Interview Die nächste Kate Moss? - Cara Delevingne (Vorschau)
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mai april 2013<br />
6 Euro<br />
05<br />
04<br />
4 192449 106002<br />
<strong>Cara</strong><br />
DIE NÄCHSTE KATE MOSS?<br />
En Vogue<br />
Frau <strong>Delevingne</strong> kruGer<br />
Abgeschminkt!<br />
Katja RieMAnn<br />
<strong>Die</strong> Jugendsünden des<br />
Mark WAhlbeRg<br />
Rooney MARA vs.<br />
Steven soDeRbeRgh<br />
Queen Mum of Punk<br />
Vivienne WestWooD<br />
Spring Break mit Selena Gomez<br />
<strong>Die</strong> wundersame Welt der Isa Genzken<br />
ein Gespräch mit David BoWIe<br />
Hedi Slimanes muse Sky FerreIra<br />
… und der Abschlussball der deutschen Filmprominenz
mai 2013<br />
6 Euro<br />
<strong>Die</strong> <strong>nächste</strong> <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong>?<br />
<strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong><br />
Queen Mum of Punk<br />
Vivienne WestWooD<br />
Rooney MARA vs.<br />
Steven soDeRbeRgh<br />
<strong>Die</strong> Jugendsünden des<br />
Mark WAhlbeRg<br />
liebe, glAube,<br />
hoffnung<br />
<strong>Die</strong> drei girls reden<br />
über die trilogie,<br />
über die alle reden<br />
05<br />
4 192449 106002<br />
Abgeschminkt!<br />
Katja<br />
Riemann
LeagasDelaney.de<br />
in unseren händen wird ein<br />
schmuckstück zu etwas einzigartigem.<br />
zum beispiel zu unendlichkeit.<br />
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Frauen auf der ganzen Welt verstanden wird.<br />
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Wort für Gold „oro“ zu verdanken und verkörpert das Attribut Innovation<br />
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Mai 2013<br />
inhalt<br />
start<br />
sMaLLtaLK<br />
Kleine Gespräche mit großen Leuten:<br />
Mark WAHLBERG, Klaus BIESENBACH, Julia RESTOIN<br />
ROITFELD, Simon PEGG, Steven VAN ZANDT & WESTBAM<br />
Seite 23<br />
sUPErstars<br />
Auf dem Weg nach vorn: <strong>Die</strong> Schauspielerin VEERLE BAETENS<br />
& der Künstler ÉDOUARD NARDON<br />
Seite 28<br />
WOW!<br />
Schmuck, Taschen, Uhren, Andy Warhols Königinnen und andere<br />
schöne Dinge – die Gebrauchs anweisung für den Monat Mai<br />
Seite 32<br />
PUnK’s nOt dEad – PUnK’s FashiOn<br />
Da muss man nicht erst Vivienne Westwood fragen: Ohne Nieten<br />
ist man in diesem Frühjahr eine Niete<br />
Seite 38<br />
rOOnEy Mara & stEvEn sOdErbErgh<br />
In ihrem neuen Film Side Effects wirkt die Schauspielerin ziemlich<br />
sediert – ganz anders als in diesem Gespräch mit Steven Soderbergh<br />
Seite 40<br />
badEMOdE<br />
Splash: So machen Sie an jedem Pool eine gute Figur<br />
Seite 44<br />
nOW!<br />
Neue Filme und Serien, Bücher und Ausstellungen<br />
Seite 48<br />
<strong>Die</strong> Sinnlichkeit enthüllt sich<br />
Foto ben haSSett<br />
Styling jUlia vOn bOehm<br />
blazer & hose anthOnY vaCCarellO<br />
Ohrringe eD<strong>Die</strong> bOrgO<br />
make (me) UP beFOre YOU gO-gO<br />
WOOdKid & santigOLd<br />
Er dreht Videos mit Taylor Swift und Rihanna, inspiriert die<br />
Kollek tionen von Dior und schafft es nebenbei noch, bildgewaltige<br />
Lieder für die Ewigkeit zu schreiben. Nur die Sache mit dem Käse<br />
in Amerika, die nervt den Musiker ein wenig<br />
Seite 50<br />
JOEy gOEbEL & rObErt stadLObEr<br />
Der eine schreibt großartige Romane über Außenseiter an der High -<br />
school, der andere verweigert seit Jahren schon den Auftritt am roten<br />
Teppich. Zusammen gehen die Freaks auf Lesereise. Ein Treffen<br />
Seite 52<br />
yOU arE bEaUty-FUL<br />
<strong>Die</strong> Zeit des schüchternen Make-ups, das immer so tun wollte,<br />
als sei es nicht da, ist endlich vorbei. Drama, Baby. Yeah!<br />
Fotografiert von BEN HASSETT<br />
Seite 144<br />
<strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong><br />
Foto Peter linDbergh<br />
Styling karl temPler<br />
mantel bUrberrY PrOrSUm<br />
Stay-ups Falke<br />
Schuhe nina riCCi<br />
katja riemann<br />
Foto OlaF WiPPerFürth<br />
Styling klaUS StOCkhaUSen<br />
11<br />
bEaUty<br />
NEWS:<br />
Der große Gatsby, Prada, Lip Booster<br />
Seite 152<br />
INSPIRATION:<br />
Mascara in Gelb, Mint, Kobaltblau; Freja Beha Erichsen<br />
Seite 153<br />
KOLUMNE:<br />
Cremen! Massieren! Slimyonik!<br />
Seite 154
7forallmankind.com<br />
STORIES<br />
CARA DELEVINGNE<br />
Paris, Mailand, New York: <strong>Die</strong> Modewelt spielt<br />
verrückt wegen dieses Mädchens, <strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong>, 20,<br />
buschige Brauen und very British.<br />
Sie wird bereits als die <strong>nächste</strong> <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong> gefeiert.<br />
PETER LINDBERGH fotografierte sie für INTERVIEW<br />
Von DAVID COLMAN<br />
Seite 56<br />
KATJA RIEMANN<br />
Und auf einmal ging ein Wirbelsturm los:<br />
Katja Riemann hat einem peinlichen Moderator patzig<br />
geantwortet. Na und? Kurz vor der Premiere ihres<br />
neuen Films Das Wochenende führten wir mit Deutschlands<br />
bester Charakterschauspielerin ein Gespräch über<br />
Perücken, Missgunst und die Sehnsucht nach<br />
einem Bauwagen<br />
Von JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />
Seite 66<br />
FASHION I<br />
SHOPPING<br />
Fotografiert von MIKAEL JANSSON<br />
Seite 80<br />
FASHION II<br />
AMERICANA<br />
Fotografiert von SEBASTIAN FAENA<br />
Seite 96<br />
ODA JAUNE<br />
Nach dem Tod ihrer großen Liebe ging Oda Jaune<br />
nach Paris, um dort sich selbst, ihre Kunst, ihre eigene<br />
Geschichte zu finden – die einer bemerkenswerten Malerin,<br />
die so großartige wie geheimnisvolle Bilder in Öl malt<br />
Von JONATHAN MEESE<br />
Seite 108<br />
INHALT<br />
LIEBE, GLAUBE, HOFFNUNG<br />
Der Regisseur Ulrich Seidl hat mit seiner Paradies-Trilogie<br />
dem deutschsprachigen Kino das geschenkt, was Der Herr<br />
der Ringe für Neuseeland und Star Wars für Amerika ist<br />
Von und mit MARIA HOFSTÄTTER,<br />
MELANIE LENZ & MARGARETHE TIESEL<br />
Seite 118<br />
VIVIENNE WESTWOOD<br />
Never Mind The Fashion, Here’s Dame Vivienne!<br />
Im Mai ehrt das Metropolitan Museum in New York<br />
die Queen Mum of Punk<br />
Von TIM BLANKS<br />
Seite 124<br />
KATJA RIEMANN, 2013<br />
Foto OLAF WIPPERFÜRTH<br />
Styling KLAUS STOCKHAUSEN<br />
Blazer VERSACE<br />
Hose ANN DEMEULEMEESTER<br />
PS<br />
KURZGESCHICHTE<br />
Zwei- oder dreihundert Dinge,<br />
die ich von ihr weiß<br />
Von DAVID WAGNER<br />
Seite 156<br />
A Beautiful Odyssey by James Franco<br />
The fate of two lovers is in your hands at Facebook.com/7forallmankindEU<br />
GUY BOURDIN<br />
Bei der Vogue in Paris ritt Guy Bourdin gerne mal mit einem<br />
Kamel vor, und auch in seinen Bildern mochte es der<br />
Modefotograf exzentrisch. Ein neuer Dokumentarfilm feiert<br />
den einflussreichen Stilisten, wir präsentieren Bourdins<br />
Bilder als Portfolio<br />
Seite 132<br />
CAMERON CARPENTER<br />
Franz Liszt und Lana Del Rey, Leonard Cohen und Johann<br />
Sebastian Bach: Cameron Carpenter ist ein virtuoser Grenzgänger<br />
und mit Sicherheit der farbenfrohste Organist aller Zeiten<br />
Von KATHARINA GROSSE<br />
Seite 138<br />
ODA JAUNE IN IHREM ATELIER,<br />
PARIS, MÄRZ 2013<br />
Foto JONAS UNGER<br />
13<br />
PARTY<br />
Karl Lagerfeld! <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong>!<br />
Karlie Kloss! Kanye West!<br />
So feierte Carine<br />
Roitfeld in Paris<br />
Seite 158<br />
FLASHBACK<br />
Salvador Dalí<br />
Seite 162<br />
EDITORIAL S. 15<br />
IMPRESSUM S. 16<br />
MITARBEITER S. 20<br />
ABONNEMENT S. 43<br />
HERSTELLERNACHWEIS S. 160
editoriAl<br />
MSGM<br />
A<br />
MSGM.IT<br />
painting by George W. Bush of his dog Barney, courtesy of the Bush family<br />
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
eigentlich bin ich auf Abruf.<br />
Der Geburtstermin der ersten Tochter ist kommenden Montag, und<br />
da weder das Bettchen steht noch die Wärmelampe angeschraubt ist,<br />
liegt eigentlich Dringlicheres an, als diese Zeilen zu schreiben.<br />
Drei wichtige Tugenden, die ich Hedi (so heißt die Tochter) mit auf den Weg geben will,<br />
sind in dieser Ausgabe vertreten. Sie heißen GlAuBe, lieBe und HoffnunG.<br />
es sind klassische Werte des Abendlandes, und da ich es eigentlich eher mit Richard<br />
Dawkins und weniger mit der christlichen liturgie halte, freut es mich sehr, wie der<br />
österreichische Regisseur Ulrich SeiDl in seiner wirklich brillanten PARA<strong>Die</strong>S-Trilogie<br />
mit diesen umgegangen ist (Seite 118).<br />
GlAuBe<br />
Was uns, vor allem aber die YouTube-nation Deutschland, beschäftigt hat, war der<br />
Auftritt von Katja RieMAnn auf diesem roten Sofa. Der Aufschrei, der darauf<br />
(angeführt von den Medientaliban des deutschen Boulevards) folgte, kann lediglich mit<br />
Heisenbergs unschärferelation umrissen werden. <strong>Die</strong> Redaktion steht selbstverständlich<br />
geschlossen hinter Katja. und das nicht erst, seit Deutschlands beste Charakterdarstellerin<br />
für uns noch einmal die Perücke aufgesetzt hat (Seite 66).<br />
lieBe<br />
Sie heißt <strong>Cara</strong> DelevinGne, ist 20, das meistbeschäftigte Model der Saison und gilt<br />
vielen bereits als die <strong>nächste</strong> <strong>Kate</strong>. Das ist natürlich maßlos übertrieben, weil es nur eine<br />
<strong>Kate</strong> gibt. und die heißt nicht <strong>Kate</strong> Middleton! Dennoch sind wir sehr stolz auf <strong>Cara</strong><br />
<strong>Delevingne</strong>, die Peter linDBeRGH für INTERVIEW in Paris fotografiert hat (Seite 56).<br />
HoffnunG<br />
eigentlich wollten wir ihnen die Ölgemälde des 43. Präsidenten der vereinigten Staaten in<br />
einem großen Portfolio präsentieren. Ja, George W. malt: landschaften, Hunde (siehe oben)<br />
und nackte Selbstporträts im Badezimmer. es sind bestechend einfache Bilder, man könnte<br />
auch sagen, naiv. Trotz mehrerer Anläufe ließ uns ein Sprecher des ex-Präsidenten wissen:<br />
“He really isn’t seeking any more attention. eight years as President was plenty.”<br />
Wir bleiben dran.<br />
Herzlichst<br />
Ihr Jörg Harlan Rohleder<br />
15
Chefredaktion Jörg Harlan RoHledeR<br />
Art Director Mike MeiRé<br />
Fashion Director Klaus StocKHauSen<br />
Photography Director Frank Seidlitz<br />
Senior Editor Harald PeteRS<br />
Editors Heike BlüMneR, laura eweRt, Beauty Editor Bettina BRenn<br />
Assistant Photography dorothea FiedleR, Assistant Fashion caroline leMBlé<br />
Assistant Editorial Rebecca HoFFMann<br />
International Fashion Director Julia von BoeHM<br />
International Editor at Large naomi caMPBell<br />
International Editor aliona doletSKaya<br />
art<br />
tim GieSen<br />
Hannes aecHteR, agnes GRüB<br />
digital<br />
Editor nina ScHolz, Junior Editor Katharina BÖHM<br />
Intern Hella ScHneideR<br />
Managing Editor und Chef vom <strong>Die</strong>nst Silke Menzel<br />
Textchefin elisabeth ScHMidt<br />
Schlussredaktion ulrike MatteRn, Ralph ScHünGel, Kerstin SGonina<br />
Mitarbeiter dieser ausgabe<br />
tim BlanKS, ludger BooMS, Jan BRandt, clare ByRne,<br />
david colMan, Katharina GRoSSe, Sönke HallMann,<br />
Maria HoFStätteR, Friederike JunG, Melanie lenz, Jonathan MeeSe,<br />
niki PaulS, Vanessa Reid, SantiGold,<br />
Steven SodeRBeRGH, Robert StadloBeR, Karl teMPleR,<br />
Margarethe tieSel, adia tRiScHleR,<br />
andrew tucKeR, david waGneR<br />
Fotografen dieser ausgabe<br />
Mert alaS & Marcus PiGGott, Guy BouRdin,<br />
Sebastian Faena, Ben HaSSett, Mikael JanSSon,<br />
Jens KaeSeMann, Peter lindBeRGH, Jonas lindStRoeM,<br />
Michael Mann, oliver MaRK, craig Mcdean,<br />
Jonas unGeR, charlotte waleS, Jork weiSMann,<br />
olaf wiPPeRFüRtH<br />
Produktion<br />
Lithografie Max-coloR, wrangelstraße 64, 10997 Berlin<br />
Druck MoHn Media MoHndRucK GMBH, carl-Bertelsmann-Straße 161 M, 33311 Gütersloh<br />
Manufacturing Director oleg noViKoV<br />
Verantwortlich für den redaktionellen inhalt<br />
Jörg Harlan RoHledeR<br />
Board of directors interview Publishing House Germany<br />
Vladislav doRonin, Bernd RunGe<br />
BMP Media Holdings, llc<br />
Chairman Peter M. BRant<br />
www.iNterview.De<br />
16<br />
www.madlykenzo.com
Herausgeber und Geschäftsführer Bernd runge<br />
Publishing Director Anja Schwing<br />
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18<br />
19
MITARBEITER<br />
Städel Museum aus und forderte nebenbei unter<br />
anderem die „Diktatur der Kunst“. Er ist einer der<br />
wich tigsten deutschen Gegenwartskünstler. Für <strong>Interview</strong><br />
sprach er mit seiner Kollegin Oda Jaune.<br />
Seite 108<br />
www.eliesaab.com<br />
SANTIGOLD<br />
Santigold heißt eigentlich Santi White, und früher<br />
hieß sie auch mal Santogold; unter beiden Künstlernamen<br />
hat die amerikanische Sängerin jeweils ein Album<br />
aufgenommen. Darauf mixte sie mit leichter<br />
Hand R ’n’ B, Electro, HipHop und Indierock mit<br />
richtungsweisendem Ergebnis. Außerdem war sie mal<br />
Sängerin einer Punkband, arbeitete mit Produzenten<br />
wie Diplo oder Switch, tourte mit M.I.A. und Björk<br />
und stand mit Jay-Z auf der Bühne. Bei ihren Konzerten<br />
tragen ihre Tänzerinnen gern Tierkostüme, was<br />
wir für eine gute Idee halten. Für <strong>Interview</strong> sprach sie<br />
mit ihrem vielseitig begabten Kollegen Woodkid.<br />
Seite 50<br />
Peter LINDBERGH<br />
Dass Lindbergh, einer der berühmtesten (Mode-)<br />
Foto grafen des Planeten, <strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong>, das derzeit<br />
angesagteste Model (und It-Girl) des Planeten,<br />
fotografiert, kann man durchaus als gelungene und<br />
sensationelle Kombination bezeichnen. Genauso wie<br />
die so entstandenen Bilder. Lindbergh, 1944 im heutigen<br />
Polen geboren, lebt und arbeitet in Paris und<br />
New York. Unter anderem fotografierte der studierte<br />
Maler – angebliches Vorbild: van Gogh – Stars wie<br />
<strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong>, Beyoncé und Nicole Kidman.<br />
Seite 56<br />
Steven SODERBERGH<br />
Als Soderbergh am Abend der Bekanntgabe seines<br />
ge planten Ruhestands gefragt wurde, ob er Rooney<br />
Mara, die Hauptdarstellerin seines letzten Kinofilms<br />
Side Effects, interviewen wolle, war er entschlossen,<br />
die üblichen Schmeicheleien zwischen Regisseur und<br />
Schauspielerin strikt zu vermeiden. Erfolgreich. Denn<br />
stattdessen stellte er ihr ein paar recht rücksichtslose<br />
Fragen. „Das <strong>Interview</strong> war eine Qual, Rooney kann ja<br />
nicht mal richtig lesen“, sagte der 50-Jährige hinterher.<br />
„Ich musste es einem Freund zum Dechiffrieren<br />
schicken, der bei der Nationalen Sicherheitsbehörde<br />
Terroristen überwacht.“<br />
Seite 40<br />
Jonathan MEESE<br />
Hitlergruß, Werbung für die Bild-Zeitung und nie um<br />
eine Meinung verlegen: Das Werk des 43-jährigen<br />
Künstlers Jonathan Meese umfasst mehr als Collagen,<br />
Malerei, Skulpturen und Installationen. Es ist immer<br />
auch der Auftritt des in Tokio geborenen Studienabbrechers,<br />
der zu Verzücken und Entsetzen führt.<br />
Vertreten wird Meese durch die Galerie Contemporary<br />
Fine Arts, er stellte im Centre Pompidou oder<br />
Robert STADLOBER<br />
Mit der Rolle des wuscheligen Rolling-Stones-Fans in<br />
Sonnenallee kam der Durchbruch. Gleich danach folgte<br />
die beliebte Kekswichsszene in Crazy, und der junge<br />
Stadlober war vollends berühmt. Bis heute spielte<br />
der 30-Jährige zahlreiche Rollen in Theater und Film,<br />
nebenbei gründete er die Band Gary, betrieb das<br />
Musik label Siluh Records und gewann mit dem politischen<br />
Herzen auf der richtigen Seite einige treue<br />
Anhänger. Und weil das alles noch nicht genug ist,<br />
nimmt er Hörbücher auf, arbeitet als Synchronsprecher<br />
und trägt gern schwarze Anzüge. Für <strong>Interview</strong><br />
sprach er mit dem Schriftsteller und Musiker Joey<br />
Goebel, den er vor Kurzem auf Lesereise begleitete.<br />
Seite 52<br />
Olaf WIPPERFÜRTH<br />
Früher fotografierte Olaf Wipperfürth Katzen, Hunde<br />
und Sittiche. Nach dem Studium der Philosophie<br />
und Kunstgeschichte zog es ihn zurück hinter die<br />
Kamera und von Düsseldorf nach Paris, wo die Motive<br />
naturgemäß andere sind. Anstelle flauschiger<br />
Tiere räkeln sich nun lieber Models und Musen vor<br />
seiner Kamera, darunter Jane Birkin, Lou Doillon<br />
und Lily Cole. Für <strong>Interview</strong> kehrte Wipperfürth in<br />
sein Heimatland zurück, um die Schauspielerin Katja<br />
Riemann in Szene zu setzen. Dass der Fotograf, dessen<br />
Doktorarbeit von der „Ästhetik des Augenblicks“<br />
handelt, tatsächlich etwas von selbiger versteht,<br />
beweisen seine Fotos.<br />
Seite 66<br />
Julia VON BOEHM<br />
Der Lebenslauf von Julia von Boehm könnte als Poster<br />
an der Wand einer jeden aufstrebenden Fashionista<br />
hängen: Studium an der renommierten École de la<br />
Chambre Syndicale, gefolgt von fünf Jahren bei der<br />
französischen Vogue, wo sie ihre Karriere als Assistentin<br />
von keiner Geringeren als Carine Roitfeld begann.<br />
Hinzu kommen namhafte Kunden von Tom Ford bis<br />
YSL. Mit gerade mal 33 Jahren hat die Moderedakteurin<br />
und Stylistin sich längst einen Namen gemacht.<br />
Mittlerweile lebt und arbeitet sie in New York – laut<br />
von Boehm nicht so künstlerisch wie Paris, „aber<br />
professioneller“. Seit Februar ist sie nun auch International<br />
Fashion Director der deutschen <strong>Interview</strong>.<br />
Ein Zugewinn, wie anhand der aktuellen Beautysowie<br />
der Modestrecke Americana zweifelsohne zu<br />
erkennen ist.<br />
Seite 144 / Seite 96<br />
Fotos: Sean Thomas; Jens Kaesemann; Ward Ivan Rafik; privat; ddp images; Gerard Malanga für <strong>Interview</strong> Deutschland Februar 2012; Ben Hassett
PeoPLe<br />
SmalltaLK<br />
Kleine Gespräche mit großen Leuten:<br />
Mark WahLberG, Klaus biesenbach, Julia restoin roitfeLd,<br />
simon PeGG, steven Van Zandt & WestbaM<br />
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Foto: Bruce Weber für <strong>Interview</strong> Magazine, Februar 1992<br />
„Was Würde<br />
Marky Mark<br />
dazu sagen?”<br />
MarK WahLberG,<br />
41, will lieber brav sein<br />
Oben Ohne War gestern: Marky Mark iM Februar 1992<br />
intervieW: Schickes Cover!<br />
Mark Wahlberg: Ich war sehr stolz damals. Allerdings<br />
bevorzuge ich es heute, nicht nur in Boxershorts<br />
durch die Welt zu laufen.<br />
intervieW: Dabei standen sie dir so gut.<br />
Wahlberg: Haha. Bevor du fragst: Ich hab alle verschenkt.<br />
Zumindest die von Calvin Klein.<br />
intervieW: Und die WahnsinnsBuxe, die du als<br />
Dirk Diggler in Boogie Nights ziemlich imposant ausgefüllt<br />
hast?<br />
Wahlberg: Das war eine Penisattrappe, die nicht<br />
angenehm zu tragen war. Wenn das mein Schwanz<br />
23<br />
wäre, würde ich wahrscheinlich jedes Mal in Ohnmacht<br />
fallen, wenn ich eine Erektion hätte. Nicht<br />
wirklich praktisch also. Aber ich gebe zu: Es sah<br />
ziemlich gut aus.<br />
intervieW: Schauen andere Männer heute noch verstohlen<br />
rüber, wenn du pinkeln musst?<br />
Wahlberg: Es wird Gott sei Dank weniger. Vielleicht<br />
achte ich aber auch nicht mehr so darauf.<br />
intervieW: Dein Image als Underdog pflegst du<br />
hingegen nach wie vor.<br />
Wahlberg: Man ist, was man ist.<br />
intervieW: In deinem neuen Film Broken City spielst<br />
du einen Cop, der rausgeflogen ist, weil er Selbstjustiz<br />
verübt.<br />
Wahlberg: Ja, auch mit Bullen kenne ich mich aus<br />
(lacht). Aber das habe ich dir schon bei unserem letzten<br />
Gespräch alles erzählt. Meine Jugend war hart, es<br />
gab keine Vorbilder. Wir waren jung, wild, rücksichtslos.<br />
Ich habe Fehler gemacht, Menschen verletzt,<br />
schlimme Dinge getrieben. Aber ich habe auch<br />
dafür gebüßt …<br />
intervieW: … und es deinem Pfarrer gebeichtet.<br />
Wahlberg: Richtig. Father Flavin. Er hat schon einiges<br />
mit mir durchgestanden. Früher allerdings<br />
deutlich mehr als heute. Als ich ihn das letzte Mal<br />
gesehen habe, sind wir zusammen eine Runde Golf<br />
spielen gewesen.<br />
intervieW: Was für ein braves Leben.<br />
Wahlberg: Na ja, wer mit 13 kokst, sollte spätestens<br />
mit Mitte 20 damit durch sein.<br />
intervieW: Mit 17 saßest du für 45 Tage im Gefängnis.<br />
War das der Ort, an dem du kapiert hast, dass<br />
sich dein Leben ändern muss?<br />
Wahlberg: Eigentlich wusste ich das schon vorher.<br />
Aber damals war mir egal, ob ich lebe, sterbe oder im<br />
Knast sitze.<br />
intervieW: Vielleicht hättest du einfach Ja sagen<br />
sollen, als dein Bruder Donnie dich zu den New Kids<br />
holen wollte.<br />
Wahlberg: So stimmt das nicht: Wir wollten eine<br />
RapGruppe gründen – und dann kam Donnie mit<br />
dieser BoybandNummer …<br />
intervieW: War Donnie dir damals peinlich? Du<br />
wurdest Marky Mark, Straßenkämpfer und Rapper,<br />
Donnie wurde die Heulsuse aus der Boyband.<br />
Wahlberg: Nicht wirklich. Betont habe ich es aber<br />
auch nicht extra.<br />
intervieW: Was würde der 17jährige Mark, der gerade<br />
aus dem Knast entlassen wurde, über den Mark<br />
Wahlberg sagen, der heute hier sitzt?<br />
Wahlberg: Er würde mich eine fucking pussy<br />
schimpfen und mir wahrscheinlich aufs Maul hauen<br />
wollen.<br />
intervieW: Elton John hat mal gesagt, er wolle als<br />
Marky Mark wiedergeboren werden.<br />
Wahlberg: Ich hoffe doch, weil ich so schön singen<br />
kann!<br />
intervieW: Würdest du denn gerne als Elton John<br />
wiedergeboren werden?
PEOPLE/SmallTALK<br />
WAHLBERG: Wenn ich im Auto sitze und im Radio<br />
Tiny Dancer höre, singe ich mit. Das muss reichen.<br />
INTERVIEW: Rappst du auch bei Good Vibrations mit?<br />
WAHLBERG: Heimlich vielleicht. Mittlerweile finde<br />
ich die ganzen Sachen eher amüsant. Wirklich hart<br />
ist es eigentlich nur, wenn nachts auf irgendeinem<br />
Musiksender eines der Videos läuft.<br />
INTERVIEW: Im Internet kursiert das Gerücht, du<br />
hättest in einer der Maschinen sitzen sollen, die am<br />
11. September 2001 entführt wurden.<br />
WAHLBERG: Es gab eine Reservierung, ja. Ich sollte<br />
eigentlich von Boston nach Los Angeles fliegen, mit<br />
einer der Maschinen also, die später in einem der<br />
Türme landeten.<br />
INTERVIEW: Und wieso hast du den Flug nicht angetreten?<br />
WAHLBERG: Ein guter Freund von mir hatte private<br />
Probleme und bat mich zu bleiben. Ihm verdanke ich<br />
mein Leben.<br />
<strong>Interview</strong> JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />
BROKEN CITY KOMMT AM<br />
18. APRIL INS KINO<br />
„MADONNA<br />
HAT AUCH MIT<br />
ANGEPACKT?”<br />
MoMA-Kurator KLAUS<br />
BIESENBACH, 47,<br />
erklärt, was das Projekt<br />
EXPO 1 mit Hurrikan<br />
Sandy zu tun hat<br />
INTERVIEW: EXPO 1 soll in Rockaway stattfinden,<br />
einer Gegend, die ganz besonders von Hurrikan<br />
Sandy getroffen wurde. Was für Leute leben dort?<br />
KLAUS BIESENBACH: Das ist bunt durchmischt. Es<br />
gibt viele Arme, aber auch mittelständische Familien.<br />
Viele Piloten haben sich hier ein Haus am Meer<br />
gekauft. JFK ist ganz in der Nähe. Und dann gibt es<br />
viele Künstler, Surfer und Hipster. <strong>Die</strong> Hipster sind<br />
die neuen Helden hier.<br />
INTERVIEW: <strong>Die</strong> Hipster?<br />
BIESENBACH: Ja. Sie werden jetzt auch Helpster genannt,<br />
weil sie die Ersten waren, die nach Sandy mit<br />
angepackt haben. Alle anderen hatten so viel mit ihrem<br />
eigenen Krempel zu tun, die waren quasi wie gelähmt.<br />
<strong>Die</strong> Hipster haben keine Familien, keinen Ballast.<br />
INTERVIEW: Sie haben auch gleich geholfen?<br />
BIESENBACH: Das war wie ein Reflex bei mir. Ich habe<br />
gedacht: Wir dürfen kein zweites Katrina zulassen.<br />
Wir müssen etwas tun. – Schau, da ist das Wasser! Das<br />
ist wirklich eine ganz schöne Gegend hier!<br />
INTERVIEW: Es ist wirklich wunderschön. Wie haben<br />
Sie denn geholfen?<br />
BIESENBACH: Mit 30 Meter langen Rettungszelten,<br />
Solaranlangen, Generatoren. Ich habe<br />
diese geodätische Buckminster-Fuller-Kuppel,<br />
in der die EXPO 1 in Rockaway stattfinden<br />
wird, in kürzester Zeit organisieren können.<br />
Ich habe mit meinem Zugang zu Ressourcen<br />
und Menschen geholfen.<br />
INTERVIEW: Menschen?<br />
BIESENBACH: Ja, zum Beispiel Madonna.<br />
INTERVIEW: Madonna hat auch mit angepackt?<br />
BIESENBACH: Ja, und kaum jemand hat sie erkannt.<br />
Sie ist mit ihren beiden Kindern in die<br />
Rockaways gekommen, hatte eine Mütze auf und<br />
war total eingemummelt. Madonna und ich waren<br />
ein Team bei der Essensausgabe. Wir haben<br />
zusammen an die Türen geklopft.<br />
INTERVIEW: Wie ist Madonnas Engagement aufgenommen<br />
worden?<br />
BIESENBACH: Das hat der Community einfach total<br />
gut gefallen. <strong>Die</strong> hatten das Gefühl, sie haben eine<br />
Lobby. Sie versinken nicht einfach, an sie wird gedacht.<br />
INTERVIEW: Das war alles kurz nach Hurrikan Sandy.<br />
Wie sieht es mittlerweile aus?<br />
BIESENBACH: Das stockt jetzt alles. Jedes Haus ist<br />
kaputt. Jeder braucht einen neuen Boiler, einen neuen<br />
Keller. <strong>Die</strong> U-Bahn fährt immer noch nicht. <strong>Die</strong><br />
Läden sind geschlossen.<br />
INTERVIEW: Was wird denn in dem MoMA-Dome in<br />
Rockaway genau stattfinden?<br />
BIESENBACH: Da werden die Ideen präsentiert, die<br />
derzeit im Wettbewerb eingereicht und dann von einer<br />
Jury ausgesucht werden. Performances werden<br />
stattfinden. Und die Community wird da auch Sachen<br />
machen.<br />
INTERVIEW: Ist das überhaupt noch Kunst?<br />
BIESENBACH: Ich finde dieses ganze Projekt als Kurator<br />
unheimlich interessant. Das ist ja eine ganz<br />
neue Aufgabenstellung für mich. Ich muss jedes<br />
Kunstwerk, jeden Beitrag auf seine Relevanz überprüfen.<br />
INTERVIEW: Um welche Relevanz geht es da?<br />
BIESENBACH: Ökologische Relevanz. Gesellschaftliche<br />
Relevanz. Innovative Relevanz.<br />
INTERVIEW: Gibt es denn Vorbilder?<br />
BIESENBACH: Joseph Beuys!<br />
INTERVIEW: Importieren Sie mit der EXPO 1 eine<br />
deutsche Idee nach Amerika?<br />
BIESENBACH: Es ist bestimmt kein Zufall, dass ich<br />
das als Kurator gemeinsam mit einem deutschen<br />
Konzern betreue. Ich bin ja mit all dem aufgewachsen.<br />
<strong>Die</strong> Amerikaner machen gerade etwas durch,<br />
was wir vor 30 Jahren mit den Grünen erlebt haben.<br />
INTERVIEW: Hat sich denn an Ihrem eigenen Lebensstil<br />
auch etwas geändert? Sie sind ja als Vielflieger<br />
bekannt.<br />
BIESENBACH: Ich bin im letzten halben Jahr extrem<br />
wenig geflogen, weil ich hier ja quasi einen Nebenjob<br />
hatte.<br />
<strong>Interview</strong> NINA SCHOLZ<br />
EXPO 1: NEW YORK, 12. MAI BIS 2. SEPTEMBER,<br />
LONG ISLAND CITY, NEW YORK<br />
„SIND<br />
KINDER DER<br />
NEUESTE<br />
TREND?”<br />
JULIA RESTOIN<br />
ROITFELD, 32,<br />
zeigt, dass für<br />
Mütter heute<br />
nichts mehr<br />
unmöglich ist<br />
INTERVIEW: Was war schwieriger: einen Namen für<br />
Ihre Tochter oder für Ihre Website zu finden?<br />
JULIA RESTOIN ROITFELD: Der Name für meine<br />
Tochter war einfach. Wir wussten unmittelbar nach<br />
ihrer Geburt, dass sie eine Romy ist. Mit der Website<br />
war es schwieriger, weil sie so viele Aspekte meiner<br />
Arbeit und meiner Welt reflektieren muss. Ich habe<br />
die Seite dann nach meinem Baby benannt. Gleichzeitig<br />
sollte sie verspielt, fröhlich und feminin wie<br />
eine 60er-Jahre-Girlgroup klingen – deshalb heißt<br />
sie „Romy And The Bunnies“.<br />
INTERVIEW: Was können wir auf der Seite entdecken?<br />
ROITFELD: Ich bin eine frisch gebackene Mutter und<br />
schreibe keinen Erziehungsratgeber. Dafür gibt es<br />
viele Stylingtipps und <strong>Interview</strong>s mit Müttern, die<br />
erzählen, wie sie sich kleiden und während der<br />
Schwangerschaft pflegen. Sie geben auch Ratschläge,<br />
wie man etwa mit Kindern entspannt verreist oder<br />
eine gute Nanny findet.<br />
INTERVIEW: Haben Sie diese Art von Information<br />
vermisst?<br />
ROITFELD: Ja, ich fand es toll, schwanger zu sein,<br />
habe es aber abgelehnt, mich in langweilige Gewänder<br />
zu hüllen. Ich will Frauen zeigen, dass Stil und<br />
Mutterschaft kein Widerspruch sind.<br />
INTERVIEW: Wie viele Redaktionskinder gibt es?<br />
ROITFELD: Keine. Ich mache alles alleine.<br />
Fotos: Corbis; Ofer Wolberger; © RUBICON TV / SEVENONE INTERNATIONAL (3); Stephen Lovekin/Getty Images<br />
INTERVIEW: Manchmal hat man den Eindruck, dass<br />
Kinder zu einem Trendaccessoire werden. Kann das<br />
sein?<br />
ROITFELD: Ich hab keine Ahnung, aber ich lebe in<br />
New York, und viele meiner Freundinnen achten jahrelang<br />
nur auf ihre Karriere. Ich finde das ein bisschen<br />
traurig und möchte mit meiner Arbeit auch Mut<br />
machen, dass man beides haben kann.<br />
INTERVIEW: Und ausgehen?<br />
ROITFELD: Ich gehe nicht mehr so gerne auf Partys,<br />
der <strong>Kate</strong>r am <strong>nächste</strong>n Tag ist es einfach nicht wert.<br />
Am liebsten besuche ich freitagabends meine Nachbarin,<br />
die zwei Kinder hat, und trinke ein Glas Wein<br />
mit ihr. Aber als meine Tochter ganz klein war, habe<br />
ich es trotzdem geschafft, mir ein paar Fashionshows<br />
in Paris anzuschauen, obwohl ich erst nach vier Monaten<br />
überhaupt eine Nanny hatte. Es ist alles eine<br />
Frage der Organisation.<br />
INTERVIEW: Und wenn man sich keine Nanny leisten<br />
kann?<br />
ROITFELD: Ein Babysitter hin und wieder tut es auch.<br />
INTERVIEW: Wie kompensieren Sie Schlafmangel?<br />
ROITFELD: Am schlimmsten war es eigentlich, als<br />
mein Freund einmal eine Nachtschicht übernommen<br />
hat und mich ausschlafen ließ. Da war dieser natürliche<br />
Adrenalinrhythmus, den Mütter in der ersten<br />
Zeit entwickeln, unterbrochen. Aber ich habe Glück:<br />
Mein Baby schläft meist von 19 bis 7 Uhr durch.<br />
INTERVIEW: Ist „Romy And The Bunnies“ auch für<br />
Väter interessant?<br />
ROITFELD: Auf jeden Fall. Väter können auf der Seite<br />
