl, dass mich alle mögen. Aber dann liest<br />

man die negativen Kommentare im Internet – da war<br />

ich so 17, 18 Jahre alt – und realisiert, dass das jetzt<br />

auch wieder wie in der Schule ist, nur eben mit mehr<br />

Leuten. Und unter Beobachtung der Medien ist es<br />

noch schwieriger, der Welt zu vermitteln, wer du bist.<br />

Goebel: Marlon Brando hat mal mit einem jüngeren<br />

Schauspieler einen Film gedreht, und als der berühmt<br />

wurde, sagt Brando: „Gratuliere, du wirst nie wieder<br />

einen ehrlichen Moment mit einem anderen teilen.“<br />

Stadlober: (lacht) So wird man ziemlich schnell<br />

para noid. Ich hatte das auch, aber man muss sich<br />

dazu zwingen, das nicht ständig im Hinterkopf zu<br />

robert Stadlober: Mann, normalerweise kann ich<br />

ein Bier mit dem Feuerzeug öffnen.<br />

Joey Goebel: Am Kühlschrank ist ein Öffner angebunden.<br />

– Also, versteh ich das richtig, du willst mit mir<br />

über alles sprechen, in dem wir richtig schlecht sind?<br />

Stadlober: Genau. Ich meine, du kannst offensichtlich<br />

schreiben, ich kann schauspielern …<br />

Goebel: … und wir machen Musik. – Aber das ist eine<br />

gute Idee, denn meist feiern „Künstler“ sich in <strong>Interview</strong>s<br />

ja nur selbst. Also ich gebe es zu, ich habe gelernt,<br />

Sätze zu schreiben, viel mehr allerdings auch nicht.<br />

Stadlober: Mit was schreibst du?<br />

Goebel: Normalerweise mit einem Bleistift und einem<br />

Spiralblock. Ich habe das Gefühl, dass ich immer<br />

dümmer werde, weil all meine Intelligenz in meine<br />

Bücher fließt. Mit jedem Buch ein wenig blöder.<br />

Stadlober: Ja, lass uns über unsere generellen Unfähigkeiten<br />

im Leben sprechen: Ich kann zum Beispiel<br />

einfach meine Steuer nicht fristgerecht fertig machen.<br />

<strong>Die</strong> Unterlagen waren jetzt während der Tour vier<br />

Wochen lang in meiner Tasche. Das einzige Problem<br />

war, dass ich es nicht geschafft habe, zur Post zu gehen<br />

und sie zu meiner Steuerberaterin zu schicken!<br />

Goebel: (lacht) Ich kann nicht schwimmen. Und<br />

während der Lesereise bin ich ungefähr zwölfmal verloren<br />

gegangen, weil ich mich nicht orientieren kann.<br />

Glaubst du, dass das biologische Gründe hat? Vielleicht<br />

ist unsere Hirnhälfte, die für das Kreative zuständig<br />

ist, ja überentwickelt.<br />

Stadlober: Vielleicht sind wir auch einfach faul.<br />

Oder es reicht uns als Tagewerk, Texte zu lernen und<br />

zu schreiben, anstatt auch noch einkaufen gehen zu<br />

müssen. Aber da wir nicht Robert De Niro und Oscar<br />

Wilde sind, müssen wir das wohl selbst erledigen. Benutzt<br />

du auch immer deine Finger zum Rechnen?<br />

Goebel: Siehst du, ich bin mir sicher, dass es ein<br />

Problem des Gehirns ist. In Mathe bin ich auch<br />

schlecht. Ich habe immer alle Jobs umgangen, die<br />

auch nur im Entferntesten mit einer Kasse zu tun haben.<br />

Gewicht einschätzen kann ich auch nicht. Oder<br />

wenn jemand wissen will, wie viel Leute in ein Stadion<br />

passen: äh, mehr als 400 und weniger als 30 000?<br />

Stadlober: Alles was mit Zahlen zu tun hat … absolut<br />

verloren. Aber ich bin auch sozial irgendwie eingeschränkt.<br />

Kannst du gut smalltalken?<br />

Goebel: Was wir beide auf der Bühne bei der Lesung<br />

machen, ist doch irgendwie Small Talk. Aber natürlich<br />

auch gespielt.<br />

Stadlober: Ja, aber bevor wir uns kennengelernt haben,<br />

hatte ich Panik, was passieren würde, wenn wir<br />

uns nicht verstehen. Ich kann das nicht so gut spielen.<br />

Ich werde entweder arrogant oder wirke hyperaktiv<br />

und sage Sachen, die ich nicht sagen wollte.<br />

Goebel: Ich gebe zu, ich habe zu meiner Familie bei<br />

meiner Abreise auch gesagt, dass es unangenehm werden<br />

könne, wenn wir nicht miteinander klarkommen.<br />

Stadlober: Hattest du das schon mal? Du sitzt neben<br />

jemandem im Zug und weißt, die <strong>nächste</strong>n vier<br />

Wochen bin ich mit dem unterwegs und habe dem<br />

nichts zu sagen?<br />

Goebel: Ich glaube nicht. Aber je länger ich hier bin,<br />

desto mehr fallen mir die Unterschiede zu den USA<br />

auf. Gestern sagte jemand, dass diese gespielte Höflichkeit<br />

ein Talent der Amerikaner sei.<br />

Stadlober: Das hat mich immer verwirrt, wenn jemand<br />

sagt, dass ich jederzeit bei ihm zu Hause vorbeischauen<br />

könne. Anytime!<br />

Goebel: (lacht) Du hast das wörtlich genommen?<br />

Stadlober: Es gab unangenehme Situationen …<br />

Goebel: Ja, ich schätze, die Amerikaner sind da ethaben.<br />

Ich meine eher, dass man in der Öffentlichkeit<br />

automatisch eine Person kreiert, die ein Eigenleben<br />

führt, man kann nichts mehr machen. Wie bei<br />

Tom Cruise, da denken wir an Top Gun, Scientology,<br />

Katie Holmes, aber dazwischen steckt doch ein ganzes<br />

Leben.<br />

Goebel: Stimmt.<br />

Stadlober: Wenn ich mit dem Wissen, das ich heute<br />

habe, berühmt geworden wäre, hätte ich ein paar Sachen<br />

sicherlich anders gemacht. Denkst du darüber<br />

nach, was Leute über dich denken?<br />

Goebel: Vielleicht gibt es im Leben vier oder fünf<br />

Menschen, bei denen du dir sicher sein kannst. Ob<br />

berühmt oder nicht, mir fiel es immer schwer, zu bemessen,<br />

wie die Menschen mich sehen.<br />

Stadlober: <strong>Die</strong>se Diskrepanz zwischen dem inneren<br />

Ich und dem, was die Umwelt von dir sieht, veranlasst<br />

dich zu merkwürdigen Verhaltensweisen.<br />

Goebel: Hat dir da die Schauspielerei nie geholfen?<br />

Stadlober: Ich habe ja keine Ausbildung. Aber ich<br />

nutze die Schauspielerei als eine Mülldeponie, alle<br />

Gefühle und Erfahrungen kann ich dort abladen.<br />

Goebel: Das kenne ich vom Schreiben: I goebel something<br />

out – wir haben uns bereits darüber unter halten,<br />

dass mein Nachname in einigen Ländern mit Kotzen<br />

in Verbindung gebracht wird. Ich dachte ja, hier<br />

machen alle den Joseph­Goebbels­Scherz, aber das<br />

passiert mir in Kentucky häufiger.<br />

Stadlober: Dann haben wir beide einen Weg gefunden,<br />

etwas „auszugoebeln“ und davon auch noch leben<br />

zu können. Welch ein Glück!<br />

Goebel: Hast du noch ein paar Unfähigkeiten, die<br />

du der Welt mitteilen möchtest?<br />

Stadlober: Alles, was mit Sport zu tun hat. Einen<br />

Ball fangen oder werfen? Keine Chance. Wo immer<br />

ein Ball auftaucht, landet er an meinem Kopf. Liegestütze<br />

kann ich.<br />

Goebel: Oh, Bob … Musstest du schon mal einen<br />

Athleten spielen?<br />

Stadlober: Ja, dafür habe ich vier Monate trainiert.<br />

Ich hatte einen super Körper während des Drehs, aber<br />

nach drei Wochen waren die Muskeln weg.<br />

Goebel: So ein Mist. Ich habe mal Tennis gespielt.<br />

Stadlober: Badminton geht auch. Das ist ja auch<br />

kein echter Ball, der hat Federn.<br />

Goebel: In Kentucky ist Basketball total angesagt.<br />

Stadlober: Habe ich nie verstanden. In den Neunzigern<br />

haben alle Streetball gespielt – nichts für mich.<br />

Ich wäre gern gut im Skaten geworden.<br />

Goebel: Ich hing zwar mit Skatern ab, war aber immer<br />

der von den Skatern, der gar nicht geskatet hat.<br />

Stadlober: In Vans auf dem Board sitzen, Bier trinken<br />

und NOFX hören.<br />

Goebel: (singt) „Don’t call me white! Don’t call me<br />

white!“<br />

Stadlober: Ich habe zwei Boards. Manchmal gehe<br />

ich skaten, aber nur dort, wo mich niemand sehen<br />

kann. Dann komme ich mit Schrammen nach Hause<br />

und sage stolz zu meiner Freundin: „Ich war skaten!“<br />

Goebel: Mit meiner Koordination kann ich nicht<br />

mal auf einem Board stehen. Ich wundere mich, dass<br />

ich diese Tour überlebt habe, ohne mir den Hals zu<br />

brechen. Das Licht auf der Bühne, die Stufen. Unfassbar.<br />

Oh Mann.<br />

Ich gegen OsbOrne von Joey Goebel<br />

iSt bei dioGeneS erSchienen<br />

52<br />

53


StorIEs<br />

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www.interview.de<br />

Ay, CARAmba!<br />

Ist CARA DELEVINGNE wirklich die neue KATE MOSS? Das gilt es herauszufinden. Also sperrten wir das gefragteste Model<br />

dieser Tage mit dem Fotografen PETER LINDBERGH in ein Pariser Hotelzimmer … Das Ergebnis sehen Sie auf dieser<br />

und vielen darauffolgenden Seiten. Während Deutschland noch über KATJA RIEMANNS Auftritt auf einem roten Sofa diskutierte,<br />

dachten wir uns: Reden wir zur Abwechslung doch mal mit der Frau, anstatt nur über sie. Außerdem in dieser Ausgabe:<br />

<strong>Die</strong> Queen Mum of Punk VIVIENNE WESTWOOD, die Malerin ODA JAUNE im Gespräch mit JONATHAN MEESE,<br />

Mode fotografiert von MIKAEL JANSSON, der Organist CAMERON CARPENTER, die Damen aus der PARADIES-TRILOGIE<br />

und eine Kurzgeschichte des Preisträgers der Leipziger Buchmesse DAVID WAGNER.<br />