erfahren, wie sie das Leben ihrer Frauen schöner und<br />
einfacher machen können.<br />
<strong>Interview</strong> HEIKE BLÜMNER<br />
ROMYANDTHEBUNNIES.COM<br />
„WELCHE<br />
FAMILIE DENN<br />
ÜBERHAUPT?”<br />
SIMON PEGG, 43,<br />
weiß, warum Scotty<br />
der wichtigste<br />
Mann an Bord der<br />
Enterprise ist<br />
INTERVIEW: Stimmt es, dass Sie sich mehr für Star<br />
Wars als für Star Trek interessieren?<br />
SIMON PEGG: Nein, nicht wirklich. Vielleicht<br />
als ich klein war. Mit sieben habe ich Star Wars<br />
gesehen, da war mir Star Trek noch zu tief sinnig.<br />
Aber mit neun habe ich dann Raumschiff Enterprise<br />
für mich entdeckt, und spätestens als ich<br />
vor vier Jahren die Rolle des Scotty in dem<br />
Neustart von Star Trek bekommen habe,<br />
wurde ich Fan.<br />
INTERVIEW: Klar. Haben Sie sich darum beworben?<br />
PEGG: Nein, ich bekam einfach nur eine<br />
Mail von Regisseur J. J. Abrams. Ich hätte es<br />
nicht einmal gewagt, mich darum zu be-<br />
werben. Aber plötzlich hatte ich diese Mail, und ich<br />
dachte nur: „Was?!“<br />
INTERVIEW: Sie haben also sofort zugesagt?<br />
PEGG: Ehrlich gesagt musste ich erst überlegen.<br />
INTERVIEW: Wieso?<br />
PEGG: Weil man sich mit einer Spielfilmserie für<br />
rund zehn Jahre an ein Projekt bindet. Aber J. J.<br />
meinte zu mir: „Was kann schon passieren?“ Und<br />
weil mir darauf nichts einfiel, hatte er mich schon<br />
überredet.<br />
INTERVIEW: Und Scotty ist ja auch ein toller Typ.<br />
PEGG: Unbedingt.<br />
INTERVIEW: Er kann beamen.<br />
PEGG: Er glaubt, der heimliche Kapitän der Enterprise<br />
zu sein. Schließlich ist er derjenige, der sich um<br />
die wirklich wichtigen Dinge kümmert, während<br />
Kirk nur in seinem Kapitänsstuhl sitzt.<br />
INTERVIEW: Genau.<br />
PEGG: Er ist auch ein bisschen älter als die anderen.<br />
Nach dem Studium ist er nicht gleich zur Sternenflotte<br />
gegangen und hat zunächst auf diversen<br />
Frachtschiffen gearbeitet. Und als er dann bei der<br />
Sternenflotte war, hat er sich gleich Ärger eingehandelt.<br />
INTERVIEW: Warum?<br />
PEGG: Zweifelhafte Experimente mit dem Beamer.<br />
INTERVIEW: Um was geht es eigentlich in dem neuen<br />
Star Trek?<br />
PEGG: Um Familie und Verantwortungsgefühl, würde<br />
ich sagen.<br />
INTERVIEW: Ich dachte, es geht darum, dass jemand<br />
die Weltherrschaft an sich reißen will oder die Welt<br />
untergeht. Danach sieht es jedenfalls im Trailer aus.<br />
PEGG: Ja, aber im Rahmen dessen geht es um Familie<br />
und Verantwortungsgefühl.<br />
INTERVIEW: Ist Ihnen eigentlich schon mal auf gefallen,<br />
dass in jedem Film, in dem Sie auftauchen, der<br />
Menschheit Ungemach droht? Shaun Of The Dead,<br />
der neue Star Trek, und in The World’s End, Ihrem<br />
<strong>nächste</strong>n Film, will die Welt wieder untergehen.<br />
PEGG: Ja, wenn man es so sieht …<br />
INTERVIEW: Im Trailer von Into Darkness fragt der<br />
Bösewicht Khan: „Gibt es etwas, was Sie nicht<br />
für Ihre Familie tun würden?“ Welche Familie<br />
denn überhaupt? <strong>Die</strong> von Kirk?<br />
PEGG: Das ist eine Frage, die auf mehreren<br />
Ebenen funktioniert, aber was<br />
Kirk angeht, ist natürlich die Crew<br />
der Enterprise seine Familie. Er<br />
sieht sich als der Patriarch des<br />
Schiffs, er fühlt sich für seine Leute<br />
verantwortlich. Aber der Familienbegriff<br />
bezieht sich nicht nur auf die<br />
Mannschaft, sondern auch auf die<br />
menschliche Spezies.<br />
INTERVIEW: Als ich die Frage von<br />
Khan hörte, dachte ich sofort an<br />
einen Song von Meat Loaf: I’d<br />
Do Anything For Love But I Won’t<br />
Do That.<br />
PEGG: Haha.<br />
<strong>Interview</strong><br />
HARALD<br />
PETERS<br />
STAR TREK<br />
INTO DARKNESS<br />
STARTET AM 9. MAI<br />
INTERVIEW: Bis heute hat<br />
niemand herausgefunden,<br />
was mit „That“ gemeint<br />
war. Gibt es ein<br />
„That“ im neuen<br />
Star Trek?<br />
PEGG: Ja. Es ist<br />
das „That“ aus dem<br />
Song von Meat Loaf.<br />
„ESSEN<br />
SIE<br />
SCHAFS-<br />
KOPF?”<br />
Musiker und<br />
Schauspieler<br />
STEVEN<br />
VAN<br />
ZANDT,<br />
62, erzählt,<br />
was er in<br />
Norwegen macht<br />
VAN ZANDT IM AUSLANDSEINSATZ<br />
INTERVIEW: Sie filmen gerade für die Serie Lilyhammer<br />
in Lillehammer. Gefällt’s Ihnen dort?<br />
STEVEN VAN ZANDT: Niemand ist überraschter als<br />
ich selbst, dass ich es hier tatsächlich mag. Ich bin<br />
normalerweise ein sehr urbaner Mensch. Aber in<br />
Norwegen habe ich mich wohl einfach verliebt.<br />
INTERVIEW: Wie das?<br />
VAN ZANDT: Ich muss zugeben, dass ich es irgendwie<br />
attraktiv finde, dass dieses Land für den größten Rest<br />
der Welt ein Mysterium ist.<br />
INTERVIEW: Und die Norweger wiederum scheinen<br />
Ihre Serie zu lieben, immerhin schaut ein Fünftel des<br />
Landes regelmäßig zu.<br />
VAN ZANDT: Das Land hat eine sehr starke Monokultur.<br />
Ich glaube, dass Frank, meine Figur in Lilyhammer,<br />
Dinge tut, die den Norwegern gefallen. Er<br />
bricht die Regeln, die sie auch gerne mal brechen<br />
würden.<br />
INTERVIEW: Was ist Frank denn für ein Typ?<br />
VAN ZANDT: Er ist jemand, der immer mit jedem gut<br />
klarkam. Norwegen ist ein neues Abenteuer. Auch<br />
wenn es natürlich frustrierend ist, dass seine Gewohnheiten<br />
nicht ganz so gut funktionieren wie in<br />
New York! (lacht)<br />
INTERVIEW: Welche Gewohnheiten?<br />
VAN ZANDT: Na ja, kriminelle Sachen halt. Zum Beispiel<br />
Beamten bestechen und so.<br />
INTERVIEW: Um Lilyhammer zu filmen, mussten Sie<br />
Ihre Tour mit Bruce Springsteen und der E Street<br />
Band unterbrechen.<br />
VAN ZANDT: Ja, das ist schon okay. Ich habe jetzt Januar<br />
und Februar verpasst, aber ab Ende April bin<br />
ich wieder dabei und stehe dann bei allen Konzerten<br />
in Europa mit auf der Bühne.<br />
INTERVIEW: Wie sind Sie als Musiker denn überhaupt<br />
ans Schauspielern gekommen?<br />
VAN ZANDT: Ich wollte das eigentlich gar nicht. <strong>Die</strong><br />
Macher von den Sopranos hatten mich gesehen, als<br />
ich die Rascals in die Rock and Roll Hall of Fame<br />
eingeführt habe, und wollten mich für die Rolle. Ich<br />
dachte mir: „Wieso nicht?“ Zehn Jahre Sopranos waren<br />
eine ziemlich gute Schauspielschule.<br />
INTERVIEW: Bei Lilyhammer spielen Sie ja nicht nur<br />
die Hauptrolle, sondern sind auch Co-Autor und<br />
Produzent.<br />
24<br />
25
VAN ZANDT: Ja, weil ich nur Dinge tue, die ich kontrollieren<br />
kann. Für diese Serie musste ich allerdings<br />
ein wenig aus meiner Komfortzone raus. So ein Projekt<br />
bringt viele Risiken mit sich.<br />
INTERVIEW: In dem Fall gilt das offenbar auch für die<br />
Figur, die Sie spielen. In der ersten Folge von Lilyhammer<br />
findet Frank auf der Straße einen abgehackten<br />
Schafskopf. Wussten Sie, dass Schafsköpfe in<br />
Nordeuropa als Delikatesse gelten?<br />
VAN ZANDT: Nein! (lacht) So ging es mir schon mit<br />
meinen italienischen Großeltern. Mein Opa hat alles<br />
gegessen. Ich bin da weniger abenteuerlustig. Alles, was<br />
auch in einem Zoo stehen könnte, esse ich nicht.<br />
<strong>Interview</strong> HELLA SCHNEIDER<br />
LILYHAMMER IST SONNTAGS UM 22 UHR<br />
AUF TNT SERIE ZU SEHEN<br />
„WAS MACHEN<br />
DIE LEUTE MIT<br />
DEINEN AUTO-<br />
GRAMMEN?”<br />
WESTBAM, 48, weiß<br />
die Vorteile von Fotos<br />
gegenüber Unterschriften<br />
zu schätzen<br />
WESTBAM: Entschuldigung, ich muss nur noch fürs<br />
Wochenende ein paar Autogramme schreiben. Ich<br />
hoffe, das macht dir nichts aus. Reden und nebenbei<br />
Autogramme schreiben geht, glaube ich, ganz gut.<br />
INTERVIEW: Also, wenn es dich nicht stört, soll es für<br />
mich kein Problem sein.<br />
WESTBAM: Gut, sag mir doch schnell, dein <strong>Interview</strong>,<br />
soll das einen Schwerpunkt haben?<br />
INTERVIEW: Nein, ich dachte, wir reden einfach.<br />
WESTBAM: Ah, es geht um Konversation, sehr gut.<br />
Ich habe nämlich ein großes Labertalent, das habe<br />
ich schon vor langer Zeit festgestellt.<br />
INTERVIEW: Das ist doch die beste Voraussetzung.<br />
WESTBAM: Viele DJs haben das nämlich nicht. <strong>Die</strong><br />
kompensieren ihren Mangel an Labertalent dadurch,<br />
dass sie Musik auflegen. Da müssen sie nicht quatschen,<br />
können aber trotzdem in der Disse glänzen.<br />
INTERVIEW: Und du könntest wahrscheinlich sogar<br />
quatschen und auflegen?<br />
WESTBAM: Na, das weiß ich jetzt nicht. Was zum<br />
Beispiel gar nicht geht, ist Autogramme schreiben<br />
und auflegen. Ich erinnere mich, dass mich das früher<br />
mal genervt hat. Heutzutage ist das nicht mehr so<br />
schlimm. Heute wollen die Leute immer Fotos.<br />
INTERVIEW: Wieso nerven Autogramme mehr?<br />
WESTBAM: Weil man meistens einen nassen Zettel<br />
und einen Kugelschreiber gereicht bekommt. Und<br />
dann kommt gleich der Nächste, was wiederum ein<br />
Dritter sieht, der eigentlich kein Autogramm gewollt<br />
hätte, aber weil er die anderen beiden jetzt gerade<br />
beim Autogrammholen gesehen hat, denkt er, vielleicht<br />
braucht er zur Not auch eins, und reißt sich ein<br />
Stück von der Zigarettenpackung ab und sagt dann:<br />
PEOPLE/SmallTALK<br />
„Kannst du da auch noch mal?“ Das nervt beim Auflegen<br />
dann doch sehr. Da finde ich das mit den Fotos<br />
viel schöner, denn die Fotos macht man ja meistens<br />
vorher oder nachher.<br />
INTERVIEW: Und das machst du gern?<br />
WESTBAM: Jaja. Aber ich kenne viele Kollegen, die<br />
sagen: „Also, Fotos, ich weiß nicht …“<br />
INTERVIEW: Du meinst Umarmungsfotos?<br />
WESTBAM: Genau. Mit Danebenstellen und Lächeln.<br />
Viele DJs mögen diese Fotos nicht, weil die<br />
Angst besteht, dass sie im Netz landen.<br />
INTERVIEW: Und das sollen sie nicht?<br />
WESTBAM: Nein, weil man dann<br />
sehen kann, für wen sie aufgelegt<br />
haben. Vielleicht sind die Leute<br />
zu dick, und die Schminke<br />
hängt auf halb sieben, und<br />
Schweißflecken gibt es auch<br />
noch. Da sagen die: „Nee,<br />
Fotos machen wir nicht.<br />
Du bist zu hässlich.“ Das<br />
ist grausam und undankbar,<br />
wie ich finde.<br />
INTERVIEW: Vielleicht haben<br />
diese DJs in Wirklichkeit Angst<br />
vor ihrer eigenen Hässlichkeit.<br />
Nach einer durchfeierten Nacht kann<br />
es ja mitunter passieren, dass man nicht<br />
mehr ganz frisch aussieht.<br />
WESTBAM: Natürlich.<br />
INTERVIEW: Was machen die Leute überhaupt mit<br />
deinen Autogrammen?<br />
WESTBAM: Keine Ahnung. Vielleicht werden die getauscht.<br />
Tausche 30 Westbam-Autogramme gegen<br />
einmal Ronaldo! Ich selbst besitze übrigens drei<br />
Auto gramme. Das eine ist von Klaus Fischer, das<br />
zweite von Afrika Bambaataa, und das dritte ist von<br />
<strong>Die</strong>go Armando Maradona.<br />
INTERVIEW: Das ist eine gute Auswahl.<br />
WESTBAM: Finde ich auch. Maradona hat mir seins<br />
sogar gewidmet, und zwar auf seinem Argentinien-<br />
Trikot. Da steht drauf: „A Westbam con cariño <strong>Die</strong>go<br />
Maradona!“<br />
INTERVIEW: Der wusste, wer du bist?<br />
WESTBAM: Na ja, ich hatte Freunde in Buenos Aires,<br />
und die hingen mit dem ab und wussten, dass ich<br />
großer Fan war, und haben mir das Autogramm besorgt.<br />
Mit anderen Worten: <strong>Die</strong> haben ihm erklärt,<br />
wer ich bin – oder vielleicht haben sie es ihm auch<br />
nicht erklärt und ihm nur etwas hingelegt und gesagt:<br />
„Unterschreib mal hier!“ Ich glaube, er ist für<br />
mich viel wichtiger als ich für ihn.<br />
INTERVIEW: Kaum vorstellbar.<br />
WESTBAM: Ja, aber in diesem einen Moment hat der<br />
<strong>Die</strong>go für mich getan, was ich jetzt gerade für all diese<br />
Menschen tue.<br />
INTERVIEW: Du sorgst dich.<br />
WESTBAM: Und auch da passiert es mir immer wieder,<br />
dass ich Leute treffe, die sagen: „Erinnerst du<br />
dich gar nicht mehr an mich? 95? Da warst du da in<br />
diesem Club, wir haben miteinander geredet.“ Und<br />
ich sage: „Ja, was haben wir denn bloß miteinander<br />
geredet?“ Und dann geht es um zwei Sätze, die man<br />
miteinander gewechselt hat, sozusagen zwischen Tür<br />
und Angel. <strong>Die</strong> Sätze sind mir allerdings meist nicht<br />
mehr ganz erinnerlich. Dann sagen die Leute immer:<br />
„Na, der Westbam, der ist auch ein bisschen<br />
arrogant geworden …“ Denn sie selber erinnern sich<br />
natürlich mit großer Klarheit an diesen Moment.<br />
INTERVIEW: Ist es nicht beängstigend, dass es Leuten<br />
26<br />
Iggy POP<br />
(...)<br />
Kanye WEST<br />
Richard BUTLER<br />
WEEKEND WARRIOR:<br />
WESTBAM<br />
so wichtig ist, was du vor langer Zeit<br />
im Vorbeigehen zu ihnen gesagt hast?<br />
WESTBAM: Ja, klar. Aber um es in meine<br />
Erfahrungswelt zu übersetzen: Wenn ich vor 20 Jahren<br />
Maradona getroffen und etwas zu ihm gesagt<br />
hätte, dann wüsste ich auch noch, welche Sätze das<br />
gewesen wären. Ich gehe deswegen aber nicht davon<br />
aus, dass auch er noch wüsste, was ich gesagt hätte.<br />
Womit ich mich natürlich nicht mit Leuten auf eine<br />
Stufe stellen will, die direkt aus dem Olymp zu uns<br />
kommen, das war nur ein Beispiel.<br />
INTERVIEW: Natürlich.<br />
WESTBAM: Ich war übrigens einmal mit Andreas<br />
Gursky auf der Mayday, und wir gehen da so durch<br />
die Gegend, und ein paar Raver kommen auf uns zu.<br />
<strong>Die</strong> erkennen mich, zücken ihre Kamera, geben sie<br />
Gursky und sagen: „Mach mal ’n Foto!“ Der macht<br />
es denn auch, but little did they know, dass sie quasi<br />
das Werk eines weltberühmten Fotografen auf ihrem<br />
Apparat haben.<br />
INTERVIEW: Einen echten Gursky!<br />
WESTBAM: So sieht es aus. Wahrscheinlich längst<br />
gelöscht.<br />
INTERVIEW: Wir können Gursky als Überleitung zu<br />
deinem neuen Album nehmen. Außer ihm singen<br />
praktisch alle darauf mit: Iggy Pop, Kanye West, Richard<br />
Butler, Bernard Sumner, Lil Wayne. Eigentlich<br />
finde ich Alben mit so vielen Sängern schlimm.<br />
Deines mag ich hingegen sehr.<br />
WESTBAM: Ja, das kann ich nachvollziehen, und ich<br />
bin da auch ein bisschen stolz drauf. Eine Platte mit<br />
seinen Lieblingssängern aufnehmen kann ja jeder.<br />
INTERVIEW: Du meinst, jeder kann Kanye West und<br />
Iggy Pop dazu überreden, mal ein Lied zu singen.<br />
WESTBAM: Nein. Was nicht jeder kann, ist, die Platte<br />
so aufzunehmen, dass sie nicht nur nach einer<br />
Lieder sammlung klingt. All die Sänger zu besorgen<br />
war nicht mein Verdienst. Das hat der Guido gemacht.<br />
INTERVIEW: Ich weiß zwar nicht, wer der Guido ist,<br />
aber das hat er gut gemacht.<br />
INTERVIEW: Oh ja, das hat er.<br />
<strong>Interview</strong> HARALD PETERS<br />
WESTBAMS GÖTTERSTRASSE<br />
ERSCHEINT AM 26. APRIL BEI UNIVERSAL<br />
Foto: Andrea Stappert
SUPERSTAR<br />
VEERLE BAETENS<br />
VERZWEIFELT IN FLANDERN: DER NEUE<br />
STAR DES BELGISCHEN FILMS<br />
EIGENTLICH ÜBERHAUPT NICHT KLEINKARIERT: VEERLE BAETENS IN EINEM KLEID VON AKRIS<br />
Veerle Baetens trägt neuerdings eine Spange.<br />
<strong>Die</strong> musste die 35-jährige Belgierin<br />
bereits als Titelfigur der Serie Sara tragen,<br />
der flämischen Version der kolumbianischen<br />
Telenovela Betty La Fea, die für das deutsche<br />
Fernsehen als Verliebt in Berlin adaptiert wurde. Damit<br />
sie die Rolle des hässlichen Entleins glaubhaft<br />
verkörpert, verpasste ihr der Maskenbildner eine<br />
Klammer, die allerdings derart mangelhaft gefertigt<br />
war, dass der angerichtete Schaden nur noch durch<br />
ein kieferorthopädisch einwandfreies Gerät wieder<br />
behoben werden konnte. Veerle Baetens lächelt, als<br />
nehme sie es sportlich.<br />
Hätten die Dreharbeiten zu The Broken Circle zu<br />
vergleichbaren Kollateralschäden geführt, wäre sie<br />
jetzt kreuz und quer tätowiert. In ihrem neuen Film<br />
28<br />
spielt sie die Tattoostudio-Besitzerin Elise, die selbst<br />
ihre beste Kundin ist und sich in Didier verliebt, der<br />
im belgischen Flachland von den Weiten Amerikas<br />
träumt und einen Cowboyhut trägt. Gemeinsam singen<br />
sie in einer Bluegrass-Band, bis das Leben sie auf<br />
denkbar schicksalhafte Weise entzweit.<br />
Wüsste man nicht, dass es sich bei The Broken<br />
Circle um das neueste Werk des belgischen Regisseurs<br />
Felix Van Groeningen handelt, der mit <strong>Die</strong> Beschissenheit<br />
der Dinge längst eindrucksvoll gezeigt hat,<br />
dass er über einen ganz eigenen Blick auf die Welt<br />
verfügt – wüsste man das nicht, würde man um den<br />
Film wohl einen Bogen machen. Aber The Broken<br />
Circle ist ein Hit: Publikumspreis bei der diesjährigen<br />
Berlinale, „Europa Cinemas Label“-Preis als bester<br />
europäischer Film sowie nach jeder Vorstellung Wagenladungen<br />
nass geheulter Taschentücher unter den<br />
Sitzreihen. In Belgien ist Baetens dank Sara und The<br />
Broken Circle bereits ein Star. „Aber ich werde nie erkannt,<br />
weil ich die Frisur so oft ändere.“<br />
Es hilft natürlich, dass sie über eine Musiktheaterausbildung<br />
verfügt und die traurigen Filmsongs so<br />
traurig vortragen kann, dass man es kaum noch aushält.<br />
„Dabei habe ich Bluegrass und Country immer<br />
gehasst“, sagt Baetens. Das lag daran, wie im Country<br />
gesungen wird, so verschnörkelt. Sie singt anders,<br />
mehr geradeaus. Kurz bevor The Broken Circle am<br />
25. April startet, wird sie mit der Band aus dem Film<br />
vier Konzerte in Deutschland geben (facebook.com/<br />
BrokenCircleFilm).<br />
Von HARALD PETERS<br />
Foto JONAS LINDSTRÖM<br />
Styling NIKI PAULS/SHOTVIEW<br />
Haare BY WELLA PROFESSIONALS<br />
Make-up BY MAC
SUPERSTAR<br />
ÉDOUARD NARDON<br />
NEUE KUNST AUS NEW YORK:<br />
DER FRANZOSE ÉDOUARD<br />
NARDON TRITT DIE FLUCHT<br />
NACH VORN AN<br />
KLINISCH-MINIMAL: DER KÜNSTLER ÉDOUARD NARDON, 34<br />
Er konnte sie nicht berühren, nicht ansehen,<br />
nicht wegräumen, nicht einmal<br />
wegschmeißen. Also ließ Édouard Nardon<br />
all die Laken und Bezüge, Shirts und<br />
Shorts einfach in der Ecke seines Studios liegen, als<br />
Mahnmal für Erika, als mahnendes Mal an sich selbst.<br />
Sie war einfach gegangen, Erika, eines Morgens im<br />
Jahr 2010. Zurück nach Europa wolle sie, zurück auf<br />
den Laufsteg, hatte sie gesagt, die eigenen Träume leben<br />
und nicht die von ihm, von Édouard, mit dem<br />
Erika nach New York gezogen war, weil er sich hier als<br />
Künstler finden wollte.<br />
Ein Jahr ließ Nardon, aufgewachsen in Bordeaux,<br />
die Schmutzwäsche der Trennung liegen. Dann kniete<br />
er sich vor den Berg und fing an, das Konvolut zu bearbeiten,<br />
Tuch um Tuch zu verbinden, und knotete so<br />
aus den Leinen des gemeinsamen Lebens ein Seil –<br />
ein Fluchtseil, wie man es aus Gefängnisfilmen kennt.<br />
Bei seiner Werkschau in der Lower East Side von<br />
Manhattan in der Galerie White Box zwischen Bowery<br />
und Chinatown, dort also, wo New York noch<br />
Neues atmet, ist das Trauerseil das zentrale Werk.<br />
Heute trägt es den Titel See You In Rio. Zwar hängt es<br />
am Rand neben einer Wendeltreppe, doch dort ist es<br />
wohlplatziert: Nardon flieht nicht mehr, er ist damit<br />
in die Kunstwelt eingebrochen. <strong>Die</strong> Besucher der<br />
Vernissage, die sich an diesem Freitagabend im Februar<br />
einfinden, sind wegen ihm zur Gruppenausstellung<br />
gekommen. <strong>Die</strong> beiden anderen Künstler werden<br />
begrüßt, der Franzose umringt. Ganz geheuer ist<br />
ihm das Bohei um seine Person und seine minimalistischen<br />
Exponate nicht. Sein liebster Kommentar am<br />
Abend: „Oui mais non.“ Es amüsiert ihn, was die Besucher<br />
in den neun Seifen sehen, die in quadratischen<br />
Plastiktütchen an die Wand genagelt sind. „Minimalklinisch“,<br />
deutet eine Dame mit strengen, weißen<br />
Haaren, der eine der großen Galerien weiter oben in<br />
der Stadt gehören soll – sie hätte auch klinisch-minimal<br />
sagen können –, jedenfalls sieht man den Seifen<br />
Nardons Schmerz nicht an. Vielleicht hängen sie dafür<br />
zu akkurat.<br />
Neuf nennt Nardon die Installation, eine Anspielung<br />
an die neun Leben einer Katze. Er habe einiges<br />
erlebt in seiner Jugend, die Knastthematik komme<br />
nicht von ungefähr. Wirklich reden will der Künstler<br />
darüber nicht. Stattdessen lächelt er. Es ist das Lächeln<br />
eines Mannes, der weiß, wie es unten aussieht –<br />
und wie man ein Seil knüpft, um von dort abzuhauen.<br />
Anselm Kiefer<br />
Der rhein<br />
13. April - 14. september 2013<br />
GAlerie bAstiAn · Am KupferGrAben 10 · 10117 berlin<br />
30<br />
Von JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />
Foto CLÉMENT PASCAL
wow!<br />
RETROMANIA.<br />
DINGE<br />
VON GESTERN<br />
FÜR HEUTE<br />
1<br />
FESTNETZANSCHLUSS<br />
Jetzt, da kaum noch jemand einen hat,<br />
weiß man die Tragweite eines Festnetzanschlusses<br />
erst zu erfassen. Denn bei einem<br />
Festnetzanschluss handelt es sich nicht,<br />
wie gemeinhin angenommen, nur um<br />
einen festen Anschluss, der einen beim<br />
Telefonieren zu einer gewissen Immobilität<br />
zwingt. Der Festnetzanschluss garantiert<br />
darüber hinaus, was nicht ganz unwichtig<br />
ist, auch ein festes Netz. Das<br />
wiederum ist bei einem mobilen Anschluss<br />
ganz und gar nicht gewährleistet. Wir<br />
würden sogar sagen: immer weniger. Sofern<br />
man sich bewegt. Und weil Bewegung<br />
der Stabilität einer mobilen Verbindung<br />
im Wege steht, wird man auch ohne Festnetzanschluss<br />
beim Telefonieren zu einer<br />
gewissen Immobilität gezwungen, und das<br />
kann ja nicht der Sinn der Sache sein.<br />
WOW!<br />
LIEBE<br />
So vollkommen unironisch.<br />
AnjA RUbIK<br />
UnD GIUsePPe<br />
ZAnottI:<br />
DAs MoDeL<br />
UnD<br />
DeR PRoFI<br />
Rubik’s shoe<br />
Völlig klar, warum Giuseppe Zanotti sich an anja Rubik<br />
klammert: <strong>Die</strong> schuhe, die das Topmodel zusammen mit dem italienischen<br />
Schuhdesigner entworfen hat, sind so hot, dass Gefahr besteht, dass die<br />
Dame sich mit dem limitierten kontingent auf- und davonmacht.<br />
Foto PAoLA KUDACKI<br />
Fotos: Paola Kudacki; Swimmingpool Nr.1, 2006, Ingmar Alge, Hatje Cantz; www.acnestudios.com<br />
BOCKSHORNKLEE<br />
Vor Kurzem erfand der Kollege den grandiosen<br />
Begriff „Autorenkäse“. Jetzt kommt dieser<br />
endlich zur Anwendung. Denn es geht um<br />
das viel zu selten verwendete Gewürz Bockshornklee<br />
aus der Familie der Schmetterlingsblütler,<br />
das – in pulverisierter Form – auf<br />
Pasta ähnlich gut wie sein enger Verwandter,<br />
der Schabzigerklee, zur Geltung kommt.<br />
Seinen schönsten Auftritt hat der Bockshornklee<br />
– als ganzer Samen – allerdings in Käse.<br />
Im Bockshornkleekäse etwa, einer ganz klassischen<br />
Form des Autorenkäses.<br />
BROTKASTEN<br />
Wenngleich sperrig, ist ein Brotkasten auch<br />
wahnsinnig praktisch. Nie wieder trockener<br />
Knust!<br />
KÄSEGLOCKE<br />
Wie der Brotkasten gehört die Käseglocke<br />
zu der Küchenutensiliengattung der Aufbewahrungsbehältnisse.<br />
Doch im Unterschied<br />
zum Brotkasten lassen sich unter der Käseglocke<br />
auch andere Dinge lagern, meist gar<br />
mit ästhetischem Gewinn. Das hat vor<br />
allem mit der gläsernen Kuppel zu tun,<br />
unter der einfach alles kostbar und prächtig<br />
erscheint, sofern man sie nur fleißig poliert.<br />
BUSSE<br />
Kennt noch jemand diese Doppeldeckerbusse,<br />
wo es unten ganz hinten diese<br />
Vierer sitzgruppen gibt, bei denen sich pro<br />
Fahrt mindestens ein Fahrgast so dermaßen<br />
den Kopf an der Haltestange stößt? Man<br />
müsste echt mal wieder mehr Bus fahren.<br />
KÖRPERPFLEGESETS<br />
Im Grunde ist es einfach: Damit es nicht<br />
zu einem unschönen Duftclash kommt,<br />
braucht man Shampoo, Seife und Lotion<br />
aus einer Serie. Andererseits ist es wie mit<br />
Kaufhäusern: In ihrer Gesamtheit betrachtet<br />
machen sie Sinn – doch beschäftigt<br />
man sich mit einzelnen Abteilungen,<br />
lohnt es sich, zum Spezialisten zu gehen.<br />
RAUS HIER!<br />
Der bei Hatje Cantz erschienene Bildband mit einem Überblick über die Werke<br />
des österreichischen Malers Ingmar Alge ist wie eine Reise, die man aus spontanem<br />
Fernweh antritt, um dann an einem Ort zu landen, an dem es nicht mehr<br />
weitergeht – außer ins Selbst. Über den Bildern schwebt stets die Erkenntnis der<br />
Endlichkeit. Und so lässt uns Alge rastlos fasziniert durch sein Œuvre treiben.<br />
Auch wenn die Werke aus verschiedenen Jahren stammen, sind sie scheinbar<br />
auf zarte Art miteinander verbunden, sodass sie auch als buchgewordenes<br />
Roadmovie funktionieren. Am liebsten möchte man sofort in sein Auto steigen<br />
und hinfahren, zu den einsamen Seelen, glänzenden Swimmingpools und<br />
geheimnisvoll abweisenden Gebäuden.<br />
er<br />
INGMAR ALGE: NIMM MICH MIT<br />
AUF DIE REISE<br />
ICH WILL ’NEN<br />
COWBOY ALS MANN<br />
Der amerikanische Fotograf Bruce Bellas mochte<br />
männ liche Archetypen, vorzugsweise mochte<br />
sie nackt. Unter dem schönen Namen Bruce of<br />
Los Angeles ist Bellas (1909–1974) in die<br />
Nacktfotografie geschichte eingegangen<br />
und gilt als Wegbereiter für Robert<br />
Mapplethorpe und Herb Ritts. Das<br />
schwedische Modehaus Acne hat<br />
sich aus Anlass seiner „Rodeo<br />
Collection“ nun der Cowboyfotos<br />
von Bruce Bellas angenommen<br />
und sie zu dem 190-sei tigen,<br />
OHNE<br />
HOSE<br />
RAUF AUFS<br />
HEMD: ACNE<br />
von Vince Aletti kuratierten<br />
Buch Rodeo zusammengefasst,<br />
das auf 500 Exemplare limitiert<br />
ist. Wer davon keins abbekommt (sehr wahrscheinlich),<br />
kann sich mit Hemd, Hose, Stiefel und anderen nicht<br />
ganz so limitierten Kleidungsstücken trösten, die dem<br />
Cowboythema verpflichtet sind. Präsentiert wird alles im<br />
Mai in New York. Yeehaw!<br />
32<br />
33
KÖNIGINNEN<br />
Call me Maybe! Der Bildband Warhol’s Queens<br />
von Hatje Cantz vereint Andys glamouröseste Diven<br />
auf Polaroid.<br />
Süße OHNMACHT<br />
Adieu, du graue Welt: Das Nr. 244 Cuvée von Bergamotte<br />
und Bourbon-Vanille aus dem Hause Stählemühle<br />
überwältigt nasal, geschmacklich und haptisch.<br />
<strong>Die</strong>ses Destillat schickt die Geschmacksnerven<br />
auf eine komplexe, exotische<br />
Reise und funktioniert,<br />
nicht nur zur Not, auch als<br />
Parfüm. Ab sofort werden<br />
die Zauberflüssigkeiten aus<br />
dem Schwarzwald zudem<br />
in einer neuen, vom Berliner<br />
Gestalter Mark Braun<br />
entworfenen Braunglasflasche<br />
abgefüllt, die an das<br />
Design historischer Ätherflaschen<br />
angelehnt ist.<br />
WOW!<br />
Ab die POST<br />
<strong>Die</strong> Aussage „Ich bin auf der Post“ wird zumindest in<br />
München einen ganz anderen Klang erhalten, wenn<br />
dort am 25. April das erste Louis Vuitton Maison in<br />
Deutschland eröffnet wird. Als Ort fand man das<br />
Gebäude in der Residenzstraße angemessen, das<br />
König Ludwig I. 1838 für das Zustellen von Briefen<br />
erbauen ließ. Das heißt Luxus auf drei Etagen,<br />
Ende 2013 soll darin die Eröffnung des Kunstraumes<br />
Espace Louis Vuitton folgen.<br />
WIE GEMALT:<br />
LOUIS VUITTON IN DER RESIDENZPOST<br />
SMART!<br />
DER DESIGNER DAMIR DOMA UND<br />
MORITZ KRÜGER VON MYKITA ÜBER<br />
IHRE ZUSAMMENARBEIT<br />
Was war zuerst da: die Kollektion oder die Brille? Das<br />
sind eigenständige Projekte. Themen wie die Farben<br />
der Kollektion und das Material können aber<br />
auch interessant sein für die Entwicklung der Brillen.<br />
– Wie bezieht sich das eine auf das andere? <strong>Die</strong><br />
Schönheit der Modelle liegt im Offenlegen der<br />
Konstruktion. <strong>Die</strong> Mixtur aus kühlen und warmen<br />
Elementen erzeugt einen Kontrast, der auch an die<br />
charakteristische Mischung aus groben, steifen<br />
Stoffen und fließend-weichen Texturen in Damirs<br />
Kollektionen erinnert. Generell werden Accessoires<br />
immer wichtiger – eine Brille kann den Look<br />
vollenden und ihn teilweise auch bestimmen. –<br />
Macht diese Brille schlauer? <strong>Die</strong> Form lässt Assoziationen<br />
an einen versunkenen Kaffeehaus-Intellektualismus<br />
aufkommen. Mit der Brille sieht man<br />
schlauer aus. Es wäre toll, wenn sie auch schlauer<br />
machen würde. – Welche Materialien wurden verwendet<br />
und warum? Basierend auf der Ursprungsform<br />
DD04, die sich an die 30er-Jahre anlehnt, haben<br />
wir mit den verwendeten Materialien Bezug<br />
auf verschiedene Epochen genommen. <strong>Die</strong> Brillen<br />
DD02 und DD03 sind aus klarem Acetat und unsere<br />
zeitgemäße Interpretation eines modernen<br />
und zugleich technischen Produkts. Das Modell<br />
DD01 markiert bereits den Übergang ins Futuristische.<br />
Hier treffen stark kontrastierende Materialien<br />
wie Gold, Grafit und Platinum auf natür liches<br />
Büffelhorn. Werkstoffe, die seit jeher in der Brillenproduktion<br />
eingesetzt werden, aber nicht in<br />
dieser Kombination. – Bester Tipp, um seine Brille<br />
nicht zu verlieren? Aufsetzen. – Bester prominenter<br />
Brillenträger aller Zeiten? Le Corbusier – Unter<br />
welchen Umständen lässt sich eine Sonnenbrille auch<br />
im Dunkeln tragen? Unter keinen Umständen. Das<br />
dürfen nur Ray Charles oder Heino.<br />
Auf den KLOTZ gekommen<br />
<strong>Die</strong> Extravaganz von Karl Lagerfeld hat einen<br />
neuen Höhepunkt erklommen: Für die aktuelle<br />
Taschenkollektion von Chanel verpflichtete der<br />
Visionär Designer aus dem dänischen Hause Lego.<br />
Herausgekommen ist eine gut gelaunte Kollektion,<br />
die sich auch noch praktisch im Schrank<br />
stapeln lässt … <strong>Die</strong>se Geschichte stimmt natürlich<br />
nicht! Dennoch freuen wir uns, dass Karl auf<br />
den Klotz gekommen ist.<br />
Fotos: Drag Queen(Helen/Harry Morales), 1974; Self-Portrait in Drag, 1981; Princess Caroline of Monaco, 1983, Collection of The Andy Warhol Museum, Pittsburgh,© 2013 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc.(3); Crown Princess Sonja, 1982, Collection of Henriette Dedichen/<br />