Foto PEtEr lIndbErgh<br />

styling karl tEmPlEr<br />

55<br />

kleid louIs vuItton<br />

schuhe nIna rIccI<br />

stay-ups FalkE


<strong>Cara</strong><br />

dieseR Blick, dieseR Mund und die BeRühMtesten<br />

AugenBRAuen seit gRoucho MARx:<br />

dAs 20-jähRige Model cARA delevingne wiRd<br />

in englAnd BeReits Als die neue kAte <strong>Moss</strong><br />

gefeieRt. MARio testino fotogRAfieRte sie füR<br />

dAs coveR deR Vogue, sie wAR in Anzeigen<br />

füR chAnel, BuRBeRRy und h&M zu sehen, ist<br />

dAs gesicht von yves sAint lAuRent BeAuty<br />

und lief Bei den schAuen iM fRühjAhR üBeR so<br />

zieMlich jeden lAufsteg in new yoRk, london,<br />

MAilAnd und PARis. Ay, cARAMBA!<br />

von<br />

David COLMAN<br />

fotos<br />

PeteR lindBeRgh<br />

styling<br />

kARl teMPleR<br />

56<br />

MAntel<br />

sAlvAtoRe feRRAgAMo


mantel<br />

burberry prorsum<br />

stay-ups<br />

(durchgehend getragen)<br />

fAlke<br />

“<br />

Ich hätte gerne einen Oscar,<br />

einen Grammy und einen Nobelpreis.<br />

Premierministerin zu werden wäre<br />

auch nicht schlecht<br />

”<br />

– <strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong>


kleid<br />

louis vuitton<br />

60<br />

mantel<br />

burberry prorsum<br />

schuhe<br />

(durchgehend getragen)<br />

ninA ricci


“<br />

ketten<br />

jennifer fisher<br />

Linker Fuß, rechter Fuß,<br />

linker Fuß, rechter Fuß …<br />

An viel mehr kann ich momentan<br />

nicht denken<br />

”<br />

– <strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong>


DaviD COLMaN: Du bist in New York und in Mailand<br />

gelaufen, und jetzt ist Paris dran.<br />

<strong>Cara</strong> DELEviNGNE: Erst New York, dann London<br />

und dann Mailand. Genau!<br />

COLMaN: Du bist ganz schön viel gelaufen.<br />

DELEviNGNE: Linker Fuß, rechter Fuß, linker<br />

Fuß, rechter Fuß … An viel mehr kann ich momentan<br />

nicht denken.<br />

COLMaN: Ich habe mir die Liste der Schauen<br />

angesehen, bei denen du mitgelaufen bist. Du warst<br />

bei jeder dabei! Man denkt, dass das nicht machbar<br />

sei, aber allein in dieser Saison hast du an 40 Modenschauen<br />

teilgenommen.<br />

DELEviNGNE: Selbst wenn ich vollkommen erschöpft<br />

bin, versuche ich immer, mit einem Lächeln<br />

auf den Laufsteg zu treten. Wenn ich schlecht gelaunt<br />

rausgehe, reagiert das Publikum entsprechend.<br />

Das, was man ausstrahlt, bekommt man auch zurück.<br />

Ich gebe mir immer Mühe, die Leute mit guter Laune<br />

anzustecken – ich springe rum, tanze und singe.<br />

COLMaN: Willst du mich vielleicht heiraten?<br />

DELEviNGNE: Ich werde darüber nachdenken.<br />

COLMaN: Du bist gerade zum zweiten Mal auf<br />

dem Titel der britischen Vogue.<br />

DELEviNGNE: Nein! Das ist das erste Mal – und<br />

ich bin schon total aus dem Häuschen!<br />

COLMaN: Ich bin wohl etwas durcheinandergeraten<br />

mit all deinen bisherigen Errungenschaften.<br />

DELEviNGNE: Ich gebe zu, es ist ein bisschen viel<br />

gerade. <strong>Die</strong>ser Monat war aber wirklich herausragend:<br />

der Titel vom Love Magazine und der Vogue. Ich<br />

vergesse regelmäßig, dass ich erst 20 bin. Noch dazu<br />

fotografiert von den bedeutendsten Fotografen dieser<br />

Tage, wie ich jedenfalls meine.<br />

COLMaN: Wer hat die Bilder für die Vogue geschossen?<br />

DELEviNGNE: Das war Mario Testino. Und die<br />

Fotos für das Love Magazine sind von Mert (Alas) und<br />

Marcus (Piggott).<br />

COLMaN: Mit Mario hast du schon oft für<br />

Burberry zusammengearbeitet.<br />

DELEviNGNE: Yeah! Meine allererste Kampagne.<br />

Burberry und Mario. Wir haben eine enge Beziehung.<br />

Es scheint, als hätten wir den gleichen Terminplan.<br />

Jedes Mal, wenn ich in Brasilien oder auf<br />

Ibiza bin, ist er auch dort. Dann verbringen wir ein<br />

bisschen Zeit zusammen. Er ist mein Mode-Papa.<br />

COLMaN: So jemanden kannst du sicher gut<br />

gebrauchen. Ich kann mir vorstellen, dass das alles<br />

ziemlich überwältigend ist.<br />

DELEviNGNE: Auf jeden Fall. Ich habe eine Menge<br />

sehr guter Freunde in dieser Branche gefunden,<br />

übrigens mehr Fotografen und Stylisten als Models.<br />

Ich glaube, die Modeindustrie ist eine der verrücktesten<br />

Branchen überhaupt. Aber ich mag sie. Sie ist<br />

wie eine riesige, beschissene, völlig dysfunk tionale<br />

Familie, aber alle sind wahnsinnig toll.<br />

COLMaN: Man kann schon sagen, dass du inmitten<br />

dieser Familie groß geworden bist, oder?<br />

DELEviNGNE: Ehrlich gesagt fühlt sich das für<br />

mich nicht so an. Meine Eltern hatten mit der Modewelt<br />

nicht viel zu tun – sie waren sehr soziale Leute<br />

und hatten viele tolle Freunde, aber ich habe in meiner<br />

eigenen Welt gelebt. Ich stand auf Lego, bin<br />

nackt im Garten herumgelaufen und habe mit meinen<br />

Tieren gespielt. Früher habe ich mich nicht besonders<br />

für Mode interessiert. Ich war so ’n richtiger<br />

Junge. Ich habe gerne Fußball gespielt und überhaupt<br />

gerne Sport getrieben. Als ich das erste Mal Brautjungfer<br />

sein sollte, habe ich darauf bestanden, Fußballshorts<br />

unter meinem Kleid tragen zu dürfen.<br />

“<br />

Ich war so ’n richtiger<br />

Junge. Ich habe<br />

gerne Fußball gespielt.<br />

Als ich das erste Mal<br />

Brautjungfer sein sollte,<br />

habe ich darauf bestanden,<br />

Fußballshorts<br />

unter meinem Kleid<br />

tragen zu dürfen<br />

”<br />

– <strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong><br />

Meine Mutter hat ständig versucht, mich in Kleidchen<br />

zu stecken. Ich habe das gehasst! Meine beiden<br />

Schwestern waren viel mädchenhafter, vielleicht habe<br />

ich mir deshalb nichts aus Klamotten gemacht. Im<br />

Supermarkt habe ich mir gerne mal alle Kleider ausgezogen<br />

und bin vor meiner Mutter weggerannt, weil<br />

ich dachte, das sei lustig. So eine Art Kind war ich.<br />

COLMaN: (lacht) Das klingt super.<br />

DELEviNGNE: Erst mit 13 habe ich mich geändert.<br />

Als ich anfing, mir was aus Mode zu machen,<br />

ging es mir vor allem darum, damit in unterschiedliche<br />

Rollen zu schlüpfen. Damals dachte ich, dass Kleidung<br />

dazu dient, zu der Person zu werden, die man<br />

eben gerne sein will.<br />

COLMaN: Zu merken, was für eine Macht Kleidung<br />

haben kann, ist beinahe schockierend. Manchmal<br />

scheint es, als könne sie dich tatsächlich zu einer<br />

anderen Person machen.<br />

DELEviNGNE: Wenn ich eine Schau laufe, suche<br />

ich immer nach der Idee hinter der Kollektion und<br />

versuche, das Mädchen zu verkörpern, das der Designer<br />

sich vorgestellt hat. Ich versuche immer, mich<br />

auf dem Laufsteg in diese Art von Person hineinzuversetzen,<br />

damit es echt und natürlich wirkt. Das<br />

kann aber auch voll danebengehen, wie zum Beispiel<br />

bei der H&M-Show, die ich gerade in Paris gelaufen<br />

bin. George Cortina hatte mir vorher gesagt: „Tu<br />

einfach so, als wärst du zu Hause. Sei einfach du<br />

selbst, sei verrückt.“ Also bin ich losgelaufen, habe<br />

gelacht, bin auf fremde Leute zugegangen und habe<br />

sie auf die Wange geküsst, ich habe Blumen aus einer<br />

Vase gerissen und sie auf die Fotografen geworfen –<br />

jede Menge Blödsinn eben. Als ich mir danach die<br />

Aufnahme angesehen habe, habe ich dann gemerkt,<br />

dass ich die Einzige war, die so etwas abgezogen hat.<br />

Ich versuche einfach, das Ganze zu genießen und<br />

nicht zu viel darüber nachzudenken. Das ist eine der<br />

schwierigsten Herausforderungen im Leben. Ich<br />

denke immer viel zu viel über alles nach. Unwissenheit<br />

ist ein Segen.<br />

COLMaN: Aber irgendwann macht alles Sinn,<br />

und man denkt sich: „Oh, ich bin froh, dass ich mir<br />

immer so viele Gedanken darüber gemacht habe.“<br />

DELEviNGNE: Bei mir läuft das Denken anders.<br />

Ich denke einfach in Spiralen.<br />

COLMaN: Spielst du eigentlich immer noch<br />

Fußball?<br />

64<br />

DELEviNGNE: Na klar! Wenn ich im Sommer zu<br />

Hause mit meinen Freunden unterwegs bin und einer<br />

fängt an zu spielen, mache ich sofort mit. Mir<br />

macht es Spaß, mit den Jungs im Schlamm zu spielen.<br />

Natürlich mache ich mich auch gerne mal richtig<br />

schick, aber eigentlich bin ich am liebsten sportlich<br />

unterwegs. Ich muss schon genug Zeit in unbequemen<br />

Sachen verbringen, deswegen trage ich privat<br />

gerne Sneakers und flache Schuhe.<br />

COLMaN: Ich glaube, die Welt braucht mehr<br />

Menschen wie dich.<br />

DELEviNGNE: Cool! Ich versuche ja nach wie vor,<br />

den Nobelpreis zu bekommen. Das hilft mir sicher<br />

auf dem Weg dorthin.<br />

COLMaN: Vielleicht solltest du damit lieber<br />

warten, bis du 30 oder 40 bist.<br />

DELEviNGNE: Ich hätte gerne einen Oscar, einen<br />

Grammy und einen Nobelpreis. Premierministerin<br />

zu werden wäre vielleicht auch nicht schlecht.<br />

COLMaN: Das dürfte etwas mehr Zeit in Anspruch<br />

nehmen. Vielleicht wartest du damit bis Ende<br />

20. Gibt es etwas, das ich dich noch fragen soll?<br />

DELEviNGNE: Ob meine Augenbrauen echt sind.<br />

Nein, sind sie nicht. Das ist eine Perücke. (Colman<br />

lacht) Ich hatte eine Augenbrauentransplantation.<br />

COLMaN: Das sind ziemlich prachtvolle Brauen.<br />

DELEviNGNE: Ich werde öfter gefragt, was das<br />

Geheimnis dahinter ist. Dann sag ich: „Man darf sie<br />

nicht zupfen. Das ist total einfach.“ Ein bisschen<br />

zupfe ich sie natürlich, sonst hätte ich nämlich eine<br />

Monobraue. Aber im Grunde sollen die einfach nur<br />

schön gedeihen. Sie sollen wild und wollig wachsen.<br />

COLMaN: Deine Augenbrauen sind also wild<br />

und frei.<br />

DELEviNGNE: Klar, die haben ihren eigenen<br />

Twitter-Account mit über 700 000 Abonnenten.<br />

COLMaN: Ich habe davon gehört. Eine schöne<br />

Sache.<br />

DELEviNGNE: Sie haben auch einen eigenen Ausweis.<br />

COLMaN: Mit welchen Fragen kann man dich in<br />

den Wahnsinn treiben?<br />

DELEviNGNE: „Welches Kleidungsstück passt<br />

immer?“ Das sind Fragen, die man schon so oft<br />

gestellt bekommen hat, dass man einfach immer wieder<br />

die gleichen Antworten abspult. Es ist einfach<br />

schrecklich langweilig. Ich bin auch gelangweilt davon,<br />

mein eigenes Gesicht zu sehen. Vielleicht sollte<br />

ich irgendetwas ändern.<br />

COLMaN: Ich habe gelesen, dass du deinen Namen<br />

rechtlich hast schützen lassen.<br />

DELEviNGNE: Das stimmt! Irgendwelche Typen<br />

haben versucht, meinen Namen für sich zu nutzen,<br />

und ich habe keine Lust, mich damit aufzuhalten. Ich<br />

hätte hingegen große Lust, irgendwann mal meine<br />

eigene Einteiler-Linie zu entwerfen oder …<br />

COLMaN: Was für eine Linie?<br />

DELEviNGNE: Du kennst doch Einteiler, oder?<br />

<strong>Die</strong> sehen so aus wie Jumpsuits. Es gibt eine Menge<br />

Dinge, die ich gerne machen würde. Vielleicht auch<br />

eine Zahnbürsten-Kollektion oder so.<br />

Hair PaUL HaNLON/JULiaN WaTSON aGENCY<br />

USiNG SCHWarZKOPF OSiS<br />

Make-up EMMaNUEL SaMMarTiNO FOr CHaNEL/<br />

MariE-FraNCE THavONEKHaM<br />

Manicure STEPHaNiE LErOUX/MaJEUrE PrOD<br />

Casting MiCHELLE LEE/KCD, iNC.<br />

Prop Styling aNNE KOCH/CLM<br />

Production EMMa raULT FOr NOrTH6 PariS<br />

retouching La STaTiON<br />

Digital Technician FLOrENT SiNaN BrUNEL<br />

Photography assistants STEFaN raPPO,<br />

THOMaS LaCHaMBrE<br />

Styling assistants ELiN SvaHN, MELiSSa LEvY<br />

Hair assistants KEiSUKE TEraDE, PiErPOaLO Lai<br />

Make-up assistant COriNNE CLaNET<br />

stola<br />

miu miu<br />

65


Katja<br />

Riemann<br />

von<br />

Jörg Harlan RoHledeR<br />

blazer<br />

versAce<br />

hose<br />

Ann demeulemeester<br />

fotos<br />

olAf WippeRfüRth<br />

styling<br />

KlAus stocKhAusen


Katja Riemann<br />

ist dies.<br />

Katja Riemann<br />

ist das.<br />

ein Land diskutiert<br />

über eine Schauspielerin<br />

und vergisst, wer<br />

Katja Riemann<br />

eigentlich ist: <strong>Die</strong> beste<br />

Charakterdarstellerin<br />

ihrer Generation.<br />

Und da wir kein Öl<br />

ins Feuer kippen wollten,<br />

kochten wir ihr<br />

stattdessen ein Risotto<br />

mantel<br />

pAco rAbAnne<br />

gürtel<br />

Ann demeulemeester<br />

stay-ups<br />

fAlke


top & bh<br />

costume nAtionAl<br />

rock<br />

wunderkind<br />

miederhöschen<br />

(darunter getragen)<br />

dolce & gAbbAnA<br />

schuhe<br />

Ann demeulemeester


kleid<br />

tom ford


interview: Katja, deine blonden Locken! Ich bin<br />

ja so froh, dass sie noch da sind.<br />

katja riemann: I knooow … Heute Nachmittag<br />

während des Fotoshoots waren sie noch ganz<br />

schwarz, ist das nicht verrückt?!<br />

interview: Wie machst du das nur?<br />

riemann: Das zeigt dir jetzt der kleine Einspieler,<br />

den ich vorbereitet habe, lieber Jörg.<br />

interview: Mit Einspielern kennen wir uns ja aus!<br />

Wie fandst du denn den Fotoshoot heute? Unterscheidet<br />

sich das von einem Filmdreh für dich?<br />

riemann: Sehr sogar. Es strengt mich an, weil<br />

ich ja nicht spielen kann, sondern ich selbst sein muss<br />

sozusagen; ich habe keine Situation, innerhalb derer<br />

ich mich verhalten kann. Aber der Fotograf Olaf<br />

Wipperfürth arbeitet situativ und sagte vorab, er<br />

würde gern Filmstills erfinden. Das hat es leichter<br />

für mich gemacht. Normalerweise sind solche Termine<br />

für mich mit Angst verbunden. Heute war es<br />

fabelhaft.<br />

interview: Alle im Team heute waren ganz perplex:<br />

Du siehst so viel jünger aus, als du tatsächlich bist.<br />

riemann: Vielen herzlichen Dank! Ich habe<br />

mich ganz gut gehalten, aber dadurch verlängert sich<br />

meine Lebenszeit ja nicht. Leider.<br />

interview: Hast du Probleme damit, älter zu<br />

werden?<br />

riemann: Meine persönliche Vorstellung von<br />

Alter und mein tatsächliches Empfinden davon verlaufen<br />

einfach nicht synchron. Dabei finde ich es<br />

überaus wichtig, sich zumindest einigermaßen altersgerecht<br />

zu benehmen. 40­Jährige, die auf 22 machen,<br />

finde ich eher schwierig. Aber heute kann ich mir nur<br />

sehr schwer vorstellen, wie es wird, wenn ich tatsächlich<br />

alt bin. Wahrscheinlich liegt das an den Menschen,<br />

die heute alt sind.<br />

interview: Wie meinst du das?<br />

riemann: Viele von den wirklich Alten, die man<br />

auf der Straße und im Supermarkt sieht, wirken irgendwie<br />

hart beziehungsweise verhärtet. Sie kommen<br />

aus anderen Erfahrungen, einem anderen Leben,<br />

das sich in ihre Gesichter geschabt hat.<br />

interview: Vielleicht kommt die Härte daher,<br />

dass diese Generation den Krieg noch erlebt hat.<br />

riemann: <strong>Die</strong> Generation, die um 1925 herum<br />

geboren wurde …<br />

interview: … wie unser Papst a. D. …<br />

riemann: … ja, die Jungs, die mit 16, 17, 18 noch<br />

in den Volkssturm geschickt wurden als Kanonenfutter.<br />

<strong>Die</strong> haben als junger Mensch das erlebt, dann<br />

den Aufbau der Bundesrepublik bzw. der DDR und<br />

eigentlich wahnsinnig viel geleistet. Trotzdem oder<br />

vielleicht deswegen wirken sie hart und oft auch verbittert.<br />

Das soll jetzt nicht doof klingen – aber das<br />

kleid<br />

vAlentino<br />

gesehen bei stylebop.com<br />

bh (darunter getragen)<br />

dolce & gAbbAnA<br />

tuch<br />

stylist’s own<br />

sind einfach keine netten Alten. Und sie prägen im<br />

Moment das Bild von alten Menschen. So will ich<br />

später nicht sein. Wobei ich mir ziemlich sicher bin,<br />

dass wir andere Alte werden. Meine Tochter macht<br />

jedenfalls jetzt schon Witze darüber, wie ihre Generation<br />

der Tätowierten und Gepiercten durch Berlin<br />

spaziert. Das wird dann eher lustig.<br />

interview: Erlebst du Altersgrenzen im Beruf?<br />

riemann: Absolut! Vor allem im deutschen Film<br />

scheint es dieses Ü­40­Problem zu geben. Welches<br />

Bild von Frauen, frage ich mich, wird da definiert?<br />

Was sind das für Lebensentwürfe? Ich kenne solche<br />

Frauen nicht! <strong>Die</strong> sehen anders aus als ich oder meine<br />

Freundinnen, leben in 20­jährigen Ehen, sind frustriert<br />

und haben meist erwachsene Söhne, die Robert<br />

heißen.<br />

interview: Das passiert dem Zuschauer deines<br />

neuen Films nicht. Als ich Das Wochenende gesehen<br />

habe, hatte ich das Gefühl, dass man diese Art von<br />

Menschen dort oben auf der Leinwand, zumindest<br />

deren Blaupause, sehr wohl kennt. Teilweise sogar zu<br />

gut.<br />

riemann: Du kennst einen Ex­Terroristen?<br />

interview: Das ganze Personal – bis auf den<br />

Terroristen.<br />

riemann: Volvo fahrende Genussspießer und<br />

Menschen, die ihr Geld in Landhäuser stecken?<br />

IntervIew: Teilweise bin ich das selbst. So richtig<br />

wurde mir das erst im Kino bewusst.<br />

rIemann: Interessant.<br />

IntervIew: Aus linksradikal wird bürgerlichliberal.<br />

rIemann: Das ist eines der Themen. Ich hab<br />

mich da selbst nicht ganz drin wiedergefunden, aber<br />

das ist auch nicht mein Anliegen als Schauspielerin.<br />

IntervIew: Letztendlich geht es in Das Wochenende<br />

um Lebensmodelle, um Erwartungen und um<br />

freiwillig oder unfreiwillig gewählte Rollen und Positionen.<br />

rIemann: Genau. Das Drehbuch ist wirklich<br />

sehr gut geschrieben. Es geht nicht um Urteilen oder<br />

Verurteilen, sondern um Abbilden. Irgendwie versteht<br />

man alle Figuren und kann jede Position nachvollziehen.<br />

Je nachdem, wie man aus subjektiver Erfahrung<br />

draufschaut, entsteht eine Haltung zum<br />

Geschehen. Also, das wäre zumindest schön. Es geht<br />

nicht um Richtig oder Falsch, sondern um die Betrachtung<br />

verschiedener Lebensentwürfe.<br />

IntervIew: Du spielt eine Frau, Inga Lansky, die<br />

ihren Exfreund Jens Kessler, Vater ihres Sohnes und<br />

verurteilten RAF-Terroristen, nach 18 Jahren ohne<br />

Vorwarnung wieder trifft. Inga kommt mit Ulrich,<br />

ihrem bürgerlichen Ehemann, bei dem Haus an, das<br />

der Schwester des Terroristen gehört, und auf einmal<br />

ist Jens wieder in Ingas Leben. Du spielst sie wirklich<br />

grandios.<br />

rIemann: Vielen Dank! Dabei kommt die Figur<br />

der Inga im Buch so gar nicht vor. In der Romanvorlage<br />

heißt es nur, sie habe sich irgendwann umgebracht.<br />

Nina Grosse hat sie ins Drehbuch geschrieben.<br />

IntervIew: Ach so?<br />

rIemann: Ja, Nina hat sich dazu entschlossen,<br />

um zu klären, mit wem man durch den Film geht.<br />

Wer nimmt den Zuschauer an die Hand? Und der<br />

Terrorist war nicht wirklich dafür geeignet.<br />

IntervIew: Deine Figur sagt irgendwann etwas<br />

in der Art wie: Ich habe mich nicht für dieses Leben<br />

entschieden, ich bin da so reingerutscht.<br />

rIemann: So eine Aussage, glaube ich, beschreibt<br />

eine unheimlich weibliche Sichtweise. Sie<br />

sagt: „Mir ist alles immer nur passiert.“ Erst als dann<br />

Ingas ehemaliger Geliebter wieder auftaucht, merkt<br />

sie, dass da was nicht zu Ende gelebt wurde, dass etwas<br />

wieder aufgenommen werden muss, um es abzuschließen<br />

– oder um es weiterzuführen. Deswegen<br />

weiß man als Zuschauer auch nie genau, was für ein<br />

Film Das Wochenende eigentlich sein soll: eine Liebesgeschichte?<br />

Ein politischer Film? Ein Film über<br />

die Midlife-Crisis? Oder doch ein Familien drama?<br />

Das gefällt mir sehr gut daran.<br />

IntervIew: Ich finde es großartig, dass es keine<br />

Rückblenden in den Deutschen Herbst gibt, weder<br />

RAF-Retroporn noch die obligatorischen sepiafarbenen<br />

Tagesschau-Schnipsel.<br />

rIemann: Und keine Koteletten (lacht).<br />

IntervIew: <strong>Die</strong> gibt es nur auf einem T-Shirt,<br />

das ein ehemaliger Freund dem Ex-Terroristen als<br />

Willkommensgruß mitbringt. Darauf zu sehen ist<br />

ein RAF-Fahndungsplakat.<br />

rIemann: In das wir Sebastian Koch reingeschmuggelt<br />

haben. Nina ließ das für die ganze<br />

Crew nach Drehschluss drucken – meins hat sich sofort<br />

die Tochter geschnappt und ist damit in irgendeinen<br />

Club abgehauen. Ihre Freunde fanden es anscheinend<br />

alle super. Woraufhin Paula nur meinte:<br />

„Yeah, das ist der neue Film meiner Mutter.“ Das sagt<br />

ja auch der Schriftsteller im Film zu seinem alten<br />

Freund, dem RAF-Terroristen: „Du bist Pop!“<br />

“<br />

Ich rede generell<br />

nicht gerne über<br />

Privates, über meine<br />

Liebsten, meine<br />

Tochter, meinen Mann.<br />

Warum sollte ich?<br />

Ich lade auch<br />

niemanden zu mir<br />

nach Hause ein<br />

”– Katja Riemann<br />

IntervIew: Ist es nicht erstaunlich, wie sehr die<br />

RAF hierzulande in manchen Kreisen als Teil der<br />

Popkultur wahrgenommen wird? Sonst steht Deutschland<br />

ja nicht gerade für den lockeren und coolen Umgang<br />

mit der Aufarbeitung der eigenen Geschichte.<br />

rIemann: Nein, cool ist der gewiss nicht. Muss<br />

er aber auch nicht. Immerhin setzt sich Deutschland<br />

sehr intensiv mit der eigenen Vergangenheit auseinander.<br />

Da sind wir ziemlich weit vorne. Wenn auch<br />

humorbefreit. Allerdings wären Humor und Coolness<br />

bei großen Teilen der deutschen Vergangenheit<br />

auch fehl am Platz.<br />

IntervIew: Eine andere Frage, die der Film stellt,<br />

ist die, welches Leben man führen will: romantischgestrig<br />

in Idealen verhaftet und mit der Welt hadernd<br />

– oder lieber ein Leben mit der Sicherheit eines Volvos<br />

und Algen in Teig wickelnd in der Bulthaup-<br />

Küche stehend?<br />

rIemann: <strong>Die</strong> Algen im Teigmantel fand ich<br />

auch sehr lustig. <strong>Die</strong> Frage, die sich mir während der<br />

Beschäftigung mit Rolle und Drehbuch eher gestellt<br />

hat, lautet: Was passiert in dem Moment, in dem man<br />

realisiert, dass man in ein Leben hinein geraten ist,<br />

das man so gar nicht vorausgesehen, geplant, gedacht<br />

hat? Plötzlich hält meine Figur inne und<br />

denkt: „Stopp mal. Wie bin ich hierhergekommen?<br />

Wann habe ich nicht aufgepasst? Welche Weiche<br />

habe ich übersehen?“ Falsch oder Richtig spielt da<br />

gar keine Rolle. Und das, denke ich, ist eine echte<br />

Midlife-Crisis: Stopp zu sagen. Das eigene Leben<br />

zu hinterfragen. Mit der eigenen Vorstellung abzugleichen.<br />

IntervIew: Gab es solche Momente in deinem<br />

Leben auch?<br />

rIemann: Das soll jetzt nicht doof klingen, aber<br />

mein Leben hat von Anfang an einen völlig anderen<br />

Verlauf genommen, weswegen ich mich gegen eine<br />

Verbürgerlichung auf eine Art irgendwie immun<br />

fühle. Was einfach daran liegt, dass ich mich, nachdem<br />

ich mit der Schule abgeschlossen hatte und bei<br />

meiner Mutter ausgezogen war, für ein künstlerisches<br />

Leben entschieden habe. Mein erstes Studium<br />

war Tanz, mein zweites Schauspiel. Seither lebe ich<br />

von meiner Kunst. Und das bewahrt mich davor,<br />

dieser Bürgerlichkeit zu verfallen. <strong>Die</strong>ses „Ich muss<br />

sofort anhalten und die Notbremse ziehen“ wird es<br />

bei mir nicht geben. Im Gegenteil. All das, was bei<br />

bürgerlichen Biografien irgendwann zum full stop<br />

führt, sehnt man sich in meiner Lage eher herbei: Sicherheit<br />

und Regel mäßigkeit, die einen bürgerlichen<br />

Lebensentwurf kennzeichnen.<br />

IntervIew: Wobei du über zu wenige Engagements<br />

kaum klagen kannst. Seit Abgeschminkt! und<br />

Stadtgespräch läuft es ziemlich gut für dich!<br />

rIemann: Ich glaube, das lässt sich von außen<br />

leichter sagen als von innen. Zumal Abgeschminkt!<br />

und so weiter auch alles Studentenfilme waren. Dann<br />

das ganze Theater und die Musik; ein finanzielles<br />

Polster schafft das nicht. <strong>Die</strong> Gagen sind in Deutschland<br />

selbst für erfolgreiche Filmschauspieler nicht zu<br />

vergleichen mit denen in einem Filmland wie Amerika<br />

oder Frankreich. Zumal ich ein Leben lang fürs<br />