Kristine and Thor Johan Furuholmen, Norway © 2013 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc./Hatje Cantz; MYKITA/Damir Doma; Chanel; Louis Vuitton; Laurèl; Roberto Cavalli; Mr. Jan Grombirik; Rolex; Baume & Mercier; Cartier; Patek Philippe; Tag Heuer<br />
2-in-1-KUNST<br />
Für alle, die sich gerne<br />
ein Gemälde um den<br />
Hals binden würden,<br />
bisher aber aus praktischen<br />
Gründen<br />
(Leinwand! Holzrahmen!)<br />
daran<br />
gescheitert sind.<br />
Laurèl hat in der<br />
Edition „Art to wear“<br />
Gemälde des Künstlers<br />
Jo Netzko auf Seide<br />
gedruckt, die so schön<br />
sind, dass man sie auch<br />
an die Wand hängen<br />
könnte.<br />
Tour de Barbie<br />
BLUE<br />
FLAMINGO<br />
WOW!<br />
DIE<br />
METALL-<br />
REIFKETTE<br />
VON<br />
ROBERTO CAVALLI IN VOGEL-<br />
OPTIK DÜRFTEN SICH SELBST PASSIONIERTE<br />
ORNITHOLOGINNEN GERNE UM DEN HALS LEGEN.<br />
Ein neues Image für die Tour de France: Ab sofort treten nur Frauen in die Pedale, und zwar auf der<br />
Rad-Kreation „Motol“ von Mattel. Das Ergebnis: ein spektakuläres pinkfarbenes Blitzlichtgewitter. Der<br />
Nachteil: Erst fünf Stück wurden davon angefertigt – aber für die Tour de France immerhin ein Anfang.<br />
MEHR ZEIT für FARBE:<br />
Damen-UHREN<br />
Da der Blick auf eine schöne Uhr nach wie vor die viel<br />
galantere Art ist, die Zeit abzulesen – und man die dämlichen<br />
Handys in den Untiefen einer anständigen Handtasche<br />
ohnehin nie findet, wenn man wissen muss, wie lange das<br />
KaDeWe noch offen hat: hier ein paar Inspirationen, um sich<br />
den Frühling ans Handgelenk zu binden.<br />
ROLEX<br />
Man beachte die geriffelte Lünette!<br />
<strong>Die</strong> Designer dieser „Oyster<br />
Perpetual Datejust” hatten offenbar<br />
ein Zusammenspiel der<br />
Farben und Schattierungen<br />
im Sinn. Das Gehäuse ist aus<br />
18-Karat-Everose-Gold, das<br />
Armband aus roséfarbenem<br />
Leder. Zu haben ist sie<br />
für 17 200 Euro.<br />
CARTIER<br />
<strong>Die</strong> „Tank Anglaise” nimmt die<br />
Stärken der „Tank” auf und lässt<br />
die Linienführung noch perfekter<br />
wirken. Ab Juni wird das Modell<br />
endlich auch mit farbigen Lederbändern<br />
erhältlich sein. Eine<br />
andere Option, die den Käufern<br />
offensteht: mit oder ohne<br />
Diamanten. Eine Entscheidung,<br />
die entweder mit 20 100 oder<br />
8 200 Euro zu Buche schlägt.<br />
TAG HEUER<br />
Der Preis für den schönsten<br />
Uhrenmodellnamen geht an<br />
Tag Heuers „Link Lady”, deren<br />
Markenbotschaft erin übrigens<br />
Cameron Diaz ist. Das Gehäuse<br />
besteht aus 18-Karat-Roségold,<br />
das Ziffernblatt ist mit<br />
Diamanten besetzt. Zu<br />
kaufen ist sie für 8 750 Euro.<br />
BAUME & MERCIER<br />
Ab Mitte April gibt es die „Linea<br />
10115” von Baume & Mercier in<br />
limitierter Aufl age auch mit einem<br />
Armband in der Farbe Orange.<br />
Das Werk ist aus Quarz, das Glas<br />
aus entspiegeltem Saphir und<br />
das Gehäuse aus poliertem und<br />
satiniertem Stahl. Zu erwerben ist<br />
das Modell für 1 650 Euro.<br />
PATEK PHILIPPE<br />
Das Gehäuse der „7071G-011”<br />
ist aus Weißgold, der Boden aus<br />
Saphirglas, und auf dem Höhenring<br />
– wir haben gezählt – sitzen<br />
116 Diamanten. Das entschlossen<br />
sportlich-elegante Modell, das<br />
von einem handgenähten<br />
Alliga tor lederband am Arm<br />
gehalten wird, gibt es<br />
für 74 100 Euro.<br />
34<br />
35
2<br />
<strong>Die</strong> Londonerin<br />
PUNK IM<br />
SCHRANK 1–3<br />
Wer?<br />
<strong>Die</strong> Londonerin<br />
CLAIRE<br />
BARROW.<br />
Für wen?<br />
Für alle<br />
Romantiker,<br />
die Punk<br />
mit New<br />
Wave<br />
und Grunge<br />
verwechseln.<br />
Wer?<br />
<strong>Die</strong> Dänin ANNE<br />
SOFIE MADSEN.<br />
Für wen?<br />
Für alle,<br />
die sich<br />
noch nicht<br />
entschieden<br />
haben, ob<br />
sie lieber<br />
Junkie oder<br />
Elfe sein wollen.<br />
Wer?<br />
<strong>Die</strong> Londonerin<br />
LOKO YU.<br />
Für wen?<br />
Für alle, die sowohl<br />
von einer rebellischen<br />
Vergangenheit als<br />
auch einer<br />
apokalyptischen<br />
Zukunft<br />
träumen.<br />
Das wahre Märchen<br />
vom perfekten Schuh<br />
Er hat nicht nur ein eigenes Schuhimperium<br />
geschaffen, sondern<br />
unterhält auch ein nach ihm benanntes<br />
Museum in Florenz, in dem er jetzt sein<br />
eigenes Lebenswerk präsentiert. Bei<br />
anderen könnte das unbescheiden ken, bei Salvatore Ferragamo erscheint<br />
wires<br />
uns völlig angemessen: The Amazing<br />
Shoemaker – Fairy Tales and Legends<br />
about Shoes and Shoemakers läuft<br />
bis Ende März 2014.<br />
Wanderschuhe anziehen<br />
und hinpilgern!<br />
WOW!<br />
D, D und D.D.<br />
Das waren noch Zeiten: Der King of Pop und die Princess of Wales strahlten im Satin- und Fantasy-Armee-Outfit um die<br />
Wette. Der von Tod’s unterstützte Bildband Timeless Icon über die Stilikone Diana zeigt zudem, dass die Prinzessin trotz<br />
ausreichender Ressourcen und stellarer Bekanntheit fast immer dieselbe Tasche mit sich herumtrug: die „D-Bag“ von<br />
Tod’s. Für alle, die ein ähnlich symbiotisches Verhältnis zu ihrer Handtasche pflegen, hat Tod’s nun den Klassiker sanft<br />
überarbeitet. <strong>Die</strong> „D.D.Bag“ begleitet moderne Prinzessinnen durch den Alltag und das abendliche Protokoll.<br />
ER IST’S<br />
Er ist ein Hummer, er heißt Victor,<br />
er ist aus 18-Karat-Gold, und er wird<br />
auf Bestellung innerhalb von drei<br />
Wochen von Marie Beltrami handgefertigt.<br />
Ach ja, er ist auch noch<br />
eine Brosche, aber das ist von profaner<br />
Nebensächlichkeit.<br />
QUEEN BEE<br />
Praktisch: <strong>Die</strong>se Plateausandalen von Alexander McQueen mit Bienen-<br />
applikationen und Honigkristallen eignen sich für Schuhfetischistinnen<br />
und Imkerinnen gleichermaßen. Wir schlagen vor, dass sie vom deutschen<br />
Imkerverband offiziell als Arbeitskleidung deklariert werden.<br />
Warum nicht auch für die männliche Belegschaft?<br />
36<br />
ZUSCHNAPPEN,<br />
SOLANGE ER GLÄNZT:<br />
HUMMER VICTOR<br />
VON MARIE BELTRAMI<br />
Fotos: Mimmo Paladino, Museo Salvatore Ferragamo; Olycom/Tod’s (2); catwalking.com; Jens Langkjaer; Loko Yu Studio; Alexander McQueen; Aurélien Allier<br />
wolford.com
WOW!<br />
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DIE LANGE<br />
NAHT<br />
DURCH<br />
DIE INSTITUTIONEN<br />
Fotos: Chanel, 2011 by David Sims; Sid Vicious by Dennis Morris, 1977; Christian Louboutin; Philipp Plein; Converse<br />
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EDITIONS<br />
Wir sind uns nicht ganz sicher, ob es eine gute oder eine schlechte Nachricht ist, dass vermutlich alle<br />
relevanten Jugendkulturen früher oder später auf dem Laufsteg und danach im Museum landen.<br />
Sicher sind wir uns aber, dass die Ausstellung PUNK: Chaos to Couture im New Yorker Metropolitan<br />
Museum of Art Armeen von Feuilletonisten auf das Schlachtfeld dieser Fragestellung schicken wird.<br />
Wer nicht zwischen die Fronten geraten will, macht sich besser ein eigenes Bild davon, wie die<br />
Kleidung des Anti-Establishments nach und nach den Weg durch die Institutionen antrat und dabei<br />
immer verfeinertere Formen annahm. Wer<br />
alles dabei ist? Fuck it! Einfach jeder, der<br />
in der Modewelt Rang und Namen hat.<br />
AUSSTELLUNG<br />
VOM 9. MAI BIS 14. AUGUST 2013<br />
AUA 2!<br />
Und damit er von Anfang an nicht<br />
auf dumme Gedanken kommt: Tragen<br />
Sie diesen Armreif von<br />
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2012 Exemplare<br />
Neue technische Lösung einer<br />
Großtag-/Datumsanzeige.<br />
Begründung der reddot Jury:<br />
„Das Beste aus zwei Welten -<br />
ein futuristisches Erscheinungsbild<br />
mit einem Maximum an<br />
Funktionalität.“<br />
NACHGETRETEN<br />
Converse weiß, was wir bislang alle nur geahnt<br />
haben: Nieten sind das Geheimnis, das den<br />
Punk im Innersten zusammenhält. Kein<br />
Pogo ohne dieses Schuhwerk!<br />
AUA 1!<br />
Der Typ, der Sie den ganzen Abend gelangweilt hat, wird jetzt auch<br />
noch zudringlich? Clutch „Mina“ von Louboutin funktioniert<br />
zum Glück auch als Selbstverteidigungswaffe. That’s punk, darling!<br />
38<br />
Offizieller Ausrüster<br />
39<br />
für<br />
Luft- und Raumfahrt<br />
Erste Uhrenfabrik der Welt<br />
für automatische Armbanduhren
people<br />
“Ich glaube es nur<br />
selten, wenn jemand<br />
etwas Nettes über<br />
mich sagt”<br />
Foto: Mert Alas & Marcus Piggott/Art Partner<br />
people/Rooney Mara<br />
Als Rooney MArA ihren großen durchbruch<br />
als Cyber-engel mit gebrochenen Flügeln in<br />
Verblendung feierte, hatte man Angst, ihr nach<br />
ein bruch der dunkelheit zu begegnen.<br />
In ihrem neuen Film Side Effects wirkt MArA<br />
hingegen ziemlich sediert – ganz anders also als<br />
in diesem gespräch<br />
PORTRäT<br />
MERT AlAS &<br />
MARcuS PiGGOTT<br />
von<br />
Steven Soderbergh<br />
STEVEN SODERBERGH: Rooney, was ich schon immer<br />
wissen wollte: Hattest du am College das Gefühl,<br />
das von allen Typen begehrte Mädchen zu sein?<br />
ROONEY MARA: Ich glaube eher, dass mich dort<br />
niemand mochte.<br />
SODERBERGH: Warum das denn?<br />
MARA: Weil ich keiner Studentenverbindung beitreten<br />
wollte. Ich habe das College dann verlassen.<br />
SODERBERGH: Ach, eigentlich langweilen mich<br />
solche biografischen Dinge ohnehin. Lass uns lieber<br />
über Filme reden. Warum musste David Fincher, als<br />
er mit dir an dem Film Verblendung arbeitete, so viele<br />
Einstellungen drehen?<br />
MARA: Sehr witzig. Ich vermute, weil es so angenehm<br />
ist, mit mir zu arbeiten. Fincher verlängerte sogar<br />
meine Szenen, weil er mich immer am Set haben<br />
wollte. Vielleicht auch, weil ich stur bin und wir beide<br />
eine Art Sturheitswettbewerb am Laufen hatten. Leider<br />
kann man gegen Fincher nicht gewinnen, und ich<br />
muss gestehen, dass er am Ende immer recht hat.<br />
SODERBERGH: Sind die Tattoos eigentlich echt,<br />
oder waren die aufgemalt – hast du in Verblendung das<br />
girl with the dragon tattoo nur gespielt?<br />
MARA: Ja, das war nur gespielt.<br />
SODERBERGH: Hast du wenigstens Hacker-Skills?<br />
Oder war das auch nur für die Kamera?<br />
40<br />
MARA: Leider auch nur gespielt.<br />
SODERBERGH: Mann, Rooney! Warum hast du<br />
eigentlich den Oscar nicht gewonnen?<br />
MARA: Dafür gab es viele Gründe … Ich weiß, du<br />
liebst deinen Oscar sehr. Mein Hund heißt übrigens<br />
Oscar.<br />
SODERBERGH: Als Oscar-Gewinner empfinde ich<br />
diese Information als beleidigend. Übrigens weiß ich,<br />
dass dein Hund findet, dass du stinkst.<br />
MARA: Er schläft gerade direkt neben mir, und er<br />
liebt alles an mir. Gott segne sein kleines Herz.<br />
SODERBERGH: In unserem gemeinsamen Film<br />
Side Effects spielst du eine Frau mit einer klinischen<br />
Depression. Als dein Regisseur muss ich an dieser<br />
Stelle anmerken, dass ich niemals mitbekommen habe,<br />
dass du dich irgendwie auf diese Rolle vorbereitet<br />
hast. Mogelst du dich immer so durch, oder war es<br />
dein Plan, den Film zu torpedieren?<br />
MARA: Das ist der Beweis, dass du am Vorabend<br />
deiner Verrentung aufgehört hast, auf irgendetwas zu<br />
achten. Nur weil du dich überall durchmogelst – wie<br />
zum Beispiel bei diesem <strong>Interview</strong> hier –, habe ich<br />
mich entschlossen, deine Methode zu übernehmen.<br />
SODERBERGH: Na ja, in der ersten Woche der<br />
Dreharbeiten habe ich von dir grundsätzlich immer<br />
das Gegenteil von dem verlangt, was ich eigentlich<br />
von dir wollte. Einfach nur, weil ich wusste, dass du<br />
immer das Gegenteil von allem tun würdest, was ich<br />
von dir verlangen würde.<br />
MARA: Wenn du nicht schon lange dein grundsätzliches<br />
Einfühlungsvermögen verloren hättest, dann<br />
hättest du eventuell gemerkt, dass ich anfangs immer<br />
das getan habe, was du von mir verlangst. Erst mit der<br />
Zeit habe ich angefangen, das Gegenteil zu machen,<br />
langsam und verbittert.<br />
SODERBERGH: Zum Glück waren die Dreharbeiten<br />
sehr kurz. Warum wolltest du für deine Rolle in<br />
kleinen, unnummerierten Scheinen bezahlt werden?<br />
MARA: Zzzzzzzzz …<br />
SODERBERGH: Warum zeigst du dich eigentlich<br />
in jedem Film nackt?<br />
MARA: Ich mache nur, was man mir sagt. Wenn es<br />
sinnvoll ist, dass meine Figur in einer Szene nackt ist,<br />
und ich dem Regisseur vertraue, dann habe ich kein<br />
Problem damit. Wobei ich die Entscheidung, dir zu<br />
vertrauen, im Nachhinein zutiefst bereue. Ich möchte<br />
auch in keine grundlosen nackten Angelegenheiten in-<br />
41
volviert sein, aber ich sehe auch nicht ein, warum man<br />
sich für den menschlichen Körper schämen sollte. Jeder<br />
Mensch auf diesem Planeten hat ähnliche Körperteile<br />
wie ich. Es dürfte also für die Zuschauer kein allzu<br />
großer Schock sein, sich meine anzuschauen.<br />
SODERBERGH: Jetzt ist es an der Zeit, dir die Fragen<br />
zu stellen, die du in normalen <strong>Interview</strong>s bewusst<br />
vermeidest. Zum Beispiel: Hast du Angst, entführt zu<br />
werden?<br />
MARA: Ich versuche, nicht daran zu denken – wobei<br />
meine Sorge eher der Person gilt, die mich entführt.<br />
SODERBERGH: Warum?<br />
MARA: Wenn ich mich bedroht fühle, kann ich<br />
sehr ungemütlich werden. Außerdem droht eine ständige<br />
Unterzuckerung, wenn ich nicht alle paar Stunden<br />
gefüttert werde. Das ist kein Spaß.<br />
SODERBERGH: Mir ist aufgefallen, dass die gesamte<br />
Crew unseres Films dich „Looney Mara“ nannte.<br />
MARA: Hmm …<br />
SODERBERGH: Einige nannten dich auch „Starthilfekabel“,<br />
weil du nie Energie hattest. Findest du das<br />
lustiger?<br />
MARA: Zumindest ist es irgendwie passender, denn<br />
ich spielte ja eine Figur mit einer klinischen Depression.<br />
Der Mangel an Energie war somit Teil meiner von<br />
dir bereits erwähnten schlechten Vorbereitung.<br />
SODERBERGH: Wenn du alleine auf einer einsamen<br />
Insel wärst, wären dann nicht alle anderen Menschen<br />
sehr glücklich?<br />
MARA: Es ist eindeutig, dass du dann ziemlich<br />
glücklich wärst.<br />
SODERBERGH: Rooney, mir ist aufgefallen, dass<br />
du nie irgendetwas liest. Kannst du überhaupt lesen?<br />
MARA: Yes, Sir, ich kann lesen. Mein Brieffreund<br />
ist übrigens Mister Shanley, mein Englischlehrer aus<br />
der neunten Klasse.<br />
SODERBERGH: Das Wort „Brieffreund“ gehört<br />
abgeschafft! Ich lese ja seit Traffic keine Kritiken mehr.<br />
Liest du deine?<br />
MARA: Ja und nein. Einerseits schenke ich dem,<br />
was andere Leute über mich sagen, nicht sehr viel<br />
Glauben. Andererseits bin ich neugierig, was andere<br />
Leute über mich denken – und man will natürlich immer<br />
respektiert werden. Unterm Strich bin ich allerdings<br />
mir selbst gegenüber viel kritischer, als andere<br />
dies jemals sein könnten. Ich weiß ziemlich genau,<br />
wenn etwas, das ich gemacht habe, wirklich schlimm<br />
ist. Dann lese ich die Kritiken, um eine Bestätigung zu<br />
erhalten. Ich lese sie jedenfalls nicht, um mich wohlzufühlen.<br />
Überhaupt glaube ich es nur selten, wenn<br />
jemand etwas Nettes über mich sagt.<br />
SODERBERGH: Ich glaube ja, dass einer der Gründe,<br />
warum ich so kreativ bin, die Scheidung meiner<br />
Eltern ist. Wie fühlt es sich denn an, in einer stabilen<br />
Familie aufzuwachsen?<br />
MARA: Das ist nicht dein Ernst, oder? Du glaubst,<br />
dass deine Kreativität etwas mit der Scheidung deiner<br />
Eltern zu tun hat? Wie kommst du auf so einen<br />
Schwachsinn?<br />
SODERBERGH: Für mich war meine Familie eine<br />
grandiose Lektion in puncto Subtext. Aber da du ja<br />
ein eher oberflächlicher Typ bist, hättest du das wahrscheinlich<br />
nicht mitbekommen.<br />
MARA: Ich bin schon mal gefeuert worden, weil<br />
ich angeblich innerlich zu lebendig war.<br />
SODERBERGH: Das klingt sehr unwahrscheinlich.<br />
Habe ich dir eigentlich schon mal erzählt, dass<br />
ich gerne schnell arbeite, weil ich Angst davor habe,<br />
einfach so zu sterben und dass dann irgendjemand anderes<br />
meinen Film beenden müsste?<br />
“<br />
PEoPlE/Rooney Mara<br />
Jeder Mensch auf<br />
diesem Planeten hat<br />
ähnliche Körperteile<br />
wie ich. Es dürfte also<br />
für die Zuschauer<br />
kein allzu großer<br />
Schock sein, sich meine<br />
anzuschauen<br />
”<br />
– Rooney Mara<br />
42<br />
MARA: Wer sollte das denn bitte sein? Aber ich<br />
denke auch manchmal: „Okay, wenn ich jetzt sterben<br />
würde, müsste dann der ganze Film neu gedreht werden,<br />
oder würden sie einfach nur drum herumschneiden?“<br />
SODERBERGH: Ich bin gerade 50 Jahre alt geworden<br />
– 50 kam mir in deinem Alter sehr alt vor. Findest<br />
du mich alt?<br />
MARA: Nicht dass wir uns falsch verstehen … Du<br />
bist nur ein paar Jahre jünger als meine Eltern, also<br />
technisch gesehen könntest du mein Vater sein. <strong>Die</strong><br />
meisten meiner Freunde sind über 35, und du bist so<br />
unreif, dass du sowieso viel jünger wirkst, als du bist.<br />
SODERBERGH: Vielen Dank. Ich habe gehört, dass<br />
du irgendwas mit Wasser und Schulen machst.<br />
MARA: Ich unterstütze die Hilfsorganisation Uweza<br />
in Kenia, das hat aber nichts mit Wasser zu tun,<br />
allerdings bin ich gerade von einer Reise mit Oxfam<br />
zurückgekehrt, wo es um Wasserprojekte ging.<br />
SODERBERGH: Haben deine Eltern dich gezwungen,<br />
das zu tun?<br />
MARA: Nein, im Gegenteil, sie haben gebettelt,<br />
dass ich es nicht tue. Mittlerweile unterstützen sie<br />
mich jedoch uneingeschränkt.<br />
SODERBERGH: Den größten Lachanfall meines<br />
Lebens hatte ich, als ich an Thanksgiving Das Tal der<br />
Puppen auf Psychopilzen angeschaut habe. Wann hattest<br />
du deinen heftigsten Lachanfall?<br />
MARA: Das ist zu unangemessen, um es zu erzählen.<br />
Aber es hatte etwas mit Latex zu tun.<br />
SODERBERGH: Latex ist immer lustig. Ich erlaube<br />
meiner Frau nicht, Grün zu tragen. Welche Farbe<br />
gefällt dir nicht?<br />
MARA: Das stimmt doch gar nicht! Ich habe deine<br />
Frau schon Grün tragen sehen. Ich hingegen trage<br />
grundsätzlich keine Farben. Nie.<br />
SODERBERGH: Aus politischen Gründen?<br />
MARA: Nein, weil es einfacher ist, sich morgens<br />
anzuziehen.<br />
SODERBERGH: Wenn du nicht Mensch, sondern<br />
Auto wärst: Welches Modell wäre Rooney Mara?<br />
MARA: Ein Fahrrad! Und du?<br />
SODERBERGH: Ich fahre einen Käfer Baujahr<br />
1964, und ich wäre auch genau dieses Auto. Sammelst<br />
du eigentlich irgendwas? Vielleicht Magazine mit<br />
Cover storys von dir?<br />
MARA: Nein, das übernimmt schon meine Mutter.<br />
SODERBERGH: Schreibst du Tagebuch?<br />
MARA: Das habe ich an dem Tag, an dem ich dich<br />
das erste Mal traf, zerrissen.<br />
SODERBERGH: Das war schlau von dir, sehr schlau.<br />
Hast du eigentlich außer der Schauspielerei jemals irgendwelche<br />
bezahlten Jobs gemacht?<br />
MARA: Ich war Babysitterin.<br />
SODERBERGH: Meine größte Qualität ist meine<br />
Bescheidenheit. Was ist deine?<br />
MARA: Meine Füße.<br />
SODERBERGH: Würdest du Ärger bekommen,<br />
wenn wirklich alles, was wir hier besprechen, gedruckt<br />
werden würde?<br />
MARA: Ja.<br />
SODERBERGH: Bist du so paranoid, wie es scheint?<br />
MARA: Noch viel paranoider.<br />
SODERBERGH: Letzte Frage: David Fincher und<br />
ich bieten dir beide eine Filmrolle an – du hättest ein<br />
Gewehr mit nur einer Kugel: Wen würdest du erschießen?<br />
MARA: Ich würde das Gewehr fallen lassen und<br />
sehr, sehr schnell wegrennen.<br />
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Splash<br />
Fotos<br />
Charlotte Wales<br />
Styling<br />
Clare Byrne<br />
Bikini oder Badeanzug? HauptsacHe sommer!<br />
<strong>Die</strong>se Seite, von links:<br />
Badeanzug NORMA KAMALI<br />
Socken NIKE<br />
Schuhe ROCHAS<br />
Badeanzug NORMA KAMALI<br />
Latex-Socken VEX<br />
Schuhe ROCHAS<br />
44<br />
Rechte Seite:<br />
Jacke ADIDAS BY STELLA McCARTNEY<br />
Badehose OYE<br />
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Schuhe ROCHAS
Shirt ADIDAS<br />
Badeanzug (darüber getragen) THApELO<br />
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Schuhe ROCHAS<br />
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Badeanzug & Tasche CHANEL<br />
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Schuhe ROCHAS<br />
Von links:<br />
Badeanzug ERES<br />
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Aufblasbarer Hai ALEXANDER WANG<br />
46<br />
Cape wANDA NyLON<br />
Badeanzug SpEEDO<br />
Latex-Socken VEX<br />
Schuhe ROCHAS<br />
Bikini ERES<br />
Latex-Socken VEX<br />
Schuhe ROCHAS<br />
47<br />
Hair WESLEY O’MEARA/THE WALL GROUP USING AG HAIR<br />
Make-up JUSTINE PURDUE/TIM HOWARD MANAGEMENT USING MAC<br />
Models DAUPHINE McKEE/THE SOCIETY, MURIEL BEAL/ELITE<br />
Casting SAMUEL ELLIS SCHEINMAN/DM FASHION STUDIO<br />
Photo Assistant SIGGY BODALAI<br />
Styling Assistant CHRIS LEE
KULTUR<br />
Frieze New York<br />
Nehmen wir doch das obige schöne Bild von Jeremy Deller als Motto für die zweite Frieze Art Fair in<br />
DIE FORMEL DAVE GAHAN <strong>Die</strong> Komponenten, aus denen der Sänger zusammengesetzt ist<br />
KRAFTWERK<br />
(SYNTHIEPOP)<br />
+ : x + =<br />
NICK CAVE<br />
(GESANG)<br />
ANIMAL VEGETABLE POP MUSIC VON JEREMY DELLER<br />
New York. Der grüne Grund könnte ein Hinweis auf den Ort der Messe sein, die reichlich bepflanzte East-<br />
River-Insel Randall’s Island. <strong>Die</strong> Worte „Animal“ und „Vegetable“ stehen für das ausgezeichnete Catering<br />
der Veranstaltung – die Besucher der letzt jährigen Frieze<br />
schwärmen immer noch von Frankies Fleischbällchen.<br />
Und „Pop Music“? Ja, es gibt auch eine Sparte mit dem<br />
Titel Sounds. Zusammengehalten wird das alles wiederum<br />
von einer roten Umrahmung, schließlich handelt es sich<br />
um Kunst (vom 10. bis 13. Mai).<br />
GALLERY WEEKEND<br />
Wer es dieses Jahr nicht zur Frieze nach New York<br />
schafft und leider auf Frankies Fleischbällchen verzichten<br />
muss, dem bleibt das Gallery Weekend in Berlin.<br />
Vom 26. bis 28. April nehmen daran exakt 51 Galerien<br />
teil, gezeigt werden unter anderem Arbeiten von<br />
George Condo, Hans-Peter Feldmann, Isa Genzken,<br />
Billy Childish und Valie Export. Das Programm ist<br />
sozusagen bunt. In der Gesamtheit ähnelt das Gallery<br />
Weekend der großen TV-Serie Jersey Shore: GTL –<br />
Gucken, Trinken, Labern.<br />
W. ETTY VON<br />
HANS-PETER FELDMANN, 2012<br />
SPRITZE<br />
(HEROIN)<br />
x R.I.P.<br />
GRABSTEIN<br />
(KLINISCH TOT, 1996)<br />
48<br />
JESUS<br />
(ERLÖSERFANTASIE)<br />
Anschauen!<br />
FILME<br />
„IRON MAN 3“<br />
Ben Kingsley trauen wir seit Gandhi nicht mehr über<br />
den Weg. Von wegen gewaltloser Widerstand! Er<br />
will die Welt vernichten. Iron Man und Gwyneth<br />
Paltrow als Pepper Potts (toller Name!) halten dagegen.<br />
Wer wird am Ende bloß gewinnen? (ab 1. Mai)<br />
„PASSION“<br />
Wieder Probleme im Büro: Fiese Werbeagenturchefin<br />
beutet auf berufsübliche Weise ihre Assistentin<br />
aus. Über die Idee einer Kampagne kommt es<br />
zum Bruch, später stirbt jemand, zwischendurch: Sex.<br />
Nachdenkliche Milieubetrachtung mit Karoline<br />
Herfurth von Regisseur Brian De Palma (ab 2. Mai).<br />
„CHARLIES WELT“<br />
Ungefähr so: Bill Murray verkleidet sich als John<br />
Wayne, Jason Schwartzman trägt Tennishosen, und<br />
Charlie Sheen spielt sich selbst, während er so tut, als<br />
würde er jemand anderen spielen. Warum? Er wird<br />
verlassen und ist darüber ganz außer sich (ab 2. Mai).<br />
„STOKER“<br />
Das neue Ding: Vampirfilme ohne Vampire, bei denen<br />
es sich möglicherweise nicht einmal um Vampirfilme<br />
handelt. Dracula-Autor Bram Stoker steht<br />
jedenfalls mit Namen im Titel. Ansonsten: Nicole<br />
Kidman, ein toter Vater, seine romantische Tochter<br />
und ihr seltsamer Onkel (ab 9. Mai).<br />
MIA WASIKOWSKA IN STOKER<br />
„EVIL DEAD“<br />
Es hätte so schön werden können. Fünf hoffnungsfrohe,<br />
junge Menschen machen einen Ausflug in den<br />
Wald, wo sie in einer Holzhütte in einem Buch blättern<br />
– und schon ist der Teufel los. Würden sie nicht<br />
ständig Bücher lesen, sondern Horrorfilme schauen,<br />
wäre ihnen das nicht passiert (ab 16. Mai).<br />
DAVE<br />
GAHAN<br />
Fotos: Gavin Brown’s enterprise, Jeremy Deller, Animal Vegetable Pop Music (2012), Silkscreen print on paper, courtesy of Gavin Brown’s enterprise; © The Cy Twombly Foundation/courtesy Schirmer/Mosel; © 2012 Twentieth Century Fox; Rune Hellestad/Corbis; ddp images;<br />
Astapkovich Vladimir/Corbis; Jed Jacobsohn/Getty Images; Sergej Jensen, 1997, Foto: Kai-Annett Becker, courtesy Sergey Jensen und Galerie Neu, Berlin; A painting by George W. Bush of his dog Barney, courtesy of the Bush family; © 2013 Mattel; © 2013 AMC Networks Inc.<br />
ZITAT<br />
Sergej<br />
Jensen<br />
Soeben mit dem Fred-<br />
Thieler-Preis für Malerei<br />
geehrt, ist Jensens<br />
Ausstellung noch<br />
bis zum 17. Juni<br />
in der Berlinischen Galerie<br />
in Berlin zu sehen: Experimente<br />
mit Farbe und Leinwand<br />
und Pferden außerhalb des<br />
Bildausschnitts.<br />
Aufschlagen!<br />
BÜCHER<br />
MARINA MANDER<br />
„MEINE ERSTE LÜGE“<br />
Piper, April<br />
Wenn die Mutter tot im Bett liegt und der Vater<br />
sowieso nie da war, bleiben nur: Oma, Heim oder auf<br />
eigenen Beinen stehen. Luca entscheidet sich für<br />
Letzteres, was aber nicht so einfach ist, wie er sich<br />
das gedacht hat. Das Debüt der italienischen Autorin<br />
ist eines von diesen Sonntagsnachmittagsbüchern.<br />
Daher wird es auch verfilmt und vielfach übersetzt.<br />
DAVID MARKSON<br />
„WITTGENSTEINS MÄTRESSE“<br />
Berlin Verlag, April<br />
Erstmals auf Deutsch erscheint dieser Klassiker der<br />
US-Postmoderne. Der Autor war zu Lebzeiten eher<br />
nur Kollegen wie David Foster Wallace ein Begriff.<br />
Der Roman von 1988 ist der Monolog einer wundersamen<br />
Künstlerin, die glaubt, der letzte Mensch<br />
auf Erden zu sein. Ein literarisches Schwergewicht,<br />
so gewichtig, dass nach jedem Satz ein Absatz steht.<br />
MAGGIE SHIPSTEAD<br />
„LEICHTE TURBULENZEN BEI ERHÖHTER<br />
STRÖMUNGSGESCHWINDIGKEIT“<br />
dtv, Mai<br />
Wenn der Bikini der Freundin der Tochter beim<br />
Vater einen leichten Schwindel auslöst und das am<br />
Hochzeitswochenende ebenjener Tochter, dann weiß<br />
man: Irgendwas läuft schief. Auch wenn Winn van<br />
Meter sonst ziemlich viel richtig zu machen scheint.<br />
Das Debüt der 30-jährigen Schülerin von Zadie<br />
Smith handelt von Countryclubs und Tennisbällen,<br />
die in der Garage aufgehängt sind, um die richtige<br />
Parkposition zu markieren. Ein Hit!<br />
KULTUR<br />
So gimme dat “Toot toot” / And lemme give ya<br />
that “Beep beep” / Runnin’ her hands through<br />
my ’fro / Bouncin’ on twenty fo’s / While they<br />
sayin’ on the radio / It’s the remix to ignition /<br />
Hot and fresh out the kitchen … Sippin’ on coke and<br />
rum / I’m like so what I’m drunk / It’s the freakin’<br />
weekend / Baby I’m about to have me some fun<br />
R. Kellys Hit Ignition (Remix) als Nationalhymne der USA, so will es eine Petition. 100 000 Unterzeichner<br />
braucht sie 2zur Vorlage. Leider dürfen wir an der Unterschriften aktion nicht aktiv teilnehmen.<br />
DER<br />
TITEL<br />
DES<br />
WERKS:<br />
1997<br />
3<br />
George W. !<br />
So traurig es uns auch stimmt, dass Barney, George<br />
W. Bushs treuester Gefährte, vor ein paar Wochen<br />
verstorben ist, so sehr erfreut uns der Anblick dieses<br />
Bildes: ein Porträt Barneys, frisch von der Staffelei<br />
des Expräsidenten und Malers, der seine<br />
Kunst so lässig wie galant mit „43“ unterschreibt.<br />
ALLE LIEBEN BARBIE<br />
<strong>Die</strong> Ausstellung des Jahres? Vom 16. Mai bis 25.<br />
August lädt Barbie nach Berlin ins Dreamhouse,<br />
also in die interaktive Installation ihres Malibu-<br />
Heims. Highlights: begehbarer Kleiderschrank,<br />
Cupcakes und mindestens 350 Barbie-Puppen.<br />
49<br />
Runterladen!<br />
SERIEN<br />
„TOP OF THE LAKE“<br />
<strong>Die</strong> zwölfjährige Tochter eines Provinzpaten ist<br />
schwanger und haut von zu Hause ab. Eine Ermittlerin<br />
geht wegen ihrer kranken Mutter zurück aufs<br />
Land. Und Holly Hunter schart als rätselhafte Prophetin<br />
mit langem grauen Haar eine bunte Truppe<br />
von Frauen um sich, denen das Leben übel mitgespielt<br />
hat. Großartige neue Serie von Jane Campion,<br />
der Regisseurin von Das Piano.<br />
„GOLDEN BOY“<br />
Gute Polizeiserien kann es eigentlich gar nicht genug<br />
geben. Bullen in New York, Bullen in L.A., solche,<br />
die einen Knall haben, die Verbrecher sind oder sich<br />
für Cowboys halten. Golden Boy erzählt nun im Rückblick<br />
die Karriere von Walter Clark und konzentriert<br />
sich auf die Diskrepanz zwischen Erinnerung und<br />
Wirklichkeit. Interessant!<br />
„OUT THERE“<br />
Ryan Quincy war zwar jahrelang Zeichner und<br />
Produzent bei South Park, aber seine eigene Serie<br />
Out There hat eher was von King of the Hill –<br />
krakelige Figuren, die in der Provinz durch ihr<br />
Leben stolpern. Wie etwa der 15-jährige Chad<br />
und seine Freunde. Komisch ist das nicht. Aber<br />
vielleicht muss es auch nicht komisch sein, wenn es<br />
schon komisch aussieht.<br />
BEGRENZTER SPASS AM LEBEN DANK<br />
WISCHMOPP-FRISUR: OUT THERE<br />
„BATES MOTEL“<br />
Wollte man ja eigentlich schon immer mal wissen:<br />
Wie war das eigentlich mit Norman Bates, bevor er<br />
die Hauptfigur in Hitchcocks Psycho wurde? Wie<br />
war das Verhältnis mit seiner Mutter? Wie läuft das<br />
Motel? Gab es seltsame Vorfälle, die auf spätere<br />
Komplikationen hätten hinweisen können? Zu viel<br />
Fernsehen? Ego-Shooter vielleicht? Ein verhängnisvolles<br />
Interesse an altersunangemessener Unterhaltung?<br />
Hatte er Freunde? War er im Sportverein? All<br />
diesen Fragen geht die Prequelserie auf den Grund.