Kino gespielt habe – leider steckt in Deutschland das<br />

Geld im Fernsehen. Zweiteiler, Dreiteiler, da verdient<br />

man anständig.<br />

IntervIew: Oder bei einer guten Serie.<br />

rIemann: Ich würde so gerne in einer tollen Serie<br />

mitspielen! Das hätte ich früher nie gesagt. Aber<br />

heute sind Serien ja so weitläufig und so tiefgründig<br />

wie die großen Klassiker, wie Krieg und Frieden oder<br />

was von Dickens.<br />

IntervIew: Schaust du privat gerne Serien?<br />

rIemann: Seit ein paar Jahren habe ich Serien<br />

als große Kunstform für mich entdeckt. Auf einmal<br />

saß ich mit meiner Tochter morgens um drei da und<br />

meinte nur: „Okay, eine Folge geht noch. Wo finden<br />

wir jetzt den Stream im Internet?“ Am Ende haben<br />

wir eine Staffel an einem Wochenende geschaut, die<br />

ganze Serie in einer Woche. Breaking Bad.<br />

IntervIew: Dafür ist deine Filmografie zu lang<br />

– um sie in einer Woche durchzuziehen.<br />

rIemann: Wie meinst du das denn?<br />

IntervIew: Ich kannte kaum Filme von dir. Vielleicht,<br />

weil ich ohne Fernseher aufgewachsen bin.<br />

rIemann: Genau wie ich.<br />

IntervIew: Meine Mutter meinte immer: Der<br />

Kreis der Familie wird durch den Fernseher zu einem<br />

Halbkreis.<br />

rIemann: Das habe ich noch nie gehört! (lacht)<br />

Welche meiner Filme hast du dir denn jetzt angeschaut?<br />

Auch so alte Filme wie Stadtgespräch?<br />

IntervIew: Klar. Erst wollte ich alle sehen, für<br />

die du einen Preis bekommen hast.<br />

rIemann: Und?<br />

IntervIew: Es waren leider zu viele. Du hast ja<br />

mehr Preise und Auszeichnungen bekommen als jede<br />

andere deutsche Schauspielerin deiner Genera tion!<br />

Wahrscheinlich bist du deswegen manchmal genervt<br />

74<br />

75


und bockig: weil dieses Land dich nicht genug<br />

schätzt!<br />

Riemann: Dazu sage ich jetzt mal nichts. Bockig,<br />

ja …<br />

inteRview: Hat dir mal jemand gesagt, dass<br />

Abgeschminkt! total gut gealtert ist?<br />

Riemann: Es freut mich, das zu hören. Auch für<br />

Katja von Garnier! Ich weiß allerdings, dass ich heute<br />

besser aussehe als damals (lacht).<br />

inteRview: Stimmt. Du bist noch besser gealtert<br />

als der Film.<br />

Riemann: Ich hatte damals all diese Probleme.<br />

Und diese kleinen Pausbacken. Ach, von heute aus<br />

betrachtet ist das alles schon irre.<br />

inteRview: Jedenfalls hast du so gut wie in jeder<br />

Szene des Films geraucht.<br />

Riemann: Und zwar Roth-Händle mit Filter.<br />

<strong>Die</strong> ganze Zeit! Damals galt Roth-Händle mit Filter<br />

ja noch als homöopathische Zigarette. Zumindest in<br />

meinen Kreisen.<br />

inteRview: Rauchst du heute noch?<br />

Riemann: Wenn, dann die neue homöopathische<br />

Zigarette. Ist dir auch aufgefallen, dass wir in<br />

Abgeschminkt! die ganze Zeit Underberg trinken?<br />

<strong>Die</strong>sen Kräuterschnaps?<br />

inteRview: Der im Supermarkt alkifreundlich<br />

an der Kasse steht?<br />

Riemann: Genau. Der in diesem Packpapier.<br />

Wie in Amerika, wo man ja Alkohol auch immer aus<br />

Papiertüten trinkt in der Öffentlichkeit.<br />

inteRview: Am Set war hoffentlich Spezi in den<br />

Schnapsflaschen.<br />

Riemann: Wo Underberg draufsteht, ist auch<br />

Underberg drin!<br />

inteRview: Vor Abgeschminkt! lief immer der<br />

Kurzfilm Der schönste Busen der Welt.<br />

Riemann: Ja, von Rainer Kaufmann. Abgeschminkt!<br />

ging ja nur knapp eine Stunde. Es war also<br />

der kürzeste Langfilm. Und Rainers Kurzfilm war<br />

mit 15 Minuten eben ein sehr langer Kurzfilm. Mit<br />

Rainer Kaufmann habe ich übrigens die meisten Filme<br />

überhaupt gedreht. Ich hoffe doch, du hast dir<br />

auch <strong>Die</strong> Apothekerin angesehen.<br />

inteRview: Natürlich.<br />

Riemann: Ist es nicht toll, wie ambivalent diese<br />

Figur ist? Ich fragte mich: Ist sie Täterin oder Opfer?<br />

Hexe, Intrigenspinnerin oder Opfer ihrer Umgebung?<br />

Rainer meinte zu mir: „Sie ist ambivalent. Das<br />

ist ’ne Bürgerliche.“ Und darüber bekommt der Film<br />

etwas Schwebendes, etwas Geheimnisvolles.<br />

inteRview: Und wird so viel komplexer als die<br />

meisten deutschen Produktionen, in denen die Charaktere<br />

zumeist sehr eindimensional dargestellt werden.<br />

Dabei ist Ambivalenz oft das, was echte Menschen<br />

auszeichnet.<br />

Riemann: Ich würde sogar noch weitergehen<br />

und sagen, dass Kontradiktionen, also wirkliche Widersprüche,<br />

Menschen ausmachen. Nur so werden<br />

sie dreidimensional.<br />

inteRview: Und leiden darunter. Weil sie oft um<br />

die Widersprüche wissen.<br />

Riemann: Absolut. Und sie nicht auflösen können.<br />

inteRview: Deswegen mochte ich den Film Ich<br />

bin die Andere so gerne. Dein bester, wie ich finde.<br />

Riemann: Das freut mich so sehr, dass du jetzt<br />

genau das sagst. Ich habe immer das Gefühl, der<br />

Film wird übersehen. Dabei ist der wirklich gut.<br />

inteRview: Aber ist August <strong>Die</strong>hl als Liebhaber<br />

nicht ein wenig jung für dich?<br />

Riemann: Hey! Was soll das denn jetzt heißen?<br />

So jung ist August auch nicht mehr.<br />

Mich sprachen<br />

ständig Männer auf<br />

der Straße an. Ich<br />

hatte schon total<br />

Panik, dass ich jetzt<br />

für den Rest meines<br />

Lebens allen Typen<br />

einen Freifahrtschein<br />

ausgestellt hätte,<br />

mich schräg von der<br />

Seite anzuquatschen<br />

”– Katja Riemann<br />

inteRview: Schon, aber er sieht so knabenhaft<br />

aus im Gesicht.<br />

Riemann: Ursprünglich sollte Ulrich Tukur die<br />

Rolle spielen, den ich überaus schätze. Dann gab es<br />

jedoch Probleme mit der Förderung. Als wir das<br />

Geld schließlich zusammenhatten, konnte Ulrich<br />

nicht mehr, weil er an der Burg in Wien eine Theaterrolle<br />

zugesagt hatte. Margarethe (von Trotta, die Regisseurin)<br />

rief schließlich an und meinte: „Was hältst<br />

du davon, wenn ein Jüngerer die Rolle spielt? Wollen<br />

wir das nicht umdrehen und August <strong>Die</strong>hl fragen?“<br />

Ich meinte daraufhin nur: „Oh my God, August<br />

<strong>Die</strong>hl!“ Ich find den ja eh klasse … Und nachdem wir<br />

uns einen Abend lang zu dritt an einer Hotelbar irrsinnig<br />

einen angezischt hatten, Margarethe, August<br />

“<br />

und ich, meinte er schließlich: „Ihr seid toll! Ich<br />

spiel das.“<br />

inteRview: Fällt es dir eigentlich leicht, die eigenen<br />

Auftritte noch einmal anzuschauen?<br />

Riemann: Es wird leichter mit der Zeit. Direkt<br />

nach dem Dreh will ich den Film immer erst alleine<br />

anschauen. Da will ich auch nicht, dass mir irgendwer<br />

den Arm streichelt. Wenn Kollegen dabei sind,<br />

setze ich mich immer so weit weg wie möglich. Meistens<br />

habe ich die Hände vorm Gesicht und blinzle<br />

durch die Finger – so wie andere Menschen reagieren,<br />

wenn sie eine gruselige oder brutale Szene erwarten.<br />

inteRview: Wird das Spielen an sich leichter<br />

oder schwerer?<br />

Riemann: Es hat bei mir nie Angst ausgelöst. Ich<br />

hatte das große Glück, im dritten Semester während<br />

der Schauspielschule ein Urlaubssemester machen zu<br />

dürfen, um einen Film mit Peter Beauvais zu drehen.<br />

Der hat mir alles beigebracht, was es über Filmschauspiel<br />

zu wissen gibt. Bis hin zu: Was isst du, mit<br />

wem sprichst du, wie spielst du im Off, wie im On,<br />

Wiederholung, Subtext, Substitution, Reproduktionsfähigkeit,<br />

wie hält man Spannung während des<br />

Wartens, all das. Davon profitiere ich heute noch.<br />

inteRview: Musst du eigentlich noch zu Castings<br />

gehen und vorsprechen?<br />

Riemann: Ja klar. Für Inga aus Das Wochenende<br />

war ich dreimal beim Casting. Anfangs hieß es, ich<br />

sei zu jung für die Rolle – was ich natürlich auch ganz<br />

gerne gehört habe.<br />

inteRview: <strong>Die</strong> Katja im Film sieht auch viel<br />

mehr vom Leben gezeichnet aus als die Katja, die<br />

heute hier sitzt.<br />

Riemann: Ich weiß. Das ist die Magie der Schauspielerei.<br />

In Abgeschminkt! sage ich doch schon: „Männer<br />

bekommen Linien, Frauen bekommen Falten.<br />

Ich werde sie Linien nennen.“<br />

inteRview: Dort schreibst du auch „Das Leben<br />

ist große Scheiße, und dann stirbst du“ an die Wand.<br />

Riemann: Ja, fand ich super, den Spruch.<br />

inteRview: Was würdest du heute an die Wand<br />

kritzeln?<br />

Riemann: Was Ähnliches. Vielleicht: „Wir werden<br />

alle überleben, bis wir tot sind“. Da stand aber<br />

auch noch: „Ami go home“.<br />

inteRview: Was geradewegs in den politischen<br />

Kampf führen kann: Jens Kessler kommt nach 18 Jahren<br />

aus dem Knast, ihr geht einkaufen. Was würde<br />

sich Katja Riemann nach 18 Jahren Gefangenschaft<br />

als Erstes kaufen?<br />

Riemann: Einen anständigen Tee. Oder ein Bio-<br />

Roggenbrot mit mittelaltem Gouda. Wobei man das<br />

wahrscheinlich auch heute im Gefängnis bekommen<br />

kann, wenn man ein paar gute Freunde hat.<br />

inteRview: Ach ja?<br />

Riemann: Klar, bei mir wäre immer Halligalli in<br />

der Zelle. Ich bekäme jeden Tag Besuch. Zumindest<br />

stelle ich mir das jetzt mal so vor.<br />

inteRview: Der Besuch kommt sicher lieber zu<br />

dir ins Landhaus.<br />

Riemann: Ich habe doch gar kein Landhaus!<br />

Was denkst du denn von mir?<br />

inteRview: Na ja.<br />

Riemann: Okay, ich habe mir gerade ein schönes<br />

Grundstück auf dem Land gekauft.<br />

inteRview: Und da kommt kein Haus drauf?<br />

Riemann: Nee, wir suchen gerade nach einem<br />

Bauwagen. Wir haben gestern einen angeschaut.<br />

Mein Mann ist ja handwerklich sehr begabt. Wir<br />

bauen uns den Bauwagen nett aus, schlafen da drin<br />

und grillen auf der Wiese. Das ist der Plan. Aber jetzt<br />

müssen wir erst einen schönen Bauwagen finden.<br />

inteRview: Hast du nicht schon einmal öffentlich<br />

nach einem Haus gesucht?<br />

Riemann: Du meinst damals bei Wetten, dass ..?.<br />

Das ist ja schon ewig her! Aber es stimmt: Da war<br />

gerade meine Tochter geboren. Wir wohnten in<br />

Neukölln, und ich spürte diesen großen Drang, dem<br />

Kind einen Garten bieten zu wollen. Türe auf, Sandkasten<br />

und Schaukel, so wie sich das alle wünschen.<br />

Aber wie findet man dieses Haus? Als Til und ich<br />

dann zu Gottschalk für Der bewegte Mann eingeladen<br />

wurden, meinte ich noch zu Bernd Eichinger: „Ach,<br />

Bernd, schick doch den Joachim, ich will da nicht<br />

hin.“ Das war also schon damals so. Bernd sagte jedoch:<br />

„Nee, da gehst du schön hin.“ Daraufhin dachte<br />

ich: „Okay, dann muss aber irgendwas für mich<br />

rausspringen.“ Und so kam mir die Idee, ich könne ja<br />

live im Fernsehen der ganzen Nation erzählen, dass<br />

wir ein Haus mit Garten suchen. Ich wollte unbedingt<br />

an den Wannsee, den fand ich so berlinerisch.<br />

Natürlich erzählte ich allen Freunden von meinem<br />

perfiden Plan, hatte mal wieder eine total große<br />

Klappe und saß dann auf diesem Wetten, dass ..?-Sofa<br />

und fragte mich: „Fuck, wie stell ich das jetzt an?“<br />

IntervIew: Und?<br />

rIemann: Na ja. Mein Bruder hatte eine gute<br />

Idee als Wetteinsatz: Er schlug vor, dass wir ein Bild<br />

mit den Füßen malen. Und während Til und ich da<br />

standen und unsere Zehen in die Farbe tunkten,<br />

meinte ich schließlich: „Übrigens suche ich gerade<br />

ein Haus am Wannsee.“<br />

IntervIew: Ja.<br />

rIemann: Das Dumme war: Ich hatte vergessen,<br />

zu erwähnen, dass wir es nur mieten wollen. Und das<br />

für maximal 2 000 DM. Ich hatte ja auch gar keine<br />

Kohle, um ein Haus zu kaufen. Da es damals noch<br />

keine E-Mail gab, bekam ich am Montag darauf einen<br />

Anruf von Constantin-Film: Dort waren seit der<br />

Sendung 30 Meter Fax eingetroffen, allesamt Angebote<br />

von Häusern am Wannsee. Mit Steg und Anlegeplatz<br />

für die Yacht. Für vier Millionen und aufwärts.<br />

Alles nur Kaufangebote. In den folgenden<br />

Wochen sprachen mich ständig irgendwelche Männer<br />

auf der Straße an und erkundigten sich, ob ich<br />

denn nun ein Haus gefunden hätte. Ich hatte schon<br />

total Panik, dass ich jetzt für den Rest meines Lebens<br />

allen Typen einen Freifahrtschein ausgestellt hätte,<br />

mich schräg von der Seite anzuquatschen.<br />

IntervIew: Ohne jemals den Garten zu bekommen.<br />

rIemann: Doch, das hat tatsächlich geklappt.<br />

Allerdings hat mich auch da ein Mann auf der Straße<br />

angesprochen. Ich war schon ganz genervt. Er meinte<br />

aber: „Ich hab vielleicht was für Sie. Nicht am<br />

Wannsee, aber in Grunewald.“ Und das war es dann.<br />

Da gab es dann die Sandkiste und die Schaukel für<br />

die kleine Paula.<br />

IntervIew: Eigentlich wollten wir dich ja für die<br />

Fotostrecke als Kämpferin inszenieren, mein Favorit<br />

war Katja Riemann als Boxerin.<br />

rIemann: Interessant. Das versteht aber nicht<br />

jeder. Ich kann mir schon denken, warum.<br />

IntervIew: Siehst du dich selbst als Kämpferin?<br />

rIemann: Ja und nein. Also eigentlich nicht. Ich<br />

werde manchmal zwangsläufig zur Kämpferin. Das geschieht<br />

aber nicht freiwillig. Ich suche mir das nicht aus.<br />

IntervIew: Und doch wusstest du immer, wo du<br />

hinwillst.<br />

rIemann: Eigentlich nicht. Ich komm ja nicht<br />

aus der Stadt, kannte also dieses ganze kulturelle<br />

Umfeld, die Infrastruktur mit Theatern, Museen,<br />

Bibliotheken, Veranstaltungen und so gar nicht. Wo<br />

ich aufgewachsen bin, gab es gar nichts. Außer der<br />

2 000 Bücher, die meine Mutter besaß.<br />

IntervIew: Es gab aber schon eine Bushaltestelle,<br />

wo ihr abhängen konntet.<br />

rIemann: Nee, eine Kleinbahn. <strong>Die</strong> hielt aber<br />

nur morgens und abends für die Pendler. Sonst fuhren<br />

die Züge durch. Wir rannten immer hin und legten<br />

Pfennigstücke auf die Gleise, die dann vom Zug<br />

plattgefahren wurden. Das war unsere Form der Unterhaltung.<br />

IntervIew: Und der Zug das Sehnsuchtsvehikel<br />

raus in die große Welt.<br />

rIemann: Deswegen wollte ich zum Zirkus.<br />

IntervIew: Im Medien-Zirkus bist du gelandet.<br />

rIemann: Haha, sehr witzig. Nein, wirklich.<br />

Früher, von fünf bis neun, wollte ich zum Zirkus.<br />

IntervIew: Zu den Bären?<br />

rIemann: Ans Trapez.<br />

IntervIew: Klar.<br />

rIemann: Ja, ich als die Prinzessin der Lüfte.<br />

Ich wollte mitreisen, auf Wanderschaft gehen, die<br />

Welt sehen. <strong>Die</strong> kannte ich ja nur aus den Büchern<br />

der Mutter. Ich war eine Leseratte.<br />

IntervIew: Wie muss man sich Katja Riemann<br />

als Schülerin vorstellen?<br />

rIemann: Als klassisches schwarzes Schaf. Man<br />

will eigentlich nicht auffallen und tut es doch. Es<br />

gibt bei den Kids und Jugendlichen ja diesen Drang<br />

zur Uniformität – und da hab ich nicht reingepasst.<br />

Daher kenne ich all diese Sätze, mit denen dann irgendwann<br />

auch meine Tochter vor mir stand. Sätze<br />

wie: „Das machen doch alle.“ Daraufhin meinte ich<br />

nur: „Haben auch alle ,Heil Hitler‘ geschrien.“<br />

IntervIew: Bist du eine strenge Mutter?<br />

rIemann: Das muss ich nicht mehr sein. Meine<br />

“<br />

Tochter ist ja fertig. Sie ist 19 und muss nicht mehr<br />

erzogen werden. Heute wundere ich mich allenfalls<br />

mal. Und sage dann: „Da könntest du ja noch mal<br />

drüber nachdenken …“<br />

IntervIew: Warst du früher streng?<br />

rIemann: Frag meine Tochter. <strong>Die</strong> sagt manchmal<br />

zu mir: „Mama, du warst eine strenge Mutter.<br />

Was sind das<br />

für Lebensentwürfe?<br />

Ich kenne solche<br />

Frauen nicht!<br />

<strong>Die</strong> sehen anders<br />

aus, leben in<br />

20-jährigen Ehen,<br />

sind frustriert und<br />

haben meist<br />

erwachsene Söhne,<br />

die Robert heißen<br />

”– Katja Riemann<br />

Und das fand ich total gut.“ Bei uns gab es einfach<br />

von Anfang an Gespräche. Und da wir heute nicht<br />

mehr als Eltern in Lebensentwürfen leben, die per se<br />

verachtenswert sind, passieren ganz andere Dinge als<br />

früher.<br />

IntervIew: Dabei lebten doch schon deine Eltern<br />

nicht das klassische Landleben.<br />

rIemann: Für meine Mutter stimmt das, mein<br />

Vater ist allerdings auch ganz früh ins Ausland gegangen.<br />

Als ich sieben Jahre alt war. Und dann saß<br />

meine Mutter da, als geschiedene Frau auf dem Dorf.<br />

Mit drei Kindern. Das war schon die große Ausnahme,<br />

das stimmt.<br />

IntervIew: Deine Eltern haben zweimal geheiratet.<br />

rIemann: Ich bin das Kind aus zweiter Ehe.<br />

IntervIew: Was erst einmal grundromantisch<br />

klingt.<br />

rIemann: Sie haben sich zweimal scheiden lassen.<br />

IntervIew: So schnell endet dann die Romantik.<br />

rIemann: Wie bei Liz Taylor.<br />

IntervIew: Wobei du aus einer klassischen<br />

Lehrerfamilie kommst.<br />

rIemann: Ja, um mich herum nur Lehrer. Selbst<br />

meine Geschwister. Und auch deren Kinder.<br />

IntervIew: Was würde die 16-jährige Katja über<br />

die Katja von heute sagen?<br />

rIemann: Als ich 16 war, waren die Leute mit<br />

über 40 ja ganz anders, als wir heute sind. Darum<br />

dachte ich: „Mit 40 bist du alt.“ Ich erfülle heute definitiv<br />

nicht die Vorstellung, die ich als 16-Jährige<br />

von 40-Jährigen gehabt habe.<br />

IntervIew: Und was würdest du zur 16-Jährigen<br />

sagen?<br />

rIemann: Wird alles besser.<br />

IntervIew: War es eigentlich anstrengend, Paula<br />

so lange aus der Berichterstattung rauszuhalten?<br />

rIemann: Nö. Ich habe sie vor der Öffentlichkeit<br />

beschützt und bewahrt. Niemand wusste, wo sie<br />

zur Schule ging. Es gab nichts über sie. Zumindest<br />

nicht, bis sie zwölf war. Dann hat Paula selbst in einem<br />

Film mitgespielt. Und seither müssen wir<br />

irgend wie damit umgehen. Ich rede generell nicht<br />

gerne über Privates, über meine Liebsten, meine<br />

Tochter, meinen Mann. Warum sollte ich? Ich lade<br />

auch niemanden zu mir nach Hause ein. Einfach,<br />

weil ich der Meinung bin, dass das, was ich tue, die<br />

Filme und die Projekte, die ich drehe und bei denen<br />

ich mitarbeite, genug Material liefern, über das man<br />

reden kann. Hier geht es mir nicht darum, dogmatisch<br />

zu sein. Ich finde das wirklich interessanter und<br />

aufregender als mein Privatleben.<br />

IntervIew: Interessanter als den Bauwagen?<br />

rIemann: Auch als den Bauwagen, ja!<br />

IntervIew: Machst du es Journalisten nicht einfach<br />

nur schwer, weil du als Schauspielerin und nicht<br />

als Person Katja Riemann berühmt sein willst?<br />

rIemann: <strong>Die</strong> Vermischung ist das Problem.<br />

Ein Schriftsteller schreibt ein Buch, ein Bildhauer<br />

erschafft eine Skulptur; es gibt also immer dort deine<br />

Kunst und hier dich, das ist übersichtlich. Als Schauspieler<br />

bist du sozusagen dein eigenes Kunstwerk, da<br />

ist es schwer für Berufsfremde, die Trennung zu sehen<br />

oder zu verstehen.<br />

IntervIew: Amerikanern scheint der Umgang<br />

mit ihren Celebritys leichter zu fallen.<br />

rIemann: <strong>Die</strong> sind ja auch nicht so missgünstig.<br />

Schon alleine deshalb, weil sie denken: „Vielleicht<br />

bringt mir das Freundlichsein ja mal irgendwann etwas.“<br />

Obgleich ich wirklich nicht weiß, woher hierzulande<br />

die Missgunst kommt. Wir haben doch alle<br />

so viel.<br />

IntervIew: Ich habe das Gefühl, die Missgunst<br />

wird weniger.<br />

rIemann: Das spüre ich auch. Auf jeden Fall sogar.<br />

Gerade die jüngeren Generationen sind, was das<br />

angeht, ganz bezaubernd.<br />

IntervIew: Vielleicht ist die Missgunst ein westdeutsches<br />

Erbe.<br />

rIemann: Kann sein.<br />

IntervIew: Katja, vielleicht solltest du einfach ab<br />

jetzt gar keine <strong>Interview</strong>s mehr geben.<br />

rIemann: Dann wäre das hier das letzte.<br />

IntervIew: Das wäre schön.<br />

rIemann: Ich danke dir für das tolle Risotto. Es<br />

war köstlich.<br />

76<br />

77


“<br />

Als Schauspieler bist du dein<br />

eigenes Kunstwerk<br />

– Katja Riemann<br />

”<br />

bh<br />

privat<br />

rock<br />

bAlenciAgA by<br />

nicolAs ghesquière<br />

Haare Jörg Oppermann/Kult artists<br />

mit prOduKten vOn la biOstHetique<br />

make-up andréas bernHardt/basics<br />

mit prOduKten vOn mac<br />

prop styling tina reisinger/perfect prOps<br />

maniküre patricia puisy/nude<br />

mit prOduKten vOn alessandrO<br />

foto-assistenz alexandre bugny, Kristina WeinHOld<br />

digital Operator pHillip ZWanZig<br />

styling-assistenz carOline lemblé<br />

produktion franK seidlitZ, dOrOtHea fiedler


Fotos<br />

mikAel jAnsson<br />

styling<br />

kArl templer<br />

kleidung, hüte, ketten,<br />

armbänder & schuhe<br />

sAint lAurent<br />

by hedi slimAne<br />

halsbänder<br />

proenzA schouler<br />

taschen<br />

giorgio ArmAni<br />

81


kleidung & accessoires<br />

balenciAgA by<br />

nicolAs ghesquière


kleidung & accessoires<br />

AlexAnder<br />

mcqueen<br />

handschuhe<br />

cArolinA AmAto<br />

kleid, armband & taschen<br />

tom ford<br />

schuhe<br />

Giuseppe zAnotti<br />

85


kleidung & accessoires<br />

prAdA


kleidung & accessoires<br />

dior


kleidung, sonnenbrillen,<br />

taschen & schuhe<br />

dolce & gAbbAnA<br />

haarbänder<br />

louis vuitton<br />

handschuhe<br />

cArolinA AmAto<br />

tasche (auf tisch)<br />

bAlenciAgA by<br />

nicolAs ghesquière<br />

kleidung & accessoires<br />

chAnel<br />

91


kleidung & accessoires<br />

mArc jAcobs


kleidung & accessoires<br />

chloé<br />

tasche<br />

miu miu<br />

94<br />

Photography Mikael Jansson/Trunk archive<br />

hair euGene souleiMan For Wella ProFessionals<br />

Make-up Mark carrasQuillo<br />

Manicure BernaDeTTe ThoMPson<br />

For BernaDeTTe ThoMPson nail collecTion<br />

Models Janice aliDa/ForD MoDels,<br />

irina kravchenko/WoMen,<br />

MeGhan collison/neXT<br />

casting Michelle lee/kcD, inc.<br />

set Design ranDall Peacock/<br />

The MaGneT aGencY<br />

lighting Director kYle kiBBe<br />

Digital Technician nico FalleT<br />

Production kaTe collinGs-PosT For norTh6<br />

Photo assistants Pierre Persson, eric hoDGMan,<br />

nicholas onG, JaMes Giles<br />

styling assistants Joshua courTneY, TaYlor Mcneill<br />

hair assistant PaMela BauMGarTner<br />

Make-up assistant eMi kaneko<br />

special thanks lulu Werner/FTT, nicola riGG/FTT,<br />

DaviD ecclesTon/Zan luDluM,<br />

caMeron Moir/Zan luDluM, lauren Picciano,<br />

BerGDorF GooDMan, shaWn DeZan<br />

kleiDunG & accessoires<br />

Miu Miu


Americana<br />

fotos<br />

sebAstiAn fAenA<br />

styling<br />

JuliA Von boehm<br />

96<br />

bluse, hose & blazer<br />

JeAn pAul gAultier<br />

strumpfhose (durchgehend getragen)<br />

fAlke<br />

schuhe (durchgehend getragen)<br />

sAint lAurent by hedi slimAne<br />

ohrringe (durchgehend getragen)<br />

Alynne lAVigne


kleid<br />

michAel kors<br />

hemd<br />

hermès<br />

hose<br />

philosophy di AlbertA Ferretti


lazer<br />

nArciso rodriguez<br />

bluse & shorts<br />

AlexAnder wAng


luse<br />

bAlenciAgA<br />

hose<br />

AlexAnder wAng 102<br />

103


mantel<br />

cAlvin klein collection<br />

gürtel<br />

céline<br />

bh<br />

eres<br />

overall<br />

vAlentino


mantel, rollkragenpullover & gürtel<br />

cAlvin klein collection<br />

Hair SHay aSHual/tim Howard management<br />

make-up Jeanine lobell/tim Howard<br />

management uSing cHanel<br />

manicure ana maria/artiStS by timotHy priano<br />

Set design JoSepHine SHokrian<br />

light design cHriS biSagni<br />

model magda laguinge/next modelS<br />

bartender george riddle/atlaS talent<br />

light assistant matt marcHeSSe<br />

light intern cHriS navarro<br />

digital tech deniS vlaSov<br />

Fashion assistants clare byrne,<br />

alliSon bornStein, cHriS lee<br />

Hair assistant tony kelley<br />

production Helena martel Seward<br />