Kultur<br />
Kultur/Woodkid<br />
Woodkid<br />
von<br />
Santigold<br />
Foto<br />
kArim sAdli<br />
“<br />
Kunst bedeutet,<br />
Schönes zu<br />
erschaffen<br />
aus etwas, das<br />
ganz und gar<br />
nicht<br />
schön ist<br />
”<br />
Foto: Universal Music<br />
Er dreht Videos mit<br />
rihanna und Agyness<br />
Deyn, inspiriert<br />
Kollektionen von Dior<br />
Homme und bannt<br />
Millionen mit seiner<br />
bildgewaltigen Musik:<br />
Woodkid. Mit der<br />
Kollegin Santigold<br />
spricht er über<br />
Künstlerkomplexe,<br />
Käse und Bettwanzen<br />
Woodkid: Hey Santi, wo bist du gerade?<br />
Santigold: Ich bin in meinem Haus in Brooklyn.<br />
Du bist nicht mehr in New York, oder?<br />
Woodkid: Ich bin schon wieder in Paris für Promo-Termine:<br />
Fernsehen, Radio, <strong>Interview</strong>s und so.<br />
Santigold: Magst du solche Termine?<br />
Woodkid: Ich weiß nicht, du?<br />
Santigold: Nein.<br />
Woodkid: Wie schaffst du es, nicht immer die<br />
gleichen Antworten zu geben?<br />
Santigold: Ich glaube, es gibt keine Lösung. <strong>Die</strong><br />
einzige Möglichkeit ist, kurze Antworten zu geben,<br />
sodass schnell neue Fragen gestellt werden müssen.<br />
Vielleicht ist es auch schlau, zu versuchen, den Fokus<br />
des Gesprächs selbst zu steuern, aber nach mehreren<br />
<strong>Interview</strong>s verliert man doch auch den Überblick.<br />
Woodkid: Absolut. Wie läuft es denn mit deinem<br />
Filmprojekt? Du wolltest doch Regie führen.<br />
Santigold: Kennst du diesen Typ Mensch, der<br />
sich Hals über Kopf in alles stürzt? Genau so versuche<br />
ich das nicht zu machen. Ich habe recherchiert,<br />
Schauspielunterricht genommen, hatte Meetings mit<br />
Filmfirmen, ich will die Dinge entstehen lassen. Übrigens<br />
habe ich ein geheimes Projekt, das ich unbedingt<br />
mit dir zusammen machen möchte.<br />
Woodkid: Wirklich? Worum geht’s?<br />
Santigold: Das kann ich dir hier im <strong>Interview</strong><br />
nicht erzählen, aber es wird sehr viel Spaß machen.<br />
Woodkid: Ich muss auch etwas mit dir besprechen.<br />
Ich möchte mich mehr in Richtung HipHop<br />
orientieren; verrückter, nicht so ernsthaft, mehr Beats,<br />
und ich würde mich freuen, wenn du singen könntest.<br />
Santigold: Da habe ich total Lust drauf!<br />
Woodkid: Was machst du gerade musikalisch?<br />
Santigold: Ich bin kurz davor, wieder anzufangen;<br />
auf Tour komme ich einfach nicht zum Schreiben.<br />
Jetzt versuche ich, all das nachzuholen, was ich<br />
während der Tour nicht machen konnte. Heute habe<br />
ich meine erste Kampfsporttrainingsstunde gehabt.<br />
Woodkid: Geil! Das letzte Mal haben wir uns ja<br />
über die Technik bei Liveauftritten unterhalten.<br />
Santigold: Ich hatte Probleme, herauszufinden,<br />
mit welcher Technik sich am besten arbeiten lässt.<br />
Woodkid: <strong>Die</strong> Leute haben keinen Plan, wie<br />
viel Aufwand die ganzen technischen Details bedeuten.<br />
Santigold: Das merkt man schon daran, wie<br />
Auftritte diskutiert werden. Beispiel Super Bowl – als<br />
es hieß, Beyoncé habe nicht live gesungen –, komm<br />
schon, es ist unmöglich, gleichzeitig zu singen und<br />
eine derartige Choreografie zu tanzen! Geht nicht.<br />
Woodkid: Bei mir achten die Kritiker immer darauf,<br />
ob ich auch die Töne treffe.<br />
Santigold: Ich finde deine Stimme wunderbar.<br />
Zum ersten Mal habe ich dich bei dieser Fashion-<br />
Show in der Kirche gesehen. Deine Stimme und diese<br />
Kirchenorgel, es war, als würde ein Engel singen. Wer<br />
ist das, habe ich mich gefragt. A-Trak saß hinter mir:<br />
„Das ist Woodkid!“<br />
Woodkid: Cool. A-Trak ist übrigens in mein<br />
Haus gezogen. Wir sind jetzt Nachbarn.<br />
Santigold: Wo?<br />
Woodkid: In Williamsburg. Vielleicht sollte<br />
ich das nicht genauer beschreiben (lacht). Questlove<br />
wohnt auch hier. Superviele coole Leute.<br />
Santigold: Ich habe da gewohnt, bevor der ganze<br />
Wahnsinn anfing, es gab nur ein Restaurant. Echt:<br />
eins! Immer wenn ich erzählt habe, dass ich in Williamsburg<br />
lebe, dachten die Leute, ich meine den Ort<br />
in Virginia. Krass, zu sehen, wie sich alles verändert.<br />
Es ist teurer dort als in der Upper West Side!<br />
Woodkid: Echt jetzt? Aber in der Upper West<br />
Side würde ich nicht wohnen wollen.<br />
Santigold: Nein, ich auch nicht.<br />
Woodkid: 2006 habe ich noch mit Freunden in<br />
einem Loft in Bushwick gelebt. Wir haben Musik gemacht,<br />
hatten viel Spaß und Bettwanzen.<br />
Santigold: Ihr hattet Bettwanzen?<br />
Woodkid: Ja. Eine super Zeit, es war Sommer,<br />
und ich habe mir über nichts Gedanken gemacht. Sag<br />
mal, was machen deine Eltern noch mal beruflich?<br />
Santigold: Mein Vater war Anwalt, er ist 2004<br />
gestorben. Er stammt aus ziemlich ärmlichen Verhältnissen<br />
und war Mitglied einer Gang. Im Jugendarrest<br />
hat er sich dann mit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung<br />
beschäftigt, das veränderte sein Leben total. Er<br />
kam an die Wesleyan University in Connecticut, wo<br />
ich auch studiert habe, aber war sich seiner Herkunft<br />
immer bewusst und hat versucht, anderen zu helfen.<br />
Und er war der größte Musikfan. Er hat mich mal mit<br />
zu einem James-Brown-Konzert genommen. Ich habe<br />
mich gefragt, was der bloß mit seinem Bein macht!<br />
Mein Dad meinte nur: „Santi, er hat Soul!“ (lacht) Bei<br />
Fela Kuti und Nina Simone waren wir auch.<br />
Woodkid: Oh mein Gott! Und deine Mutter?<br />
Santigold: Sie kommt aus Mississippi – der<br />
Ku-Klux-Klan hat mal vor ihrem Haus ein Kreuz<br />
angezündet. Trotzdem landete sie an derselben Uni<br />
wie mein Vater, die beiden lernten sich kennen, und<br />
meine Mum wurde Psychiaterin. Sie wollte von uns<br />
immer wissen, wie wir uns fühlen und warum (lacht).<br />
Das hat meine Art zu texten ziemlich beeinflusst. Und<br />
natürlich hat mich auch die Musik geprägt. Damals<br />
gab es noch eine Message; darum geht es mir bei<br />
Musik, um die Message. Wobei natürlich meine Textzeilen<br />
wie „Then look at these hoes / These bitches<br />
ain’t fucking with me“ eine etwas andere Message haben<br />
(lacht). Was ist denn deine Familiengeschichte?<br />
Woodkid: Ich bin in einem komplett anderen<br />
Umfeld aufgewachsen als dem, in dem ich mich heute<br />
bewege, sowohl sozial als auch kulturell. Ich komme<br />
aus einer Mittelklassefamilie, die keinen besonderen<br />
intellektuellen Bezug hatte. Es ist ein kleiner Komplex:<br />
dass ich von Haus aus kein intelligenter Mensch bin.<br />
Santigold: (lacht) Natürlich bist du das! Du bist<br />
nur bescheiden und demütig, was ein schöner Zug ist.<br />
Woodkid: Aber mein Album ist zusammengesetzt<br />
wie eine zerbrochene Vase. Erst langsam erkenne<br />
ich, dass alles Sinn macht, eine Geschichte hat, dass<br />
ich Teil davon bin. Was ist dein persönlichster Song?<br />
Santigold: Das ist schwer zu sagen. Mein zweites<br />
Album handelt von den Erfahrungen, als Künstler<br />
sein Innerstes nach außen zu kehren, verletzlich<br />
zu sein. Und dann bildest du eine Schutzschicht über<br />
dein Ich, aber plötzlich bist du auf der anderen Seite<br />
und fragst dich, wie du wieder zu dir gelangst.<br />
Woodkid: Ein guter Vergleich. Ich habe eine<br />
Menge Freunde, die Musik machen, aber mit denen<br />
rede ich nie über solche Themen. Ich fühle mich hier<br />
in Frankreich oft etwas einsam mit dem, was ich tue.<br />
Ich meine, die Jungs sind großartig, aber sie kennen es<br />
nicht, ihrer Musik Tiefe verleihen zu wollen.<br />
Santigold: Das ist auch nicht besonders populär,<br />
oder? Deswegen mag ich deine Musik, sie ist<br />
episch, organisch, orchestral – wie eine Oper.<br />
Woodkid: Digital erzeugt, aber mit einer klassischen<br />
Herangehensweise. Das Horn in Iron zum Beispiel<br />
ist halb echt, halb elektronisch. Organisch, aber<br />
zu perfekt, um echt zu sein.<br />
Santigold: Sehr modern! Kommen wir noch<br />
mal zu deiner persönlichen Geschichte.<br />
Woodkid: Meine Familie stammt eigentlich<br />
aus Polen, polnische Juden. Einige wurden während<br />
des Zweiten Weltkrieges ermordet. Ich habe mich<br />
irgend wann in Polen auf die Suche nach ihren Spuren<br />
gemacht. Das hat mir geholfen. Auch meine inneren<br />
Zweifel anzunehmen.<br />
Santigold: Das ist vielleicht die Grundlage von<br />
Kreativität.<br />
Woodkid: Kreativität ist die einzige Heilung.<br />
Wenn ich die Kunst nicht hätte, wäre ich vermutlich<br />
ein riesiges Arsch! Kunst bedeutet, Schönes zu erschaffen<br />
aus etwas, das ganz und gar nicht schön ist.<br />
Santigold: Hörst du als Regisseur deine Musik<br />
eigentlich auf eine visuellere Art?<br />
Woodkid: Ich versuche, eine bildliche Übersetzung<br />
für Musik zu finden. Wie eine Maschine, die<br />
Sounds visualisiert. Computerprogramme arbeiten<br />
meist mit Schallwellen, ich versuche meine Übersetzung<br />
eher auf der emotionalen Basis. Bei den Liveshows<br />
sind das die Licht- und Videoeffekte. Ich versuche,<br />
das Hören und Sehen manchmal fast wissenschaftlich<br />
zu verbinden.<br />
Santigold: Manche Leute koppeln ihre Erinnerung<br />
stark an Gerüche, ich dagegen habe sofort Bilder<br />
im Kopf, wenn ich Musik höre. Bei der Arbeit an<br />
meinen Videos schließe ich die Augen und weiß: So<br />
muss es aussehen.<br />
Woodkid: Kenne ich! Mein Problem ist, dass ich<br />
dann ständig viel zu teure Szenenbilder vor mir sehe.<br />
Geld schränkt furchtbar ein. Aber ich bin mir sicher,<br />
du wirst eine sehr gute Regisseurin.<br />
Santigold: Danke! Und das von dir …<br />
Woodkid: So, ich glaub, ich muss los, ich bin<br />
zum Essen verabredet. Es gibt französischen Käse,<br />
den vermisse ich so in New York!<br />
Santigold: Was ist denn bitte schön mit dem<br />
amerikanischen nicht in Ordnung? (lacht) Ich wünsche<br />
dir einen schönen Abend. Das <strong>nächste</strong> Mal werde ich<br />
Französisch mit dir sprechen, um meine Kenntnisse<br />
zu testen. Dann erzähle ich dir auch von der Idee, von<br />
der ich dir heute nicht erzählen konnte.<br />
Woodkid: Unbedingt!<br />
50<br />
51<br />
WoodkidS the golden age iSt<br />
bei univerSal erSchienen
Kultur<br />
Freaks<br />
Kultur/Stadlober und Goebel<br />
Der eine schreibt großartige<br />
romane über<br />
Highschool-außenseiter,<br />
der andere verweigert<br />
sich seit Jahren<br />
dem unsinn am roten<br />
teppich. Jetzt waren<br />
Robert staDlober<br />
und Joey Goebel<br />
gemeinsam auf lesereise<br />
und unterhielten<br />
sich darüber, wie es<br />
war, als Kind immer<br />
den ball an den Kopf<br />
geknallt zu bekommen:<br />
einfach nur mies.<br />
aber immerhin sind<br />
die Freaks von früher<br />
die Coolen von heute<br />
Porträt<br />
Jens Kaesemann<br />
Das bessere T-Shirt trug Joey Goebel (r.), dafür kann Robert Stadlober mit dem Feuerzeug Bier öffnen<br />
was kompliziert, sie … also wir, ich bin ja auch einer,<br />
machen Geräusche mit unseren Kehlköpfen, aber die<br />
müssen nicht unbedingt eine Bedeutung haben. Meinst<br />
du, ich soll noch Bier holen?<br />
Stadlober: Ja.<br />
Goebel: Ich kann jetzt an dir aber nicht unbedingt<br />
beobachten, dass du nicht gut darin bist, mit Menschen<br />
in sozialen Kontakt zu treten.<br />
Stadlober: Wenn sie mich interessieren, geht das<br />
mittlerweile. Aber es hat schon in der Schule angefangen.<br />
Ich wusste nie, wann die anderen Witze machen.<br />
Wenn die beliebten Kinder angeblich mit mir Ball<br />
spielen wollten, stand ich 20 Minuten auf dem Pausenhof,<br />
bis ich kapiert habe, dass sie mir nur den Ball<br />
an den Kopf werfen wollen. Und wenn jemand richtig<br />
nett war, habe ich das auch nicht mitbekommen.<br />
Goebel: Ich mag dich mehr und mehr, Robert. Kann<br />
ich dich Bob nennen?<br />
“<br />
Stadlober: (lacht)<br />
Goebel: Ich dachte, es sei gut, wenn man andere<br />
zum Lachen bringt, bis mich ein Freund einmal darauf<br />
hinwies, dass man sich gerade über mich lustig<br />
macht. Hatte ich nie drüber nachgedacht.<br />
Stadlober: Bei uns in der Schule gab es mal einen<br />
Vorlesewettbewerb. Ich war eigentlich immer gut im<br />
Ich hing zwar mit<br />
Skatern ab, war aber<br />
immer der von den<br />
Skatern, der gar nicht<br />
geskatet hat<br />
”<br />
– Joey Goebel<br />
Vorlesen. Aber dann hat mir mein Konkurrent erzählt,<br />
man müsse besonders schnell lesen. Habe ich<br />
gemacht, alle haben gelacht. Ich dachte: „Super, die<br />
haben Spaß.“ Der andere gewann, sogar auf Landesebene,<br />
glaub ich.<br />
Goebel: Den Preis kann er aber ins Klo schmeißen.<br />
Stadlober: Ich bin mit ihm bei Facebook befreundet,<br />
aus ihm scheint ein ganz guter Typ geworden zu<br />
sein. Er engagiert sich in sozialen Projekten und so.<br />
Goebel: Aber jetzt bist du ein erfolgreicher Schauspieler<br />
und Musiker. Fällt es dir immer noch so schwer,<br />
einzuschätzen, wie Leute etwas meinen?<br />
Stadlober: Ich will nicht wie ein Idiot klingen, aber<br />
ja, natürlich. Als ich bekannter wurde, hatte ich kurz<br />
das Gefühl, dass mich alle mögen. Aber dann liest<br />
man die negativen Kommentare im Internet – da war<br />
ich so 17, 18 Jahre alt – und realisiert, dass das jetzt<br />
auch wieder wie in der Schule ist, nur eben mit mehr<br />
Leuten. Und unter Beobachtung der Medien ist es<br />
noch schwieriger, der Welt zu vermitteln, wer du bist.<br />
Goebel: Marlon Brando hat mal mit einem jüngeren<br />
Schauspieler einen Film gedreht, und als der berühmt<br />
wurde, sagt Brando: „Gratuliere, du wirst nie wieder<br />
einen ehrlichen Moment mit einem anderen teilen.“<br />
Stadlober: (lacht) So wird man ziemlich schnell<br />
para noid. Ich hatte das auch, aber man muss sich<br />
dazu zwingen, das nicht ständig im Hinterkopf zu<br />
robert Stadlober: Mann, normalerweise kann ich<br />
ein Bier mit dem Feuerzeug öffnen.<br />
Joey Goebel: Am Kühlschrank ist ein Öffner angebunden.<br />
– Also, versteh ich das richtig, du willst mit mir<br />
über alles sprechen, in dem wir richtig schlecht sind?<br />
Stadlober: Genau. Ich meine, du kannst offensichtlich<br />
schreiben, ich kann schauspielern …<br />
Goebel: … und wir machen Musik. – Aber das ist eine<br />
gute Idee, denn meist feiern „Künstler“ sich in <strong>Interview</strong>s<br />
ja nur selbst. Also ich gebe es zu, ich habe gelernt,<br />
Sätze zu schreiben, viel mehr allerdings auch nicht.<br />
Stadlober: Mit was schreibst du?<br />
Goebel: Normalerweise mit einem Bleistift und einem<br />
Spiralblock. Ich habe das Gefühl, dass ich immer<br />
dümmer werde, weil all meine Intelligenz in meine<br />
Bücher fließt. Mit jedem Buch ein wenig blöder.<br />
Stadlober: Ja, lass uns über unsere generellen Unfähigkeiten<br />
im Leben sprechen: Ich kann zum Beispiel<br />
einfach meine Steuer nicht fristgerecht fertig machen.<br />
<strong>Die</strong> Unterlagen waren jetzt während der Tour vier<br />
Wochen lang in meiner Tasche. Das einzige Problem<br />
war, dass ich es nicht geschafft habe, zur Post zu gehen<br />
und sie zu meiner Steuerberaterin zu schicken!<br />
Goebel: (lacht) Ich kann nicht schwimmen. Und<br />
während der Lesereise bin ich ungefähr zwölfmal verloren<br />
gegangen, weil ich mich nicht orientieren kann.<br />
Glaubst du, dass das biologische Gründe hat? Vielleicht<br />
ist unsere Hirnhälfte, die für das Kreative zuständig<br />
ist, ja überentwickelt.<br />
Stadlober: Vielleicht sind wir auch einfach faul.<br />
Oder es reicht uns als Tagewerk, Texte zu lernen und<br />
zu schreiben, anstatt auch noch einkaufen gehen zu<br />
müssen. Aber da wir nicht Robert De Niro und Oscar<br />
Wilde sind, müssen wir das wohl selbst erledigen. Benutzt<br />
du auch immer deine Finger zum Rechnen?<br />
Goebel: Siehst du, ich bin mir sicher, dass es ein<br />
Problem des Gehirns ist. In Mathe bin ich auch<br />
schlecht. Ich habe immer alle Jobs umgangen, die<br />
auch nur im Entferntesten mit einer Kasse zu tun haben.<br />
Gewicht einschätzen kann ich auch nicht. Oder<br />
wenn jemand wissen will, wie viel Leute in ein Stadion<br />
passen: äh, mehr als 400 und weniger als 30 000?<br />
Stadlober: Alles was mit Zahlen zu tun hat … absolut<br />
verloren. Aber ich bin auch sozial irgendwie eingeschränkt.<br />
Kannst du gut smalltalken?<br />
Goebel: Was wir beide auf der Bühne bei der Lesung<br />
machen, ist doch irgendwie Small Talk. Aber natürlich<br />
auch gespielt.<br />
Stadlober: Ja, aber bevor wir uns kennengelernt haben,<br />
hatte ich Panik, was passieren würde, wenn wir<br />
uns nicht verstehen. Ich kann das nicht so gut spielen.<br />
Ich werde entweder arrogant oder wirke hyperaktiv<br />
und sage Sachen, die ich nicht sagen wollte.<br />
Goebel: Ich gebe zu, ich habe zu meiner Familie bei<br />
meiner Abreise auch gesagt, dass es unangenehm werden<br />
könne, wenn wir nicht miteinander klarkommen.<br />
Stadlober: Hattest du das schon mal? Du sitzt neben<br />
jemandem im Zug und weißt, die <strong>nächste</strong>n vier<br />
Wochen bin ich mit dem unterwegs und habe dem<br />
nichts zu sagen?<br />
Goebel: Ich glaube nicht. Aber je länger ich hier bin,<br />
desto mehr fallen mir die Unterschiede zu den USA<br />
auf. Gestern sagte jemand, dass diese gespielte Höflichkeit<br />
ein Talent der Amerikaner sei.<br />
Stadlober: Das hat mich immer verwirrt, wenn jemand<br />
sagt, dass ich jederzeit bei ihm zu Hause vorbeischauen<br />
könne. Anytime!<br />
Goebel: (lacht) Du hast das wörtlich genommen?<br />
Stadlober: Es gab unangenehme Situationen …<br />
Goebel: Ja, ich schätze, die Amerikaner sind da ethaben.<br />
Ich meine eher, dass man in der Öffentlichkeit<br />
automatisch eine Person kreiert, die ein Eigenleben<br />
führt, man kann nichts mehr machen. Wie bei<br />
Tom Cruise, da denken wir an Top Gun, Scientology,<br />
Katie Holmes, aber dazwischen steckt doch ein ganzes<br />
Leben.<br />
Goebel: Stimmt.<br />
Stadlober: Wenn ich mit dem Wissen, das ich heute<br />
habe, berühmt geworden wäre, hätte ich ein paar Sachen<br />
sicherlich anders gemacht. Denkst du darüber<br />
nach, was Leute über dich denken?<br />
Goebel: Vielleicht gibt es im Leben vier oder fünf<br />
Menschen, bei denen du dir sicher sein kannst. Ob<br />
berühmt oder nicht, mir fiel es immer schwer, zu bemessen,<br />
wie die Menschen mich sehen.<br />
Stadlober: <strong>Die</strong>se Diskrepanz zwischen dem inneren<br />
Ich und dem, was die Umwelt von dir sieht, veranlasst<br />
dich zu merkwürdigen Verhaltensweisen.<br />
Goebel: Hat dir da die Schauspielerei nie geholfen?<br />
Stadlober: Ich habe ja keine Ausbildung. Aber ich<br />
nutze die Schauspielerei als eine Mülldeponie, alle<br />
Gefühle und Erfahrungen kann ich dort abladen.<br />
Goebel: Das kenne ich vom Schreiben: I goebel something<br />
out – wir haben uns bereits darüber unter halten,<br />
dass mein Nachname in einigen Ländern mit Kotzen<br />
in Verbindung gebracht wird. Ich dachte ja, hier<br />
machen alle den JosephGoebbelsScherz, aber das<br />
passiert mir in Kentucky häufiger.<br />
Stadlober: Dann haben wir beide einen Weg gefunden,<br />
etwas „auszugoebeln“ und davon auch noch leben<br />
zu können. Welch ein Glück!<br />
Goebel: Hast du noch ein paar Unfähigkeiten, die<br />
du der Welt mitteilen möchtest?<br />
Stadlober: Alles, was mit Sport zu tun hat. Einen<br />
Ball fangen oder werfen? Keine Chance. Wo immer<br />
ein Ball auftaucht, landet er an meinem Kopf. Liegestütze<br />
kann ich.<br />
Goebel: Oh, Bob … Musstest du schon mal einen<br />
Athleten spielen?<br />
Stadlober: Ja, dafür habe ich vier Monate trainiert.<br />
Ich hatte einen super Körper während des Drehs, aber<br />
nach drei Wochen waren die Muskeln weg.<br />
Goebel: So ein Mist. Ich habe mal Tennis gespielt.<br />
Stadlober: Badminton geht auch. Das ist ja auch<br />
kein echter Ball, der hat Federn.<br />
Goebel: In Kentucky ist Basketball total angesagt.<br />
Stadlober: Habe ich nie verstanden. In den Neunzigern<br />
haben alle Streetball gespielt – nichts für mich.<br />
Ich wäre gern gut im Skaten geworden.<br />
Goebel: Ich hing zwar mit Skatern ab, war aber immer<br />
der von den Skatern, der gar nicht geskatet hat.<br />
Stadlober: In Vans auf dem Board sitzen, Bier trinken<br />
und NOFX hören.<br />
Goebel: (singt) „Don’t call me white! Don’t call me<br />
white!“<br />
Stadlober: Ich habe zwei Boards. Manchmal gehe<br />
ich skaten, aber nur dort, wo mich niemand sehen<br />
kann. Dann komme ich mit Schrammen nach Hause<br />
und sage stolz zu meiner Freundin: „Ich war skaten!“<br />
Goebel: Mit meiner Koordination kann ich nicht<br />
mal auf einem Board stehen. Ich wundere mich, dass<br />
ich diese Tour überlebt habe, ohne mir den Hals zu<br />
brechen. Das Licht auf der Bühne, die Stufen. Unfassbar.<br />
Oh Mann.<br />
Ich gegen OsbOrne von Joey Goebel<br />
iSt bei dioGeneS erSchienen<br />
52<br />
53
StorIEs<br />
FOLLOW<br />
US ON<br />
FACEBOOK<br />
TWITTER<br />
INSTAGRAM<br />
www.interview.de<br />
Ay, CARAmba!<br />
Ist CARA DELEVINGNE wirklich die neue KATE MOSS? Das gilt es herauszufinden. Also sperrten wir das gefragteste Model<br />
dieser Tage mit dem Fotografen PETER LINDBERGH in ein Pariser Hotelzimmer … Das Ergebnis sehen Sie auf dieser<br />
und vielen darauffolgenden Seiten. Während Deutschland noch über KATJA RIEMANNS Auftritt auf einem roten Sofa diskutierte,<br />
dachten wir uns: Reden wir zur Abwechslung doch mal mit der Frau, anstatt nur über sie. Außerdem in dieser Ausgabe:<br />
<strong>Die</strong> Queen Mum of Punk VIVIENNE WESTWOOD, die Malerin ODA JAUNE im Gespräch mit JONATHAN MEESE,<br />
Mode fotografiert von MIKAEL JANSSON, der Organist CAMERON CARPENTER, die Damen aus der PARADIES-TRILOGIE<br />
und eine Kurzgeschichte des Preisträgers der Leipziger Buchmesse DAVID WAGNER.<br />
Foto PEtEr lIndbErgh<br />
styling karl tEmPlEr<br />
55<br />
kleid louIs vuItton<br />
schuhe nIna rIccI<br />
stay-ups FalkE
<strong>Cara</strong><br />
dieseR Blick, dieseR Mund und die BeRühMtesten<br />
AugenBRAuen seit gRoucho MARx:<br />
dAs 20-jähRige Model cARA delevingne wiRd<br />
in englAnd BeReits Als die neue kAte <strong>Moss</strong><br />
gefeieRt. MARio testino fotogRAfieRte sie füR<br />
dAs coveR deR Vogue, sie wAR in Anzeigen<br />
füR chAnel, BuRBeRRy und h&M zu sehen, ist<br />
dAs gesicht von yves sAint lAuRent BeAuty<br />
und lief Bei den schAuen iM fRühjAhR üBeR so<br />
zieMlich jeden lAufsteg in new yoRk, london,<br />
MAilAnd und PARis. Ay, cARAMBA!<br />
von<br />
David COLMAN<br />
fotos<br />
PeteR lindBeRgh<br />
styling<br />
kARl teMPleR<br />
56<br />
MAntel<br />
sAlvAtoRe feRRAgAMo
mantel<br />
burberry prorsum<br />
stay-ups<br />
(durchgehend getragen)<br />
fAlke<br />
“<br />
Ich hätte gerne einen Oscar,<br />
einen Grammy und einen Nobelpreis.<br />
Premierministerin zu werden wäre<br />
auch nicht schlecht<br />
”<br />
– <strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong>
kleid<br />
louis vuitton<br />
60<br />
mantel<br />
burberry prorsum<br />
schuhe<br />
(durchgehend getragen)<br />
ninA ricci
“<br />
ketten<br />
jennifer fisher<br />
Linker Fuß, rechter Fuß,<br />
linker Fuß, rechter Fuß …<br />
An viel mehr kann ich momentan<br />
nicht denken<br />
”<br />
– <strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong>
DaviD COLMaN: Du bist in New York und in Mailand<br />
gelaufen, und jetzt ist Paris dran.<br />
<strong>Cara</strong> DELEviNGNE: Erst New York, dann London<br />
und dann Mailand. Genau!<br />
COLMaN: Du bist ganz schön viel gelaufen.<br />
DELEviNGNE: Linker Fuß, rechter Fuß, linker<br />
Fuß, rechter Fuß … An viel mehr kann ich momentan<br />
nicht denken.<br />
COLMaN: Ich habe mir die Liste der Schauen<br />
angesehen, bei denen du mitgelaufen bist. Du warst<br />
bei jeder dabei! Man denkt, dass das nicht machbar<br />
sei, aber allein in dieser Saison hast du an 40 Modenschauen<br />
teilgenommen.<br />
DELEviNGNE: Selbst wenn ich vollkommen erschöpft<br />
bin, versuche ich immer, mit einem Lächeln<br />
auf den Laufsteg zu treten. Wenn ich schlecht gelaunt<br />
rausgehe, reagiert das Publikum entsprechend.<br />
Das, was man ausstrahlt, bekommt man auch zurück.<br />
Ich gebe mir immer Mühe, die Leute mit guter Laune<br />
anzustecken – ich springe rum, tanze und singe.<br />
COLMaN: Willst du mich vielleicht heiraten?<br />
DELEviNGNE: Ich werde darüber nachdenken.<br />
COLMaN: Du bist gerade zum zweiten Mal auf<br />
dem Titel der britischen Vogue.<br />
DELEviNGNE: Nein! Das ist das erste Mal – und<br />
ich bin schon total aus dem Häuschen!<br />
COLMaN: Ich bin wohl etwas durcheinandergeraten<br />
mit all deinen bisherigen Errungenschaften.<br />
DELEviNGNE: Ich gebe zu, es ist ein bisschen viel<br />
gerade. <strong>Die</strong>ser Monat war aber wirklich herausragend:<br />
der Titel vom Love Magazine und der Vogue. Ich<br />
vergesse regelmäßig, dass ich erst 20 bin. Noch dazu<br />
fotografiert von den bedeutendsten Fotografen dieser<br />
Tage, wie ich jedenfalls meine.<br />
COLMaN: Wer hat die Bilder für die Vogue geschossen?<br />
DELEviNGNE: Das war Mario Testino. Und die<br />
Fotos für das Love Magazine sind von Mert (Alas) und<br />
Marcus (Piggott).<br />
COLMaN: Mit Mario hast du schon oft für<br />
Burberry zusammengearbeitet.<br />
DELEviNGNE: Yeah! Meine allererste Kampagne.<br />
Burberry und Mario. Wir haben eine enge Beziehung.<br />
Es scheint, als hätten wir den gleichen Terminplan.<br />
Jedes Mal, wenn ich in Brasilien oder auf<br />
Ibiza bin, ist er auch dort. Dann verbringen wir ein<br />
bisschen Zeit zusammen. Er ist mein Mode-Papa.<br />
COLMaN: So jemanden kannst du sicher gut<br />
gebrauchen. Ich kann mir vorstellen, dass das alles<br />
ziemlich überwältigend ist.<br />
DELEviNGNE: Auf jeden Fall. Ich habe eine Menge<br />
sehr guter Freunde in dieser Branche gefunden,<br />
übrigens mehr Fotografen und Stylisten als Models.<br />
Ich glaube, die Modeindustrie ist eine der verrücktesten<br />
Branchen überhaupt. Aber ich mag sie. Sie ist<br />
wie eine riesige, beschissene, völlig dysfunk tionale<br />
Familie, aber alle sind wahnsinnig toll.<br />
COLMaN: Man kann schon sagen, dass du inmitten<br />
dieser Familie groß geworden bist, oder?<br />
DELEviNGNE: Ehrlich gesagt fühlt sich das für<br />
mich nicht so an. Meine Eltern hatten mit der Modewelt<br />
nicht viel zu tun – sie waren sehr soziale Leute<br />
und hatten viele tolle Freunde, aber ich habe in meiner<br />
eigenen Welt gelebt. Ich stand auf Lego, bin<br />
nackt im Garten herumgelaufen und habe mit meinen<br />
Tieren gespielt. Früher habe ich mich nicht besonders<br />
für Mode interessiert. Ich war so ’n richtiger<br />
Junge. Ich habe gerne Fußball gespielt und überhaupt<br />
gerne Sport getrieben. Als ich das erste Mal Brautjungfer<br />
sein sollte, habe ich darauf bestanden, Fußballshorts<br />
unter meinem Kleid tragen zu dürfen.<br />
“<br />
Ich war so ’n richtiger<br />
Junge. Ich habe<br />
gerne Fußball gespielt.<br />
Als ich das erste Mal<br />
Brautjungfer sein sollte,<br />
habe ich darauf bestanden,<br />
Fußballshorts<br />
unter meinem Kleid<br />
tragen zu dürfen<br />
”<br />
– <strong>Cara</strong> <strong>Delevingne</strong><br />
Meine Mutter hat ständig versucht, mich in Kleidchen<br />
zu stecken. Ich habe das gehasst! Meine beiden<br />
Schwestern waren viel mädchenhafter, vielleicht habe<br />
ich mir deshalb nichts aus Klamotten gemacht. Im<br />
Supermarkt habe ich mir gerne mal alle Kleider ausgezogen<br />
und bin vor meiner Mutter weggerannt, weil<br />
ich dachte, das sei lustig. So eine Art Kind war ich.<br />
COLMaN: (lacht) Das klingt super.<br />
DELEviNGNE: Erst mit 13 habe ich mich geändert.<br />
Als ich anfing, mir was aus Mode zu machen,<br />
ging es mir vor allem darum, damit in unterschiedliche<br />
Rollen zu schlüpfen. Damals dachte ich, dass Kleidung<br />
dazu dient, zu der Person zu werden, die man<br />
eben gerne sein will.<br />
COLMaN: Zu merken, was für eine Macht Kleidung<br />
haben kann, ist beinahe schockierend. Manchmal<br />
scheint es, als könne sie dich tatsächlich zu einer<br />
anderen Person machen.<br />
DELEviNGNE: Wenn ich eine Schau laufe, suche<br />
ich immer nach der Idee hinter der Kollektion und<br />
versuche, das Mädchen zu verkörpern, das der Designer<br />
sich vorgestellt hat. Ich versuche immer, mich<br />
auf dem Laufsteg in diese Art von Person hineinzuversetzen,<br />
damit es echt und natürlich wirkt. Das<br />
kann aber auch voll danebengehen, wie zum Beispiel<br />
bei der H&M-Show, die ich gerade in Paris gelaufen<br />
bin. George Cortina hatte mir vorher gesagt: „Tu<br />
einfach so, als wärst du zu Hause. Sei einfach du<br />
selbst, sei verrückt.“ Also bin ich losgelaufen, habe<br />
gelacht, bin auf fremde Leute zugegangen und habe<br />
sie auf die Wange geküsst, ich habe Blumen aus einer<br />
Vase gerissen und sie auf die Fotografen geworfen –<br />
jede Menge Blödsinn eben. Als ich mir danach die<br />
Aufnahme angesehen habe, habe ich dann gemerkt,<br />
dass ich die Einzige war, die so etwas abgezogen hat.<br />
Ich versuche einfach, das Ganze zu genießen und<br />
nicht zu viel darüber nachzudenken. Das ist eine der<br />
schwierigsten Herausforderungen im Leben. Ich<br />
denke immer viel zu viel über alles nach. Unwissenheit<br />
ist ein Segen.<br />
COLMaN: Aber irgendwann macht alles Sinn,<br />
und man denkt sich: „Oh, ich bin froh, dass ich mir<br />
immer so viele Gedanken darüber gemacht habe.“<br />
DELEviNGNE: Bei mir läuft das Denken anders.<br />
Ich denke einfach in Spiralen.<br />
COLMaN: Spielst du eigentlich immer noch<br />
Fußball?<br />
64<br />
DELEviNGNE: Na klar! Wenn ich im Sommer zu<br />
Hause mit meinen Freunden unterwegs bin und einer<br />
fängt an zu spielen, mache ich sofort mit. Mir<br />
macht es Spaß, mit den Jungs im Schlamm zu spielen.<br />
Natürlich mache ich mich auch gerne mal richtig<br />
schick, aber eigentlich bin ich am liebsten sportlich<br />
unterwegs. Ich muss schon genug Zeit in unbequemen<br />
Sachen verbringen, deswegen trage ich privat<br />
gerne Sneakers und flache Schuhe.<br />
COLMaN: Ich glaube, die Welt braucht mehr<br />
Menschen wie dich.<br />
DELEviNGNE: Cool! Ich versuche ja nach wie vor,<br />
den Nobelpreis zu bekommen. Das hilft mir sicher<br />
auf dem Weg dorthin.<br />
COLMaN: Vielleicht solltest du damit lieber<br />
warten, bis du 30 oder 40 bist.<br />
DELEviNGNE: Ich hätte gerne einen Oscar, einen<br />
Grammy und einen Nobelpreis. Premierministerin<br />
zu werden wäre vielleicht auch nicht schlecht.<br />
COLMaN: Das dürfte etwas mehr Zeit in Anspruch<br />
nehmen. Vielleicht wartest du damit bis Ende<br />
20. Gibt es etwas, das ich dich noch fragen soll?<br />
DELEviNGNE: Ob meine Augenbrauen echt sind.<br />
Nein, sind sie nicht. Das ist eine Perücke. (Colman<br />
lacht) Ich hatte eine Augenbrauentransplantation.<br />
COLMaN: Das sind ziemlich prachtvolle Brauen.<br />
DELEviNGNE: Ich werde öfter gefragt, was das<br />
Geheimnis dahinter ist. Dann sag ich: „Man darf sie<br />
nicht zupfen. Das ist total einfach.“ Ein bisschen<br />
zupfe ich sie natürlich, sonst hätte ich nämlich eine<br />
Monobraue. Aber im Grunde sollen die einfach nur<br />
schön gedeihen. Sie sollen wild und wollig wachsen.<br />
COLMaN: Deine Augenbrauen sind also wild<br />
und frei.<br />
DELEviNGNE: Klar, die haben ihren eigenen<br />
Twitter-Account mit über 700 000 Abonnenten.<br />
COLMaN: Ich habe davon gehört. Eine schöne<br />
Sache.<br />
DELEviNGNE: Sie haben auch einen eigenen Ausweis.<br />
COLMaN: Mit welchen Fragen kann man dich in<br />
den Wahnsinn treiben?<br />
DELEviNGNE: „Welches Kleidungsstück passt<br />
immer?“ Das sind Fragen, die man schon so oft<br />
gestellt bekommen hat, dass man einfach immer wieder<br />
die gleichen Antworten abspult. Es ist einfach<br />
schrecklich langweilig. Ich bin auch gelangweilt davon,<br />
mein eigenes Gesicht zu sehen. Vielleicht sollte<br />
ich irgendetwas ändern.<br />
COLMaN: Ich habe gelesen, dass du deinen Namen<br />
rechtlich hast schützen lassen.<br />
DELEviNGNE: Das stimmt! Irgendwelche Typen<br />
haben versucht, meinen Namen für sich zu nutzen,<br />
und ich habe keine Lust, mich damit aufzuhalten. Ich<br />
hätte hingegen große Lust, irgendwann mal meine<br />
eigene Einteiler-Linie zu entwerfen oder …<br />
COLMaN: Was für eine Linie?<br />
DELEviNGNE: Du kennst doch Einteiler, oder?<br />
<strong>Die</strong> sehen so aus wie Jumpsuits. Es gibt eine Menge<br />
Dinge, die ich gerne machen würde. Vielleicht auch<br />
eine Zahnbürsten-Kollektion oder so.<br />
Hair PaUL HaNLON/JULiaN WaTSON aGENCY<br />
USiNG SCHWarZKOPF OSiS<br />
Make-up EMMaNUEL SaMMarTiNO FOr CHaNEL/<br />
MariE-FraNCE THavONEKHaM<br />
Manicure STEPHaNiE LErOUX/MaJEUrE PrOD<br />
Casting MiCHELLE LEE/KCD, iNC.<br />
Prop Styling aNNE KOCH/CLM<br />
Production EMMa raULT FOr NOrTH6 PariS<br />
retouching La STaTiON<br />
Digital Technician FLOrENT SiNaN BrUNEL<br />
Photography assistants STEFaN raPPO,<br />
THOMaS LaCHaMBrE<br />
Styling assistants ELiN SvaHN, MELiSSa LEvY<br />
Hair assistants KEiSUKE TEraDE, PiErPOaLO Lai<br />
Make-up assistant COriNNE CLaNET<br />
stola<br />
miu miu<br />
65
Katja<br />
Riemann<br />
von<br />
Jörg Harlan RoHledeR<br />
blazer<br />
versAce<br />
hose<br />
Ann demeulemeester<br />
fotos<br />
olAf WippeRfüRth<br />
styling<br />
KlAus stocKhAusen
Katja Riemann<br />
ist dies.<br />
Katja Riemann<br />
ist das.<br />
ein Land diskutiert<br />
über eine Schauspielerin<br />
und vergisst, wer<br />
Katja Riemann<br />
eigentlich ist: <strong>Die</strong> beste<br />
Charakterdarstellerin<br />
ihrer Generation.<br />
Und da wir kein Öl<br />
ins Feuer kippen wollten,<br />
kochten wir ihr<br />
stattdessen ein Risotto<br />
mantel<br />
pAco rAbAnne<br />
gürtel<br />
Ann demeulemeester<br />
stay-ups<br />
fAlke
top & bh<br />
costume nAtionAl<br />
rock<br />
wunderkind<br />
miederhöschen<br />
(darunter getragen)<br />
dolce & gAbbAnA<br />
schuhe<br />
Ann demeulemeester
kleid<br />
tom ford
interview: Katja, deine blonden Locken! Ich bin<br />
ja so froh, dass sie noch da sind.<br />
katja riemann: I knooow … Heute Nachmittag<br />
während des Fotoshoots waren sie noch ganz<br />
schwarz, ist das nicht verrückt?!<br />
interview: Wie machst du das nur?<br />
riemann: Das zeigt dir jetzt der kleine Einspieler,<br />
den ich vorbereitet habe, lieber Jörg.<br />
interview: Mit Einspielern kennen wir uns ja aus!<br />
Wie fandst du denn den Fotoshoot heute? Unterscheidet<br />
sich das von einem Filmdreh für dich?<br />
riemann: Sehr sogar. Es strengt mich an, weil<br />
ich ja nicht spielen kann, sondern ich selbst sein muss<br />
sozusagen; ich habe keine Situation, innerhalb derer<br />
ich mich verhalten kann. Aber der Fotograf Olaf<br />
Wipperfürth arbeitet situativ und sagte vorab, er<br />
würde gern Filmstills erfinden. Das hat es leichter<br />
für mich gemacht. Normalerweise sind solche Termine<br />
für mich mit Angst verbunden. Heute war es<br />
fabelhaft.<br />
interview: Alle im Team heute waren ganz perplex:<br />
Du siehst so viel jünger aus, als du tatsächlich bist.<br />
riemann: Vielen herzlichen Dank! Ich habe<br />
mich ganz gut gehalten, aber dadurch verlängert sich<br />
meine Lebenszeit ja nicht. Leider.<br />
interview: Hast du Probleme damit, älter zu<br />
werden?<br />
riemann: Meine persönliche Vorstellung von<br />
Alter und mein tatsächliches Empfinden davon verlaufen<br />
einfach nicht synchron. Dabei finde ich es<br />
überaus wichtig, sich zumindest einigermaßen altersgerecht<br />
zu benehmen. 40Jährige, die auf 22 machen,<br />
finde ich eher schwierig. Aber heute kann ich mir nur<br />
sehr schwer vorstellen, wie es wird, wenn ich tatsächlich<br />
alt bin. Wahrscheinlich liegt das an den Menschen,<br />
die heute alt sind.<br />
interview: Wie meinst du das?<br />
riemann: Viele von den wirklich Alten, die man<br />
auf der Straße und im Supermarkt sieht, wirken irgendwie<br />
hart beziehungsweise verhärtet. Sie kommen<br />
aus anderen Erfahrungen, einem anderen Leben,<br />
das sich in ihre Gesichter geschabt hat.<br />