production assistant alberto maria colombo<br />

equipment root nyc<br />

location tHe Jane Hotel<br />

mantel<br />

sAint lAurent By Hedi slimAne


Oda<br />

JAUNE<br />

von<br />

Jonathan MEESE<br />

FOTOS<br />

JONAS UNGER<br />

108


“<br />

Ich war so voller Träume und<br />

Glauben und so allein<br />

”<br />

– Oda Jaune<br />

110<br />

111


Es war eine schöne<br />

Geschichte: der Kunstprofessor<br />

und seine<br />

anmutige, junge<br />

Studentin, die einander<br />

über die Kunst fanden<br />

und heirateten.<br />

Jörg Immendorff war<br />

die große Liebe von<br />

oda JaunE. nach<br />

seinem Tod ging die<br />

Künstlerin nach<br />

Paris, in eine Stadt, die<br />

sie nicht kannte, deren<br />

Sprache sie nicht<br />

sprechen konnte, um<br />

dort sich selbst, ihre<br />

Kunst, ihr universum,<br />

ihre eigene Geschichte<br />

zu finden – die einer<br />

großartigen Malerin,<br />

die geheimnisvollorganische<br />

Bilder in<br />

Öl malt<br />

JONATHAN MEESE: Es gibt etwas, worüber ich mit<br />

dir reden möchte: Wie kann man die Kunstszene<br />

überleben? Wie kann man diesen Realitätswahnsinn,<br />

der da von einem verlangt wird, überleben? Wie kann<br />

man diese Partys durchstehen? Ich gehe da nicht<br />

mehr hin. Ich war in den letzten fünf Jahren auf zwei<br />

Partys. In der Realität bin ich der schüchternste<br />

Mensch, den man sich vorstellen kann.<br />

ODA JAUNE: Ich bin noch extremer. Extreme<br />

Schüchternheit. Ja, es ist fast krankhafte Schüchternheit.<br />

Ich glaube aber, dass das ein großes Glück ist,<br />

denn es ist ein Schutz, um zu arbeiten. Meine Mutter<br />

hat als Kind immer zu mir gesagt: „Du bist so schüchtern,<br />

du musst das überwinden.“ Auf alten Familienfotos<br />

kann man sehen, wie ich versuche, meine<br />

Schüchternheit zu überwinden. Ich habe zwischen<br />

Oma und Opa immer posiert, weil ich dachte, das ist<br />

der Moment, zu zeigen, dass ich nicht schüchtern bin.<br />

MEESE: <strong>Die</strong> Leute denken immer, weil ich auf der<br />

Bühne und in der Kunst aggressiv bin, dass ich es<br />

auch in der Realität bin, und das bin ich überhaupt<br />

nicht. In der Kunst ist es notwendig, aggressiv zu sein,<br />

und ansonsten will ich verschwinden. Ich will gar<br />

nicht mehr das Haus verlassen, und ich will zu keiner<br />

Party eingeladen werden, keinem Geburtstag,<br />

nichts. Ich will nur noch alleine gelassen werden,<br />

um zu arbeiten, und nur mit richtigen Freunden<br />

Zeit verbringen.<br />

JAUNE: Was meinst du, Jonathan, ist das größte<br />

Missverständnis bezüglich meiner Person?<br />

MEESE: Ich glaube, dass du maßlos unterschätzt<br />

wirst, in jeglicher Hinsicht. Du bist so separiert<br />

von allem, deshalb mag ich auch mit dir<br />

reden. Ich gehe gerade wieder in die Phase zwischen<br />

10 und 20 Jahren zurück.<br />

JAUNE: Zwischen 10 und 20 ist eine ganz<br />

tolle Zeit. Ich war so voller Träume und Glauben<br />

und so alleine. Wahrscheinlich sind meine<br />

Dreißiger wieder so wie die Jahre zwischen 10<br />

und 20. Ich war das jüngste Kind, und meine<br />

Geschwister lebten nicht mehr zu Hause, und<br />

ich habe sehr viel Zeit alleine in der Natur verbracht.<br />

Ich hatte nur eine beste Freundin und<br />

keine weiteren Freunde. An den Wochenenden<br />

sind wir in unser Landhaus gefahren, und<br />

da hatten wir einen riesigen Garten mit großen<br />

Bäumen, und das war mein Reich. Ich<br />

hatte sehr viele Träume, und ich habe versucht,<br />

das sichtbar zu machen, indem ich<br />

zeichnete. Heute habe ich auch sehr wenige<br />

Menschen, die mir nahestehen, aber jede<br />

Begegnung mit ihnen ist ganz speziell. Für<br />

mich ist Nähe etwas ganz Besonderes, und<br />

ich vergesse solche Momente nicht. Ich vergesse zum<br />

Beispiel nicht, wie du damals nach Düsseldorf gekommen<br />

bist und wir ein Abendessen zusammen hatten.<br />

MEESE: Das war ganz toll. Ich hab dich auch gemalt.<br />

Wie kam das noch mal?<br />

JAUNE: Das war ganz spontan, das hat sich so ergeben.<br />

MEESE: Ich gucke mir oft an, was du machst, und<br />

ich mag das so gerne, dass das so hermetisch ist und so<br />

abseits der Realität. Das finde ich spitzenmäßig. Man<br />

muss hermetisch an einer Gegenwelt arbeiten, das ist<br />

so selten heute. Kannst du das verstehen?<br />

JAUNE: Ja, absolut! Ein eigenes Universum, aber<br />

ich muss sagen, ich bewundere auch, dass du in Berlin<br />

lebst, dass du in Berlin bleibst und dich damit auseinandersetzt.<br />

Ich bin ganz woanders, denn ich habe eine<br />

Art Neustart gemacht. Als ich vor fünf Jahren nach<br />

Paris kam, sprach ich noch nicht einmal Französisch<br />

113<br />

außer „Merci“ und „Bonjour“. Ich habe nichts verstanden,<br />

es war wie eine schöne Melodie, und weil ich<br />

so viel gearbeitet habe, bin ich mit der Sprache immer<br />

noch nicht so weit, aber ich verstehe jetzt vieles.<br />

MEESE: Ich liebe Berlin, und ich muss hier bleiben,<br />

aber es wird hart. Das ist ein Killerprogramm,<br />

was hier gerade läuft. Mein Zauberreich ist mein Atelier,<br />

so wie das bei dir der Wald war. Seit einiger Zeit<br />

ist es in Berlin unerträglich, und ich möchte nicht dabei<br />

sein. Es wird sich aber auch wieder ändern, es gab<br />

ja auch vorher super Zeiten. Jetzt sollen alle auf einmal<br />

Designer werden. Das kann doch nicht das Ziel<br />

von Kunst sein. <strong>Die</strong>ser Etikettenschwindel muss aufhören.<br />

Aber ich kann diese Stadt nicht verlassen. Sie<br />

ist das Zentrum und das Hauptquartier.<br />

JAUNE: Ich bewundere deine Haltung in dieser<br />

Frage. Es ist schwer.<br />

MEESE: Bei dir gibt es andere Gründe, warum du<br />

gegangen bist, und die sind alle völlig klar, verständlich<br />

und normal.<br />

JAUNE: Ja, es waren persönliche Gründe. Düsseldorf<br />

war für mich der Ort, an dem ich studiert habe,<br />

wo ich meine Familie hatte und meine große Liebe.<br />

Und das war dann<br />

für mich nicht<br />

mehr dasselbe. Ich war so traurig, und auf<br />

einmal merkte ich, dass ich beobachtet wurde. <strong>Die</strong><br />

Freiheit, dass ich beobachte, war weg. Mir sind Menschen<br />

sehr wichtig. Ich habe, glaube ich, kein Bild,<br />

ohne dass ein Mensch oder eine Seele darin vorkommt.<br />

Ich muss sie beobachten können. Damals<br />

dachte ich kurz darüber nach, nach Berlin zu gehen,<br />

denn die meisten meiner Freunde leben dort. Aber<br />

irgendwann wurde mir klar, dass ich mich nicht für<br />

Menschen entscheiden muss, sondern für eine Stadt.<br />

Und Paris sieht einfach so gut aus. Das war der Grund.<br />

Jeden Tag bewundere ich die Schönheit dieser Stadt.<br />

In meiner Arbeit ist bisher aber noch nichts aus Paris<br />

aufgetaucht, vielleicht unbewusst. Es ist schwer, zu<br />

sagen, was genau in meine Arbeit einfließt. Was würdest<br />

du sagen, Jonathan?<br />

MEESE: Ich würde immer sagen: der Freiraum der


Kunst. Und das hat Paris dir gegeben. Das war eine<br />

weise Entscheidung. Bei dir sehe ich nur Kunst, keine<br />

Politik, keine Religion. Reine Kunst. Und das schaffen<br />

nicht viele. Man muss der Kunst vertrauen.<br />

JAUNE: Es darf in der Kunst keine Grenzen geben.<br />

Alles andere ist begrenzt. Es gibt so viele Gesetze:<br />

In der Natur, in der Gesellschaft, aber dort in der<br />

Kunst ist alles möglich. Das muss man ausnutzen und<br />

alles geben. Wenn ich male, dann mache ich das extrem.<br />

Ich kann dann auch nicht auf Messages antworten,<br />

auch nicht von lieben Menschen. Ich mag auch<br />

nicht viel essen, wenn ich male. Dann mache ich mir<br />

eine passierte Suppe und für drei Tage ein Fläschchen,<br />

denn es muss schnell gehen. Seit November arbeite<br />

ich sehr intensiv, bestimmt noch bis September.<br />

MEESE: Super.<br />

JAUNE: Wenn ich ein neues Bild beginne, mache<br />

ich keine Zeichnungen vorher. Ich habe etwas vor,<br />

und dann fange ich an, und dann verändert es sich die<br />

ganze Zeit. Es ist ein Prozess, bei dem ganz viele Dinge<br />

im Unterbewusstsein passieren. Jedes fertige Bild<br />

ist dann eine Art Erlösung.<br />

MEESE: Genau, dann kann man endlich das <strong>nächste</strong><br />

machen. Es ist eine Quelle, die immer sprudeln<br />

wird, wenn man sich drauf einlässt. Das ist wie Schlaf,<br />

das ist was ganz Normales. Aber die Leute haben so<br />

viel Angst vor der Kunst, aber nicht vor der Realität.<br />

JAUNE: Das stimmt. Das ist ganz erstaunlich. Sie<br />

zelebrieren ja sogar die Nicht­Kunst. Wahnsinn.<br />

MEESE: Für mich ist es ja ganz leicht, ein Bild zu<br />

malen. Ich hatte noch nie eine Problematik mit der<br />

Kunstproduktion. Ich habe noch nie eine Krise mit<br />

der Arbeit gehabt. Das war schon vorgeburtlich so.<br />

Zwischen 10 und 20 war ich, wie du auch, ein totaler<br />

Träumer. Ich bin in Ahrensburg zur Schule gegangen,<br />

habe es aber geschafft, die Schule ohne diese Realität<br />

durchzuziehen. Zwischen 20 und 30 war dann diese<br />

Aufbruchsphase. Jetzt komme ich gerade wieder in<br />

die Phase 10 bis 20. Ich träume auch die ganze Zeit<br />

von der Schulzeit. Ich träume von Lehrern und Fantasielehrern.<br />

Ich träume vom Sportplatz, um den ich<br />

laufe. Ich träume vom Shirt, das ich anhatte, von dem<br />

es keine Fotos gibt, was ich unverzeihlich finde, denn<br />

ich sah aus wie ein junger Gott. Ich sah einfach geil<br />

aus. Ich hatte aber kein Selbstvertrauen.<br />

JAUNE: Nein, das hat man nicht in dem Alter.<br />

Aber ich habe auch noch nie eine Zeit gehabt, wo ich<br />

gesagt habe: So, jetzt ist alles super, das ist perfekt.<br />

Aber vielleicht kommt das noch …<br />

MEESE: Ja, vielleicht.<br />

JAUNE: Mit 70. Das ist eine gute Zeit.<br />

MEESE: Sehe ich ganz genauso. Ich glaube, ab 70<br />

wird man wieder ein Mensch, und zwischen 40 und 70<br />

ist die problematischste Zeit. In dieser Zeit werden<br />

viele frustriert, viele bringen sich um. Sehr oft. Oder<br />

sie werden käuflich.<br />

JAUNE: Das stimmt.<br />

MEESE: Und zwischen 10 und 20 bist du nicht<br />

käuflich. Und zwischen 70 und 90 geht’s auch nicht<br />

mehr. Also, meine Mutter kann man nicht mehr kaufen.<br />

Der kann man fünf Billionen Euro auf den Tisch<br />

legen, aber wenn die Party scheiße ist, geht sie nicht<br />

hin. Schwierig sind für mich auch Menschen, die Zeit<br />

haben. Ich habe gar keine Zeit mehr.<br />

JAUNE: Ich auch nicht. Aber warum kommt es mir<br />

so vor, als hätten die Menschen so viel Zeit?<br />

MEESE: <strong>Die</strong> haben nichts zu tun, die brennen für<br />

nichts, da ist nichts. Viele Künstler werden auch Professoren,<br />

weil sie keine Energie mehr haben. Was maßen<br />

die sich an, mit ihrer Vitalitätslosigkeit, andere<br />

Menschen auszubilden? Ich bin so sauer auf die.<br />

JAUNE: Ich wundere mich über Freunde, die so<br />

viel Zeit mit Dinner, Partys und TV­Serien verbringen.<br />

Ich habe diese Zeit nicht, ich muss meine Bilder<br />

malen. Ich arbeite sehr einsam. Ich habe einen Kühlschrank,<br />

das Licht, meine Materialien und ein paar<br />

Bilder an den Wänden. Manchmal reiße ich mir Sachen<br />

aus Magazinen aus, die mich sehr bewegen. Ich<br />

mag es gerne, wenn es ordentlich ist, aber ganz schnell<br />

sieht es aus, als wenn eine Bombe eingeschlagen hätte.<br />

Und die Luft ist hart. Kennst du Liquin?<br />

MEESE: Leider nicht.<br />

JAUNE: Es ist das Lösungsmittel, mit dem ich<br />

meine Farben mische, und es greift meine Atemwege<br />

an, aber ich habe bisher keinen Ersatz dafür gefunden.<br />

Man muss auch einen Preis für die Kunst zahlen.<br />

MEESE: Absolut. Wenn es keinen Ersatz dafür<br />

gibt, dann muss man es nehmen.<br />

JAUNE: Und sonst ist es einfach schön. Ich schaue<br />

kein Fernsehen, höre keine Nachrichten. <strong>Die</strong> Zeit ist<br />

dafür zu kostbar. Schaust du manchmal Nachrichten?<br />

MEESE: Manchmal, um mich wieder der Realität<br />

zu verweigern. Ich mache das, um mich gegen sie aufzuputschen.<br />

Was du gerade sagtest: Einsamkeit. Ein<br />

Künstler, der keine Einsamkeit erträgt, sollte sich aus<br />

der Kunst verabschieden. Man kann ja auch andere<br />

Sachen machen. Einen guten Bus fahren, zum Beispiel.<br />

JAUNE: Ja, davor habe ich Respekt.<br />

MEESE: Vollen Respekt.<br />

Foto: Oda Jaune, Twosome dated back from 2012, Courtesy Galerie Daniel Templon, Paris<br />

JAUNE: Man muss sich dem, was man tut, hingeben,<br />

voll und ganz. Das finde ich ganz wichtig. Ich<br />

habe das Gefühl, dass ich mich meiner Arbeit hingebe<br />

und dass ich mich und andere nicht damit belüge. Ich<br />

muss das tun. Ich hatte nie die Wahl.<br />

MEESE: Ich fand übrigens den neuen James Bond<br />

großartig. <strong>Die</strong> Insel, auf der der Böse lebt, da habe ich<br />

Kunst gesehen. Auch der Böse: Wie der seine Zähne<br />

rausnimmt, das ist großartig. Ich habe fast geheult. Szenen<br />

absoluter Kunst. Ich will der Böse im James-Bond-<br />

Film sein. Das ist die Zielsetzung in meinem Leben.<br />

JAUNE: Toll!<br />

MEESE: Ich möchte der Böse sein oder das Böse,<br />

das wäre noch besser. Ich will auch James-Bond-<br />

TwoSoME, 2012<br />

Drehbücher schreiben, ich möchte auch Regie führen.<br />

Da habe ich so Bock drauf. Da ist was. Ich bin<br />

begeistert.<br />

JAUNE: Und ich könnte dann James Bond sein.<br />

MEESE: Supergeil. Natürlich! Der <strong>nächste</strong> Gegner<br />

von James Bond muss auch ein Kind sein, ein Tier<br />

oder eine Frau, die ganz anders ist als die üblichen<br />

James-Bond-Frauen. Oder Gegenstände werden Gegner.<br />

Oder James Bond wird der Gegner von James<br />

Bond. Das ist doch klar. Das steht doch alles schon<br />

fest. Das ist doch alles schon in den Schubladen.<br />

JAUNE: Ja, wie fertige Bilder. Es ist immer auch<br />

für mich spannend, wenn die Bilder von der Öffentlichkeit<br />

wahrgenommen werden. Wenn jemand sagt:<br />

“<br />

Mein Herz ist<br />

leider zu groß, aber<br />

damit muss ich leben.<br />

Mich interessieren<br />

Herzen generell, und<br />

auch Organe male<br />

ich oft, weil ich mir<br />

vorstelle, dass da die<br />

Seele weilt<br />

”<br />

– Oda Jaune<br />

„Das hat mich berührt.“ Das reicht mir vollkommen.<br />

Meine Bilder haben ja auch selten Titel. Ich möchte<br />

nicht noch irgendeinen Link geben oder irgendeine<br />

Beschreibung, wie man das verstehen soll. Das Bild ist<br />

die Antwort auf alle Fragen. Manche Menschen können<br />

in die Bilder reingehen, und andere gehen nur<br />

daran vorbei. Ich freue mich aber immer, wenn etwas<br />

passiert. Das macht mich total glücklich.<br />

MEESE: Ich produziere ja sehr viel und finde es<br />

sehr toll, wenn Profis und hingebungsvolle Menschen<br />

sich für meine Arbeit interessieren. Ich möchte überhaupt<br />

nicht mehr, dass Spekulanten meine Bilder kaufen.<br />

<strong>Die</strong> sollen sich verpissen.<br />

JAUNE: Ich mag es so gerne, wenn Menschen sich<br />

für ein Bild entscheiden, und dann weiß man, wo es ist<br />

und dass sie eine eigene Beziehung dazu haben. Ich<br />

mag es sehr gern, wenn Leute mir ihre Gründe erzählen,<br />

warum sie sich für etwas entschieden haben. Auch<br />

wenn sie sich entscheiden, damit zu leben. Ich habe in<br />

meiner Wohnung zum Beispiel nicht meine eigenen<br />

Sachen, aber von dir, Jonathan, habe ich dort zwei<br />

sehr, sehr schöne Sachen und auch Fotos von meiner<br />

Familie. Ich habe aber auch nicht so viele Wände,<br />

denn meine Wohnung ist sehr klein. Wohnst du mit<br />

deinen Bildern?<br />

MEESE: Meine Mutter wohnt mit Bildern von mir.<br />

Ich habe ja eher so eine Art Büro, und da sind auch<br />

Bilder von mir, aber ich bin ja manischer Sammler<br />

von anderen Sachen, von Magazinen, Büchern, Gegenständen,<br />

Spielzeugen. Das umgibt mich.<br />

JAUNE: Spielzeug?<br />

MEESE: Ich liebe Spielzeug. Und dann sammle ich<br />

auch noch ein bisschen Kunst. Aber findest du nicht,<br />

dass es brutal ist, was einem Künstler heute abverlangt<br />

114<br />

115


wird? Er soll sich in den sozialen Netzwerken auskennen,<br />

er soll gut aussehen, er soll immer freundlich<br />

sein, aber auch radikal und immer available. Man muss<br />

doch auch zufrieden sein mit einem geilen Bild. <strong>Die</strong><br />

Leute wollen ja auch Sachen von mir kaufen, um mich<br />

kennenzulernen. Aber Entschuldigung, das geht natürlich<br />

nicht.<br />

JAUNE: Ich kenne das eher umgekehrt: Sie kaufen<br />

ein Bild, aber sie wollen nichts von mir wissen.<br />

MEESE: Da bin ich aber neidisch.<br />

JAUNE: Es gibt so eine richtig besessene Sammlerin<br />

von mir, die einfach immer die härtesten Bilder<br />

von mir besitzt. Bestimmt schon sieben Stück. Das hat<br />

mich wirklich interessiert, und da gab es so ein Abendessen<br />

in meiner Galerie, und da habe ich sie kennengelernt,<br />

und sie sagte zu mir: „Wissen Sie, mich interessieren<br />

die Künstler eigentlich nicht. Ich liebe<br />

einfach ihre Bilder.“ Ja, und dann hatten wir uns<br />

nichts mehr zu sagen.<br />

MEESE: Toll.<br />

JAUNE: Und sie hatte keine Frage an mich so wie:<br />

„Was wollten Sie damit sagen?“ oder: „Was haben Sie<br />

damit gemeint?“ Es ist aber auch sehr unterschiedlich.<br />

Mit anderen Leuten unterhalte ich mich auch sehr<br />

gerne.<br />

MEESE: Das wollte ich dich überhaupt noch fragen:<br />

Was ist deiner Meinung nach eine Karriere?<br />

JAUNE: Ich habe immer davon geträumt, ein<br />

Künstler zu sein. Da sind wir wieder bei der zehnjährigen<br />

Oda. Meine Familie hatte diese Bewunderung<br />

für die Kunst, und ich wollte auch sehr geliebt werden.<br />

Ich habe sehr viel Liebe bekommen, aber ich<br />

dachte mir, wenn ich diese Kunst erschaffe, die sie so<br />

sehr lieben, dann lieben sie mich noch mehr.<br />

MEESE: Und?<br />

JAUNE: Meine Schwester sagt, dass sie meine Bilder<br />

nicht mag, mein Vater findet sie gut, meine Mutter<br />

hat sehr viel Respekt davor, wie mein Leben verläuft,<br />

und sie unterstützt mich dabei. Meine Tochter,<br />

sie ist elf Jahre alt und so wahnsinnig süß, sie findet<br />

meine Bilder auch gut. Sie ist stolz. Sie ist in diesem<br />

Alter. Aber eigentlich wird nur die Zeit zeigen, was<br />

aus einem wird und wie das mit der Karriere ist. <strong>Die</strong><br />

Zeit bringt es an den Tag. Vieles wird nicht bleiben.<br />

Aber natürlich gehört die klassische Karriere zum<br />

Traum der Zehnjährigen.<br />

MEESE: Ich würde sagen: Kunst ist immer das, was<br />

übrig bleibt. Vom alten Ägypten ist nur die Kunst übrig<br />

geblieben. Nichts anderes. Keine Politik, keine<br />

Esoterik. Nichts sonst. Und das wird heute auch so<br />

sein, und das begreifen die Leute gar nicht. <strong>Die</strong> machen<br />

alle was anderes, wollen aber überleben. Ich will<br />

ja als Mensch nicht überleben, das kann ja gar nicht<br />

das Ziel sein. Picasso, zum Beispiel, ist tot, klar, aber<br />

seine Bilder sind frisch und sie leben!<br />

JAUNE: Ja, sie geben einem so viel. Es ist Wahnsinn.<br />

Und das ist der Traum, den man hat. Wir werden<br />

sehen, was passiert.<br />

MEESE: <strong>Die</strong> Bilder von dir sind so üppig. Sie sind<br />

evolutionär, pflanzlich, tierischer Natur. Sie sind völlig<br />

sachlich. Sie sind so üppig geladen, dass man es<br />

hinnehmen muss. Ich kann das sagen, ich bin ein Vollprofi.<br />

Ich bin so durchdrungen von Kunst: Ich träume<br />

nur Kunst, ich esse nur Kunst, ich bade nur Kunst, ich<br />

bade in der Kunst, ich schlafe Kunst.<br />

JAUNE: Ja, die Kunst ist unsere Lebensform!<br />

MEESE: Wenn ich deine Sachen angucke, dann<br />

sehe ich kein Design, ich sehe überhaupt keine Formalität.<br />

Ich sehe nur Inhalt, und das ist das Einzige,<br />

was ich in der Kunst interessant finde. Erst danach<br />

kommt die Form. Sie muss sich um den Inhalt bilden,<br />

“<br />

Ich mag auch<br />

nicht viel essen, wenn<br />

ich male. Dann mache<br />

ich mir eine passierte<br />

Suppe und für drei<br />

Tage ein Fläschchen.<br />

Denn es muss schnell<br />

gehen<br />

”– Oda Jaune<br />

116<br />

aber heute wird es genau andersherum gesehen. Deine<br />

Kunst ist im besten Sinne evolutionär. Sie fällt nicht in<br />

eine vergangene Zeit, sondern sie fällt in die Zukunft.<br />

JAUNE: Das ist ein großes Kompliment!<br />

MEESE: Oda, deine Sachen kann man im Übrigen<br />

auch nicht durchdesignen. Das geht gegen die Natur<br />

deiner Arbeit, und das Natürliche spielt ja auch eine<br />

große Rolle in deiner Arbeit. Ich liebe die Natur! <strong>Die</strong><br />

Tiere, die Pflanzen, das Vulkanische …<br />

JAUNE: Natur ist für mich auch, sich nicht zu verstellen<br />

oder sich in der Dunkelheit aufzuhalten. Kinder<br />

sind für mich Natur und alte Menschen auch. Natur<br />

ist der Kern der Sache, und alles andere ist eher<br />

Verschmutzung. Viele haben Angst vor dem Verstreichen<br />

der Zeit, dabei ist der Moment so wichtig. Aber<br />

der Moment macht vielen Leuten Angst, weil man<br />

sich dann fragen muss, wie man den Moment genutzt<br />

hat und welche Entscheidungen man getroffen hat.<br />

Ich finde es auch gut, dass unsere Zeit begrenzt ist auf<br />

Erden, und selbst für diese kurze Zeit nutzen wir<br />

Menschen die Zeit nicht so gut.<br />

MEESE: Ich bin am liebsten in meinem Atelier. Ich<br />

mag nicht mal mehr einfach nur Kaffee trinken gehen,<br />

mit Leuten. Familie ist mir schon noch wichtig,<br />

aber auch nicht alle in meiner Familie. Neulich stand<br />

ich übrigens in Ahrensburg an der Bushaltestelle, da<br />

sagte jemand zu mir: „Ich habe gehört, Sie sind arrogant.<br />

Das hat sich hier rumgesprochen.“ Wirst du eigentlich<br />

oft nach Autogrammen gefragt? Ich empfinde<br />

das nämlich als übergriffig.<br />

JAUNE: Nein. Ich habe auch nie das Gefühl, dass<br />

mich jemand erkennt. Ich fühle mich in Paris total unbeobachtet.<br />

Bei mir ist es aber so, dass ich meine Familie<br />

so sehr liebe. Sie ist sehr groß, und ich liebe jedes<br />

Mitglied sehr, sehr stark. Das Gefühl ist so stark,<br />

und ich habe wahnsinnige Angst, sie zu verlieren. In<br />

diesem einen Punkt wünsche ich mir die Ewigkeit: Ich<br />

kann gehen, und die anderen bleiben da. Dagegen<br />

male ich auch an. Ich fühle mich da wie ein Kind.<br />

Mein Herz ist leider zu groß, aber damit muss ich leben.<br />

Mich interessieren Herzen generell, und auch<br />

Organe male ich oft, weil ich mir vorstelle, dass da die<br />

Seele weilt. Was meinst du, wo die Seele ist?<br />

MEESE: Ich glaube, sie ist außen. Wahrscheinlich<br />

ist sie Kunst.<br />

JAUNE: Ich finde eher, Kunst sind die Spuren, die<br />

die Seele hinterlässt.<br />

MEESE: Was mich noch interessiert: Was kommt<br />

bei dir an Ausstellungen?<br />

JAUNE: Es kommt Berlin! Eine Ausstellung in der<br />

Michael Fuchs Galerie im Oktober. Es gibt dort sehr<br />

große Räume, es ist sehr viel Platz, und ich kann machen,<br />

so viel ich schaffe. Und ich will es natürlich sehr<br />

gut machen. Und ich freue mich jetzt auch schon so<br />

sehr auf Berlin!<br />

MEESE: Wahnsinn. Das wird super werden, wenn<br />

du dich nicht vom Weg abbringen lässt, und das wirst<br />

du nicht, denn das liegt nicht in deiner Natur.<br />

JAUNE: Wirst du kommen?<br />

MEESE: Zur Eröffnung schwierig, es belastet<br />

mich.<br />

JAUNE: Vor der Eröffnung?<br />

MEESE: Mit Sicherheit!<br />

JAUNE: Fein! Dann habe ich dich nur für mich.<br />

Haare OLIVIER DE VRIENDT/ARTLIST<br />

Make-up YACINE DIALLO/ARTLIST


“<br />

<strong>Die</strong> Arbeit mit Seidl ist nie ein<br />

Spaziergang, sondern eine Bergtour.<br />

Aber manchmal macht es eben Sinn,<br />

sich die Bergschuhe anzuziehen<br />

”<br />

liebe<br />

– Maria Hofstätter<br />

Glaube<br />

hoffnunG<br />

Fotos: Ulrich Seidl, Paradies/Paradise: Liebe/Glaube/Hoffnung Love/Faith/Hope, Hatje Cantz<br />

von und mit<br />

Margarethe TIeSel,<br />

Maria HOFSTÄTTeR<br />

& Melanie leNZ<br />

118


120<br />

von links<br />

nach rechts:<br />

trenchcoat<br />

burberry brit<br />

bluse<br />

giorgio ArmAni<br />

gesehen bei<br />

peek & cloppenburg<br />

hose<br />

privat<br />

schuhe<br />

rosA mosA<br />

kleid<br />

sly 010<br />

kette<br />

privat<br />

hemd<br />

giorgio ArmAni<br />

gesehen bei<br />

peek & cloppenburg<br />

hose<br />

stylist’s own<br />

schuhe<br />

rosA mosA<br />

Margarethe MargarEthE tiesel tIESEl<br />

fährt als teresa auf der Suche suche nach<br />

dem Paradies: Liebe nach Kenia.<br />

MarIa Maria hofstätter hofStättEr versucht<br />

als ihre Schwester schwester anna Maria in<br />

Paradies: Glaube, Österreich<br />

zum fundamentalistischen<br />

Katholizismus zu bekehren,<br />

während MElanIE Melanie lenz lEnz<br />

als teresas tochter Melanie<br />

sich in Paradies: Hoffnung im<br />

Diätcamp in den deutlich älteren<br />

arzt verliebt. Der regisseur<br />

ulrIch ulrich SEIDl seiDl hat mit seiner<br />

Paradies-trilogie dem<br />

deutschsprachigen film das<br />

geschenkt, was Der Herr der Ringe<br />

für neuseeland und<br />

Star Wars für amerika ist.<br />

nach den großen Erfolgen erfolgen<br />

bei den filmfestspielen in cannes,<br />

Venedig und Berlin haben<br />

sich die drei hauptdarstellerinnen<br />

in Wien für IntErVIEW<br />

interVieW<br />

zum gespräch getroffen<br />

Ich bin ein Jahr nach dem Dreh noch<br />

mal freiwillig ins Diätcamp gegangen,<br />

weil es mir so Spaß gemacht hat.<br />

Es gab da so gutes Essen …<br />

Porträt<br />

Jork WeismAnn<br />

“<br />

”<br />

– Melanie Lenz<br />

121


MAriA Hofstätter: Wir hatten nur einen gemeinsamen<br />

Drehtag, oder?<br />

MArgAretHe tiesel: Nur einen?<br />

MelAnie lenz: Ja, in dem Haus in Liesing.<br />

Hofstätter: Und da hatte ich den Eindruck, Melanie,<br />

dass du uns ein wenig fürchtest. Kann das sein?<br />

lenz: Nein, nicht gefürchtet, aber ich bin generell<br />

urschüchtern. Und damals war ich erst 13. Inzwischen<br />

hat sich das schon ein bisschen gelegt. Aber mit so<br />

vielen fremden Leuten und der ganzen Crew …<br />

Hofstätter: Du kanntest gar niemanden?<br />

lenz: Genau.<br />

Hofstätter: Das war dein erster Drehtag, oder?<br />

lenz: Nein, den ersten Drehtag hatte ich mit der<br />

Margarethe in der Wohnung.<br />

tiesel: Stimmt, wir haben zusammen Sachen gepackt,<br />

und da habe ich sie total fertiggemacht, weil sie<br />

ihr Zimmer wieder nicht aufgeräumt hat.<br />

lenz: Und dann hast du mir mein Handy weggenommen<br />

und gesagt: „Na, wem schreibst denn da<br />

schon wieder?“<br />

tiesel: Hast du dich da vor mir gefürchtet?<br />

lenz: Nein. Ich war nur schüchtern.<br />

Hofstätter: Du hast ja vorher nie gespielt, oder?<br />

lenz: Nein, nie.<br />

Hofstätter: Und dann gab es nicht einmal ein<br />

Drehbuch mit Dialogen, die man auswendig lernen<br />

kann. Hast du das als Erleichterung empfunden, dass<br />

du alles selber erfinden musstest?<br />

lenz: Ja, ich fühle mich wohler, wenn ich etwas so<br />

sagen darf, wie ich es wirklich sagen würde.<br />

tiesel: Ich find es auch angenehmer, wenn man<br />

seine eigenen Worte verwenden kann.<br />

Hofstätter: Als ich den Film gesehen hab, hatte<br />

ich den Eindruck, dass du dich wirklich mit deinen<br />

Kolleginnen und Kollegen aus dem Diätcamp angefreundet<br />

hast, dass da richtige Freundschaften entstanden<br />

sind. Täuscht mich das?<br />

lenz: Ja, mit der Verena geht der Kontakt bis heute.<br />

Im Camp hatte ich auch kurz einen Freund.<br />

Hofstätter: Du hast dich also wirklich im Camp<br />

verliebt, na bitte!<br />

lenz: Ja, genau.<br />

tiesel: Ich habe mich auch verliebt.<br />

Hofstätter: Du hast dich auch verliebt?<br />

tiesel: Ja, in Afrika, in den Kontinent.<br />

Hofstätter: Na, könnt doch sein, dass du dich in<br />

einen deiner Beachboys verliebt hast.<br />

tiesel: Nein, obwohl, fesch sind sie schon, die gefallen<br />

mir schon gut.<br />

lenz: Wie lang wart ihr da?<br />

tiesel: Fünf Wochen.<br />

Hofstätter: Wie war denn überhaupt deine Beziehung<br />

zu den Beachboys? Gab es da privatere Gespräche?<br />

tiesel: Ja, schon. Und ich bin ja auch so neugierig,<br />

deswegen frag ich immer, wie das Leben für die so ist.<br />

Auch wenn der Ulrich Seidl es nicht gern mag, wenn<br />

man viel quatscht. Das kennst du auch, gell?<br />

lenz: Ja.<br />

tiesel: Aber wenn die erzählen, wie das mit den<br />

Sugarmamas wirklich ist, dann war das schon spannend.<br />

Hofstätter: Aber du hast keinen Kontakt mehr<br />

nach Kenia, oder?<br />

tiesel: Nein, Kontakt habe ich jetzt keinen mehr.<br />

Der Peter (Kazungu) war ja noch mit in Cannes, aber<br />

seitdem …<br />

Hofstätter: Wie war das überhaupt für ihn? Der<br />

Sprung vom Beachboy in Kenia auf den roten Teppich<br />

in Cannes ist ja eigentlich der Wahnsinn.<br />

tiesel: Der Peter fand das schon toll. Aber er hat<br />

sich vor allem gesorgt, dass er in der Zeit, in der er in<br />

Cannes war, nicht arbeiten konnte.<br />

Hofstätter: Echt, daran hat er gedacht? An den<br />

Verdienstausfall als Beachboy, weil er drei Tage in<br />

Cannes ist?<br />

tiesel: Ja, ja. „Dann kann ich ja nicht arbeiten“,<br />

hat er gesagt.<br />

Hofstätter: Aber wann kann er sonst je wieder<br />

in Cannes sein …<br />

tiesel: Der hat halt andere Prioritäten, das war für<br />

ihn nicht so wichtig. Für uns mag das ganz, ganz toll<br />

sein, und wir würden alles dafür tun, aber er hat vor<br />

allem daran gedacht, dass er in der Zeit nichts verdient.<br />

Hofstätter: Interessant.<br />

tiesel: Und du, wie bist du mit deinem Filmmann<br />

“<br />

klargekommen?<br />

Hofstätter: Sehr gut.<br />

tiesel: Ja? Ich meine, der wirkt schon sehr wütend,<br />

vor dem fürchte ich mich ein bisschen.<br />

Hofstätter: Vor dem Nabil?!<br />

tiesel: Ja, der wirkt so, dass ich mir denke: „Ui, da<br />

hast du einen harten Job gehabt.“<br />

In Kenia fühlt<br />

man sich ja plötzlich<br />

zehn Jahre jünger, weil<br />

man als Frau wieder<br />

einen Marktwert hat.<br />

Aber was das jetzt<br />

für mich heißt? Na, ich<br />

bin ja eh glücklich<br />

verheiratet<br />

”<br />

– Margarethe Tiesel<br />

Hofstätter: Das finde ich überhaupt nicht. Es<br />

hat ja überhaupt irrsinnig lange gedauert, bis wir meinen<br />

Filmmann gefunden haben. Er sollte circa 50 Jahre<br />

alt sein und muslimischen Glaubens und natürlich<br />

bereit, die Rolle zu spielen.<br />

tiesel: Musstest du viele Castings mit deinen potenziellen<br />

Filmmännern machen?<br />

Hofstätter: Sehr viele. Dem Ulrich war es ja<br />

wichtig, dass wir zwei miteinander funktionieren.<br />

Es musste bei allen unseren Streitereien ja so wirken,<br />

dass wir wirklich verheiratet sind und uns lange<br />

kennen. Deswegen die vielen Castings. Zum Schluss<br />

standen zwei zur Auswahl. Der eine war ein Schauspieler<br />

aus Berlin, und der andere war Nabil. Beide<br />

waren sehr gut. Ich meine, der Ulrich entscheidet am<br />

Ende sowieso, wen er nimmt. Aber er hat mich auch<br />

gefragt, bei wem ich ein besseres Gefühl habe. Und<br />

tatsächlich hätte ich mich auch für Nabil entschieden,<br />

obwohl ich mir zunächst gedacht hatte, dass es mit<br />

ihm vielleicht komplizierter ist. Aber der Berliner hat<br />

eben auch berlinert, und das hätte dann einfach nicht<br />

gestimmt. Das wäre unglaubwürdig gewesen.<br />

122<br />

tiesel: Bei den Beachboys war das so, dass die alle<br />

ziemlich gut Deutsch sprechen konnten, weil sie dort<br />

unten ja oft beruflich Deutsch sprechen müssen. Das<br />

mussten sie für den Film dann wieder vergessen.<br />

lenz: Echt?<br />

tiesel: Ja. Bei mir lagen übrigens insgesamt vier<br />

Jahre zwischen dem ersten Casting und dem Zeitpunkt,<br />

wo ich wusste, okay, ich mach das jetzt.<br />

Hofstätter: Das ist lang. Andererseits macht es<br />

bei der Arbeitsweise von Ulrich Seidl wirklich Sinn,<br />

dass er sich viel Zeit nimmt und es zwischen den<br />

Beteiligten am Ende ein Vertrauensverhältnis gibt.<br />

Wenn es dann schließlich an die Arbeit geht, kann<br />

man konzentriert loslegen und muss keine Grundsatzdiskussionen<br />

mehr führen.<br />

lenz: Bei mir hat es ja nicht so lange gedauert.<br />

Aber das Lustige ist, dass ich 2009 privat in einem<br />

Diät camp gewesen bin und damals die Eva da war,<br />

also die Casterin vom Ulrich Seidl.<br />

Hofstätter: Ehrlich?<br />

lenz: Ja, und die hat uns damals interviewt: Wie<br />

heißt ihr? Woher kommt ihr? Und ein Jahr später bin<br />

ich dann zu dem Casting gegangen und dachte: „Hey,<br />

die kenne ich ja von irgendwoher! <strong>Die</strong> stellt ja die<br />

gleichen Fragen!“<br />

tiesel: Lustig.<br />

lenz: Aber ich hätte nie im Leben gedacht, dass<br />

mich der Ulrich für die Rolle nimmt, nie. Ich bin<br />

einfach nur mit zwei Freundinnen zum Casting gegangen<br />

und dachte mir: „Na ja, das wird schon Spaß<br />

machen.“ Und dann hat es auf einmal geheißen: „Du<br />

spielst die Hauptrolle!“ Da hab ich natürlich auf dem<br />

Boden gelegen vor Freude. Denn ich habe mir schon<br />

immer, schon immer gewünscht, vor der Kamera zu<br />

stehen, schon von klein auf.<br />

Hofstätter: Und hast du Blut geleckt? Möchtest<br />

du jetzt weitermachen?<br />

lenz: Wenn sich die Möglichkeit ergibt, auf jeden<br />

Fall. So vor der Kamera zu sein, darauf stehe ich.<br />

Hofstätter: Mir geht es so, dass ich bei den Filmen<br />

mit Ulrich Seidl immer auch ganz viel über mich<br />

selber lerne, weil man so viel aus sich selber schöpfen<br />

muss und ganz intensiv mit einem Thema konfrontiert<br />

wird. Wie ist es bei euch?<br />

tiesel: Was mich fasziniert, ist seine Bedingungslosigkeit,<br />

zu den Dingen zu stehen. Wenn das Ergebnis<br />

nicht jedem gefällt, dann ist es eben so. Man muss<br />

nicht immer everybody’s darling sein. Ich denke, dass ich<br />

diese Einstellung aus dem Dreh mitgenommen habe:<br />

Ich mach das jetzt, und dazu stehe ich auch. Und wenn<br />

jemand sagt: „Das ist nicht meins“, dann sag ich: „Ist<br />

egal. Scheiß drauf, scheiß der Hund drauf!“<br />

Hofstätter: Aber das Thema von Paradies: Liebe,<br />

die Situation mit den Beachboys, hat die bei dir persönlich<br />

etwas ausgelöst? Hast du da plötzlich über dein<br />

Alter nachgedacht, deine Bedürfnisse?<br />

tiesel: Nun, ich habe mich ja nicht so sehr auf das<br />

Thema vorbereiten können, weil die Nichtvorbereitung<br />

quasi meine Vorbereitung war.<br />

Hofstätter: Und hinterher?<br />

tiesel: Hinterher kommt man schon ins Nachdenken.<br />

In Kenia am Strand fühlt man sich ja plötzlich<br />

zehn Jahre jünger, weil man als Frau wieder einen<br />

Marktwert hat. Aber was das jetzt für mich persönlich<br />

heißt …? Na, ich bin ja eh glücklich verheiratet, in der<br />

Hinsicht habe ich da nicht so viel überlegt.<br />

Hofstätter: Als ich zum Beispiel in Hundstage<br />

diese leicht Behinderte gespielt habe, da ging es mir<br />

so, dass ich immer dachte: „Wie wäre es eigentlich<br />

für mich, wenn ich ein Handicap hätte?“ Weil ich gemerkt<br />

habe, dass die Leute plötzlich ganz anders auf<br />

Fotos: Ulrich Seidl, Paradies/Paradise: Liebe/Glaube/Hoffnung Love/Faith/Hope, Hatje Cantz<br />

Paradies: Glaube Paradies: liebe Paradies: HoffnunG<br />

mich reagieren. Und jetzt bei Paradies: Glaube waren<br />

es Fragen wie: Wie stehe ich zu Religion? Was löst sie<br />

für Gefühle bei mir aus? Unabhängig davon, dass ich<br />

in dem Film nur eine Rolle spiele. Wie ist es bei dir,<br />

Melanie?<br />

Lenz: Ich hatte ja bereits Erfahrungen mit Diätcamps<br />

gemacht. Mir hat es dort super gefallen. <strong>Die</strong><br />

Situation im Film ist ja wirklich sehr übertrieben.<br />

TieseL: Ist es nicht so wie im Film?<br />

Lenz: Nein, niemals! Da muss man nicht im Kreis<br />

laufen wie die Lipizzaner.<br />

TieseL/HofsTäTTer: Haha.<br />

Lenz: Ich bin ja sogar ein Jahr nach dem Dreh<br />

noch mal freiwillig ins Diätcamp gegangen, weil es<br />

mir so Spaß gemacht hat. Es gab da so gutes Essen …<br />

TieseL: Toll. Im Diätcamp gibt es das beste Essen.<br />

Fahren wir doch alle in ein Diätcamp!<br />

Lenz: Und ich habe dort tatsächlich sieben Kilo<br />

abgenommen. Und das Essen war super, und die Leute<br />

waren auch extrem angenehm …<br />

TieseL: <strong>Die</strong> Betreuer?<br />

Lenz: Nein, die anderen Kinder. Mit denen habe<br />

ich mich richtig angefreundet. Wir hatten uns sogar<br />

verabredet, noch einmal nach Kärnten zu fahren.<br />

HofsTäTTer: So ganz ohne Zwang.<br />

Lenz: Na ja, als ich das erste Mal dort war, war<br />

schon Zwang dabei, weil ich ja nicht wusste, was auf<br />

mich zukommt. Aber dann …<br />

HofsTäTTer: Aber wie ist es dir beim Spielen ergangen?<br />

Ist es dir schwergefallen, dir vorzustellen,<br />

dass du dich in diesen viel älteren Mann verliebt hast?<br />

Lenz: Man hört öfter Geschichten, dass sich<br />

Schüler in ihre Lehrer verlieben, aber …<br />

HofsTäTTer: Das kannst du dir nicht vorstellen?<br />

Lenz: Nein!<br />

TieseL: Aber das gibt’s.<br />

Lenz: Ja, geben tut’s das. Aber nicht für mich.<br />

TieseL: War dir was peinlich beim Drehen?<br />

Lenz: Ja, am Anfang hatte ich extreme Angst. Zum<br />

Beispiel die erste Szene beim Arzt im Arztzimmer,<br />

als ich mich ausziehen musste. Und der Ulrich hatte<br />

vorher zu mir gesagt: „Wenn du dich nicht ausziehen<br />

willst, dann zeig das ruhig.“ In der Szene meinte dann<br />

der Joseph Lorenz, der den Arzt spielt, zu mir: „Zieh<br />

dich aus!“ Und ich dann so: „Nein, das will ich nicht.<br />

Können Sie mich nicht so abhören?“ Er dann: „Nein,<br />

zieh dich aus!“ Und ich so: „Nein!“ Und er dann:<br />

„ZIEH DICH JETZT AUS!“ Alle, die nicht mit in<br />

dem Arztzimmer waren, haben das draußen gehört.<br />

Mein Herz hat gepumpt wie verrückt.<br />

TieseL: Ich hätte angefangen zu heulen.<br />

Lenz: Ja, ich hatte auch schon Wasser in den Augen.<br />

Ich dachte nur: „Was ist denn jetzt los?“<br />

HofsTäTTer: Du wusstest nicht, wie du damit<br />

umgehen solltest?<br />

Lenz: Genau. Ich habe mich dann ausgezogen,<br />

aber das war mir schon ein bisschen peinlich. Am Anfang<br />

habe ich ihm auch gar nicht richtig in die Augen<br />

schauen können, weil ich ihn ja gar nicht kannte.<br />

Meistens war ich am Set mit den anderen Kindern<br />

zusammen.<br />

HofsTäTTer: Aber mit den erwachsenen Schauspielern<br />

war es schwieriger?<br />

Lenz: Ja, mit denen war es mir unangenehmer.<br />

Aber mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt. Da<br />

war es für mich dann auch kein Problem mehr, im BH<br />

oder im Bikini herumzurennen.<br />

HofsTäTTer: Du hast dich letzten Endes auch gut<br />

mit Joseph Lorenz verstanden.<br />

Lenz: Ja, ja. Der ist ein extrem netter Mann.<br />

TieseL: Und war dir was peinlich, Maria? <strong>Die</strong>se<br />

Szene, wie du nachts diese Leute triffst, die in der Öffentlichkeit<br />

Sex haben, die fand ich schon hart.<br />

HofsTäTTer: Nein, die war eher … interessant.<br />

TieseL: Rudelbumsen im Park.<br />

Lenz: Haha.<br />

HofsTäTTer: Das ganze Team war erst ganz neugierig<br />

auf die Szene, und dann, als sie endlich vorbei<br />

war, waren alle nur noch erleichtert. Es war so dermaßen<br />

unerotisch, so ernüchternd, das die ganze Zeit<br />

mitansehen zu müssen. Und die Leute waren so exhibitionistisch,<br />

es gab kein Halten.<br />

TieseL: Echt?<br />

HofsTäTTer: Ja, denn sie hätten nicht ununterbrochen<br />

müssen. Aber sie haben nicht aufgehört, die<br />

ganze Nacht nicht. <strong>Die</strong> haben sogar nackt ihr Honorar<br />

in Empfang genommen.<br />

TieseL: Und dann heißt es immer, dass der Ulrich<br />

die Leute zu Sachen zwingen würde.<br />

HofsTäTTer: Also, gerade in diesem Fall kann ich<br />

sagen: mitnichten! <strong>Die</strong> haben auch sofort angefangen,<br />

schon bei der Stellprobe.<br />

Lenz: Hahaha.<br />

HofsTäTTer: Ich habe so was noch nie erlebt.<br />

<strong>Die</strong> Crew hat es eher traurig gestimmt. Der Kameraassistent<br />

meinte hinterher, er könne drei Monate lang<br />

keinen Sex mehr mit seiner Freundin haben.<br />

TieseL: Haha.<br />

HofsTäTTer: Wer nicht am Set sein musste, hat<br />

sich schleunigst aus dem Staub gemacht, um es nicht<br />

mitansehen zu müssen. Aber um auf deine Frage zurückzukommen:<br />

Peinlich war mir das jetzt nicht. War<br />

mir überhaupt etwas peinlich? Eigentlich nicht.<br />

TieseL: Nein?<br />

HofsTäTTer: Nein. Ich hatte halt Schwierigkeiten<br />

mit dem Missionieren, also bei Leuten an der Tür<br />

zu läuten und ihnen die Wandermuttergottes in die<br />

Wohnung zu tragen und mit ihnen zu beten.<br />

TieseL: Da waren ja auch viele Leute dabei, die du<br />

gar nicht gekannt hast, gell?<br />

HofsTäTTer: Ja, im Vorfeld, bei den Proben, sind<br />

wir ja tatsächlich von Tür zu Tür gegangen.<br />

TieseL: <strong>Die</strong> haben dich bestimmt oft nicht reingelassen.<br />

123<br />

HofsTäTTer: Ja, oft nicht. Also, das hat mich<br />

wirklich gestresst.<br />

TieseL: Ich fand ja die Szene mit meinem ersten<br />

Liebhaber wirklich hart. Also, jetzt nicht peinlich,<br />

aber das war irgendwie …<br />

Lenz: Das war der, den du nicht rangelassen hast?<br />

TieseL: Ja.<br />

HofsTäTTer: Du hast auch wirklich sehr mutig<br />

agieren müssen …<br />

TieseL: Und der Ulrich Seidl hatte ja vorher zu<br />

mir gesagt: „Frau Tiesel, es passiert nichts, was Sie<br />

nicht wollen.“ Und in der Szene musste ich dann sagen:<br />

„Es geht nicht.“ Und dann geht es auch nicht.<br />

HofsTäTTer: Das erlaubt einem der Ulrich Seidl<br />

ja auch. Und wenn du, Melanie, dich in der Szene<br />

beim Arzt nicht hättest ausziehen wollen, dann wäre<br />

das auch gegangen.<br />

TieseL: Aber du hast schon einen BH angehabt?<br />

Lenz: Ja, klar.<br />

HofsTäTTer: Wie weit man zu gehen bereit ist,<br />

bestimmt man schon selbst.<br />

TieseL: Manchmal wundere ich mich schon, dass<br />

ich so weit gegangen bin.<br />

HofsTäTTer: Aber bereust du irgendetwas?<br />

TieseL: Nein, ich würde es noch mal tun. Und du?<br />

HofsTäTTer: Immer wieder.<br />

TieseL: Du bereust immer wieder?<br />

HofsTäTTer: Nein, ich würde immer wieder mit<br />

dem Ulrich Seidl arbeiten. Ich verlasse mich da ganz<br />

auf seine künstlerische Qualität.<br />

TieseL: Aber hart ist die Arbeit mit ihm schon,<br />

oder? Wenn man jetzt mal ganz ehrlich ist. Dass der<br />

einen nie lobt, das hat mich echt fertig gemacht.<br />

HofsTäTTer: Na ja, ich arbeite ja schon länger mit<br />

ihm, und ich weiß, was bei ihm ein Lob bedeutet.<br />

TieseL: Du kennst den Code?<br />

HofsTäTTer: Ja. Ich kenne ihn halt besser, und du<br />

kennst ihn ja mittlerweile auch besser und kannst seine<br />

Reaktionen deuten und weißt, wann etwas gut oder<br />

nicht so gut war.<br />

TieseL: Wahrscheinlich. Hat er dich gelobt, Melanie?<br />

Lenz: Ja, schon.<br />

HofsTäTTer: Ich glaube, es macht am meisten<br />

Sinn, wenn man sich einfach auf das System Seidl einlässt.<br />

Aber man ist es als professioneller Schauspieler<br />

einfach nicht gewöhnt, ohne Drehbuch zu arbeiten.<br />

Es ist so, als würde man in einem luftleeren Raum<br />

spielen. Ich sag immer, dass die Arbeit mit Seidl nie<br />

ein Spaziergang ist, sondern immer eine Bergtour.<br />

Aber manchmal macht es eben Sinn, sich die Bergschuhe<br />

anzuziehen.<br />

Paradies: HoffnunG sTArTeT<br />

AM 16. MAi. Paradies: liebe und<br />

Paradies: Glaube sind bereiTs AnGeLAufen<br />

dAs bucH zu den fiLMen<br />

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Produktion sAskiA nAdi


ViVienne<br />

WestWooD<br />

WestWood<br />

von<br />

Tim Blanks<br />

never Never Mind the Fashion – Here’s Dame Vivienne!<br />

Im Mai ehrt das Metropolitan Museum in new New York die<br />

Queen Mum of Punk – im Gespräch erzählt sie, warum<br />

die sex Sex Pistols scheitern mussten und sie nie mit Maggie<br />

Thatcher verglichen werden will<br />

124<br />

fotos<br />

CrAig McDeAn<br />

styling<br />

VAnessA reiD<br />

top<br />

one of A kind,<br />

london<br />

tanktop, hose, ohrringe & kette<br />

ViVienne WestWood


V “ die mich immer begleitet, durch all die verschiedenen<br />

Leben, die ich gelebt habt – denn jeder verändert<br />

sich. Gleichzeitig ändern sich auch ständig die Anforderungen,<br />

die das Leben stellt. Beispielsweise hät-<br />

Ich bin mir<br />

te in den Fünfzigern niemand an den Klimawandel nicht sicher,<br />

gedacht. Wenn der Fokus sich verschiebt, folgt der<br />

Mensch dementsprechend.<br />

was ich zurzeit<br />

Blanks: Kommt Weisheit mit dem Alter?<br />

WestWood: Das tut sie, ja. Man kann seine<br />

Meinung natürlich ständig radikal überdenken –<br />

aber je älter man wird, desto weniger ändert man<br />

sie, denn die Art, wie man Dinge betrachtet,<br />

wird eben viel solider. Solide auf eine gute Art.<br />

Blanks: Kann es sein, dass man mit dem<br />

Alter freier wird? Vor allem als Frau? Eine<br />

ältere Dame hat mir mal erzählt, dass die Zeit<br />

einen von den weltlichen Dingen befreit, die<br />

”<br />

einen in jüngeren Jahren knechten.<br />

WestWood: Da könntest du recht haben.<br />

<strong>Die</strong> typische Frauenrolle habe ich früher<br />

ViVienne WestWood: Hi, Tim.<br />

tim Blanks: Hallo, Vivienne. Im Mai ehrt dich wahrscheinlich mehr erfüllt. <strong>Die</strong> Leute reden<br />

das New Yorker Metropolitan Museum mit einer immer von der Midlife-Crisis, ich hatte meine<br />

mit 30. Anschließend habe ich keine Ge-<br />

Ausstellung namens Punk. Für mich hat das ja alles<br />

schon 39 Jahre vorher angefangen. 1974 war ich ständig<br />

in deinem Fetisch-Fashion-Laden Sex, nur um Sex objekt mehr war.<br />

danken daran verschwendet, weil ich kein<br />

dich anzustarren. Ich war wie ein verrückter Teenie- Blanks: Warst du es denn vorher?<br />

Stalker.<br />

WestWood: Oh ja. Ich habe sehr viel<br />

WestWood: Haha.<br />

Aufmerksamkeit bekommen (lacht). Schließlich<br />

sah ich fantastisch aus. Aber ich erinnere<br />

Blanks: Ich war hypnotisiert. Als du weiße Haare<br />

hattest, hast du ausgesehen wie so ein unglaublicher<br />

Hybrid. So sahen eigentlich alle Frauen aus, die einem Film sah und dachte: „Oh, so gut wie<br />

mich noch, wie ich damals Brigitte Bardot in<br />

bei Sex und Seditionaries gearbeitet haben: Jordan, sie werde ich wohl nie aussehen!“<br />

Tracie, Debbie …<br />

Blanks: Ich habe es immer bewundert,<br />

WestWood: Und Andy Warhol hat mich immer wie du Ästhetik als Waffe einsetzt, zuletzt bei<br />

mit Jordan verwechselt. Wenn wir uns getroffen haben,<br />

hat er Jordan erwartet (lacht). Und dann war er gemacht hast. Sie haben mich sehr an die<br />

den Nacktporträts, die du mit Juergen Teller<br />

immer fürchterlich enttäuscht. Nun, nicht immer, Venus vor dem Spiegel von Velázquez erinnert.<br />

aber zwei Mal.<br />

WestWood: Aber sie dreht uns doch<br />

Blanks: War dir eigentlich bewusst, dass du zu den Rücken zu – einen wundervollen Rücken<br />

einer Art Vorkämpferin werden würdest?<br />

mit wunderschönen blassen Schenkeln.<br />

WestWood: Nein, aber ich war damals sehr aggressiv,<br />

was Punk anging. Es war dieses „Entweder der Künstler sein Objekt sowohl nackt als<br />

Blanks: Wie heißt noch das Bild, in dem<br />

ihr seid gegen oder für uns“-Ding. Ich dachte ständig:<br />

„<strong>Die</strong> Welt ist so fürchterlich, und jeder, der nicht WestWood: Das war Goya! Du hast<br />

auch angezogen gemalt hat?<br />

dagegen kämpft, ist doch wahrscheinlich … ich weiß recht, ich habe wohl tatsächlich an diese<br />

auch nicht … bitter.“<br />

Nacktmalereien gedacht. Ich trug nämlich<br />

Blanks: Wenn ich an deine ersten Schauen in den meine Haare offen, und das tue ich nicht häufig.<br />

Achtzigern in Paris denke, dann waren die so betont Dafür fühle ich mich meistens zu alt. Es sieht<br />

hochkulturell, dass ich mich damals gefragt habe, ob doch albern aus bei Frauen in meinem Alter, langes<br />

Haar zu haben. Gut, dass ich es rot färbe.<br />

du den Sound der Sex Pistols jemals wirklich mochtest,<br />

diese elektrischen Gitarren, diesen Lärm. Wenn es weiß wäre, würde ich wie eine Hexe aussehen!<br />

Na ja, Juergen war jedenfalls sehr glücklich<br />

WestWood: Doch! Doch! Ich habe Steve Jones<br />

immer mit Charlie Parker verglichen. Dabei haben mit dem Resultat.<br />

die beiden ganz unterschiedliche Instrumente gespielt,<br />

oder? Aber Steve war ein brillanter Gitarrist. Idee?<br />

Blanks: War das Ganze deine oder Juergens<br />

Und was auch immer ich davon halte, dass Johnny WestWood: Ich hätte nicht einmal im Traum<br />

Rotten so lange versucht hat, Johnny Rotten zu daran gedacht. Aber ich vertraue ihm. Wenn er sagt:<br />

sein … zu der Zeit fand ich ihn toll.<br />

„Ich will dich nackt fotografieren“, dann kommt mir<br />

Blanks: Er ist aber eine gute Lektion dafür, inwiefern<br />

eine Rolle auch eine Rüstung werden kann ich gar kein Nacktfoto von mir, und was soll das alles<br />

gar nicht der Gedanke, zu sagen: „Hm, vielleicht will<br />

und dass man ein wunderbar glückliches Leben hinter<br />

dieser Maske führen kann. Ist das auch bei dir der los!“ (lacht)<br />

überhaupt?“ Ich denke dann einfach: „Okay, klar, leg<br />

Fall?<br />

Blanks: Bist du eitel?<br />

WestWood: Das ist mir wirklich egal. Vor nicht WestWood: (pausiert) Vielleicht … Aber ich<br />

allzu langer Zeit hätte ich das vielleicht nicht zugegeben,<br />

weil sich das immer so scheinheilig anhört. Ich Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, mich<br />

sehe mich nicht in Konkurrenz zu anderen Frauen.<br />

denke, es ist sehr vernünftig und gescheit, alles daranzusetzen,<br />

die Welt ein bisschen besser zu machen. alt ich bin – und vergesse es sofort wieder. Ich finde,<br />

schminke, dann denke ich vielleicht kurz daran, wie<br />

Ich möchte die Dinge verstehen, das ist alles, was dass ich noch nie so gut aussah wie heute. Deswegen<br />

mich interessiert. Das bin einfach ich. Cogito, ergo denke ich auch für den Rest des Tages nie mehr über<br />

sum – ich denke, also bin ich. Das ist die Kontinuität, Make-up nach.<br />

126<br />

über die Mode<br />

denke. Vor einigen<br />

Jahren hätte<br />

ich gesagt, dass<br />

sie sehr, sehr<br />

schlecht ist<br />

– Vivienne Westwood<br />

kleidung & accessoires<br />

vivienne westwood


1<br />

3<br />

2<br />

1 LET IT ROCK: VIVIENNE UND FREUNDE VOR IHREM LADEN,<br />

LONDON, 1971 2 SEX SELLS: CHRISSIE HYNDE, JORDAN UND<br />

WESTWOOD, DIE GIRLS AUS DEM SEX-SHOP, UND ALAN JONES,<br />

KING’S ROAD, LONDON, 1976 3 MADAME WESTWOOD IN<br />

EINEM DIAPHANEN GUMMI-ANZUG, 1975 (Foto WILLIAM<br />

ENGLISH) 4 THE REAL SEX PISTOLS: NAMENTLICH UNBEKANNTE<br />

FRAU, ALAN JONES, CHRISSIE HYNDE, WESTWOOD UND<br />

JORDAN 5 ANARCHY IN THE U.K.: VIVIENNE WESTWOOD UND<br />

NAOMI CAMPBELL BACKSTAGE NACH EINER SHOW, 1993<br />

6 WIR WAREN SCHLIESSLICH ALLE MAL JUNG, AUCH DAME<br />

VIVIENNE, LONDON, IN DEN SIEBZIGERN 7 AUF DEN PUNK GE-<br />

BRACHT: WESTWOOD UND DER GROSSE TRICKSER MALCOLM<br />

McLAREN 8 HAM’SE MAL NE MARK? PRINCESS DIANA UND DIE<br />

QUEEN MUM OF PUNK, ROYAL OPERA HOUSE, LONDON, 1991<br />

9 JORDAN, DIE DAME, MIT DER ANDY WARHOL VIVIENNE<br />

WESTWOOD GERNE VERWECHSELTE, VOR DER TÜR DES LADENS<br />

SEX, 1976 10 PUNKS UNTER SICH: VIVIENNE WESTWOOD UND<br />

MARGARET THATCHER<br />

Fotos: 2. action press; 3. William English, Courtesy of Maggs Bros.; 4.action press; 5. dpa Picture-Alliance / AAD; 6. Norma Moriceau; 7. Richard Young/Rex Features; 8. Rex Features; 9. Sheila Rock/Rex Features; 10. Richard Young/Rex Features<br />