interview: Vielleicht kommt die Härte daher,<br />
dass diese Generation den Krieg noch erlebt hat.<br />
riemann: <strong>Die</strong> Generation, die um 1925 herum<br />
geboren wurde …<br />
interview: … wie unser Papst a. D. …<br />
riemann: … ja, die Jungs, die mit 16, 17, 18 noch<br />
in den Volkssturm geschickt wurden als Kanonenfutter.<br />
<strong>Die</strong> haben als junger Mensch das erlebt, dann<br />
den Aufbau der Bundesrepublik bzw. der DDR und<br />
eigentlich wahnsinnig viel geleistet. Trotzdem oder<br />
vielleicht deswegen wirken sie hart und oft auch verbittert.<br />
Das soll jetzt nicht doof klingen – aber das<br />
kleid<br />
vAlentino<br />
gesehen bei stylebop.com<br />
bh (darunter getragen)<br />
dolce & gAbbAnA<br />
tuch<br />
stylist’s own<br />
sind einfach keine netten Alten. Und sie prägen im<br />
Moment das Bild von alten Menschen. So will ich<br />
später nicht sein. Wobei ich mir ziemlich sicher bin,<br />
dass wir andere Alte werden. Meine Tochter macht<br />
jedenfalls jetzt schon Witze darüber, wie ihre Generation<br />
der Tätowierten und Gepiercten durch Berlin<br />
spaziert. Das wird dann eher lustig.<br />
interview: Erlebst du Altersgrenzen im Beruf?<br />
riemann: Absolut! Vor allem im deutschen Film<br />
scheint es dieses Ü40Problem zu geben. Welches<br />
Bild von Frauen, frage ich mich, wird da definiert?<br />
Was sind das für Lebensentwürfe? Ich kenne solche<br />
Frauen nicht! <strong>Die</strong> sehen anders aus als ich oder meine<br />
Freundinnen, leben in 20jährigen Ehen, sind frustriert<br />
und haben meist erwachsene Söhne, die Robert<br />
heißen.<br />
interview: Das passiert dem Zuschauer deines<br />
neuen Films nicht. Als ich Das Wochenende gesehen<br />
habe, hatte ich das Gefühl, dass man diese Art von<br />
Menschen dort oben auf der Leinwand, zumindest<br />
deren Blaupause, sehr wohl kennt. Teilweise sogar zu<br />
gut.<br />
riemann: Du kennst einen ExTerroristen?<br />
interview: Das ganze Personal – bis auf den<br />
Terroristen.<br />
riemann: Volvo fahrende Genussspießer und<br />
Menschen, die ihr Geld in Landhäuser stecken?<br />
IntervIew: Teilweise bin ich das selbst. So richtig<br />
wurde mir das erst im Kino bewusst.<br />
rIemann: Interessant.<br />
IntervIew: Aus linksradikal wird bürgerlichliberal.<br />
rIemann: Das ist eines der Themen. Ich hab<br />
mich da selbst nicht ganz drin wiedergefunden, aber<br />
das ist auch nicht mein Anliegen als Schauspielerin.<br />
IntervIew: Letztendlich geht es in Das Wochenende<br />
um Lebensmodelle, um Erwartungen und um<br />
freiwillig oder unfreiwillig gewählte Rollen und Positionen.<br />
rIemann: Genau. Das Drehbuch ist wirklich<br />
sehr gut geschrieben. Es geht nicht um Urteilen oder<br />
Verurteilen, sondern um Abbilden. Irgendwie versteht<br />
man alle Figuren und kann jede Position nachvollziehen.<br />
Je nachdem, wie man aus subjektiver Erfahrung<br />
draufschaut, entsteht eine Haltung zum<br />
Geschehen. Also, das wäre zumindest schön. Es geht<br />
nicht um Richtig oder Falsch, sondern um die Betrachtung<br />
verschiedener Lebensentwürfe.<br />
IntervIew: Du spielt eine Frau, Inga Lansky, die<br />
ihren Exfreund Jens Kessler, Vater ihres Sohnes und<br />
verurteilten RAF-Terroristen, nach 18 Jahren ohne<br />
Vorwarnung wieder trifft. Inga kommt mit Ulrich,<br />
ihrem bürgerlichen Ehemann, bei dem Haus an, das<br />
der Schwester des Terroristen gehört, und auf einmal<br />
ist Jens wieder in Ingas Leben. Du spielst sie wirklich<br />
grandios.<br />
rIemann: Vielen Dank! Dabei kommt die Figur<br />
der Inga im Buch so gar nicht vor. In der Romanvorlage<br />
heißt es nur, sie habe sich irgendwann umgebracht.<br />
Nina Grosse hat sie ins Drehbuch geschrieben.<br />
IntervIew: Ach so?<br />
rIemann: Ja, Nina hat sich dazu entschlossen,<br />
um zu klären, mit wem man durch den Film geht.<br />
Wer nimmt den Zuschauer an die Hand? Und der<br />
Terrorist war nicht wirklich dafür geeignet.<br />
IntervIew: Deine Figur sagt irgendwann etwas<br />
in der Art wie: Ich habe mich nicht für dieses Leben<br />
entschieden, ich bin da so reingerutscht.<br />
rIemann: So eine Aussage, glaube ich, beschreibt<br />
eine unheimlich weibliche Sichtweise. Sie<br />
sagt: „Mir ist alles immer nur passiert.“ Erst als dann<br />
Ingas ehemaliger Geliebter wieder auftaucht, merkt<br />
sie, dass da was nicht zu Ende gelebt wurde, dass etwas<br />
wieder aufgenommen werden muss, um es abzuschließen<br />
– oder um es weiterzuführen. Deswegen<br />
weiß man als Zuschauer auch nie genau, was für ein<br />
Film Das Wochenende eigentlich sein soll: eine Liebesgeschichte?<br />
Ein politischer Film? Ein Film über<br />
die Midlife-Crisis? Oder doch ein Familien drama?<br />
Das gefällt mir sehr gut daran.<br />
IntervIew: Ich finde es großartig, dass es keine<br />
Rückblenden in den Deutschen Herbst gibt, weder<br />
RAF-Retroporn noch die obligatorischen sepiafarbenen<br />
Tagesschau-Schnipsel.<br />
rIemann: Und keine Koteletten (lacht).<br />
IntervIew: <strong>Die</strong> gibt es nur auf einem T-Shirt,<br />
das ein ehemaliger Freund dem Ex-Terroristen als<br />
Willkommensgruß mitbringt. Darauf zu sehen ist<br />
ein RAF-Fahndungsplakat.<br />
rIemann: In das wir Sebastian Koch reingeschmuggelt<br />
haben. Nina ließ das für die ganze<br />
Crew nach Drehschluss drucken – meins hat sich sofort<br />
die Tochter geschnappt und ist damit in irgendeinen<br />
Club abgehauen. Ihre Freunde fanden es anscheinend<br />
alle super. Woraufhin Paula nur meinte:<br />
„Yeah, das ist der neue Film meiner Mutter.“ Das sagt<br />
ja auch der Schriftsteller im Film zu seinem alten<br />
Freund, dem RAF-Terroristen: „Du bist Pop!“<br />
“<br />
Ich rede generell<br />
nicht gerne über<br />
Privates, über meine<br />
Liebsten, meine<br />
Tochter, meinen Mann.<br />
Warum sollte ich?<br />
Ich lade auch<br />
niemanden zu mir<br />
nach Hause ein<br />
”– Katja Riemann<br />
IntervIew: Ist es nicht erstaunlich, wie sehr die<br />
RAF hierzulande in manchen Kreisen als Teil der<br />
Popkultur wahrgenommen wird? Sonst steht Deutschland<br />
ja nicht gerade für den lockeren und coolen Umgang<br />
mit der Aufarbeitung der eigenen Geschichte.<br />
rIemann: Nein, cool ist der gewiss nicht. Muss<br />
er aber auch nicht. Immerhin setzt sich Deutschland<br />
sehr intensiv mit der eigenen Vergangenheit auseinander.<br />
Da sind wir ziemlich weit vorne. Wenn auch<br />
humorbefreit. Allerdings wären Humor und Coolness<br />
bei großen Teilen der deutschen Vergangenheit<br />
auch fehl am Platz.<br />
IntervIew: Eine andere Frage, die der Film stellt,<br />
ist die, welches Leben man führen will: romantischgestrig<br />
in Idealen verhaftet und mit der Welt hadernd<br />
– oder lieber ein Leben mit der Sicherheit eines Volvos<br />
und Algen in Teig wickelnd in der Bulthaup-<br />
Küche stehend?<br />
rIemann: <strong>Die</strong> Algen im Teigmantel fand ich<br />
auch sehr lustig. <strong>Die</strong> Frage, die sich mir während der<br />
Beschäftigung mit Rolle und Drehbuch eher gestellt<br />
hat, lautet: Was passiert in dem Moment, in dem man<br />
realisiert, dass man in ein Leben hinein geraten ist,<br />
das man so gar nicht vorausgesehen, geplant, gedacht<br />
hat? Plötzlich hält meine Figur inne und<br />
denkt: „Stopp mal. Wie bin ich hierhergekommen?<br />
Wann habe ich nicht aufgepasst? Welche Weiche<br />
habe ich übersehen?“ Falsch oder Richtig spielt da<br />
gar keine Rolle. Und das, denke ich, ist eine echte<br />
Midlife-Crisis: Stopp zu sagen. Das eigene Leben<br />
zu hinterfragen. Mit der eigenen Vorstellung abzugleichen.<br />
IntervIew: Gab es solche Momente in deinem<br />
Leben auch?<br />
rIemann: Das soll jetzt nicht doof klingen, aber<br />
mein Leben hat von Anfang an einen völlig anderen<br />
Verlauf genommen, weswegen ich mich gegen eine<br />
Verbürgerlichung auf eine Art irgendwie immun<br />
fühle. Was einfach daran liegt, dass ich mich, nachdem<br />
ich mit der Schule abgeschlossen hatte und bei<br />
meiner Mutter ausgezogen war, für ein künstlerisches<br />
Leben entschieden habe. Mein erstes Studium<br />
war Tanz, mein zweites Schauspiel. Seither lebe ich<br />
von meiner Kunst. Und das bewahrt mich davor,<br />
dieser Bürgerlichkeit zu verfallen. <strong>Die</strong>ses „Ich muss<br />
sofort anhalten und die Notbremse ziehen“ wird es<br />
bei mir nicht geben. Im Gegenteil. All das, was bei<br />
bürgerlichen Biografien irgendwann zum full stop<br />
führt, sehnt man sich in meiner Lage eher herbei: Sicherheit<br />
und Regel mäßigkeit, die einen bürgerlichen<br />
Lebensentwurf kennzeichnen.<br />
IntervIew: Wobei du über zu wenige Engagements<br />
kaum klagen kannst. Seit Abgeschminkt! und<br />
Stadtgespräch läuft es ziemlich gut für dich!<br />
rIemann: Ich glaube, das lässt sich von außen<br />
leichter sagen als von innen. Zumal Abgeschminkt!<br />
und so weiter auch alles Studentenfilme waren. Dann<br />
das ganze Theater und die Musik; ein finanzielles<br />
Polster schafft das nicht. <strong>Die</strong> Gagen sind in Deutschland<br />
selbst für erfolgreiche Filmschauspieler nicht zu<br />
vergleichen mit denen in einem Filmland wie Amerika<br />
oder Frankreich. Zumal ich ein Leben lang fürs<br />
Kino gespielt habe – leider steckt in Deutschland das<br />
Geld im Fernsehen. Zweiteiler, Dreiteiler, da verdient<br />
man anständig.<br />
IntervIew: Oder bei einer guten Serie.<br />
rIemann: Ich würde so gerne in einer tollen Serie<br />
mitspielen! Das hätte ich früher nie gesagt. Aber<br />
heute sind Serien ja so weitläufig und so tiefgründig<br />
wie die großen Klassiker, wie Krieg und Frieden oder<br />
was von Dickens.<br />
IntervIew: Schaust du privat gerne Serien?<br />
rIemann: Seit ein paar Jahren habe ich Serien<br />
als große Kunstform für mich entdeckt. Auf einmal<br />
saß ich mit meiner Tochter morgens um drei da und<br />
meinte nur: „Okay, eine Folge geht noch. Wo finden<br />
wir jetzt den Stream im Internet?“ Am Ende haben<br />
wir eine Staffel an einem Wochenende geschaut, die<br />
ganze Serie in einer Woche. Breaking Bad.<br />
IntervIew: Dafür ist deine Filmografie zu lang<br />
– um sie in einer Woche durchzuziehen.<br />
rIemann: Wie meinst du das denn?<br />
IntervIew: Ich kannte kaum Filme von dir. Vielleicht,<br />
weil ich ohne Fernseher aufgewachsen bin.<br />
rIemann: Genau wie ich.<br />
IntervIew: Meine Mutter meinte immer: Der<br />
Kreis der Familie wird durch den Fernseher zu einem<br />
Halbkreis.<br />
rIemann: Das habe ich noch nie gehört! (lacht)<br />
Welche meiner Filme hast du dir denn jetzt angeschaut?<br />
Auch so alte Filme wie Stadtgespräch?<br />
IntervIew: Klar. Erst wollte ich alle sehen, für<br />
die du einen Preis bekommen hast.<br />
rIemann: Und?<br />
IntervIew: Es waren leider zu viele. Du hast ja<br />
mehr Preise und Auszeichnungen bekommen als jede<br />
andere deutsche Schauspielerin deiner Genera tion!<br />
Wahrscheinlich bist du deswegen manchmal genervt<br />
74<br />
75
und bockig: weil dieses Land dich nicht genug<br />
schätzt!<br />
Riemann: Dazu sage ich jetzt mal nichts. Bockig,<br />
ja …<br />
inteRview: Hat dir mal jemand gesagt, dass<br />
Abgeschminkt! total gut gealtert ist?<br />
Riemann: Es freut mich, das zu hören. Auch für<br />
Katja von Garnier! Ich weiß allerdings, dass ich heute<br />
besser aussehe als damals (lacht).<br />
inteRview: Stimmt. Du bist noch besser gealtert<br />
als der Film.<br />
Riemann: Ich hatte damals all diese Probleme.<br />
Und diese kleinen Pausbacken. Ach, von heute aus<br />
betrachtet ist das alles schon irre.<br />
inteRview: Jedenfalls hast du so gut wie in jeder<br />
Szene des Films geraucht.<br />
Riemann: Und zwar Roth-Händle mit Filter.<br />
<strong>Die</strong> ganze Zeit! Damals galt Roth-Händle mit Filter<br />
ja noch als homöopathische Zigarette. Zumindest in<br />
meinen Kreisen.<br />
inteRview: Rauchst du heute noch?<br />
Riemann: Wenn, dann die neue homöopathische<br />
Zigarette. Ist dir auch aufgefallen, dass wir in<br />
Abgeschminkt! die ganze Zeit Underberg trinken?<br />
<strong>Die</strong>sen Kräuterschnaps?<br />
inteRview: Der im Supermarkt alkifreundlich<br />
an der Kasse steht?<br />
Riemann: Genau. Der in diesem Packpapier.<br />
Wie in Amerika, wo man ja Alkohol auch immer aus<br />
Papiertüten trinkt in der Öffentlichkeit.<br />
inteRview: Am Set war hoffentlich Spezi in den<br />
Schnapsflaschen.<br />
Riemann: Wo Underberg draufsteht, ist auch<br />
Underberg drin!<br />
inteRview: Vor Abgeschminkt! lief immer der<br />
Kurzfilm Der schönste Busen der Welt.<br />
Riemann: Ja, von Rainer Kaufmann. Abgeschminkt!<br />
ging ja nur knapp eine Stunde. Es war also<br />
der kürzeste Langfilm. Und Rainers Kurzfilm war<br />
mit 15 Minuten eben ein sehr langer Kurzfilm. Mit<br />
Rainer Kaufmann habe ich übrigens die meisten Filme<br />
überhaupt gedreht. Ich hoffe doch, du hast dir<br />
auch <strong>Die</strong> Apothekerin angesehen.<br />
inteRview: Natürlich.<br />
Riemann: Ist es nicht toll, wie ambivalent diese<br />
Figur ist? Ich fragte mich: Ist sie Täterin oder Opfer?<br />
Hexe, Intrigenspinnerin oder Opfer ihrer Umgebung?<br />
Rainer meinte zu mir: „Sie ist ambivalent. Das<br />
ist ’ne Bürgerliche.“ Und darüber bekommt der Film<br />
etwas Schwebendes, etwas Geheimnisvolles.<br />
inteRview: Und wird so viel komplexer als die<br />
meisten deutschen Produktionen, in denen die Charaktere<br />
zumeist sehr eindimensional dargestellt werden.<br />
Dabei ist Ambivalenz oft das, was echte Menschen<br />
auszeichnet.<br />
Riemann: Ich würde sogar noch weitergehen<br />
und sagen, dass Kontradiktionen, also wirkliche Widersprüche,<br />
Menschen ausmachen. Nur so werden<br />
sie dreidimensional.<br />
inteRview: Und leiden darunter. Weil sie oft um<br />
die Widersprüche wissen.<br />
Riemann: Absolut. Und sie nicht auflösen können.<br />
inteRview: Deswegen mochte ich den Film Ich<br />
bin die Andere so gerne. Dein bester, wie ich finde.<br />
Riemann: Das freut mich so sehr, dass du jetzt<br />
genau das sagst. Ich habe immer das Gefühl, der<br />
Film wird übersehen. Dabei ist der wirklich gut.<br />
inteRview: Aber ist August <strong>Die</strong>hl als Liebhaber<br />
nicht ein wenig jung für dich?<br />
Riemann: Hey! Was soll das denn jetzt heißen?<br />
So jung ist August auch nicht mehr.<br />
Mich sprachen<br />
ständig Männer auf<br />
der Straße an. Ich<br />
hatte schon total<br />
Panik, dass ich jetzt<br />
für den Rest meines<br />
Lebens allen Typen<br />
einen Freifahrtschein<br />
ausgestellt hätte,<br />
mich schräg von der<br />
Seite anzuquatschen<br />
”– Katja Riemann<br />
inteRview: Schon, aber er sieht so knabenhaft<br />
aus im Gesicht.<br />
Riemann: Ursprünglich sollte Ulrich Tukur die<br />
Rolle spielen, den ich überaus schätze. Dann gab es<br />
jedoch Probleme mit der Förderung. Als wir das<br />
Geld schließlich zusammenhatten, konnte Ulrich<br />
nicht mehr, weil er an der Burg in Wien eine Theaterrolle<br />
zugesagt hatte. Margarethe (von Trotta, die Regisseurin)<br />
rief schließlich an und meinte: „Was hältst<br />
du davon, wenn ein Jüngerer die Rolle spielt? Wollen<br />
wir das nicht umdrehen und August <strong>Die</strong>hl fragen?“<br />
Ich meinte daraufhin nur: „Oh my God, August<br />
<strong>Die</strong>hl!“ Ich find den ja eh klasse … Und nachdem wir<br />
uns einen Abend lang zu dritt an einer Hotelbar irrsinnig<br />
einen angezischt hatten, Margarethe, August<br />
“<br />
und ich, meinte er schließlich: „Ihr seid toll! Ich<br />
spiel das.“<br />
inteRview: Fällt es dir eigentlich leicht, die eigenen<br />
Auftritte noch einmal anzuschauen?<br />
Riemann: Es wird leichter mit der Zeit. Direkt<br />
nach dem Dreh will ich den Film immer erst alleine<br />
anschauen. Da will ich auch nicht, dass mir irgendwer<br />
den Arm streichelt. Wenn Kollegen dabei sind,<br />
setze ich mich immer so weit weg wie möglich. Meistens<br />
habe ich die Hände vorm Gesicht und blinzle<br />
durch die Finger – so wie andere Menschen reagieren,<br />
wenn sie eine gruselige oder brutale Szene erwarten.<br />
inteRview: Wird das Spielen an sich leichter<br />
oder schwerer?<br />
Riemann: Es hat bei mir nie Angst ausgelöst. Ich<br />
hatte das große Glück, im dritten Semester während<br />
der Schauspielschule ein Urlaubssemester machen zu<br />
dürfen, um einen Film mit Peter Beauvais zu drehen.<br />
Der hat mir alles beigebracht, was es über Filmschauspiel<br />
zu wissen gibt. Bis hin zu: Was isst du, mit<br />
wem sprichst du, wie spielst du im Off, wie im On,<br />
Wiederholung, Subtext, Substitution, Reproduktionsfähigkeit,<br />
wie hält man Spannung während des<br />
Wartens, all das. Davon profitiere ich heute noch.<br />
inteRview: Musst du eigentlich noch zu Castings<br />
gehen und vorsprechen?<br />
Riemann: Ja klar. Für Inga aus Das Wochenende<br />
war ich dreimal beim Casting. Anfangs hieß es, ich<br />
sei zu jung für die Rolle – was ich natürlich auch ganz<br />
gerne gehört habe.<br />
inteRview: <strong>Die</strong> Katja im Film sieht auch viel<br />
mehr vom Leben gezeichnet aus als die Katja, die<br />
heute hier sitzt.<br />
Riemann: Ich weiß. Das ist die Magie der Schauspielerei.<br />
In Abgeschminkt! sage ich doch schon: „Männer<br />
bekommen Linien, Frauen bekommen Falten.<br />
Ich werde sie Linien nennen.“<br />
inteRview: Dort schreibst du auch „Das Leben<br />
ist große Scheiße, und dann stirbst du“ an die Wand.<br />
Riemann: Ja, fand ich super, den Spruch.<br />
inteRview: Was würdest du heute an die Wand<br />
kritzeln?<br />
Riemann: Was Ähnliches. Vielleicht: „Wir werden<br />
alle überleben, bis wir tot sind“. Da stand aber<br />
auch noch: „Ami go home“.<br />
inteRview: Was geradewegs in den politischen<br />
Kampf führen kann: Jens Kessler kommt nach 18 Jahren<br />
aus dem Knast, ihr geht einkaufen. Was würde<br />
sich Katja Riemann nach 18 Jahren Gefangenschaft<br />
als Erstes kaufen?<br />
Riemann: Einen anständigen Tee. Oder ein Bio-<br />
Roggenbrot mit mittelaltem Gouda. Wobei man das<br />
wahrscheinlich auch heute im Gefängnis bekommen<br />
kann, wenn man ein paar gute Freunde hat.<br />
inteRview: Ach ja?<br />
Riemann: Klar, bei mir wäre immer Halligalli in<br />
der Zelle. Ich bekäme jeden Tag Besuch. Zumindest<br />
stelle ich mir das jetzt mal so vor.<br />
inteRview: Der Besuch kommt sicher lieber zu<br />
dir ins Landhaus.<br />
Riemann: Ich habe doch gar kein Landhaus!<br />
Was denkst du denn von mir?<br />
inteRview: Na ja.<br />
Riemann: Okay, ich habe mir gerade ein schönes<br />
Grundstück auf dem Land gekauft.<br />
inteRview: Und da kommt kein Haus drauf?<br />
Riemann: Nee, wir suchen gerade nach einem<br />
Bauwagen. Wir haben gestern einen angeschaut.<br />
Mein Mann ist ja handwerklich sehr begabt. Wir<br />
bauen uns den Bauwagen nett aus, schlafen da drin<br />
und grillen auf der Wiese. Das ist der Plan. Aber jetzt<br />
müssen wir erst einen schönen Bauwagen finden.<br />
inteRview: Hast du nicht schon einmal öffentlich<br />
nach einem Haus gesucht?<br />
Riemann: Du meinst damals bei Wetten, dass ..?.<br />
Das ist ja schon ewig her! Aber es stimmt: Da war<br />
gerade meine Tochter geboren. Wir wohnten in<br />
Neukölln, und ich spürte diesen großen Drang, dem<br />
Kind einen Garten bieten zu wollen. Türe auf, Sandkasten<br />
und Schaukel, so wie sich das alle wünschen.<br />
Aber wie findet man dieses Haus? Als Til und ich<br />
dann zu Gottschalk für Der bewegte Mann eingeladen<br />
wurden, meinte ich noch zu Bernd Eichinger: „Ach,<br />
Bernd, schick doch den Joachim, ich will da nicht<br />
hin.“ Das war also schon damals so. Bernd sagte jedoch:<br />
„Nee, da gehst du schön hin.“ Daraufhin dachte<br />
ich: „Okay, dann muss aber irgendwas für mich<br />
rausspringen.“ Und so kam mir die Idee, ich könne ja<br />
live im Fernsehen der ganzen Nation erzählen, dass<br />
wir ein Haus mit Garten suchen. Ich wollte unbedingt<br />
an den Wannsee, den fand ich so berlinerisch.<br />
Natürlich erzählte ich allen Freunden von meinem<br />
perfiden Plan, hatte mal wieder eine total große<br />
Klappe und saß dann auf diesem Wetten, dass ..?-Sofa<br />
und fragte mich: „Fuck, wie stell ich das jetzt an?“<br />
IntervIew: Und?<br />
rIemann: Na ja. Mein Bruder hatte eine gute<br />
Idee als Wetteinsatz: Er schlug vor, dass wir ein Bild<br />
mit den Füßen malen. Und während Til und ich da<br />
standen und unsere Zehen in die Farbe tunkten,<br />
meinte ich schließlich: „Übrigens suche ich gerade<br />
ein Haus am Wannsee.“<br />
IntervIew: Ja.<br />
rIemann: Das Dumme war: Ich hatte vergessen,<br />
zu erwähnen, dass wir es nur mieten wollen. Und das<br />
für maximal 2 000 DM. Ich hatte ja auch gar keine<br />
Kohle, um ein Haus zu kaufen. Da es damals noch<br />
keine E-Mail gab, bekam ich am Montag darauf einen<br />
Anruf von Constantin-Film: Dort waren seit der<br />
Sendung 30 Meter Fax eingetroffen, allesamt Angebote<br />
von Häusern am Wannsee. Mit Steg und Anlegeplatz<br />
für die Yacht. Für vier Millionen und aufwärts.<br />
Alles nur Kaufangebote. In den folgenden<br />
Wochen sprachen mich ständig irgendwelche Männer<br />
auf der Straße an und erkundigten sich, ob ich<br />
denn nun ein Haus gefunden hätte. Ich hatte schon<br />
total Panik, dass ich jetzt für den Rest meines Lebens<br />
allen Typen einen Freifahrtschein ausgestellt hätte,<br />
mich schräg von der Seite anzuquatschen.<br />
IntervIew: Ohne jemals den Garten zu bekommen.<br />
rIemann: Doch, das hat tatsächlich geklappt.<br />
Allerdings hat mich auch da ein Mann auf der Straße<br />
angesprochen. Ich war schon ganz genervt. Er meinte<br />
aber: „Ich hab vielleicht was für Sie. Nicht am<br />
Wannsee, aber in Grunewald.“ Und das war es dann.<br />
Da gab es dann die Sandkiste und die Schaukel für<br />
die kleine Paula.<br />
IntervIew: Eigentlich wollten wir dich ja für die<br />
Fotostrecke als Kämpferin inszenieren, mein Favorit<br />
war Katja Riemann als Boxerin.<br />
rIemann: Interessant. Das versteht aber nicht<br />
jeder. Ich kann mir schon denken, warum.<br />
IntervIew: Siehst du dich selbst als Kämpferin?<br />
rIemann: Ja und nein. Also eigentlich nicht. Ich<br />
werde manchmal zwangsläufig zur Kämpferin. Das geschieht<br />
aber nicht freiwillig. Ich suche mir das nicht aus.<br />
IntervIew: Und doch wusstest du immer, wo du<br />
hinwillst.<br />
rIemann: Eigentlich nicht. Ich komm ja nicht<br />
aus der Stadt, kannte also dieses ganze kulturelle<br />
Umfeld, die Infrastruktur mit Theatern, Museen,<br />
Bibliotheken, Veranstaltungen und so gar nicht. Wo<br />
ich aufgewachsen bin, gab es gar nichts. Außer der<br />
2 000 Bücher, die meine Mutter besaß.<br />
IntervIew: Es gab aber schon eine Bushaltestelle,<br />
wo ihr abhängen konntet.<br />
rIemann: Nee, eine Kleinbahn. <strong>Die</strong> hielt aber<br />
nur morgens und abends für die Pendler. Sonst fuhren<br />
die Züge durch. Wir rannten immer hin und legten<br />
Pfennigstücke auf die Gleise, die dann vom Zug<br />
plattgefahren wurden. Das war unsere Form der Unterhaltung.<br />
IntervIew: Und der Zug das Sehnsuchtsvehikel<br />
raus in die große Welt.<br />
rIemann: Deswegen wollte ich zum Zirkus.<br />
IntervIew: Im Medien-Zirkus bist du gelandet.<br />
rIemann: Haha, sehr witzig. Nein, wirklich.<br />
Früher, von fünf bis neun, wollte ich zum Zirkus.<br />
IntervIew: Zu den Bären?<br />
rIemann: Ans Trapez.<br />
IntervIew: Klar.<br />
rIemann: Ja, ich als die Prinzessin der Lüfte.<br />
Ich wollte mitreisen, auf Wanderschaft gehen, die<br />
Welt sehen. <strong>Die</strong> kannte ich ja nur aus den Büchern<br />
der Mutter. Ich war eine Leseratte.<br />
IntervIew: Wie muss man sich Katja Riemann<br />
als Schülerin vorstellen?<br />
rIemann: Als klassisches schwarzes Schaf. Man<br />
will eigentlich nicht auffallen und tut es doch. Es<br />
gibt bei den Kids und Jugendlichen ja diesen Drang<br />
zur Uniformität – und da hab ich nicht reingepasst.<br />
Daher kenne ich all diese Sätze, mit denen dann irgendwann<br />
auch meine Tochter vor mir stand. Sätze<br />
wie: „Das machen doch alle.“ Daraufhin meinte ich<br />
nur: „Haben auch alle ,Heil Hitler‘ geschrien.“<br />
IntervIew: Bist du eine strenge Mutter?<br />
rIemann: Das muss ich nicht mehr sein. Meine<br />
“<br />
Tochter ist ja fertig. Sie ist 19 und muss nicht mehr<br />
erzogen werden. Heute wundere ich mich allenfalls<br />
mal. Und sage dann: „Da könntest du ja noch mal<br />
drüber nachdenken …“<br />
IntervIew: Warst du früher streng?<br />
rIemann: Frag meine Tochter. <strong>Die</strong> sagt manchmal<br />
zu mir: „Mama, du warst eine strenge Mutter.<br />
Was sind das<br />
für Lebensentwürfe?<br />
Ich kenne solche<br />
Frauen nicht!<br />
<strong>Die</strong> sehen anders<br />
aus, leben in<br />
20-jährigen Ehen,<br />
sind frustriert und<br />
haben meist<br />
erwachsene Söhne,<br />
die Robert heißen<br />
”– Katja Riemann<br />
Und das fand ich total gut.“ Bei uns gab es einfach<br />
von Anfang an Gespräche. Und da wir heute nicht<br />
mehr als Eltern in Lebensentwürfen leben, die per se<br />
verachtenswert sind, passieren ganz andere Dinge als<br />
früher.<br />
IntervIew: Dabei lebten doch schon deine Eltern<br />
nicht das klassische Landleben.<br />
rIemann: Für meine Mutter stimmt das, mein<br />
Vater ist allerdings auch ganz früh ins Ausland gegangen.<br />
Als ich sieben Jahre alt war. Und dann saß<br />
meine Mutter da, als geschiedene Frau auf dem Dorf.<br />
Mit drei Kindern. Das war schon die große Ausnahme,<br />
das stimmt.<br />
IntervIew: Deine Eltern haben zweimal geheiratet.<br />
rIemann: Ich bin das Kind aus zweiter Ehe.<br />
IntervIew: Was erst einmal grundromantisch<br />
klingt.<br />
rIemann: Sie haben sich zweimal scheiden lassen.<br />
IntervIew: So schnell endet dann die Romantik.<br />
rIemann: Wie bei Liz Taylor.<br />
IntervIew: Wobei du aus einer klassischen<br />
Lehrerfamilie kommst.<br />
rIemann: Ja, um mich herum nur Lehrer. Selbst<br />
meine Geschwister. Und auch deren Kinder.<br />
IntervIew: Was würde die 16-jährige Katja über<br />
die Katja von heute sagen?<br />
rIemann: Als ich 16 war, waren die Leute mit<br />
über 40 ja ganz anders, als wir heute sind. Darum<br />
dachte ich: „Mit 40 bist du alt.“ Ich erfülle heute definitiv<br />
nicht die Vorstellung, die ich als 16-Jährige<br />
von 40-Jährigen gehabt habe.<br />
IntervIew: Und was würdest du zur 16-Jährigen<br />
sagen?<br />
rIemann: Wird alles besser.<br />
IntervIew: War es eigentlich anstrengend, Paula<br />
so lange aus der Berichterstattung rauszuhalten?<br />
rIemann: Nö. Ich habe sie vor der Öffentlichkeit<br />
beschützt und bewahrt. Niemand wusste, wo sie<br />
zur Schule ging. Es gab nichts über sie. Zumindest<br />
nicht, bis sie zwölf war. Dann hat Paula selbst in einem<br />
Film mitgespielt. Und seither müssen wir<br />
irgend wie damit umgehen. Ich rede generell nicht<br />
gerne über Privates, über meine Liebsten, meine<br />
Tochter, meinen Mann. Warum sollte ich? Ich lade<br />
auch niemanden zu mir nach Hause ein. Einfach,<br />
weil ich der Meinung bin, dass das, was ich tue, die<br />
Filme und die Projekte, die ich drehe und bei denen<br />
ich mitarbeite, genug Material liefern, über das man<br />
reden kann. Hier geht es mir nicht darum, dogmatisch<br />
zu sein. Ich finde das wirklich interessanter und<br />
aufregender als mein Privatleben.<br />
IntervIew: Interessanter als den Bauwagen?<br />
rIemann: Auch als den Bauwagen, ja!<br />
IntervIew: Machst du es Journalisten nicht einfach<br />
nur schwer, weil du als Schauspielerin und nicht<br />
als Person Katja Riemann berühmt sein willst?<br />
rIemann: <strong>Die</strong> Vermischung ist das Problem.<br />
Ein Schriftsteller schreibt ein Buch, ein Bildhauer<br />
erschafft eine Skulptur; es gibt also immer dort deine<br />
Kunst und hier dich, das ist übersichtlich. Als Schauspieler<br />
bist du sozusagen dein eigenes Kunstwerk, da<br />
ist es schwer für Berufsfremde, die Trennung zu sehen<br />
oder zu verstehen.<br />
IntervIew: Amerikanern scheint der Umgang<br />
mit ihren Celebritys leichter zu fallen.<br />
rIemann: <strong>Die</strong> sind ja auch nicht so missgünstig.<br />
Schon alleine deshalb, weil sie denken: „Vielleicht<br />
bringt mir das Freundlichsein ja mal irgendwann etwas.“<br />
Obgleich ich wirklich nicht weiß, woher hierzulande<br />
die Missgunst kommt. Wir haben doch alle<br />
so viel.<br />
IntervIew: Ich habe das Gefühl, die Missgunst<br />
wird weniger.<br />
rIemann: Das spüre ich auch. Auf jeden Fall sogar.<br />
Gerade die jüngeren Generationen sind, was das<br />
angeht, ganz bezaubernd.<br />
IntervIew: Vielleicht ist die Missgunst ein westdeutsches<br />
Erbe.<br />
rIemann: Kann sein.<br />
IntervIew: Katja, vielleicht solltest du einfach ab<br />
jetzt gar keine <strong>Interview</strong>s mehr geben.<br />
rIemann: Dann wäre das hier das letzte.<br />
IntervIew: Das wäre schön.<br />
rIemann: Ich danke dir für das tolle Risotto. Es<br />
war köstlich.<br />
76<br />
77
“<br />
Als Schauspieler bist du dein<br />
eigenes Kunstwerk<br />
– Katja Riemann<br />
”<br />
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108
“<br />
Ich war so voller Träume und<br />
Glauben und so allein<br />
”<br />
– Oda Jaune<br />
110<br />
111
Es war eine schöne<br />
Geschichte: der Kunstprofessor<br />
und seine<br />
anmutige, junge<br />
Studentin, die einander<br />
über die Kunst fanden<br />
und heirateten.<br />
Jörg Immendorff war<br />
die große Liebe von<br />
oda JaunE. nach<br />
seinem Tod ging die<br />
Künstlerin nach<br />
Paris, in eine Stadt, die<br />
sie nicht kannte, deren<br />
Sprache sie nicht<br />
sprechen konnte, um<br />
dort sich selbst, ihre<br />
Kunst, ihr universum,<br />
ihre eigene Geschichte<br />
zu finden – die einer<br />
großartigen Malerin,<br />
die geheimnisvollorganische<br />
Bilder in<br />
Öl malt<br />
JONATHAN MEESE: Es gibt etwas, worüber ich mit<br />
dir reden möchte: Wie kann man die Kunstszene<br />
überleben? Wie kann man diesen Realitätswahnsinn,<br />
der da von einem verlangt wird, überleben? Wie kann<br />
man diese Partys durchstehen? Ich gehe da nicht<br />
mehr hin. Ich war in den letzten fünf Jahren auf zwei<br />
Partys. In der Realität bin ich der schüchternste<br />
Mensch, den man sich vorstellen kann.<br />
ODA JAUNE: Ich bin noch extremer. Extreme<br />
Schüchternheit. Ja, es ist fast krankhafte Schüchternheit.<br />
Ich glaube aber, dass das ein großes Glück ist,<br />
denn es ist ein Schutz, um zu arbeiten. Meine Mutter<br />
hat als Kind immer zu mir gesagt: „Du bist so schüchtern,<br />
du musst das überwinden.“ Auf alten Familienfotos<br />
kann man sehen, wie ich versuche, meine<br />
Schüchternheit zu überwinden. Ich habe zwischen<br />
Oma und Opa immer posiert, weil ich dachte, das ist<br />
der Moment, zu zeigen, dass ich nicht schüchtern bin.<br />
MEESE: <strong>Die</strong> Leute denken immer, weil ich auf der<br />
Bühne und in der Kunst aggressiv bin, dass ich es<br />
auch in der Realität bin, und das bin ich überhaupt<br />
nicht. In der Kunst ist es notwendig, aggressiv zu sein,<br />
und ansonsten will ich verschwinden. Ich will gar<br />
nicht mehr das Haus verlassen, und ich will zu keiner<br />
Party eingeladen werden, keinem Geburtstag,<br />
nichts. Ich will nur noch alleine gelassen werden,<br />
um zu arbeiten, und nur mit richtigen Freunden<br />
Zeit verbringen.<br />
JAUNE: Was meinst du, Jonathan, ist das größte<br />
Missverständnis bezüglich meiner Person?<br />
MEESE: Ich glaube, dass du maßlos unterschätzt<br />
wirst, in jeglicher Hinsicht. Du bist so separiert<br />
von allem, deshalb mag ich auch mit dir<br />
reden. Ich gehe gerade wieder in die Phase zwischen<br />
10 und 20 Jahren zurück.<br />
JAUNE: Zwischen 10 und 20 ist eine ganz<br />
tolle Zeit. Ich war so voller Träume und Glauben<br />
und so alleine. Wahrscheinlich sind meine<br />
Dreißiger wieder so wie die Jahre zwischen 10<br />
und 20. Ich war das jüngste Kind, und meine<br />
Geschwister lebten nicht mehr zu Hause, und<br />
ich habe sehr viel Zeit alleine in der Natur verbracht.<br />
Ich hatte nur eine beste Freundin und<br />
keine weiteren Freunde. An den Wochenenden<br />
sind wir in unser Landhaus gefahren, und<br />
da hatten wir einen riesigen Garten mit großen<br />
Bäumen, und das war mein Reich. Ich<br />
hatte sehr viele Träume, und ich habe versucht,<br />
das sichtbar zu machen, indem ich<br />
zeichnete. Heute habe ich auch sehr wenige<br />
Menschen, die mir nahestehen, aber jede<br />
Begegnung mit ihnen ist ganz speziell. Für<br />
mich ist Nähe etwas ganz Besonderes, und<br />
ich vergesse solche Momente nicht. Ich vergesse zum<br />
Beispiel nicht, wie du damals nach Düsseldorf gekommen<br />
bist und wir ein Abendessen zusammen hatten.<br />
MEESE: Das war ganz toll. Ich hab dich auch gemalt.<br />
Wie kam das noch mal?<br />
JAUNE: Das war ganz spontan, das hat sich so ergeben.<br />
MEESE: Ich gucke mir oft an, was du machst, und<br />
ich mag das so gerne, dass das so hermetisch ist und so<br />
abseits der Realität. Das finde ich spitzenmäßig. Man<br />
muss hermetisch an einer Gegenwelt arbeiten, das ist<br />
so selten heute. Kannst du das verstehen?<br />
JAUNE: Ja, absolut! Ein eigenes Universum, aber<br />
ich muss sagen, ich bewundere auch, dass du in Berlin<br />
lebst, dass du in Berlin bleibst und dich damit auseinandersetzt.<br />
Ich bin ganz woanders, denn ich habe eine<br />
Art Neustart gemacht. Als ich vor fünf Jahren nach<br />
Paris kam, sprach ich noch nicht einmal Französisch<br />
113<br />
außer „Merci“ und „Bonjour“. Ich habe nichts verstanden,<br />
es war wie eine schöne Melodie, und weil ich<br />
so viel gearbeitet habe, bin ich mit der Sprache immer<br />
noch nicht so weit, aber ich verstehe jetzt vieles.<br />
MEESE: Ich liebe Berlin, und ich muss hier bleiben,<br />
aber es wird hart. Das ist ein Killerprogramm,<br />
was hier gerade läuft. Mein Zauberreich ist mein Atelier,<br />
so wie das bei dir der Wald war. Seit einiger Zeit<br />
ist es in Berlin unerträglich, und ich möchte nicht dabei<br />
sein. Es wird sich aber auch wieder ändern, es gab<br />
ja auch vorher super Zeiten. Jetzt sollen alle auf einmal<br />
Designer werden. Das kann doch nicht das Ziel<br />
von Kunst sein. <strong>Die</strong>ser Etikettenschwindel muss aufhören.<br />
Aber ich kann diese Stadt nicht verlassen. Sie<br />
ist das Zentrum und das Hauptquartier.<br />
JAUNE: Ich bewundere deine Haltung in dieser<br />
Frage. Es ist schwer.<br />
MEESE: Bei dir gibt es andere Gründe, warum du<br />
gegangen bist, und die sind alle völlig klar, verständlich<br />
und normal.<br />
JAUNE: Ja, es waren persönliche Gründe. Düsseldorf<br />
war für mich der Ort, an dem ich studiert habe,<br />
wo ich meine Familie hatte und meine große Liebe.<br />
Und das war dann<br />
für mich nicht<br />
mehr dasselbe. Ich war so traurig, und auf<br />
einmal merkte ich, dass ich beobachtet wurde. <strong>Die</strong><br />
Freiheit, dass ich beobachte, war weg. Mir sind Menschen<br />
sehr wichtig. Ich habe, glaube ich, kein Bild,<br />
ohne dass ein Mensch oder eine Seele darin vorkommt.<br />
Ich muss sie beobachten können. Damals<br />
dachte ich kurz darüber nach, nach Berlin zu gehen,<br />
denn die meisten meiner Freunde leben dort. Aber<br />
irgendwann wurde mir klar, dass ich mich nicht für<br />
Menschen entscheiden muss, sondern für eine Stadt.<br />
Und Paris sieht einfach so gut aus. Das war der Grund.<br />
Jeden Tag bewundere ich die Schönheit dieser Stadt.<br />
In meiner Arbeit ist bisher aber noch nichts aus Paris<br />
aufgetaucht, vielleicht unbewusst. Es ist schwer, zu<br />
sagen, was genau in meine Arbeit einfließt. Was würdest<br />
du sagen, Jonathan?<br />
MEESE: Ich würde immer sagen: der Freiraum der
Kunst. Und das hat Paris dir gegeben. Das war eine<br />
weise Entscheidung. Bei dir sehe ich nur Kunst, keine<br />
Politik, keine Religion. Reine Kunst. Und das schaffen<br />
nicht viele. Man muss der Kunst vertrauen.<br />
JAUNE: Es darf in der Kunst keine Grenzen geben.<br />
Alles andere ist begrenzt. Es gibt so viele Gesetze:<br />