6<br />

8<br />

7<br />

128<br />

4 5<br />

129<br />

9 10


kleidung & accessoires<br />

vivienne westwood<br />

Blanks: Ich habe nie ganz verstanden, ob du<br />

nun gegen Nostalgie warst oder sie umarmt hast.<br />

WestWood: Ich denke, dass meine Mode immer<br />

bedingt ist von der Zeit, in der ich lebe. Es ist<br />

alles sehr eklektisch, vielschichtig. In den Siebzigern,<br />

als Malcolm und ich den Let-It-Rock-Shop<br />

eröffneten, hatte er von Hippies die Nase voll und<br />

hat sich mit dem Rock ’n’ Roll der Fünfziger beschäftigt.<br />

Wir wollten Rebellen sein, und wir dachten,<br />

das wäre irgendwie rebellisch. Aber gleichzeitig war<br />

es der Beginn des Zeitalters der Nostalgie. Und heute,<br />

das ist ja allgemein bekannt, hat es alles schon<br />

einmal gegeben, und es gibt wirklich nichts mehr,<br />

was man noch erfinden könnte. Also ist es sehr eklektisch<br />

geworden.<br />

Blanks: Dein Eklektizismus war so radikal einflussreich<br />

…<br />

WestWood: Oh, ich hatte einen unglaublichen<br />

Einfluss, allerdings bin ich mir nicht sicher, was ich<br />

zurzeit über die Mode denke. Vor einigen Jahren hätte<br />

ich gesagt, dass sie sehr, sehr schlecht ist und dass<br />

man kaum mal jemanden trifft, der gut aussieht. Andererseits<br />

gibt es einige sehr gute Designer da draußen.<br />

Aber ich folge nicht alldem, was all die anderen<br />

gerade tun. Ich schaue mir nicht einmal die ganzen<br />

Modehefte an. Außer es steht etwas über mich darin<br />

und jemand sagt mir: „Schau dir das mal an.“<br />

Blanks: Ich dachte immer, du und Rei Kawakubo<br />

hättet so etwas wie ein verwandtschaftliches Verhältnis?<br />

WestWood: Sie ist eine großartige Designerin.<br />

Das ist das Erste, was man über sie sagen kann. Sie<br />

ist manchmal extrem. Bei ihr kann es einen großen,<br />

wattierten Hüftknochen geben oder einen Buckel<br />

oder so etwas.<br />

Blanks: Aber ihr habt beide mit eurem nicht<br />

vorhandenen Sinn für Grenzen die Silhouette der<br />

Mode umgestaltet und neu geformt.<br />

WestWood: Ich weiß nicht, habe ich die Silhouette<br />

verändert? Seit ich mit Andreas arbeite, gab<br />

es eine Entwicklung von der großen Schulter zur<br />

kleinen Schulter. Er hat in den letzten 20 Jahren<br />

genauso viel designt wie ich. Ich weiß nicht, ob die<br />

Leute das wissen, aber er ist wirklich für vieles verantwortlich.<br />

Tatsächlich verhalte ich mich meist<br />

wie seine Assistentin. Er ist der Boss. Er kümmert<br />

sich sehr um alles. Es tut ihm weh, wenn etwas<br />

nicht gut genäht ist.<br />

Blanks: Eine Ausstellung wie Punk verlangt<br />

nach einem Blick in die eigene Vergangenheit.<br />

Wirst du leicht melancholisch?<br />

WestWood: Nein. Ich bin heute so viel<br />

glücklicher als noch vor ein paar Jahren.<br />

Blanks: Du wurdest als Dame Commander<br />

of the Order of the British Empire ausgezeichnet<br />

und bist nun Teil einer Gesellschaft, die du<br />

früher lautstark verachtet und bekämpft hast.<br />

WestWood: Ich weiß, ich bin sehr beliebt, das<br />

ist mir schon klar. Und am Ende von Punk wurde<br />

mir auch klar, dass Punk eigentlich nur ein Marketingtool<br />

war. Aber es war auch Marketingtool für die<br />

Idee einer freien Gesellschaft: „Weil wir Rebellen<br />

haben, sind wir ganz offensichtlich frei.“ Aber ich<br />

dachte mir: „Nein, das reicht nicht. Wir müssen viel<br />

weiter gehen, Ideen sind das, was zählt!“ Vergiss das<br />

Establishment. Ich attackiere das Establishment nicht.<br />

Ich meine, politisch gesehen tue ich das natürlich<br />

immer noch, aber ich bin nicht daran interessiert, gegen<br />

irgendetwas zu sein. Ich bin interessiert daran,<br />

Dinge zu entdecken … Aber wurde ich wirklich vereinnahmt?<br />

“<br />

<strong>Die</strong> Leute<br />

reden immer von<br />

der Midlife-Crisis,<br />

ich hatte meine mit<br />

30. Anschließend<br />

habe ich keine Gedanken<br />

daran verschwendet,<br />

weil ich kein<br />

Sexobjekt mehr war<br />

”– Vivienne Westwood<br />

131<br />

Blanks: Nein, ich sage, dass du das genau nicht<br />

wurdest. Ich finde, dass du diese sehr traditionelle<br />

Ehre bekommen hast, ohne Kompromisse einzugehen<br />

und ohne dich vereinnahmen zu lassen. Das ist<br />

eine höchst kuriose Errungenschaft.<br />

WestWood: Ja, das könnte man so sagen.<br />

Blanks: Ich stelle mir vor, wie du darüber kicherst,<br />

Dame Vivienne Westwood zu sein.<br />

WestWood: Nein, das kommt mir eigentlich nie<br />

in den Kopf. Ich denke nie: „Oh, wie komisch, ich bin<br />

eine Dame.“ Und ich will auch nicht mit solchen<br />

Leuten wie Thatcher in einen Topf geworfen werden.<br />

Blanks: Aber dieser Titel hat dich zu einem<br />

Symbol gemacht – ich meine, der Weg von Let It<br />

Rock bis zur Ausstellung in New York …<br />

WestWood: Ich denke manchmal, dass es nett<br />

wäre, ein normales Leben zu haben, Bücher zu lesen,<br />

sich mit Freunden zu treffen, denn dafür habe ich<br />

einfach keine Zeit. Und ich realisiere, dass – falls ich<br />

einfach in Nordengland geblieben wäre, wenn meine<br />

Eltern nicht in den Süden gezogen wären – ich vielleicht<br />

heute einfach Lehrerin wäre.<br />

Blanks: Wer ist der wichtigste Mensch in deinem<br />

Leben?<br />

WestWood: Da muss ich meinen Freund Gary<br />

(Ness, Redakteur und Künstler) nennen. Er hat mich<br />

dazu gebracht, mir die Dinge richtig anzuschauen.<br />

Großartige Dinge, nicht einfach das, was gerade angesagt<br />

war. Natürlich hat mich auch Malcolm beeinflusst,<br />

aber ihm ging es immer um das, was gerade<br />

geschah und angesagt war. Zu der Zeit hat mir das<br />

gefallen. Ich mochte nicht die traditionelle hohe<br />

Kunst, denn ich bin als Protestantin auf dem Land<br />

aufgewachsen. Als ich in die National Gallery ging,<br />

bin ich erschrocken rausgerannt, weil es mich an eine<br />

katholische Kirche erinnert hat, und dorthin wollte<br />

ich nie wieder zurück. Aber irgendwann wurde ich<br />

intellektuell müde von ihm, denn Malcolm brachte<br />

nichts voran; er wollte nur oberflächlichen Erfolg. Er<br />

wollte nie in die Tiefe gehen. Also fand ich ihn nicht<br />

mehr interessant. <strong>Die</strong> Leute haben so viel Erfahrung<br />

und so viele schlaue Dinge, die sie wissen, aber wenn<br />

sie nicht weiter versuchen, Neues herauszufinden, und<br />

stattdessen immer nur die alten Dinge aufgreifen …<br />

Man muss immer weitergehen, und er tat das nie.<br />

Blanks: Eine letzte Sache noch: Wie stellst du<br />

dir dein Vermächtnis vor?<br />

WestWood: Ich hoffe, noch lange genug zu<br />

leben, um zu sehen, dass die Leute sich wirklich mit<br />

dem Klimawandel beschäftigen. Denn wenn sie<br />

das tun, dann werden sie es auch schaffen, ihn zu<br />

stoppen.<br />

Blanks: Das bedeutet dir mehr als dein Vermächtnis<br />

in der Welt der Mode?<br />

WestWood: Ja, denn dieses Vermächtnis bedeutet<br />

mir gar nichts. Ich habe keine Erwartungen.<br />

Ich erwarte nichts von niemandem. Ich möchte kein<br />

Monument sein, welcher Art auch immer. Ich möchte<br />

einfach nur verschwinden. Definitiv, definitiv,<br />

definitiv.<br />

Punk: Chaos to Couture<br />

ist voM 9. Mai Bis 14. aUgUst iM<br />

MetroPolitan MUseUM oF art zU seHen<br />

Photographer Craig Mcdean/<br />

art + CoMMerCe<br />

Production nortH6<br />

Photo assistants siMon roBerts,<br />

HUan ngUYen<br />

digital technician CHristian Ferretti<br />

special thanks sPring stUdios


Guy<br />

Bourdin<br />

Es gibt Menschen, die Außergewöhnliches erschaffen und<br />

gewöhnlich daherkommen, und Menschen, die Gewöhn liches<br />

abliefern und außergewöhnlich auftreten. Im besten (leider<br />

auch seltensten) Fall geht beides einher, Wirkung und Werk,<br />

Exzentrik und Erscheinung. Wie im Fall des französischen<br />

Modefotografen Guy BourdIN, der mit seinen ikonischen<br />

Bildern nicht nur das Goldene Zeitalter der französischen<br />

Vogue anblitzte, sondern auch sich selbst einen einigermaßen<br />

auffälligen Auf(t)ritt leistete. Wie an jenem Nachmittag,<br />

als er auf einem Kamel reitend vor der Beletage der Modepostille<br />

erschien.<br />

Bourdin (1928–1991) war es, der mit Helmut NEWtoN und<br />

Chris von WANGENhEIM die Modefotografie zur Kunst<br />

erhob. Seine Bilder, die wir hier als Portfolio präsentieren,<br />

haben Generationen von regisseuren, Fotografen und<br />

Künstlern geprägt, es sind Bilder, die nachbrennen,<br />

Bilder wie Ausrufezeichen. das dunkelhaarige Model auf den<br />

folgen den Seiten ist übrigens Nicolle MEyEr, Bourdins<br />

Muse und Sängerin der düsseldorfer Punkband FrEd<br />

BANANA CoMBo.<br />

Foto: © Estate of Guy Bourdin. Reproduced by permission of Art + Commerce<br />

132<br />

A MessAge for You von Guy Bourdin,<br />

neu aufGeleGt vom Steidl verlaG, frühjahr 2013<br />

der dokumentarfilm When The skY fell DoWn –<br />

The MYTh of guY BourDin von Sean Brandt Soll Bei<br />

den filmfeStSpielen in venediG premiere feiern<br />

133


Fotos: © 2013 The Estate of Guy Bourdin (4)