In der Natur, in der Gesellschaft, aber dort in der<br />
Kunst ist alles möglich. Das muss man ausnutzen und<br />
alles geben. Wenn ich male, dann mache ich das extrem.<br />
Ich kann dann auch nicht auf Messages antworten,<br />
auch nicht von lieben Menschen. Ich mag auch<br />
nicht viel essen, wenn ich male. Dann mache ich mir<br />
eine passierte Suppe und für drei Tage ein Fläschchen,<br />
denn es muss schnell gehen. Seit November arbeite<br />
ich sehr intensiv, bestimmt noch bis September.<br />
MEESE: Super.<br />
JAUNE: Wenn ich ein neues Bild beginne, mache<br />
ich keine Zeichnungen vorher. Ich habe etwas vor,<br />
und dann fange ich an, und dann verändert es sich die<br />
ganze Zeit. Es ist ein Prozess, bei dem ganz viele Dinge<br />
im Unterbewusstsein passieren. Jedes fertige Bild<br />
ist dann eine Art Erlösung.<br />
MEESE: Genau, dann kann man endlich das <strong>nächste</strong><br />
machen. Es ist eine Quelle, die immer sprudeln<br />
wird, wenn man sich drauf einlässt. Das ist wie Schlaf,<br />
das ist was ganz Normales. Aber die Leute haben so<br />
viel Angst vor der Kunst, aber nicht vor der Realität.<br />
JAUNE: Das stimmt. Das ist ganz erstaunlich. Sie<br />
zelebrieren ja sogar die NichtKunst. Wahnsinn.<br />
MEESE: Für mich ist es ja ganz leicht, ein Bild zu<br />
malen. Ich hatte noch nie eine Problematik mit der<br />
Kunstproduktion. Ich habe noch nie eine Krise mit<br />
der Arbeit gehabt. Das war schon vorgeburtlich so.<br />
Zwischen 10 und 20 war ich, wie du auch, ein totaler<br />
Träumer. Ich bin in Ahrensburg zur Schule gegangen,<br />
habe es aber geschafft, die Schule ohne diese Realität<br />
durchzuziehen. Zwischen 20 und 30 war dann diese<br />
Aufbruchsphase. Jetzt komme ich gerade wieder in<br />
die Phase 10 bis 20. Ich träume auch die ganze Zeit<br />
von der Schulzeit. Ich träume von Lehrern und Fantasielehrern.<br />
Ich träume vom Sportplatz, um den ich<br />
laufe. Ich träume vom Shirt, das ich anhatte, von dem<br />
es keine Fotos gibt, was ich unverzeihlich finde, denn<br />
ich sah aus wie ein junger Gott. Ich sah einfach geil<br />
aus. Ich hatte aber kein Selbstvertrauen.<br />
JAUNE: Nein, das hat man nicht in dem Alter.<br />
Aber ich habe auch noch nie eine Zeit gehabt, wo ich<br />
gesagt habe: So, jetzt ist alles super, das ist perfekt.<br />
Aber vielleicht kommt das noch …<br />
MEESE: Ja, vielleicht.<br />
JAUNE: Mit 70. Das ist eine gute Zeit.<br />
MEESE: Sehe ich ganz genauso. Ich glaube, ab 70<br />
wird man wieder ein Mensch, und zwischen 40 und 70<br />
ist die problematischste Zeit. In dieser Zeit werden<br />
viele frustriert, viele bringen sich um. Sehr oft. Oder<br />
sie werden käuflich.<br />
JAUNE: Das stimmt.<br />
MEESE: Und zwischen 10 und 20 bist du nicht<br />
käuflich. Und zwischen 70 und 90 geht’s auch nicht<br />
mehr. Also, meine Mutter kann man nicht mehr kaufen.<br />
Der kann man fünf Billionen Euro auf den Tisch<br />
legen, aber wenn die Party scheiße ist, geht sie nicht<br />
hin. Schwierig sind für mich auch Menschen, die Zeit<br />
haben. Ich habe gar keine Zeit mehr.<br />
JAUNE: Ich auch nicht. Aber warum kommt es mir<br />
so vor, als hätten die Menschen so viel Zeit?<br />
MEESE: <strong>Die</strong> haben nichts zu tun, die brennen für<br />
nichts, da ist nichts. Viele Künstler werden auch Professoren,<br />
weil sie keine Energie mehr haben. Was maßen<br />
die sich an, mit ihrer Vitalitätslosigkeit, andere<br />
Menschen auszubilden? Ich bin so sauer auf die.<br />
JAUNE: Ich wundere mich über Freunde, die so<br />
viel Zeit mit Dinner, Partys und TVSerien verbringen.<br />
Ich habe diese Zeit nicht, ich muss meine Bilder<br />
malen. Ich arbeite sehr einsam. Ich habe einen Kühlschrank,<br />
das Licht, meine Materialien und ein paar<br />
Bilder an den Wänden. Manchmal reiße ich mir Sachen<br />
aus Magazinen aus, die mich sehr bewegen. Ich<br />
mag es gerne, wenn es ordentlich ist, aber ganz schnell<br />
sieht es aus, als wenn eine Bombe eingeschlagen hätte.<br />
Und die Luft ist hart. Kennst du Liquin?<br />
MEESE: Leider nicht.<br />
JAUNE: Es ist das Lösungsmittel, mit dem ich<br />
meine Farben mische, und es greift meine Atemwege<br />
an, aber ich habe bisher keinen Ersatz dafür gefunden.<br />
Man muss auch einen Preis für die Kunst zahlen.<br />
MEESE: Absolut. Wenn es keinen Ersatz dafür<br />
gibt, dann muss man es nehmen.<br />
JAUNE: Und sonst ist es einfach schön. Ich schaue<br />
kein Fernsehen, höre keine Nachrichten. <strong>Die</strong> Zeit ist<br />
dafür zu kostbar. Schaust du manchmal Nachrichten?<br />
MEESE: Manchmal, um mich wieder der Realität<br />
zu verweigern. Ich mache das, um mich gegen sie aufzuputschen.<br />
Was du gerade sagtest: Einsamkeit. Ein<br />
Künstler, der keine Einsamkeit erträgt, sollte sich aus<br />
der Kunst verabschieden. Man kann ja auch andere<br />
Sachen machen. Einen guten Bus fahren, zum Beispiel.<br />
JAUNE: Ja, davor habe ich Respekt.<br />
MEESE: Vollen Respekt.<br />
Foto: Oda Jaune, Twosome dated back from 2012, Courtesy Galerie Daniel Templon, Paris<br />
JAUNE: Man muss sich dem, was man tut, hingeben,<br />
voll und ganz. Das finde ich ganz wichtig. Ich<br />
habe das Gefühl, dass ich mich meiner Arbeit hingebe<br />
und dass ich mich und andere nicht damit belüge. Ich<br />
muss das tun. Ich hatte nie die Wahl.<br />
MEESE: Ich fand übrigens den neuen James Bond<br />
großartig. <strong>Die</strong> Insel, auf der der Böse lebt, da habe ich<br />
Kunst gesehen. Auch der Böse: Wie der seine Zähne<br />
rausnimmt, das ist großartig. Ich habe fast geheult. Szenen<br />
absoluter Kunst. Ich will der Böse im James-Bond-<br />
Film sein. Das ist die Zielsetzung in meinem Leben.<br />
JAUNE: Toll!<br />
MEESE: Ich möchte der Böse sein oder das Böse,<br />
das wäre noch besser. Ich will auch James-Bond-<br />
TwoSoME, 2012<br />
Drehbücher schreiben, ich möchte auch Regie führen.<br />
Da habe ich so Bock drauf. Da ist was. Ich bin<br />
begeistert.<br />
JAUNE: Und ich könnte dann James Bond sein.<br />
MEESE: Supergeil. Natürlich! Der <strong>nächste</strong> Gegner<br />
von James Bond muss auch ein Kind sein, ein Tier<br />
oder eine Frau, die ganz anders ist als die üblichen<br />
James-Bond-Frauen. Oder Gegenstände werden Gegner.<br />
Oder James Bond wird der Gegner von James<br />
Bond. Das ist doch klar. Das steht doch alles schon<br />
fest. Das ist doch alles schon in den Schubladen.<br />
JAUNE: Ja, wie fertige Bilder. Es ist immer auch<br />
für mich spannend, wenn die Bilder von der Öffentlichkeit<br />
wahrgenommen werden. Wenn jemand sagt:<br />
“<br />
Mein Herz ist<br />
leider zu groß, aber<br />
damit muss ich leben.<br />
Mich interessieren<br />
Herzen generell, und<br />
auch Organe male<br />
ich oft, weil ich mir<br />
vorstelle, dass da die<br />
Seele weilt<br />
”<br />
– Oda Jaune<br />
„Das hat mich berührt.“ Das reicht mir vollkommen.<br />
Meine Bilder haben ja auch selten Titel. Ich möchte<br />
nicht noch irgendeinen Link geben oder irgendeine<br />
Beschreibung, wie man das verstehen soll. Das Bild ist<br />
die Antwort auf alle Fragen. Manche Menschen können<br />
in die Bilder reingehen, und andere gehen nur<br />
daran vorbei. Ich freue mich aber immer, wenn etwas<br />
passiert. Das macht mich total glücklich.<br />
MEESE: Ich produziere ja sehr viel und finde es<br />
sehr toll, wenn Profis und hingebungsvolle Menschen<br />
sich für meine Arbeit interessieren. Ich möchte überhaupt<br />
nicht mehr, dass Spekulanten meine Bilder kaufen.<br />
<strong>Die</strong> sollen sich verpissen.<br />
JAUNE: Ich mag es so gerne, wenn Menschen sich<br />
für ein Bild entscheiden, und dann weiß man, wo es ist<br />
und dass sie eine eigene Beziehung dazu haben. Ich<br />
mag es sehr gern, wenn Leute mir ihre Gründe erzählen,<br />
warum sie sich für etwas entschieden haben. Auch<br />
wenn sie sich entscheiden, damit zu leben. Ich habe in<br />
meiner Wohnung zum Beispiel nicht meine eigenen<br />
Sachen, aber von dir, Jonathan, habe ich dort zwei<br />
sehr, sehr schöne Sachen und auch Fotos von meiner<br />
Familie. Ich habe aber auch nicht so viele Wände,<br />
denn meine Wohnung ist sehr klein. Wohnst du mit<br />
deinen Bildern?<br />
MEESE: Meine Mutter wohnt mit Bildern von mir.<br />
Ich habe ja eher so eine Art Büro, und da sind auch<br />
Bilder von mir, aber ich bin ja manischer Sammler<br />
von anderen Sachen, von Magazinen, Büchern, Gegenständen,<br />
Spielzeugen. Das umgibt mich.<br />
JAUNE: Spielzeug?<br />
MEESE: Ich liebe Spielzeug. Und dann sammle ich<br />
auch noch ein bisschen Kunst. Aber findest du nicht,<br />
dass es brutal ist, was einem Künstler heute abverlangt<br />
114<br />
115
wird? Er soll sich in den sozialen Netzwerken auskennen,<br />
er soll gut aussehen, er soll immer freundlich<br />
sein, aber auch radikal und immer available. Man muss<br />
doch auch zufrieden sein mit einem geilen Bild. <strong>Die</strong><br />
Leute wollen ja auch Sachen von mir kaufen, um mich<br />
kennenzulernen. Aber Entschuldigung, das geht natürlich<br />
nicht.<br />
JAUNE: Ich kenne das eher umgekehrt: Sie kaufen<br />
ein Bild, aber sie wollen nichts von mir wissen.<br />
MEESE: Da bin ich aber neidisch.<br />
JAUNE: Es gibt so eine richtig besessene Sammlerin<br />
von mir, die einfach immer die härtesten Bilder<br />
von mir besitzt. Bestimmt schon sieben Stück. Das hat<br />
mich wirklich interessiert, und da gab es so ein Abendessen<br />
in meiner Galerie, und da habe ich sie kennengelernt,<br />
und sie sagte zu mir: „Wissen Sie, mich interessieren<br />
die Künstler eigentlich nicht. Ich liebe<br />
einfach ihre Bilder.“ Ja, und dann hatten wir uns<br />
nichts mehr zu sagen.<br />
MEESE: Toll.<br />
JAUNE: Und sie hatte keine Frage an mich so wie:<br />
„Was wollten Sie damit sagen?“ oder: „Was haben Sie<br />
damit gemeint?“ Es ist aber auch sehr unterschiedlich.<br />
Mit anderen Leuten unterhalte ich mich auch sehr<br />
gerne.<br />
MEESE: Das wollte ich dich überhaupt noch fragen:<br />
Was ist deiner Meinung nach eine Karriere?<br />
JAUNE: Ich habe immer davon geträumt, ein<br />
Künstler zu sein. Da sind wir wieder bei der zehnjährigen<br />
Oda. Meine Familie hatte diese Bewunderung<br />
für die Kunst, und ich wollte auch sehr geliebt werden.<br />
Ich habe sehr viel Liebe bekommen, aber ich<br />
dachte mir, wenn ich diese Kunst erschaffe, die sie so<br />
sehr lieben, dann lieben sie mich noch mehr.<br />
MEESE: Und?<br />
JAUNE: Meine Schwester sagt, dass sie meine Bilder<br />
nicht mag, mein Vater findet sie gut, meine Mutter<br />
hat sehr viel Respekt davor, wie mein Leben verläuft,<br />
und sie unterstützt mich dabei. Meine Tochter,<br />
sie ist elf Jahre alt und so wahnsinnig süß, sie findet<br />
meine Bilder auch gut. Sie ist stolz. Sie ist in diesem<br />
Alter. Aber eigentlich wird nur die Zeit zeigen, was<br />
aus einem wird und wie das mit der Karriere ist. <strong>Die</strong><br />
Zeit bringt es an den Tag. Vieles wird nicht bleiben.<br />
Aber natürlich gehört die klassische Karriere zum<br />
Traum der Zehnjährigen.<br />
MEESE: Ich würde sagen: Kunst ist immer das, was<br />
übrig bleibt. Vom alten Ägypten ist nur die Kunst übrig<br />
geblieben. Nichts anderes. Keine Politik, keine<br />
Esoterik. Nichts sonst. Und das wird heute auch so<br />
sein, und das begreifen die Leute gar nicht. <strong>Die</strong> machen<br />
alle was anderes, wollen aber überleben. Ich will<br />
ja als Mensch nicht überleben, das kann ja gar nicht<br />
das Ziel sein. Picasso, zum Beispiel, ist tot, klar, aber<br />
seine Bilder sind frisch und sie leben!<br />
JAUNE: Ja, sie geben einem so viel. Es ist Wahnsinn.<br />
Und das ist der Traum, den man hat. Wir werden<br />
sehen, was passiert.<br />
MEESE: <strong>Die</strong> Bilder von dir sind so üppig. Sie sind<br />
evolutionär, pflanzlich, tierischer Natur. Sie sind völlig<br />
sachlich. Sie sind so üppig geladen, dass man es<br />
hinnehmen muss. Ich kann das sagen, ich bin ein Vollprofi.<br />
Ich bin so durchdrungen von Kunst: Ich träume<br />
nur Kunst, ich esse nur Kunst, ich bade nur Kunst, ich<br />
bade in der Kunst, ich schlafe Kunst.<br />
JAUNE: Ja, die Kunst ist unsere Lebensform!<br />
MEESE: Wenn ich deine Sachen angucke, dann<br />
sehe ich kein Design, ich sehe überhaupt keine Formalität.<br />
Ich sehe nur Inhalt, und das ist das Einzige,<br />
was ich in der Kunst interessant finde. Erst danach<br />
kommt die Form. Sie muss sich um den Inhalt bilden,<br />
“<br />
Ich mag auch<br />
nicht viel essen, wenn<br />
ich male. Dann mache<br />
ich mir eine passierte<br />
Suppe und für drei<br />
Tage ein Fläschchen.<br />
Denn es muss schnell<br />
gehen<br />
”– Oda Jaune<br />
116<br />
aber heute wird es genau andersherum gesehen. Deine<br />
Kunst ist im besten Sinne evolutionär. Sie fällt nicht in<br />
eine vergangene Zeit, sondern sie fällt in die Zukunft.<br />
JAUNE: Das ist ein großes Kompliment!<br />
MEESE: Oda, deine Sachen kann man im Übrigen<br />
auch nicht durchdesignen. Das geht gegen die Natur<br />
deiner Arbeit, und das Natürliche spielt ja auch eine<br />
große Rolle in deiner Arbeit. Ich liebe die Natur! <strong>Die</strong><br />
Tiere, die Pflanzen, das Vulkanische …<br />
JAUNE: Natur ist für mich auch, sich nicht zu verstellen<br />
oder sich in der Dunkelheit aufzuhalten. Kinder<br />
sind für mich Natur und alte Menschen auch. Natur<br />
ist der Kern der Sache, und alles andere ist eher<br />
Verschmutzung. Viele haben Angst vor dem Verstreichen<br />
der Zeit, dabei ist der Moment so wichtig. Aber<br />
der Moment macht vielen Leuten Angst, weil man<br />
sich dann fragen muss, wie man den Moment genutzt<br />
hat und welche Entscheidungen man getroffen hat.<br />
Ich finde es auch gut, dass unsere Zeit begrenzt ist auf<br />
Erden, und selbst für diese kurze Zeit nutzen wir<br />
Menschen die Zeit nicht so gut.<br />
MEESE: Ich bin am liebsten in meinem Atelier. Ich<br />
mag nicht mal mehr einfach nur Kaffee trinken gehen,<br />
mit Leuten. Familie ist mir schon noch wichtig,<br />
aber auch nicht alle in meiner Familie. Neulich stand<br />
ich übrigens in Ahrensburg an der Bushaltestelle, da<br />
sagte jemand zu mir: „Ich habe gehört, Sie sind arrogant.<br />
Das hat sich hier rumgesprochen.“ Wirst du eigentlich<br />
oft nach Autogrammen gefragt? Ich empfinde<br />
das nämlich als übergriffig.<br />
JAUNE: Nein. Ich habe auch nie das Gefühl, dass<br />
mich jemand erkennt. Ich fühle mich in Paris total unbeobachtet.<br />
Bei mir ist es aber so, dass ich meine Familie<br />
so sehr liebe. Sie ist sehr groß, und ich liebe jedes<br />
Mitglied sehr, sehr stark. Das Gefühl ist so stark,<br />
und ich habe wahnsinnige Angst, sie zu verlieren. In<br />
diesem einen Punkt wünsche ich mir die Ewigkeit: Ich<br />
kann gehen, und die anderen bleiben da. Dagegen<br />
male ich auch an. Ich fühle mich da wie ein Kind.<br />
Mein Herz ist leider zu groß, aber damit muss ich leben.<br />
Mich interessieren Herzen generell, und auch<br />
Organe male ich oft, weil ich mir vorstelle, dass da die<br />
Seele weilt. Was meinst du, wo die Seele ist?<br />
MEESE: Ich glaube, sie ist außen. Wahrscheinlich<br />
ist sie Kunst.<br />
JAUNE: Ich finde eher, Kunst sind die Spuren, die<br />
die Seele hinterlässt.<br />
MEESE: Was mich noch interessiert: Was kommt<br />
bei dir an Ausstellungen?<br />
JAUNE: Es kommt Berlin! Eine Ausstellung in der<br />
Michael Fuchs Galerie im Oktober. Es gibt dort sehr<br />
große Räume, es ist sehr viel Platz, und ich kann machen,<br />
so viel ich schaffe. Und ich will es natürlich sehr<br />
gut machen. Und ich freue mich jetzt auch schon so<br />
sehr auf Berlin!<br />
MEESE: Wahnsinn. Das wird super werden, wenn<br />
du dich nicht vom Weg abbringen lässt, und das wirst<br />
du nicht, denn das liegt nicht in deiner Natur.<br />
JAUNE: Wirst du kommen?<br />
MEESE: Zur Eröffnung schwierig, es belastet<br />
mich.<br />
JAUNE: Vor der Eröffnung?<br />
MEESE: Mit Sicherheit!<br />
JAUNE: Fein! Dann habe ich dich nur für mich.<br />
Haare OLIVIER DE VRIENDT/ARTLIST<br />
Make-up YACINE DIALLO/ARTLIST
“<br />
<strong>Die</strong> Arbeit mit Seidl ist nie ein<br />
Spaziergang, sondern eine Bergtour.<br />
Aber manchmal macht es eben Sinn,<br />
sich die Bergschuhe anzuziehen<br />
”<br />
liebe<br />
– Maria Hofstätter<br />
Glaube<br />
hoffnunG<br />
Fotos: Ulrich Seidl, Paradies/Paradise: Liebe/Glaube/Hoffnung Love/Faith/Hope, Hatje Cantz<br />
von und mit<br />
Margarethe TIeSel,<br />
Maria HOFSTÄTTeR<br />
& Melanie leNZ<br />
118
120<br />
von links<br />
nach rechts:<br />
trenchcoat<br />
burberry brit<br />
bluse<br />
giorgio ArmAni<br />
gesehen bei<br />
peek & cloppenburg<br />
hose<br />
privat<br />
schuhe<br />
rosA mosA<br />
kleid<br />
sly 010<br />
kette<br />
privat<br />
hemd<br />
giorgio ArmAni<br />
gesehen bei<br />
peek & cloppenburg<br />
hose<br />
stylist’s own<br />
schuhe<br />
rosA mosA<br />
Margarethe MargarEthE tiesel tIESEl<br />
fährt als teresa auf der Suche suche nach<br />
dem Paradies: Liebe nach Kenia.<br />
MarIa Maria hofstätter hofStättEr versucht<br />
als ihre Schwester schwester anna Maria in<br />
Paradies: Glaube, Österreich<br />
zum fundamentalistischen<br />
Katholizismus zu bekehren,<br />
während MElanIE Melanie lenz lEnz<br />
als teresas tochter Melanie<br />
sich in Paradies: Hoffnung im<br />
Diätcamp in den deutlich älteren<br />
arzt verliebt. Der regisseur<br />
ulrIch ulrich SEIDl seiDl hat mit seiner<br />
Paradies-trilogie dem<br />
deutschsprachigen film das<br />
geschenkt, was Der Herr der Ringe<br />
für neuseeland und<br />
Star Wars für amerika ist.<br />
nach den großen Erfolgen erfolgen<br />
bei den filmfestspielen in cannes,<br />
Venedig und Berlin haben<br />
sich die drei hauptdarstellerinnen<br />
in Wien für IntErVIEW<br />
interVieW<br />
zum gespräch getroffen<br />
Ich bin ein Jahr nach dem Dreh noch<br />
mal freiwillig ins Diätcamp gegangen,<br />
weil es mir so Spaß gemacht hat.<br />
Es gab da so gutes Essen …<br />
Porträt<br />
Jork WeismAnn<br />
“<br />
”<br />
– Melanie Lenz<br />
121
MAriA Hofstätter: Wir hatten nur einen gemeinsamen<br />
Drehtag, oder?<br />
MArgAretHe tiesel: Nur einen?<br />
MelAnie lenz: Ja, in dem Haus in Liesing.<br />
Hofstätter: Und da hatte ich den Eindruck, Melanie,<br />
dass du uns ein wenig fürchtest. Kann das sein?<br />
lenz: Nein, nicht gefürchtet, aber ich bin generell<br />
urschüchtern. Und damals war ich erst 13. Inzwischen<br />
hat sich das schon ein bisschen gelegt. Aber mit so<br />
vielen fremden Leuten und der ganzen Crew …<br />
Hofstätter: Du kanntest gar niemanden?<br />
lenz: Genau.<br />
Hofstätter: Das war dein erster Drehtag, oder?<br />
lenz: Nein, den ersten Drehtag hatte ich mit der<br />
Margarethe in der Wohnung.<br />
tiesel: Stimmt, wir haben zusammen Sachen gepackt,<br />
und da habe ich sie total fertiggemacht, weil sie<br />
ihr Zimmer wieder nicht aufgeräumt hat.<br />
lenz: Und dann hast du mir mein Handy weggenommen<br />
und gesagt: „Na, wem schreibst denn da<br />
schon wieder?“<br />
tiesel: Hast du dich da vor mir gefürchtet?<br />
lenz: Nein. Ich war nur schüchtern.<br />
Hofstätter: Du hast ja vorher nie gespielt, oder?<br />
lenz: Nein, nie.<br />
Hofstätter: Und dann gab es nicht einmal ein<br />
Drehbuch mit Dialogen, die man auswendig lernen<br />
kann. Hast du das als Erleichterung empfunden, dass<br />
du alles selber erfinden musstest?<br />
lenz: Ja, ich fühle mich wohler, wenn ich etwas so<br />
sagen darf, wie ich es wirklich sagen würde.<br />
tiesel: Ich find es auch angenehmer, wenn man<br />
seine eigenen Worte verwenden kann.<br />
Hofstätter: Als ich den Film gesehen hab, hatte<br />
ich den Eindruck, dass du dich wirklich mit deinen<br />
Kolleginnen und Kollegen aus dem Diätcamp angefreundet<br />
hast, dass da richtige Freundschaften entstanden<br />
sind. Täuscht mich das?<br />
lenz: Ja, mit der Verena geht der Kontakt bis heute.<br />
Im Camp hatte ich auch kurz einen Freund.<br />
Hofstätter: Du hast dich also wirklich im Camp<br />
verliebt, na bitte!<br />
lenz: Ja, genau.<br />
tiesel: Ich habe mich auch verliebt.<br />
Hofstätter: Du hast dich auch verliebt?<br />
tiesel: Ja, in Afrika, in den Kontinent.<br />
Hofstätter: Na, könnt doch sein, dass du dich in<br />
einen deiner Beachboys verliebt hast.<br />
tiesel: Nein, obwohl, fesch sind sie schon, die gefallen<br />
mir schon gut.<br />
lenz: Wie lang wart ihr da?<br />
tiesel: Fünf Wochen.<br />
Hofstätter: Wie war denn überhaupt deine Beziehung<br />
zu den Beachboys? Gab es da privatere Gespräche?<br />
tiesel: Ja, schon. Und ich bin ja auch so neugierig,<br />
deswegen frag ich immer, wie das Leben für die so ist.<br />
Auch wenn der Ulrich Seidl es nicht gern mag, wenn<br />
man viel quatscht. Das kennst du auch, gell?<br />
lenz: Ja.<br />
tiesel: Aber wenn die erzählen, wie das mit den<br />
Sugarmamas wirklich ist, dann war das schon spannend.<br />
Hofstätter: Aber du hast keinen Kontakt mehr<br />
nach Kenia, oder?<br />
tiesel: Nein, Kontakt habe ich jetzt keinen mehr.<br />
Der Peter (Kazungu) war ja noch mit in Cannes, aber<br />
seitdem …<br />
Hofstätter: Wie war das überhaupt für ihn? Der<br />
Sprung vom Beachboy in Kenia auf den roten Teppich<br />
in Cannes ist ja eigentlich der Wahnsinn.<br />
tiesel: Der Peter fand das schon toll. Aber er hat<br />
sich vor allem gesorgt, dass er in der Zeit, in der er in<br />
Cannes war, nicht arbeiten konnte.<br />
Hofstätter: Echt, daran hat er gedacht? An den<br />
Verdienstausfall als Beachboy, weil er drei Tage in<br />
Cannes ist?<br />
tiesel: Ja, ja. „Dann kann ich ja nicht arbeiten“,<br />
hat er gesagt.<br />
Hofstätter: Aber wann kann er sonst je wieder<br />
in Cannes sein …<br />
tiesel: Der hat halt andere Prioritäten, das war für<br />
ihn nicht so wichtig. Für uns mag das ganz, ganz toll<br />
sein, und wir würden alles dafür tun, aber er hat vor<br />
allem daran gedacht, dass er in der Zeit nichts verdient.<br />
Hofstätter: Interessant.<br />
tiesel: Und du, wie bist du mit deinem Filmmann<br />
“<br />
klargekommen?<br />
Hofstätter: Sehr gut.<br />
tiesel: Ja? Ich meine, der wirkt schon sehr wütend,<br />
vor dem fürchte ich mich ein bisschen.<br />
Hofstätter: Vor dem Nabil?!<br />
tiesel: Ja, der wirkt so, dass ich mir denke: „Ui, da<br />
hast du einen harten Job gehabt.“<br />
In Kenia fühlt<br />
man sich ja plötzlich<br />
zehn Jahre jünger, weil<br />
man als Frau wieder<br />
einen Marktwert hat.<br />
Aber was das jetzt<br />
für mich heißt? Na, ich<br />
bin ja eh glücklich<br />
verheiratet<br />
”<br />
– Margarethe Tiesel<br />
Hofstätter: Das finde ich überhaupt nicht. Es<br />
hat ja überhaupt irrsinnig lange gedauert, bis wir meinen<br />
Filmmann gefunden haben. Er sollte circa 50 Jahre<br />
alt sein und muslimischen Glaubens und natürlich<br />
bereit, die Rolle zu spielen.<br />
tiesel: Musstest du viele Castings mit deinen potenziellen<br />
Filmmännern machen?<br />
Hofstätter: Sehr viele. Dem Ulrich war es ja<br />
wichtig, dass wir zwei miteinander funktionieren.<br />
Es musste bei allen unseren Streitereien ja so wirken,<br />
dass wir wirklich verheiratet sind und uns lange<br />
kennen. Deswegen die vielen Castings. Zum Schluss<br />
standen zwei zur Auswahl. Der eine war ein Schauspieler<br />
aus Berlin, und der andere war Nabil. Beide<br />
waren sehr gut. Ich meine, der Ulrich entscheidet am<br />
Ende sowieso, wen er nimmt. Aber er hat mich auch<br />
gefragt, bei wem ich ein besseres Gefühl habe. Und<br />
tatsächlich hätte ich mich auch für Nabil entschieden,<br />
obwohl ich mir zunächst gedacht hatte, dass es mit<br />
ihm vielleicht komplizierter ist. Aber der Berliner hat<br />
eben auch berlinert, und das hätte dann einfach nicht<br />
gestimmt. Das wäre unglaubwürdig gewesen.<br />
122<br />
tiesel: Bei den Beachboys war das so, dass die alle<br />
ziemlich gut Deutsch sprechen konnten, weil sie dort<br />
unten ja oft beruflich Deutsch sprechen müssen. Das<br />
mussten sie für den Film dann wieder vergessen.<br />
lenz: Echt?<br />
tiesel: Ja. Bei mir lagen übrigens insgesamt vier<br />
Jahre zwischen dem ersten Casting und dem Zeitpunkt,<br />
wo ich wusste, okay, ich mach das jetzt.<br />
Hofstätter: Das ist lang. Andererseits macht es<br />
bei der Arbeitsweise von Ulrich Seidl wirklich Sinn,<br />
dass er sich viel Zeit nimmt und es zwischen den<br />
Beteiligten am Ende ein Vertrauensverhältnis gibt.<br />
Wenn es dann schließlich an die Arbeit geht, kann<br />
man konzentriert loslegen und muss keine Grundsatzdiskussionen<br />
mehr führen.<br />
lenz: Bei mir hat es ja nicht so lange gedauert.<br />
Aber das Lustige ist, dass ich 2009 privat in einem<br />
Diät camp gewesen bin und damals die Eva da war,<br />
also die Casterin vom Ulrich Seidl.<br />
Hofstätter: Ehrlich?<br />
lenz: Ja, und die hat uns damals interviewt: Wie<br />
heißt ihr? Woher kommt ihr? Und ein Jahr später bin<br />
ich dann zu dem Casting gegangen und dachte: „Hey,<br />
die kenne ich ja von irgendwoher! <strong>Die</strong> stellt ja die<br />
gleichen Fragen!“<br />
tiesel: Lustig.<br />
lenz: Aber ich hätte nie im Leben gedacht, dass<br />
mich der Ulrich für die Rolle nimmt, nie. Ich bin<br />
einfach nur mit zwei Freundinnen zum Casting gegangen<br />
und dachte mir: „Na ja, das wird schon Spaß<br />
machen.“ Und dann hat es auf einmal geheißen: „Du<br />
spielst die Hauptrolle!“ Da hab ich natürlich auf dem<br />
Boden gelegen vor Freude. Denn ich habe mir schon<br />
immer, schon immer gewünscht, vor der Kamera zu<br />
stehen, schon von klein auf.<br />
Hofstätter: Und hast du Blut geleckt? Möchtest<br />
du jetzt weitermachen?<br />
lenz: Wenn sich die Möglichkeit ergibt, auf jeden<br />
Fall. So vor der Kamera zu sein, darauf stehe ich.<br />
Hofstätter: Mir geht es so, dass ich bei den Filmen<br />
mit Ulrich Seidl immer auch ganz viel über mich<br />
selber lerne, weil man so viel aus sich selber schöpfen<br />
muss und ganz intensiv mit einem Thema konfrontiert<br />
wird. Wie ist es bei euch?<br />
tiesel: Was mich fasziniert, ist seine Bedingungslosigkeit,<br />
zu den Dingen zu stehen. Wenn das Ergebnis<br />
nicht jedem gefällt, dann ist es eben so. Man muss<br />
nicht immer everybody’s darling sein. Ich denke, dass ich<br />
diese Einstellung aus dem Dreh mitgenommen habe:<br />
Ich mach das jetzt, und dazu stehe ich auch. Und wenn<br />
jemand sagt: „Das ist nicht meins“, dann sag ich: „Ist<br />
egal. Scheiß drauf, scheiß der Hund drauf!“<br />
Hofstätter: Aber das Thema von Paradies: Liebe,<br />
die Situation mit den Beachboys, hat die bei dir persönlich<br />
etwas ausgelöst? Hast du da plötzlich über dein<br />
Alter nachgedacht, deine Bedürfnisse?<br />
tiesel: Nun, ich habe mich ja nicht so sehr auf das<br />
Thema vorbereiten können, weil die Nichtvorbereitung<br />
quasi meine Vorbereitung war.<br />
Hofstätter: Und hinterher?<br />
tiesel: Hinterher kommt man schon ins Nachdenken.<br />
In Kenia am Strand fühlt man sich ja plötzlich<br />
zehn Jahre jünger, weil man als Frau wieder einen<br />
Marktwert hat. Aber was das jetzt für mich persönlich<br />
heißt …? Na, ich bin ja eh glücklich verheiratet, in der<br />
Hinsicht habe ich da nicht so viel überlegt.<br />
Hofstätter: Als ich zum Beispiel in Hundstage<br />
diese leicht Behinderte gespielt habe, da ging es mir<br />
so, dass ich immer dachte: „Wie wäre es eigentlich<br />
für mich, wenn ich ein Handicap hätte?“ Weil ich gemerkt<br />
habe, dass die Leute plötzlich ganz anders auf<br />
Fotos: Ulrich Seidl, Paradies/Paradise: Liebe/Glaube/Hoffnung Love/Faith/Hope, Hatje Cantz<br />
Paradies: Glaube Paradies: liebe Paradies: HoffnunG<br />
mich reagieren. Und jetzt bei Paradies: Glaube waren<br />
es Fragen wie: Wie stehe ich zu Religion? Was löst sie<br />
für Gefühle bei mir aus? Unabhängig davon, dass ich<br />
in dem Film nur eine Rolle spiele. Wie ist es bei dir,<br />
Melanie?<br />
Lenz: Ich hatte ja bereits Erfahrungen mit Diätcamps<br />
gemacht. Mir hat es dort super gefallen. <strong>Die</strong><br />
Situation im Film ist ja wirklich sehr übertrieben.<br />
TieseL: Ist es nicht so wie im Film?<br />
Lenz: Nein, niemals! Da muss man nicht im Kreis<br />
laufen wie die Lipizzaner.<br />
TieseL/HofsTäTTer: Haha.<br />
Lenz: Ich bin ja sogar ein Jahr nach dem Dreh<br />
noch mal freiwillig ins Diätcamp gegangen, weil es<br />
mir so Spaß gemacht hat. Es gab da so gutes Essen …<br />
TieseL: Toll. Im Diätcamp gibt es das beste Essen.<br />
Fahren wir doch alle in ein Diätcamp!<br />
Lenz: Und ich habe dort tatsächlich sieben Kilo<br />
abgenommen. Und das Essen war super, und die Leute<br />
waren auch extrem angenehm …<br />
TieseL: <strong>Die</strong> Betreuer?<br />
Lenz: Nein, die anderen Kinder. Mit denen habe<br />
ich mich richtig angefreundet. Wir hatten uns sogar<br />
verabredet, noch einmal nach Kärnten zu fahren.<br />
HofsTäTTer: So ganz ohne Zwang.<br />
Lenz: Na ja, als ich das erste Mal dort war, war<br />
schon Zwang dabei, weil ich ja nicht wusste, was auf<br />
mich zukommt. Aber dann …<br />
HofsTäTTer: Aber wie ist es dir beim Spielen ergangen?<br />
Ist es dir schwergefallen, dir vorzustellen,<br />
dass du dich in diesen viel älteren Mann verliebt hast?<br />
Lenz: Man hört öfter Geschichten, dass sich<br />
Schüler in ihre Lehrer verlieben, aber …<br />
HofsTäTTer: Das kannst du dir nicht vorstellen?<br />
Lenz: Nein!<br />
TieseL: Aber das gibt’s.<br />
Lenz: Ja, geben tut’s das. Aber nicht für mich.<br />
TieseL: War dir was peinlich beim Drehen?<br />
Lenz: Ja, am Anfang hatte ich extreme Angst. Zum<br />
Beispiel die erste Szene beim Arzt im Arztzimmer,<br />
als ich mich ausziehen musste. Und der Ulrich hatte<br />
vorher zu mir gesagt: „Wenn du dich nicht ausziehen<br />
willst, dann zeig das ruhig.“ In der Szene meinte dann<br />
der Joseph Lorenz, der den Arzt spielt, zu mir: „Zieh<br />
dich aus!“ Und ich dann so: „Nein, das will ich nicht.<br />
Können Sie mich nicht so abhören?“ Er dann: „Nein,<br />
zieh dich aus!“ Und ich so: „Nein!“ Und er dann:<br />
„ZIEH DICH JETZT AUS!“ Alle, die nicht mit in<br />
dem Arztzimmer waren, haben das draußen gehört.<br />
Mein Herz hat gepumpt wie verrückt.<br />
TieseL: Ich hätte angefangen zu heulen.<br />
Lenz: Ja, ich hatte auch schon Wasser in den Augen.<br />
Ich dachte nur: „Was ist denn jetzt los?“<br />
HofsTäTTer: Du wusstest nicht, wie du damit<br />
umgehen solltest?<br />
Lenz: Genau. Ich habe mich dann ausgezogen,<br />
aber das war mir schon ein bisschen peinlich. Am Anfang<br />
habe ich ihm auch gar nicht richtig in die Augen<br />
schauen können, weil ich ihn ja gar nicht kannte.<br />
Meistens war ich am Set mit den anderen Kindern<br />
zusammen.<br />
HofsTäTTer: Aber mit den erwachsenen Schauspielern<br />
war es schwieriger?<br />
Lenz: Ja, mit denen war es mir unangenehmer.<br />
Aber mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt. Da<br />
war es für mich dann auch kein Problem mehr, im BH<br />
oder im Bikini herumzurennen.<br />
HofsTäTTer: Du hast dich letzten Endes auch gut<br />
mit Joseph Lorenz verstanden.<br />
Lenz: Ja, ja. Der ist ein extrem netter Mann.<br />
TieseL: Und war dir was peinlich, Maria? <strong>Die</strong>se<br />
Szene, wie du nachts diese Leute triffst, die in der Öffentlichkeit<br />
Sex haben, die fand ich schon hart.<br />
HofsTäTTer: Nein, die war eher … interessant.<br />
TieseL: Rudelbumsen im Park.<br />
Lenz: Haha.<br />
HofsTäTTer: Das ganze Team war erst ganz neugierig<br />
auf die Szene, und dann, als sie endlich vorbei<br />
war, waren alle nur noch erleichtert. Es war so dermaßen<br />
unerotisch, so ernüchternd, das die ganze Zeit<br />
mitansehen zu müssen. Und die Leute waren so exhibitionistisch,<br />
es gab kein Halten.<br />
TieseL: Echt?<br />
HofsTäTTer: Ja, denn sie hätten nicht ununterbrochen<br />
müssen. Aber sie haben nicht aufgehört, die<br />
ganze Nacht nicht. <strong>Die</strong> haben sogar nackt ihr Honorar<br />
in Empfang genommen.<br />
TieseL: Und dann heißt es immer, dass der Ulrich<br />
die Leute zu Sachen zwingen würde.<br />
HofsTäTTer: Also, gerade in diesem Fall kann ich<br />
sagen: mitnichten! <strong>Die</strong> haben auch sofort angefangen,<br />
schon bei der Stellprobe.<br />
Lenz: Hahaha.<br />
HofsTäTTer: Ich habe so was noch nie erlebt.<br />
<strong>Die</strong> Crew hat es eher traurig gestimmt. Der Kameraassistent<br />
meinte hinterher, er könne drei Monate lang<br />
keinen Sex mehr mit seiner Freundin haben.<br />
TieseL: Haha.<br />
HofsTäTTer: Wer nicht am Set sein musste, hat<br />
sich schleunigst aus dem Staub gemacht, um es nicht<br />
mitansehen zu müssen. Aber um auf deine Frage zurückzukommen:<br />
Peinlich war mir das jetzt nicht. War<br />
mir überhaupt etwas peinlich? Eigentlich nicht.<br />
TieseL: Nein?<br />
HofsTäTTer: Nein. Ich hatte halt Schwierigkeiten<br />
mit dem Missionieren, also bei Leuten an der Tür<br />
zu läuten und ihnen die Wandermuttergottes in die<br />
Wohnung zu tragen und mit ihnen zu beten.<br />
TieseL: Da waren ja auch viele Leute dabei, die du<br />
gar nicht gekannt hast, gell?<br />
HofsTäTTer: Ja, im Vorfeld, bei den Proben, sind<br />
wir ja tatsächlich von Tür zu Tür gegangen.<br />
TieseL: <strong>Die</strong> haben dich bestimmt oft nicht reingelassen.<br />
123<br />
HofsTäTTer: Ja, oft nicht. Also, das hat mich<br />
wirklich gestresst.<br />
TieseL: Ich fand ja die Szene mit meinem ersten<br />
Liebhaber wirklich hart. Also, jetzt nicht peinlich,<br />
aber das war irgendwie …<br />
Lenz: Das war der, den du nicht rangelassen hast?<br />
TieseL: Ja.<br />
HofsTäTTer: Du hast auch wirklich sehr mutig<br />
agieren müssen …<br />
TieseL: Und der Ulrich Seidl hatte ja vorher zu<br />
mir gesagt: „Frau Tiesel, es passiert nichts, was Sie<br />
nicht wollen.“ Und in der Szene musste ich dann sagen:<br />
„Es geht nicht.“ Und dann geht es auch nicht.<br />
HofsTäTTer: Das erlaubt einem der Ulrich Seidl<br />
ja auch. Und wenn du, Melanie, dich in der Szene<br />
beim Arzt nicht hättest ausziehen wollen, dann wäre<br />
das auch gegangen.<br />
TieseL: Aber du hast schon einen BH angehabt?<br />
Lenz: Ja, klar.<br />
HofsTäTTer: Wie weit man zu gehen bereit ist,<br />
bestimmt man schon selbst.<br />
TieseL: Manchmal wundere ich mich schon, dass<br />
ich so weit gegangen bin.<br />
HofsTäTTer: Aber bereust du irgendetwas?<br />
TieseL: Nein, ich würde es noch mal tun. Und du?<br />
HofsTäTTer: Immer wieder.<br />
TieseL: Du bereust immer wieder?<br />
HofsTäTTer: Nein, ich würde immer wieder mit<br />
dem Ulrich Seidl arbeiten. Ich verlasse mich da ganz<br />
auf seine künstlerische Qualität.<br />
TieseL: Aber hart ist die Arbeit mit ihm schon,<br />
oder? Wenn man jetzt mal ganz ehrlich ist. Dass der<br />
einen nie lobt, das hat mich echt fertig gemacht.<br />
HofsTäTTer: Na ja, ich arbeite ja schon länger mit<br />
ihm, und ich weiß, was bei ihm ein Lob bedeutet.<br />
TieseL: Du kennst den Code?<br />
HofsTäTTer: Ja. Ich kenne ihn halt besser, und du<br />
kennst ihn ja mittlerweile auch besser und kannst seine<br />
Reaktionen deuten und weißt, wann etwas gut oder<br />
nicht so gut war.<br />
TieseL: Wahrscheinlich. Hat er dich gelobt, Melanie?<br />
Lenz: Ja, schon.<br />
HofsTäTTer: Ich glaube, es macht am meisten<br />
Sinn, wenn man sich einfach auf das System Seidl einlässt.<br />
Aber man ist es als professioneller Schauspieler<br />
einfach nicht gewöhnt, ohne Drehbuch zu arbeiten.<br />
Es ist so, als würde man in einem luftleeren Raum<br />
spielen. Ich sag immer, dass die Arbeit mit Seidl nie<br />
ein Spaziergang ist, sondern immer eine Bergtour.<br />
Aber manchmal macht es eben Sinn, sich die Bergschuhe<br />
anzuziehen.<br />
Paradies: HoffnunG sTArTeT<br />
AM 16. MAi. Paradies: liebe und<br />
Paradies: Glaube sind bereiTs AnGeLAufen<br />
dAs bucH zu den fiLMen<br />
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Haare & Make-up PATrick GLATTHAAr<br />
Produktion sAskiA nAdi
ViVienne<br />
WestWooD<br />
WestWood<br />
von<br />
Tim Blanks<br />
never Never Mind the Fashion – Here’s Dame Vivienne!<br />
Im Mai ehrt das Metropolitan Museum in new New York die<br />
Queen Mum of Punk – im Gespräch erzählt sie, warum<br />
die sex Sex Pistols scheitern mussten und sie nie mit Maggie<br />
Thatcher verglichen werden will<br />
124<br />
fotos<br />
CrAig McDeAn<br />
styling<br />
VAnessA reiD<br />
top<br />
one of A kind,<br />
london<br />
tanktop, hose, ohrringe & kette<br />
ViVienne WestWood
V “ die mich immer begleitet, durch all die verschiedenen<br />
Leben, die ich gelebt habt – denn jeder verändert<br />
sich. Gleichzeitig ändern sich auch ständig die Anforderungen,<br />
die das Leben stellt. Beispielsweise hät-<br />
Ich bin mir<br />
te in den Fünfzigern niemand an den Klimawandel nicht sicher,<br />
gedacht. Wenn der Fokus sich verschiebt, folgt der<br />
Mensch dementsprechend.<br />
was ich zurzeit<br />
Blanks: Kommt Weisheit mit dem Alter?<br />
WestWood: Das tut sie, ja. Man kann seine<br />
Meinung natürlich ständig radikal überdenken –<br />
aber je älter man wird, desto weniger ändert man<br />
sie, denn die Art, wie man Dinge betrachtet,<br />
wird eben viel solider. Solide auf eine gute Art.<br />
Blanks: Kann es sein, dass man mit dem<br />
Alter freier wird? Vor allem als Frau? Eine<br />
ältere Dame hat mir mal erzählt, dass die Zeit<br />
einen von den weltlichen Dingen befreit, die<br />
”<br />
einen in jüngeren Jahren knechten.<br />
WestWood: Da könntest du recht haben.<br />
<strong>Die</strong> typische Frauenrolle habe ich früher<br />
ViVienne WestWood: Hi, Tim.<br />
tim Blanks: Hallo, Vivienne. Im Mai ehrt dich wahrscheinlich mehr erfüllt. <strong>Die</strong> Leute reden<br />
das New Yorker Metropolitan Museum mit einer immer von der Midlife-Crisis, ich hatte meine<br />
mit 30. Anschließend habe ich keine Ge-<br />
Ausstellung namens Punk. Für mich hat das ja alles<br />
schon 39 Jahre vorher angefangen. 1974 war ich ständig<br />
in deinem Fetisch-Fashion-Laden Sex, nur um Sex objekt mehr war.<br />
danken daran verschwendet, weil ich kein<br />
dich anzustarren. Ich war wie ein verrückter Teenie- Blanks: Warst du es denn vorher?<br />
Stalker.<br />
WestWood: Oh ja. Ich habe sehr viel<br />
WestWood: Haha.<br />
Aufmerksamkeit bekommen (lacht). Schließlich<br />
sah ich fantastisch aus. Aber ich erinnere<br />
Blanks: Ich war hypnotisiert. Als du weiße Haare<br />
hattest, hast du ausgesehen wie so ein unglaublicher<br />
Hybrid. So sahen eigentlich alle Frauen aus, die einem Film sah und dachte: „Oh, so gut wie<br />
mich noch, wie ich damals Brigitte Bardot in<br />
bei Sex und Seditionaries gearbeitet haben: Jordan, sie werde ich wohl nie aussehen!“<br />
Tracie, Debbie …<br />
Blanks: Ich habe es immer bewundert,<br />
WestWood: Und Andy Warhol hat mich immer wie du Ästhetik als Waffe einsetzt, zuletzt bei<br />
mit Jordan verwechselt. Wenn wir uns getroffen haben,<br />
hat er Jordan erwartet (lacht). Und dann war er gemacht hast. Sie haben mich sehr an die<br />
den Nacktporträts, die du mit Juergen Teller<br />
immer fürchterlich enttäuscht. Nun, nicht immer, Venus vor dem Spiegel von Velázquez erinnert.<br />
aber zwei Mal.<br />
WestWood: Aber sie dreht uns doch<br />
Blanks: War dir eigentlich bewusst, dass du zu den Rücken zu – einen wundervollen Rücken<br />
einer Art Vorkämpferin werden würdest?<br />
mit wunderschönen blassen Schenkeln.<br />
WestWood: Nein, aber ich war damals sehr aggressiv,<br />
was Punk anging. Es war dieses „Entweder der Künstler sein Objekt sowohl nackt als<br />
Blanks: Wie heißt noch das Bild, in dem<br />
ihr seid gegen oder für uns“-Ding. Ich dachte ständig:<br />
„<strong>Die</strong> Welt ist so fürchterlich, und jeder, der nicht WestWood: Das war Goya! Du hast<br />
auch angezogen gemalt hat?<br />
dagegen kämpft, ist doch wahrscheinlich … ich weiß recht, ich habe wohl tatsächlich an diese<br />
auch nicht … bitter.“<br />
Nacktmalereien gedacht. Ich trug nämlich<br />
Blanks: Wenn ich an deine ersten Schauen in den meine Haare offen, und das tue ich nicht häufig.<br />
Achtzigern in Paris denke, dann waren die so betont Dafür fühle ich mich meistens zu alt. Es sieht<br />
hochkulturell, dass ich mich damals gefragt habe, ob doch albern aus bei Frauen in meinem Alter, langes<br />
Haar zu haben. Gut, dass ich es rot färbe.<br />
du den Sound der Sex Pistols jemals wirklich mochtest,<br />
diese elektrischen Gitarren, diesen Lärm. Wenn es weiß wäre, würde ich wie eine Hexe aussehen!<br />
Na ja, Juergen war jedenfalls sehr glücklich<br />
WestWood: Doch! Doch! Ich habe Steve Jones<br />
immer mit Charlie Parker verglichen. Dabei haben mit dem Resultat.<br />
die beiden ganz unterschiedliche Instrumente gespielt,<br />
oder? Aber Steve war ein brillanter Gitarrist. Idee?<br />
Blanks: War das Ganze deine oder Juergens<br />
Und was auch immer ich davon halte, dass Johnny WestWood: Ich hätte nicht einmal im Traum<br />
Rotten so lange versucht hat, Johnny Rotten zu daran gedacht. Aber ich vertraue ihm. Wenn er sagt:<br />
sein … zu der Zeit fand ich ihn toll.<br />
„Ich will dich nackt fotografieren“, dann kommt mir<br />
Blanks: Er ist aber eine gute Lektion dafür, inwiefern<br />
eine Rolle auch eine Rüstung werden kann ich gar kein Nacktfoto von mir, und was soll das alles<br />
gar nicht der Gedanke, zu sagen: „Hm, vielleicht will<br />
und dass man ein wunderbar glückliches Leben hinter<br />
dieser Maske führen kann. Ist das auch bei dir der los!“ (lacht)<br />
überhaupt?“ Ich denke dann einfach: „Okay, klar, leg<br />
Fall?<br />
Blanks: Bist du eitel?<br />
WestWood: Das ist mir wirklich egal. Vor nicht WestWood: (pausiert) Vielleicht … Aber ich<br />
allzu langer Zeit hätte ich das vielleicht nicht zugegeben,<br />
weil sich das immer so scheinheilig anhört. Ich Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, mich<br />
sehe mich nicht in Konkurrenz zu anderen Frauen.<br />
denke, es ist sehr vernünftig und gescheit, alles daranzusetzen,<br />
die Welt ein bisschen besser zu machen. alt ich bin – und vergesse es sofort wieder. Ich finde,<br />
schminke, dann denke ich vielleicht kurz daran, wie<br />
Ich möchte die Dinge verstehen, das ist alles, was dass ich noch nie so gut aussah wie heute. Deswegen<br />
mich interessiert. Das bin einfach ich. Cogito, ergo denke ich auch für den Rest des Tages nie mehr über<br />
sum – ich denke, also bin ich. Das ist die Kontinuität, Make-up nach.<br />
126<br />
über die Mode<br />
denke. Vor einigen<br />
Jahren hätte<br />
ich gesagt, dass<br />
sie sehr, sehr<br />
schlecht ist<br />
– Vivienne Westwood<br />
kleidung & accessoires<br />
vivienne westwood
1<br />
3<br />
2<br />
1 LET IT ROCK: VIVIENNE UND FREUNDE VOR IHREM LADEN,<br />
LONDON, 1971 2 SEX SELLS: CHRISSIE HYNDE, JORDAN UND<br />
WESTWOOD, DIE GIRLS AUS DEM SEX-SHOP, UND ALAN JONES,<br />
KING’S ROAD, LONDON, 1976 3 MADAME WESTWOOD IN<br />
EINEM DIAPHANEN GUMMI-ANZUG, 1975 (Foto WILLIAM<br />
ENGLISH) 4 THE REAL SEX PISTOLS: NAMENTLICH UNBEKANNTE<br />
FRAU, ALAN JONES, CHRISSIE HYNDE, WESTWOOD UND<br />
JORDAN 5 ANARCHY IN THE U.K.: VIVIENNE WESTWOOD UND<br />
NAOMI CAMPBELL BACKSTAGE NACH EINER SHOW, 1993<br />
6 WIR WAREN SCHLIESSLICH ALLE MAL JUNG, AUCH DAME<br />
VIVIENNE, LONDON, IN DEN SIEBZIGERN 7 AUF DEN PUNK GE-<br />
BRACHT: WESTWOOD UND DER GROSSE TRICKSER MALCOLM<br />
McLAREN 8 HAM’SE MAL NE MARK? PRINCESS DIANA UND DIE<br />
QUEEN MUM OF PUNK, ROYAL OPERA HOUSE, LONDON, 1991<br />
9 JORDAN, DIE DAME, MIT DER ANDY WARHOL VIVIENNE<br />
WESTWOOD GERNE VERWECHSELTE, VOR DER TÜR DES LADENS<br />
SEX, 1976 10 PUNKS UNTER SICH: VIVIENNE WESTWOOD UND<br />
MARGARET THATCHER<br />
Fotos: 2. action press; 3. William English, Courtesy of Maggs Bros.; 4.action press; 5. dpa Picture-Alliance / AAD; 6. Norma Moriceau; 7. Richard Young/Rex Features; 8. Rex Features; 9. Sheila Rock/Rex Features; 10. Richard Young/Rex Features<br />
6<br />
8<br />
7<br />
128<br />
4 5<br />
129<br />
9 10
kleidung & accessoires<br />
vivienne westwood<br />
Blanks: Ich habe nie ganz verstanden, ob du<br />
nun gegen Nostalgie warst oder sie umarmt hast.<br />
WestWood: Ich denke, dass meine Mode immer<br />
bedingt ist von der Zeit, in der ich lebe. Es ist<br />
alles sehr eklektisch, vielschichtig. In den Siebzigern,<br />
als Malcolm und ich den Let-It-Rock-Shop<br />
eröffneten, hatte er von Hippies die Nase voll und<br />
hat sich mit dem Rock ’n’ Roll der Fünfziger beschäftigt.<br />
Wir wollten Rebellen sein, und wir dachten,<br />
das wäre irgendwie rebellisch. Aber gleichzeitig war<br />
es der Beginn des Zeitalters der Nostalgie. Und heute,<br />
das ist ja allgemein bekannt, hat es alles schon<br />
einmal gegeben, und es gibt wirklich nichts mehr,<br />
was man noch erfinden könnte. Also ist es sehr eklektisch<br />
geworden.<br />
Blanks: Dein Eklektizismus war so radikal einflussreich<br />
…<br />
WestWood: Oh, ich hatte einen unglaublichen<br />
Einfluss, allerdings bin ich mir nicht sicher, was ich<br />
zurzeit über die Mode denke. Vor einigen Jahren hätte<br />
ich gesagt, dass sie sehr, sehr schlecht ist und dass<br />
man kaum mal jemanden trifft, der gut aussieht. Andererseits<br />
gibt es einige sehr gute Designer da draußen.<br />
Aber ich folge nicht alldem, was all die anderen<br />
gerade tun. Ich schaue mir nicht einmal die ganzen<br />
Modehefte an. Außer es steht etwas über mich darin<br />
und jemand sagt mir: „Schau dir das mal an.“<br />
Blanks: Ich dachte immer, du und Rei Kawakubo<br />
hättet so etwas wie ein verwandtschaftliches Verhältnis?<br />
WestWood: Sie ist eine großartige Designerin.<br />
Das ist das Erste, was man über sie sagen kann. Sie<br />
ist manchmal extrem. Bei ihr kann es einen großen,<br />
wattierten Hüftknochen geben oder einen Buckel<br />
oder so etwas.<br />
Blanks: Aber ihr habt beide mit eurem nicht<br />
vorhandenen Sinn für Grenzen die Silhouette der<br />
Mode umgestaltet und neu geformt.<br />
WestWood: Ich weiß nicht, habe ich die Silhouette<br />
verändert? Seit ich mit Andreas arbeite, gab<br />
es eine Entwicklung von der großen Schulter zur<br />
kleinen Schulter. Er hat in den letzten 20 Jahren<br />
genauso viel designt wie ich. Ich weiß nicht, ob die<br />
Leute das wissen, aber er ist wirklich für vieles verantwortlich.<br />
Tatsächlich verhalte ich mich meist<br />
wie seine Assistentin. Er ist der Boss. Er kümmert<br />
sich sehr um alles. Es tut ihm weh, wenn etwas<br />
nicht gut genäht ist.<br />
Blanks: Eine Ausstellung wie Punk verlangt<br />
nach einem Blick in die eigene Vergangenheit.<br />
Wirst du leicht melancholisch?<br />
WestWood: Nein. Ich bin heute so viel<br />
glücklicher als noch vor ein paar Jahren.<br />
Blanks: Du wurdest als Dame Commander<br />
of the Order of the British Empire ausgezeichnet<br />
und bist nun Teil einer Gesellschaft, die du<br />
früher lautstark verachtet und bekämpft hast.<br />
WestWood: Ich weiß, ich bin sehr beliebt, das<br />
ist mir schon klar. Und am Ende von Punk wurde<br />
mir auch klar, dass Punk eigentlich nur ein Marketingtool<br />
war. Aber es war auch Marketingtool für die<br />
Idee einer freien Gesellschaft: „Weil wir Rebellen<br />
haben, sind wir ganz offensichtlich frei.“ Aber ich<br />
dachte mir: „Nein, das reicht nicht. Wir müssen viel<br />
weiter gehen, Ideen sind das, was zählt!“ Vergiss das<br />
Establishment. Ich attackiere das Establishment nicht.<br />
Ich meine, politisch gesehen tue ich das natürlich<br />
immer noch, aber ich bin nicht daran interessiert, gegen<br />
irgendetwas zu sein. Ich bin interessiert daran,<br />
Dinge zu entdecken … Aber wurde ich wirklich vereinnahmt?<br />
“<br />
<strong>Die</strong> Leute<br />
reden immer von<br />
der Midlife-Crisis,<br />
ich hatte meine mit<br />
30. Anschließend<br />
habe ich keine Gedanken<br />
daran verschwendet,<br />
weil ich kein<br />
Sexobjekt mehr war<br />
”– Vivienne Westwood<br />
131<br />
Blanks: Nein, ich sage, dass du das genau nicht<br />
wurdest. Ich finde, dass du diese sehr traditionelle<br />
Ehre bekommen hast, ohne Kompromisse einzugehen<br />
und ohne dich vereinnahmen zu lassen. Das ist<br />
eine höchst kuriose Errungenschaft.<br />
WestWood: Ja, das könnte man so sagen.<br />
Blanks: Ich stelle mir vor, wie du darüber kicherst,<br />
Dame Vivienne Westwood zu sein.<br />
WestWood: Nein, das kommt mir eigentlich nie<br />
in den Kopf. Ich denke nie: „Oh, wie komisch, ich bin<br />
eine Dame.“ Und ich will auch nicht mit solchen<br />
Leuten wie Thatcher in einen Topf geworfen werden.<br />
Blanks: Aber dieser Titel hat dich zu einem<br />
Symbol gemacht – ich meine, der Weg von Let It<br />
Rock bis zur Ausstellung in New York …<br />
WestWood: Ich denke manchmal, dass es nett<br />
wäre, ein normales Leben zu haben, Bücher zu lesen,<br />
sich mit Freunden zu treffen, denn dafür habe ich<br />
einfach keine Zeit. Und ich realisiere, dass – falls ich<br />
einfach in Nordengland geblieben wäre, wenn meine<br />
Eltern nicht in den Süden gezogen wären – ich vielleicht<br />
heute einfach Lehrerin wäre.<br />
Blanks: Wer ist der wichtigste Mensch in deinem<br />
Leben?<br />
WestWood: Da muss ich meinen Freund Gary<br />
(Ness, Redakteur und Künstler) nennen. Er hat mich<br />
dazu gebracht, mir die Dinge richtig anzuschauen.<br />
Großartige Dinge, nicht einfach das, was gerade angesagt<br />
war. Natürlich hat mich auch Malcolm beeinflusst,<br />
aber ihm ging es immer um das, was gerade<br />
geschah und angesagt war. Zu der Zeit hat mir das<br />
gefallen. Ich mochte nicht die traditionelle hohe<br />
Kunst, denn ich bin als Protestantin auf dem Land<br />
aufgewachsen. Als ich in die National Gallery ging,<br />
bin ich erschrocken rausgerannt, weil es mich an eine<br />
katholische Kirche erinnert hat, und dorthin wollte<br />
ich nie wieder zurück. Aber irgendwann wurde ich<br />
intellektuell müde von ihm, denn Malcolm brachte<br />
nichts voran; er wollte nur oberflächlichen Erfolg. Er<br />
wollte nie in die Tiefe gehen. Also fand ich ihn nicht<br />
mehr interessant. <strong>Die</strong> Leute haben so viel Erfahrung<br />
und so viele schlaue Dinge, die sie wissen, aber wenn<br />
sie nicht weiter versuchen, Neues herauszufinden, und<br />
stattdessen immer nur die alten Dinge aufgreifen …<br />
Man muss immer weitergehen, und er tat das nie.<br />
Blanks: Eine letzte Sache noch: Wie stellst du<br />
dir dein Vermächtnis vor?<br />
WestWood: Ich hoffe, noch lange genug zu<br />
leben, um zu sehen, dass die Leute sich wirklich mit<br />
dem Klimawandel beschäftigen. Denn wenn sie<br />
das tun, dann werden sie es auch schaffen, ihn zu<br />
stoppen.<br />
Blanks: Das bedeutet dir mehr als dein Vermächtnis<br />
in der Welt der Mode?<br />
WestWood: Ja, denn dieses Vermächtnis bedeutet<br />
mir gar nichts. Ich habe keine Erwartungen.<br />
Ich erwarte nichts von niemandem. Ich möchte kein<br />
Monument sein, welcher Art auch immer. Ich möchte<br />
einfach nur verschwinden. Definitiv, definitiv,<br />
definitiv.<br />
Punk: Chaos to Couture<br />
ist voM 9. Mai Bis 14. aUgUst iM<br />
MetroPolitan MUseUM oF art zU seHen<br />
Photographer Craig Mcdean/<br />
art + CoMMerCe<br />
Production nortH6<br />
Photo assistants siMon roBerts,<br />
HUan ngUYen<br />
digital technician CHristian Ferretti<br />
special thanks sPring stUdios
Guy<br />
Bourdin<br />
Es gibt Menschen, die Außergewöhnliches erschaffen und<br />
gewöhnlich daherkommen, und Menschen, die Gewöhn liches<br />
abliefern und außergewöhnlich auftreten. Im besten (leider<br />
auch seltensten) Fall geht beides einher, Wirkung und Werk,<br />
Exzentrik und Erscheinung. Wie im Fall des französischen<br />
Modefotografen Guy BourdIN, der mit seinen ikonischen<br />
Bildern nicht nur das Goldene Zeitalter der französischen<br />
Vogue anblitzte, sondern auch sich selbst einen einigermaßen<br />
auffälligen Auf(t)ritt leistete. Wie an jenem Nachmittag,<br />
als er auf einem Kamel reitend vor der Beletage der Modepostille<br />
erschien.<br />
Bourdin (1928–1991) war es, der mit Helmut NEWtoN und<br />
Chris von WANGENhEIM die Modefotografie zur Kunst<br />
erhob. Seine Bilder, die wir hier als Portfolio präsentieren,<br />
haben Generationen von regisseuren, Fotografen und<br />
Künstlern geprägt, es sind Bilder, die nachbrennen,<br />
Bilder wie Ausrufezeichen. das dunkelhaarige Model auf den<br />
folgen den Seiten ist übrigens Nicolle MEyEr, Bourdins<br />
Muse und Sängerin der düsseldorfer Punkband FrEd<br />
BANANA CoMBo.<br />
Foto: © Estate of Guy Bourdin. Reproduced by permission of Art + Commerce<br />
132<br />
A MessAge for You von Guy Bourdin,<br />
neu aufGeleGt vom Steidl verlaG, frühjahr 2013<br />
der dokumentarfilm When The skY fell DoWn –<br />
The MYTh of guY BourDin von Sean Brandt Soll Bei<br />
den filmfeStSpielen in venediG premiere feiern<br />
133
Fotos: © 2013 The Estate of Guy Bourdin (4)
Foto: © Estate of Guy Bourdin. Reproduced by permission of Art + Commerce
Cameron<br />
Carpenter<br />
Fotos<br />
oliver mArk<br />
von<br />
Katharina<br />
grosse<br />
komplettlook privat
Er ist Virtuose und<br />
Grenzgänger in einer<br />
besonders statischen<br />
Welt: dem Orgelspiel.<br />
CamErOn<br />
CarpEntEr<br />
vermengt bei seinen<br />
auftritten Bach,<br />
Leonard Cohen,<br />
Filmmusik, er gastierte<br />
bei den Berliner<br />
philharmonikern –<br />
und überzeugt durch<br />
seinen eigenwil ligen<br />
modegeschmack.<br />
mit der Künstlerin<br />
Katharina<br />
GrOssE, als junges<br />
mädchen spielte<br />
sie Charles ives auf der<br />
Flöte, diskutiert er<br />
die Kunst der Fuge,<br />
abstraktion bei tizian<br />
und Kniebeschwerden<br />
beim malen<br />
Cameron Carpenter und Katharina Grosse in ihrem atelier vor einem Bild,<br />
das derzeit im De pont museum in tilburg zu sehen ist<br />
Katharina Grosse: Ich bin kein Performing Artist.<br />
In gewisser Weise funktioniert meine Kunst wie eine<br />
Maske, hinter der ich verschwinde. Wie geht es dir?<br />
Cameron Carpenter: Eins meiner großen<br />
Vorbilder für mich als Künstler ist die New Yorker<br />
Dragqueen Mother Flawless Sabrina. Ihr echter<br />
Name ist Jack Doroshow, und sie spielte in einigen<br />
Warhol-Filmen mit und war Teil seiner Entou rage.<br />
Ihre wichtigste Regel lautet: „Inhabit the mask“ (werde<br />
deine Maske).<br />
Grosse: So ähnlich erklären das die Lehrer an<br />
Musikhochschulen ihren Schülern, die Opernsänger<br />
werden wollen. Es geht dabei immer wieder darum,<br />
wie der Ton in die Maske und darüber hinaus projiziert<br />
werden muss.<br />
Carpenter: Der wichtigste Unterschied zwischen<br />
deiner und meiner Kunst ist Zeit. Du kannst ein<br />
Bild ausstellen und im Jahre 3030 kann man es immer<br />
noch betrachten – falls das Bode-Museum dann noch<br />
steht. Youtube gibt es gerade mal zehn Jahre, elektronische<br />
Tonaufnahmen vielleicht seit 1905. Deswegen<br />
ist der Aspekt der Live-Performance für mich extrem<br />
wichtig.<br />
Grosse: Dafür gab es in jüngster Zeit interessante<br />
Beispiele. Marina Abramović etwa führte die<br />
Performances von anderen Künstlern wieder auf: von<br />
Joseph Beuys, von Valie Export etc. Und Tino Sehgal<br />
verfasst genaue Anweisungen, wie seine Arbeiten aufgeführt<br />
werden sollen.<br />
Carpenter: Ich habe die Unterscheidung zwischen<br />
unseren künstlerischen Disziplinen, die du ansprichst,<br />
immer von der anderen Seite gesehen. Bevor<br />
ich auf die Juilliard School kam, war ich an einem<br />
Gymnasium, das sehr interdisziplinär gearbeitet hat.<br />
<strong>Die</strong> meisten meiner Freunde waren Maler oder Tänzer.<br />
Nicht jeder Künstler ist natürlich ein Akademiker.<br />
Ich mag zum Beispiel, wie warmherzig und direkt<br />
Chuck Close über seine Arbeit spricht. Aber damals<br />
merkte ich, dass es einen akademischen Diskurs in der<br />
Musik nicht gibt.<br />
top adidas oriGinals<br />
by openinG Ceremony<br />
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schuhe adidas oriGinals<br />
by jeremy sCott<br />
“<br />
Ich habe David<br />
Bowie erst entdeckt,<br />
als ich 21 war. Vergiss<br />
nicht, dass ich mit<br />
Privatunterricht zu<br />
Hause aufgewachsen<br />
bin. Ich bin ein totaler<br />
Spätzünder<br />
”<br />
– Cameron Carpenter<br />
Grosse: Liegt das daran, dass man als Musiker<br />
vor allem darin trainiert wird, gut zu spielen? Oder<br />
daran, dass man als Musiker in der Regel etwas spielt,<br />
was bereits komponiert wurde? Während der Künstler<br />
ja in gewisser Weise Komponist und Interpret<br />
gleichzeitig ist.<br />
Carpenter: Im 19. Jahrhundert schufen alle<br />
großen Interpreten bei ihren Konzerten unendlich<br />
viel Neues. Anton Rubinstein hat die Partitur eher<br />
als Anregung verstanden und ist sehr frei damit umgegangen.<br />
Bei der Orgel haben wir es mit einer besonders<br />
konservativen, strengen und abergläubischen<br />
Gemeinschaft zu tun. Es gibt kein Vorbild dafür, wie<br />
man als Organist Songs von Leonard Cohen und<br />
Klaviermusik von Liszt spielen und damit berühmt<br />
werden kann. Wenn ich nur Bach und religiöse Musik<br />
spielen wollte, bräuchte ich keine „digitale Orgel“.<br />
Das ist mein wichtigstes Projekt. Denn sie wird diese<br />
Musik – und nicht zuletzt mich – befreien.<br />
Grosse: Das ist in der bildenden Kunst seit einigen<br />
Jahren ein großes Thema: dass Künstler für einen<br />
bestimmten Raum oder ein bestimmtes Museum ihre<br />
Arbeit anfertigen. Was macht man später mit dieser<br />
Arbeit? <strong>Die</strong> Hälfte meiner Arbeiten ist site specific.<br />
Carpenter: Site specificity ist mein persönlicher<br />
Dämon.<br />
Grosse: Deswegen entwickelst du dieses Reiseinstrument?<br />
Carpenter: <strong>Die</strong> Pfeifenorgel ist für mich die<br />
Entsprechung zum Theater.<br />
Grosse: Ist es nicht interessant, einerseits mit<br />
Instrumenten zu spielen, die fest installiert und nicht<br />
beweglich sind, und andererseits mit einem mobilen<br />
Instrument?<br />
Carpenter: Interessant ja. Aber nicht unbedingt<br />
hilfreich für meine Absichten und Ziele, was das Orgelspiel<br />
betrifft. Ich will die Rolle der Orgel in der<br />
westlichen Kultur verändern.<br />
Grosse: Das ist deine Mission.<br />
Carpenter: Oh, ich hasse dieses Wort. Das<br />
klingt für mich nach einem Kreuzzug, bei dem Menschen<br />
verletzt werden.<br />
Grosse: Dann eben deine Vision.<br />
Carpenter: Verrückte haben Visionen. Insofern<br />
gefällt mir dieser Ausdruck schon wesentlich besser.<br />
Ich bin 31, ich kann mich nicht mehr als wilder junger<br />
RamboKünstler aufführen, der plötzlich merkt, dass<br />
er die Welt verändern will. Aber die Entscheidung,<br />
welche Musik auf der Orgel gespielt wird, hing immer<br />
damit zusammen, wo sie steht, wann sie gebaut<br />
wurde, wie groß sie ist. Nichts davon hat mit künstlerischem<br />
Ausdruck zu tun. Ich stelle den Künstler über<br />
sein Instrument.<br />
Grosse: Ich verstehe deinen Wunsch, die Orgel<br />
quasi zu befreien. Ich war immer fasziniert von den<br />
Möglichkeiten dieses Instruments, seiner Multivokalität,<br />
seiner Mehrstimmigkeit. Aber mir gefällt eben<br />
auch, dass sie an einen bestimmten Ort gebunden ist.<br />
Oft sind es Kirchen, und das ist ein seltsamer Rahmen,<br />
da diese ja auch ihre ursprüngliche Bedeutung<br />
verlieren.<br />
Carpenter: Gott sei Dank.<br />
Grosse: Endlich erwähnst du ihn mal!<br />
Carpenter: Ich spiele das teuerste Instrument,<br />
das es gibt. Wenn man dessen Rolle ändern will, hat<br />
man automatisch mit Kirche und Wirtschaft zu tun.<br />
In gewisser Weise ist das eine politische Frage. Man<br />
will den Kurs eines riesigen Schiffes ändern.<br />
Grosse: Auch in der Rockmusik wurde doch viel<br />
Orgel eingesetzt.<br />
Carpenter: Das war mir früher gar nicht bewusst.<br />
Ich habe David Bowie erst entdeckt, als ich<br />
21 war. Vergiss nicht, dass ich mit Privatunterricht<br />
zu Hause aufgewachsen bin. Ich bin ein totaler Spätzünder.<br />
Grosse: Was ich mich gefragt habe, als ich deine<br />
Musik gehört habe: Wie wichtig ist dir John Cage?<br />
Als er zum Beispiel die Fenster geöffnet hat, den Straßenlärm<br />
der 5th Avenue aufnahm und gesagt hat, das<br />
sei die schönste Symphonie. Was hat das mit dir gemacht?<br />
Carpenter: John Cage zeigte, dass so unglaublich<br />
viele Dinge Musik sein können. Deswegen empfanden<br />
ihn viele als Bedrohung. Mit Cage geht es mir<br />
wie mit Kunst im Museum, die ich nicht zwingend<br />
verstehe, aber die mir einen von Millionen Standpunkten<br />
zeigt und ermöglicht. Als Komponist habe<br />
ich wenig mit ihm zu tun. Ich sage gern, dass ich keine<br />
Musik nach 1918 schreibe.<br />
Grosse: Mir geht es anders. <strong>Die</strong> Arbeit von Cage<br />
ändert mein Denken. Sogar das über meine eigene Arbeit.<br />
Genauso Charles Ives, den ich sehr bewundere.<br />
Sein Vater ist mit ihm auf einen Kirchturm gestiegen<br />
und hat ihn auf die vier Blaskapellen hören lassen, die<br />
aus vier Richtungen auf den Turm zukamen und das<br />
gleiche Stück in verschiedenen Tempi spielten.<br />
Carpenter: Er war auch ein toller Organist.<br />
Grosse: Oder die Orchester, die er in einem<br />
Park verteilte, durch den man spazieren konnte. Das<br />
stellt infrage, was wir mit unserer Arbeit tun. Was<br />
sind die Paradigmen, von denen wir uns leiten lassen?<br />
Mich wundert es ein bisschen, wenn du sagst, Musik<br />
nach 1918 interessiere dich nicht.<br />
Carpenter: Oh nein! Den Witz habe ich schon<br />
ein paar Mal zu oft gemacht. Daran merke ich, dass ich<br />
alt und langweilig werde. Was ich meine ist dies: Mein<br />
Ausdruck ist tonal und emotional. Ich beschreibe<br />
meine Musik als cinematic. Das ist nicht das, was man<br />
gemeinhin für zeitgenössisch hält. Der unmittelbare<br />
Hörgenuss, den ich mit meiner Musik erreichen will,<br />
ist heute immer noch passé und tabu. Als Komponist<br />
hat man immer intellektuell wie Schönberg zu sein.<br />
Wer Musik schreibt, die Millionen Menschen gefallen<br />
könnte, wie Rachmaninow oder John Williams, ist<br />
verdächtig. Wer Geld verdient, ist billig. Schrecklich,<br />
aber so ist es. Meine Musik basiert auf Melodien und<br />
auf der Entwicklung von Motiven, meist kontrapunktisch,<br />
was natürlich stark von Bach beeinflusst ist.<br />
Grosse: Bach hatte gesellschaftliche oder politische<br />
Gründe dafür, warum er Traditionen übernahm<br />
– oder änderte. Wir leben in einer komplett anderen<br />
Welt. Warum sind dir Bachs kompositorische Mittel<br />
wichtig – abgesehen von der Tatsache, dass du sie<br />
magst?<br />
Carpenter: Bach ist nicht der Erste, den ich nennen<br />
würde, wenn man mich fragt, was ich mag. Manche<br />
seiner Stücke gefallen mir, andere wollen einfach<br />
nicht aufhören. Es gibt sehr viele Stücke für Orgel,<br />
die besser zu spielen als anzuhören sind. Warum ich<br />
mich auf die Geschichte beziehe? Ich habe mich für<br />
die Art von Musik entschieden, die die stärkste emotionale<br />
Macht auf mich ausübt. Bei Bach zum Beispiel<br />
ist es die Fuge, ein mehrteiliges Stück, das horizontal<br />
strukturiert ist und auf einer mathematischen Grundordnung<br />
basiert. Bachs Fugen haben jeden Organisten<br />
und im Grunde jeden Komponisten beeinflusst.<br />
140<br />
141
Vor allem wenn ich improvisiere – und hinterher meine<br />
Improvisationen analysiere –, zeigt sich, wie stark<br />
ich von Mahler, Bach, Percy Grainger beeinflusst<br />
wurde. Ganz anders zum Beispiel Franz Liszt. Sein<br />
Stück La Campanella ist ein völlig überflüssigerweise<br />
wahnsinnig kompliziertes Stück, das es aber dem Pianisten<br />
erlaubt, seine Virtuosität zur Schau zu stellen.<br />
Reines Showbusiness. Aber wir Interpreten brauchen<br />
auch das. Man muss seinen Frieden machen mit Vorbildern<br />
und Einflüssen – Ablehnung als Selbstzweck<br />
führt zu nichts.<br />
Grosse: Das ist eine total wichtige Frage. Man<br />
kann nicht verstanden werden, wenn man sich nicht<br />
auf Traditionen bezieht, denn sie sind das, was die<br />
Menschen zu lesen gelernt haben.<br />
Carpenter: Das konnte man von Charles Ives<br />
zum Beispiel nicht sagen.<br />
Grosse: Stimmt, aber dann wiederum wird er<br />
überall gespielt. Ich bin totale Amateurin, aber habe<br />
als Mädchen Flöte in einem Jugendorchester gespielt.<br />
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“<br />
Ich spiele das<br />
teuerste Instrument<br />
der Welt. Wenn man<br />
dessen Rolle ändern<br />
will, hat man automatisch<br />
mit Kirche<br />
und Wirtschaft zu tun<br />
Carpenter in der paris bar berlin …<br />
”– Cameron Carpenter<br />
Ich war 13 und wir haben The Unanswered Question<br />
von Charles Ives gespielt …<br />
Carpenter: Das liebe ich an Deutschland! Wenn<br />
den irgendjemand versteht, dann seid ihr das.<br />
Grosse: … und als ich beschlossen hatte, Malerin<br />
zu werden, wollte ich die wichtigen Museen erkunden.<br />
Ich habe meinen Rucksack gepackt und mich auf den<br />
Weg gemacht, um die großen Sammlungen zu sehen.<br />
Bevor ich zeitgenössische Kunst überhaupt kennenlernte,<br />
studierte ich Tizian. Der ist wahnsinnig wichtig<br />
für meine Arbeit. Vor allem der späte Tizian, der<br />
drei oder vier Versionen des gleichen Motivs malte.<br />
Einige Versionen von <strong>Die</strong> Grablegung Christi sind sehr<br />
gut gemalt, in dem Sinne, dass man die Figuren genau<br />
erkennt. Bei anderen verschwimmen Körper und Kleidung.<br />
Manches ist sichtbar, anderes nicht. Es gibt keine<br />
zugrunde liegende Zeichnung, keine Konstruktion, das<br />
Bild stellt Farbe und Licht über die Erzählung.<br />
Carpenter: Und das alles lange vor dem Impressionismus.<br />
Grosse: Was mich daran fasziniert, ist, wie der<br />
Raum sich ausdehnt über die Leinwand hinaus. Auch<br />
Monet hat das erreicht. Als Jackson Pollock mit seinen<br />
drip paintings begann, sprachen alle davon, wie<br />
er die Grenzen des Bildes sprengte. Dabei hatten andere<br />
schon viel früher damit begonnen. Unsere Vorstellungskraft<br />
geht weit über das Bildfeld hinaus. In<br />
meiner Arbeit ist das ein ganz wichtiger Aspekt, auch<br />
wenn niemand sie auf Tizian zurückführen würde. Ich<br />
male keine Füße, ich male keine Körper – aber es gibt<br />
eine Verbindung zu seinem Werk. Was du über die<br />
Vorurteile gegenüber deinen Melodien gesagt hast,<br />
erlebe ich manchmal bei Reaktionen auf meine Arbeit:<br />
Es ist Malerei, es ist überdimensioniert farbintensiv,<br />
was in der Rezeptionstradition immer schon als feminin<br />
und daher konzeptuell schwach bewertet wurde …<br />
Wie genau springst du zurück zu Bach?<br />
Carpenter: Ein sehr plakatives Beispiel ist meine<br />
Serenade, die direkt auf seinem Namen aufbaut,<br />
auf den Noten B – A – C – H. Daraus habe ich eine<br />
Fuge gemacht, die natürlich eine Hommage ist. Auch<br />
wenn sie eigentlich nicht nach Bach klingt.<br />
Grosse: Du übernimmst die Konstruktion.<br />
Carpenter: Ja, aber die Sprache ähnelt eher<br />
Filmmusik aus den Fünfzigern, plus ein wenig Debussy.<br />
Grosse: Warum magst du das Konzept der<br />
Fuge? Spricht sie dich emotional an – oder entspricht<br />
sie der Art, wie du die Welt wahrnimmst?<br />
Carpenter: Schön wäre es. Aber ehrlich gesagt,<br />
und das ist mir ein bisschen peinlich, ging es mir um<br />
akademische Akzeptanz. Weil ich mich gegen die<br />
Welt der Orgelspieler in fast jeder Hinsicht auflehne,<br />
möchte ein Teil von mir nichts sehnlicher, als genau<br />
von diesen Leuten akzeptiert zu werden.<br />
Grosse: Ist das ein Hindernis? Ich ringe damit,<br />
denn ich weiß, dass ich meine Arbeit auch mache, um<br />
geliebt zu werden. Von anderen, aber auch von mir<br />
selbst. Ich lebe in diesem Paradox, denn um von anderen<br />
gemocht zu werden, muss man ganz andere Arbeit<br />
produzieren als für sich selbst.<br />
Carpenter: Damit muss ich jeden Tag neu klarkommen.<br />
Und vielleicht ist es für mich ein bisschen<br />
härter. Erstens, weil du ein wenig älter und erfahrener<br />
bist als ich. Zweitens, weil ich ein Performer bin. Ich<br />
muss mich fragen, was in der Philharmonie funktioniert<br />
oder in Japan oder in Kanada.<br />
Grosse: Woher weißt du das?<br />
Carpenter: Was die wenigsten klassischen Musiker<br />
zugeben wollen, ist die Bedeutung deiner eigenen<br />
Persönlichkeit. Natürlich interessiert sich das<br />
Publikum auch für Beethoven und Bach. Aber die Art,<br />
wie man wahrgenommen wird, ist die gleiche wie bei<br />
Lana Del Rey oder Madonna. Ich finde das normal.<br />
Und es war schon immer so. Wenn ein Mensch aus<br />
einem meiner Konzerte geht, hat er vielleicht schon<br />
viele fantastische Interpretationen von Bach gehört –<br />
aber mit Sicherheit keine bessere Interpretation von<br />
Cameron Carpenter.<br />
Grosse: Das heißt, jede Performance besteht aus<br />
vielen Schichten. Es gibt Bach, andere Komponisten,<br />
dich – und dann gibt es dich als Interpreten, der das<br />
Ganze zum Leben erweckt. Das ist der grundsätzliche<br />
Unterschied zwischen uns. Wir saugen die Tradition<br />
auf wie ein schwarzes Loch. Sie ist nicht unbedingt<br />
sichtbar in unserer Arbeit.<br />
Carpenter: Das mag jetzt eine freche Frage sein<br />
an eine bedeutende Künstlerin wie dich. Aber sagt<br />
man deshalb, dass die Malerei tot ist?<br />
Grosse: Oh, entweder stirbt die Malerei seit<br />
4 000 Jahren. Oder sie ist genauso wenig tot wie der<br />
Rest der Welt.<br />
Carpenter: Weißt du, dass Einzige, was noch<br />
toter ist als Malerei, ist Orgelmusik. Und was ich<br />
mache, ist der endgültige Todesstoß.<br />
Grosse: Ich glaube natürlich überhaupt nicht, dass<br />
Malerei tot ist. <strong>Die</strong> Komponente der Zeit ist einfach total<br />
faszinierend. Bei einem Gemälde passiert alles zur<br />
gleichen Zeit. Es gibt keinen Anfang und kein Ende.<br />
Carpenter: Wenn ich gefragt werde, warum<br />
ich Orgel spiele, dann habe ich keine Antwort. Dabei<br />
spiele ich sie seit 27 Jahren. Mein Leben gründet auf<br />
meiner Liebe zu dieser Maschine. Was ich irgendwann<br />
realisiert habe: Es sind nicht die Pfeifen, die Register,<br />
die Lautsprecher – dieser ganze Kram interessiert<br />
“<br />
Weil ich mich<br />
gegen die Welt der<br />
Orgelspieler in fast jeder<br />
Hinsicht auflehne,<br />
möchte ein Teil von<br />
mir nichts sehnlicher,<br />
als genau von diesen<br />
Leuten akzeptiert zu<br />
werden<br />
”<br />
– Cameron Carpenter<br />
… und im bühnenunterbau der berliner philharmonie<br />
143<br />
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mich nicht. Was absolut hypnotisch und einzigartig<br />
ist: <strong>Die</strong> Musik wird nicht vom mensch lichen Körper<br />
erzeugt. Seit 1899 ist die Orgel eine Maschine, die<br />
von Elektrizität angetrieben wird. Mein Orgel spiel ist<br />
dadurch abgekoppelt von meiner körperlichen Verfassung.<br />
Wenn ein Flötenspieler erkältet ist oder zu viele<br />
Drogen nimmt, kann er die Noten nicht mehr lange<br />
halten. Als Klavierspieler kann ich nur eine begrenzte<br />
Zeit die Oktaven greifen. Als Orgelspieler muss ich<br />
nie nachdenken, wie viel Energie mein musikalischer<br />
Ausdruck mich kosten wird.<br />
Grosse: Wenn du Zahnschmerzen hast, wird es<br />
auch dein Spiel beeinflussen.<br />
Carpenter: Aber ich könnte trotzdem einen einzelnen<br />
Akkord bei der größtmöglichen Lautstärke für<br />
Tage halten. Das macht die Orgel so übermenschlich.<br />
Grosse: Hast du schon mal zwei oder drei Tage<br />
gespielt?<br />
Carpenter: Fast zwei Tage sind mein bisheriger<br />
Rekord.<br />
Grosse: Bei Malerei geht es nicht um Durchhaltevermögen<br />
– auch wenn Kniebeschwerden für eine<br />
Malerin lästig sind.<br />
Carpenter: Ich habe eine letzte Frage, die mir<br />
sehr wichtig ist. 2005 habe ich ein Stück geschrieben,<br />
es heißt Homage to Klaus Kinski 1926–1991. Ich mag<br />
die Arbeit immer noch gern, sie ist schwer zu spielen<br />
und wunderschön. Jetzt ist das Buch von seiner Tochter<br />
Pola erschienen, das uns zwingt, alles zu überdenken,<br />
was wir von ihm und seiner Arbeit halten. Du bist<br />
die erfahrenere Künstlerin. Was soll ich tun?<br />
Grosse: Regel Nummer 17: keine Hommagen.