Foto: © Estate of Guy Bourdin. Reproduced by permission of Art + Commerce


Cameron<br />

Carpenter<br />

Fotos<br />

oliver mArk<br />

von<br />

Katharina<br />

grosse<br />

komplettlook privat


Er ist Virtuose und<br />

Grenzgänger in einer<br />

besonders statischen<br />

Welt: dem Orgelspiel.<br />

CamErOn<br />

CarpEntEr<br />

vermengt bei seinen<br />

auftritten Bach,<br />

Leonard Cohen,<br />

Filmmusik, er gastierte<br />

bei den Berliner<br />

philharmonikern –<br />

und überzeugt durch<br />

seinen eigenwil ligen<br />

modegeschmack.<br />

mit der Künstlerin<br />

Katharina<br />

GrOssE, als junges<br />

mädchen spielte<br />

sie Charles ives auf der<br />

Flöte, diskutiert er<br />

die Kunst der Fuge,<br />

abstraktion bei tizian<br />

und Kniebeschwerden<br />

beim malen<br />

Cameron Carpenter und Katharina Grosse in ihrem atelier vor einem Bild,<br />

das derzeit im De pont museum in tilburg zu sehen ist<br />

Katharina Grosse: Ich bin kein Performing Artist.<br />

In gewisser Weise funktioniert meine Kunst wie eine<br />

Maske, hinter der ich verschwinde. Wie geht es dir?<br />

Cameron Carpenter: Eins meiner großen<br />

Vorbilder für mich als Künstler ist die New Yorker<br />

Dragqueen Mother Flawless Sabrina. Ihr echter<br />

Name ist Jack Doroshow, und sie spielte in einigen<br />

Warhol-Filmen mit und war Teil seiner Entou rage.<br />

Ihre wichtigste Regel lautet: „Inhabit the mask“ (werde<br />

deine Maske).<br />

Grosse: So ähnlich erklären das die Lehrer an<br />

Musikhochschulen ihren Schülern, die Opernsänger<br />

werden wollen. Es geht dabei immer wieder darum,<br />

wie der Ton in die Maske und darüber hinaus projiziert<br />

werden muss.<br />

Carpenter: Der wichtigste Unterschied zwischen<br />

deiner und meiner Kunst ist Zeit. Du kannst ein<br />

Bild ausstellen und im Jahre 3030 kann man es immer<br />

noch betrachten – falls das Bode-Museum dann noch<br />

steht. Youtube gibt es gerade mal zehn Jahre, elektronische<br />

Tonaufnahmen vielleicht seit 1905. Deswegen<br />

ist der Aspekt der Live-Performance für mich extrem<br />

wichtig.<br />

Grosse: Dafür gab es in jüngster Zeit interessante<br />

Beispiele. Marina Abramović etwa führte die<br />

Performances von anderen Künstlern wieder auf: von<br />

Joseph Beuys, von Valie Export etc. Und Tino Sehgal<br />

verfasst genaue Anweisungen, wie seine Arbeiten aufgeführt<br />

werden sollen.<br />

Carpenter: Ich habe die Unterscheidung zwischen<br />

unseren künstlerischen Disziplinen, die du ansprichst,<br />

immer von der anderen Seite gesehen. Bevor<br />

ich auf die Juilliard School kam, war ich an einem<br />

Gymnasium, das sehr interdisziplinär gearbeitet hat.<br />

<strong>Die</strong> meisten meiner Freunde waren Maler oder Tänzer.<br />

Nicht jeder Künstler ist natürlich ein Akademiker.<br />

Ich mag zum Beispiel, wie warmherzig und direkt<br />

Chuck Close über seine Arbeit spricht. Aber damals<br />

merkte ich, dass es einen akademischen Diskurs in der<br />

Musik nicht gibt.<br />

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“<br />

Ich habe David<br />

Bowie erst entdeckt,<br />

als ich 21 war. Vergiss<br />

nicht, dass ich mit<br />

Privatunterricht zu<br />

Hause aufgewachsen<br />

bin. Ich bin ein totaler<br />

Spätzünder<br />

”<br />

– Cameron Carpenter<br />

Grosse: Liegt das daran, dass man als Musiker<br />

vor allem darin trainiert wird, gut zu spielen? Oder<br />

daran, dass man als Musiker in der Regel etwas spielt,<br />

was bereits komponiert wurde? Während der Künstler<br />

ja in gewisser Weise Komponist und Interpret<br />

gleichzeitig ist.<br />

Carpenter: Im 19. Jahrhundert schufen alle<br />

großen Interpreten bei ihren Konzerten unendlich<br />

viel Neues. Anton Rubinstein hat die Partitur eher<br />

als Anregung verstanden und ist sehr frei damit umgegangen.<br />

Bei der Orgel haben wir es mit einer besonders<br />

konservativen, strengen und abergläubischen<br />

Gemeinschaft zu tun. Es gibt kein Vorbild dafür, wie<br />

man als Organist Songs von Leonard Cohen und<br />

Klaviermusik von Liszt spielen und damit berühmt<br />

werden kann. Wenn ich nur Bach und religiöse Musik<br />

spielen wollte, bräuchte ich keine „digitale Orgel“.<br />

Das ist mein wichtigstes Projekt. Denn sie wird diese<br />

Musik – und nicht zuletzt mich – befreien.<br />

Grosse: Das ist in der bildenden Kunst seit einigen<br />

Jahren ein großes Thema: dass Künstler für einen<br />

bestimmten Raum oder ein bestimmtes Museum ihre<br />

Arbeit anfertigen. Was macht man später mit dieser<br />

Arbeit? <strong>Die</strong> Hälfte meiner Arbeiten ist site specific.<br />

Carpenter: Site specificity ist mein persönlicher<br />

Dämon.<br />

Grosse: Deswegen entwickelst du dieses Reiseinstrument?<br />

Carpenter: <strong>Die</strong> Pfeifenorgel ist für mich die<br />

Entsprechung zum Theater.<br />

Grosse: Ist es nicht interessant, einerseits mit<br />

Instrumenten zu spielen, die fest installiert und nicht<br />

beweglich sind, und andererseits mit einem mobilen<br />

Instrument?<br />

Carpenter: Interessant ja. Aber nicht unbedingt<br />

hilfreich für meine Absichten und Ziele, was das Orgelspiel<br />

betrifft. Ich will die Rolle der Orgel in der<br />

westlichen Kultur verändern.<br />

Grosse: Das ist deine Mission.<br />

Carpenter: Oh, ich hasse dieses Wort. Das<br />

klingt für mich nach einem Kreuzzug, bei dem Menschen<br />

verletzt werden.<br />

Grosse: Dann eben deine Vision.<br />

Carpenter: Verrückte haben Visionen. Insofern<br />

gefällt mir dieser Ausdruck schon wesentlich besser.<br />

Ich bin 31, ich kann mich nicht mehr als wilder junger<br />

Rambo­Künstler aufführen, der plötzlich merkt, dass<br />

er die Welt verändern will. Aber die Entscheidung,<br />

welche Musik auf der Orgel gespielt wird, hing immer<br />

damit zusammen, wo sie steht, wann sie gebaut<br />

wurde, wie groß sie ist. Nichts davon hat mit künstlerischem<br />

Ausdruck zu tun. Ich stelle den Künstler über<br />

sein Instrument.<br />

Grosse: Ich verstehe deinen Wunsch, die Orgel<br />

quasi zu befreien. Ich war immer fasziniert von den<br />

Möglichkeiten dieses Instruments, seiner Multivokalität,<br />

seiner Mehrstimmigkeit. Aber mir gefällt eben<br />

auch, dass sie an einen bestimmten Ort gebunden ist.<br />

Oft sind es Kirchen, und das ist ein seltsamer Rahmen,<br />

da diese ja auch ihre ursprüngliche Bedeutung<br />

verlieren.<br />

Carpenter: Gott sei Dank.<br />

Grosse: Endlich erwähnst du ihn mal!<br />

Carpenter: Ich spiele das teuerste Instrument,<br />

das es gibt. Wenn man dessen Rolle ändern will, hat<br />

man automatisch mit Kirche und Wirtschaft zu tun.<br />

In gewisser Weise ist das eine politische Frage. Man<br />

will den Kurs eines riesigen Schiffes ändern.<br />

Grosse: Auch in der Rockmusik wurde doch viel<br />

Orgel eingesetzt.<br />

Carpenter: Das war mir früher gar nicht bewusst.<br />

Ich habe David Bowie erst entdeckt, als ich<br />

21 war. Vergiss nicht, dass ich mit Privatunterricht<br />

zu Hause aufgewachsen bin. Ich bin ein totaler Spätzünder.<br />

Grosse: Was ich mich gefragt habe, als ich deine<br />

Musik gehört habe: Wie wichtig ist dir John Cage?<br />

Als er zum Beispiel die Fenster geöffnet hat, den Straßenlärm<br />

der 5th Avenue aufnahm und gesagt hat, das<br />

sei die schönste Symphonie. Was hat das mit dir gemacht?<br />

Carpenter: John Cage zeigte, dass so unglaublich<br />

viele Dinge Musik sein können. Deswegen empfanden<br />

ihn viele als Bedrohung. Mit Cage geht es mir<br />

wie mit Kunst im Museum, die ich nicht zwingend<br />

verstehe, aber die mir einen von Millionen Standpunkten<br />

zeigt und ermöglicht. Als Komponist habe<br />

ich wenig mit ihm zu tun. Ich sage gern, dass ich keine<br />

Musik nach 1918 schreibe.<br />

Grosse: Mir geht es anders. <strong>Die</strong> Arbeit von Cage<br />

ändert mein Denken. Sogar das über meine eigene Arbeit.<br />

Genauso Charles Ives, den ich sehr bewundere.<br />

Sein Vater ist mit ihm auf einen Kirchturm gestiegen<br />

und hat ihn auf die vier Blaskapellen hören lassen, die<br />

aus vier Richtungen auf den Turm zukamen und das<br />

gleiche Stück in verschiedenen Tempi spielten.<br />

Carpenter: Er war auch ein toller Organist.<br />

Grosse: Oder die Orchester, die er in einem<br />

Park verteilte, durch den man spazieren konnte. Das<br />

stellt infrage, was wir mit unserer Arbeit tun. Was<br />

sind die Paradigmen, von denen wir uns leiten lassen?<br />

Mich wundert es ein bisschen, wenn du sagst, Musik<br />

nach 1918 interessiere dich nicht.<br />

Carpenter: Oh nein! Den Witz habe ich schon<br />

ein paar Mal zu oft gemacht. Daran merke ich, dass ich<br />

alt und langweilig werde. Was ich meine ist dies: Mein<br />

Ausdruck ist tonal und emotional. Ich beschreibe<br />

meine Musik als cinematic. Das ist nicht das, was man<br />

gemeinhin für zeitgenössisch hält. Der unmittelbare<br />

Hörgenuss, den ich mit meiner Musik erreichen will,<br />

ist heute immer noch passé und tabu. Als Komponist<br />

hat man immer intellektuell wie Schönberg zu sein.<br />

Wer Musik schreibt, die Millionen Menschen gefallen<br />

könnte, wie Rachmaninow oder John Williams, ist<br />

verdächtig. Wer Geld verdient, ist billig. Schrecklich,<br />

aber so ist es. Meine Musik basiert auf Melodien und<br />

auf der Entwicklung von Motiven, meist kontrapunktisch,<br />

was natürlich stark von Bach beeinflusst ist.<br />

Grosse: Bach hatte gesellschaftliche oder politische<br />

Gründe dafür, warum er Traditionen übernahm<br />

– oder änderte. Wir leben in einer komplett anderen<br />

Welt. Warum sind dir Bachs kompositorische Mittel<br />

wichtig – abgesehen von der Tatsache, dass du sie<br />

magst?<br />

Carpenter: Bach ist nicht der Erste, den ich nennen<br />

würde, wenn man mich fragt, was ich mag. Manche<br />

seiner Stücke gefallen mir, andere wollen einfach<br />

nicht aufhören. Es gibt sehr viele Stücke für Orgel,<br />

die besser zu spielen als anzuhören sind. Warum ich<br />

mich auf die Geschichte beziehe? Ich habe mich für<br />

die Art von Musik entschieden, die die stärkste emotionale<br />

Macht auf mich ausübt. Bei Bach zum Beispiel<br />

ist es die Fuge, ein mehrteiliges Stück, das horizontal<br />

strukturiert ist und auf einer mathematischen Grundordnung<br />

basiert. Bachs Fugen haben jeden Organisten<br />

und im Grunde jeden Komponisten beeinflusst.<br />

140<br />

141


Vor allem wenn ich improvisiere – und hinterher meine<br />

Improvisationen analysiere –, zeigt sich, wie stark<br />

ich von Mahler, Bach, Percy Grainger beeinflusst<br />

wurde. Ganz anders zum Beispiel Franz Liszt. Sein<br />

Stück La Campanella ist ein völlig überflüssigerweise<br />

wahnsinnig kompliziertes Stück, das es aber dem Pianisten<br />

erlaubt, seine Virtuosität zur Schau zu stellen.<br />

Reines Showbusiness. Aber wir Interpreten brauchen<br />

auch das. Man muss seinen Frieden machen mit Vorbildern<br />

und Einflüssen – Ablehnung als Selbstzweck<br />

führt zu nichts.<br />

Grosse: Das ist eine total wichtige Frage. Man<br />

kann nicht verstanden werden, wenn man sich nicht<br />

auf Traditionen bezieht, denn sie sind das, was die<br />

Menschen zu lesen gelernt haben.<br />

Carpenter: Das konnte man von Charles Ives<br />

zum Beispiel nicht sagen.<br />

Grosse: Stimmt, aber dann wiederum wird er<br />

überall gespielt. Ich bin totale Amateurin, aber habe<br />

als Mädchen Flöte in einem Jugendorchester gespielt.<br />

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“<br />

Ich spiele das<br />

teuerste Instrument<br />

der Welt. Wenn man<br />

dessen Rolle ändern<br />

will, hat man automatisch<br />

mit Kirche<br />

und Wirtschaft zu tun<br />

Carpenter in der paris bar berlin …<br />

”– Cameron Carpenter<br />

Ich war 13 und wir haben The Unanswered Question<br />

von Charles Ives gespielt …<br />

Carpenter: Das liebe ich an Deutschland! Wenn<br />

den irgendjemand versteht, dann seid ihr das.<br />

Grosse: … und als ich beschlossen hatte, Malerin<br />

zu werden, wollte ich die wichtigen Museen erkunden.<br />

Ich habe meinen Rucksack gepackt und mich auf den<br />

Weg gemacht, um die großen Sammlungen zu sehen.<br />

Bevor ich zeitgenössische Kunst überhaupt kennenlernte,<br />

studierte ich Tizian. Der ist wahnsinnig wichtig<br />

für meine Arbeit. Vor allem der späte Tizian, der<br />

drei oder vier Versionen des gleichen Motivs malte.<br />

Einige Versionen von <strong>Die</strong> Grablegung Christi sind sehr<br />

gut gemalt, in dem Sinne, dass man die Figuren genau<br />

erkennt. Bei anderen verschwimmen Körper und Kleidung.<br />

Manches ist sichtbar, anderes nicht. Es gibt keine<br />

zugrunde liegende Zeichnung, keine Konstruktion, das<br />

Bild stellt Farbe und Licht über die Erzählung.<br />

Carpenter: Und das alles lange vor dem Impressionismus.<br />

Grosse: Was mich daran fasziniert, ist, wie der<br />

Raum sich ausdehnt über die Leinwand hinaus. Auch<br />

Monet hat das erreicht. Als Jackson Pollock mit seinen<br />

drip paintings begann, sprachen alle davon, wie<br />

er die Grenzen des Bildes sprengte. Dabei hatten andere<br />

schon viel früher damit begonnen. Unsere Vorstellungskraft<br />

geht weit über das Bildfeld hinaus. In<br />

meiner Arbeit ist das ein ganz wichtiger Aspekt, auch<br />

wenn niemand sie auf Tizian zurückführen würde. Ich<br />

male keine Füße, ich male keine Körper – aber es gibt<br />

eine Verbindung zu seinem Werk. Was du über die<br />

Vorurteile gegenüber deinen Melodien gesagt hast,<br />

erlebe ich manchmal bei Reaktionen auf meine Arbeit:<br />

Es ist Malerei, es ist überdimensioniert farbintensiv,<br />

was in der Rezeptionstradition immer schon als feminin<br />

und daher konzeptuell schwach bewertet wurde …<br />

Wie genau springst du zurück zu Bach?<br />

Carpenter: Ein sehr plakatives Beispiel ist meine<br />

Serenade, die direkt auf seinem Namen aufbaut,<br />

auf den Noten B – A – C – H. Daraus habe ich eine<br />

Fuge gemacht, die natürlich eine Hommage ist. Auch<br />

wenn sie eigentlich nicht nach Bach klingt.<br />

Grosse: Du übernimmst die Konstruktion.<br />

Carpenter: Ja, aber die Sprache ähnelt eher<br />

Filmmusik aus den Fünfzigern, plus ein wenig Debussy.<br />

Grosse: Warum magst du das Konzept der<br />

Fuge? Spricht sie dich emotional an – oder entspricht<br />

sie der Art, wie du die Welt wahrnimmst?<br />

Carpenter: Schön wäre es. Aber ehrlich gesagt,<br />

und das ist mir ein bisschen peinlich, ging es mir um<br />

akademische Akzeptanz. Weil ich mich gegen die<br />

Welt der Orgelspieler in fast jeder Hinsicht auflehne,<br />

möchte ein Teil von mir nichts sehnlicher, als genau<br />

von diesen Leuten akzeptiert zu werden.<br />

Grosse: Ist das ein Hindernis? Ich ringe damit,<br />

denn ich weiß, dass ich meine Arbeit auch mache, um<br />

geliebt zu werden. Von anderen, aber auch von mir<br />

selbst. Ich lebe in diesem Paradox, denn um von anderen<br />

gemocht zu werden, muss man ganz andere Arbeit<br />

produzieren als für sich selbst.<br />

Carpenter: Damit muss ich jeden Tag neu klarkommen.<br />

Und vielleicht ist es für mich ein bisschen<br />

härter. Erstens, weil du ein wenig älter und erfahrener<br />

bist als ich. Zweitens, weil ich ein Performer bin. Ich<br />

muss mich fragen, was in der Philharmonie funktioniert<br />

oder in Japan oder in Kanada.<br />

Grosse: Woher weißt du das?<br />

Carpenter: Was die wenigsten klassischen Musiker<br />

zugeben wollen, ist die Bedeutung deiner eigenen<br />

Persönlichkeit. Natürlich interessiert sich das<br />

Publikum auch für Beethoven und Bach. Aber die Art,<br />

wie man wahrgenommen wird, ist die gleiche wie bei<br />

Lana Del Rey oder Madonna. Ich finde das normal.<br />

Und es war schon immer so. Wenn ein Mensch aus<br />

einem meiner Konzerte geht, hat er vielleicht schon<br />

viele fantastische Interpretationen von Bach gehört –<br />

aber mit Sicherheit keine bessere Interpretation von<br />

Cameron Carpenter.<br />

Grosse: Das heißt, jede Performance besteht aus<br />

vielen Schichten. Es gibt Bach, andere Komponisten,<br />

dich – und dann gibt es dich als Interpreten, der das<br />

Ganze zum Leben erweckt. Das ist der grundsätzliche<br />

Unterschied zwischen uns. Wir saugen die Tradition<br />

auf wie ein schwarzes Loch. Sie ist nicht unbedingt<br />

sichtbar in unserer Arbeit.<br />

Carpenter: Das mag jetzt eine freche Frage sein<br />

an eine bedeutende Künstlerin wie dich. Aber sagt<br />

man deshalb, dass die Malerei tot ist?<br />

Grosse: Oh, entweder stirbt die Malerei seit<br />

4 000 Jahren. Oder sie ist genauso wenig tot wie der<br />

Rest der Welt.<br />

Carpenter: Weißt du, dass Einzige, was noch<br />

toter ist als Malerei, ist Orgelmusik. Und was ich<br />

mache, ist der endgültige Todesstoß.<br />

Grosse: Ich glaube natürlich überhaupt nicht, dass<br />

Malerei tot ist. <strong>Die</strong> Komponente der Zeit ist einfach total<br />

faszinierend. Bei einem Gemälde passiert alles zur<br />

gleichen Zeit. Es gibt keinen Anfang und kein Ende.<br />

Carpenter: Wenn ich gefragt werde, warum<br />

ich Orgel spiele, dann habe ich keine Antwort. Dabei<br />

spiele ich sie seit 27 Jahren. Mein Leben gründet auf<br />

meiner Liebe zu dieser Maschine. Was ich irgendwann<br />

realisiert habe: Es sind nicht die Pfeifen, die Register,<br />

die Lautsprecher – dieser ganze Kram interessiert<br />

“<br />

Weil ich mich<br />

gegen die Welt der<br />

Orgelspieler in fast jeder<br />

Hinsicht auflehne,<br />

möchte ein Teil von<br />

mir nichts sehnlicher,<br />

als genau von diesen<br />

Leuten akzeptiert zu<br />

werden<br />

”<br />

– Cameron Carpenter<br />

… und im bühnenunterbau der berliner philharmonie<br />

143<br />

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mich nicht. Was absolut hypnotisch und einzigartig<br />

ist: <strong>Die</strong> Musik wird nicht vom mensch lichen Körper<br />

erzeugt. Seit 1899 ist die Orgel eine Maschine, die<br />

von Elektrizität angetrieben wird. Mein Orgel spiel ist<br />

dadurch abgekoppelt von meiner körperlichen Verfassung.<br />

Wenn ein Flötenspieler erkältet ist oder zu viele<br />

Drogen nimmt, kann er die Noten nicht mehr lange<br />

halten. Als Klavierspieler kann ich nur eine begrenzte<br />

Zeit die Oktaven greifen. Als Orgelspieler muss ich<br />

nie nachdenken, wie viel Energie mein musikalischer<br />

Ausdruck mich kosten wird.<br />

Grosse: Wenn du Zahnschmerzen hast, wird es<br />

auch dein Spiel beeinflussen.<br />

Carpenter: Aber ich könnte trotzdem einen einzelnen<br />

Akkord bei der größtmöglichen Lautstärke für<br />

Tage halten. Das macht die Orgel so übermenschlich.<br />

Grosse: Hast du schon mal zwei oder drei Tage<br />

gespielt?<br />

Carpenter: Fast zwei Tage sind mein bisheriger<br />

Rekord.<br />

Grosse: Bei Malerei geht es nicht um Durchhaltevermögen<br />

– auch wenn Kniebeschwerden für eine<br />

Malerin lästig sind.<br />

Carpenter: Ich habe eine letzte Frage, die mir<br />

sehr wichtig ist. 2005 habe ich ein Stück geschrieben,<br />

es heißt Homage to Klaus Kinski 1926–1991. Ich mag<br />

die Arbeit immer noch gern, sie ist schwer zu spielen<br />

und wunderschön. Jetzt ist das Buch von seiner Tochter<br />

Pola erschienen, das uns zwingt, alles zu überdenken,<br />

was wir von ihm und seiner Arbeit halten. Du bist<br />

die erfahrenere Künstlerin. Was soll ich tun?<br />

Grosse: Regel Nummer 17: keine Hommagen.


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JOHN FRIEDA<br />

HOLLYWOOD liebt<br />

Kerry Warns<br />

HAIRSTYLING<br />

Der Hairstylist und gebürtige Australier<br />

Kerry Warn war verantwortlich für den Look jedes<br />

einzelnen Schauspielers am Set von Der große<br />

Gatsby. Wir sprachen mit ihm über seine Liebe<br />

zum Film und sein Faible für rote Haare.<br />

INTERVIEW: Wie kommt man als Friseur zum<br />

Film?<br />

KERRY WARN: Indem man zufällig die richtigen<br />

Leute trifft. Ich habe zwar in den Siebzigern Friseur<br />

gelernt, aber schon bald in London angefangen,<br />

für Magazine zu arbeiten. Erst als Stanley<br />

Kubrick mich 1999 für Eyes Wide Shut engagierte,<br />

nahm meine Karriere beim Film ihren Lauf.<br />

INTERVIEW: Was war passiert?<br />

WARN: Ich traf Nicole Kidman, da stimmte einfach<br />

die Chemie – vielleicht auch, weil wir beide<br />

CAREY MULLIGAN IN BAZ LUHRMANNS<br />

VERFILMUNG VON DER GROSSE GATSBY<br />

aus Australien kommen und der Rest der Welt<br />

oft so weit weg ist.<br />

INTERVIEW: In der Tat haben Sie mit ihr fast jeden<br />

Film seit dieser ersten Begegnung gemacht – bis<br />

auf Moulin Rouge. Warum gerade diesen nicht?<br />

WARN: Ich habe damals mit Tom Mission Impossible<br />

2 gedreht, deshalb dauerte es noch etwas, bis<br />

ich endlich mit Baz Luhrmann, dem Regisseur<br />

von Der große Gatsby, arbeiten durfte.<br />

INTERVIEW: Der ja übrigens auch Australier ist.<br />

Was macht das Arbeiten mit ihm so besonders?<br />

WARN: Er macht einfach wunderbare, detailverliebte<br />

Filme! Für Der große Gatsby hatte ich eine<br />

Vorbereitungsphase von drei Monaten. Ich wollte,<br />

dass es so aussah wie in den Zwanzigern, aber<br />

mit einer modernen Note.<br />

INTERVIEW: Hatten Sie eine Lieblingsfilmfigur?<br />

WARN: Alle denken sicherlich zuerst an Daisy,<br />

aber viel spannender fand ich Myrtle.<br />

INTERVEW: Das ist Ihr Faible für rote Haare!<br />

WARN: Na ja! Rothaarige haben einfach häufig<br />

mehr Feuer, mehr Leidenschaft und immer ein<br />

wenig den Hang zum Ungezogenen – das mag<br />

ich! (lacht)<br />

DER AUSTRALIER<br />

KERRY WARN IST<br />

BEREITS SEIT 1991 TEIL<br />

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KREATIVTEAMS UND<br />

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„Ck one“ war die erfolgreichste Duft-Markteinführung aller Zeiten und hat heute – der Duft wird in Deutschland<br />

in diesem Jahr 18 – hierzulande 1,9 Millionen Fans. <strong>Die</strong> berühmte Kampagne rund um <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong><br />

(fotografiert von Steven Meisel) erinnerte an das noch berühmtere Foto Andy Warhol and Members of The Factory.<br />

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Tinkturen greift, darf die Basis nicht vergessen.<br />

Am besten verwendet man Produkte von auf einander<br />

abgestimmten Serien wie z. B. von Nioxin oder Aveda.<br />

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Fotos: Courtesy of Warner Bros. Pictures; PR (12); Corbis<br />

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BEAUTY-TALK<br />

FREJA BEHA ERICHSEN<br />

Das dänische Topmodel Freja Beha Erichsen, 25, ist nicht nur das Lieblingsmodel der<br />

beiden Valentino-Kreativen Maria Grazia Chiuri und Pierpaolo Piccioli, sondern<br />

auch die perfekte Besetzung für die rebellische „Valentina“ der gleichnamigen Duftkollektion.<br />

Wir sprachen mit ihr über den Duft ihrer Kindheit<br />

INTERVIEW: Wie viel von „Valentina“ steckt in Ihnen – oder umgekehrt?<br />

FREJA BEHA ERICHSEN: Sie symbolisiert ein junges Mädchen, das Spaß am Le-<br />

ben hat und es in vollen Zügen genießt. Mit einer sehr eleganten, aber auch exzentrischen<br />

Seite. Sie hat diese Dualität, die ich an Frauen mag. Ich<br />

glaube, das beschreibt auch mich ganz gut.<br />

INTERVIEW: Was ist Ihr Lieblingsduft, Ihre Lieblingsblume?<br />

ERICHSEN: Ganz klar: Lavendel! Ich liebe den Duft von Lavendel! Er katapultiert<br />

mich direkt in meine Kindheit und erinnert mich daran, wie ich als<br />

kleines Mädchen durch die blühenden Lavendelfelder gelaufen bin.<br />

INTERVIEW: Haben Sie ein morgendliches Ritual im Bad?<br />

ERICHSEN:<br />

Hm, ehrlich? Also, ich habe keines. Ich bin ja ge-<br />

nerell ein eher natürlicher Typ und mache mir recht wenig<br />

Gedanken über mein Äußeres. Ich mag es entspannt. Das<br />

heißt, ich benutze einen guten Moisturizer und kein Make-up,<br />

weil ich will, dass meine Haut frei atmen kann.<br />

INTERVIEW:<br />

Drei Beauty-Produkte, ohne die es nicht geht?<br />

BEAUTY<br />

LIP BOOSTER<br />

<strong>Die</strong>ser Lip Balm pflegt nicht nur die<br />

zarte Haut mit Kakaobutter und<br />

viel Vitamin E, sondern hinterlässt<br />

zudem einen kleinen Hauch von<br />

Farbe. <strong>Die</strong> Nuancen mit den<br />

schönen Namen<br />

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Im Zeitalter der praktischen<br />

Flüssigseifen sind<br />

edle Seifenstücke beinahe<br />

nur noch etwas für Nostalgiker.<br />

Schade, denn die häufig aufwendig geprägten Stücke mit ihrem zarten Duft schmücken jedes<br />

Badezimmer. Das italienische Kultlabel Acqua di Parma bringt jetzt passend zu seinen Luxusdüften<br />

„Iris“, „Magnolia“ und „Gelsomino Nobile“ der Serie „Le Nobile“ eine limitierte Seifenkollektion<br />

auf den Markt. Edel in farblich passendes Seidenpapier eingeschlagen, sind sie fast zu kostbar,<br />

um sich damit täglich die Hände zu waschen. Aber auch klassische<br />

Seifenmanufakturen legen nach: Das seit 1840<br />

in fünfter Generation geführte deutsche<br />

Familienunternehmen mit dem passenden<br />

Namen Klar Seifen hält mit seinen puristischen,<br />

neu gestalteten Seifen gerade Einzug<br />

in die Welt der coolen Concept-Stores wie<br />

Apropos in Düsseldorf oder MDC Cosmetic<br />

in Berlin. Ein Stück Tradition, das auf dem<br />

besten Weg ist, zum neuen Kultobjekt zu werden.<br />

„SAPONE DI NOBILE”, JE DREI STÜCK<br />

VON ACQUA DI PARMA, UM 50 EURO<br />

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ERICHSEN: Lavendelöl – das muss immer mit! Ein Lip Balm von Burt’s<br />

Bees und ein schwarzer Kajal – damit betone ich abends meine Augen!<br />

INTERVIEW: Haben Sie ein Special Treatment für Überseeflüge?<br />

ERICHSEN: Ich glaube, ich schlafe mehr in Flugzeugen als in Betten<br />

(lacht). Deshalb trage ich immer mein Lavendelöl bei mir<br />

und sprühe es auf das Kissen – es hilft mir, sofort einzu-<br />

schlafen.<br />

INTERVIEW: Treiben Sie auch Sport?<br />

ERICHSEN: Ich mache Yoga, habe aber keinen eigenen<br />

Trainer. Und ich liebe Gartenarbeit: Dinge<br />

wachsen zu sehen entspannt mich. Ein wichtiger<br />

Ausgleich zu meinem doch oft sehr hektischen All-<br />

tag im Job.<br />

INTERVIEW: Welcher ist der schönste Ort,<br />

an dem Sie je gewesen sind?<br />

ERICHSEN: Hm, ich würde sagen, der<br />

Garten meiner Mutter in Dänemark.<br />

INTERVIEW: Gibt es Pläne für die Zeit<br />

nach dem Modeln?<br />

ERICHSEN: Wahrscheinlich werde<br />

ich reisen, um die Orte, an denen ich<br />

nur zum Arbeiten war, endlich bewusst<br />

wahrzunehmen. Am besten eine<br />

ganze Weile. Tja, und dann … dann<br />

werden wir weitersehen.<br />

„VALENTINA ACQUA FLOREALE”:<br />

EINE NEUE INTERPRETATION DES „VALENTINA”-DUFTS (L.)<br />

152<br />

153


Beauty<br />

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GOMMaGE CrUsHED CaBErNEt<br />

Gemahlene Weintraubenkerne, traubenkernöl,<br />

brauner Zucker und sechs ätherische Öle<br />

sind das Geheimnis dieses Körperpeelings.<br />

Von Caudalie, um 25 Euro.<br />

DNa sLIM<br />

<strong>Die</strong> 14-tägige anti-Cellulite-Kur wirkt über<br />

Nacht. <strong>Die</strong> Gel-Creme mit dem applikator auf die<br />

betroffenen Zonen einmassieren. Von Méthode<br />

Jeanne Piaubert, um 85 Euro.<br />

BaCK UP 3 D<br />

<strong>Die</strong> Rezeptur der Pflege, die den Po strafft,<br />

basiert auf traditionellen Wirkstoffen aus Indien<br />

und afrika, z. B. Guggul: das Harz einer in -<br />

dischen Myrrhepflanze. Von Talika, um 45 Euro.<br />

www.interview.de<br />

BODY LIft CELLULItE CONtrOL<br />

Ein ausgeklügeltes Potpourri an heimischen und<br />

tropischen Pflanzenextrakten stimuliert die<br />

Mikrozirkulation und sorgt für mehr spannkraft.<br />

Von Clarins, um 45 Euro.<br />

BODY INtENsE<br />

Nur wenige tropfen des Konzentrats reichen für<br />

den ganzen Körper. Der pflanzliche EGF<br />

(Epidermal Growth factor) ist hier der Hauptwirkstoff.<br />

Von Bioeffect, um 95 Euro.<br />

sIsLEYa CONCENtrÉ<br />

aNtI-aGE fErMEtÉ COrPs<br />

<strong>Die</strong> reichhaltige Creme strafft das Dekolleté und<br />

ebenso Beine und Po. Mit Koffein, Weinlaub und<br />

einem Mikroalgenextrakt. Von Sisley, um 320 Euro.<br />

foto miCHael mann, styling andrew tuCKer<br />

eine Kolumne von Bettina Brenn<br />

Jährlich grüßt das Murmeltier – sobald die ersten warmen<br />

Sonnenstrahlen den Norden Deutschlands erreichen,<br />

plagt mich das Gewissen: Ich sollte dringend<br />

mehr Sport treiben, auf schlechte Kohlen hydrate verzichten<br />

und auf Zucker sowieso. Jajaja. Außer dem startet die<br />

Freiluftsaison mit schmalen Printkleidern von Mary Katrantzou,<br />

ärmellosen Tops von Victoria Beckham und sexy Jeansshorts von<br />

Isabelle Marant Etoile. Irgendetwas muss man also tun, wenn<br />

man der fiesen Cellulite – oder dem „wilden Fleisch am Körper“<br />

(O-Ton meines ersten Fashion Directors) – trotzen möchte.<br />

Dass 95 Prozent aller Frauen daran leiden, ist überhaupt kein<br />

Trost. Denn jede möchte zu den fünf Prozent gehören, die keine<br />

Cellulite haben. Klar.<br />

Also wird bei mir, als Frau vom Fach, in erster Linie gecremt<br />

und massiert. Und weil ich leider nicht mit Kilian Hennessy mithalten<br />

kann, dem Sprössling der bekannten Luxusgüterdynastie,<br />

der mit der Aussage „I could live on a massage bench!“ zweimal<br />

pro Woche einen Masseur kommen lässt, creme ich eben selbst.<br />

Seit geraumer Zeit mit „Concentré Anti-Age Fermeté Corps“<br />

von Sisley. Als großer Fan von Phyto- oder Natur-Pflegelinien<br />

habe ich mir hier ganz bewusst den Porsche unter den straffenden<br />

Körpercremes ausgesucht. Denn Sisley ist unumstritten der<br />

Phyto-Pflegeexperte der Luxusklasse. <strong>Die</strong> Marke steht seit über<br />