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Der Hairstylist und gebürtige Australier<br />
Kerry Warn war verantwortlich für den Look jedes<br />
einzelnen Schauspielers am Set von Der große<br />
Gatsby. Wir sprachen mit ihm über seine Liebe<br />
zum Film und sein Faible für rote Haare.<br />
INTERVIEW: Wie kommt man als Friseur zum<br />
Film?<br />
KERRY WARN: Indem man zufällig die richtigen<br />
Leute trifft. Ich habe zwar in den Siebzigern Friseur<br />
gelernt, aber schon bald in London angefangen,<br />
für Magazine zu arbeiten. Erst als Stanley<br />
Kubrick mich 1999 für Eyes Wide Shut engagierte,<br />
nahm meine Karriere beim Film ihren Lauf.<br />
INTERVIEW: Was war passiert?<br />
WARN: Ich traf Nicole Kidman, da stimmte einfach<br />
die Chemie – vielleicht auch, weil wir beide<br />
CAREY MULLIGAN IN BAZ LUHRMANNS<br />
VERFILMUNG VON DER GROSSE GATSBY<br />
aus Australien kommen und der Rest der Welt<br />
oft so weit weg ist.<br />
INTERVIEW: In der Tat haben Sie mit ihr fast jeden<br />
Film seit dieser ersten Begegnung gemacht – bis<br />
auf Moulin Rouge. Warum gerade diesen nicht?<br />
WARN: Ich habe damals mit Tom Mission Impossible<br />
2 gedreht, deshalb dauerte es noch etwas, bis<br />
ich endlich mit Baz Luhrmann, dem Regisseur<br />
von Der große Gatsby, arbeiten durfte.<br />
INTERVIEW: Der ja übrigens auch Australier ist.<br />
Was macht das Arbeiten mit ihm so besonders?<br />
WARN: Er macht einfach wunderbare, detailverliebte<br />
Filme! Für Der große Gatsby hatte ich eine<br />
Vorbereitungsphase von drei Monaten. Ich wollte,<br />
dass es so aussah wie in den Zwanzigern, aber<br />
mit einer modernen Note.<br />
INTERVIEW: Hatten Sie eine Lieblingsfilmfigur?<br />
WARN: Alle denken sicherlich zuerst an Daisy,<br />
aber viel spannender fand ich Myrtle.<br />
INTERVEW: Das ist Ihr Faible für rote Haare!<br />
WARN: Na ja! Rothaarige haben einfach häufig<br />
mehr Feuer, mehr Leidenschaft und immer ein<br />
wenig den Hang zum Ungezogenen – das mag<br />
ich! (lacht)<br />
DER AUSTRALIER<br />
KERRY WARN IST<br />
BEREITS SEIT 1991 TEIL<br />
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DER SERIE RADIANT<br />
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DREI TOPMODELS DER KAMPAGNE<br />
„Ck one“ war die erfolgreichste Duft-Markteinführung aller Zeiten und hat heute – der Duft wird in Deutschland<br />
in diesem Jahr 18 – hierzulande 1,9 Millionen Fans. <strong>Die</strong> berühmte Kampagne rund um <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong><br />
(fotografiert von Steven Meisel) erinnerte an das noch berühmtere Foto Andy Warhol and Members of The Factory.<br />
2<br />
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Tinkturen greift, darf die Basis nicht vergessen.<br />
Am besten verwendet man Produkte von auf einander<br />
abgestimmten Serien wie z. B. von Nioxin oder Aveda.<br />
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Kobaltblau.<br />
BEAUTY-TALK<br />
FREJA BEHA ERICHSEN<br />
Das dänische Topmodel Freja Beha Erichsen, 25, ist nicht nur das Lieblingsmodel der<br />
beiden Valentino-Kreativen Maria Grazia Chiuri und Pierpaolo Piccioli, sondern<br />
auch die perfekte Besetzung für die rebellische „Valentina“ der gleichnamigen Duftkollektion.<br />
Wir sprachen mit ihr über den Duft ihrer Kindheit<br />
INTERVIEW: Wie viel von „Valentina“ steckt in Ihnen – oder umgekehrt?<br />
FREJA BEHA ERICHSEN: Sie symbolisiert ein junges Mädchen, das Spaß am Le-<br />
ben hat und es in vollen Zügen genießt. Mit einer sehr eleganten, aber auch exzentrischen<br />
Seite. Sie hat diese Dualität, die ich an Frauen mag. Ich<br />
glaube, das beschreibt auch mich ganz gut.<br />
INTERVIEW: Was ist Ihr Lieblingsduft, Ihre Lieblingsblume?<br />
ERICHSEN: Ganz klar: Lavendel! Ich liebe den Duft von Lavendel! Er katapultiert<br />
mich direkt in meine Kindheit und erinnert mich daran, wie ich als<br />
kleines Mädchen durch die blühenden Lavendelfelder gelaufen bin.<br />
INTERVIEW: Haben Sie ein morgendliches Ritual im Bad?<br />
ERICHSEN:<br />
Hm, ehrlich? Also, ich habe keines. Ich bin ja ge-<br />
nerell ein eher natürlicher Typ und mache mir recht wenig<br />
Gedanken über mein Äußeres. Ich mag es entspannt. Das<br />
heißt, ich benutze einen guten Moisturizer und kein Make-up,<br />
weil ich will, dass meine Haut frei atmen kann.<br />
INTERVIEW:<br />
Drei Beauty-Produkte, ohne die es nicht geht?<br />
BEAUTY<br />
LIP BOOSTER<br />
<strong>Die</strong>ser Lip Balm pflegt nicht nur die<br />
zarte Haut mit Kakaobutter und<br />
viel Vitamin E, sondern hinterlässt<br />
zudem einen kleinen Hauch von<br />
Farbe. <strong>Die</strong> Nuancen mit den<br />
schönen Namen<br />
„Bite“, „Lust“<br />
und „Thrill“ sind<br />
perfekt auf die<br />
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Im Zeitalter der praktischen<br />
Flüssigseifen sind<br />
edle Seifenstücke beinahe<br />
nur noch etwas für Nostalgiker.<br />
Schade, denn die häufig aufwendig geprägten Stücke mit ihrem zarten Duft schmücken jedes<br />
Badezimmer. Das italienische Kultlabel Acqua di Parma bringt jetzt passend zu seinen Luxusdüften<br />
„Iris“, „Magnolia“ und „Gelsomino Nobile“ der Serie „Le Nobile“ eine limitierte Seifenkollektion<br />
auf den Markt. Edel in farblich passendes Seidenpapier eingeschlagen, sind sie fast zu kostbar,<br />
um sich damit täglich die Hände zu waschen. Aber auch klassische<br />
Seifenmanufakturen legen nach: Das seit 1840<br />
in fünfter Generation geführte deutsche<br />
Familienunternehmen mit dem passenden<br />
Namen Klar Seifen hält mit seinen puristischen,<br />
neu gestalteten Seifen gerade Einzug<br />
in die Welt der coolen Concept-Stores wie<br />
Apropos in Düsseldorf oder MDC Cosmetic<br />
in Berlin. Ein Stück Tradition, das auf dem<br />
besten Weg ist, zum neuen Kultobjekt zu werden.<br />
„SAPONE DI NOBILE”, JE DREI STÜCK<br />
VON ACQUA DI PARMA, UM 50 EURO<br />
„PFINGSTROSE & BASILIKUM”<br />
VON KLAR SEIFEN, UM 17 EURO<br />
ERICHSEN: Lavendelöl – das muss immer mit! Ein Lip Balm von Burt’s<br />
Bees und ein schwarzer Kajal – damit betone ich abends meine Augen!<br />
INTERVIEW: Haben Sie ein Special Treatment für Überseeflüge?<br />
ERICHSEN: Ich glaube, ich schlafe mehr in Flugzeugen als in Betten<br />
(lacht). Deshalb trage ich immer mein Lavendelöl bei mir<br />
und sprühe es auf das Kissen – es hilft mir, sofort einzu-<br />
schlafen.<br />
INTERVIEW: Treiben Sie auch Sport?<br />
ERICHSEN: Ich mache Yoga, habe aber keinen eigenen<br />
Trainer. Und ich liebe Gartenarbeit: Dinge<br />
wachsen zu sehen entspannt mich. Ein wichtiger<br />
Ausgleich zu meinem doch oft sehr hektischen All-<br />
tag im Job.<br />
INTERVIEW: Welcher ist der schönste Ort,<br />
an dem Sie je gewesen sind?<br />
ERICHSEN: Hm, ich würde sagen, der<br />
Garten meiner Mutter in Dänemark.<br />
INTERVIEW: Gibt es Pläne für die Zeit<br />
nach dem Modeln?<br />
ERICHSEN: Wahrscheinlich werde<br />
ich reisen, um die Orte, an denen ich<br />
nur zum Arbeiten war, endlich bewusst<br />
wahrzunehmen. Am besten eine<br />
ganze Weile. Tja, und dann … dann<br />
werden wir weitersehen.<br />
„VALENTINA ACQUA FLOREALE”:<br />
EINE NEUE INTERPRETATION DES „VALENTINA”-DUFTS (L.)<br />
152<br />
153
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Cellulite ist zum aus-der-Haut-faHren.<br />
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brauner Zucker und sechs ätherische Öle<br />
sind das Geheimnis dieses Körperpeelings.<br />
Von Caudalie, um 25 Euro.<br />
DNa sLIM<br />
<strong>Die</strong> 14-tägige anti-Cellulite-Kur wirkt über<br />
Nacht. <strong>Die</strong> Gel-Creme mit dem applikator auf die<br />
betroffenen Zonen einmassieren. Von Méthode<br />
Jeanne Piaubert, um 85 Euro.<br />
BaCK UP 3 D<br />
<strong>Die</strong> Rezeptur der Pflege, die den Po strafft,<br />
basiert auf traditionellen Wirkstoffen aus Indien<br />
und afrika, z. B. Guggul: das Harz einer in -<br />
dischen Myrrhepflanze. Von Talika, um 45 Euro.<br />
www.interview.de<br />
BODY LIft CELLULItE CONtrOL<br />
Ein ausgeklügeltes Potpourri an heimischen und<br />
tropischen Pflanzenextrakten stimuliert die<br />
Mikrozirkulation und sorgt für mehr spannkraft.<br />
Von Clarins, um 45 Euro.<br />
BODY INtENsE<br />
Nur wenige tropfen des Konzentrats reichen für<br />
den ganzen Körper. Der pflanzliche EGF<br />
(Epidermal Growth factor) ist hier der Hauptwirkstoff.<br />
Von Bioeffect, um 95 Euro.<br />
sIsLEYa CONCENtrÉ<br />
aNtI-aGE fErMEtÉ COrPs<br />
<strong>Die</strong> reichhaltige Creme strafft das Dekolleté und<br />
ebenso Beine und Po. Mit Koffein, Weinlaub und<br />
einem Mikroalgenextrakt. Von Sisley, um 320 Euro.<br />
foto miCHael mann, styling andrew tuCKer<br />
eine Kolumne von Bettina Brenn<br />
Jährlich grüßt das Murmeltier – sobald die ersten warmen<br />
Sonnenstrahlen den Norden Deutschlands erreichen,<br />
plagt mich das Gewissen: Ich sollte dringend<br />
mehr Sport treiben, auf schlechte Kohlen hydrate verzichten<br />
und auf Zucker sowieso. Jajaja. Außer dem startet die<br />
Freiluftsaison mit schmalen Printkleidern von Mary Katrantzou,<br />
ärmellosen Tops von Victoria Beckham und sexy Jeansshorts von<br />
Isabelle Marant Etoile. Irgendetwas muss man also tun, wenn<br />
man der fiesen Cellulite – oder dem „wilden Fleisch am Körper“<br />
(O-Ton meines ersten Fashion Directors) – trotzen möchte.<br />
Dass 95 Prozent aller Frauen daran leiden, ist überhaupt kein<br />
Trost. Denn jede möchte zu den fünf Prozent gehören, die keine<br />
Cellulite haben. Klar.<br />
Also wird bei mir, als Frau vom Fach, in erster Linie gecremt<br />
und massiert. Und weil ich leider nicht mit Kilian Hennessy mithalten<br />
kann, dem Sprössling der bekannten Luxusgüterdynastie,<br />
der mit der Aussage „I could live on a massage bench!“ zweimal<br />
pro Woche einen Masseur kommen lässt, creme ich eben selbst.<br />
Seit geraumer Zeit mit „Concentré Anti-Age Fermeté Corps“<br />
von Sisley. Als großer Fan von Phyto- oder Natur-Pflegelinien<br />
habe ich mir hier ganz bewusst den Porsche unter den straffenden<br />
Körpercremes ausgesucht. Denn Sisley ist unumstritten der<br />
Phyto-Pflegeexperte der Luxusklasse. <strong>Die</strong> Marke steht seit über<br />
30 Jahren für intensive Forschung auf dem Gebiet der Pflanzenwirkstoffe<br />
und für Produkte, die nicht nur unglaublich gut riechen<br />
(nach einem Hauch Lavendel!), sondern eben auch wirklich<br />
etwas bewirken. Damit creme ich also fleißig nach jedem Duschen<br />
und habe es so wirklich geschafft, gänzlich ohne dehydrierte<br />
Haut durch den Winter zu kommen. Ein fein abgestimmter<br />
Cocktail aus Lampionblumen, Pflaumenkernöl, Haferextrakt<br />
und weiteren natürlichen Helferlein versorgt die Haut dabei<br />
nicht nur mit viel Feuchtigkeit, sondern strafft und glättet sie<br />
zudem nachhaltig.<br />
Ich bin der Meinung: Cremen lohnt sich – auch wenn das<br />
tiefer in der Haut liegende Problem damit allein leider nicht gelöst<br />
wird. Was also noch tun?<br />
Neulich las ich von einem Treatment, das mit dem Kunstwort<br />
„Slimyonik“ bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um eine<br />
Art maschinell ausgeführter Lymphdrainage. Bereits nach kurzer<br />
Zeit soll, so das Versprechen, der Oberschenkelumfang reduziert<br />
und gleich zeitig die Cellulite verringert werden. Hat man über<br />
vier Wochen einen Crashkurs mit circa drei Behandlungen pro<br />
Woche absolviert, reicht es angeblich aus, nur zweimal pro Monat<br />
wieder zukommen, um das Ergebnis zu halten. Klingt gut,<br />
fand ich. Und startete meinen ersten Selbstversuch – in einer<br />
breiten, verdrahteten Hose, die einem Raumanzug gleicht.<br />
Klaustrophobiker werden hier vor eine harte, aber lösbare Aufgabe<br />
gestellt. Und das Durchhalten lohnt sich. Zuerst wird das<br />
entsprechende Programm eingestellt, und die Maschine fängt<br />
an, Luft an- und abzupumpen. Eine Art Druckwellenmassage<br />
kurbelt dabei das Lymphsystem an, so werden Wasseransammlungen<br />
aus dem Körper geschleust und die Durchblutung angeregt.<br />
Bereits nach 35 Minuten ist der Weltraumausflug schon<br />
wieder vorbei. Ich entstieg der NASA-Hose, und meine Beine<br />
fühlten sich, nun ja, wirklich leichter an. Das gute Gefühl hielt<br />
auch nach den folgenden Behandlungen an, und ich fand, zu<br />
meiner eigenen Überraschung, dass sich auch die Optik zum<br />
Vorteil verändert hat. Doch für ein abschließendes Urteil ist es<br />
noch zu früh, einige Termine habe ich bis zum endgültigen<br />
Wunschergebnis noch vor mir. Aber ich bin vorsichtig optimistisch.<br />
Gisele Bündchens Beine werden es zwar nicht mehr werden,<br />
und Micro-Shorts hatte ich vorausschauenderweise bereits<br />
vor Jahren aus dem Kleider schrank verbannt. Aber der<br />
Frühling 2013 startet vielleicht mit einem weniger schlechten<br />
Gewissen. Und das ist doch auch schon mal was.<br />
infOs unter www.slimyonik.de<br />
in HamBurg zum Beispiel Bei<br />
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Ab<br />
Mai 2013<br />
NEU
kurzgeschichte<br />
kurzgeschichte<br />
Zwei- oder dreihundert<br />
Dinge, die ich von ihr weiß<br />
Ich sehe sie auf der Twitterseite<br />
einer Bekannten, ich<br />
sehe nur ein winziges Foto<br />
und klicke auf ihr Lächeln,<br />
ich weiß nicht, warum. Ich folge<br />
bloß einem Impuls und bin schon<br />
auf ihrer Profilseite, sehe das<br />
gleiche Foto größer, sie lächelt<br />
und trägt eine grüne Bluse, ich<br />
mag dich, Katja Niehaus, denke<br />
ich und lese ihre letzten Tweets.<br />
Lese, daß sie einen Arbeitsplatz<br />
in einer neu gegründeten Bürogemeinschaft<br />
in Kreuzberg bezogen<br />
hat, ich mag deinen Mund,<br />
Katja, und mir gefallen deine<br />
Haare; ich markiere und kopiere<br />
ihren Namen in die Suchleiste,<br />
klicke und sehe sofort andere<br />
Fotos von ihr, darunter das<br />
Profil bild ihrer Facebookseite.<br />
Sowohl von ihrer Twitter- als<br />
auch von ihrer Facebookseite gibt<br />
es Links zu ihrer Homepage, dort<br />
verrät sie, daß sie Visuelle Kommunikation<br />
studiert hat, an der<br />
UDK, hier in Berlin; sie ist dreißig<br />
Jahre alt. Ich sehe sie wieder<br />
in der enggeschnittenen grünen<br />
Bluse, sie lächelt mich an. Wer ist<br />
diese Frau? Was will sie von mir?<br />
Und warum gibt es auf ihrer<br />
Homepage einen Link zu einem<br />
ausführlichen Lebenslauf? Geht<br />
ihr ausführlicher Lebenslauf<br />
mich etwas an? Darüber denke<br />
ich noch nach, da hat die Hand<br />
auf die Maus, sie macht, was sie<br />
will, schon geklickt, die PDF<br />
springt auf, ich lese:<br />
06/1999 Allgemeine Hochschulreife,<br />
Gymnasium Leopoldinum,<br />
Detmold<br />
Leistungskurse: Kunst, Mathematik;<br />
Abschlußnote: 1,9<br />
Ihre Leistungskurskombination<br />
gefällt mir. Sie hat für die<br />
Töchter + Söhne GmbH, Studentische<br />
Kommunikationsagentur,<br />
ge arbeitet, Sprachen sind<br />
vielleicht nicht so ihr Ding, sie<br />
nennt sich verhandlungssicher in<br />
Englisch und bescheinigt sich<br />
Basiskenntnisse in Französisch,<br />
ihre Softwarekenntnisse hingegen<br />
beeindrucken: MacOS (Profi),<br />
Adobe Creative Suite (InDesign,<br />
Photoshop, Illustrator, Acrobat<br />
Professional), MS Office, Neo-<br />
Office, HTML, Wordpress,<br />
Freehand, QuarkXPress, Dreamweaver.<br />
Dreamweaver klingt<br />
vielversprechend, welche Träume<br />
sie wohl webt?<br />
Ihre Interessen, wie der Lebenslauf<br />
sie verrät, lauten:<br />
Musik: Klavier spielen (Jazz,<br />
Improvisation), Musik hören<br />
Sport: Joggen, Beachvolleyball,<br />
Segeln, Yoga, Tennis<br />
Kultur: (Kunst-)Ausstellungen<br />
besuchen, Kino, Musik-<br />
Konzerte, Theater<br />
Sonstiges: Fahrradfahren,<br />
Ausflüge, Wandern, Lesen.<br />
Theoretisch hätte ich ihr<br />
auf einem Geburtstagsessen<br />
begegnen können.<br />
Wir hätten uns<br />
vielleicht unterhalten und uns<br />
angelächelt, ich sie und sie mich.<br />
Und hätten wir uns interessant<br />
oder sympathisch gefunden, wir<br />
hätten uns vielleicht lose verabredet,<br />
vielleicht wie früher Telefonnummern<br />
ausgetauscht oder,<br />
weil unverbindlicher, uns einfach<br />
auf Facebook angefreundet – weil<br />
weder sie noch ich dem Gegenüber<br />
einen Satz mit mein Freund,<br />
mein Mann oder meine Freundin,<br />
meine Frau markiert hätten. Wären<br />
wir uns so begegnet, auf dem<br />
Geburtstag einer gemeinsamen<br />
von<br />
DaviD Wagner<br />
Bekannten mit Kind, auf einem<br />
Konzert oder in einer Bar, nach<br />
einer Ausstellungseröffnung oder<br />
einem Theaterbesuch, hätte ich<br />
mich nicht auch gleich informiert?<br />
Hätte ich sie nicht sofort<br />
gegoogelt und mir ihre Bücherwunschliste<br />
auf amazon.de angesehen?<br />
Achtunddreißig Bücher<br />
stehen auf dieser Liste, Fachbücher<br />
über Design und Belletristik,<br />
jeder Amazon-Kunde kann<br />
sich solch einen Wunschzettel<br />
anlegen, allerdings scheinen nicht<br />
alle zu wissen, daß dieser öffentlich<br />
ist und für jeden einsehbar;<br />
ich könnte ihr eines dieser Bücher<br />
per one click buy bestellen<br />
und schicken lassen, ich könnte<br />
ihr einen Wunsch erfüllen, am<br />
besten gefällt mir der Titel Designers<br />
Are Wankers, sie sind also<br />
Wichser, die Designer, habe ich<br />
mir das nicht schon immer gedacht?<br />
Katja Niehaus interessiert<br />
sich außerdem für Island, zwei<br />
Reiseführer für diese Insel stehen<br />
auf der Liste, sie wünscht sich<br />
J. M. Coetzee, Warten auf die Barbaren,<br />
Austerlitz von W. G. Sebald<br />
und ein Buch von Raymond Carver,<br />
natürlich, was sonst, Wovon<br />
wir reden, wenn wir von Liebe reden;<br />
sie interessiert sich also für<br />
Literatur, sie liest noch, gute Bücher,<br />
ja, wieso aber wünscht sie<br />
sich <strong>Die</strong> verlorene Ehre der Katharina<br />
Blum? Mußte sie Böll nicht<br />
in der Schule lesen, oder stand<br />
der in ihrer Schulzeit nicht mehr<br />
auf dem Lehrplan?<br />
Ich klicke zu ihrem Profil bei<br />
last.fm, sie heißt dort nicht Katja<br />
Niehaus, sondern führt ihren<br />
Account unter dem Moniker<br />
schokobella. Von ihrer Homepage<br />
führt jedoch ein direkter<br />
Link zu last.fm, sie will ihre Musik<br />
nicht verstecken, will zeigen,<br />
was sie hört, ja, sieh, bin ich nicht<br />
die Musik, die ich spiele? 357 Mal<br />
hat sie Calexico und 209 Mal<br />
Vampire Weekend gehört, Razorlight<br />
144 Mal, Miles Davis<br />
123 Mal, weiter hinten, 46 Mal<br />
gespielt, folgen Amy Macdonald<br />
und Fleetwood Mac (was machen<br />
Fleetwood Mac auf dieser Liste?),<br />
Kings of Convenience, Brad<br />
Mehldau Trio, Carlos Kleiber<br />
und die Wiener Philharmoniker.<br />
Und dann, noch weiter hinten,<br />
taucht mit The Style Council<br />
eine Band auf, die einmal so etwas<br />
wie meine Lieblingsband<br />
war, immerhin 23 Mal gespielt.<br />
Sie kündigt an, daß sie zum Vampire-Weekend-Konzert<br />
im Astra<br />
gehen wird, die Mitteilung ist<br />
allerdings ein paar Monate alt;<br />
das Konzert hat schon stattgefunden,<br />
und ja, sie war da, ich weiß<br />
es, ich habe es in einem ihrer älteren<br />
Tweets gelesen. Toll soll es<br />
gewesen sein.<br />
Ich wandere weiter auf ihre<br />
noch nicht gelöschte MySpace-<br />
Seite mit einem Bild, auf dem sie<br />
mir noch besser gefällt, sie trägt<br />
große Kopfhörer über einer Mütze<br />
und lacht. Und ihr Lachen,<br />
obwohl ich es nicht hören kann,<br />
gefällt mir. Gefällt mir sehr. Sie<br />
hat bloß achtzehn MySpace-<br />
Freunde, trotzdem wurde ihre<br />
Seite, soviel verrät der Zähler,<br />
schon 1 231 Mal angesehen.<br />
Vorgestern hat sie sich<br />
über das Natur-Pur-<br />
Resort Kolbatzer<br />
Mühle informiert und<br />
ein Lesezeichen auf ihrer Bookmarkseite<br />
gesetzt, auch die ist<br />
verlinkt und einsehbar, sie benutzt<br />
delicious. Sie will wohl bald<br />
hinaus aufs Land, ein paar ruhige<br />
Tage verbringen, wandern, sie<br />
interessiert sich auch für zwei<br />
Ferienwohnungen in der Uckermark,<br />
die Links hat sie unter den<br />
Schlagwörtern traveling und<br />
brandenburg abgespeichert.<br />
Am 2. Februar hat Katja über<br />
zweihundert Fotos auf ihre flickr-<br />
Seite hochgeladen, leider ist nur<br />
ein Bild dabei, auf dem sie selbst<br />
zu sehen ist – spricht dafür, daß<br />
sie die Fotografin war, in London,<br />
Paris und New York. Es gibt<br />
Bilder von blühenden Kirschzweigen<br />
und Fotos von Eierkartons.<br />
Und Fotos von Zeichnungen<br />
von Eierkartons. Und<br />
von einer Wiese, die vielleicht im<br />
schottischen Hochland liegt. Es<br />
sind auch ältere Bilder aus Berlin<br />
dabei, die Aufnahmen zeigen<br />
Bauarbeiten des neuen Potsdamer<br />
Platzes. Damals, ich weiß ja,<br />
daß sie erst 1999 Abitur gemacht<br />
hat, ging sie noch zur Schule.<br />
Hat sie diese Fotos vielleicht auf<br />
einer Klassenfahrt aufgenommen<br />
und später digitalisiert? Hat sie<br />
auf dieser Klassenfahrt entschieden,<br />
eines Tages in Berlin zu studieren?<br />
Es gibt auf flickr auch ein<br />
Foto ihres Ateliers, aber ich weiß<br />
ja, sie arbeitet dort nicht mehr,<br />
sie hat doch ein Bild ihres neuen<br />
Arbeitsplatzes über ihren Blog<br />
gepostet, ja, sie führt auch einen<br />
Blog, er ist über ihre Twitter-<br />
Seite verlinkt. Außerdem, die<br />
Seiten sehe ich mir ebenfalls an,<br />
ist sie bei Xing und linked.in, sie<br />
bietet dort Schnittstellenkompetenz,<br />
Kampagnenentwicklung,<br />
Ideen, Kreativität, ganzheitliches<br />
Denken, Kontakte in die Nachhaltigkeitsszene,<br />
Kontakte zu NPOs,<br />
Workshops und Vorträge.<br />
Grafikdesignerin um die<br />
30, eher prekär beschäftigt,<br />
engagiert,<br />
sympathisch, musikalisch,<br />
sportlich. Und ledig, wie<br />
sie in ihrem Lebenslauf schreibt.<br />
Ledig, frage ich mich nun,<br />
schreibt jemand das auch, wenn<br />
er oder sie mit einem Mann oder<br />
einer Frau zusammenlebt und<br />
nicht verheiratet ist? Oder heißt<br />
es dann liiert statt ledig? Wieso<br />
habe ich das Gefühl, daß diese<br />
Traumfrau alleine wohnt? In<br />
einer sonnigen 2-Zimmer-Wohnung<br />
mit kleinem Balkon zum<br />
Hinterhof, Duftseifen liegen in<br />
ihrem Wäscheschrank, der Wäscheschrank<br />
steht im Flur und ist<br />
aus Weichholz, hell gebeizt, die<br />
<strong>Die</strong>len sind selbstverständlich<br />
abgezogen und umweltfreundlich<br />
bioversiegelt.<br />
Ein Kind hat sie nicht<br />
– hätte sie eines, sie<br />
hätte keine Zeit für all<br />
diese Onlineaktivitäten.<br />
Und in ihrem Projektkatalog<br />
(was war heißt die Rubrik auf ihrer<br />
Homepage) gibt es keine<br />
größere Lücke, keine Babypause.<br />
Immer war da ein Praktikum, ein<br />
Projekt, ein Engagement für eine<br />
Non-Profit-Organisation. Hätte<br />
sie ein Kind, es wäre hier zu sehen,<br />
auf ihrer Amazon-Wunschliste<br />
zum Beispiel, da stünde dann<br />
ein Buch von Remo H. Largo.<br />
Womöglich denkt sie, eine Frau<br />
von dreißig Jahren, manchmal an<br />
ein Kind, in letzter Zeit vielleicht<br />
sogar immer öfter.<br />
Ich klicke zurück in das Fenster<br />
mit ihrem ausführlichen Lebenslauf.<br />
Sie hat, das habe ich<br />
eben beim ersten Lesen übersehen,<br />
nicht nur ihre vollständige<br />
Adresse, Schenkendorfstraße 11,<br />
10965 Berlin, sondern auch ihre<br />
Festnetz- und die Mobilnummer<br />
angegeben; ich könnte sie anrufen,<br />
jetzt gleich, sofort, ich könnte<br />
ihr eine SMS schicken, von<br />
meinem Telefon oder anonym,<br />
aus dem Netz. Stehen ihre Nummern<br />
so offen da, weil sie hofft,<br />
daß ich anrufe? Könnte ich nicht<br />
ein Auftraggeber sein? Jemand,<br />
der, wie es auf ihrer Seite heißt,<br />
eine Querschnittsdenkerin sucht?<br />
Was bitte ist eine Querschnittsdenkerin?<br />
Ihre Festnetznummer beginnt<br />
mit einer Acht, was eigentlich<br />
nicht zu der Gegend um den<br />
Chamissoplatz paßt, aber das war<br />
einmal, daß Telefonnummern den<br />
Bezirk und im Bezirk den ungefähren<br />
Wohnort verrieten, Telefonnummern<br />
werden heute bei<br />
Umzügen mitgenommen. Ich<br />
kenne ihre Straße, eine kurze<br />
Querstraße zwischen Arndt- und<br />
Bergmannstraße, ich gehe durch<br />
die Schenkendorfstraße, wenn ich<br />
zu meinem Hausarzt gehe. Und<br />
selbst wenn ich ihren Kiez, ihre<br />
Straße und deren geschlossene<br />
Altbauzeilen nicht zufällig kennen<br />
würde, ich könnte mir ihr<br />
Haus nun auf Google Street View<br />
ansehen, ich könnte ihren Hauseingang<br />
finden und versuchen zu<br />
raten, welche Fenster zur Straße<br />
die ihrer Wohnung sind – aber<br />
ich vermute, sie wohnt im Seitenflügel,<br />
anderthalb Zimmer,<br />
dritter oder vierter Stock, das<br />
kleinere, halbe Zimmer ist ihr<br />
Schlafzimmer und auf ihrem<br />
Nachttisch liegen ein paar Bücher.<br />
Oder sie hat gar keinen<br />
Nachttisch, die Bücher stapeln<br />
sich neben dem Bett auf den <strong>Die</strong>len,<br />
ihr Wecker steht da, eine<br />
Wasserflasche, eine Packung Taschentücher,<br />
ihre Pille. Ihr Bett<br />
ist schlicht und nicht von Ikea,<br />
das ist ihr wichtig, nicht sehr<br />
hoch und eins vierzig breit, der<br />
Freund, Freundinnen, Freunde<br />
von früher haben da Platz.<br />
Ich könnte ihr, überlege ich<br />
nun, in der Markthalle auf dem<br />
Marheinekeplatz begegnen, auf<br />
dem Weg zum U-Bahnhof Gneisenaustraße<br />
oder in dem österreichischen<br />
Restaurant Ecke Heimstraße,<br />
aber ich vermute, sie ist<br />
Vegetarierin und mag keine Wiener<br />
Schnitzel. Ich könnte mich<br />
vor ihr Haus stellen und auf sie<br />
warten, ich weiß ja, welche Hausnummer;<br />
und selbst wenn ihre<br />
Adresse nicht da stünde, ihre<br />
Homepage ist bei der Domainverwaltungsgesellschaft<br />
Denic auf<br />
ihren Namen eingetragen, die<br />
Anfrage dauert nur Sekunden<br />
und ergibt die gleiche Anschrift:<br />
Schenkendorfstraße 11.<br />
Ich könnte mich, denke ich<br />
mir dann, auch vor den großen<br />
Biomarkt am Marheinekeplatz<br />
stellen, vor das Gebäude, in dem<br />
sich früher die Post befand, und<br />
auf sie warten. Und ich könnte,<br />
kurz bevor sie mich kreuzt, etwas<br />
fallen lassen, Biotomaten aus einer<br />
zuvor präparierten braunen<br />
Packpapiertüte zum Beispiel, sicher<br />
würde sie mir helfen, meine<br />
über den Boden kullernden Tomaten<br />
aufzusammeln, ich könnte<br />
sie anlächeln, sie könnte mich<br />
an lächeln, ich könnte etwas unverfängliches<br />
über Tomaten oder<br />
Packpapiertüten sagen, mich bedanken<br />
und sie zu einem Kaffee<br />
einladen. <strong>Die</strong> erforderliche Ungezwungenheit<br />
müßte ich vorher<br />
allerdings proben, vielleicht vor<br />
einem anderen Biomarkt, in einem<br />
anderen Bezirk, mit einer<br />
anderen unbekannten Frau.<br />
Ihr letzter Tweet ist schon<br />
vier Stunden alt, zuletzt<br />
gebloggt hat sie vorgestern,<br />
ihre Facebook-Postings<br />
kann ich nicht sehen – ausgerechnet<br />
dort teilt sie nicht allen alles<br />
mit. Eine Freundschaftsanfrage<br />
möchte ich ihr allerdings nicht<br />
schicken, denn dann wüßte sie ja<br />
von mir.<br />
Was sie jetzt wohl macht?<br />
18 Uhr 21, an einem <strong>Die</strong>nstagabend?<br />
Sitzt sie noch in ihrem<br />
Büro? An ihrem neuen Arbeitsplatz?<br />
Vor ihrem Rechner und<br />
schaut auf ihre Facebookseite?<br />
Oder ist sie schon zu Hause, in<br />
ihrer Wohnung, und schaut dort<br />
auf ihrem Küchencomputer ihre<br />
Facebookseite an? Ist sie dabei,<br />
die Wäsche aufzuhängen? Auf<br />
einem Klappständer im Bad, weil<br />
sie im Flur, dort steht neben dem<br />
Schrank noch ein Regal mit aussortierten<br />
Büchern, sonst so<br />
schlecht an der Wäsche vorbeikommt?<br />
<strong>Die</strong> Bluse, die grüne<br />
Bluse, die sie auf dem Foto anhat,<br />
hat sie schon gestern gewaschen<br />
und aufgehängt, morgen Abend<br />
wird sie die bügeln und währenddessen<br />
Kulturzeit auf 3sat schauen,<br />
die Wohnung riecht nach<br />
Waschmittel, Biowaschmittel,<br />
nach Aloe vera.<br />
ausgewählt von JAn BrAnDt<br />
DaviD Wagner, 1971 geboren,<br />
studierte Literaturwissenschaft und<br />
kunstgeschichte und verbrachte<br />
längere zeit in rom, Barcelona und<br />
Mexiko-stadt. sein Debütroman<br />
Meine nachtblaue Hose über eine<br />
Jugend in Westdeutschland erschien<br />
2000. neun Jahre später<br />
veröffentlichte er den roman Vier<br />
Äpfel. zwischendurch schrieb er für<br />
verschiedene zeitungen. sein<br />
jüngster, autobiografischer roman<br />
Leben (rowohlt) über einen<br />
Patienten, der an einer autoimmunhepatitis<br />
leidet und eine<br />
spenderleber erhält, wurde im<br />
März mit dem Preis der Leipziger<br />
Buchmesse ausgezeichnet.<br />
<strong>Die</strong>se kurzgeschichte erscheint<br />
exklusiv in <strong>Interview</strong>.<br />
156<br />
157
pArty<br />
Fotos: courtesy of CR Fashion Book<br />
pArty<br />
Anna Dello Russo<br />
Carine Roitfeld, Stephen Gan, Kanye West, Karl Lagerfeld<br />
Edita Vilkeviciute, Peter Dundas, Alber Elbaz, Magdalena Frackowiak<br />
Alessandro Sartori, Yves Carcelle<br />
Daphne Groeneveld<br />
Vincent Chaillet, Marie-Agnès Gillot<br />
und Begleitung<br />
paris<br />
Chez Carine<br />
Wenn paris eine<br />
Frau wäre,<br />
hieße sie Carine,<br />
Carine roitfeld.<br />
Zur Launch-party der<br />
neuen ausgabe des<br />
CR Fashion Book<br />
während der<br />
pariser Modewoche<br />
lud Madame roitfeld<br />
ins shangri-La Hotel.<br />
Dresscode: Black Tie.<br />
Guestlist: too long<br />
Jessica Chastain<br />
Saskia de Brauw<br />
Karlie Kloss<br />
Delfina Delettrez Fendi<br />
Carine Roitfeld, <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong> Adrien Brody Jessica Alba<br />
159<br />
Karl Lagerfeld, <strong>Kate</strong> <strong>Moss</strong>, Carine Roitfeld, Riccardo Tisci Anthony Vaccarello, Alice Dellal Gaia Repossi
Foto SebaStian Faena<br />
Styling julia von boehm<br />
mantel, Rollkragenpullover & Gürtel<br />
Calvin Klein ColleCtion<br />
heRstelleRnaChweiS<br />
Acne www.acnestudios.com<br />
AcquA di PArmA www.acquadiparma.com<br />
AdidAs www.adidas.com<br />
AdidAs OriginAls by Jeremy scOtt<br />
www.adidas.com<br />
AdidAs OriginAls by OPening ceremOny<br />
www.adidas.com<br />
Akris www.akris.ch<br />
AlexAnder mcqueen www.alexandermcqueen.com<br />
AlexAnder WAng www.alexanderwang.com<br />
Alexis bittAr www.alexisbittar.com<br />
Alynne lAvigne www.alynnelavigne.com<br />
Ann demeulemeester www.anndemeulemeester.be<br />
Anne sOfie mAdsen www.annesofiemadsen.com<br />
AnthOny vAccArellO www.anthonyvaccarello.com<br />
AvedA www.aveda.de<br />
160<br />
bAlenciAgA by nicOlAs ghesquière<br />
www.balenciaga.com<br />
bAume & mercier www.baume-et-mercier.com<br />
biOeffect www.bioeffect.de<br />
burberry brit www.burberry.com<br />
burberry PrOrsum www.burberry.com<br />
cAlvin klein cOllectiOn www.calvinklein.com<br />
cAlvin klein frAgrAnces<br />
www.calvinkleinfragrances.de<br />
cArOlinA AmAtO www.carolinaamato.com<br />
cArtier www.cartier.com<br />
cAudAlie www.caudalie.com<br />
céline www.celine.com<br />
chAnel www.chanel.com<br />
chlOé www.chloe.com<br />
christiAn lOubOutin www.christianlouboutin.com<br />
clAire bArrOW www.clairebarrow.com<br />
clArins www.clarins.de<br />
cOnverse www.converse.com<br />
cOstume nAtiOnAl www.costumenational.com<br />
diOr www.dior.com<br />
dOlce & gAbbAnA www.dolcegabbana.com<br />
eddie bOrgO www.eddieborgo.com<br />
eres www.eresparis.com<br />
fAlke www.falke.com<br />
giOrgiO ArmAni www.armani.com<br />
giusePPe ZAnOtti www.giuseppezanottidesign.com<br />
henrik vibskOv www.henrikvibskov.com<br />
hermès www.hermes.com<br />
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15. MAI 2013<br />
SALVADOR DOMINGO FELIPE JACINTO DALÍ I DOMÈNECH, MARQUÉS DE DALÍ DE PÚBOL, ALS COVERBOY, MAI 1973<br />
DALÍ<br />
Wer Uhren wie Eigelb zer -<br />
fließen lässt, hat entweder<br />
einen an der Klatsche –<br />
oder diese Vision schon im<br />
Mutterleib gehabt. Im Falle<br />
des Groß-Surrealisten<br />
Salvador Dalí trifft beides<br />
zu. Hier der phosphoreszierende<br />
Auszug eines<br />
Gesprächs zwischen ihm<br />
und Warhol-Sternchen<br />
Candy Darling<br />
CANDY DARLING: Wie und wann hast du eigentlich<br />
mit der Kunst angefangen?<br />
SALVADOR DALÍ: Vor dem ersten Monat, vor<br />
meinem neuen Leben, vor meiner Geburt, weißt du,<br />
was ich meine?<br />
DARLING: Als du im Bauch deiner Mutter warst?<br />
DALÍ: Genau, meine ersten Erinnerungen stammen<br />
aus dem Uterus, intrauterine Erinnerungen.<br />
DARLING: Intra …<br />
DALÍ: Uterin. Intrauterin, weißt du, was das ist?<br />
DARLING: Ja.<br />
DALÍ: Ich erinnere mich noch gut an Friet X.<br />
DARLING: Friet X?<br />
DALÍ: X, ja.<br />
DARLING: X.<br />
DALÍ: X, aber ohne Teller, nur X, die sich in Größe<br />
und Form veränderten.<br />
DARLING: Mmmmmmm!<br />
DALÍ: Und, hm, Dr. Freud meinte zu mir, dies sei<br />
wahrscheinlich durch meine Position im Bauch meiner<br />
Mutter zu erklären, meine Hände könnten auf<br />
meine Augen gedrückt und so diese engelhaften,<br />
phosphoreszierenden Kreise erzeugt haben. Weißt du,<br />
was phosphoreszierende Kreise sind?<br />
DARLING: Klar.<br />
DALÍ: Der Fachbegriff in der Wissenschaft lautet<br />
ipanagoge Bilder.<br />
DARLING: Ip-ana …<br />
DALÍ: Nein. Ipanagogische, ipanagogisch, schlag<br />
bitte ipanagoge Bilder im Wörterbuch nach (heißen<br />
eigentlich hypnagoge Bilder). Sie entstehen, wenn man<br />
das Auge ganz doll reibt und diese bunten Kreise<br />
sieht, violett und gelb, das Violett steht für das Eiweiß,<br />
das Gelb für den Eidotter. Wahrscheinlich hat<br />
meine Position im Leib meiner Mutter Druck auf<br />
meine Augen ausgeübt, und so entstanden diese phosphoreszierenden<br />
Fright X.<br />
DARLING: Fright X? Du meinst fried eggs, also<br />
Spiegeleier?<br />
DALÍ: Bravo, bravo, dein Englisch wird immer<br />
besser!<br />
DARLING: Hat das etwas mit Ektoplasma zu tun?<br />
DALÍ: Auf einem Spiegelei gibt es kein Ektoplasma.<br />
Man kann ein Spiegelei essen, Ektoplasma hingegen<br />
kann man niemals essen.<br />
DARLING: Ach, du isst es?<br />
DALÍ: Dalí isst alles!<br />
DARLING: Auf Toast?<br />
DALÍ: Auf Toast, meistens jedoch mit Honig. <strong>Die</strong>se<br />
Woche habe ich ein kleines Foto angefertigt: Mao<br />
Tse-tung auf einem Berg Bohnen. Dazu noch Marilyn<br />
als Bohne, und das kann man dann verzehren. Wenn<br />
man es runterschluckt, vermählt man Mao und Marilyn<br />
im Magen miteinander.<br />
DARLING: Wie hat sich das angefühlt?<br />
DALÍ: Oh, sehr friedlich.<br />
Foto: Francesco Scavullo für <strong>Interview</strong> Magazine, Mai 1973<br />
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