30 Jahren für intensive Forschung auf dem Gebiet der Pflanzenwirkstoffe<br />

und für Produkte, die nicht nur unglaublich gut riechen<br />

(nach einem Hauch Lavendel!), sondern eben auch wirklich<br />

etwas bewirken. Damit creme ich also fleißig nach jedem Duschen<br />

und habe es so wirklich geschafft, gänzlich ohne dehydrierte<br />

Haut durch den Winter zu kommen. Ein fein abgestimmter<br />

Cocktail aus Lampionblumen, Pflaumenkernöl, Haferextrakt<br />

und weiteren natürlichen Helferlein versorgt die Haut dabei<br />

nicht nur mit viel Feuchtigkeit, sondern strafft und glättet sie<br />

zudem nachhaltig.<br />

Ich bin der Meinung: Cremen lohnt sich – auch wenn das<br />

tiefer in der Haut liegende Problem damit allein leider nicht gelöst<br />

wird. Was also noch tun?<br />

Neulich las ich von einem Treatment, das mit dem Kunstwort<br />

„Slimyonik“ bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um eine<br />

Art maschinell ausgeführter Lymphdrainage. Bereits nach kurzer<br />

Zeit soll, so das Versprechen, der Oberschenkelumfang reduziert<br />

und gleich zeitig die Cellulite verringert werden. Hat man über<br />

vier Wochen einen Crashkurs mit circa drei Behandlungen pro<br />

Woche absolviert, reicht es angeblich aus, nur zweimal pro Monat<br />

wieder zukommen, um das Ergebnis zu halten. Klingt gut,<br />

fand ich. Und startete meinen ersten Selbstversuch – in einer<br />

breiten, verdrahteten Hose, die einem Raumanzug gleicht.<br />

Klaustrophobiker werden hier vor eine harte, aber lösbare Aufgabe<br />

gestellt. Und das Durchhalten lohnt sich. Zuerst wird das<br />

entsprechende Programm eingestellt, und die Maschine fängt<br />

an, Luft an- und abzupumpen. Eine Art Druckwellenmassage<br />

kurbelt dabei das Lymphsystem an, so werden Wasseransammlungen<br />

aus dem Körper geschleust und die Durchblutung angeregt.<br />

Bereits nach 35 Minuten ist der Weltraumausflug schon<br />

wieder vorbei. Ich entstieg der NASA-Hose, und meine Beine<br />

fühlten sich, nun ja, wirklich leichter an. Das gute Gefühl hielt<br />

auch nach den folgenden Behandlungen an, und ich fand, zu<br />

meiner eigenen Überraschung, dass sich auch die Optik zum<br />

Vorteil verändert hat. Doch für ein abschließendes Urteil ist es<br />

noch zu früh, einige Termine habe ich bis zum endgültigen<br />

Wunschergebnis noch vor mir. Aber ich bin vorsichtig optimistisch.<br />

Gisele Bündchens Beine werden es zwar nicht mehr werden,<br />

und Micro-Shorts hatte ich vorausschauenderweise bereits<br />

vor Jahren aus dem Kleider schrank verbannt. Aber der<br />

Frühling 2013 startet vielleicht mit einem weniger schlechten<br />

Gewissen. Und das ist doch auch schon mal was.<br />

infOs unter www.slimyonik.de<br />

in HamBurg zum Beispiel Bei<br />

www.kosmetik-atelier-hamburg.de<br />

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Ab<br />

Mai 2013<br />

NEU


kurzgeschichte<br />

kurzgeschichte<br />

Zwei- oder dreihundert<br />

Dinge, die ich von ihr weiß<br />

Ich sehe sie auf der Twitterseite<br />

einer Bekannten, ich<br />

sehe nur ein winziges Foto<br />

und klicke auf ihr Lächeln,<br />

ich weiß nicht, warum. Ich folge<br />

bloß einem Impuls und bin schon<br />

auf ihrer Profilseite, sehe das<br />

gleiche Foto größer, sie lächelt<br />

und trägt eine grüne Bluse, ich<br />

mag dich, Katja Niehaus, denke<br />

ich und lese ihre letzten Tweets.<br />

Lese, daß sie einen Arbeitsplatz<br />

in einer neu gegründeten Bürogemeinschaft<br />

in Kreuzberg bezogen<br />

hat, ich mag deinen Mund,<br />

Katja, und mir gefallen deine<br />

Haare; ich markiere und kopiere<br />

ihren Namen in die Suchleiste,<br />

klicke und sehe sofort andere<br />

Fotos von ihr, darunter das<br />

Profil bild ihrer Facebookseite.<br />

Sowohl von ihrer Twitter- als<br />

auch von ihrer Facebookseite gibt<br />

es Links zu ihrer Homepage, dort<br />

verrät sie, daß sie Visuelle Kommunikation<br />

studiert hat, an der<br />

UDK, hier in Berlin; sie ist dreißig<br />

Jahre alt. Ich sehe sie wieder<br />

in der enggeschnittenen grünen<br />

Bluse, sie lächelt mich an. Wer ist<br />

diese Frau? Was will sie von mir?<br />

Und warum gibt es auf ihrer<br />

Homepage einen Link zu einem<br />

ausführlichen Lebenslauf? Geht<br />

ihr ausführlicher Lebenslauf<br />

mich etwas an? Darüber denke<br />

ich noch nach, da hat die Hand<br />

auf die Maus, sie macht, was sie<br />

will, schon geklickt, die PDF<br />

springt auf, ich lese:<br />

06/1999 Allgemeine Hochschulreife,<br />

Gymnasium Leopoldinum,<br />

Detmold<br />

Leistungskurse: Kunst, Mathematik;<br />

Abschlußnote: 1,9<br />

Ihre Leistungskurskombination<br />

gefällt mir. Sie hat für die<br />

Töchter + Söhne GmbH, Studentische<br />

Kommunikationsagentur,<br />

ge arbeitet, Sprachen sind<br />

vielleicht nicht so ihr Ding, sie<br />

nennt sich verhandlungssicher in<br />

Englisch und bescheinigt sich<br />

Basiskenntnisse in Französisch,<br />

ihre Softwarekenntnisse hingegen<br />

beeindrucken: MacOS (Profi),<br />

Adobe Creative Suite (InDesign,<br />

Photoshop, Illustrator, Acrobat<br />

Professional), MS Office, Neo-<br />

Office, HTML, Wordpress,<br />

Freehand, QuarkXPress, Dreamweaver.<br />

Dreamweaver klingt<br />

vielversprechend, welche Träume<br />

sie wohl webt?<br />

Ihre Interessen, wie der Lebenslauf<br />

sie verrät, lauten:<br />

Musik: Klavier spielen (Jazz,<br />

Improvisation), Musik hören<br />

Sport: Joggen, Beachvolleyball,<br />

Segeln, Yoga, Tennis<br />

Kultur: (Kunst-)Ausstellungen<br />

besuchen, Kino, Musik-<br />

Konzerte, Theater<br />

Sonstiges: Fahrradfahren,<br />

Ausflüge, Wandern, Lesen.<br />

Theoretisch hätte ich ihr<br />

auf einem Geburtstagsessen<br />

begegnen können.<br />

Wir hätten uns<br />

vielleicht unterhalten und uns<br />

angelächelt, ich sie und sie mich.<br />

Und hätten wir uns interessant<br />

oder sympathisch gefunden, wir<br />

hätten uns vielleicht lose verabredet,<br />

vielleicht wie früher Telefonnummern<br />

ausgetauscht oder,<br />

weil unverbindlicher, uns einfach<br />

auf Facebook angefreundet – weil<br />

weder sie noch ich dem Gegenüber<br />

einen Satz mit mein Freund,<br />

mein Mann oder meine Freundin,<br />

meine Frau markiert hätten. Wären<br />

wir uns so begegnet, auf dem<br />

Geburtstag einer gemeinsamen<br />

von<br />

DaviD Wagner<br />

Bekannten mit Kind, auf einem<br />

Konzert oder in einer Bar, nach<br />

einer Ausstellungseröffnung oder<br />

einem Theaterbesuch, hätte ich<br />

mich nicht auch gleich informiert?<br />

Hätte ich sie nicht sofort<br />

gegoogelt und mir ihre Bücherwunschliste<br />

auf amazon.de angesehen?<br />

Achtunddreißig Bücher<br />

stehen auf dieser Liste, Fachbücher<br />

über Design und Belletristik,<br />

jeder Amazon-Kunde kann<br />

sich solch einen Wunschzettel<br />

anlegen, allerdings scheinen nicht<br />

alle zu wissen, daß dieser öffentlich<br />

ist und für jeden einsehbar;<br />

ich könnte ihr eines dieser Bücher<br />

per one click buy bestellen<br />

und schicken lassen, ich könnte<br />

ihr einen Wunsch erfüllen, am<br />

besten gefällt mir der Titel Designers<br />

Are Wankers, sie sind also<br />

Wichser, die Designer, habe ich<br />

mir das nicht schon immer gedacht?<br />

Katja Niehaus interessiert<br />

sich außerdem für Island, zwei<br />

Reiseführer für diese Insel stehen<br />

auf der Liste, sie wünscht sich<br />

J. M. Coetzee, Warten auf die Barbaren,<br />

Austerlitz von W. G. Sebald<br />

und ein Buch von Raymond Carver,<br />

natürlich, was sonst, Wovon<br />

wir reden, wenn wir von Liebe reden;<br />

sie interessiert sich also für<br />

Literatur, sie liest noch, gute Bücher,<br />

ja, wieso aber wünscht sie<br />

sich <strong>Die</strong> verlorene Ehre der Katharina<br />

Blum? Mußte sie Böll nicht<br />

in der Schule lesen, oder stand<br />

der in ihrer Schulzeit nicht mehr<br />

auf dem Lehrplan?<br />

Ich klicke zu ihrem Profil bei<br />

last.fm, sie heißt dort nicht Katja<br />

Niehaus, sondern führt ihren<br />

Account unter dem Moniker<br />

schokobella. Von ihrer Homepage<br />

führt jedoch ein direkter<br />

Link zu last.fm, sie will ihre Musik<br />

nicht verstecken, will zeigen,<br />

was sie hört, ja, sieh, bin ich nicht<br />

die Musik, die ich spiele? 357 Mal<br />

hat sie Calexico und 209 Mal<br />

Vampire Weekend gehört, Razorlight<br />

144 Mal, Miles Davis<br />

123 Mal, weiter hinten, 46 Mal<br />

gespielt, folgen Amy Macdonald<br />

und Fleetwood Mac (was machen<br />

Fleetwood Mac auf dieser Liste?),<br />

Kings of Convenience, Brad<br />

Mehldau Trio, Carlos Kleiber<br />

und die Wiener Philharmoniker.<br />

Und dann, noch weiter hinten,<br />

taucht mit The Style Council<br />

eine Band auf, die einmal so etwas<br />

wie meine Lieblingsband<br />

war, immerhin 23 Mal gespielt.<br />

Sie kündigt an, daß sie zum Vampire-Weekend-Konzert<br />

im Astra<br />

gehen wird, die Mitteilung ist<br />

allerdings ein paar Monate alt;<br />

das Konzert hat schon stattgefunden,<br />

und ja, sie war da, ich weiß<br />

es, ich habe es in einem ihrer älteren<br />

Tweets gelesen. Toll soll es<br />

gewesen sein.<br />

Ich wandere weiter auf ihre<br />

noch nicht gelöschte MySpace-<br />

Seite mit einem Bild, auf dem sie<br />

mir noch besser gefällt, sie trägt<br />

große Kopfhörer über einer Mütze<br />

und lacht. Und ihr Lachen,<br />

obwohl ich es nicht hören kann,<br />

gefällt mir. Gefällt mir sehr. Sie<br />

hat bloß achtzehn MySpace-<br />

Freunde, trotzdem wurde ihre<br />

Seite, soviel verrät der Zähler,<br />

schon 1 231 Mal angesehen.<br />

Vorgestern hat sie sich<br />

über das Natur-Pur-<br />

Resort Kolbatzer<br />

Mühle informiert und<br />

ein Lesezeichen auf ihrer Bookmarkseite<br />

gesetzt, auch die ist<br />

verlinkt und einsehbar, sie benutzt<br />

delicious. Sie will wohl bald<br />

hinaus aufs Land, ein paar ruhige<br />

Tage verbringen, wandern, sie<br />

interessiert sich auch für zwei<br />

Ferienwohnungen in der Uckermark,<br />

die Links hat sie unter den<br />

Schlagwörtern traveling und<br />

brandenburg abgespeichert.<br />

Am 2. Februar hat Katja über<br />

zweihundert Fotos auf ihre flickr-<br />

Seite hochgeladen, leider ist nur<br />

ein Bild dabei, auf dem sie selbst<br />

zu sehen ist – spricht dafür, daß<br />

sie die Fotografin war, in London,<br />

Paris und New York. Es gibt<br />

Bilder von blühenden Kirschzweigen<br />

und Fotos von Eierkartons.<br />

Und Fotos von Zeichnungen<br />

von Eierkartons. Und<br />

von einer Wiese, die vielleicht im<br />

schottischen Hochland liegt. Es<br />

sind auch ältere Bilder aus Berlin<br />

dabei, die Aufnahmen zeigen<br />

Bauarbeiten des neuen Potsdamer<br />

Platzes. Damals, ich weiß ja,<br />

daß sie erst 1999 Abitur gemacht<br />

hat, ging sie noch zur Schule.<br />

Hat sie diese Fotos vielleicht auf<br />

einer Klassenfahrt aufgenommen<br />

und später digitalisiert? Hat sie<br />

auf dieser Klassenfahrt entschieden,<br />

eines Tages in Berlin zu studieren?<br />

Es gibt auf flickr auch ein<br />

Foto ihres Ateliers, aber ich weiß<br />

ja, sie arbeitet dort nicht mehr,<br />

sie hat doch ein Bild ihres neuen<br />

Arbeitsplatzes über ihren Blog<br />

gepostet, ja, sie führt auch einen<br />

Blog, er ist über ihre Twitter-<br />

Seite verlinkt. Außerdem, die<br />

Seiten sehe ich mir ebenfalls an,<br />

ist sie bei Xing und linked.in, sie<br />

bietet dort Schnittstellenkompetenz,<br />

Kampagnenentwicklung,<br />

Ideen, Kreativität, ganzheitliches<br />

Denken, Kontakte in die Nachhaltigkeitsszene,<br />

Kontakte zu NPOs,<br />

Workshops und Vorträge.<br />

Grafikdesignerin um die<br />

30, eher prekär beschäftigt,<br />

engagiert,<br />

sympathisch, musikalisch,<br />

sportlich. Und ledig, wie<br />

sie in ihrem Lebenslauf schreibt.<br />

Ledig, frage ich mich nun,<br />

schreibt jemand das auch, wenn<br />

er oder sie mit einem Mann oder<br />

einer Frau zusammenlebt und<br />

nicht verheiratet ist? Oder heißt<br />

es dann liiert statt ledig? Wieso<br />

habe ich das Gefühl, daß diese<br />

Traumfrau alleine wohnt? In<br />

einer sonnigen 2-Zimmer-Wohnung<br />

mit kleinem Balkon zum<br />

Hinterhof, Duftseifen liegen in<br />

ihrem Wäscheschrank, der Wäscheschrank<br />

steht im Flur und ist<br />

aus Weichholz, hell gebeizt, die<br />

<strong>Die</strong>len sind selbstverständlich<br />

abgezogen und umweltfreundlich<br />

bioversiegelt.<br />

Ein Kind hat sie nicht<br />

– hätte sie eines, sie<br />

hätte keine Zeit für all<br />

diese Onlineaktivitäten.<br />

Und in ihrem Projektkatalog<br />

(was war heißt die Rubrik auf ihrer<br />

Homepage) gibt es keine<br />

größere Lücke, keine Babypause.<br />

Immer war da ein Praktikum, ein<br />

Projekt, ein Engagement für eine<br />

Non-Profit-Organisation. Hätte<br />

sie ein Kind, es wäre hier zu sehen,<br />

auf ihrer Amazon-Wunschliste<br />

zum Beispiel, da stünde dann<br />

ein Buch von Remo H. Largo.<br />

Womöglich denkt sie, eine Frau<br />

von dreißig Jahren, manchmal an<br />

ein Kind, in letzter Zeit vielleicht<br />

sogar immer öfter.<br />

Ich klicke zurück in das Fenster<br />

mit ihrem ausführlichen Lebenslauf.<br />

Sie hat, das habe ich<br />

eben beim ersten Lesen übersehen,<br />

nicht nur ihre vollständige<br />

Adresse, Schenkendorfstraße 11,<br />

10965 Berlin, sondern auch ihre<br />

Festnetz- und die Mobilnummer<br />

angegeben; ich könnte sie anrufen,<br />

jetzt gleich, sofort, ich könnte<br />

ihr eine SMS schicken, von<br />

meinem Telefon oder anonym,<br />

aus dem Netz. Stehen ihre Nummern<br />

so offen da, weil sie hofft,<br />

daß ich anrufe? Könnte ich nicht<br />

ein Auftraggeber sein? Jemand,<br />

der, wie es auf ihrer Seite heißt,<br />

eine Querschnittsdenkerin sucht?<br />

Was bitte ist eine Querschnittsdenkerin?<br />

Ihre Festnetznummer beginnt<br />

mit einer Acht, was eigentlich<br />

nicht zu der Gegend um den<br />

Chamissoplatz paßt, aber das war<br />

einmal, daß Telefonnummern den<br />

Bezirk und im Bezirk den ungefähren<br />

Wohnort verrieten, Telefonnummern<br />

werden heute bei<br />

Umzügen mitgenommen. Ich<br />

kenne ihre Straße, eine kurze<br />

Querstraße zwischen Arndt- und<br />

Bergmannstraße, ich gehe durch<br />

die Schenkendorfstraße, wenn ich<br />

zu meinem Hausarzt gehe. Und<br />

selbst wenn ich ihren Kiez, ihre<br />

Straße und deren geschlossene<br />

Altbauzeilen nicht zufällig kennen<br />

würde, ich könnte mir ihr<br />

Haus nun auf Google Street View<br />

ansehen, ich könnte ihren Hauseingang<br />

finden und versuchen zu<br />

raten, welche Fenster zur Straße<br />

die ihrer Wohnung sind – aber<br />

ich vermute, sie wohnt im Seitenflügel,<br />

anderthalb Zimmer,<br />

dritter oder vierter Stock, das<br />

kleinere, halbe Zimmer ist ihr<br />

Schlafzimmer und auf ihrem<br />

Nachttisch liegen ein paar Bücher.<br />

Oder sie hat gar keinen<br />

Nachttisch, die Bücher stapeln<br />

sich neben dem Bett auf den <strong>Die</strong>len,<br />

ihr Wecker steht da, eine<br />

Wasserflasche, eine Packung Taschentücher,<br />

ihre Pille. Ihr Bett<br />

ist schlicht und nicht von Ikea,<br />

das ist ihr wichtig, nicht sehr<br />

hoch und eins vierzig breit, der<br />

Freund, Freundinnen, Freunde<br />

von früher haben da Platz.<br />

Ich könnte ihr, überlege ich<br />

nun, in der Markthalle auf dem<br />

Marheinekeplatz begegnen, auf<br />

dem Weg zum U-Bahnhof Gneisenaustraße<br />

oder in dem österreichischen<br />

Restaurant Ecke Heimstraße,<br />

aber ich vermute, sie ist<br />

Vegetarierin und mag keine Wiener<br />

Schnitzel. Ich könnte mich<br />

vor ihr Haus stellen und auf sie<br />

warten, ich weiß ja, welche Hausnummer;<br />

und selbst wenn ihre<br />

Adresse nicht da stünde, ihre<br />

Homepage ist bei der Domainverwaltungsgesellschaft<br />

Denic auf<br />

ihren Namen eingetragen, die<br />

Anfrage dauert nur Sekunden<br />

und ergibt die gleiche Anschrift:<br />

Schenkendorfstraße 11.<br />

Ich könnte mich, denke ich<br />

mir dann, auch vor den großen<br />

Biomarkt am Marheinekeplatz<br />

stellen, vor das Gebäude, in dem<br />

sich früher die Post befand, und<br />

auf sie warten. Und ich könnte,<br />

kurz bevor sie mich kreuzt, etwas<br />

fallen lassen, Biotomaten aus einer<br />

zuvor präparierten braunen<br />

Packpapiertüte zum Beispiel, sicher<br />

würde sie mir helfen, meine<br />

über den Boden kullernden Tomaten<br />

aufzusammeln, ich könnte<br />

sie anlächeln, sie könnte mich<br />

an lächeln, ich könnte etwas unverfängliches<br />

über Tomaten oder<br />

Packpapiertüten sagen, mich bedanken<br />

und sie zu einem Kaffee<br />

einladen. <strong>Die</strong> erforderliche Ungezwungenheit<br />

müßte ich vorher<br />

allerdings proben, vielleicht vor<br />

einem anderen Biomarkt, in einem<br />

anderen Bezirk, mit einer<br />

anderen unbekannten Frau.<br />

Ihr letzter Tweet ist schon<br />

vier Stunden alt, zuletzt<br />

gebloggt hat sie vorgestern,<br />

ihre Facebook-Postings<br />

kann ich nicht sehen – ausgerechnet<br />

dort teilt sie nicht allen alles<br />

mit. Eine Freundschaftsanfrage<br />

möchte ich ihr allerdings nicht<br />

schicken, denn dann wüßte sie ja<br />

von mir.<br />

Was sie jetzt wohl macht?<br />

18 Uhr 21, an einem <strong>Die</strong>nstagabend?<br />

Sitzt sie noch in ihrem<br />

Büro? An ihrem neuen Arbeitsplatz?<br />

Vor ihrem Rechner und<br />

schaut auf ihre Facebookseite?<br />

Oder ist sie schon zu Hause, in<br />

ihrer Wohnung, und schaut dort<br />

auf ihrem Küchencomputer ihre<br />

Facebookseite an? Ist sie dabei,<br />

die Wäsche aufzuhängen? Auf<br />

einem Klappständer im Bad, weil<br />

sie im Flur, dort steht neben dem<br />

Schrank noch ein Regal mit aussortierten<br />

Büchern, sonst so<br />

schlecht an der Wäsche vorbeikommt?<br />

<strong>Die</strong> Bluse, die grüne<br />

Bluse, die sie auf dem Foto anhat,<br />

hat sie schon gestern gewaschen<br />

und aufgehängt, morgen Abend<br />

wird sie die bügeln und währenddessen<br />

Kulturzeit auf 3sat schauen,<br />

die Wohnung riecht nach<br />

Waschmittel, Biowaschmittel,<br />

nach Aloe vera.<br />

ausgewählt von JAn BrAnDt<br />

DaviD Wagner, 1971 geboren,<br />

studierte Literaturwissenschaft und<br />

kunstgeschichte und verbrachte<br />

längere zeit in rom, Barcelona und<br />

Mexiko-stadt. sein Debütroman<br />

Meine nachtblaue Hose über eine<br />

Jugend in Westdeutschland erschien<br />

2000. neun Jahre später<br />

veröffentlichte er den roman Vier<br />

Äpfel. zwischendurch schrieb er für<br />

verschiedene zeitungen. sein<br />

jüngster, autobiografischer roman<br />

Leben (rowohlt) über einen<br />

Patienten, der an einer autoimmunhepatitis<br />

leidet und eine<br />

spenderleber erhält, wurde im<br />

März mit dem Preis der Leipziger<br />

Buchmesse ausgezeichnet.<br />

<strong>Die</strong>se kurzgeschichte erscheint<br />

exklusiv in <strong>Interview</strong>.<br />

156<br />

157


pArty<br />

Fotos: courtesy of CR Fashion Book<br />

pArty<br />

Anna Dello Russo<br />

Carine Roitfeld, Stephen Gan, Kanye West, Karl Lagerfeld<br />

Edita Vilkeviciute, Peter Dundas, Alber Elbaz, Magdalena Frackowiak<br />

Alessandro Sartori, Yves Carcelle<br />

Daphne Groeneveld<br />

Vincent Chaillet, Marie-Agnès Gillot<br />

und Begleitung<br />

paris<br />

Chez Carine<br />

Wenn paris eine<br />

Frau wäre,<br />

hieße sie Carine,<br />

Carine roitfeld.<br />

Zur Launch-party der<br />

neuen ausgabe des<br />

CR Fashion Book<br />

während der<br />

pariser Modewoche<br />

lud Madame roitfeld<br />

ins shangri-La Hotel.<br />

Dresscode: Black Tie.<br />

Guestlist: too long<br />

Jessica Chastain<br />

Saskia de Brauw<br />

Karlie Kloss<br />

Delfina Delettrez Fendi<br />

Carine Roitfeld, <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong> Adrien Brody Jessica Alba<br />

159<br />

Karl Lagerfeld, <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong>, Carine Roitfeld, Riccardo Tisci Anthony Vaccarello, Alice Dellal Gaia Repossi


Foto SebaStian Faena<br />

Styling julia von boehm<br />

mantel, Rollkragenpullover & Gürtel<br />

Calvin Klein ColleCtion<br />

heRstelleRnaChweiS<br />

Acne www.acnestudios.com<br />

AcquA di PArmA www.acquadiparma.com<br />

AdidAs www.adidas.com<br />

AdidAs OriginAls by Jeremy scOtt<br />

www.adidas.com<br />

AdidAs OriginAls by OPening ceremOny<br />

www.adidas.com<br />

Akris www.akris.ch<br />

AlexAnder mcqueen www.alexandermcqueen.com<br />

AlexAnder WAng www.alexanderwang.com<br />

Alexis bittAr www.alexisbittar.com<br />

Alynne lAvigne www.alynnelavigne.com<br />

Ann demeulemeester www.anndemeulemeester.be<br />

Anne sOfie mAdsen www.annesofiemadsen.com<br />

AnthOny vAccArellO www.anthonyvaccarello.com<br />

AvedA www.aveda.de<br />

160<br />

bAlenciAgA by nicOlAs ghesquière<br />

www.balenciaga.com<br />

bAume & mercier www.baume-et-mercier.com<br />

biOeffect www.bioeffect.de<br />

burberry brit www.burberry.com<br />

burberry PrOrsum www.burberry.com<br />

cAlvin klein cOllectiOn www.calvinklein.com<br />

cAlvin klein frAgrAnces<br />

www.calvinkleinfragrances.de<br />

cArOlinA AmAtO www.carolinaamato.com<br />

cArtier www.cartier.com<br />

cAudAlie www.caudalie.com<br />

céline www.celine.com<br />

chAnel www.chanel.com<br />

chlOé www.chloe.com<br />

christiAn lOubOutin www.christianlouboutin.com<br />

clAire bArrOW www.clairebarrow.com<br />

clArins www.clarins.de<br />

cOnverse www.converse.com<br />

cOstume nAtiOnAl www.costumenational.com<br />

diOr www.dior.com<br />

dOlce & gAbbAnA www.dolcegabbana.com<br />

eddie bOrgO www.eddieborgo.com<br />

eres www.eresparis.com<br />

fAlke www.falke.com<br />

giOrgiO ArmAni www.armani.com<br />

giusePPe ZAnOtti www.giuseppezanottidesign.com<br />

henrik vibskOv www.henrikvibskov.com<br />

hermès www.hermes.com<br />

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15. MAI 2013<br />

SALVADOR DOMINGO FELIPE JACINTO DALÍ I DOMÈNECH, MARQUÉS DE DALÍ DE PÚBOL, ALS COVERBOY, MAI 1973<br />

DALÍ<br />

Wer Uhren wie Eigelb zer -<br />

fließen lässt, hat entweder<br />

einen an der Klatsche –<br />

oder diese Vision schon im<br />

Mutterleib gehabt. Im Falle<br />

des Groß-Surrealisten<br />

Salvador Dalí trifft beides<br />

zu. Hier der phosphoreszierende<br />

Auszug eines<br />

Gesprächs zwischen ihm<br />

und Warhol-Sternchen<br />

Candy Darling<br />

CANDY DARLING: Wie und wann hast du eigentlich<br />

mit der Kunst angefangen?<br />

SALVADOR DALÍ: Vor dem ersten Monat, vor<br />

meinem neuen Leben, vor meiner Geburt, weißt du,<br />

was ich meine?<br />

DARLING: Als du im Bauch deiner Mutter warst?<br />

DALÍ: Genau, meine ersten Erinnerungen stammen<br />

aus dem Uterus, intrauterine Erinnerungen.<br />

DARLING: Intra …<br />

DALÍ: Uterin. Intrauterin, weißt du, was das ist?<br />

DARLING: Ja.<br />

DALÍ: Ich erinnere mich noch gut an Friet X.<br />

DARLING: Friet X?<br />

DALÍ: X, ja.<br />

DARLING: X.<br />

DALÍ: X, aber ohne Teller, nur X, die sich in Größe<br />

und Form veränderten.<br />

DARLING: Mmmmmmm!<br />

DALÍ: Und, hm, Dr. Freud meinte zu mir, dies sei<br />

wahrscheinlich durch meine Position im Bauch meiner<br />

Mutter zu erklären, meine Hände könnten auf<br />

meine Augen gedrückt und so diese engelhaften,<br />

phosphoreszierenden Kreise erzeugt haben. Weißt du,<br />

was phosphoreszierende Kreise sind?<br />

DARLING: Klar.<br />

DALÍ: Der Fachbegriff in der Wissenschaft lautet<br />

ipanagoge Bilder.<br />

DARLING: Ip-ana …<br />

DALÍ: Nein. Ipanagogische, ipanagogisch, schlag<br />

bitte ipanagoge Bilder im Wörterbuch nach (heißen<br />

eigentlich hypnagoge Bilder). Sie entstehen, wenn man<br />

das Auge ganz doll reibt und diese bunten Kreise<br />

sieht, violett und gelb, das Violett steht für das Eiweiß,<br />

das Gelb für den Eidotter. Wahrscheinlich hat<br />

meine Position im Leib meiner Mutter Druck auf<br />

meine Augen ausgeübt, und so entstanden diese phosphoreszierenden<br />

Fright X.<br />

DARLING: Fright X? Du meinst fried eggs, also<br />

Spiegeleier?<br />

DALÍ: Bravo, bravo, dein Englisch wird immer<br />

besser!<br />

DARLING: Hat das etwas mit Ektoplasma zu tun?<br />

DALÍ: Auf einem Spiegelei gibt es kein Ektoplasma.<br />

Man kann ein Spiegelei essen, Ektoplasma hingegen<br />

kann man niemals essen.<br />

DARLING: Ach, du isst es?<br />

DALÍ: Dalí isst alles!<br />

DARLING: Auf Toast?<br />

DALÍ: Auf Toast, meistens jedoch mit Honig. <strong>Die</strong>se<br />

Woche habe ich ein kleines Foto angefertigt: Mao<br />

Tse-tung auf einem Berg Bohnen. Dazu noch Marilyn<br />

als Bohne, und das kann man dann verzehren. Wenn<br />

man es runterschluckt, vermählt man Mao und Marilyn<br />

im Magen miteinander.<br />

DARLING: Wie hat sich das angefühlt?<br />

DALÍ: Oh, sehr friedlich.<br />

Foto: Francesco Scavullo für <strong>Interview</strong> Magazine, Mai 1973<br />

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